Übersicht:
Die Wirrnis und Unklarheit der Tiroler Legisten
Das vernichtende Urteil des VfGH
Gar nichts muss das Land reparieren!
Eingriff in ein perfektes Regelungswerk
Warum werden Leser falsch informiert?
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Abstract:
Viel zu oft verlieren Journalisten den Zweck ihrer Arbeit aus den Augen: die objektive Information des Zeitungslesers!
Wenn Zeitungen politische Statements verbreiten und dafür die irreführende Form des scheinbar neutralen Zeitungsberichts wählen, so ist das einfach „schlechter Journalismus“.
Irreführende „Zeitungsberichte“, die in Wahrheit politischen Gestaltungswillen transportieren, anstatt objektive Information („Propaganda“), sind ein Kennzeichnen für die Berichterstattung zum Tiroler Agrarstreit.
Kurz vor Weinachten 2016, am 21.12., wurde den Tiroler Lesern ein weiterer „Zeitungsbericht“ serviert, der wieder einmal kein „Bericht“ ist, sondern schlicht ein politisches Ziel des betreffenden Redakteurs transportiert. „Ab 1998 sollen Ausschüttungen zurückfließen“, so offensichtlich das politische Ziel des Redakteurs, gegossen in den Titel des Zeitungsartikels.
Realisieren soll sich dieses politische Ziel nach Meinung des Redakteurs wie folgt: „Der Verfassungsgerichtshof hat eine empfindliche Kerbe in das Agrargesetz geschlagen. Das Land muss das Gesetz reparieren.“
Angeknüpft hat der Redakteur einmal mehr beim Erkenntnis des VfGH G219/2015 vom 13.10.2016, mit dem die völlig verunglückte Regelung des § 86d (Tiroler) Flurverfassungslandesgesetz als verfassungswidrig erklärt und per 31.12.2017(!) außer Kraft gesetzt wurde.
Mit dieser Gesetzbestimmung wollten die Tiroler Legisten das „Recht der ungerechtfertigten Bereicherung“ im Tiroler Flurverfassungsrecht neu erfinden.
Das „Recht der ungerechtfertigten Bereicherung“ ist jedoch eine der schwierigsten Rechtsmaterien überhaupt, an der sich die Spitzenjuristen aller Rechtsordnungen seit mehr als zweitausend Jahren erproben. Der Versuch, im Tiroler Flurverfassungsrecht diese extrem schwierige Materie anhand neuer Rechtsgrundsätze zu regeln, war von vorne herein zum Scheitern verurteilt – dieser Spruch des Verfassungsgerichts überrascht deshalb keinen Experten!
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Wirrnis und Unklarheit der Tiroler Legisten
Generationen von Juristen haben seit den Glanztagen des Römischen Rechts vor über 2000 Jahren zur ungerechtfertigten Bereicherung klare Regeln erarbeitet. Diese sind im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch – ABGB seit dem Jahr 1811 niedergelegt. Die Tiroler Legisten im Verfassungsdienst des Landes haben diese Regeln offenkundig weder verstanden, noch im Landesgesetz umgesetzt.
Statt es bei den klaren und erprobten Normen des traditionellen Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung zu belassen, wurden im Tiroler Agrarrecht Regelungen geschaffen, wo „Kraut und Rüben“ durcheinander gehen, wo wirre Tatbestände mit wirren Stichtagsregelungen verknüpft werden. Diese Wirrnis wurde geschaffen, obwohl der Regelungsgegenstand dem verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz unterliegt. Unsachlichkeit und Wirrnis legen jedoch den Keim für Verfassungswidrigkeit. Das Urteil des Verfassungsgerichts fiel entsprechend schrecklich aus!
Das vernichtende Urteil des VfGH
VfGH G219/2015 vom 13.10.2016, Rz 181: „§86d Abs1 erster Satz TFLG 1996 stellt die (auf einer nicht tragfähigen Prämisse aufbauende) Grundregel für die vermögensrechtliche Auseinandersetzung für die Vergangenheit bei Agrargemeinschaften auf Gemeindegut iSd §33 Abs2 litc Z2 leg.cit. dar.
Der zweite Satz dieser Bestimmung knüpft an „solche Ansprüche“ an und normiert die (in den lita und b Gleichheitswidrigkeiten aufweisenden) Ausnahmen davon …“
Mit anderen Worten: Die Generalregelung ist verfassungswidrig; die Ausnahmen dazu sind verfassungswidrig. Schlimmer geht es nimmer!
Der VfGH beispielhaft: VfGH G219/2015 vom 13.10.2016, Rz 177: §86d Abs1 TFLG 1996 trifft mit seiner Differenzierung hinsichtlich der unentgeltlichen und entgeltlichen Zuwendungen in den lita und b zudem eine Regelung, die einer verfassungsrechtlichen Prüfung in Hinblick auf den Gleichheitssatz ebenfalls nicht standzuhalten vermag:
VfGH G219/2015 vom 13.10.2016, Rz 178: Mit dem Erkenntnis VfSlg 18.446/2008 hat der Verfassungsgerichtshof unter Hinweis auf VfSlg 9336/1982 klargestellt, dass der Substanzwert am Gemeindegut seit jeher der Gemeinde zugestanden ist. Wenn nun geldwerte entgeltliche Zuwendungen (ohne Zustimmung der Gemeinde), die den Substanzwert der Gemeinde geschmälert haben, nur unter den engen Voraussetzungen des §86d Abs1 litb TFLG 1996 einer vermögensrechtlichen Auseinandersetzung unterliegen, wird damit gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz verstoßen.
VfGH G219/2015 vom 13.10.2016, Rz 179: Ebenso verletzt das Abstellen auf Informationsschreiben der Agrarbehörde erster Instanz im Gefolge von Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz, weil damit an Vorgänge angeknüpft wird, die zur Gänze vom Belieben und von manipulativen Umständen einer Verwaltungsbehörde abhängen.
Und das ist alles vor dem Hintergrund zu sehen, dass der VfGH (nur) über einen Prüfungsantrag der politischen Minderheit im Landtag (Blaue, Rote, Gelbe, Fritz) entschieden hat. Für einen solchen Antrag gilt nur eine eingeschränkte Prüfungskompetenz, was der VfGH im Erkenntnis im übrigen vollkommen klar ausgesprochen hat. Andere Argumente, als im Prüfungsantrag vorgebracht, insbesondere solche zu Gunsten der Agrargemeinschaftsmitglieder, konnte und durfte der VfGH in diesem Verfahren nicht berücksichtigen.
VfGH G219/2015 vom 13.10.2016, Rz 158: „2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B-VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl. VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).“
Gar nichts muss das Land reparieren!
Resultieren aus dem Verfassungsgerichtshof-Erkenntnis, wonach § 86d TFLG verfassungswidrig sei, Gesetzgebungspflichten des Landes? Besagter Artikel suggeriert dies entgegen der offenkundigen Gesetzeslage: Das „Land“, gemeint der Tiroler Landesgesetzgeber, muss freilich gar nichts! Unterbleibt eine gesetzliche Neuregelung tritt die als verfassungswidrig erkannte Bestimmung des § 86d TFLG 1996 per 31.12.2916 außer Kraft – und nichts wird passieren, außer dass bekanntes Gesetzesrecht gilt.
Verzichtet der Landesgesetzgeber auf eine neue Spezialregelung gilt bekanntes Gesetzesrecht: in erster Linie das Recht der ungerechtfertigten Bereicherung. Generationen von Juristen seit den Glanztagen des Römischen Rechts vor über 2000 Jahren haben dazu klare Regeln erarbeitet, die im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch seit dem Jahr 1811 niedergelegt sind. Dieses Recht regelt perfekt das Verhältnis Gemeinde-Agrargemeinschaft-Agrargemeinschaftsmitglied für die Vergangenheit.
Jeder Versuch des Landesgesetzgebers in dieses perfekte Regelungssystem einzugreifen, ist schon deshalb absurd, weil es sich um die denkbar schwierigste Rechtsmaterie handelt. Jede neue Regelung des Landesgesetzgebers würde in den verfassungsgesetzlichen Eigentumsschutz eingreifen. Jede neue Regelung des Landesgesetzgebers ist deshalb selbstverständlich neues Ziel einer Anfechtung durch die Opposition im Landtag. Jede neue Regelung des Landesgesetzgebers ist deshalb Anlass für neuen politischen Wirbel und politische Agitation.
Eingriff in ein perfektes Regelungswerk
Es ist deshalb zu aller erst schlicht falsch, wenn im genannten Zeitungsartikel behauptet wird, der Landesgesetzgeber müsse „das Gesetz reparieren“; darüber hinaus wäre es politisch unklug selbiges zu tun.
Ganz egal wie der Landesgesetzgeber in das rechtliche System der ungerechtfertigten Bereicherung eingreift – es gibt hier nichts zu gewinnen, außer Schelte von allen Beteiligten und eine politische Bühne für erfolgreiche Attacken der Opposition.
Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit werden die Legisten im Verfassungsdienst des Landes, die die Gesetzesnovelle schreiben müssten, neuerlich am Verfassungsgerichtshof scheitern. Warum?
Das Recht der ungerechtfertigten Bereicherung in einem Paragraphen im Flurverfassungsrecht für Tirol neu zu schreiben, ist ein nicht zu bewältigendes Unterfangen. Jeder Kenner der Sachmaterie wird das bestätigen.
Die Schwäche der Legisten im Verfassungsdienst des Landes ist Ursache dafür, dass diese die Regierungspolitiker nicht klar darauf hinweisen, dass es keinen Sinn macht, Unmögliches zu wollen!
Warum werden Leser falsch informiert?
Im Fall der Zeitungsberichterstattung über den Tiroler Agrarstreit ist Falschinformation schon eher eine Regel als eine Ausnahme.
Dass übertriebene Emotion das logische Denkvermögen beeinträchtigen kann, wurde bereits oben gesagt. Teilweise gründet die Falschinformation freilich auch auf Absicht. Neid ist die Triebfeder; Objekt der Begierde ist der Grundbesitz. Wenn man den Tiroler Besitzern von Grund und Boden schon nicht die wertvollen Felder aus der Hand schlagen kann, so soll zumindest der Gemeinschaftsbesitz als „Gemeindegut“ ihrer Verfügung entzogen werden.
Warum der Redakteur des besagten Artikels vom 21.12.2016 nun bereits widerholt behauptet, der Tiroler Landesgesetzgeber müsse eine Neuregelung für die Vergangenheit versuchen, anstatt es beim perfekten System des Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung zu belassen, sei dahin gestellt.
Wesentlich ist nur, wem es nützen würde, wenn der Landesgesetzgeber den Sirenenrufen des besagten Redakteurs sei Ohr leihen würde: In erster Linie würde es der Opposition nützen, der eine Bühne im Landtag geboten würde und anschließend der medienwirksame neuerliche Gang zum Verfassungsgerichtshof. Die Regierungsparteien hätten dagegen nichts als politischen Schaden! Aber das ist eine andere Geschichte.
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Wirklich schlechter Journalismus
MP