Fragenkatalog des VfGH

Verfassungsrichter Karl Spielbüchler
Von Verfassungsrichter Karl Spielbüchler (Bild: VfGH/Achim Bieniek, Wikipedia; *1939 in Bad Ischl; † 2012 in Gosau) stammt die falsche These, wonach ein Gemeindegut zwingend ein Eigentum der Ortsgemeinde sein müsse. Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs VfSlg 9336/1982 (Feldkirch-Eggenwald-Erk) vom 01.03.1982 (Referent: Karl Spielbüchler) gründet auf dieser These. Der Verfassungsgerichtshof (Referent Karl Spielbüchler) hatte sich 1982 dazu hinreißen lassen, die Thesen von Walter Schiff zu übernehmen, wonach die Errichtung der modernen Ortsgemeinden in den 1860er Jahren einen Eigentumserwerb an den Allmenden begründet hätte. Und im Erkenntnis wird die falsche Behauptung aufgestellt, dass das Gemeinderecht ein `Gemeindegut´ als Eigentum der Ortsgemeinde definiere, eine Rechtstatsache, die das Flurverfassungsrecht angeblich zwingend zu übernehmen hätte. Die Unbefangenheit in Sachen Agrargemeinschaften scheint nicht gewährleistet gewesen zu sein; ins Bild passt das folgende: Von Hofrat Dr. Karl Sponring, langjähriger Vorsitzender des (Tiroler) Landesagrarsenats, wird folgende am Telefon getätigte Äußerung des Verfassungsrichters Spielbüchler berichtet: „Wissen Sie Herr Hofrat, ich kann die Agrargemeinschaften nicht leiden!“ Mit den Fragenkatalog von 2007 hat Karl Spielbüchler das Mieders-Erk VfSlg 18.446/2008 vorbereitet.

 

Der Fragenkatalog des VfGH

Der Verfassungsgerichtshof, in agrarrechtlichen Fragen  seinerzeit instruiert vom mittlerweile verstorbenen Verfassungsrichter Univ.-Prof. Dr. Karl Spielbüchler, hat das Mieders-Erkenntnis 2008 mit einem Fragenkatalog, gerichtet an die Verfahrens-Parteien, vorbereitet.

Bedauerlicher Weise ist der wahre Hintersinn dieses Fragenkataloges den auf Seiten der Agrargemeinschaft Mieders Beteiligten damals nicht bewusst geworden.

I. Fragenkatalog des Verfassungsgerichtshof an die Parteien vom 21. November 2007 B 464/07-10

Ausgehend davon, dass die Agrargemeinschaft als Gemeindegut reguliert wurde, wolle vor dem Hintergrund der im Erkenntnis VfSlg 9336/1982 klargestellten Rechts- und Verfassungslage zu folgenden Fragen innerhalb von sechs Wochen Stellung genommen werden:

1. Hat die Regulierung die Eigenschaft der Liegenschaft, Gemeindegut zu sein, beseitigt? Wenn ja, mit welcher Wirkung?

Wie ist das Ergebnis mit der ausdrücklichen Feststellung vereinbar, dass die Grundstücke das „Gemeindegut“ darstellen?

Wie ist das Ergebnis mit der Absicht vereinbar, an den Verhältnissen (abgesehen von der Regulierung) nichts zu ändern?

Kann der Regulierung bei verfassungskonformem Verständnis unterstellt werden, eine materiell wirkende Eigentumsübertragung (Enteignung?) bewirkt zu haben?

Kann eine bloß fehlerhafte Ansicht über die bei Gemeindegut bestehende Rechtslage diese Rechtslage (auch materiell gesehen) verändert haben?

2. Hat die vorgenommene Regulierung nur die Nutzungsrechte betroffen? Wenn ja: Wie wird der Substanzwert der Gemeinde wirksam? Wenn nein: In welcher Weise hat sie auf den Substanzwert Bedacht genommen?

3. In welcher Beziehung steht der Substanzwert beim Gemeindegut zur Frage der formellen Eigentümerstellung? Ist das Eigentum Voraussetzung oder Folge dieser Eigenschaft?

4. …

Wien, am 21. November 2007, vom Verfassungsgerichtshof: DDr. Grabenwarter

 

II. Zum „Hintersinn“ dieser Fragestellungen:

Durch die Feststellung der (richtigen) Behördenabsicht, an den wahren Verhältnissen nichts zu ändern (sondern die wahren Verhältnisse durch Klärung der materiellen Berechtigung offen zu legen = festzustellen), in Verbindung mit der (falschen) Feststellung, wonach das Regulierungsgebiet wahres Eigentum der Ortsgemeinde war und dies (nach dem falsch unterstellten Behördenwillen) auch bleiben sollte, wurde ein Sachverhalt erzeugt, zu dem der VfGH das Erkenntnis Slg 18.446/2008 fällen konnte.

Freilich hätte dem VfGH bekannt sein müssen, dass die historische Agrarbehörde den Begriff „Gemeindegut“ gerade nicht im Blick auf ein „wahres Eigentum der Ortsgemeinde“ verwendete, sondern dass mit diesem Begriff spezielle Ausprägungen von agrargemeinschaftlichen Liegenschaften bezeichnet wurden – eben solche Liegenschaften, an denen die politische Ortsgemeinde Mitberechtigung besaß. Diese spezielle „agrarrechtliche Begriffsbildung“ hatte der VfGH im Erk Slg 9336/1982 ausführlich beschrieben.

Das Erk Slg 18.446/2008 wurde somit zu einem bestimmten Sachverhalt gefällt – was sonst. Insoweit es sich erweist, dass dieser Sachverhalt für die Agrargemeinschaft in Wahrheit nicht zutrifft, sind die Rechtsfolgen aus diesem Erkenntnis, nämlich der „Restitutionsanspruch der Ortsgemeinde, für diese Agrargemeinschaft nicht anwendbar.

III. Was wären die richtigen Antworten auf den Fragenkatalog vom 21. November 2007 gewesen?

Zu beanstanden ist am Fragenkatalog vom 21. November 2007 B 464/07-10 bereits die durch die falschen Feststellungen im erstinstanzlichen Bescheid präjudizierte Prämisse I, nämlich der Leitsatz: „Ausgehend davon, dass die Agrargemeinschaft als Gemeindegut reguliert wurde“ ….

Die gesetzliche Aufgabe der Agrarbehörde war nie derart definiert, dass diese „Gemeindegut zu regulieren“ gehabt hätte. Aufgabe der Agrarbehörde war es, die Nutzungsrechte zu regulieren; Aufgabe der Agrarbehörde war es, die Nutzung der agrargemeinschaftlichen Liegenschaft zu organisieren; dies im Rahmen einer körperschaftlich eingerichteten Agrargemeinschaft. Aufgabe der Agrarbehörde war es schließlich festzustellen, in wessen Eigentum die agrargemeinschaftlichen Liegenschaften stehen. Dabei hat die Agrarbehörde über viele Jahrzehnte den Begriff „Gemeindegut“ zur Umschreibung von Liegenschaften verwendet, welche Eigentum der Agrargemeinschaft bei Mitnutzungsrecht oder anderweitig delegierter Teilgenossenschaft der Ortsgemeinde wäre. Zu keinem Zeitpunkt hat die historische Agrarbehörde ihre Aufgabe in dem Sinn verstanden, dass wahres Eigentum der Ortsgemeinde als Agrargemeinschaft zu organisieren wäre, sodass „Sondergebilde in der Landesverwaltung“ entstanden wären, wie Dr. Josef Guggenberger falsch im Bescheid vom 9.11.2006 festgestellt hatte. Eine derartige historische Behördenabsicht ist nirgends erweislich.

Richtigerweise wäre deshalb die erste Frage zu Pkt I Z 1 des Fragenkatalogs, welche lautet wie folgt: „Hat die Regulierung die Eigenschaft der Liegenschaft, Gemeindegut zu sein, beseitigt? Wenn ja, mit welcher Wirkung?“ wie folgt zu beantworten gewesen:

„Die Frage ist falsch gestellt. Die Agrarbehörde hatte die historische Aufgabe, hinsichtlich jener Liegenschaften, welche sich als Rest der alten Agrargemeinde unter den Bezeichnungen „Gemeindegut“ bzw. „Gemeinschaftsgut“ erhalten hatten, die wahren Eigentumsverhältnisse abzuklären und über die wahren Eigentumsverhältnisse rechtskräftig zu entscheiden. Dies nach Möglichkeit aufgrund einer vorausgehenden Vereinbarung zwischen den Teilgenossen (unter Einschluss der politischen Ortsgemeinde). Ausgangslage des agrarbehördlichen Handelns waren dementsprechend ungeklärte Eigentumsverhältnisse in Gemeinschaftsliegenschaften; Ziel des agrarbehördlichen Handelns war es, die Eigentumsverhältnisse an diesen Liegenschaften, den agrargemeinschaftlichen Grundstücken, zu klären (§ 38 Abs 1 TFLG 1935 und folgend). Die historische Bezeichnung einer Liegenschaft als „Gemeindegut“ oder „Gemeinschaftsgut“ präjudizierte gerade in keiner Weise die Eigentumsverhältnisse – ganz anders, als Dr. Josef Guggenberger dies im Sachverhalt gemäß Bescheid vom 9.11.2006 FALSCH festgestellt hat.

Dementsprechend wurde durch die agrarbehördliche Klärung der wahren Rechtsverhältnisse „nichts beseitigt“ und „nichts verändert“; die Agrarbehörde hatte weder die Aufgabe, an den Eigentumsverhältnissen etwas zu „beseitigen“ noch etwas „zu verändern“! Aufgabe der Agrarbehörde war es, die Eigentumsverhältnisse zu klären (= festzustellen [§ 38 Abs 1 TFLG]) und die Agrargemeinschaft körperschaftlich zu einzurichten. Hatte das Ermittlungsverfahren ergeben, dass die Agrargemeinschaft Eigentümerin der Gemeinschaftsliegenschaften war, stellt sich der gesamten Vorgang als Umgründung dar, wodurch das agrargemeinschaftliche Vermögen in die körperschaftlich eingerichteten Agrargemeinschaft organisiert wurde.

Zur Zusatzfrage 1 des VfGH: Wie ist das Ergebnis mit der ausdrücklichen Feststellung vereinbar, dass die Grundstücke das „Gemeindegut“ darstellen?

Antwort: „Gemeindegut“ im Sinn der historischen Begriffsverwendung durch die Agrarbehörde definierte Liegenschaften, hinsichtlich welcher die politische Ortsgemeinde „Teilgenosseneigenschaft“ besessen hat. „Teilgenossenschaft“ durch folgende Sachverhaltselemente konstituiert: a) faktische Mitnutzung; oder b) nackter (Schein-)Tabularbesitz der Ortsgemeinde; oder c) wahres Eigentum der Ortsgemeinde. Insoweit a) faktische Mitnutzung oder b) nackter Tabularbesitz bestanden hat, musste die agrarbehördliche Prüfung der wahren Eigentumsverhältnisse dazu führen, dass Eigentum der nicht regulierten Agrargemeinschaft festgestellt wurde; im Fall c) war Eigentum der politischen Ortsgemeinde festzustellen.

Zur Zusatzfrage 2 zu I Z 1 des VfGH: Wie ist das Ergebnis mit der Absicht vereinbar, an den Verhältnissen (abgesehen von der Regulierung) nichts zu ändern?

Antwort: Wie oben ausführlich dargestellt, wurden die Agrarbehörden seitens der Reichsgesetzgebung zu dem Zweck und mit dem Auftrag errichtet, eine Auseinandersetzung zwischen den Mitgliedern der alten Realgemeinde einerseits und der neuen politischen Ortsgemeinde andererseits herbeizuführen. Bei dieser Gelegenheit sollten die Eigentumsverhältnisse an den historischen Gemeinschaftsliegenschaften, den „Überresten der alten Agrargemeinden“, welche sich in den Kronländern – abgesehen von Dalmatien – überall erhalten hatten, geklärt werden. Die historische Aufgabe der Agrarbehörde war es keinesfalls – und die Agrarbehörde hat ihre Aufgabe auch niemals so verstanden – willkürlich die Eigentumsverhältnisse neu zu gestalten. Aufgabe der Agrarbehörde war es vielmehr, die wahren Eigentumsverhältnisse an jenen Liegenschaften, welche als „Gemeindegut“ oder „Gemeinschaftsgut“ bei der Ortsgemeinde organisiert waren, zu klären. Die unrichtige Zuordnung solcher Liegenschaften an die Ortsgemeinde wurde vom historischen Reichsgesetzgeber und den späteren Gesetzgebern der Landesausführungsgesetze – der TRLGs – vorausgesetzt: Die Organisation der alten Agrargemeinde, der Nachbarschaft, war zertrümmert. Die Gemeinde erschien in allen historischen Urkunden als Eigentümerin und so beerbte die moderne Ortsgemeinde ihre Mutter, die Nachbarschaft, ohne dass letztere gestorben wäre! (So: Bericht des NÖ Landesausschusses betreffend die Regelung der Besitz- und Nutzungsverhältnisse des Gemeindeeigentums vom 21. September 1878, XXVII der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des niederösterreichischen Landtages, 5. Wahlperiode)

Die Klärung der Eigentumsverhältnisse war an sich Aufgabe der Zivilgerichte gewesen. Im historischen Königreich Böhmen wurden nach Einrichtung der modernen Ortsgemeinde zahlreiche derartige Verfahren durchgeführt. Selbstverständlich war in allen Fällen das Eigentumsrecht den Mitgliedern der alten „Realgemeinde“ zugesprochen worden. Der historische Gesetzgeber erachtete die Zuständigkeit der Zivilgerichte für unangemessen; der historische Gesetzgeber wollte Vereinbarungen, welche eine sozial verträgliche Lösung ermöglichten; ungeachtet dessen ist der historische Gesetzgeber davon ausgegangen, dass das Eigentumsrecht an solchen Liegenschaften, jedenfalls dort, wo kein Eigentumstitel der neuen Ortsgemeinde erweislich war, den Nutzungsberechtigten als Gemeinschaft der alten Agrargemeinde, als Fortsetzung der historischen Markgenossenschaft, zustehen sollte – wem auch sonst! Dementsprechend war die Agrarbehörde nie mit dem Auftrag ausgestattet, an den Eigentumsverhältnissen etwas zu ändern! Die Agrarbehörde hatte vielmehr den Auftrag zu klären, wer wahrer Eigentümer war. Weil diese Liegenschaften in Tirol – wie schon Carl Peyrer, k.k. Ministerialrat im Ackerbau-Ministerium, im Jahr 1877 festgestellt hatte, sämtlich rechtsirrig der „Gemeinde“ zugeordnet wurden, ergibt sich für denjenigen, dem die historischen Rechtsverhältnisse unbekannt sind, oder denjenigen, der die historischen Rechtsverhältnisse unrichtig darstellen möchte, der Eindruck bzw. die Möglichkeit, von einer Eigentumsübertragung von der Ortsgemeinde auf die Agrargemeinschaft auszugehen. Ganz anders die Rechtsverhältnisse in Kärnten: Wie Carl Peyrer bereits 1877 feststellte, wurden in Kärnten sämtliche Nachbarschaftsgründe richtig als Privateigentum erfasst; dementsprechend existiert in Kärnten kein „agrarrechtliches Gemeindegut“.Kurz: Die Agrarbehörde hat nichts verändert! Die Agrarbehörde hat die wahren Eigentumsverhältnisse aufgedeckt; die Agrarbehörde hat das Grundbuch richtig gestellt. Inhaltlich lässt sich speziell für Tirol die Richtigkeit dieser Behauptung leicht überprüfen: In Tirol wurde aufgrund des Gesetzes 1847 großflächig Servitutenregulierung durchgeführt; soweit historisches Gemeinschaftseigentum aus dieser Servitutenregulierungsmaßnahme hervorgegangen ist, handelt es sich um Gemeinschaftseigentum der ehemals Nutzungsberechtigten im Staatsforst (VfGH Slg 9336/1982 Pkt III Z 1 Abs 2 der Begründung).

Zur Zusatzfrage 3 zu Pkt I Z 1 des VfGH: Kann der Regulierung bei verfassungskonformem Verständnis unterstellt werden, eine materiell wirkende Eigentumsübertragung (Enteignung?) bewirkt zu haben?

Antwort: Die Frage gründet in den falschen Feststellungen von Dr. Josef Guggenberger! Die Agrarbehörde hat die Eigentumsverhältnisse an Liegenschaften, welche „als Gemeindegut“ bei der Ortsgemeinde verwaltet wurden, geprüft. Als Ergebnis dieser Prüfung wurde entweder Eigentum der Ortsgemeinde festgestellt oder Eigentum der Agrargemeinschaft. Die Agrarbehörde hat die Rechtsverhältnisse nur insofern „geändert“, als über die wahre Rechtslage in einem rechtsstaatlichen Verfahren entschieden wurde. Als Folge dieser Entscheidung ist derjenige, welcher als Eigentumsträger festgestellt wurde, rechtskräftig Eigentümer dieser Liegenschaft. „Eigentumsübertragungen“ („Enteignungen“) wurden nur insofern bewirkt, als das festgestellte agrargemeinschaftliche Vermögen umgegründet wurde; es erfolgte die Umgründung in einer körperschaftlich eingerichteten Agrargemeinschaft. Insofern die Mitglieder der alten Realgemeinde im konkreten Fall nicht als Parteien und Mitglieder der körperschaftlich eingerichteten Agrargemeinschaft anerkannt worden sein sollten, würde eine Verletzung des Eigentumsrechtes des betreffenden (ausgeschlossenen) Mitglieds vorliegen; insofern die Entscheidung der Agrarbehörde über die Feststellung des wahren Eigentümers falsch gewesen sein sollte, würde ebenfalls eine Verletzung des Eigentumsrechtes vorliegen. Die betreffende Rechtsverletzung war freilich im historischen Verfahren wahrzunehmen. Die systematische Überprüfung der agrarbehördlichen Tätigkeit in Tirol aufgrund der Initiative von plattform AGRAR hat freilich gezeigt, dass die Eigentumsverhältnisse durch die Tiroler Agrarbehörde richtig aufgedeckt wurden. Insbesondere kann aus den Maßnahmen der Tiroler Forstregulierung 1847 nur Eigentum einer Gesellschaft von Nutzungsberechtigten hervorgegangen sein; dies hat im Übrigen bereits der Tiroler Landesgesetzgeber mit Novelle zum TFLG 1984, LGBl 18/1984 klargestellt (§ 33 Abs 2 lit a TFLG).

Zur Zusatzfrage 4 zu Pkt I Z 1 des VfGH: „Kann eine bloß fehlerhafte Ansicht über die bei Gemeindegut bestehende Rechtslage diese Rechtslage (auch materiell gesehen) verändert haben?“

Antwort: Eine fehlerhafte Ansicht über die bei Gemeindegut bestehende Rechtslage kann niemals die betreffende Rechtslage ändern. Insbesondere trifft dies zu auf die absurden Feststellungen des Dr. Josef Guggenberger und die daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen des Verfassungsgerichtshofs im Erkenntnis B464/07 vom 11.6.2008. Dr. Josef Guggenberger geht im Bescheid vom 9.11.2006 davon aus, dass die historische Agrarbehörde mit dem Hinweis auf die Bestimmung des § 36 Abs 2 lit d bzw. des § 33 Abs 2 lit c TFLG wahres Eigentum der politischen Ortsgemeinde bezeichnen wollte. Diese Unterstellung ist falsch; aufgrund der falschen Unterstellung einer angeblichen historischen Behördenabsicht kann niemals die materielle Rechtslage geändert werden. Die historischen Bescheide sind vielmehr so auszulegen, wie die historische Agrarbehörde diese verstanden hat! Gemeindegut war demnach in allen historischen Bescheiden der Agrarbehörde zu verstehen als Eigentum der Agrargemeinschaft, freilich bei Teilgenosseneigenschaft der Ortsgemeinde bzw. allenfalls daraus abgeleitet bei Anteilsberechtigung der Ortsgemeinde – je nachdem, ob die Ortsgemeinde nutzungsberechtigt war oder bloß nackte (Schein-)Tabularbesitzerin.

Zur Frage Pkt I Z 2 des VfGH: „Hat die vorgenommene Regulierung nur die Nutzungsrechte betroffen? Wenn ja: Wie wird der Substanzwert der Gemeinde wirksam? Wenn nein: In welcher Weise hat sie auf den Substanzwert Betracht genommen?“

Antwort: Der Verfassungsgerichtshof nimmt mit dieser Frage Bezug auf eine Grundsatzentscheidung des jeweiligen Regulierungsverfahrens, welche unterschiedlich beantwortet werden muss, je nachdem welche agrargemeinschaftliche Liegenschaften unter welchen Bedingungen in ein Regulierungsverfahren einbezogen werden. Legt man die praktisch relevanten konkreten historischen Rechtsverhältnisse an agrargemeinschaftlichen Liegenschaften im ehemaligen Regalitätsforstbezirk (das heutige Nordtirol) zugrunde, so sind zwei Arten von agrargemeinschaftlichen Liegenschaften zu unterscheiden: a) Die heutigen Bundesforste-Liegenschaften, auf denen – mangels Vergleichsabschluss durch die historischen Stammliegenschaftsbesitzer in den Jahren 1847 und folgend – die Einforstungsrechte der historischen Holznutzungsberechtigten aufrecht geblieben sind und b) jene historischen Gemeinschaftsliegenschaften, welche aus der Tiroler Forstregulierung 1847 hervorgegangen sind. (Fall c – das auf eine historische schriftliche Verleihungsurkunde gestützte Nachbarschaftseigentum, ist praktisch von untergeordneter Bedeutung).

Die Gemeinschaftsliegenschaften, welche aus der Tiroler Forstregulierung 1847 hervorgegangen sind, sind Eigentum einer Gesellschaft der Nutzungsberechtigten, hervorgegangen aus Forstservitutenablösung oder ersessenes Eigentum der historischen Nutzungsgemeinschaften (Art 2 und 3 des Tiroler Forstregulierungspatents 1847). Die Gemeinschaft der Nutzenden, festgestellt als Parteien des Regulierungsverfahrens, repräsentierte dementsprechend die nicht regulierte Agrargemeinschaft.

Die Variante, welche der Verfassungsgerichtshof in dieser Frage anspricht, würde sich nur stellen, wenn Liegenschaftseigentum, welches als Ergebnis der Tiroler Forstregulierung 1847 beim k.k. Ärar verblieben ist, und auf welchem die Nutzungsrechte der historischen Gemeindeglieder aufrecht blieben, in einer Agrargemeinschaft organisiert worden wäre. Selbstverständlich ist eine derartige Agrargemeinschaftsbildung, welche das Gegenteil einer Servitutenablösungsmaßnahme darstellen würde, nur mit Zustimmung des Liegenschaftseigentümers möglich und rechtmäßig. Liegenschaftseigentum einerseits und Nutzungsrecht andererseits würden diesfalls in der Agrargemeinschaft vereinigt; die Festsetzung der Anteilsrechte an der Agrargemeinschaft kann „gerecht“ in einem derartigen Fall wohl nur unter Zugrundelegung einer Vereinbarung erfolgen.

Dass in dieser Art und Weise in Tirol Liegenschaftseigentum einerseits und Nutzungsrechte der Stammliegenschaftsbesitzer in einer Agrargemeinschaft zusammengeführt worden wäre, scheint jedoch nicht der Fall gewesen zu sein. Genauso wenig scheinen Fälle vorgekommen zu sein, in denen Eigentum eines anderen historischen Grundherrn mit den Nutzungsrechten der Stammliegenschaftsbesitzer gemeinsam in einer Agrargemeinschaft organisiert wurde.

Wenn der Verfassungsgerichtshof in der Fragestellung I Z 2 dezidiert auf den „Substanzwert“ der Gemeinde“ Bezug nimmt, so geht er von den falschen Feststellungen des Dr. Josef Guggenberger aus. Unter der „holzbezugsberechtigten Gemeinde“, hervorgegangen aus den Maßnahmen der Tiroler Forstregulierung 1847, ist die Gemeinschaft der holzbezugsberechtigten Gemeindeglieder zu verstehen – genau jener Fall, den der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis Slg 9336/1982 Pkt III Z 1 Abs 2 der Begründung abgehandelt hat. Während in Tirol in allen Urkunden von der „Gemeinde“ gesprochen wurde, sprechen die Urkunden im historischen Kronland Kärnten ausschließlich von „Nachbarschaft“; während in Kärnten die Grundbücher von Anfang an richtig erstellt wurden, wurde im Tiroler Grundbuch die „holzbezugsberechtigte Gemeinde“ unter den verschiedensten, irreführenden Bezeichnungen einverleibt; erst die Agrarbehörde hat das Grundbuch richtig gestellt und im einem Zug das agrargemeinschaftliche Vermögen im Rahmen einer körperschaftlich eingerichteten Agrargemeinschaft organisiert.

Zur Frage I Z 3 des VfGH: „In welcher Beziehung steht der Substanzwert beim Gemeindegut zur Frage der formellen Eigentümerstellung? Ist das Eigentum Voraussetzung oder Folge dieser Eigenschaft?“

Antwort: Die gesamte Fragestellung resultiert ausschließlich aus den FALSCHEN Feststellungen des Dr. Josef Guggenberger im Bescheid vom 9.11.2010 gegen Agrargemeinschaft Mieders. Diese falschen Feststellungen gehen davon aus, dass die historische Agrarbehörde im Ergebnis eine Eigentumsspaltung bewirkt hätte: „Substanz“ sei der Ortsgemeinde zugeordnet worden; nacktes Eigentum samt agrarischen Nutzungen hingegen der Agrargemeinschaft.

Diese Feststellungen des Dr. Josef Guggenberger unterstellen eine Verletzung von Art 7 StGG 1867 durch die historische Agrarbehörde. Diese Feststellungen gehen zurück auf die These von Siegbert Morscher, Gemeinnutzungsrechte am Gemeindegut, ZfV 1982, Seite 5 in FN 32, wonach die österreichischen Agrarbehörden nicht einmal vor dem Nonsens zurückschreckten, Gemeindegut anzunehmen und gleichzeitig das Eigentum an den betreffenden Grundstücken Agrargemeinschaften, also einem davon getrennten Rechtsträger, zuzusprechen

Die Eigentumsspaltung, welche Dr. Josef Guggenberger – in Fortführung der Thesen Morschers – den historischen Agrarbehörden unterstellt, würde jedoch der Institutionsgarantie des Eigentums gem. Art 5 iVm Art 7 StGG 1867 widersprechen; die von Dr. Josef Guggenberger unterstellte Eigentumsspaltung, hier Substanz, dort substanzloses Eigentum und agrarische Nutzungsmöglichkeit, läuft auf eine Wiederbegründung der Adelsherrscher und gespaltenes Eigentum, nämlich Obereigentum des Staates bzw. des Fürsten bzw. des Bürgermeisters oder der Ortsgemeinde einerseits und Nutzungseigentum des „gemeinen Volkes“, der Agrargemeinde, hinaus. Der Substanzwert wurde nie vom Eigentum abgespalten; Substanzwert und formelle Eigentümerstellung wurden als Einheit aufrechterhalten; der „Substanzvorbehalt“ zugunsten der Ortsgemeinde existiert nicht. Die historische Agrarbehörde hat vielmehr geprüft und entschieden, wer wahrer Eigentümer des agrargemeinschaftlichen Grundstückes war; in vielen Fällen wurde das agrargemeinschaftliche Grundstück als „Gemeindegut“ klassifiziert; mit dieser Klassifikation waren die Eigentumsverhältnisse jedoch keinesfalls präjudiziert. Der gesamte von Dr. Josef Guggenberger im Bescheid vom 9.11. 2006 unterstellte Sachverhalt gründet auf dem völlig falschen Ansatz, dass die moderne Definition von Gemeindegut als wahres Eigentum der Ortsgemeinde mit öffentlich-rechtlich durch die Ortsgemeinde begründeten Nutzungsrechte in historische Agrarbehördenbescheide hineininterpretiert wird, welche von einer anderen Rechtslage ausgegangen sind. Vor dem Hintergrund der falschen Feststellungen des Dr. Josef Guggenberger zielt die Frage auf die Beurteilung des scheinbaren Widerspruchs zwischen „Gemeindegutsfeststellung“ und „Eigentumsfeststellung zugunsten der Agrargemeinschaft“.

 

Max Paua