Ersitzung und
Waldeigentum

Die Tiroler Forstregulierung ist ein Abbild im Kleinen, was im Großen generelle politische Entwicklung war: Die feudalen Herrschaftsstrukturen,  die wesentlich auf dem Eigentumsrecht gründeten, wurden aufgelöst. Die einfachen Landeseinwohner erkämpften sich das Eigentumsrecht an ihrem Besitz.  Was in der Stadt seit Jahrhunderten Selbstverständlichkeit war, setzte sich auch in den Dorfgesellschaften durch.

Die Tiroler glaubten an ihre Sonderstellung im Kaisertum Österreich, die sie durch die Verteidigung des Hauses Habsburg mit ihrem Leben erkämpft hatten (mehr dazu) und sie forderten seit Ende der 1830er Jahre in hunderten Rechtsstreitigkeiten gegen das kaiserliche Aerar das Eigentum an den Gemeinschaftswäldern. (mehr dazu) Kaiser Ferdinand und sein Beraterstab hatten letztlich ein Einsehen und im Februar 1847 wurde für die gesamte gefürste Grafschaft Tirol, nicht jedoch im Land Vorarlberg, die Bereinigung des Obereigentums an den Gemeinschaftswäldern angeordnet.  Den tatsächlichen Jahrhunderte alten Besitzverhältnissen wurde Rechnung getragen.

Art. 1 des Forstregulierungspatents 1847 unterteilte Tirol in zwei Regionen, einmal die Kreise Oberinntal und Unterinntal samt wenigen bestimmt bezeichneten Forsten Südtirols, somit im Wesentlichen das ganze heutige Nordtirol auf der einen Seite, und das restliche Tirol einschließlich Osttirol auf der anderen Seite. Immer wieder wird diese Unterscheidung übersehen. Staatlichen Maßnahmen in Nordtirol waren die Anerkennung von ersessenem Eigentum, die Privatforsteigentumspurifikation gem. Art. 2 des Forstregulierungspatents 1847, und die Ablösung der Forstservituten gegen privates Gemeinschaftseigentum, die Forstservitutenablösung gem. Art. 3 des Forstregulierungspatents 1847. Auf der Grundlage von Art. 4 des Forstregulierungspatents 1847 wurde unter dem 17. Juni 1847 eine Ausführungsverordnung erlassen, die geregelt hat, wie und unter welchen Voraussetzungen in Nordtirol ersessenes Waldeigentum anzuerkennen war. Diese Ausführungsverordnung ist unter der Bezeichnung „Instruktion für die Forsteigentumspurifikationskommission“ vom 17. Juni 1847 bekannt. Die Bestimmungen dieser Ausführungsverordnung lauten (auszugsweise) wie folgt:

„Instruction für die Commission zur Purifizirung der Privat Eigenthums-Ansprüche auf Wälder in jenen Landestheilen oder Forstgebieten Tirols, in welchen das l. f. Forsthoheits-Recht vorbehalten bleibt.

§ 1. Se. kk. Majestät haben mit allerhöchster Entschliessung vom 6. Februar d. J. zur Regulirung der Forstverhältniße in Tirol auch Folgendes zu bestimmen geruht:

1. Das jeden Privatbesitz, außer in Folge landesfürstlicher Verleihung, ausschließende landesfürstliche Hoheitsrecht über die Wälder Tirols wird auf die Waldungen des Ober- und des Unter-Innthales, dann des Wippthales, welche sich gegenwärtig unter Verwaltung der Staatsbehörden befinden, dann in den übrigen Landestheilen: a. auf den Forstcomplex Paneveggio und Cadino im Fleimser-Thale, b. auf die Forste Kar und Latemar im Botzner-Kreise, welche sämtlich gleichfalls unter Verwaltung der Staatsbehörden stehen, beschränkt. c. die zu den montanistischen Werken am Schneeberge und in Pfundern, dann zur aerarialischen Schmelzhütte in Klausen gehörigen und erforderlichen Forste haben ebenfalls landesfürstlich zu verbleiben. Über die Primörer-Forste wird die im administrativen Wege schwebende, abgesonderte Verhandlung zur Entscheidung führen.

2. Auch in Ansehung dieser Forste, in Absicht auf welche das landesfürstliche Hoheitsrecht aufrecht verbleibt, gestatten Seine Majestät bei Beurtheilung der Eigenthums-Ansprüche von einzelnen Privaten oder Gemeinden in huldvoller Berücksichtigung der eingetretenen Verhältniße, für das Vergangene die Anwendung der Bestimmungen des allgemeinen bürgerlichen Rechtes, jedoch nur dann, und in so ferne, als diese Ansprüche entweder schon derzeit gerichtlich gestellt sind, oder binnen drei Monaten vom Tage, an welchem eine zur Purifikation dieser Eigenthums-Ansprüche auszusendende Commission den Beginn ihrer Wirksamkeit bekannt gemacht haben wird, bei eben dieser Commißion angemeldet werden. Diese Commißion wird, nach einer weiteren Bestimmung der allerhöchsten Resolution vom 6. Februar d. J. über vorläufige Aufforderung der Betheiligten zur Anmeldung ihrer Ansprüche und Produzirung ihrer Besitztitel bei den nach Grundsätzen des allgemeinen bürgerlichen Rechtes unzweifelhaften Privat-Eigenthums-Rechten dieselben im Namen der Staatsverwaltung als solche anerkennen, bei den zweifelhaften hingegen mit den betreffenden Parteien eine gütliche Ausgleichung versuchen und nach Umständen bewirken. Wo Letzteres nicht möglich sein sollte, wird den Parteien unbenommen bleiben, mit ihren vermeintlichen Ansprüchen wider das Aerar den Rechtsweg fortzusetzen oder zu betreten, und die Commißion selbst wird sie auf solchen verweisen. Auf demselben wird jedoch, nach der a. h. Entschließung vom 6. Februar d. J. die Anwendung der Bestimmungen des allgemeinen bürgerlichen Rechtes nur hinsichtlich jener Ansprüche gestattet sein, welche binnen obgedachten Termines von drei Monaten bei der Forsteigenthums-Purifikations-Commission angemeldet wurden, oder die schon bei Kundmachung der allerhöchsten Resoluzion vom 6. Februar d. J. vor einer Gerichtsstelle anhängig waren.

Aus dem Gesagten ergibt sich Zweck und Bestimmung der Commission. Sie ist die Behörde, welche im Auftrag und im Namen der obersten Finanzverwaltung alle Ansprecher von Privatforsteigenthum – Individuen wie Gemeinden – in den Gebieten, wo das landesfürstliche Forsthoheitsrecht, gemäß der a. h. Entschließung vom 6. Februar d. J. aufrecht verblieb, auffordern wird, die Eigenthums-Ansprüche auf Forste, Alpen oder Auen bei ihr, der Commißion, anzumelden und nachzuweisen, und welche diese Ansprüche, über vorläufige Untersuchung der Rechtstitel, nach Grundsätzen des bürgerlichen Rechtes im Allgemeinen, und nach den besonderen Andeutungen gegenwärtiger Instruction, im Namen der obersten Finanzverwaltung entweder anerkennt, oder wo die vollständige Anerkennung, der Zweifelhaftigkeit des Rechtes wegen, nicht möglich ist, über eine Ausgleichung mit den Parteien im gütlichen Wege unterhandelt, oder endlich die Ansprüche ab- und zur Austragung vor den Richter verweist, der, den Bestimmungen der allerhöchsten Resoluzion vom 6. Februar d. J. gemäß, fortan nicht mehr das mit der Salinendirection vereinigte Berggericht, sondern der ordentliche Gerichtsstand des kaiserlichen Fiskus sein wird. Die Commißion ist ferner die Behörde, von welcher binnen des Praeclusivtermines von drei Monaten alle solche Ansprüche – es sei denn, daß sie bei Kundmachung der allerhöchsten Entschließung vom 6. Februar d. J. bereits vor Gericht anhängig waren – angebracht werden müssen, um entweder die Anerkennung von Seite der obersten Finanzverwaltung zu erlangen, oder falls diese aussergerichtliche Anerkennung nicht Stattfinden, oder zu Stande kommen könnte, der allerhöchsten Bestimmung gemäß sofort im Rechts-Wege nach den Grundsätzen des allgemeinen bürgerlichen Rechtes auszutragen.

Die Commißion hat also die Bestimmung, in jenen Forstgebieten Tirols, in welchem das lf. Forsthoheits-Recht als Regel aufrecht verbleibt, Namens der obersten Finanzverwaltung – welche dieses Hoheitsrecht zu wahren, und aus demselben jeden Privat-Forstbesitzer zur Nachweisung seines Besitztitels aufzufordern berechtiget ist – das Privatforsteigenthum im außergerichtlichen Wege zu liquidiren, wodurch dasselbe von künftigen aerarischen Ansprüchen enthoben und gesichert, und in dieser, besonders für das Land Tirol wichtigen Beziehung den streitigen Differenzen zwischen den Privaten und dem Aerar ein Ziel gesetzt, und für die Zukunft begegnet werden soll. Als gleichzeitige Folge der Lösung dieser Aufgabe der Kommißion ergibt sich die Erreichung des Zweckes: daß auch das dem Staate, als Ausfluss des lf. Hoheitsrechtes zustehende Forsteigenthum von Besitz-Ansprüchen der Privaten, und zwar auf immerwährende Zeiten reingestellt wird, weil – nachdem die ah: Entschließung vom 6. Februar d. J. das landesf. Hoheitsrecht in den aerarischen Forstgebieten nach Ablauf der Amtshandlung dieser Purifikationskommission unbedingt, d. i. mit Ausschluß der Giltigkeit jedes anderen Privatbesitztitels als den einer landesfürstlichen Eigenthums-Verleihung, aufrecht erhält – Privatoccupationen landesfürstlicher Forste mit einer, für das Eigenthum des Aerars nachtheiligen Folge nicht mehr Statt finden können.

§. 2. […]

§. 14. Als Privateigenthum sind, wie sich im Allgemeinen schon von selbst versteht, nur solche Forste anzuerkennen, welche entweder nach den Besitz-Urkunden, oder nach sonstigen Titeln als wirkliches Eigenthum, und nicht bloß zur Nutznießung von Privaten beseßen worden sind. Unter solchen Umständen sind insbesondere folgende als Privat-Eigenthum anzuerkennen:

a. […] Es folgen ausführliche Regelungen, wann die Forst­eigentums-Purifikations-Kommission ersessenes Wald­eigentum anzuerkennen hat.“

DIE „FEPT“ DER LANDGERICHTE

Die „Privatforsteigentums-Purifikationskommission“ hat mittels öffentlicher Verlautbarung alle Berechtigten zur „Produzierung ihrer Besitztitel“ aufgefordert. Die eingegangenen Anmeldungen wurden geprüft und entweder anerkannt oder abgewiesen. Dies gegliedert für jedes historische Landgericht. So sind für alle, damaligen Landgerichtsbezirke so genannte „Forsteigentums-Purifikations-Tabellen“ („FEPT“) entstanden, die in der Folge als Eigentumstitel im Tiroler Verfachbuch eingetragen wurden. Somit gibt es FEPTs des Landgerichts Ischgl genauso wie der Landgerichte Kufstein und Kitzbühel. Es ist jeweils die Person des Anmeldenden verzeichnet, teilweise der Rechtsgrund, auf den sich der Anmeldende berufen hat, ob besondere Anmerkungen zu machen seien und ob das Eigentum anerkannt oder nicht anerkannt werde. Beispielsweise zählt die FEPT des Landgerichts Silz 59 Tabellen samt „Fortsetzungen“ dazu.