Verfahrensrechtliche Vorarbeiten der Kommunalisierer

Verständlicher Weise verbreiten die Kommunalisierer nicht, welche verfahrensrechtlichen Schritte sie insgesamt geplant und unternommen haben, bis ihnen von wem immer die richtige Strategie gewiesen wurde.  (zum grundlegenden Strategiewechsel der Rekomunalisierer nach dem ersten Scheitern beim Verfassungsgerichtshof: Strategie II: Märchen vom Gemeindegut)

Die Selbstbezichtigung des Hermann Arnold in der Tageszeitung vom 25.5.2005 (Hermann Arnold 2005: Wie haben die Gemeinden enteignet) war offensichtlich Teil Strategie: Der Schriftsatz der Ortsgemeinde Mieders mit Rechtsmitteln und Anträgen an das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde I. Instanz vom 8. Juni 2005, wurde binnen 14 Tagen nach Erscheinen der Selbstbezichtigungen von Arnold bei der Behörde anhängig gemacht. Die Idee dahinter: Die Veröffentlichte Selbstbezichtigung hätte die Bürgermeister aufgescheucht, Erkundigungen über ihr Gemeindegut einzuholen. Widereinsetzung in diverse Rechtsmittelfristen im Regulierungsverfahren war dann binnen 14 Tagen zu beantragen. Die Anträge und das Vorbringen dazu am Beispiel Gemeinde Trins können nachgelesen werden. Zusätzlich wude behauptet, dass das gesamte Verfahren nichtig sein, weil die Bescheide falsch zugestellt wurden oder die Gemeinde gar nicht wirksam vertreten war. (mehr dazu)

Betroffen waren jedenfalls die Agrargemeinschaften Neustift im Stubaital (Gemeinde Neustift), Mieders (Gemeinde Mieders), Oberstädter und Unterstädter Melkalpe (Imst) und Agrargemeinschaft Trins (Gemeinde Trins).

In einem Musterverfahren vor dem Grundbuchgericht, das die Kommunalisierer für die Gemeinde Neustift durchgeführt haben, wurde bis zum Obersten gerichtshof erfolglos der erfundene Anspruch auf Grundbuchbercihtigung durchgefochten (mehr dazu).

Das Verfahren Neustift im Stubai wurde mit Erkenntnis des VfGH Slg 17.779/2006 zum Abschluss gebracht; dasjenige gegen Agrargemeinschaft Mieders mit demjenigen vom 8.6.2006 B 619/05, dasjenige gegen Agrargemeinschaft Trins mit Erkenntnis B 686/05 sowie gegen die Agrargemeinschaften Oberstädter und Unterstädter Melkalpe mit Erkenntnis B 790/05, jeweils vom 21.6.2006. Alle diese Verfahren endeten mit der Zurückweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung bzw der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof als verspätet.

Im Erkenntnis VfSlg 17.779/2006 (Agrargemeinschaft Neustift im Stubai) hatte der VfGH klargestellt, dass eine Entscheidung der Agrarbehörde über die Eigentumsverhältnisse – selbstverständlich – Gültigkeit besitze: Da die „Eigentumsübertragung“ im Bescheid „wörtlich ausgesprochen“ worden war, die Berufungsfrist längst verstrichen war und weil ein Wiederaufnahmsgrund nicht vorlag, wurde die Beschwerde verworfen.

Allerdings wurde mit völlig verzerrten Darstellungen des Sachverhaltes beim VfGH Stimmung gegen die Agrargemeinschaften und gegen eine vermeintliche „historische Agrar-Seilschaften“ (unter Führung des Altlandeshauptmannes Eduard Wallnöfer) gemacht. Bezeichnend sind die Ausführungen der beschwerdeführenden Gemeinde Neustift im Verfahren gegen AGM Neustift (Slg 17.779/2006), wo durch verzerrte Darstellung diverser Äußerungen im Regulierungsverfahren der Eindruck vermittelt wurde, die Agrarbehörde hätte die Bürgermeister der politischen Ortsgemeinden getäuscht.
Die historische Rechtsauffassung der Agrarjuristen, dass die zu regulierenden Grundstücke auch vor der Regulierung kein Eigentum der politischen Ortsgemeinden waren, wurde dem VfGH so „verkauft“, als hätten die Juristen der Agrarbehörde den Bürgermeistern zugesagt, die Gemeinde sei und bliebe Eigentümer. Das Gegenteil ist der Fall: Die historischen Agrarjuristen haben den Bürgermeistern vielmehr erklärt, dass die Ortsgemeinde bis zur Regulierung kein Eigentümer war und dass die Gemeinde dies nach der Regulierung genauso wenig sei – insofern würde die Regulierung an den Eigentumsverhältnissen nichts ändern! (Wer als „nackter [Schein-]Tabularbesitzer“ einverleibt ist, hat nun einmal kein Eigentumsrecht!) Genau so hatten dies die historischen Agrarjuristen gesehen; genau so wurde dies den Bürgermeistern und bestellten Gemeindevertretern erklärt.

Albert Mair, langjähriger Leiter der Tiroler Agrarbehörde, ging zwar von einer Vertretungskompetenz der politischen Ortsgemeinde für die nicht regulierte Agrargemeinschaft aus, stellte jedoch im übrigen klar: „Dieser Gemeinde ist aber kraft öffentlich-rechtlicher Norm jede Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis entzogen und hätte die Gemeinde, obwohl sie im Grundbuch als Eigentümerin aufscheint, keinerlei Möglichkeit, das Eigentum irgendwie zur Geltung zu bringen.“
Was Albert Mair hier beschreibt ist schlichter nackter (Schein-)Buchbesitz, der von der Gemeinde verwaltet wurde! Konsequenter Weise sind die Agrarjuristen davon ausgegangen, dass die politische Ortsgemeinde eben keinesfalls die Rechte eines Eigentümers besitze – dies ungeachtet der Tatsache, dass solche Liegenschaften als „Gemeindegut“ bezeichnet wurden. Insbesondere dann, wenn das agrargemeinschaftliche Eigentum zur Gänze als Ablösefläche aus der Tiroler Forstservitutenregulierung 1847 hervorgegangen ist (so der Fall von AGM Neustift, AGM Mieders, AGM Trins ua), war für Albert Mair völlig klar, dass diese Liegenschaften niemals Eigentum der Ortsgemeinde sein könnten.

Man wird deshalb den historischen Sachverhalten nicht gerecht, wenn man von einer „Eigentumsübertragung“ durch die Agrarbehörde spricht; tatsächlich war die Agrarbehörde für die Entscheidung darüber zuständig, wer Eigentümer der agrargemeinschaftlichen Liegenschaft gewesen ist und wer gerade nicht. In Wahrnehmung dieser Zuständigkeit hat die Agrarbehörde entschieden.

Nicht weniger tendenziös sind die Ausführungen der beschwerdeführenden politischen Ortsgemeinde Mieders, welche im Erkenntnis Erk B 619/05 vom 8.6.2006 nachgelesen werden können. Wörtlich zitiert der VfGH die beschwerdeführende Ortsgemeinde im Erkenntnis wie folgt:

„Aufgrund des von der Landesregierung aus politischen Gründen vertretenen völlig unhaltbaren und rechtswidrigen Standpunktes wurden die Gemeinden durchwegs falsch aufgeklärt. Selbstverständlich wurden ihnen die höchstgerichtlichen Erkenntnisse verschwiegen, nach denen sie Anspruch darauf gehabt hätten, das Eigentum am Gemeindegut zu behalten. Nur durch diese falsche Aufklärung ist es erklärbar, dass es gelingen konnte, in derart vielen Fällen den Gemeinden in rechtswidriger Weise das Eigentum am Gemeindegut wegzunehmen und an bäuerliche Gemeinschaften zu übertragen, denen es nicht zustand. Der gefertigte Vertreter (der Rechtsfreund der politischen Ortsgemeinde Mieders) hat seit Jahrzehnten sehr viel mit Gemeinden zu tun und zwar auch als Vertreter von Bauern, wobei die Gemeinden nicht selten von bäuerlichen Bürgermeistern vertreten wurden. Dabei konnte aber noch nie festgestellt werden, dass ein Bürgermeister bereit gewesen wäre, auch nur einen Quadratmeter aus dem Gemeindevermögen zu verschenken. Es ist daher davon auszugehen, dass die Bürgermeister der Gemeinden in keinem oder zumindest fast keinem Fall bereit gewesen wären, an einer Verschiebung des Eigentums am Gemeindevermögen auf weinige Bauern mitzuwirken, wenn ihnen die Unrechtmäßigkeit dieser Vorgangsweise bewusst gewesen wäre. …
Der Antragstellerin ist durchaus bewusst, dass es vermutlich bisher noch nie da gewesen ist, dass nach so langer Zeit einem Wiedereinsetzungsantrag stattgegeben wurde. Andererseits haben sich die Gerichte – soweit ersichtlich – auch noch nie damit befassen müssen, dass sich praktisch alle zuständigen Sachbearbeiter einer ganzen Behörde in derart eklatanter Weise über die Gesetzeslage hinweggesetzt haben.“

Zusätzlich werden in diesem Erkenntnis weitere Behauptungen der antragstellenden politischen Ortsgemeinde Mieders wiedergegeben, wonach die Landesregierung aktiv und vorsätzlich die Gemeinde Mieders falsch informiert hätte, die Landesregierung so geschickt „Desinformation“ betrieben habe, dass es gelang, einen Teil der eigenen Beamtenschaft in Irrtum zu führen.
Schließlich wird unter Berufung auf Stefan Falser (Wald und Weide im tirolischen Grundbuch [1932]) und Walter Schiff (Österreichs Agrarpolitik seid der Grundentlastung [1898]) die Behauptung aufgestellt, Albert Mair, langjähriger Leiter der Tiroler Agrarbehörde, habe in seiner Abhandlung „Probleme der Regulierung des Gemeindeguts“ (1958) bewusst eine Falschmeinung zur Irreführung der politischen Ortsgemeinden erarbeitet und in der Folge verbreitet. Grundlage dieser falschen Unterstellung ist die Behauptung, dass als Ergebnis der Tiroler Forstregulierung 1847 wahres Eigentum der politischen Ortsgemeinden entstanden sei, wobei die Maßnahmen im so genannten Regalitätsforstbezirk (das heutige Nordtirol) und im restlichen Tirol dabei nicht unterschieden werden und auch nicht offen gelegt wurde, dass im gesamten Nordtiroler Raum im wesentlichen „Forstservituten-Ablösung“ vereinbart und umgesetzt wurde.
Die gesamte Tiroler Landesregierung und die leitenden Beamten der Agrarbehörde, allen voran Dr. Albert Mair, werden als „berufsmäßige Täter“ im Sinn einer Entreicherung der politischen Ortsgemeinde hingestellt.

b) Bedauerlicher Weise konnte der VfGH aufgrund seiner Zusammensetzung aus „Nichthistorikern“ die wahren Hintergründe der Regulierungsverfahren, die wahren historischen Eigentumsverhältnisse im Regalitätsforstbezirk und die wahren historischen Absichten der Agrarbehörde und deren gesetzlichen Auftrag zur Klärung der Eigentumsverhältnisse nicht mehr nachvollziehen. Die These der Gemeindelobby, wonach die Agrarbehörde die Bürgermeister in die Irre geführt hätte, wurde deshalb vom Gerichtshof übernommen und bei der Interpretation des im Verfahren Slg 18.446/2008 vorliegenden „Sachverhaltes Guggenberger“ zum Nachteil der Agrargemeinschaft zur Anwendung gebracht. Der VfGH im Erk Slg 18.446/2008:

„… oder dass (rechtswidriger Weise) beabsichtigt [gewesen] sei, aus dem Gemeindegut eine reine Agrargemeinschaft zu machen (ist doch der Anteil von 10% der Gemeinde als solcher ausdrücklich eingeräumt worden); wie dem Verfassungsgerichtshof aus anderen Regulierungsfällen bekannt ist (zB VfSlg 17.779/2006) wurde die Absicht an den rechtlichen Verhältnissen (abgesehen von der Regulierung) etwas zu ändern, vielmehr ausdrücklich in Abrede gestellt.“ (VfSlg 18.446/2008 Pkt II B Z 3 Abs 2 der Begründung, Seite 19 unten des Originalerkenntnisses).

c) Das Verfahren „Neustift im Stubaital“ wurde mit Erkenntnis des VfGH Slg 17.779/2006 zum Abschluss gebracht; ein Verfahren gegen AGM Mieders mit dem Erk B 619/05. Im Erkenntnis VfSlg 17.779/2006 (Agrargemeinschaft Neustift) hatte der VfGH klargestellt, dass eine Eigentumsübertragung durch die Agrarbehörde – selbstverständlich – Gültigkeit besitze: Da die Eigentumsübertragung im Bescheid „wörtlich ausgesprochen“ worden war, die Berufungsfrist längst verstrichen war und weil ein Wiederaufnahmegrund nicht vorlag, wurde die Beschwerde verworfen. Die (Re-)Kommunalisierungsbemühungen der Gemeindefraktion waren in diesem Anlauf noch gescheitert).

Die Gemeindefraktion hatte aus diesen Verfahren jedoch wichtige Schlussfolgerungen gezogen: Ungeachtet völlig enthemmter Unterstellungen (Quasi-Bandenbildung „im Amt“ unter Führung von Altlandeshauptmann Eduard Wallnöfer, systematischer Quasi-Betrug in Bereicherungsabsicht zu Gunsten des Bauernstandes usw) war es nicht gelungen, den Verfassungsgerichtshof für eine Widereinsetzung zu gewinnen, weil die Eigentumsübertragung im Bescheid „wörtlich ausgesprochen“ worden war.

Zudem war die FALSCHE Darstellung der historischen Verhältnisse nicht ohne Wirkung beim VfGH geblieben. Der VfGH hatte bereits die These übernommen, dass das Eigentumsrecht gemäß Behördenwillen ÜBERTRAGEN worden sei. Dass lediglich die wahren Rechtsverhältnisse festgestellt und die Grundbücher RICHTIG GESTELLT wurden, konnte der Gerichtshof, mangels Besetzung mit zumindest einem Rechtshistoriker bedauerlicher Weise nicht (mehr) nachvollziehen. Die Abhandlung von Carl Peyrer, der als k.k. Ministerialrat im Ackerbau-Ministerium aufgrund seiner umfangreichen beruflichen Tätigkeit tiefgehende Einblicke in die damaligen agrarischen Verhältnisse in den diversen Österreichischen Ländern besaß (Carl Peyrer, Die Regelung der Grundeigentums-Verhältnisse, 7), der „Bericht des niederösterreichischen Landesausschusses betreffend die Regelung der Besitz- und Nutzungsverhältnisse des Gemeindeeigentums“ aus dem Jahr 1878 (XXVII der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des niederösterreichischen Landtages, 5. Wahlperiode ), der Bericht des Commassionsausschusses aus dem Jahr 1882 (582 der Beilagen zu den sten. Prot. des Abgeordnetenhauses, IX. Session) und die Debattenbeiträge der Abgeordneten des Österreichischen Reichstages bei Verabschiedung des TRRG 1883 waren den Mitgliedern des Verfassungsgerichtshofes offensichtlich unbekannt.

 

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Max Paua