Regelungsgefüge Gemeindegut

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em. o. Univ.-Prof. Dr. Peter Pernthaler wurde 1935 geboren und studierte von 1954 bis 1958 Rechtswissenschaften. Er war von 1957 bis 1962 als Assistent an der Universität Innsbruck tätig und sammelte nach seiner Habilitation im Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts Verwaltungspraxis. 1966 avancierte er zum außerordentlichen Professor an der Hochschule für Bodenkultur in Wien, 1968 wurde er zum ordentlichen Prof. ans Institut für öffentliches Recht und Politikwissenschaft an der Universität Innsbruck berufen. 25 Jahre lang war er Direktor des Instituts für Föderalismusforschung, vier Jahre Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät Innsbruck und zwei Jahre Gastprofessor an den Universitäten Prince-Edwards-Island (Kanada) und Canberra (Australien). Seit 1996 ist er Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Seine Publikationen umfassen über 300 Bücher und Aufsätze. Em. o. Univ.-Prof. Dr. Peter Pernthaler ist einer der prominentesten Universitätslehrer für öffentliches Recht im deutschen Sprachraum und wirkliches Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

 

EINFÜHRUNG

Der „Gemeindeguts-Irrtum“ gründet im wesentlichen auf einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes aus dem Jahr 1982, VfSlg 9336/1982, „Altenstadt-Eggenwald-Erkenntnis“ (nach den „Anlassfällen“ Gemeinschaftsgut Altenstadt, Feldkirch/Vlbg und Gemeinschaftsgut Eggenwald, Innsbruck-Arzl/Tirol). Mit diesem Erkenntnis führte der von Bruno Kreisky ausgewählte, von der Bundesregierung nominierte Jung-Star unter den Verfassungsrichtern,  laut Eigendefinition der „Rote Professor“, Karl Spielbüchler, einen entscheidenden Schlag gegen das gemeinschaftliche Eigentum der Ur-Hausbesitzer.

Karl Spielbüchler war zu intelligent, als dass an einen Zufall zu denken wäre. Karl Spielbüchler wollte offensichtlich mit seinem Ansatz ganz gezielt der Teilung und Regulierung von „gemeindeverwalteten Gemeinschaftsgütern“ (= Gemeindegut) ein Ende bereiten. Dies ist ihm – abgesehen von Tirol – für alle anderen Bundesländer auch gelungen.

Mehr als 25 Jahre hatte es keine Kritik an diesem Grundsatz-Erkenntnis des VfGH zum „Gemeindegut“ – VfSlg 9336/1982, „Altenstadt-Eggenwald-Erkenntnis“, gegeben. Dies nicht etwa, weil das Altenstadt-Eggenwald-Erkenntnis, VfSlg 9336/1982, so überzeugend begründet gewesen wäre. Das Gegenteil ist der Fall!  Das Erkenntnis verdankt sei zerstörerisches Ergebnis geradezu einer ganzen Kette von falschen Rechtssätzen.
NEIN an einer überzeugenden Begründung des „Altenstadt-Eggenwald-Erkenntnis“ lag es nicht, dass sich über Jahrzehnte kein Rechtswissenschaftler von Rang mit dem Flurverfassungsrecht näher auseinander gesetzt hat! Der Grund war einfach derjenige, dass sich von den juristischen Eliten über Jahrzehnte kaum jemand für das Flurverfassungsrecht interessiert hatte.

Dies änderte sich – zumindest vorübergehend – mit dem Nachfolge-Erkenntnis betreffend Agrargemeinschaft Mieders, VfSlg 18.336/2008 – Mieders-Erkenntnis 2008. Tausende Tirolerinnen und Tiroler, die Mitglieder von mehr als 250 Tiroler Agrargemeinschaften, sahen sich plötzlich als Opfer einer Enteignung. Dieser Umstand mobilisierte die nötigen Kräfte um zumindest ein bisschen Licht in das Dunkel  zu bringen, das das Agrarrecht seit mehr als 150 Jahren charakterisiert. Von einer breiteren Diskussion kann freilich nach wie vor keine Rede sein.

Das „Gemeindegut“ war eines der zentralen Forschungsobjekte dieser im Jahr 2008 einsetzende wissenschaftliche Bearbeitung des Agrarrechts. Es zeigte sich, dass für den Regelungsgegenstand „Gemeindegut“ verschiedene rechtliche Ausgangspunkte bzw Entwicklungsansätze existieren, die letztlich in ein Endergebnis münden, das Gemeindegut als Teilmaterie des „Bodenreformrechts, insbesondere agrarische Operationen und Wiederbesiedelung„.

Diese verschiedenen rechtlichen Ausgangspunkte bzw Entwicklungsansätze sind:
1. das Recht der historischen (Agrar-)Gemeinde nbR,
2. das politische Gemeinderecht,
3. das Teilungs- und Regulierungs- Reichsgesetz 1883 und
4. die verfassungsrechtliche Kompetenzaufteilung, welche das „Bodenreformrecht, insbesondere agrarische Operationen und Wiederbesiedelung“ in Art 12 Abs 1 Z 3 B-VG als Bundeskompetenz in Form der Grundsatzgesetzgebung definiert.

Egal unter welchem rechtlichen Ausgangspunkt das Grundsatz-Erkenntnis „Altenstadt-Eggenwald 1982“, VfSlg 9336/1982, und das Mieders-Erkenntnis 2008, VfSlg 18.446/2008, analysiert und diskutiert werden: Immer erweisen sich beide VfGH-Erkenntnisse als „Verkenntnisse“ im wahrsten Sinn des Wortes. Die beiden Erkenntnisse sind offensichtlich unvereinbar mit den wahren Rechtsverhältnissen am „Gemeindegut“ – ganz egal bei welchem rechtlichen Entwicklungsansatz die jeweiligen Überlegungen ihren Ausgang nehmen.

Em. o. Univ.-Prof. Dr. Peter Pernthaler hat die Teilung und Regulierung von Gemeindegut ausgehend vom 4. Entwicklungsansatz, das ist die verfassungsrechtliche Kompetenzaufteilung zwischen  Bund, Ländern und Gemeinden, untersucht. Seine Ergebnisse zeigen das „Gemeindegut“ als Regelungsgegenstand sowohl des politischen Gemeinderechts(Landes-Kompetenz in Gesetzgebung und Vollziehung – Art 15 B-VG), als auch des „Bodenreformrechts, insbesondere agrarische Operationen“ (Bundeskompetenz in der Grundsatz-Gesetzgebung gem Art 12 Abs 1 Z 3 B-VG).

Historisch gesehen kommt zusätzlich ein Verständnis des Gemeindeguts als Regelungsgegenstand des Bürgerlichen Rechts ins Spiel: das Gemeindegut als Eigentum der „alten Agrargemeinde„. Hinweis: Das Gemeindegut war vor Inkrafttreten des modernen Gemeinderechts und vor Inkrafttreten des Teilungs- und Regulierungsrechts als ein Vermögen von juristischen Personen zu verstehen, die seit Jahrhunderten existierten und die nach dem historischen gemeinen Recht des Reiches konstituiert waren: die „Gemeinden nach bürgerlichem Recht„. Das „gemeine Recht“ verstand diese Erscheinungen als „Korporationen“; bereits im Codex Theresianus von 1766 werden diese juristischen Personen nach privatem Recht, die aus mindestens drei natürlichen Personen bestehen mussten, „Gemeinden“ genannt – Gemeinden, die von Privatpersonen gebildet wurden.  Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, ABGB von 1811, regelt diese Gemeinden nach Privatrecht zumindest in Ansätzen.

Peter Pernthaler gelangt unter anderem zu dem Ergebnis, dass das „Gemeindegut“ im politischen Gemeinderecht und im Flurverfassungsrecht unter verschiedenen Gesichtspunkten geregelt wurde. Von einer zwingenden Vorgabe für eine einheitliche Begriffsbildung als Eigentum einer politischen Ortsgemeinde könne deshalb keine Rede sein. Das politische Gemeinderecht regelt die Verhältnisse nur solange, als keine agrarische Operation in Gang gesetzt wird.

Wenn die Nutzungsberechtigten weder eine Teilung noch eine Regulierung anstreben, entscheidet der Gemeinderat gem Gemeindeordnung über das Gemeindegut. Das Gemeindegut wird unter diesen Umständen als „vermutetes Gemeindeeigentum“ von der betreffenden Ortsgemeinde verwaltet. Und solange die nutzungsberechtigten Stammsitzeigentümer keine agrarische Operation eingeleitet hatten, hat sich daran nichts geändert.

Das österreichische Flurverfassungsrecht hat den Stammsitzeigentümern immer die letzte Entscheidung überlassen – diese hatten ein Recht ihr Eigentum zu fordern. Sie konnten und können jedoch auch auf die Rechtsausübung verzichten und ihr Eigentum in der Gemeindeverwaltung belassen. Das politische Gemeinderecht erfasst das Gemeindegut als eine Art Übergangsrecht – bis eine agrarische Operation beantragt bzw eingeleitet wird.

Aber lesen Sie selbst …

 

Inhalt:

Das Regelungsgefüge „Gemeindegut“

1.   Allgemeines 
2.  Kompetenzzuordnung
3. „Komplexe Zuständigkeit“
4. Angelegenheiten der Bodenreform
5. Die Kompetenz „Bodenreform“
6. Doppelzuständigkeit des Landes
7. Unreguliertes Gemeindegut
8. Gemeinderechtskompetenz

 


Abstract

Die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen  Bund, Ländern und Gemeinden ist eines der zentralen Aufgaben der Bundesverfassung.

Die vom VfGH dem Erk VfSlg 9336/1982 zugrunde gelegte These, dass unter dem Begriff „Gemeindegut“, wie dieser Begriff in den Flurverfassungs-Gesetzen gebraucht wurde, jenes zu verstehen sei, das die Gemeindeordnungen geregelt hätten, ist schon aus kompetenzrechtlichen Gründen offenkundig unrichtig.

 Das Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung ist vielmehr eine Querschnittsmaterie; je nach sachlichem Regelungsgesichtspunkt ist einerseits der Gemeindegesetzgeber zuständig, andererseits der Flurverfassungsgesetzgeber.

Der komplexe Zuständigkeitsbereich „Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung“ ist kompetenzrechtlich derart zu differenzieren, dass der historisch nach der Versteinerungstheorie begrenzte Kompetenztatbestand „Bodenreform“ des Bundes gem Art 12 B-VG aus der umfassenden Landeskompetenz „Gemeinderecht“ gem Art 15 B-VG heraus zu heben ist. Dem Landesgesetzgeber verbleibt eine Restkompetenz zur Regelung des Gemeindeguts im Rahmen des Gemeinderechts.

Ausgeschlossen durch die Kompetenzverteilung der Bundesverfassung (Art 10 folgende B-VG) ist die Annahme des VfGH, dass Gemeindeordnung und Flurverfassungsrecht zwingend denselben Rechtsbegriff „Gemeindegut“ verwenden müssen, weil die – aus der Landeskompetenz herausgehobene – Teilkompetenz „Bodenreform, insbesondere agrarische Operationen“ (Art 12 Abs 1 Z 3 B-VG) sich auf einen konkreten Teilbereich der Regelung des Gemeindegutes bezieht. Es geht um die Teilung und Regulierung der agrargemeinschaftlichen Nutzungsrechte am Gemeindegut in einem eigentumsrechtlich undifferenzierten Sinn.

Dass es dem Bodenreformrecht gerade auf diese eigentumsrechtlich undifferenzierte Ausgangssituation seines Verfahrens ankommt, zeigen die – für die Kompetenz Bodenreform ausschlaggebenden – Reformgesetze des Jahres 1883, deren gesetzgeberische Zielsetzung ihren Regelungsschwerpunkt darin hatten, die verworrenen Eigentumsverhältnisse am Gemeindegut zu klären. (Ausführlich zu den Überlegungen des Gesetzgebers)

Die Behauptung des VfGH im Erkenntnis VfSlg 9336/1982, dass die politischen Gemeindegesetze die Eigentumsverhältnisse am Gemeindegut zwingend geregelt hätten, ist offenkundig eine gesetzesfremde Erfindung des Erkenntnisses VfSlg 9336/1982.

Der Hinweis auf die Gemeindeordnung im § 15 Abs 2 lit d FlVerfGG 1951 (in der Fassung vor der Aufhebung durch VfSlg 9336/1982) bezieht sich daher nach dem klaren Wortlaut der Bestimmung gerade nicht auf die vermögensrechtliche Zuordnung des Gemeindegutes (als angebliches Eigentum der Gemeinde), sondern ganz eindeutig auf die gemeinschaftliche Benutzung in Anwendung der Bestimmungen der Gemeindeordnung.

Der eigentumsrechtlich undifferenzierte Begriff „Gemeindegut“ – der die Zuständigkeit der Agrarbehörden im Sinne des Kompetenztatbestandes „Bodenreform“ begründet – kann nicht als rechtliche Diskriminierung des Eigentums der Gemeinde angesehen werden. Eine Benachteiligung eines Gemeindeeigentums ist nach den zwingenden Vorschriften des Flurverfassungsrechts über den Ablauf eines Teilungs- und Regulierungsverfahrens ausgeschlossen, weil die Agrarbehörde prüft und entscheidet, wessen Eigentum ein Gemeindegut bzw die Einzelteile davon sind.

Die Agrarbehörde hat in jedem Fall über die Eigentumsverhältnisse an agrargemeinschaftlichen Liegenschaften zu entscheiden. Erst auf Grund dieser Entscheidung darüber, wer als Eigentümer welcher Liegenschaften festgestellt werden kann, trifft die Agrarbehörde ihre weiteren Entscheidungen über Teilung oder Regulierung. 

 

Das Regelungsgefüge „Gemeindegut“

1. Allgemeines

Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung war in § 15 Abs 2 lit d Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951, BGBl 103 (FlVerfGG 1951) als Anwendungsfall für eine agrarische Operation geregelt. Dies bis zur Aufhebung dieser Bestimmung durch den VfGH im Altenstadt-Eggenwald-Erkenntnis, VfSlg 0336/1982.

Diese Gesetzesbestimmung ging schon auf die gleichlautende Regelung des FlVerfGG 1932, BGBl 1932/256 zurück. Übereinstimmende Formulierungen fanden sich in den verschiedenen Landes-Ausführungsgesetzen zum FlVerfGG. In Tirol und Vorarlberg, die durch das Altenstadt-Eggenwald-Erkenntnis, VfSlg 9336/1982, als Anlassfälle direkt betroffen waren, wurden die entsprechenden Bestimmungen  gleichfalls aufgehoben.

Grund für die Aufhebung dieser Gesetzesbestimmungen waren behauptete Grundrechtsprobleme. (VfGH-Erk Slg 9336/1982: Es sei gleichheitswidrig ein Gemeindegut wie ein Eigentum einer Agrargemeinschaft zu behandeln, weil das Gemeindegut [angeblich] ein Eigentum der Ortsgemeinde sei).

1883: Gemeindegut soll der 
agrarischen Operation unterliegen

Vereinzelt wurde in der Literatur behauptet, das Flurverfassungsrecht sei kompetenzrechtliche das falsche Materiengesetz, um die agrarische Operation am Gemeindegut zu regeln. Dies wurde mit der (falschen) Behauptung begründet, dass die Vorläufer-Regelung des FlVerfGG 1932, nämlich das Teilungs- und Regulierungs- Reichsrahmengesetz (TRRG 1883, RGBl 1883/94) keine Bestimmung über das Gemeindegut enthalten hätte. (Morscher, Gemeinnutzungsrechte am Gemeindegut, ZfV 1982, 1 ff (7); derselbe, Neues vom Gemeindegut, FS Ebert (2002) 167ff)

Diesen Behauptung steht aber entgegen, dass sich die Generalklausel des TRRG 1883 nach dem Wortlaut und der erklärten Absicht des historischen Gesetzgebers insbesondere und gerade auch auf das Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung bezog. [Pernthaler, Eigentum am Gemeindegut, ZfV 2010, 375 ff; Oberhofer/Pernthaler, Das Gemeindegut als Regelungsgegenstand der historischen Bodenreformgesetzgebung, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler (Hrsg), Die Agrargemeinschaften in Tirol (2010) 207ff, 211]. Dies wird auch dadurch deutlich, dass alle Landes-Ausführungsgesetze zum TRRG 1883 aus der Zeit von 1884 bis 1921 ausdrücklich das agrargemeinschaftlich genutzte Gemeindegut als Gegenstand der agrarischen Operation erfasst und damit der Jurisdiktion der Agrarbehörden unterworfen haben.

Hinweis: Beachtlich ist dabei der Umstand, dass die Teilungs- Regulierungs- Landesgesetze für das Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung eine besondere Form der agrarischen Operation vorgesehen haben: Die Ergänzung der Gemeindeordnung um die nötigen, zusätzlichen Bestimmungen. Die „Commassionsbehörde“ sollte (nur) die nötigen Ergänzungen zur Gemeindeordnung verfügen. Diese spezielle Variante der agrarischen Operation könnte darauf zurückzuführen sein, dass die Landesgesetzgeber unter den historischen Rahmenbedingungen keinen zweiten Verwaltungskörper einrichten wollten. 

Aus diesen Landesgesetzen hatte das FlVerfGG 1932 die Formulierung in § 15 Abs 2 lit d „das einer gemeinschaftlichen Benutzung nach den Bestimmungen der Gemeindeordnungenunterliegende Gemeindegut“ übernommen, was darauf hindeutet, dass das FlVerfGG selbst – außer seiner eigenen – noch eine Regelungskompetenz der Gemeindeordnung voraussetzte. Auch das VfGH Erk Slg 9336/1982 stellte klar, dass die Unterstellung des Gemeindegutes unter den Kompetenztatbestand Bodenreform „nicht bedeutet, dass dem Gemeindegesetzgeber in seinem Zuständigkeitsbereich Regelungen über das Gemeindegut überhaupt versagt wären“. (III. 3. letzter Absatz der Entscheidungsgründe von VfSlg 9336/1982)

Offenkundig handelt es sich beim Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung um eine sog „komplexe Zuständigkeit“ (oder „Querschnittsmaterie“), wo einheitliche Lebenssachverhalte unter verschiedenen Regelungsaspekten („Gesichtspunkten“) unterschiedlichen Kompetenzen zugeordnet werden. (Pernthaler, Kompetenzverteilung in der Krise, 1989, 75ff, 86ff mit umfassenden Hinweisen auf Literatur und Rechtsprechung)

2. Kompetenzzuordnung

Aus diesem komplexen einfachgesetzlichen Regelungsgefüge hinsichtlich des Gemeindegutes in agrargemeinschaftlicher Nutzung ergeben sich folgende kompetenzrechtlichen Fragestellungen

a)   Ist dieser Regelungsbereich in der Bundeskompetenz „Bodenreform, insbesondere agrarische Operationen“ (Art 12 Abs 1 Z 3 B-VG) begründet und wie ist diese Kompetenz inhaltlich abzugrenzen?

b)   Welcher Zuständigkeitsbereich bleibt in diesem Regelungsgefüge „Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung“ dem Gemeindegesetzgeber auf Grund der Landeskompetenzen vorbehalten? (Nach Art 115 Abs 2 B-VG „Gemeinderecht“ im organisatorischen Sinn, und Art 15 Abs 1 B-VG, Regelung der Gemeindeaufgaben)

3.„Komplexe Zuständigkeit“

Die kompetenzrechtliche Komplexität des Regelungsgegenstandes „Gemeindegut inagrargemeinschaftlicher Nutzung“ hat historische und rechtssystematische Gründe.

Historisch war das Gemeindegut im umfassenden Sinn ursprünglich einheitlich in den Gemeindeordnungen der Länder geregelt, die in Ausführung des Reichsgemeindegesetzes RGBl 1862/18, nach einem einheitlichen zentralen Mustergesetz, in den Jahren 1864 bis 1866 erlassen wurden. Vorläufer dieser Regelungen war das „Provisorische Gemeindegesetz“, RGBl 1849/170 (§§ 74 und 75), das allerdings nur teilweise und vorübergehend wirksam wurde. In den Landes-Gemeindeordnungen wurde das Gemeindegut „in Bezug auf das Recht und das Maß der Teilnahme an den Nutzungen“ geregelt und es wurde eine allgemeine Regelungs- und Verwaltungsbefugnis der Gemeinde begründet, wobei die Aufteilung des Gemeindegutes dem Landesgesetzgeber vorbehalten blieb.

Aus diesem umfassenden Regelungsbereich der Landesgemeindeordnungen der Jahre 1863 bis 1866 hat das Teilungs- Regulierungs- Reichsgesetz 1883 (TRRG 1883) eine sachlich klar begrenzte Verwaltungsmaterie herausgelöst, die einer besonderen Verwaltungsorganisation mit richterlichem Einschlag – den Agrarbehörden, damals: „Commassionsbehörden“ genannt – vorbehalten sein sollte. Diese schwerpunktmäßig reformatorische Verwaltungsaufgabe, die später unter dem Begriff „agrarische Operationen“ (Bodenreform) zusammengefasst wurde, ist im TRRG 1883 unter dem Doppeltitel „Teilung und Regulierung der gemeinschaftlichen Benützungs- und Verwaltungsrechte an agrargemeinschaftlichen Grundstücken“ formuliert.

Die Landes-Ausführungsgesetze zu diesem Rahmengesetz stammen aus der Zeit von 1884 (Mähren) bis 1921 (Vorarlberg); diese Gesetze führten die neue behördliche Zuständigkeit bezüglich des Gemeindegutes nur sehr begrenzt aus – was dem damaligen Verständnis des „Reichsrahmengesetzes“ entsprach – und beließen den Gemeindeordnungen weitgehend die bisherigen Regelungen der Verwaltungsbefugnisse hinsichtlich des Gemeindegutes. (siehe dazu: Ergänzung der Gemeindeordnung als historische agrarische Operation)

Erst mit dem Inkrafttreten des FlVerfGG 1932 war die neue Bundeskompetenz „Bodenreform“ mit allen Auswirkungen zu beachten. Solange der Bund von einer Kompetenz zur Bundes-Grundsatzgesetzgebung keinen Gebrauch macht, gibt es keine von den Ländern zu beachtenden Vorgaben. Diese Bundeskompetenz wurde nun neben der weiter bestehenden Gemeinderechtskompetenz der Länder als kumulative Regelungszuständigkeiten beider Gebietskörperschaften in der Sachmaterie „Gemeindegut“ wirksam.

Diese Zuständigkeitskumulation ist seit dem Inkrafttreten der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung am 1. 10. 1925 nicht mehr historisch, sondern rechtssystematisch nach den in Betracht kommenden kompetenzrechtlichen „Gesichtspunkten“ zu differenzieren. Das bedeutet, dass die historischen Regelungsbefugnisse des Gemeindegesetzgebers in Angelegenheiten des Gemeindegutes nicht mehr in der sachlich umfassenden Allgemeinzuständigkeit weiter gelten. Vielmehr sind diese im Einzelnen darauf hin zu prüfen sind, ob sie der neuen Bundeskompetenz „Bodenreform einschließlich agrarische Operationen“ (Art 12 Abs 1 B-VG) widersprechen, mit ihr vereinbar sind oder sogar von ihr vorausgesetzt werden. Dies soll im letzten Abschnitt dieser Untersuchung auf der Grundlage der vorangehenden Klärung des Umfanges der Bundeskompetenz „Bodenreform“ untersucht werden.

4. Angelegenheiten der Bodenreform

Nach Art 12 Abs 1 Z 3 B-VG ist die „Bodenreform, insbesondere agrarische Operationen und Wiederbesiedelung“ Bundessache hinsichtlich der Gesetzgebung über die Grundsätze und Landessache, was die Erlassung von Ausführungsgesetzen und die Vollziehung betrifft.

Was unter den Kompetenzbegriffen „Bodenreform“ (dies ist der Oberbegriff) und „agrarische Operationen“ (die „Wiederbesiedlung“ kann in diesem Zusammenhang außer Betracht bleiben) im Einzelnen zu verstehen ist, muss – da der Inhalt dieser Begriffe in der Verfassung selbst nicht näher umschrieben ist – im Sinne der ständigen Rechtsprechung danach beurteilt werden, „in welcher rechtlichen Prägung die Rechtsordnung die Begriffe im Zeitpunkt ihrer Schaffung verwendet hat“ (VfSlg 4349/1963 ua). Der Inhalt der Kompetenzvorschriften wird somit nach dem Prinzip der historischen Auslegung ermittelt. Die Kompetenzbegriffe sind in jener Bedeutung zu verstehen, die sie beim Wirksamwerden der betreffenden Zuständigkeitsvorschriften (hier: 1. 10. 1925) in der Rechtsordnung hatten.

Diese – als „Versteinerungstheorie“ bezeichnete – Auslegungsmethode baut auf der rechtlichen Begriffsbildung in der einfachgesetzlichen Rechtslage im Versteinerungszeitpunkt auf. Es müssen daher die am 1. 10. 1925 in Geltung gestandenen Rechtsvorschriften betreffend die Bodenreform (agrarische Operationen) festgestellt und als Auslegungshilfe zur Ermittlung der angeführten Kompetenzbegriffe herangezogen werden. (Vgl dazu Schäffer, Verfassungsinterpretation in Österreich, Wien/New York 1971, 99 ff; Funk, Das System der bundessstaatlichen Kompetenzverteilung im Lichte der Verfassungsrechtsprechung, Wien 1980, 69 ff; Mayer, Entwicklungstendenzen in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, ÖJZ 1980, 337 f; Pernthaler, Kompetenzverteilung in der Krise, Wien 1989, 79ff)

Hinsichtlich des Begriffs der „agrarischen Operationen“ (dieser Begriff steht hier im Vordergrund) ist nach Lehre und Rechtsprechung auf die drei „Reichsrahmengesetze“ von 1883, RGBl Nr 92 bis 94, abzustellen: Als agrarische Operationen werden vom Verfassungsgerichtshof stets „nur die in den drei sogenannten ‚Reichsrahmengesetzen‘ vom 7. Juni 1883, RGBl 92 bis 94, geregelten Aktionen der Zusammenlegung, der Bereinigung des Waldlandes von fremden Enklaven und der Teilung und Regulierung von Agrargemeinschaften verstanden“. (Vgl VfSlg 1390/1931; uam)

Die Prüfung der Frage, ob es sich bei der Teilung und Regulierung von Gemeindegut um agrarische Operationen im Sinne des Art 12 Abs 1 Z 3 B-VG handelt, ist anhand des – zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Kompetenzbestimmungen (1. 10. 1925) geltenden – Gesetzes vom 7. Juni 1883, RGBl 94, betreffend die Teilung gemeinschaftlicher Grundstücke und die Regulierung der hierauf bezüglichen gemeinschaftlichen Benützungs- und Verwaltungsrechte und der zu diesem „Reichsrahmengesetz“ erlassenen Landes-Ausführungsgesetze von 1884 (Mähren) bis 1921 (Vorarlberg) vorzunehmen.

Nach seinem § 1 bezieht sich dieses Gesetz auf Grundstücke, bezüglich derer entweder „a) zwischen gewesenen Obrigkeiten und Gemeinden oder ehemaligen Unterthanen, sowie zwischen zwei oder mehreren Gemeinden gemeinschaftliche Besitz- und Benützungsrechte bestehen, oder b)   welche von allen oder von gewissen Mitgliedern einer Gemeinde, einer oder mehrerer Gemeindeabtheilungen, Nachbarschaften oder ähnlicher agrarischer Gemeinschaften (Klassen der Bauern, Bestifteten, Singularisten udgl) kraft ihrer persönlichen oder mit einem Besitze verbunden Mitgliedschaft, oder von den Mitberechtigten an den in einzelnen Ländern bestehenden Wechsel- oder Wandelgründen gemeinschaftlich oder wechselweise benützt werden.“

Dieser seinerzeitigen Formulierung entsprechen heute § 15 Abs 1 lit a und b Flurverfassungs-Grundsatzgesetz, BGBl 1951/103 idgF und die korrespondierenden Bestimmungen der Flurverfassungs-Landesgesetze. (zB § 33 Abs 1 und 2 Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1996, LGBl 74 idF 2009/7; § 31 Abs 1 lit a und b Vbg Flurverfassungsgesetz, LGBl 1979/2 idgF) Schon nach dem Wortlaut des § 1 lit b des zitierten Gesetzes aus 1883 fällt auch das sog Gemeindegut ganz offenkundig unter diese Bestimmung. Die Reglungen betreffend die Teilung und Regulierung der gemeinschaftlichen Grundstücke, deren genauere Ausführung gemäß § 2 der Landesgesetzgebung vorbehalten blieb, galten daher auch für das Gemeindegut.

Die Einbeziehung des Gemeindegutes in die Reglungen über die Teilung und Regulierung gemeinschaftlicher Grundstücke war auch die erklärte Absicht des historischen Gesetzebers. So heißt es in den „Erläuternden Bemerkungen zu den auf Grund Allerhöchster Entschließung vom 12. Februar 1880 eingebrachten Gesetzesentwürfen hinsichtlich des Gesetzesentwurfes betreffend die grundsätzlichen Bestimmungen über die Theilung gemeinschaftlicher Grundstücke und die Regulierung der bezüglichen Benützungs- und Verwaltungsverhältnisse“: „Die Bestimmungen des § 1 Z 2 (in der Endfassung lit b) des Entwurfes haben die Grundstücke zum Gegenstande, welche als Gemeindegut oder als Gemeingut jener Körperschaften oder Klassen benützt werden, die sich als Überreste der alten Agrargemeinde innerhalb der modernen politischen Gemeinde erhalten haben“. (43 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Herrenhauses, IX. Session)

Auch im „Bericht des Commassationsausschusses über die von dem Hohen Herrenhause am 7. und 17. November 1881 in dritter Lesung gefaßten Beschlüsse auf Erlassung von Gesetzen: a) betreffend die Zusammenlegung landwirtschaftlicher Grundstücke; b) betreffend die Bereinigung des Waldlandes von fremden Enclaven und die Arrondirung der Waldgrenzen; c) betreffend die Theilung gemeinschaftlicher Grundstücke und die Regulirung der hierauf bezüglichen gemeinschaftlichen Benützungs- und Verwaltungsrechte“ wird bezüglich des letztgenannten Gesetzesentwurfes angeführt: „Die im § 1 sub b bezeichneten Grundstücke aber sind solche, welche – abgesehen von Dalmatien, woselbst durch die historischen Ereignisse und namentlich durch den Einfluß der türkischen und venetianischen Herrschaft sich ganz besondere Verhältnisse herausgebildet haben – in allen österreichischen Ländern sich als Überreste der alten Agrargemeinde innerhalb der modernen politischen Gemeinde bald unter der Bezeichnung ‚Gemeindegut‘, bald unter der Bezeichnung ‚Gemeingut‘ erhalten haben, und bei welchen die mannigfaltigsten Eigentums- und Nutzungsverhältnisse sich vorfinden“. (528 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Abgeordnetenhauses, IX. Session, 12)

In gleicher Weise lassen sich die Debattenbeiträge der verschiedenen Abgeordneten in der 268. Sitzung der IX. Session des Abgeordnetenhauses als Beleg anführen. (Vgl insbesondere die Beiträge der Abgeordneten v Grocholski und Kopp sowie des Regierungsvertreters v Rinaldini, Stenographische Protokolle des Abgeordnetenhauses des österreichischen Reichsrathes, IX. Session, 268. Sitzung, 9214ff) Bezeichnenderweise ging es in der Debatte vorwiegend um die Frage der Einbeziehung des Gemeindegutes. Dieses Thema nahm die meiste Zeit der Sitzung in Anspruch. Manche Abgeordneten sahen in dem betreffenden Gesetz einen massiven Eingriff in die Autonomie der Gemeinden und die Gesetzgebungskompetenzen der Länder, wobei sie darauf hinwiesen, dass die Gemeindeordnungen der Länder bereits Regelungen über das Gemeindegut enthielten.

So sagte beispielsweise der Abgeordnete v Grocholski„Der § 1 bestimmt, welche Grundstücke den Gegenstand des Gesetzes zu bilden haben. Unter diesen Gründen sind aber unstreitig jene Gründe gemeint, welche heutzutage Eigenthum der Gemeinde sind und welche den Namen ‚Gemeindegut‘ haben – ich weiß nicht, ob ich richtig verdolmetsche, im Polnischen heißt es ‚dobro gminne‘ – also ‚Gemeindegut‘. Das sind jene Gründe, welche das Eigenthum entweder der ganzen Gemeinde oder eines Theiles der Gemeinde bilden, nachdem ja die politische Gemeinde aus Ansässigkeiten bestehen kann, welche besonderes Eigenthum haben und wo die einzelnen Mitglieder dieser Gemeinde, beziehungsweise dieses Theiles der Gemeinde das Benützungsrecht auf diese Gründe haben. Diese Gründe fallen unbestreitbar nach dem Wortlaute des § 1 unter dieses Gesetz. Nun, meine Herren, die Verwaltung dieser Gründe, die Benützung, die Theilung dieser Gründe ist aber, wenn ich nicht irre, bereits in allen durch Landesgesetze gegebenen Gemeindeordnungen normirt, besonders in Galizien. Ich kann die Paragraphe citiren, durch die sie normiert ist“. (Stenographische Protokolle des Abgeordnetenhauses des österreichischen Reichsrathes, IX. Session, 9219)

Trotz dieser und ähnlicher Einwände wurde das Gesetz beschlossen, nicht zuletzt deshalb, weil die diesbezüglichen Bestimmungen der Gemeindeordnungen für unzulänglich gehalten wurden. Der Regierungsvertreter Ministerialrat v Rinaldini führte dazu aus: „Der Grund, warum überhaupt dieses Gesetz auch diese Grundstücke, nebst den sogenannten Klassenvermögen, also auch das Gemeindegut einbezogen hat, ist einfach der, weil nach den Erfahrungen, welche in einer Reihe von Ländern gemacht worden sind, die sehr vagen Bestimmungen der Gemeindeordnung, welche ja bloß auf die unangefochtene Uebung hinweisen und eventuell, wo eine solche unangefochtene Uebung nicht besteht, Gemeinderathsbeschlüsse als normirend bezeichnen, nicht hinreichend sind. Schon die einfache Vorfrage, ob ein solches Grundstück ein Grundstück der Gemeinden oder ein Grundstück einer Klasse von Gemeindeangehörigen sein wird, ist ja eine ungemein schwierig zu lösende Frage, und zwar eine Frage, die nicht bloß merital schwierig zu lösen ist, sondern schon dann Schwierigkeiten bietet, wenn man einfach um die Comeptenz frägt, wenn man sicheren Aufschluß haben will, wer eigentlich competent sei, in dieser Frage zu entscheiden? Diese Unzulänglichkeit der bestehenden Normen der Gemeindeordnung und auch insbesondere, was das Gemeinschaftsvermögen betrifft, die vollständige Unzulänglichkeit der Normen des 16. Hauptstückes des bügerlichen Gesetzbuches über die Gemeinschaft des Eigenthums haben geradezu dazu gedrängt, eine solche Vorlage zu entwerfen“. (Stenographische Protokolle des Abgeordnetenhauses des österreichischen Reichsrathes, IX. Session, S 9221; vgl auch den Debattenbeitrag des Abgeordneten Granitsch, 9230 ff)

Nach der Erlassung des Reichsrahmengesetzes, RGBl 1883/94 durfte der Landesgesetzgeber die Fragen der Teilung und Regulierung des Gemeindegutes nur mehr „nach Maßgabe dieses Gesetzes“ (§ 2 leg cit) regeln, dh als Ausführungsgesetzgeber. Die Reichsgesetzgebung nahm die Zuständigkeit zur Rahmengesetzgebung auf diesem Gebiet mit diesem Gesetz aus 1883 einfach für sich in Anspruch. Die Teilung und Regulierung gemeinschaftlicher Grundstücke war damit auch hinsichtlich des Gemeindegutes eine „agrarische Operation“ im Zuständigkeitsbereich der Reichsrahmengesetzgebung.

Für die kompetenzrechtliche Zuordnung des Gemeindegutes, wie sie in dieser Untersuchung vorzunehmen ist, ist die damalige Zuständigkeit des Reichsgesetzgebers unmaßgeblich. (Vgl §§ 11 und 12 des Gesetzes, wodurch das Grundgesetz über die Reichsvertretung vom 26. Februar 1861 abgeändert wird, RGBl 1867/141) Wesentlich ist im vorliegenden Zusammenhang nur, dass unter dem Kompetenzbegriff „agrarische Operationen“ im Sinne des Art 12 Abs 1 Z 3 B-VG nach der Versteinerungstheorie auch die Teilung und Regulierung von Gemeindegut zu verstehen ist. Bestätigt wird dieses Ergebnis auch dadurch, dass sämtliche Landes-Ausführungsgesetze zum Reichsrahmengesetz von 1884 bis zum Jahre 1921 agrargemeinschaftliche Grundstücke des Gemeindegutes ausdrücklich der Teilung und Regulierung unterwarfen, wobei sie für die Regulierung allerdings eine Allgemeinzuständigkeit der Gemeinde festlegten, weshalb die Regulierung darauf hinauslief, dass die Gemeindeordnung um notwendige Regelungen ergänzt werden sollte. (Kühne/OberhoferaaO, 263f)

Regelungen betreffend die Teilung und Regulierung von Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung sind daher in der Grundsatzgesetzgebung Bundessache und in der Ausführungsgesetzgebung Landessache.
Da sich der Reichsgesetzgeber im Jahr 1883 die Rahmengesetzgebung auf diesem Gebiete angeeignet hatte, hat der Bundesverfassungs-Gesetzgeber in der Bundesverfassung (B-VG) für die Bodenreformgesetzgebung eine eigene Bundeskompetenz (Art 12 Abs 1 Z 3 B-VG) geschaffen und eine besondere Verfassungsgrundlage für die gleichfalls übernommene traditionelle Organisationsform der Agrarbehörden (Art 12 Abs 2 B-VG; vgl die Neuordnung der Organisation der Agrarbehörden durch das Gesetz StGBl 1920/195).

Auf die am 1. 10. 1925 in Kraft getretene Kompetenz des Art 12 Abs 1 Z 3 B-VG hat sich nicht nur die Regierungsvorlage des FlVerfGG 1931 berufen; auch die Landesausführungsgesetze – bis zum Tiroler FlVLG LGBl 2010/7 – haben sich bei der Regelung des Gemeindegutes in agrargemeinschaftlicher Nutzung auf diese Verfassungsbestimmung gestützt. (78 der Beilagen Nationalrat IV GP, 9; Bericht und Antrag des Ausschusses für Rechts-, Gemeinde- und Raumordnungsangelegenheiten zur Regierungsvorlage der TFLG-Novelle, Zl 574/09 der Beilagen zu den Sten Prot des LT XV GP)

5.      Die Kompetenz „Bodenreform“

Der VfGH hat zur Grundlage seiner Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit des § 15 Abs 2 FlVerfGG 1951 und der diese Bestimmung ausführenden Landesgesetze folgende These genommen (VfSlg 9336/1982 und alle, diese Entscheidung konkretisierenden Folgeerkenntnisse):

„Unter dem Gemeindegut (Ortschaftsgut, Fraktionsgut), das § 15 Abs 2 lit d FlVerfGG zu den agrargemeinschaftlichen Grundstücken zählt und der Ordnung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach Maßgabe des Gesetzes unterwerfen, ist jene Erscheinung zu verstehen, die in den früheren Gemeindeordnungen im Rahmen des Reichsgemeindegesetzes 1862 und den nachfolgenden Gemeindegesetzen geregelt war. Das ergibt sich nicht nur aus dem durch die Gemeindeordnungen geprägten Ausdruck „Gemeindegut“, sondern auch aus dem Hinweis auf die Bestimmungen der Gemeindeordnungen im Grundsatzgesetz. Dieser Hinweis ist im Ausführungsgesetz für Vorarlberg offenkundig nur deshalb unterblieben, weil die Vbg. Gemeindeordnung zur Zeit seiner Erlassung im Hinblick auf eben diese flurverfassungsrechtliche Regelung besondere Bestimmungen nicht mehr enthielt. Demgemäß hat der VfGH bereits in den Erk. VfSlg. 4229/1962 und 5666/1968 klargestellt, dass unter Gemeindegut iS des Flurverfassungsrechts jenes zu verstehen ist, dessen Rechtsgrundlage ausschließlich die Gemeindeordnungen waren“. (III. 1 der Entscheidungsgründe des Erk VfSlg 9336/1982)

Diese These der Verfassungsgerichtshofes ist schon aus kompetenzrechtlichen Erwägungen offenkundig unrichtig. Die Grundsatzkompetenz Bodenreform ermächtigt nämlich gerade nicht zur Regelung des Gemeindegutes „als Erscheinung der Gemeindeordnung“ – diese Zuständigkeit gehört nämlich in der komplexen Kompetenzmaterie „Gemeindegut“ zur Landeskompetenz „Gemeindeordnung“ (Sehr treffend formuliert daher § 33 Abs 6 Tiroler FLG: „Ob ein Grundstück ein agrargemeinschaftliches Grundstück ist, hat im Zweifel die Agrarbehörde zu entscheiden. Die gemeinderechtlichen Bestimmungen bleiben unberührt.“). Weder die Agrarbehörde noch das Flurverfassungsrecht haben daher die Zuständigkeit zu entscheiden, ob ein agrargemeinschaftliches Grundstück „Gemeindegut im Sinne der Gemeindeordnung ist“. Das Bodenreformrecht bezieht sich nämlich ausschließlich auf die Agrargemeinschaft Gemeindegut als gemeinschaftliche Nutzungsordnung, die neu geordnet werden soll.

Der Verweis des VfGH auf das Reichsgemeindegesetz 1862 und die dieses Grundsatzgesetz ausführenden Gemeindeordnungen von 1866 ist deshalb irreführend, weil zu dieser Zeit kein Bodenreformrecht bestand und die neue politische Gemeinde in liberaler Selbstordnung die bäuerlichen Nutzungsrechte nach der Aufhebung der Grundherrschaft und des geteilten Eigentums „frei“ selbst verwalten und regulieren sollte. Art V Reichsgemeindegesetz bestimmte dazu: Im selbständigen Wirkungskreis kann die Gemeinde „nach freier Selbstbestimmung anordnen und verfügen“; zum Scheitern dieses frühdemokratisch-liberalen Ordnungskonzeptes als Reformmodell der Land- und Forstwirtschaft, das zum Konzept der staatlichen Bodenreform 1883 führte: Pernthaler, Eigentum am Gemeindegut, ZfV 2010, 376)

Dazu kommt, dass selbst die Landesausführungsgesetze zum Reichsrahmengesetz von 1883, RGBl 94 „die Regulierung der Verwaltungsrechte jener gemeinschaftlichen Grundstücke, die durch die Gemeindeordnung oder andere das Gemeindegut betreffende Vorschriften geregelt ist“ in der Form geregelt haben, dass die Gemeinde weiterhin Trägerin der Verwaltungsrechte der Agrargemeinschaft sein sollte.
Eine bereits als Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzungorganisierte Agrargemeinschaft konnte geteilt werden; im Fall der Regulierung sollte jedoch kein zweiter Rechtsträger eingerichtet werden, sondern lediglich eine Ergänzung der Gemeindeordnung im erforderlichen Ausmaß stattfinden. Die Ergänzung der Gemeindeordnung um die erforderlichen Bestimmungen war eine spezielle agrarische Operation gemäß den Teilungs- Regulierungs- Landesgesetzen.
Dieser Rechtszustand galt infolge der Rechtsüberleitung der betreffenden reichs- und landesgesetzlichen Vorschriften auch in der Republik zunächst weiter.

Erst das Inkrafttreten des FlVerfGG 1932 hat das Problem der Abgrenzung der Bodenreformkompetenz des Bundes von der Gemeinderechtskompetenz der Länder bewusst werden lassen und – aus Anlass der Neuordnung des Gemeinderechtes im Jahre 1935 und später – zu einer Intervention des Bundes und einer darauf Bedacht nehmenden Anpassung der Gemeindeordnungen geführt.  Seit dem grenzen die Gemeindeordnungen ihre Vorschriften über das Gemeindegut eindeutig von „den Vorschriften in den Angelegenheiten der Bodenreform“ ab, die „unberührt bleiben“ (Vgl etwa § 74 Tiroler Gemeindeordnung LGBl 2001/36; ausführlich: Anpassung des Gemeinderechts).

Allerdings stellt eine Stellungnahme des Bundeskanzleramtes vom 1. 8. 1935 zur geplanten Novelle der Tiroler Gemeindeordnung klar, dass der Bund „großen Wert darauf legt, die bisherigen materiellrechtlichen Bestimmungen über das Recht und das Maß der Teilnahme an den Nutzungen dieses agrargemeinschaftlichen Teiles des Gemeindegutes auch weiterhin in der Gemeindeordnung zu belassen“, worauf sich auch der Hinweis auf die Gemeindeordnungen in § 15 Abs 2 lit d FlVerfGG beziehe. (Stellungnahme des Bundeskanzleramtes (Inneres) „Gemeindegut und Flurverfassungsgrundsatzgesetz BGBl 256/1932“, Zl 156.486-6 vom 1. August 1935; ausführlich: Anpassung des Gemeinderechts). Der Grund war ein einfacher: Solange keine agrarische Operation durchgeführt war, musste die bisherige Ordnungsinstanz ihre Kompetenzen behalten.

Es kann also nach der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern das FlVerfGG des Bundes den Begriff „Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Benutzung“ autonom als Nutzungsordnung unabhängig von der Eigentumszuordnungrechtlich definieren, wenn der Bundesgesetzgeber dies für die Zwecke des Regulierungsverfahrens für sinnvoll hält. Erst im Regulierungsverfahren soll über die Rechtsfrage der Eigentumszuordnung (auf Grund der Erhebungen dieses Verfahrens) von der Agrarbehörde entschieden werden.
In gleicher Weise kann aber der Gemeindegesetzgeber es bei seiner bisherigen Regelung belassen, dass das Gemeindegut im gemeinderechtlichen Sinn als ein besonders qualifizierter Teil des Gemeindevermögens im Eigentum der Gemeinde steht, weil auch diese Regelung zur Kompetenz „Gemeinderecht“ im Sinne des Art 115 Abs 2 und 118 Abs 2 B-VG gehört. (Siehe Art 116 Abs 2 B-VG, der von Art 118 Abs 2 B-VG rezipiert wird)

Ausgeschlossen durch die Kompetenzverteilung ist nur die Annahme des VfGH, dass Gemeindeordnung und Flurverfassungsrecht denselben Rechtsbegriff „Gemeindegut“ verwenden müssen, weil die – aus der Landeskompetenz herausgehobene – Teilkompetenz „Bodenreform“ sich auf einen konkreten Teilbereich der Regelung des Gemeindegutes, nämlich die Teilung und Regulierung der agrargemeinschaftlichenNutzungsrechte am Gemeindegut in einem eigentumsrechtlich undifferenzierten Sinn, bezieht. Dass es dem Bodenreformrecht gerade auf diese eigentumsrechtlich undifferenzierte Ausgangssituation seines Verfahrens ankommt, zeigen die – für die Kompetenz Bodenreform ausschlaggebenden – Reformgesetze 1883, deren gesetzgeberische Zielsetzung – wie oben erläutert wurde – in der Klärung der verworrenen Eigentumsverhältnisse am Gemeindegut ihren Regelungsschwerpunkt hatten. (Ausführlich dazu: Agrarbehörde entscheidet über Eigentum)

Der Hinweis auf die Gemeindeordnung im § 15 Abs 2 lit d FlVerfGG (in der Fassung vor der Aufhebung durch VfSlg 9336/1982) bezieht sich daher nach dem klaren Wortlaut der Bestimmung gerade nicht auf die vermögensrechtliche Zuordnung des Gemeindegutes (als Eigentum der Gemeinde), sondern ganz eindeutig auf die „gemeinschaftliche Benutzung, die der Bestimmung der Gemeindeordnung unterliegt“. Das entspricht einerseits dem Anknüpfungspunkt „gemeinschaftliche Nutzungsordnung“ des Flurverfassungsrechts und anderseits der kompetenzrechtlichen Zuordnung der „bisherigen materiellrechtlichen Bestimmungen über das Recht und das Maß der Teilnahme an den Nutzungen des agrargemeinschaftlich genutzten Gemeindegutes“ zur Landeskompetenz „Gemeindeordnung“, die das FlVerfGG eindeutig vorausgesetzt hat.

Dass in der rechtlich undifferenzierten Begriffsbildung „Gemeindegut“ – die ja nur die Zuständigkeit der Agrarbehörden im Sinne des Kompetenztatbestandes „Bodenreform“ begründet – eine rechtliche Diskriminierung des Eigentums der Gemeinde gelegen sei, wie der VfGH im Erk Slg 9336/1982 angenommen hat, ist nach den zwingenden Vorschriften des Flurverfassungsrechts über den Ablauf des Teilungs- und Regulierungsverfahrens ausgeschlossen, weil die Agrarbehörde in jedem Fall das Eigentum an agrargemeinschaftlichen Liegenschaften festzustellen hat und erst auf Grund dieser – zivilrechtlichen – Feststellung ihre weiteren Entscheidungen der Teilung oder Regulierung treffen kann.

6. Doppelzuständigkeit des Landes

Wie eingangs dargelegt wurde, ist der komplexe Zuständigkeitsbereich „Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung“ kompetenzrechtlich derart zu differenzieren, dass der historisch nach der Versteinerungstheorie begrenzte Kompetenztatbestand „Bodenreform“ des Bundes aus der umfassenden Landeskompetenz „Gemeinderecht“ herausgehoben und die Restkompetenz danach analysiert wird.

Als mögliche kompetenzrechtliche Grundlagen für gesetzliche Regelungen betreffend das Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung kommen außer Art 12 Abs 1 Z 3 B-VG („Bodenreform, insbesondere agrarische Operationen und Wiederbesiedelung“), die Zuständigkeiten der Landesgesetzgebung nach Art 15 Abs 1 B-VG (Generalklausel zugunsten der Länder) und Art 115 Abs 2 B-VG („Gemeinderecht“) in Betracht.

Gemäß Art 115 Abs 2 erster Satz B-VG hat die Landesgesetzgebung das Gemeinderecht – nach den Grundsätzen der Artikel 116 bis 120 B-VG – zu regeln. Unter „Gemeinderecht“ sind dabei vor allem die in Art 116 ff B-VG in ihren Grundsätzen festgelegten Organisationsvorschriften für die Gemeinden und Gemeindeverbände zu verstehen. Die Regelung des materiellen Gemeinderechtes, dh die „Regelung der gemäß den Artikeln 118 und 119 von den Gemeinden zu besorgenden Angelegenheiten“ richtet sich hingegen gemäß Art 115 Abs 2 zweiter Satz B-VG „nach den allgemeinen Vorschriften dieses Bundesverfassungsgesetzes“ und somit nach den Kompetenzvorschriften des Art 10 – 15 B-VG (Vgl zB Oberndorfer, Gemeinderecht und Gemeindewirklichkeit, Linz 1971, 131ff). Regelungen betreffend die Verwaltung, Teilung oder Regulierung des Gemeindegutes in agrargemeinschaftlicher Nutzung obliegen, da es sich um die Festlegung von Aufgaben handelt, dem zuständigen Materiengesetzgeber (nach Art 115 Abs 2 zweiter Satz B-VG) und nicht dem Gemeinderechts-Organisationsgesetzgeber im Sinne des Art 115 Abs 2 erster SatzB-VG. Art 115 Abs 2 zweiter Satz B-VG schafft keinen eigenen Kompetenztatbestand, sondern verweist vielmehr auf die allgemeinen Kompetenz-Vorschriften.

Als Landeskompetenz gemäß Art 15 Abs 1 B-VG kommen für die gegenständliche Materie Vorschriften über die Vermögensverwaltung der Gemeinde (Art 116 Abs 2 B-VG: eigener Wirkungsbereich der Gemeinde), aber auch die subsidiäre Gesetzgebung im Kompetenztatbestand „Bodenreform“ in Betracht ((Art 15 Abs 6 B-VG: „Sind vom Grundsatzgesetzgeber keine Grundsätze aufgestellt, so kann die Landesgesetzgebung solche Angelegenheiten frei regeln“). Die Allgemeinzuständigkeit der Länder gemäß Art 15 Abs 1 B-VG wird durch die Grundsatzkompetenz des Bundes nur eingeschränkt, nicht aber die Gesetzgebungshoheit der Länder durch das Grundsatzgesetz begründet (Pernthaler, Österreichisches Bundesstaatsrecht, 2004, 326). Aus praktischen Erwägungen wird daher – die Abgrenzung der Landeskompetenz „Gemeinderecht“ gegenüber der Bundeskompetenz „Bodenreform“ an den beiden unterschiedlichen Typen der „regulierten“ und der „unregulierten“ Agrargemeinschaft Gemeindegut analysiert. Denn das unregulierte Gemeindegut ist schwergewichtig Gemeinderechtskompetenz, das regulierte Gemeindegut fast ausschließlich Gegenstand der Bodenreformgesetzgebung.

7. Unreguliertes Gemeindegut

Nur in wenigen Teilbereichen unter den Kompetenztatbestand „Bodenreform, insbesondere agrarische Operationen und Wiederbesiedlung“ (Art 12 Abs 1 Z 3 B-VG) fällt die Regelung der Verwaltung des nicht regulierten Gemeindegutes, wie sie manche Gemeindeordnungen auch noch heute enthalten (Vgl §§ 70 – 72 Tiroler Gemeindeordnung LGBl 2001/36). Solange das Gemeindegut nämlich keiner planmäßigen „Neuordnung der Besitz-, Benützungs- oder Bewirtschaftungsverhältnisse“ unterworfen wird, sondern nur die bisherige Übung gewahrt und ihre Einhaltung überwacht werden soll, bleibt diese Angelegenheit im Kompetenzbereich des Landes (Art 15 Abs 1 B-VG) und – was die Vollziehung betrifft – eine Aufgabe des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde (Art 118 Abs 2 B-VG). Es handelt sich dabei offenkundig um eine Regelung der Gemeindeaufgabe „Vermögensverwaltung“ (Art 116 Abs 2 B-VG) und nicht der Gemeindeorganisation, daher kommt nach den eingangs dargestellten Grundsätzen nicht die Spezialkompetenz des Art 115 Abs 2 erster Satz B-VG, sondern die Allgemeinzuständigkeit nach Art 15 Abs 1 B-VG zum Tragen. Da es sich dabei um historisch präzise abgegrenzte (öffentlichrechtliche) Ausnahmen aus dem Bereich des Zivilrechts handelt, scheidet auch nach der sehr extensiven Auslegung des Verfassungsgerichtshofes eine Subsumption unter die Bundeskompetenz „Zivilrechtswesen“ eindeutig aus. (So auch: Adamovich; Handbuch des österreichischen Verwaltungsrechts. Zweiter Band: Materiellrechtlicher Teil (1953) 108f; VfSlg 9580/1982; Pernthaler, Zivilrechtswesen und Landeskompetenzen, Wien 1987, 36 ff)

Der Bodenreformgesetzgeber knüpft demgegenüber an das historisch überlieferte und hinsichtlich der Nutzung und Verwaltung bereits durch die Gemeindeordnungen geregelte Gemeindegut an und trifft Regelungen für eine planmäßige Neuordnung der Bodenbesitz-, Benützungs- und Wirtschaftsverhältnisse (Teilung und Regulierung des Gemeindegutes). Ein – als Folge überkommener Flurverfassung oder durch andere Eingriffe in die Figurierung und Nutzung von Grundstücken – geschichtlich gewordener Zustand wird im Hinblick auf die künftige Nutzung und Bewirtschaftung negativ bewertet und daher „planmäßig“, entsprechend den neuen Anschauungen und Bedürfnissen verbessert.

Solange die Agrarbehörde aber keine Neuordnung der Verhältnisse schafft, ist das Gemeindegut nach den Bestimmungen der Gemeindeordnungen von der Gemeinde zu verwalten. Der Landesgesetzgeber darf aber nicht nur Bestimmungen über die Verwaltung des Gemeindegutes treffen, sondern ist darüber hinaus nach Art 15 Abs 1 B-VG auch zuständig, Regelungen über die Verwaltung der nach einer erfolgten Teilung des Gemeindegutes der Gemeinde zugesprochenen Grundstücke (ehemals Gemeindegut, nunmehr Gemeindevermögen) bzw über die nach einer Regulierung des Gemeindegutes der Gemeinde zustehenden Nutzungsrechte zu treffen. (Vgl zB §§ 70 – 74 Tir Gemeindeordnung 2001, LGBl 36 und die Erläuterungen in: 2 der Beilagen zu den Sten Prot des Tiroler Landtages, IX. GP. 24. Tagung; Vgl zB die Bestimmungen der §§ 70 ff Vbg Gemeindegesetz betreffend die Vermögensverwaltung der Gemeinde)

Unter die Kompetenz „Bodenreform“ fallen beim nicht regulierten Gemeindegut lediglich die Kompetenzen der Agrarbehörde zur Feststellung der Qualität „agrargemeinschaftliches Grundstückund die allgemeinen Befugnisse der Agrarbehörden zur Einleitung bodenreformatorischer Verfahren bei agrargemeinschaftlichen Grundstücken. (§ 33 Z 6 TFLG; §§ 34 und 71 TFLG)

8. Gemeinderechtskompetenz

Das regulierte Gemeindegut unterliegt – bereits ab Einleitung des Regulierungsverfahrens – nach den oben angeführten Kriterien im Allgemeinen dem Kompetenztatbestand „Bodenreform“. Nach der verfassungsrechtlichen Konstruktion der Kompetenztype „Grundsatzgesetzgebung“ kann allerdings der Landesgesetzgeber auch im Rahmen dieses Kompetenztatbestandes alles regeln, was im Grundsatzgesetz (FlVerfGG) nicht geregelt ist und dessen Regelungen nicht widerspricht. Nachdem aber der Grundsatzgesetzgeber selbst vorausgesetzt hat, dass die Gemeindeordnungen im Rahmen ihrer Kompetenz „Bestimmungen über die gemeinschaftliche Benutzung“ des Gemeindegutes treffen können (§ 15 Abs 2 lit d FlVerfGG), widersprechen materiellrechtliche und organisatorische Bestimmungen der Gemeindeordnung über das Recht und den Umfang der Nutzungen am Gemeindegut, die Verwaltung und Aufsicht über diese Nutzungen solange nicht dem Flurverfassungsrecht, als nicht die Agrarbehörde im Rahmen des Regulierungsverfahrens abweichende Regelungen trifft. (Art 15 Abs 6 B-VG; Vgl dazu die Bestimmungen der §§ 68 – 73 einerseits und die Vorbehaltsregelung des § 74 der Tiroler Gemeindeordnung, LGBl 2001/36, anderseits)

Da das Flurverfassungsrecht keine Bestimmungen über die Aufhebung („Ablösung“) von agrargemeinschaftlichen Nutzungsrechten kennt sind auch derartige Regelungen in den Gemeindeordnungen kompetenzmäßig Landessache gemäß Art 15 Abs 6 B-VG, obwohl es sich inhaltlich um eine Materie der Bodenreform handelt.

 

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aus:
Peter Pernthaler,
Die Gesetzgebungskompetenz über Gemeindegut.

in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler/Raber (Hg), Die Agrargemeinschaften in Westösterreich (2011) 409ff

 

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MP

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RICHTER ÜBER GEMEINDEGUT