Der
Gemeindeliebhaber

Stephan Ritter von Falser (*30.08.1855 in Innsbruck; † 19.03.1944 in Innsbruck) war um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert einer der einflussreichsten Tiroler Juristen. Sein beruflicher Werdegang als Richter führte ihn zu verschiedenen Zivilgerichten in Tirol und Vorarlberg sowie zum Oberlandesgericht Innsbruck; 1902 wurde er Richter am Verwaltungsgerichtshof in Wien, von 1912–1918 als Senatspräsident; von 1917–1920 auch Richter am Staatsgerichtshof sowie 1922–1930 als Mitglied des Verfassungsgerichtshofes. Von 1920 – 1926 war Falser als politischer Mandantar auch Mitglied des Bundesrates. Stephan Ritter von Falser beeinflusste mit seiner 1896 veröffentlichten Schrift „Wald und Weide im Tirolischen Grundbuch“ und durch seine Expertise als ausgewiesener Fachmann und (damals) Richter des Oberlandesgerichts Innsbruck maßgeblich die Tiroler Grundbuchanlegung bzw die gesetzliche Grundlagen dazu (Gesetz vom 17. März 1897, LGuVOBl 9/1897, betreffend die Anlegung von Grundbüchern und die innere Einrichtung derselben [Tiroler Grundbuchsanlegungslandesgesetz] sowie die Durchführungs-VO zur Grundbuchanlegung LGuVOBl Tirol 1898/9 vom 10. April 1898 , Tiroler DVOGBA, samt zahlreichen Zirkularen und Anweisungen des Oberlandesgerichts Innsbruck in dieser Sachmaterie).
Stephan Ritter von Falser (*30.08.1855 in Innsbruck; † 19.03.1944 in Innsbruck) war um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert einer der einflussreichsten Tiroler Juristen. Sein beruflicher Werdegang als Richter führte ihn zu verschiedenen Zivilgerichten in Tirol und Vorarlberg sowie letztlich zum Oberlandesgericht Innsbruck; 1902 wurde er Richter am Verwaltungsgerichtshof in Wien, von 1912–1918 als Senatspräsident; von 1917–1920 auch Richter am Staatsgerichtshof sowie 1922–1930 Mitglied des Verfassungsgerichtshofes. Von 1920 – 1926 war Falser als politischer Mandantar auch Mitglied des Bundesrates. Stephan Ritter von Falser beeinflusste mit seiner 1896 veröffentlichten Schrift „Wald und Weide im Tirolischen Grundbuch“ und durch seine Expertise als ausgewiesener Fachmann und (damals) Richter des Oberlandesgerichts Innsbruck maßgeblich die Tiroler Grundbuchanlegung bzw die gesetzliche Grundlagen dazu (Gesetz vom 17. März 1897, LGuVOBl 9/1897, betreffend die Anlegung von Grundbüchern und die innere Einrichtung derselben [Tiroler Grundbuchsanlegungslandesgesetz] sowie die Durchführungs-VO zur Grundbuchanlegung LGuVOBl Tirol 1898/9 vom 10. April 1898 , Tiroler DVOGBA, samt zahlreichen Zirkularen und Anweisungen des Oberlandesgerichts Innsbruck in dieser Sachmaterie).

Juli 1959: Die unter Eduard Wallnöfer als Landesrat personell neu aufgestellte Agrarbehörde legt durch ihren Leiter, Dr. Albert Mair, Rechenschaft ab über den Tätigkeitszeitraum 1949 bis 1958. Als Ursache für die Österreichweit einzigartig kritische und komplizierte Situation bei den agrarischen Gemeinschaften wird in diesem „Dezenniums-Bericht“ ein historisches Missverständnis verantwortlich gemacht:
Die Tiroler Forstregulierung 1847 sei bei der Tiroler Grundbuchanlegung (ab 1898) als eine kaiserliche Schenkung an die heutigen politischen Ortsgemeinden missverstanden worden; die heutigen politischen Ortsgemeinden seien mit den historischen Wirtschaftsgemeinden verwechselt worden. Deshalb sei das Eigentum an den agrargemeinschaftlichen Liegenschaften zu Unrecht für die heutigen politischen Ortsgemeinden einverleibt worden.
In Wahrheit seien die historischen Wirtschaftsgemeinden, die „Realgemeinden“, die Eigentümer der agrargemeinschaftlichen Liegenschaften; nach heutigem Rechtsverständnis handle es sich um Agrargemeinschaften.
Wegen der Vielzahl an unrichtigen Grundbucheintragungen hätte die Tiroler Agrarbehörde außergewöhnlich großen Erklärungs- und Richtigstellungsaufwand.

KLAGEN ÜBER FALSCHE GRUNDBÜCHER

Dem heutigen Leser des „Dezenniums-Berichts“ aus dem Jahr 1959 stellt sich die Frage, ob tatsächlich bei der Tiroler Grundbuchanlegung so viel schief gelaufen ist? Dr. Albert Mair hatte bereits in einem Vortrag auf der Tagung der  Österreichischen Agrarbehördenleiter in Bregenz 1958 über diese Ausgangslage der Tiroler Agrarbehördenarbeit geklagt! Bedauerlicher Weise fehlt es an leicht verfügbarem Zahlenmaterial für einen bundesländerübergreifenden Vergleich.
Eine intensive, letztlich vergebliche Suche nach dem osttirolischen agrarischen Aktenbestand aus der Zeit von 1938 bis 1947, als der Bezirk Osttirol verwaltungstechnisch Kärnten zugeschlagen war, hat zumindest für Kärnten eine verwertbare Stellungnahme hervorgebracht. Diese stammt von Leiter des Kärntner Landesarchives, Dr. Wilhelm Wadl.

Juni 2012: Der Leiter des Kärntner Landesarchives, Dr. Wilhelm Wadl, berichtet an das Tiroler Landesarchiv über die  historischen Verhältnisse im „restlichen“ Kärnten. Dort seien anlässlich der Neuanlage der Grundbücher sowohl die Bürgermeister, als auch die Obmänner der örtlichen Nachbarschaften vorgeladen worden, damit diese sich bei allen nicht in Individualbesitz stehenden Parzellen erklären, ob es sich um agrargemeinschaftliches Gut oder um öffentliches Gut handelte. „Dementsprechend wurden dann [eigene] Einlagezahlen für die jeweiligen Agrargemeinschaften gebildet und [nur] der restliche Gutsbestand in die Verzeichnisse des öffentlichen Gutes eingetragen.“

Agrargemeinschaftlich genutzte Liegenschaften wurden somit in den Kärntner Grundbüchern gar nie einer Ortsgemeinde als Eigentum zugeschlagen! Dr. Wadl abschließend in diesem Berichtsschreiben vom 20. Juni 2012: „Niemand in Kärnten würde daraus heute eine Enteignung der Gemeinden ableiten, obwohl in den Parzellenprotokollen des [Franziszeischen] Katasters in der Besitzerrubrik fast überall der durchaus mehrdeutige Begriff `Gemeinde xy´ aufscheint.“ Die Anlegung des Franziszeischen Grundstückskatasters ist in Kärnten bereits in den Jahren 1826 bis 1829 erfolgt. „Damals gab es in Kärnten noch keine politischen Ortsgemeinden und es hatte der Gemeindebegriff daher einen ganz anderen Bedeutungsinhalt als heute“, so Dr. Wadl vom Kärntner Landesarchiv. In eine ganz ähnliche Richtung geht eine Feststellung von Dr. Wolfram Haller, jenem Kärntner Agrarjuristen, der in der NS-Zeit für die agrarische Operation in Osttirol zuständig war. In seiner Abhandlung „Die Entwicklung der Agrargemeinschaften Osttirols“ aus dem Jahr 1947 zieht er kurz den Vergleich mit Kärnten und hält dazu fest, dass in Kärnten die Bildung von Gemeindegutswäldern überhaupt unterblieben sei.

KEINE GEMEINDEGUTSWÄLDER IN KÄRNTEN

Diese Äußerungen von hoch-kompetenter Seite erlauben jedenfalls den Schluss, dass zumindest bei einem Vergleich der Bundesländer Kärnten und Tirol ganz unterschiedliche Ausgangspositionen für die Arbeit der Agrarbehörden zu berücksichtigen sind:
Während die Kärntner Grundbuchanlegung agrarisches Gemeinschaftseigentum in eigenen Einlagezahlen einer Nachbarschaft bzw einer agrarischen Gemeinschaft als Eigentum zuordnete, haben die Tiroler Grundbuchanleger offensichtlich in vielen Fällen eine „Gemeinde“ als Eigentümerin angenommen, was – nachvollziehbar – einen außerordentlichen Aufwand in den Regulierungsverfahren nahelegt.
Gestützt wird dieser Befund durch die Stellungnahme der Tiroler Landesregierung im Gesetzesprüfungsverfahren vor dem VfGH, G 35/81, G 36/81 und G 83/81, G 84/81, zitiert nach VfSlg 9336/1982, wonach bei der Grundbuchanlegung in Tirol einmal die Gemeinde, dann wieder eine Nachbarschaft, eine Fraktion, eine Interessentschaft, die Katastralgemeinde oder die Berechtigten als Miteigentümer eingetragen worden seien. Die Tiroler Landesregierung zusammenfassend: „Es lag allein im Gutdünken des zuständigen Grundbuchsbeamten, welchen Ausdruck er verwendete.“ Dies im strikten Gegensatz zu den Verhältnissen in Kärnten!

Natürlich stellt sich die Frage, warum agrargemeinschaftliche Liegenschaften in Kärnten und in Tirol völlig unterschiedlich behandelt wurden?

VOM VERFACHBUCH ZUM GRUNDBUCH

Die Tiroler hatten sich bekanntlich sehr lange dagegen gesträubt, das nötige Landesgesetz zur Einführung des modernen Grundbuchsystems zu beschließen. Bereits mit 15. 2. 1872 war das Allgemeinen Grundbuchgesetz (RGBl 1871/95) in Kraft getreten; erst 25 Jahre später, nämlich am 24. März 1897 trat das Landesgesetz zur Tiroler Grundbuchanlegung in Kraft. Diese lange Übergangszeit hatte Stephan Ritter von Falser, damals Richter am Oberlandesgericht Innsbruck, genutzt, um eine Abhandlung zur grundbücherlichen Behandlung von Wald und Weide im Tirolischen Grundbuch zu veröffentlichen, die 1896 erschienen ist. Darin stellte Stephan von Falser unter anderem die These auf, dass der Tiroler Landesfürst im Zuge der Tiroler Forstregulierung 1947 sein Obereigentum an den Tiroler Allmenden, an den Gemeinschaftsforsten und Gemeinschaftsweiden, den neuen politischen Ortsgemeinden  geschenkt hätte. Falser wörtlich: „Ein weiser Entschluss des Landesfürsten war es wieder, welcher das ihm von seinen Räten aufgenötigte allgemeine Waldeigentum an die natürlichste und ursprünglichste öffentlich-rechtliche Vereinigung der Volksgenossen, an die Gemeinde, zurückgab.“

Diese offenkundig unrichtige Beurteilung der Tiroler Forstregulierung 1847 kombinierte Falser mit der ebenfalls falschen Behauptung, dass ein Eigentum an einem Wald- oder Weidestück nur ersessen werden können, wenn selbiges für die Dauer der Ersitzungszeit allseitig eingezäunt war.

In Konsequenz behauptete Falser selbst für aufgeteiltes Waldvermögen, das bereits in den 1850er Jahren im Franziszeischen Grundstückkataster als Eigentum einzelner Hofbesitzer registriert  worden war, ein Gemeindeeigentum:

Die Eintragung der einzelnen Waldparzellen im so genannten Franziszeischen Grundstückkataster als Einzeleigentum des jeweiligen Hofbesitzers wurde von Falser für irrelevant hingestellt. Falser: „Bei diesen Waldungen werden sich die meisten Schwierigkeiten ergeben, auf welche schon früher hingewiesen worden ist. Entschieden unrichtig und zu nicht wünschenswerten Ergebnissen führend wäre die Behandlung aller dieser Wälder als Eigentumsliegenschaften derjenigen Personen, die welche darin auf Grund alter Theillibelle oder alten Herkommens das ausschließliche Einforstungsrecht genießen und denen diese Waldungen größtenteils, ja fast ausnahmslos im Besitzbogen [als Eigentum] zugeschrieben sind.“ Falser weiter: „Als Grundeigentümer solcher verteilter Gemeindewaldungen wird regelmäßig die Gemeinde selbst nach Maßgabe der Waldzuweisungsurkunde (Forsteigentumspurifikationsurkunde) zu betrachten und einzutragen sein, …“.

Dabei hatte Falser nicht übersehen, dass nur (!) die Stammliegenschaftsbesitzer die Gemeinschaftsliegenschaften nutzen. Falsers Lösung dazu: Es „dürfen die Nutzungen geschlossener Höfe an unverteilten Gemeindewaldungen nicht in das Grundbuch eingetragen werden, weil sich dieselben, solange der Wald unverteilt ist, nicht als dingliche Rechte am Waldboden darstellen, sondern lediglich als ein zeitweilig und bis auf Widerruf geübtes ausdrückliches oder stillschweigendes Übereinkommen der Gemeindemitglieder aufgefasst werden müssen, ihr Gemeindevermögen in der Weise zur Nutzung zu bringen, dass jedes Gemeindemitglied nach Anweisung der Gemeinde den/dasselbe betreffende Theil des Bodenertrages selbst bezieht und vor allem durch eigene Arbeite gewinnt.“

Richtiger Weise hätte Falser in all diesen Fällen ein ersessenes Waldeigentum erkennen müssen. Wer in den 1850er Jahren bereits im Grundstückskataster als Eigentümer erfasst worden war, hatte jedenfalls durch die hinzugetretene ausschließliche Nutzung während der folgenden 40 Jahre aus dem Rechtstitel der Ersitzung ein wahres Eigentum erworben!

IRRLEHREN EINES GEMEINDELIEBHABERS

Die Irrlehren des Stephan Ritter von Falser fanden Eingang in die Tiroler Durchführungsverordnung zum Grundbuchanlegungsgesetz vom 10.4.1898 (Tiroler DVOGBA). Von zwei Paragrafen zur Marginalrubik „Erhebung der Eigentumsrechte“ §§ 33f, widmet sich § 34 DVOGBA ausschließlich dem Gemeinschaftseigentum. An prominenter Stelle wird dort betont, dass zwischen „bloßen Nutzungsrechten am Gemeindegute und Eigentumsrechten“ sorgsam (!) zu unterscheiden sei.
Gar mancher Grundbuchjurist wird dies zum Anlass genommen haben, in Zweifelsfällen ein Eigentum der Ortsgemeinde anzunehmen. Dies umso mehr, als ein Flurverfassungsrecht, nach welchem Agrargemeinschaften konstituiert werden hätte können, damals in Tirol nicht existiert hatte.

In der nächstfolgenden Marginalrubrik, die von der Erhebung der Rechte an fremden Liegenschaften handelt (§§ 35 bis 37 DVOGBA) sind gleich drei Absätze der „Gemeindegutsnutzung“ gewidmet (§ 37 Abs 1 bis 3 DVOGBA).
Gleich einleitend wird das Gemeindegut dadurch besonders motiviert, dass Rechte daran dem Grundsatz nach nicht im öffentlichen Buch vermerkt werden müssten, weil diese im öffentlichen Recht gründen würden. „Nur wenn das Nutzungsrecht eines Hofes soweit entwickelt ist, dass es nicht mehr durch eine einseitige Verfügung der Gemeinde abgeändert werden“ könne, sei es „als ein Privatrecht und daher als eine Servitut zu beurteilen.“
Die DVOGBA weiter: „Hierher gehören insbesondere jene Fälle, in welchen ein Gemeindegrundstück der Nutzung nach dauernd an einzelne Höfe verteilt worden ist (zB die sogenannten Teilwälder). Solche Grundstücke seien im Kataster häufig als Eigentum der Nutzungsberechtigten eingetragen, müssten aber selbstverständlich (!) bei der Grundbuchsanlegung als Eigentum der Gemeinde bzw. der Teilgemeinde behandelt werden und ist für die nutzungsberechtigten Höfe lediglich die entsprechende Dienstbarkeit zu erheben und einzutragen.“
Wen wundert es, dass bei solchen Vorgaben für die Grundbuchbeamten zahllose Nachbarschaftsgründe als ein Gemeindeeigentum angeschrieben wurden.

TIROL STEHT ALLEINE

Bezeichnender Weise finden sich in keinem anderen Österreichischen Bundesland vergleichbare Vorgaben für die Grundbuchanlegungsbeamten. Während in Kärnten ein von der ganzen Nachbarschaft genutztes Waldstück offensichtlich dieser Nachbarschaft auch als Eigentum zugeschrieben wurde, hat man in Tirol ein Eigentum der Gemeinde oder „Fraktion“ angenommen und die Rechte der Nachbarn daran als „Gemeindegutsnutzung“ in die Disposition der politischen Instanzen verwiesen.
Und das Tiroler Phänomen der „Teilwälder“ erweist sich deshalb als ein „tirolisches“, weil in anderen Bundesländern ein Waldeigentum der Privaten, das schon im Franziszeischen Grundstückskataster ausgewiesen war, auch im Zuge der Grundbuchanlegung als privates Einzeleigentum anerkannt wurde.
Wie bereits Josef Schraffl, Gründungsobmann des Tiroler Bauernbundes von 1904 bis 1922 und späterer Landeshauptmann von Tirol (1917 bis 1920) im Jahr 1910 im Tiroler Landtag bemerkte, war das Phänomen des „Teil-“ oder „Nutzwaldes“ in Tirol unbekannt. Unbekannt, bis zur Inangriffnahme der Tiroler Grundbuchanlegung im Jahr 1898, als irregeleitete Grundbuchbeamte, instruiert vom Oberlandegericht Innsbruck, damit begonnen haben, tausende privater Waldparzellen umzuschreiben:
Aus privatem Waldeigentum einzelner, wurden Servitute auf angeblichem Gemeinde- oder Fraktionseigentum! Dies auf offenkundig falscher Rechtsgrundlage.

Eine zehnjährige Diskussion im Tiroler Landtag (1900 bis 31. Jänner 1910) zur Entschärfung des Rechtsstreits um die privaten Waldteile (Stichwort: „Tiroler Teilwaldstreit“) war einer der Konsequenzen der Irrlehren des Stephen Ritter von Falser.

Die andere Konsequenz der Falser´schen Irrlehren war es, dass die Tiroler Agrarbehörden, die im Jahr 1910 geschaffen wurden, viel häufiger mit angeblichen „Gemeindegütern“ konfrontiert waren, als die Agrarbehörden anderer Bundesländer.

Rechtsquellen:

1. „Dezenniumsbericht der Tiroler Agrarbehörde 1949 bis 1958“, III b1 vom 28. Juli 1959, „Tätigkeitsbericht der Agrarbehörde“, Seite 7f:

„Die tiefere Wurzel der auf dem Gebiet der tirolischen bäuerlichen Nutzungsrechte an den Gemeinde- und Fraktionswäldern in Österreich einzigartigen kritischen und komplizierten Situation ist auf die falsche Auslegung der Waldzuweisung aus dem Jahre 1847 zurück zuführen. Die kaiserliche Waldzuweisung wollte eindeutig den bäuerlichen alten Wirtschafts- und Realgemeinden die Waldungen zu Besitz und Nutzung zuweisen und man hat trotz dieses klaren Gesetzeswillens durch die spätere Gemeindegesetzregelung in einer völlig falschen rechtlichen Beurteilung und Auslegung des Waldzuweisungspatentes diese Wirtschaftsgemeinden mit den erst nach der Waldzuweisung 1847 entstandenen heutigen politischen Gemeinden gleichgesetzt und diesen politischen Gemeinden grundbücherlich dann auch in den meisten Fällen das Eigentum am agrargemeinschaftlichen Gut einverleibt.“

2. Auszug aus der Rede des Josef Schraffl im Tiroler Landtag am 31.Jänner 1910, Sten Berichten des Tiroler Landtages, 7. Sitzung der II. Session der X. Landtagsperiode am 31.Jänner 1910, als der Tiroler Landtag mit einer Gesetzesänderung im Gemeinderecht einen Ausweg aus der Teilwaldmisere fand:

„Mein Vorredner hat darauf hingewiesen, dass man früher von einem Teilwalde bzw. einer Nutzwaldung wenig gehört hat und dass die Beunruhigung erst ins Volk hineingetragen worden sei. Gewiss, ich war selbst dabei in dem Momente, wo die Teilwälderfrage in das Volk hineingetragen wurde. In Lienz war es bei der Eröffnung des Grundbuchs über die Gemeinde Gaimberg. Damals hat der Vertreter des Landesausschusses namens der Gemeinde Gaimberg gegen den Willen der ganzen Gemeinde erklärt, dass sämtliche Teilwälder dieser Gemeinde Eigentum derselben“ seien. „Ich habe über Auftrag des Vorstehers den Vertreter des Landesausschusses gefragt: ´Wie meinen Sie das?´ Da wurde mir gesagt, die einzelnen Nutznießungsberechtigten haben keine anderen Rechte auf die Teilwälder, die sie bisher genossen haben, als das Recht, das ihnen aufgrund des § 61 der Gemeindeordnung zusteht. Ich fragte weiters: ´Kann also in Zukunft in den Teilwäldern nicht mehr das Holz dort bezogen werden, von wo der Bauer dasselbe bisher bezogen hat?´ Der Landesausschussvertreter erklärte: Nein, in Zukunft kann die Gemeinde das Holz anweisen unten oder oben, wo es ihr beliebt. … Meine Herren, die Teilwälder sind dadurch, dass man Jahrzehnte hindurch den Bauer als Eigentümer behandelt hat, dass man ihn besteuert und ihm Taxen und Gebühren vorgeschrieben hat, im Bewusstsein der Bevölkerung zum Eigentum der Bauern geworden und, weil man bei der Anlegung des Grundbuchs dem Bauern jetzt plötzlich ein Eigentum bestritten hat, das er rechtlich erworben und zu besitzen glaubte, darum ist die Teilwälderfrage entstanden.

Ich habe die Hoffnung, dass heute in dieser wichtigen Frage, die so viele Leute beunruhigt hat, endlich die letzte Entscheidung fällt. Ich mache das Hohe Haus darauf aufmerksam, dass der Standpunkt des geehrten Kollegen im Landesausschusse von Tausenden und Tausenden von Bauern nicht verstanden wird und dass ich draußen unter dem Volke nirgends gehört habe, dass die Bevölkerung mit meiner Stellungnahme nicht einverstanden ist. Ich selbst war es, meine Herren, der eine Massenpetition dem Herrn Ministerpräsidenten überreicht hat, in der ungefähr 6000 Bauern, die sich auf etwa 200 Gemeinden verteilten, die Regierung um Hilfe gegen die eigene Landesvertretung gebeten haben. Wenn Sie daher, meine Herren, dieser Änderung des § 61 der Gemeindeordnung zustimmen, so kann ich Ihnen mitteilen, dass die Regierung damit einverstanden ist. Drei Ministerien haben sich bereits dafür ausgesprochen. Glauben Sie, dass das alles Beteiligte sind, glauben Sie, dass der Justizminister Hochenburger mein Parteigenossen ist? Wäre derselbe nicht überzeugt, dass die Teilwälderfrage aus der Welt geschafft werden müsse, wäre er nicht überzeugt, dass in diesem Streite ein magerer Vergleich besser ist als etliche Tausend Prozesse, würde er nicht dafür sein. Dafür ist auch das Ministerium des Inneren. Dass auch das Ackerbauministerium dafür ist, werden Sie begreiflich finden. Ich bitte daher das Hohe Haus, diesem Antrage zuzustimmen. Dadurch wird endlich wieder Ruhe, und nur darum wird die ganze unleidliche Verhetzung aus der Welt geschafft. Tatsache ist – man mag blind sein, wie man will – Tatsache ist, dass die Bauern in der Angst, dass man ihnen ihre altersessenen Rechte nimmt, die Wälder in ganz unverhältnismäßiger Weise abholzen und dass sie dadurch dem ganzen Land und sich selbst großen Schaden zufügen. Tatsache ist, dass unsere Hoch- und Schwarzwälder eine Umtriebszeit von ca. 100 Jahren haben und dass der Bauer unmöglich seinen Wald schonen und aufforsten kann, wenn er keine Garantie hat, dass der Besitz des Waldes auf seine Kinder und Enkelkinder übergeht. Wenn der Bauer sieht, dass das, was seinem Großvater noch an Eigentum gehört hat, was seinem Vater noch angehörte, ihm nicht mehr gehören soll, wie kann er dann ruhig warten, dass die Bäume hiebreif sind? Muss er doch fürchten, wenn ihm heute der Grundbesitz genommen wird, dass ihm nächstens auch das Nutzungsrecht genommen werden kann.

Wenn es sich um Steuern handelt, ist es immer der Bauer, den sie treffen. Wenn es sich aber um Rechte handelt, dann hat der Bauer kein Recht. Solche Zustände müssen das Volk in seiner Rechtsüberzeugung irre machen. Darum glaube ich, dass diese Frage aus der Welt geschafft und wieder Rechtssicherheit und Beruhigung der Besitzenden eintreten muss. Was geschehen ist, war zum Nachteil des Landes und darum bitte ich das Hohe Haus, den Antrag anzunehmen.“

MP