Was die Agrarbehörde
mit dem Begriff
„Gemeindegut“
bezeichnet hat

Amt der Tiroler Landesregierung
Bescheid vom 12.12.1962 III B1-1768/9
Gemeindegut von Fügen.
Bescheidverfasser:
Dr. Albert Mair, Leiter der Tiroler Agrarbehörde 

„In diesem Zusammenhang scheint im Interesse der Information der am Regulierungsverfahren Beteiligten eine kurze Darlegung der geschichtlichen Entwicklung des Gemeindegutes von Nöten, womit der Nachweis erbracht wird, dass den Gemeinden, die bislang die Stellung einer treuhändischen Verwaltung des Gemeindegutes zur Sicherung der Nutzungsansprüche der Beteiligten hatten, nichts entzogen wird, was sie bisher unbeschränkt in ihrem Eigentum besessen hätten.

Nach Erlass XXXVI `Regulierung der Tiroler Forstangelegenheiten´, kundgemacht in der Provinzialgesetzessammlung für Tirol und Vorarlberg vom Jahr 1847, Seite 253, wurde bewilligt, dass die künftig den Untertanen vorbehaltenen, in den landesfürstlichen Staatswaldungen zustehenden Holzbezugsrechte durch Ausscheidung und Überweisung einzelner Forstteile in das Eigentum der betreffenden Gemeinden, denen sie angehören, abgelöst werden.

Hierbei ist von Bedeutung, dass sich der heutige Gemeindebegriff von dem damaligen wesentlich unterscheidet. Die Gemeinden, die im Jahre 1847 noch nicht körperschaftlich eingerichtet waren, wurden als Wirtschaftsgemeinden, als die Gesamtheit der Nutzungsberechtigten verstanden.“

Bescheid vom 12.12.1962 III B1-1768/9 (Regulierung des Gemeindegutes von Fügen

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Mit Bescheid vom 12.12.1962 III B1-1768/9 entschied das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz bescheidmäßig dahingehend, dass das Verfahren betreffend Regulierung der gemeinschaftlichen Benützungs- und Verwaltungsrechte für das Gemeindegut der Gemeinden Fügen und Fügenberg bestehend aus den Liegenschaften in EZ 51 II KG Pill und EZ 109 II KG Fügenberg auf Antrag eingeleitet werde. Das Amt der Tiroler Landesregierung begründete diesen Bescheid insbesondere wie folgt:

Mit Bescheid vom 12.12.1962 III B1-1768/9 entschied das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz bescheidmäßig dahingehend, dass das Verfahren betreffend Regulierung der gemeinschaftlichen Benützungs- und Verwaltungsrechte für das Gemeindegut der Gemeinden Fügen und Fügenberg bestehend aus den Liegenschaften in EZ 51 II KG Pill und EZ 109 II KG Fügenberg auf Antrag eingeleitet werde. Das Amt der Tiroler Landesregierung begründete diesen Bescheid insbesondere wie folgt:

Gemäß § 36 Abs 2 lit d FLG stellt das einer gemeinschaftlichen Nutzung nach den Bestimmungen der Gemeindeordnung unterliegende Gemeindegut ein agrargemeinschaftliches Grundstück dar. Da gemäß § 37 dieses Gesetzes die Gesamtheit der jeweiligen Eigentümer der Liegenschaften, an deren Eigentum ein Anteilsrecht an agrargemeinschaftlichen Grundstücken gebunden ist (Stammsitzliegenschaften) kraft Gesetzes – einschließlich jener Personen, denen walzende Anteilsrechte zustehen – eine Agrargemeinschaft bildet, ergibt sich im Zusammenhang mit dem im Flurverfassungslandesgesetz festgelegten Rechtsvorschriften, die die Regulierung betreffen, das Recht der Anteilsberechtigten, ihre bislang nicht verbücherten und daher ungesicherten und teilweise unklaren Benützungs- und Verwaltungsrechte im Wege der Rechtswohltat des kostenlosen agrarischen Verfahrens in Form eines im Grundbuch verbücherungsfähigen Regulierungsplans feststellen und für alle Zukunft sichern zu lassen.

Das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz hatte sich nach der Feststellung, dass die Antragsvoraussetzungen im Sinn des § 37 Abs 3 FLG vorliegen, mit der Frage zu befassen, ob die beiden im Spruch angeführten Einlagezahlen mit deren Gutsbestand überhaupt Gemeindegut und damit agrargemeinschaftliche Grundstücke darstellen.

Für die Klärung dieser Frage ist im Sinn des § 36 Abs 2 lit d FLG maßgebend, ob feststeht, dass die in den EZl vorgetragenen Grundparzellen bisher einer gemeinschaftlichen Nutzung nach den Bestimmungen der Gemeindeordnung unterlagen. Gemäß § 38 der Tiroler Gemeindeordnung liegt Gemeindegut dann vor, wenn die daraus entsprechenden Nutzungen in erster Linie Nutzungsberechtigten zur Deckung ihres Haus- und Gutsbedarfs und in zweiter Linie den Bedürfnissen der Gemeinde zukommen. Berücksichtigt man aufgrund der in den Gemeinden Fügen und Fügenberg bestehenden herrschenden Übung, wie sie anlässlich der eigens zu dieser Frage einberufenen Sitzung des gewählten und bestellten Parteienausschusses am 6. November 1962 einhellig dargelegt wurde, die Tatsache, dass die der Gemeinde Fügen und Fügenberg je zur Hälfte im Jahre 1853 grundbücherlich zugewiesenen Wälder zur Deckung des Haus- und Gutsbedarfes der in den seinerzeitigen landesfürstlichen Wäldern eingeforsteten Gemeindemitgliedern bestimmt waren, so steht zweifelsfrei fest, dass diese unverteilten Gemeindewälder als Gemeindegut im Sinn der Gemeindeordnung und damit als agrargemeinschaftliches Grundstück im Sinn des Flurverfassungslandesgesetzes anzusehen sind.

In diesem Zusammenhang scheint im Interesse der Information der am Regulierungsverfahren Beteiligten eine kurze Darlegung der geschichtlichen Entwicklung des Gemeindegutes von Nöten, womit der Nachweis erbracht wird, dass den Gemeinden, die bislang die Stellung einer treuhändischen Verwaltung des Gemeindegutes zur Sicherung der Nutzungsansprüche der Beteiligten hatten, nichts entzogen wird, was sie bisher unbeschränkt in ihrem Eigentum besessen hätten.“

„Nach Erlass XXXVI `Regulierung der Tiroler Forstangelegenheiten´, kundgemacht in der Provinzialgesetzessammlung für Tirol und Vorarlberg vom Jahr 1847, Seite 253, wurde bewilligt, dass die künftig den Untertanen vorbehaltenen, in den landesfürstlichen Staatswaldungen zustehenden Holzbezugsrechte durch Ausscheidung und Überweisung einzelner Forstteile in das Eigentum der betreffenden Gemeinden, denen sie angehören, abgelöst werden. Hierbei ist von Bedeutung, dass sich der heutige Gemeindebegriff von dem damaligen wesentlich unterscheidet. Die Gemeinden, die im Jahre 1847 noch nicht körperschaftlich eingerichtet waren, wurden als Wirtschaftsgemeinden, als die Gesamtheit der Nutzungsberechtigten verstanden.“

Man wollte durch die Abtretung der landesfürstlichen Wälder an diese Gesamtheit, den Bestand großer Waldkomplexe sichern, Aufsplitterung auf die einzelnen Berechtigten vermeiden, die Lawine der Gerichtsprozesse zwischen Eingeforsteten und dem Landesfürsten mindern und über diese dem Fürsten die Grundsteuer für die übertragenden Waldkomplexe sichern.“

Der Wortlaut der kaiserlichen Entschließung lässt keinen Zweifel aufkommen, dass die Nutzungsrechte der einzelnen Bezugsberechtigten voll anerkannt wurden. Aus diesem Grund bestand weder die Möglichkeit noch die Absicht diesen die Nutzungsrechte zu nehmen und das Waldeigentum einer damals rechtlich noch gar nicht bestehenden, mit der Gesamtheit der Nutzungsberechtigten nicht identischen politischen Gemeinde geschenksweise zu überlassen. Der oberste Agrarsenat hat in mehrfacher Entscheidung diese historischen Darlegungen bekräftigt und ausgesprochen, dass das Grundvermögen im Eigentum der Gemeinde, auf dem Nutzungsrechte bestimmter Realitäten lasten, dieses Grundeigentum zum Gemeindegut stempeln und die Agrarbehörden verpflichten, über Antrag eines Viertels der Anteilsberechtigten solche gemeinschaftlichen Benutzungsrechte einem Regulierungsverfahren zu unterziehen. Aus den erwähnten Gründen war antragsgemäß die Einleitung des Verfahrens zu verfügen.“

Die Landesregierung, 12.12.1962 III B1-1768/9. Dr. Albert Mair“

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