Waldaufteilung
in Mieders

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Waldaufteilung in Mieders

In der Katastralgemeinde Mieders lassen sich jedenfalls zwei historische Waldaufteilungen nachweisen: Einmal im Jahr 1757 und einmal im Jahr 1804. Im Jahr 1757 wurde über wiederholte Bitte der Miederer „auf Gulla“ der Bannwald „nach dem Steuerfuß“ aufgeteilt. Vollzugsbehörden waren das „Salzamt Hall“ als „Waldoberbehörde“ sowie der Richter zu Mieders, Josef Pixner. Die Urkunde stammt vom 18. Juni 1757. Diese ist unterfertigt vom „Miederer Gemeindeausschuss“ und besiegelt vom Landrichter Josef von Stolz. Sie wird im Tiroler Landesarchiv verwahrt und sie ist auf Mikrofilm erschlossen. Der Urkundentext spricht von einem „Feuerstätenprotokoll“. Danach wurden im Jahr 1757 „auf Gulla“ verschiedene Waldparzellen ausgemessen, 65 an der Zahl. Und diese wurden nach dem gezogenen Los auf 65 Miederer Hofbesitzer aufgeteilt, die sämtlich in der Urkunde mit Namen angeführt sind. Die Miederer sprechen heute noch von den „eigenen Teilen“; die Riedbezeichnung der Waldparzellen lautet auch heute noch „Gulla“; gelegentlich wird auch die Bezeichnung „Lehnerwald“ verwendet.

ZWEI WALDTEILUNGEN IN MIEDERS

Eine zweite Waldaufteilung wurde in Mieders im Jahr 1804 vollzogen. Gegenstand der Waldaufteilung war die sogenannte „Gschnalls Waldstrecke“. Die Teilung gründete auf der „Hohen Gubernial Bewilligung dato 03. März 1804, Forst Nr 3821“; Vollzugsorgan war der eigens nach Mieders zugereiste „salzoberämtliche Herr Kommissär und Oberwaldmeister, k.k. Salzoberamtsrat zu Hall, Peter Paul Strele, der auch den k.k. Distrikts-Waldmeister, Johann Seybold von Matrei, und den k.k. Waldhüter Blasius Diechtl beigezogen hat. Die „Gschnalls Waldstrecke“ wurde in 66 Waldparzellen aufgeteilt. Wiederum wurde der Steuerschlüssel zugrunde gelegt. Die Miederer Haus- und Hofbesitzer wurden entsprechend ihrer „Steuergibigkeit“ in fünf Klassen eingeteilt und jede Klasse bekam entsprechend dem Steuerschlüssel einen „größeren, mittleren oder kleineren Einfangswald“. Innerhalb der Klassen wurden die gebildeten Parzellen nach dem Los zugewiesen. Die Urkunde wird im Miederer Gemeindearchiv verwahrt und trägt die laufende Nummer acht.

Eine der ursprünglich 65 bzw. später 66 Hofstellen in Mieders, die an diesen Waldaufteilungen  beanteilt wurde, ist der Weberhof. Im Jahr 1757 bei der Waldteilung „auf Gulla“ wurde dem Weberhof, damals im Besitz des Antoni Brugger, die Waldparzelle mit der laufenden Nummer 16 im Ausmaß von 300 Klafter zuerkannt. Im Jahr 1804, als die Waldstrecke „im Gschnalls“ unter den Haus- und Hofbesitzern von Mieders aufgeteilt wurde, war der Weberhof im Eigentum eines gewissen Anton Auer. Dem Anton Auer vulgo Weber wurde „im Gschnalls“ der Waldteil 15 zugewiesen. Das Teilungsprotokoll beschreibt die Größe dieser Waldparzelle mit 4 Klafter und 2 ½ Schuh.

1856: FRANZISZEISCHER KATASTER IN MIEDERS

Bei der Erstellung des Franziszeischen Grundstückskatasters war im ganzen Land festzustellen, wessen Eigentum die diversen Grundparzellen in den jeweiligen Katastralgemeinden waren. Das Grundsteuerpatent 1817 umreißt in 26 Paragraphen die zentralen Punkte dieses gigantischen Vorhabens. Der § 9 dieses Gesetzes ordnete an, dass insbesondere auch die „Person des Eigentümers“ einer jeden Grundparzelle zu erfassen ist. Die Ausführungsverordnung zum Gesetz, die Katastral-Vermessungs-Instruktion (KVI), regelt in ihrem V. Teil, §§ 383 bis 414, ganz exakt, wie bei der Feststellung des jeweiligen Eigentümers der Grundparzellen vorzugehen war. Die lückenlose Erfassung aller Eigentümer war eines der zentralen Ziele des ganzen Projektes. Die steuerpflichtigen Grundeigentümer sollten  vollständig und richtig erfasst werden.

Bei Erstellung des Franziszeischen Katasters wurde die Waldparzelle des Miederer Weberhofes „im Gschnalls“ unter der laufenden Parzellennummer 1134 erfasst; die Waldparzelle des Weberhofes „auf Gulla“ wurde mit der laufenden Parzellennummer 1204 erfasst. Sowohl das Grundparzellenprotokoll, als auch das Eigentümerverzeichnis weisen einen gewissen Andre Auer, vulgo Weber, als Eigentümer aus. Sowohl die Waldparzelle 1204 „auf Gulla“, als auch die Waldparzelle 1134 „im Gschnalls“, wurden somit im Jahr 1856, als der Franziszeische Grundkataster erstellt wurde, ganz offiziell als Teil des Eigentumsbestandes des Weberhofes anerkannt. Als Eigentümer wurde seitens der Behörde festgestellt: Andre Auer, vulgo Weber.

Bedenkt man die Rechtsfolgen der Ersitzung war es jedenfalls richtig, den Franziszeischen Grundstückskataster als Grundlage für die Eigentümerfeststellung bei der Grundbuchanlegung heran zu ziehen. War der Rechtsvorgänger bereits im Grundstückskataster als Eigentümer erfasst und stand der Rechtsnachfolger mehr als vierzig Jahre später immer noch in ungestörtem Besitz, so konnte nur dieser Besitzer der wahre Eigentümer sein. Wegen Ablaufes der langen Ersitzungszeit hatte jeder andere (ursprüngliche) Eigentümer gegen den „redlichen Besitzer“ alle Rechte verloren. Der Vergleich des ursprünglichen Katasterstands mit dem Grundbuchstand ist deshalb eine Methode, anhand derer Fehler bei der Grundbuchanlegung aufgedeckt werden können. Die Katastralgemeinde Mieders, wo der Streit um das „agrargemeinschaftliche Gemeindeeigentum“ seinen Ausgang nahm, liefert eindrucksvolle Beispiele dafür, wonach bei der Grundbuchanlegung lediglich ein „Scheineigentum“ kraft unrichtiger Grundbuchseintragungen erfasst wurde. Waldparzellen, an denen die Haus- und Hofbesitzer von Mieders seit den Waldteilungen „auf Gulla“ (anno 1757) und „im Gschnalls“ (anno 1804) ungestörten Besitz hatten und die 1856 im Franziszeischen Grundstückskataster als ihr Eigentum ausgewiesen wurden, waren spätestens 40 Jahre nach Erstellung des Franziszeischen Grundstückskataster, sohin im Jahr 1896, rechtlich unanfechtbares Privateigentum der Miederer Haus- und Hofbesitzer. Dies allein aufgrund des Rechtsinstituts der Ersitzung, wonach derjenige, der sich redlicher Weise für den Eigentümer  halten durfte, spätestens auch gegen eine Kirche, das Land Tirol oder eine Gemeinde ein unanfechtbares Eigentum erworben hat. Im Jahr 1913, als das Miederer Grundbuch angelegt wurde, wurden jedoch ohne nachvollziehbare Begründung alle Waldparzellen „auf Gulla“ und alle Waldparzellen „im Gschnalls“ der Gemeinde Mieders zugeschrieben.

FRANZISZEISCHER KATASTER UND GRUNDBUCH

1913: Im Zuge der Grundbuchanlegung wurde unter laufende Postnummer 26 für den geschlossenen Hof „Weber“ ein Grundbuchanlegungsprotokoll eröffnet. Die Grundparzelle 1204, Riedbezeichnung „Gullen“, wurde dem Gutsbestand der Liegenschaft „Weber“, EZ 19 I, zugeschrieben. Nachträglich wurde die Grundparzelle 1204 jedoch vom Grundbuchanlegungsprotokoll Postnummer 26,  geschlossener Hof Weber, mit roter Tinte abgestrichen und dem Grundbuchanlegungsprotokoll Postnummer 79 „Gemeinde Mieders“ zugeschrieben. Irgendeine Begründung für diese nachträgliche Abstreichung der Waldparzelle mit roter Tinte findet sich im Grundbuchanlegungsprotokoll nicht. Nur auf der letzten Seite des Grundbuchanlegungsprotokolls findet sich der Vermerk, dass ein Holzbezugsrecht auf Waldparzelle 1204 in laufender Postnummer 79, bestehe. Das Privateigentum des Weberhofbesitzers an der Waldparzelle 1204 wurde somit im Miederer Grundbuch als eine „Gemeindegutsnutzung“ dargestellt. Eine Begründung für diesen „offenkundig verfassungswidrigen Vorgang“ lässt sich weder dem Grundbuchanlegungsprotokollen (GAP) Nummer 26 (geschlossener Hof Weber), noch dem GAP Nummer 79 (Gemeinde Mieders) entnehmen.

Die Waldparzelle 1134 „im Gschnalls“ betreffend, findet sich im GAP Nr 26 „Weberhof“ überhaupt kein Hinweis auf ein Eigentum des Weberhofbesitzers. Sucht man die 66 Waldparzellen der Miederer Haus- und Hofbesitzer „im Gschnalls“, so muss man das GAP Nr 79 „Gemeinde Mieders“ heranziehen. Dort wurden alle 66 Waldparzellen „im Gschnalls“ der Gemeinde Mieders als Eigentum zugeordnet. Irgend ein Hinweis darauf, wie die Gemeinde Mieders ein wahres Eigentum oder auch nur einen besitz erworben hätte, findet man nicht. Auch das Privateigentum der Miederer Haus- und Hofbesitzer an den Waldparzellen „im Gschnalls“ wurde somit offenkundig verfassungswidrig in eine „Gemeindegutsnutzung“ verwandelt.

EIGENTUM AN WALDPARZELLEN

Wessen Eigentum war die Waldparzelle 1134 „im Gschnalls“ sowie die Waldparzelle 1204 „auf Gulla“ im Jahr 1913, als das Grundbuch in Mieders angelegt wurde? Auszugehen ist davon, dass die Teilungsakte in den Jahren 1757 und 1804 von offiziellen Stellen des Staates vollzogen wurden. In beiden Fällen war der jeweilige Richter von Mieders beteiligt; hinzu kamen übergeordnete Staatsorgane. Aus heutiger Sicht ist die Annahme unbedenklich, dass jeder Haus-und Hofbesitzer in Mieders im Jahr 1757 bzw. im Jahr 1804 die betreffende Waldparzelle in dem guten Glauben in Besitz nehmen durfte, dass diese Waldparzelle in Hinkunft alleine seine Waldparzelle sein werde. Blickt man auf die Rechtslage, wie diese im Jahr 1815 mit Inkrafttreten des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs in Tirol geschaffen wurde, so muss man die Hausbesitzer von Mieders jedenfalls als „Ersitzungsbesitzer“ anerkennen. Ersitzungsbesitzer deshalb, weil historisch der Tiroler Landesfürst ein Obereigentum über die Tiroler Wälder in Anspruch genommen hat. Mit dem Wegfall des landesfürstlichen Obereigentums und Auflösung der feudalen Eigentumsstruktur im Verlauf des 19. Jahrhunderts („Tiroler Forstregulierung 1847“; Grundlastenablösung) wurden diese Ersitzungsbesitzer Eigentümer. Völlig zu Recht wurden deshalb sowohl die Waldparzellen „auf Gulla“, als auch die „Gschnallsparzellen“ im Jahr 1856 gemäß Grundparzellenprotokoll als Eigentum der Haus- und Hofbesitzer registriert. Legt man die für die Anlegung des Franziszeischen Katasters geltende Instruktion zugrunde, so waren die Miederer im Jahr 1856 jedenfalls „in Besitz und Nutzung“ dieser Waldteile; zusätzlich waren sie als verfügungsberechtigt anerkannt. Bedenkt man, dass zwischen dem Jahr 1856 und der Grundbuchsanlegung in Mieders im Jahr 1913 noch einmal mehr als 50 (!) Jahre verstrichen sind, kann mit Fug und Recht behauptet werden, dass im Jahr 1913 nur die Miederer Hof- und Gutsbesitzer Eigentümer sein konnten.

Vor diesem Hintergrund relativiert sich der Standpunkt des Verfassungsgerichtshofs aus dem Jahr 2008. Richtiger Weise wären die 66 (65) Hof- und Gutsbesitzer von Mieders als Eigentümer dieser Waldparzellen festzustellen gewesen, weil die Waldparzellen ihr geteiltes Einzeleigentum waren. Zweifellos war es jedoch deren gutes Recht, das Eigentum an den Waldparzellen zusammen zu legen und in einer Agrargemeinschaft gemeinschaftlich zu verwalten. Verfassungswidrig sind die Rechtsvorgänge seit dem Jahr 2008, mit denen der Ortsgemeinde ein Substanzrecht an diesen Waldparzellen zuerkannt wurde.

MP