Die Feuerspritze im Mittelpunkt
des Kirchspiels

Wie der Lärchwald in Obsteig zum Gemeindegut der Mötzer wurde

Die heutige Ortsgemeinde Mötz ist aus zwei Gemeindeteilungen hervorgegangen: Einmal im Jahr 1833, als die Gemeinde Miemingerberg in die Gemeinden Obsteig, Untermieming und Wildermieming aufgeteilt wurde, sowie einmal im Jahr 1959, als die Gemeinde Mieming in diese und die neue Ortsgemeinde Mötz geteilt worden ist. Im Jahr 1833 wurde das zu teilende Gemeindevermögen genauestens erhoben. Rechte an Wald und Weide befanden sich nicht darunter. Das Vermögen der aufgeteilten Großgemeinde erschöpfte sich vielmehr in einem Armenfonds und  einer Feuerlöschspritze.

Im Gemeindearchiv von Mötz finden sich zahlreiche Urkunden, die belegen, wie sich der Besitz der Nachbarschaft im Verlauf der Jahrhunderte gebildet und abgegrenzt hat – etwa in der „freundtlichen Vergleichung“ vom 29. Jänner 1632 zwischen der „Ehrsamen Gemain des Metzerviertls“ und den „Nachperleithen im Viertel Obgestaig“ oder im „Giettingen Vergleich“, der am 23. Oktober 1673 zwischen der „Gemain Möz und Obstaig firgangen“ ist, mit dem sich die Mötzer das Weiderecht und den Holzgenuss im „Larchwald“, auch „Rieglwald“ genannt, sicherten. Im Frühjahr 1797 hatten die beiden Nachbarschaften mit einer Rinderseuche zu kämpfen und der möglichen Ansteckungsgefahr, wenn das Galtvieh aus den verschiedenen Dörfern gemeinsam am Simmering gealpt würde. Am 30. Mai 1797 trafen die zwei „Gemeinden“ die Übereinkunft, dass die Tiere der Mötzer für einen Sommer der Simmering Alpe fern bleiben sollten.

1833: TEILUNG AM MIEMINGERBERG

In politischer Hinsicht bildeten alle Nachbarschaften des Mie­minger Plateaus – einschließlich Mötz – über Jahrhunderte eine Einheit: Schon das landesfürstliche Steuer-Urbar aus dem Jahr 1406 nennt ein „ampt auf mieminger perg“, dem die Ortschaften „Metz, Miemingen, See, Wilraimingen, auf dem Gestayg pis an den Reßbach“ unterstellt waren. Anfang des 19. Jh. begegnet uns eine „Gemeinde am Miemingerberg“, die in 28 Ortschaften und Weiler gegliedert war. 1833 wurde die Großgemeinde entsprechend den drei Seelsorgestationen Untermieming, Wildermieming und Obsteig aufgeteilt. Jede der drei neuen Gemeinden sollte mit einem Vorsteher, zwei Ausschüssen (= heute Gemeinderäte) und den nötigen „Steuertreibern“ versehen werden. Der Bericht befasst sich detailliert mit den Kosten der bisherigen politischen Verwaltung, den künftigen Kosten, dem gemeinschaftlichen Ver­mögen sowie den gemeinsamen Schulden. Das Vermögen der Gemeinde Miemingerberg beschränkte sich auf einen Armenfonds und eine Feuerspritze. Der Armenfonds wurde geteilt. Die „Feuerlöschspritze“ sollte weiterhin „im Mittelpunkt des gesamten Kirchspiels aufgestellt“ und ein „Gemeingut der drei Comunen“ bleiben. Mit Dekret der Hofkanzlei in Wien vom 1. Februar 1833 wurde dieser Teilungsplan genehmigt und umgesetzt.

Von den Gemeinschaftsweiden und Gemeinschaftswäldern in der Gemeinde Miemingerberg ist weder im Bericht des Landgerichts Silz vom 6. Dezember 1831 etwas nachzulesen, noch im Bericht des Kreisamtes im Oberinntal 28. Dezember 1832 oder im Dekret der Hofkanzlei in Wien vom 1. Februar 1833. Wären Wald und Weide Vermögen von politischen Einrichtungen gewesen, hätte gerade im Blick auf den „Larch- bzw. Rieglwald“ der Mötzer aller Anlass für eine genaue Regelung bestanden: Im Jahr 1673 hatten sich die Mötzer das alleinige Recht dort gesichert. Mit Waldteilungsprotokoll vom 8. September 1818 war dieser Wald in 180 Parzellen unterteilt und zwischen den Mötzer Hof- und Gutsbesitzern aufgeteilt worden. Durch die neue Gemeindeteilung kam dieser Wald auf Gemeindegebiet von Obsteig zu liegen. Die Mötzer selbst wurden Teil der politischen Gemeinde Untermiemingen.

OBEREIGENTUM DES LANDESFÜRSTEN …

Spätestens seit dem 14. Jh. nahm der Tiroler Landesfürst das Obereigentum an den Wäldern und Almen für sich in Anspruch. Eigentum an Grund und Boden konnte nur der behaupten, der eine landesfürstliche Verleihungsurkunde besaß oder einen noch älteren Rechtstitel, wie beispielsweise das Prämonstratenser-Chorherrenstift Wilten, das sein Eigentum auf eine Schenkungsurkunde aus dem Jahr 1140 stützt. Alle anderen waren nur als Nutzungsberechtigte anerkannt. In der ersten Hälfte des 19. Jh. wurde die Regierung zu einer Rechtsbereinigung gezwungen. Durch das Tiroler Forstregulierungspatent vom 6. Februar 1947 ordnete der Kaiser für den Nordtiroler Raum eine generelle Servitutenablösung an: Die Nutzungsrechte wurden gegen Übereignung von Ablöseflächen aufgehoben. Zusätzlich wurde für spezielle Fälle die Anerkennung von ersessenem Privateigentum an Wäldern und Almen angeordnet. Voraussetzung war unter anderem, dass ein Wald unter den Hof- und Gutsbesitzern aufgeteilt war.

… WIRD ZUM PRIVATEIGENTUM

Die Mötzer Nachbarn nahmen für sich erfolgreich ersessenes Privateigentum in Anspruch: Gemäß Forsteigentums-Purifikations-Tabelle des Landgerichtsbezirks Silz, ausgefertigt von der k. k. Berg- und Salinendirektion Hall am 14. Juli 1848, wurde insbesondere auch der Larch- oder Rieglwald in Obsteig als Privateigentum anerkannt. Am 12. September 1848 wurde die Eintragung dieser Urkunde im Verfachbuch vom k. k. Landgericht Silz angeordnet und durchgeführt. Das „Verfachbuch“ erfüllte in Tirol über Jahrhunderte die Funktion des heutigen Grundbuches. Eine Aus­führungsverordnung zum Forstregulierungspatent vom 17. Juni 1847 erklärt, dass das „purifizierte“ Privateigentum von allen künftigen staatlichen Ansprüchen „enthoben und gesichert“ ist, sodass „in diesem besonders für das Land Tirol wichtigen Beziehungen den streitigen Differenzen zwischen den Privaten und dem Staat ein Ziel gesetzt und für die Zukunft begegnet werden soll“. Künftige staatliche Ansprüche auf das Eigentum oder die Substanz dieser Liegenschaften waren danach ausgeschlossen.

EIN DORFMEISTER WIRD FRAKTIONSVORSTEHER

Am 19. April 1909 beauftragten die Mötzer ihren Dorfmeister Alois Kluibenschödl, Bauer in Mötz, beim k. k. Grundbuchkommissär die Eintragungen ihrer in Obsteig gelegenen Lärchwald-Grundstücke in das öffentliche Grundbuch zu veranlassen. Die Entscheidung des Grundbuchkommissärs über das Eigentumsrecht war heikel: In Vertretung der „Gesamtgemeinde Mieming“ war auch der Gemeindevorsteher (= heute Bürgermeister) Johann Sonnweber erschienen und er verlangte, den Lärchwald als Eigentum der Gesamtgemeinde Mieming zu erfassen. Der Dorfmeister Kluibenschödl war offensichtlich vorbereitet: Der Lärchwald sei Alleineigentum der Gemeinschaft Mötz, was sich aus den Waldprotokollen von 1733 und 1735 ergebe (im Protokoll „Gemeinde Mötz“ genannt). Und dieser Wald sei unter den Orts­bewohnern durch das Waldteilungsprotokoll vom 8. September  1818 aufgeteilt. Dies alles ohne Zutun der Gemeinde Mieming in selbständiger Verwaltung. Am 28. April 1909 entschied der Grundbuchkommissär, dass der Lärchwald im letzten faktischen Besitz der „Fraction Mötz“ stehe und als Eigentum derselben eingetragen werde. Zusätzlich wurde auf Grund des Waldteilungsprotokolles vom 8. September 1818 zu Gunsten der Mötzer Stammsitzliegenschaften an jeder der 180 Grundparzellen die Dienstbarkeit des ausschließlichen und unbeschränkten Holz- und Streubezuges im Grundbuch eingetragen. Der Dorfmeister Alois Kluibenschödl, im Grundbuchanlegungsprotokoll zum „Fractions-Vorsteher“ erhoben, war mit dieser Entscheidung zufrieden. Auch der Gemeinschaftswald der Mötzer in der Katastralgemeinde Mieming wurde nach diesem System erfasst. Dieser Wald war bereits im Jahr 1735 in ca. 380 Waldteile unterteilt und unter den Mötzern aufgeteilt worden. Somit haben die Grundbuchanlegungsbeamten den Grundstein dafür gelegt, dass die Mötzer ihre in den Jahren 1735 und 1818 aufgeteilten Wälder als „Fraktion“ verwalteten.

DIE REGULIERUNG DER AGRARGEMEINSCHAFT

Im Jahr 1950 hat die Agrarbehörde das auf „Fraction Mötz“ im Grundbuch Mieming einverleibte Liegenschaftsvermögen im Zuge einer „agrarischen Operation“ überprüft. Einbezogen wurden die Grundstücke, die als Weide und zur Heugewinnung genutzt wurden und die aufgeteilten Waldgrundstücke. Als „Gemeindevermögen“ ausgeschieden wurden unter anderem das alte Schulgebäude in Mötz und das Mötzer „Spritzenhaus“. Die Agrarbehörde stellte fest, dass diese Grundstücke „seit jeher“ nur von den Eigentümern bestimmter Häuser in Mötz genutzt wurden, weshalb das Eigentum dieser Gesamtheit der Nutzungsberechtigten, bezeichnet als „Agrargemeinschaft Mötz“, zuzusprechen sei. In weiterer Folge hat die Agrarbehörde detailliert erhoben, welche „Teilwälder“ welchen Stammsitzen zuzuordnen sind. Die Anteilsrechte an der Agrargemeinschaft wurden entsprechend der Größe der eingebrachten Teilwaldflächen festgestellt; ebenso die Tragung der mit dem Besitz verbundenen Lasten.

DIE BILDUNG DER ORTSGEMEINDE MÖTZ

Aufgrund des Landesgesetzes vom 15. Jänner 1959 wurde die politische Ortsgemeinde Mieming geteilt in diese und die neue Ortsgemeinde Mötz. Gemäß § 3 des Gesetzes erfolgte die Ver­mö­gen­sauseinandersetzung entsprechend dem Beschluss des Gemeinderates von Mieming vom 14. und 15. Oktober 1958. Mit Bescheid vom 27. März 1969 hat die Tiroler Landesregierung der neuerrichteten Ortsgemeinde Mötz jene Liegenschaften übertragen, die ihr aufgrund der Teilungsvereinbarungen zustanden. Mit Bescheid vom 2. Juni 2010 hat die Agrarbehörde entschieden, dass die Ortsgemeinde Mötz zusätzlich „Substanzrecht“ am Mötzer Lärchwald in Obsteig besitze. Der Landesagrarsenat hat diese Entscheidung mit Erkenntnis vom 2. Dezember 2010 bestätigt. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die von der Agrargemeinschaft Mötz erhobene Beschwerde steht noch aus.