Feststellung des „Atypischen“

Bekanntlich hat der Verwaltungsgerichtshof den Standpunkt eingenommen, dass nicht die wahren Eigentumsverhältnisse den Ausschlag geben, sondern eine „Qualifizierung durch die Agrarbehörde“. „Atypisches Gemeindegut“ sei heute anzunehmen, wenn die historische Agrarbehörde ein „Gemeindegut“ oder ein „Fraktionsgut“ angenommen habe. Eine solche Entscheidung der Behörde sei wegen Rechtskraft heute unbekämpfbar und unüberprüfbar. Ob diese Entscheidung richtig war oder falsch, sei irrelevant – Rechtskraft heile alle Mängel. Dazu der Verwaltungsgerichtshof im „Unterlangkampfen-Erkenntnis“ vom 30. Juni 2011 Zl 2010/07/0075: Es „erübrigt sich ein Eingehen auf sämtliche im vorliegenden Fall aufgeworfene rechtshistorische Fragestellungen. Darauf, ob die entscheidungswesentliche Feststellung im Bescheid vom 17. Juni 1949 zu Recht getroffen wurde, wie sich die Eigentumsverhältnisse im Zeitpunkt der Forsteigentumsregulierung oder im Zeitpunkt der Grundbuchsanlegung gestalteten und wie gegebenenfalls die Rechtsnachfolge zu beurteilen wäre, kam es daher nicht an.“

Diese Rechtsauffassung ist für einen Rechtsstaat inakzeptabel; dies aus mehreren Gründen. Schwer ins Gewicht fallen vor allem zwei Argumente: Zum einen, dass der Verfassungsgerichtshof zu eben dieser Agrargemeinschaft Unterlangkampfen rund sechs Monate zuvor am 10. Dezember 2010 in seinem „Unterlangkampfen-Erkenntnis“ VfSlg 19.262/2010 ausgesprochen hat, dass im historischen Tiroler Flurverfassungsrecht der Begriff „Gemeindegut“ im Sinn von Eigentum einer Agrargemeinschaft verwendet wurde. Die heutige Schlussfolgerung von historischem Gemeindegut auf historisches Eigentum einer Ortsgemeinde sei deshalb ein Trugschluss. Zum anderen, dass die historische Agrarbehörde bei der Annahme von „Gemeindegut“ oder „Fraktionsgut“ keinesfalls konsequent vorgegangen ist. Aus historischer Sicht war die Entscheidung für ein „Gemeinde- oder Fraktionsgut“ absolut untergeordnet. Wesentlich war, was im Regulierungsverfahren bezüglich der Eigentumsverhältnisse vereinbart und bescheidmäßig umgesetzt wurde. Die heutige Auslegung der historischen Bescheide anhand einer Rechtsauffassung, die vom damaligen Flurverfassungsrecht nicht gedeckt war, führt deshalb zu inhaltlich falschen, willkürlichen Ergebnissen. Dies zeigt sich deutlich, wenn man die heutige „Gemeindegutsbeurteilung“ von Agrargemeinschaften mit gleicher oder ähnlicher historischer Entwicklung vergleicht.

MP