2006. Strategie I
scheitert beim VfGH

Eine Strategie der Kommunalisierer war es, im Jahr 2005 direkt an den Verfassungsgerichtshof heran zu treten. Beteiligt waren jedenfalls die Agrargemeinschaft Neustift im Stubaital (Gemeinde Neustift), Agrargemeinschaft Mieders (Gemeinde Mieders), die Agrargemeinschaften Oberstädter und Unterstädter Melkalpe (Stadtgemeinde Imst) und Agrargemeinschaft Trins (Gemeinde Trins). Primäres „Angriffsziel“ waren die Bescheide der Gemeindeaufsicht, mit denen eine Gemeindevertreter für das Regulierungsverfahren bestellt wurde (§ 110 Abs 1 lit f TFLG 1952). Im Fall der Regulierung der Gemeinschaftsliegenschaften von Trins haben die Kommunalisierer zusätzlich einen Bescheid des Landesagrarsenats  angefochten.

In dem für die Ortsgemeinde Neustift anhängig gemachten Verfahren wandten sich die Kommunalisierer (vertreten durch RA. Dr. Andreas Brugger) gegen einen offenkundigen rechtspolitischen Schwachpunkt in verschiedenen historischen  Regulierungsverfahren: die behördliche Bestellung eines Gemeindevertreters. (Gem § 110 Abs 1 lit f TFLG 1952 wird die Ortsgemeinde im Agrarverfahren vertreten durch eine Person, die die Landesregierung als Aufsichtsbehörde – wenn auch nach Anhörung der Gemeinde – bestellt.)  Den Bescheid vom Juli 1960, mit dem der Altbürgermeister der Gemeinde Neustift zum  Gemeindevertreter für das Regulierungsverfahren bestellt wurde, machten die Komunalisierer im Jahr 2005 zum Gegenstand eines Verfahrens vor dem VfGH: Im Verfahren sei der Gemeinde arglistig ein Vermögen im Wert von mehreren Millionen Euro entzogen worden; die Gemeinde sei in ihrem Recht verletzt, sich selbst durch demokratisch legitimierte Vertreter im Verfahren zu vertreten. In Verbindung mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist wurde Verfassungsgerichtshofbeschwerde erhoben.

45 Jahre nach Rechtskraft hat der VfGH den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen und die Beschwerde wegen Verspätung ebenfalls.

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Sammlungsnummer: 17779
Geschäftszahl: B334/05
Entscheidungsdatum: 04.03.2006

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird zurückgewiesen. Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen. Begründung:

I. In der ersten Juli-Hälfte 1960 richtete die Tiroler Landesregierung unter dem Betreff „Regulierung des Gemeindegutes“ zu Ib-Zl.-55/29 folgendes undatiertes Schreiben an die Gemeinde Neustift: „Herrn Bürgermeister A D, Neustift i.St. Die Mehrheit der Nutzungsberechtigten am Gemeindegut der Gemeinde Neustift hat bei der Agrarbehörde die Regulierung der gemeinschaftlichen Benützungs- und Verwaltungsrechte an diesem Gemeindegut beantragt. Für dieses Verfahren werden Sie gemäß §110 des Flurverfassungs-Landesgesetzes vom 16.7.1952, LGBl. Nr. 32, zum Vertreter der Gemeinde Neustift bestellt. Sie haben in diesem Verfahren die Interessen der Gemeinde nach bestem Wissen und Gewissen zu vertreten. Für die Landesregierung: Dr. K“ Eine Abschrift ist der Agrarbehörde zu ZI Ib1-710/3 v. 21.3.1960 zugegangen.

In weiterer Folge wurden unter anderem mit Bescheiden der Agrarbehörde vom 30. April 1963 die Anteilsrechte der Gemeinde Neustift am Regulierungsgebiet des Gemeindegutes mit 15 % verzeichnet und festgestellt, dass die Grundstücke im Eigentum der Agrargemeinschaft Neustift stehen, an der die jeweiligen Eigentümer der in einer Liste der Parteien aufgezählten Liegenschaften und die politische Gemeinde Neustift anteilsberechtigt seien. Beide Bescheide stützen sich auf einen mit der Verzeichnung des Anteils zugleich genehmigten Vergleich (Übereinkommen mit dem bestellten Gemeindevertreter). Das Regulierungsverfahren ist noch anhängig. Unter anderem gegen die zuletzt genannten Bescheide der Agrarbehörde hat die Gemeinde Neustift im März 2005 Berufung erhoben. Der diese Berufung zurückweisende Bescheid des Landesagrarsenates ist beim Verfassungsgerichtshof zu B949/05 bekämpft. Aus diesem Bescheid ergibt sich, dass A D im April 1962 als Bürgermeister von J P, als Gemeindevertreter im Regulierungsverfahren aber erst 1965 von H G abgelöst wurde, und aufgrund des Feststellungsbescheides aus 1963 an den betroffenen Liegenschaften im Jahre 1964 das Eigentumsrecht der Agrargemeinschaft Neustift einverleibt wurde.
Richtigstellungsanträge vom April 2005 mit dem Begehren, wiederum das Eigentumsrecht der Gemeinde einzuverleiben, wurden mit einem vom Landesgericht Innsbruck bestätigten Beschluss des Grundbuchsgerichtes abgewiesen. Mit dem vorliegenden Antrag begehrt die Gemeinde Neustift die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Erhebung der Beschwerde gegen das eingangs genannte, als Bescheid gewertete Schreiben der Tiroler Landesregierung und erhebt zugleich Beschwerde wegen Verletzung des dieser Gemeinde verfassungsgesetzlich zustehenden Rechts, ihre Organe selbst bestellen zu dürfen und dies durch Wahlen zu tun. Als Wiedereinsetzungsgrund wird das Fehlen einer Rechtsmittelbelehrung und der Umstand geltend gemacht, dass A D nicht in der Lage gewesen sei, die Rechtswirkungen und Tragweite der Vertreterbestellung zu erkennen. Die im Verfahren getroffene Entscheidung (der Bescheid aus 1963) habe der Gemeinde ein Vermögen im Wert von mehreren Millionen Euro arglistig entzogen.

Dazu legt die beschwerdeführende Gemeinde die Niederschrift einer die Regelung des Gemeindegutes betreffenden Besprechung vom 29. September 1964 vor, an der seitens der Gemeinde neben dem Bürgermeister P und dem Vizebürgermeister acht Gemeinderäte, der Gemeindevertreter A D und für die Agrarbehörde I. Instanz ORR Dr. B teilgenommen hatten; dabei hatte Dr. B eine Darstellung des Verwaltungsgeschehens gegeben, deren Schluss wie folgt protokolliert ist: „11. 23.4.1963 Parteienübereinkommen mit dem Gemeindevertreter A D auf 15 % gemäß Verhandlungsschrift. Übereinkommen: a) der pol. Gemeinde Neustift kommt an den Holznutzungen des Gemeinschaftsgebietes ein Anteilrecht von 15 % zu. b) die zu bildende Agrargemeinschaft Neustift kommt darüber hinaus noch zur Gänze für das bei Katastrophenfällen an Brücken und Wegen zur Sicherung dieser Anlagen und zur Wiederherstellung derselben erforderlichen Holz nach den tatsächlichen Holzbedarf auf. c) Weiters wird vereinbart, daß eine Agrargemeinschaft Neustift körperschaftl. mit Wirkung vom 1.1.64 eingerichtet werden soll. Der Vertreter der Agrarbehörde, ORR. Dr. B ist der Meinung, daß die Besitzverhältnisse durch die Bildung der Agrargemeinschaft allgemein klargestellt sind, zumal alle Gemeinden des Stubeitales gleich durchgeführt wurden. Der Gemeindevertreter D erklärte hiezu, daß am 23.4.63 über die Besitzverhältnisse nicht gesprochen wurde. Dr. B konnte am 29.9.64 nicht mehr unbedingt sagen, ob am 23.4.1963 über das Eigentumsrecht gesprochen wurde.
12. 30.4.63 Regulierungsbescheid erlassen durch Agrarbehörde. Übertragung des Eigentums auf die Agrargemeinschaft Neustift. Einspruchsmöglichkeit vom 13.5.63 – 10.6.63. 13. 29.9.64: Gde.Vertreter A D betont, daß er am 23.4.63 an den Vertreter der Agrarbehörde (Dr. B) folgende Frage zur körperschaftl. Einrichtung richtete: Wollen die Eingeforsteten den Nichteingeforsteten etwas wegnehmen oder umgekehrt? Antwort d. Dr. B: Niemanden wird etwas weggenommen. Damit war der Gemeindevertreter D der Auffassung, daß die Grundstücke in Eigentum der Gemeinde bleiben.“ Eine Ergänzung zum (vorstehend nicht wiedergegebenen) ersten Punkt des Verfahrensablaufes (Antragstellung) mündet in die Wiedergabe folgenden Wortwechsels: „H: Herr Bürgermeister, welche Behörde hat Dir den Rat gegeben, daß unsere Anträge nicht auf die Tagesordnung kamen? H: Warum Herr Bürgermeister und Vertreter der Gemeinde hast Du bis heute es noch nie gewagt, die Gemeinde als solche bei der Agrarbehörde zu vertreten. Bürgermeister P: Weil ich laut Auskunft der Gde.-Aufsichtsbehörde der Meinung war, daß Altbürgermeister D bis zum Abschluß des Regulierungsverfahrens alleiniger Vertreter der Gemeinde Neustift ist.
Dr. B: Vertreter der Gemeinde ist Altbürgermeister D bis das Verfahren abgeschlossen ist. H: an Dr. B: Dr. M gab uns am 30. Juli 1964 nach langen Verlangen den Bürgermeister als Vertreter der Gemeinde bekannt. Altbgm. D: Wenn man bei der Verhandlung über den Grund auch verhandeln hätte wollen, wäre es nie so weit gekommen. Vizebgm. S: Vizebgm. S fragt GR. S ob er wirklich gewußt hat, daß der Grund an die Agrargem. übergeht. S A GR: Das haben sie schon gewußt, daß der Grund auch mitgeht. Altbgm. D sagt, dort dürfte er nichts mehr glauben, wenn es so ist, sonst würde ich mich vor der Verantwortung fürchten. Bgm. P fragt Dr. B: Wieso die Aufsichtsbehörde nichts dagegen unternahm, kann ich nicht verstehen, wo es doch um Millionenbeträge ging. Dr. B gab hiezu keine Erklärung ab. H: R A und R J haben am 30.7.1964 vor dem Gemeinderat und Dr. M erklärt, daß über Grund bei der Verhandlung nicht gesprochen wurde. H: Also Herr Dr. B hat man es doch bewußt gemacht, daß man der Gemeinde den Grund enteignen kann, weil niemand aufgeklärt wurde. Verweis von Dr. B.“

Daraus folgert der Wiedereinsetzungsantrag, dass A D nicht gewusst habe, dass mit den einzelnen Teilbescheiden des Regulierungsverfahrens der Gemeinde Neustift das Recht auf die Substanz entzogen werden sollte bzw. entzogen wurde, und dass er es nur aus diesem Grund unterlassen hat, die Bescheide anzufechten: „Weder Herrn Bürgermeister A D noch den nachfolgenden Bürgermeistern kann es zum Vorwurf gemacht werden, dass sie den Beamten der Tiroler Landesregierung vertraut haben. Die Bürgermeister der Tiroler Landgemeinden sind von wenigen Ausnahmefällen abgesehen selbst nicht juristisch ausgebildet. Die bescheidenen Finanzmittel der Gemeinden lassen es auch nicht zu, ständig einen Juristen zu beschäftigen oder in allen auftauchenden Fragen Rechtsanwälte kontaktieren. Es ist daher auch heute noch absolut üblich, dass sich die Bürgermeister der Tiroler Landgemeinden bei den in der Gemeinde auftauchenden Rechtsfragen von den Beamten der Bezirkshauptmannschaften und der Landesregierung beraten lassen. Sie sind darauf angewiesen, dass diese ihnen das Richtige sagen.

Darauf dürfen die Organe der Gemeinden auch vertrauen: Nach der Verfassung hat das Land gegenüber den Gemeinden die Stellung einer Aufsichtsbehörde. Daraus resultieren für das Land Tirol nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten. Ähnlich wie Eltern ihrem Kind gegenüber und ähnlich wie ein Vormund gegenüber dem Mündel verpflichtet sind, bei der Ausübung ihrer ‚Leitungsfunktion‘ die Interessen des Kindes besonders wahrzunehmen, ergibt sich dieselbe Verpflichtung auch für die Beamten der Tiroler Landesregierung aus der verfassungsmäßigen Stellung des Landes Tirol als Aufsichtsbehörde der Gemeinden. Die Beamten des Landes Tirol wären daher von Rechts wegen verpflichtet gewesen, sich in ganz besonderem Maße um das Wohl der ihnen zur Aufsicht anbefohlenen Gemeinden zu kümmern. Aufgrund der Bestimmung des §89 Abs4 FLG, wonach die Agrarbehörde jene Normen anzuwenden hatte, die auch sonst für die von ihr entschiedenen Angelegenheiten galten, wäre sie verpflichtet gewesen, auch die Funktion der Gemeindeaufsichtsbehörde wahrzunehmen.
Wenn überhaupt ließe sich der in §96 FLG normierte Wegfall der aufsichtsbehördlichen Genehmigungspflicht für die in einem Agrarverfahren abgegebenen Erklärungen und abgeschlossenen Vergleiche nur damit rechtfertigen, dass im Agrarverfahren eben die Agrarbehörde die Aufgaben der Gemeindeaufsichtsbehörde wahrnehmen muss und daher verpflichtet wäre, darauf zu achten, dass die von einer Gemeinde abgegebenen Erklärungen und abgeschlossenen Vergleiche nicht die Interessen der Gemeinde verletzen. Weder Altbürgermeister A D noch seinen Rechtsnachfolgern kann daher die Tatsache, dass sie den Beamten des Landes Tirol vertrauten, als Verschulden angelastet werden.

Man mag sich vielleicht fragen, worin genau der Rechtsirrtum der Gemeindevertreter bestanden haben soll, doch muss man diese Frage ganzheitlich betrachten: Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg. Nr. 9336 richtig aufzeigte, geht es letztlich darum, dass der Gemeinde das Recht auf die Substanz des Gemeindevermögens nicht entzogen werden hätte dürfen. Inhaltlich wurde zum damaligen Zeitpunkt dieses Recht auf die Substanz des Gemeindegutes durch das komplexe Zusammenwirken verschiedenster Rechtsvorschriften ausgestaltet. Um diese Zusammenhänge zu verstehen, hätten die Bürgermeister der Gemeinde Neustift zunächst wissen müssen, dass aus dem Umstand, dass ein Grundstück ein agrargemeinschaftliches Grundstück im Sinne des §36 TFLG idF LGBl. Nr. 32/1952 darstellt, noch keineswegs folgt, dass die Agrargemeinschaft zugleich auch Eigentümerin dieses Grundstückes sein muss. Dies ergibt sich daraus, dass gemäß §36 Abs2 litd FLG die zum Gemeindegut gehörigen Grundflächen jedenfalls als agrargemeinschaftliche Grundstücke zu gelten hatten, dass aber das Gemeindegut regelmäßig im Eigentum der Gemeinde stand (vgl. §51 Abs2 FLG idF LGBl. Nr. 32/1952 und §73 TGO idF LGBl. Nr. 24/1949). Um den Inhalt und den Umfang des der Gemeinde vorbehaltenen Rechtes an der Substanz des Gemeindegutes beurteilen zu können, hätten die Bürgermeister daher das Nebeneinander des Grundeigentums der Gemeinden mit den Vorschriften der Flurverfassungsgesetze betreffend die Agrargemeinschaften verstehen müssen, was vollkommen unmöglich war, da aufgrund der nur unvollständigen gesetzlichen Ausgestaltung die damit zusammenhängenden Fragen auch heute noch von keinem Juristen erschöpfend und verlässlich beantwortet werden können.

Aus dem Akt ergibt sich, dass die einzelnen Besprechungen vor allem die Holznutzung zum Thema hatten. Für die Beteiligung der Gemeinde an der Holznutzung spielte es keine wesentliche Rolle, ob der Gemeinde Neustift ihr Anteil an der Holznutzung in ihrer Eigenschaft als Eigentümerin des Gemeindegutes oder als Anteilsberechtigte an der Agrargemeinschaft Neustift zugute kam. Dass allerdings beispielsweise das Recht zur Aufhebung von Nutzungsrechten im Sinne des verloren gehen könnte, wenn die Gemeinde nicht mehr Eigentümerin des Gemeindegutes wäre, hätte schon qualifizierterer Überlegungen bedurft. Schließlich hat ja niemals jemand bestritten, dass das gegenständliche Gebiet (bzw. zumindest der allergrößte Teil davon) das Gemeindegut von Neustift darstellt, und ist – zumindest nach dem unmittelbaren Gesetzeswortlaut – die Ausübung der in §81 TGO idF LGBl. Nr. 24/1949 genannten Befugnisse nicht davon abhängig, dass die Gemeinde auch im Grundbuch als Eigentümerin des Gemeindegutes aufscheint. Tatsächlich stellt sich nach den im Regulierungsverfahren ergangenen Bescheiden freilich die Frage, ob das gegenständliche Gebiet überhaupt noch als Gemeindegut der Gemeinde Neustift anzusehen ist und wenn ja, was die Folge einer Aufhebung von Nutzungsrechten gemäß §81 TGO LGBl. Nr. 24/1949 bzw. gemäß §73 TGO 2001 sein soll.

Es ist klar, dass ein juristisch nicht gebildeter Bürgermeister diese komplexen Zusammenhänge ohne entsprechende Aufklärung nicht verstehen kann. Anstatt den damaligen Bürgermeister aufzuklären, hat ihm die Agrarbehörde I. Instanz jedoch vorgemacht, bei den erlassenen Bescheiden handle es sich um reine Formsache, es würde sich nichts ändern. Dies ergibt sich nicht nur aus den Darstellungen von Altbürgermeister A D in der Niederschrift vom 29.9.1964, sondern beispielsweise auch aus der Begründung des Bescheides vom 30.4.1963, GZl. IIIb 1-1019/159, mit dem festgestellt wurde, dass die zum Gemeindegut Neustift gehörigen Grundflächen im Eigentum der Agrargemeinschaft Neustift stehen würden. In der Begründung dieses Bescheides wurde behauptet, die im Spruch dieses Bescheides genannten Rechtsverhältnisse seien ohnehin bereits durch frühere Bescheide der Agrarbehörde entschieden worden, bzw. es werde nur eine getroffene Vereinbarung bescheidmäßig beurkundet, was beides in keinster Weise der Wahrheit entsprach. Da überdies laut Niederschrift vom 29.9.1964 der damalige Leiter der Agrarbehörde der Behauptung von Altbürgermeister D und der Gemeinderäte A R und des Herrn J R nicht widersprochen hat, wonach bei den Regulierungsverhandlungen über die Eigentumsfrage nicht geredet worden sei, steht auch objektiv fest, dass die damaligen Gemeindevertreter teils durch unterlassene Aufklärung und teils dadurch, dass ihnen die Unwahrheit gesagt wurde, außerstande gesetzt wurden, die Rechte der Gemeinde Neustift so zu vertreten, wie es deren gesetzliche Pflicht gewesen wäre. Als die Gemeindevertreter schließlich im September 1964 merkten, was geschehen war, wurde Ihnen erklärt, jetzt sei es zu spät, Rechtsmittel seien nicht erhoben worden, man könne nichts mehr machen (vgl. Amtsvermerk vom 31.7.1964 und Niederschrift vom 29.9.1964). Als sie dann dem damaligen Leiter der Agrarbehörde I. Instanz vorwarfen, dass er die Gemeinde ‚bewusst enteignet‘ und deshalb niemand aufgeklärt habe, erhielten sie einen scharfen Verweis (vgl. Niederschrift vom 29.9.1964) und haben sich dadurch einschüchtern lassen und den Eindruck gewonnen, sie seien der Behörde machtlos ausgeliefert. Dadurch ist die Sache schließlich auch offensichtlich in Vergessenheit geraten. Spätere Bürgermeister haben gar nichts mehr von der hier angesprochenen Problematik gewusst. Dadurch war die Gemeinde Neustift bis heute verhindert, gegen den Einleitungsbescheid Beschwerde zu erheben. Erst jetzt durch die Einsichtnahme ihres Rechtsanwaltes am 10.03.2005 und am 18.03.2005 hat der gefertigte Vertreter der Gemeinde Neustift Kenntnis vom geschilderten Sachverhalt erlangt und erkannt, dass Rechtsmittel gegen die in diesem Schriftsatz angefochtenen Bescheide in Verbindung mit Anträgen auf Wiedereinsetzung möglich sind, sowie dass diese Bescheide rechtswidrig sind, und welche Tragweite sie für die Gemeinde Neustift hatten und noch haben.“

II. Der Wiedereinsetzungsantrag ist verspätet. Gegenstand des Wiedereinsetzungsantrages ist ausschließlich die Bestellung des A D zum Vertreter der Gemeinde Neustift in dem 1960 eingeleiteten Regulierungsverfahren. A D war damals Bürgermeister dieser Gemeinde. Der Verfassungsgerichtshof kann nicht finden, dass er die Bedeutung dieser Bestellung nicht verstanden haben sollte. Wovon ihn oder die Gemeinde die fehlende Rechtsmittelbelehrung unter diesen Umständen abgehalten haben soll, ist gleichfalls unerfindlich. Ein Irrtum über die Bedeutung dieses Aktes konnte erst entstanden sein, als allmählich klar wurde, welche Folgen das Verfahren für die Gemeinde haben sollte. Im Übrigen ist der Hinweis auf die Möglichkeit der Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof keine Rechtsmittelbelehrung und sein Fehlen als solches kein tauglicher Wiedereinsetzungsgrund (VfSlg. 10.813/1986, 14.120/1995, 14.229/1995). Dass das Eigentum am Gemeindegrund der Agrargemeinschaft zugeordnet und der Gemeinde Neustift nur ein Anteil von 15 % zugesprochen wurde, musste den Vertretern der Gemeinde seit Erlassung der Bescheide vom 30. April 1963 klar sein, weil diese Bescheide es wörtlich aussprechen. Spätestens zugleich mit diesen Bescheiden hätte auch – mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung verbunden – die Bestellung des Gemeindevertreters angefochten werden müssen. Selbst wenn man aber davon ausginge, dass auch die neu bestellten Gemeindeorgane nicht verstanden haben, dass die Rechtslage früher anders gewesen war, war die Bedeutung des Geschehens nach bücherlicher Übertragung des Eigentums auf die Agrargemeinschaft mit Zustellung des Beschlusses des Grundbuchgerichtes klar und lag bei der Besprechung am 29. September 1964 offen zutage: Das mögliche Missverständnis A D kam zur Sprache, der Vertreter der Agrarbehörde hatte selbst von einer „Übertragung des Eigentums auf die Agrargemeinschaft“ gesprochen und er hatte auf die (versäumte) „Einspruchsmöglichkeit“ hingewiesen. Es musste zu diesem Zeitpunkt auch klar sein, dass A D die am Schluss des Protokolls wiedergegebene Antwort des Dr. B am 23. April (dem Tag des Parteiübereinkommens) missverstanden haben musste.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätten die damaligen Gemeindeorgane – sei es durch den Bürgermeister, sei es durch A D, der ja nur Vertreter der Gemeinde und daher Beschlüssen der zuständigen Gemeindeorgane unterworfen war -, angesichts der Bedeutung der Angelegenheit die Möglichkeit des Ergreifens von Rechtsmitteln überlegen müssen und mangels Rechtskenntnis einen Fachmann zuziehen können. Dass eine rechtsunkundige Partei den Fehler der Behörde nicht erkennt und die Möglichkeit, einen Rechtsbehelf zu ergreifen, falsch einschätzt, rechtfertigt keine Wiedereinsetzung. Daran kann auch der Umstand nichts ändern, dass das Mitglied der Agrarbehörde deren – hier nicht zu beurteilenden – Bescheide verteidigt und auf deren Unangreifbarkeit wegen Versäumung einer Rechtsmittelfrist hingewiesen hat. Das behauptete Hindernis, das der Erhebung der Verfassungsgerichtshofsbeschwerde gegen die Bestellung des A D als Gemeindevertreter allenfalls im Wege gestanden ist, war daher spätestens seit 29. September 1964 weggefallen. Ob es einen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund gebildet hätte, kann daher dahingestellt bleiben. Die mit diesem Tag begonnene Frist des §45 Abs2 ZPO ist ungenützt verstrichen. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist ist daher als verspätet zurückzuweisen (§33 VfGG iVm §148 Abs3 ZPO und §35 Abs1 VfGG).

III. Infolgedessen ist auch die Beschwerde als verspätet zurückzuweisen (§82 Abs1 VfGG).

TEXT VERBERGEN

Auch in dem für die Ortsgemeinde Mieders anhängig gemachten Verfahren wandten sich die Kommunalisierer (vertreten durch RA. Dr. Andreas Brugger) gegen die behördliche Bestellung eines Gemeindevertreters gem § 110 Abs 1 lit f ArbVG 1952. Mit Bescheid vom 23. Juni 1961 der Tiroler Landesregierung als Gemeindeaufsicht war der Bürgermeistervon Mieders, Herr A.Z., zum Gemeindevertreter bestellt worden. 44 Jahre später machten die Komunalisierer diesen Bescheid zum Gegenstand eines Verfahrens vor dem VfGH:  In Verbindung mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist wurde Verfassungsgerichtshofbeschwerde erhoben.

44 Jahre nach Rechtskraft hat der VfGH den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen und die Beschwerde wegen Verspätung ebenfalls.

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Geschäftszahl
B619/05
Entscheidungsdatum
08.06.2006

Spruch
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird zurückgewiesen.

Begründung:
I. Mit Datum vom 23. Juni 1961 richtete die Tiroler Landesregierung unter dem Betreff „Gemeinde Mieders; Regulierung“ zu Ib-Zl.-110/28 folgendes Schreiben an die Gemeinde Mieders: „Herrn A Z Bürgermeister, M i e d e r s/Stubai. Beim Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde 1. Instanz behängt ein Verfahren zur Regulierung des Gemeindewaldes von Mieders. Gemäß §110 Abs1 litf des Flurverfassungslandesgesetzes, LGBl. Nr. 32/1952 werden Sie in diesem Verfahren zum Vertreter der Gemeinde Mieders bestellt. Für die Landesregierung: Dr. S“ Eine Abschrift ist der Agrarbehörde zu Zl IIIb 1 . 679/1 vom 11. März 1961 zugegangen.

Mit dem vorliegenden Antrag begehrt die Gemeinde Mieders die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Erhebung der Beschwerde gegen dieses als Bescheid gewertete Schreiben und erhebt zugleich Beschwerde wegen Verletzung des der Gemeinde verfassungsgesetzlich zustehenden Rechts, ihre Organe selbst bestellen zu dürfen und dies durch Wahlen zu tun. Wie der beigelegten Kopie eines Schriftsatzes der antragstellenden Gemeinde mit Rechtsmitteln und Anträgen an das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde I. Instanz vom 8. Juni 2005 – über welche Anträge offenbar noch nicht entschieden wurde – zu entnehmen ist, wurde im Regulierungsverfahren nach einer Verhandlung am 20. Feber 1962, bei der ein Gemeindeanteil von 10 % an der Agrargemeinschaft in Aussicht genommen wurde, welchen – nachdem die Frage der Höhe des Gemeindeanteils in einer Gemeinderatssitzung vom 13. März 1962 (mit dem Beschluss „Wird vertagt. Wurde vom Gemeindevertreter geregelt“) erledigt worden war – in einer weiteren Verhandlung am 13. April 1962 A Z als Gemeindevertreter „als verbindlich anerkannt“ hatte, am 17. August 1962 eine Liste der Parteien mit dem Verzeichnis der Anteilsrechte ausgefertigt und schließlich am 9. Jänner 1963 ein Regulierungsplan für das Gemeindegut erlassen. Darin wird unter anderem festgestellt, im Einzelnen angeführte Grundstücke stellten das Gemeindegut dar und dieses stehe im Eigentum der Agrargemeinschaft Mieders.

Zu diesem Bescheid heißt es im genannten beigelegten Schriftsatz an die Agrarbehörde:
„Der Bescheid wurde durch Auflage in der Gemeindekanzlei Mieders in der Zeit zwischen 19.01.1963 und 02.02.1963 erlassen. Aus dem Zustellbogen ergibt sich, dass die Verständigung von der Auflage Herrn A Z als Vertreter der politischen Gemeinde Mieders in ihrer Eigenschaft als Eigentümerin von Stammsitzliegenschaften und an Herrn A Z persönlich (offenbar in dessen Eigenschaft als Eigentümer der Liegenschaft EZ 194) zugestellt wurde.“

Der Wiedereinsetzungsantrag betreffend die Vertreterbestellung ist nach Schilderung der Verwaltungspraxis bei den Gemeindegutsregulierungen wie folgt begründet:
„Aufgrund des von der Landesregierung aus politischen Gründen vertretenen völlig unhaltbaren und rechtswidrigen Standpunktes wurden die Gemeinden durchwegs falsch aufgeklärt. Selbstverständlich wurden ihnen die höchstgerichtlichen Erkenntnisse verschwiegen, nach denen sie Anspruch darauf gehabt hätten, das Eigentum am Gemeindegut zu behalten. Nur durch diese falsche Aufklärung ist es erklärbar, dass es gelingen konnte, in derart vielen Fällen den Gemeinden in rechtswidriger Weise das Eigentum am Gemeindegut wegzunehmen und an bäuerliche Gemeinschaften zu übertragen, denen es nicht zustand.

„Der gefertigte Vertreter hat seit Jahrzehnten sehr viel mit Gemeinden zu tun und zwar auch als Vertreter von Bauern, wobei die Gemeinden nicht selten von bäuerlichen Bürgermeistern vertreten wurden. Dabei konnte aber noch nie festgestellt werden, dass ein Bürgermeister bereit gewesen wäre, auch nur einen Quadratmeter aus dem Gemeindevermögen zu verschenken. Es ist daher davon auszugehen, dass die Bürgermeister der Gemeinden in keinem oder zumindest fast keinem Fall bereit gewesen wären, an einer Verschiebung des Eigentums am Gemeindevermögen auf wenige Bauern mitzuwirken, wenn ihnen die Unrechtmäßigkeit dieser Vorgangsweise bewusst gewesen wäre.“
In der Rechtssprechung ist insofern ein Wandel eingetreten, als die ältere Rechtssprechung in einer unrichtigen Beurteilung der Rechtslage keinesfalls und sogar auch dann keinen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund erblickt hat, wenn dieser Irrtum durch eine unrichtige Rechtsauskunft eines behördlichen Organs veranlasst oder bestärkt wurde (Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6.Auflage, E 17b zu §71 Abs1 AVG). In jüngerer Zeit hat die Rechtssprechung jedoch wiederholt die Auffassung vertreten, auch ein Rechtsirrtum könne als Wiedereinsetzungsgrund in Betracht kommen. Wenn ein solcher Irrtum als Wiedereinsetzungsgrund geltend gemacht werde, sei im Einzelfall die Verschuldensfrage zu prüfen (Hauer/Leukauf, aao, E 2b zu §71 Abs1 AVG).

„Im konkreten Fall hat sich die Gemeinde Mieders in einem solchen Irrtum befunden. Es war ihr einerseits nicht bewusst, dass ihr und nicht der Agrargemeinschaft Mieders das Eigentum am Gemeindegut Mieders zugestanden wäre und es war ihr andererseits auch nicht klar, dass es noch möglich wäre, die seinerzeit ergangenen Bescheide zu bekämpfen. Aufgrund der öffentlichen Diskussion über die Auseinandersetzung zwischen der Gemeinde Neustift und der Agrargemeinschaft Neustift kamen der Gemeinde Mieders zwar allmählich Zweifel, ob nicht auch in ihrer Gemeinde die Übertragung des Eigentums an die Agrargemeinschaft Mieders unrechtmäßig gewesen sein könnte. Erst nachdem der gefertigte Rechtsanwalt am 1.6.2005 Einsicht in den Akt der Agrarbehörde genommen hat, hat sie jedoch erfahren, dass und mit welchen Bescheiden ihr in rechtswidriger Weise das Eigentum am Gemeindegut genommen wurde.“
Der Antragstellerin ist durchaus bewusst, dass es vermutlich bisher noch nie da gewesen ist, dass nach so langer Zeit einem Wiedereinsetzungsantrag stattgegeben wurde. Andererseits haben sich die Gerichte – soweit ersichtlich – auch noch nie damit befassen müssen, dass sich praktisch alle zuständigen Sachbearbeiter einer ganze[n] Behörde in derart eklatanter Weise über die Gesetzeslage hinweggesetzt haben.

Wenn gemäß §71 Abs1 Zif.2 AVG schon eine fehlende oder unrichtige Rechtsmittelbelehrung einen Wiedereinsetzungsgrund bildet, muss es erst recht als Wiedereinsetzungsgrund geltend gemacht werden können, wenn aus politischen Gründen alle zuständigen Sachbearbeiter einer Behörde (und zwar nicht nur der Agrarbehörden sondern offenbar auch der Gemeindeaufsichtsabteilungen, die ja ansonsten die Gemeinden warnen und aufklären hätten müssen) eine Rechtsansicht vertreten, die im wesentlichen auf Erfindungen beruht, zahlreiche höchstgerichtliche Erkenntnisse ignoriert und den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen Inhalte zugeschrieben hat, die daraus auch bei äußerster Strapazierung des äußersten Wortsinnes nicht herausgelesen werden können. So etwas ist – soweit ersichtlich – noch nie da gewesen bzw. musste von den Gerichten noch nie beurteilt werden, weshalb die bisher ergangene Judikatur auch nur bedingt Auskunft darüber geben kann, ob eine derartige gezielte Aushebelung unseres Rechtsstaates noch dazu in einer so wichtigen Frage einen Wiedereinsetzungsgrund bildet.

Jedenfalls darf in diesem Zusammenhang daran erinnert werden, dass der Verfassungsgerichtshof in seiner jüngeren Judikatur die Auffassung vertreten hat, das rechtsstaatliche Prinzip gebiete, dass Rechtsschutzeinrichtungen ein bestimmtes Mindestmaß an faktischer Effizienz aufweisen müssten, woraus nach Meinung des gefertigten Rechtsanwaltes auch zu folgern wäre, dass ein derart eklatanter Verstoß gegen das Rechtsstaatlichkeitsprinzip auch noch nach sehr langer Zeit als Wiedereinsetzungsgrund zugelassen werden muss, da ansonsten – wie schon erwähnt – die Gemeinden derartigen Machenschaften völlig hilflos ausgesetzt wären.
Durch den Artikel in der TT vom 25.05.2005 haben sich die Bedenken der Gemeinde Mieders an der Rechtmäßigkeit der Regulierung ihres Gemeindegutes verstärkt. Anschließend hat sie den gefertigten Rechtsanwalt damit beauftragt, zu überprüfen, ob in ihrem Fall noch ein Rechtsmittel möglich sei. Die Beauftragung und Bevollmächtigung des gefertigten Rechtsanwaltes erfolgte am 03.06.2005. Der gefertigte Rechtsanwalt hat am 01.06.2005 (zunächst aufgrund eines mündlichen Auftrages) Akteneinsicht genommen. Erst ab diesem Zeitpunkt (1.6.2005) war der Gemeinde Mieders bekannt, welche Bescheide gegen sie erlassen wurden, dass diese rechtswidrig waren und dass gegen diese noch ein Rechtsmittel mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden kann. Die 14-tägige Wiedereinsetzungsfrist hat daher frühestes mit der Akteneinsicht am 01.06.2005 zu laufen begonnen.“

Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über einen gleichartigen Wiedereinsetzungsantrag der Gemeinde Neustift vom 4. März 2006, B334/05, nimmt die antragstellende Gemeinde zum Anlass eines ergänzenden Vorbringens, das an den in diesen Beschluss enthaltenen Satz „Dass eine rechtsunkundige Partei den Fehler der Behörde nicht erkennt und die Möglichkeit, einen Rechtsbehelf zu ergreifen, falsch einschätzt, rechtfertigt keine Wiedereinsetzung“ wie folgt anknüpft:
„1. Gilt dies auch dann, wenn eine Partei den Fehler der Behörde nicht etwa zufällig oder aufgrund ihres eigenen Unvermögens sondern deshalb nicht erkannt hat, weil sie von der Behörde aktiv und vorsätzlich falsch informiert wurde?
2. Gilt dies auch dann, wenn Desinformation so geschickt erfolgte, dass es der Landesregierung sogar gelang, einen Teil der eigenen Beamtenschaft in Irrtum zu führen?“
und dazu ausführt: „Erst nach der Verfassung des mit der zitierten Entscheidung abgewiesenen Wiedereinsetzungsantrages für die Gemeinde Neustift wurde dem gefertigten Vertreter bekannt, dass dieses Nichterkennen nicht bloß auf die Rechtsunkundigkeit (und womöglich Gleichgültigkeit) der damaligen Bürgermeister, sondern vor allem darauf zurückzuführen war, dass Hofrat Dr. A M, der damalige Leiter der Agrarbehörde I. Instanz ganz gezielt und aus politischen Gründen rechtsgeschichtliche Irrtümer verbreitet hatte (vgl. in diesem Zusammenhang auch Univ. Prof. Dr. Siegbert Morscher, der in ZfV Feber 1982, Seite 3 unten ausführt, die rechtshistorische Entwicklung des Gemeindegutes sei durch juristische Kunstgriffe zum Teil absichtlich verdunkelt worden).
So ist zum Beispiel mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass die im zitierten Aufsatz enthaltene Behauptung, Tirols Wälder seien 1847 nicht etwa den Gemeinden, sondern nur einer Handvoll alteingesessener Bauern übergeben worden, wider besseres Wissen erhoben wurde.

* Ein ausgebildeter Jurist kann nicht annehmen, mit der in Zif. 6 des Waldzuweisungspatentes vom 06.02.1847 verwendeten Formulierung ‚Seine Majestät geruhten, …. anzubefehlen, dass … alle übrigen Wälder Tirols … den … Gemeinden als solchen in das volle Eigentum zu überlassen seien‘ seien nur einige wenige in den Gemeinden seit altersher ansässige Bauern gemeint.

* Ein ausgebildeter Jurist kann nicht annehmen, die
politische Gemeinde habe 1847 noch gar nicht existiert, wo die Gemeinde doch schon in zahlreichen Paragraphen des am 01.01.1812 in Kraft getretenen ABGB zitiert und als juristische Person behandelt wurde (vgl. §§27, 286, 288, 290, 337, 529, 559, 867, 1454 und 1472 ABGB).

* Ebensowenig kann ein ausgebildeter Jurist annehmen,
die Gemeindeordnung bezeichne mit dem Begriff Gemeindegut nur Bibliotheken und Schottergruben, wo doch schon damals in der Gemeindeordnung vom Haus- und Gutsbedarf und von Holzbezugs- und Weidenutzungsrechten die Rede war (vgl. §78 Abs3 TGO 1949).

Nun könnte man natürlich fragen, warum etwa Hofrat Dr. Albert Mair nicht genauso einem Irrtum unterliegen habe können, wie beispielsweise Hofrat Dr. Hermann Arnold, der genau dies (nämlich einem Irrtum erlegen zu sein) gegenüber der Tiroler Tageszeitung behauptete. Der Unterschied zwischen Hofrat Dr. Hermann Arnold und Hofrat Dr. Albert Mair liegt jedoch darin, dass letzterer Vorträge hielt und das Manuskript seines Vortrages wie ein Skriptum verbreitete. Dadurch erweckte er den Anschein, er habe sich mit der Rechtsgeschichte des Gemeindegutes befasst und wisse daher Bescheid. Er muss das auch getan haben, sonst hätte er vom Waldzuweisungspatent des Jahres 1847, vom provisorischen Gemeindegesetz 1849, vom Reichsrahmengesetz 1862 und von der Tiroler Gemeindeordnung von 1866 ja gar nichts wissen können. Wer sich aber mit diesen Quellen befasste, konnte keinesfalls meinen, das Gemeindegut der Tiroler Gemeinden stehe nur im Eigentum einiger weniger Bauern.

Dazu kommt, dass Hofrat Dr. Albert Mair  aus den Akten der Agrarbehörde ja zweifellos wusste, dass noch in der Zwischenkriegszeit auch die Tiroler Landesregierung davon ausging, dass das Gemeindegut im Eigentum der Gemeinde steht (vgl. Generalakt aus dem Jahre 1925 für die Agrargemeinschaft Imst-Oberstädter-Melkalpe, Bescheid der Tiroler Landesregierung betreffend die Genehmigung der Vereinigung der Fraktionen Imst-Unterstadt und Imst-Oberstadt; Erkenntnis des Landesagrarsenates Innsbruck vom 02.06.1933, Zahl 17-605/149).
Darüber hinaus hat sich aus der Literatur die Unrichtigkeit des von Hofrat Dr. A M publizierten Standpunktes ergeben (vgl. z.B. Stefan Falser, Wald und Weide im tirolischen Grundbuch, Innsbruck 1932, Seite 20 unten; Walter Schiff, Österreichs Agrarpolitik seit der Grundentlastung, Tübingen 1898, Seite 203 mit weiteren Nachweisen). Es ist kaum denkbar, dass jemand, der über die Geschichte des Gemeindeguts so viel recherchiert hat, dass er die Mitte des 19. Jahrhunderts von einigen Rustikalisten vertretene Falschmeinung aufgreifen konnte, das Gemeindeeigentum stünde nicht im Eigentum der Gemeinde als juristischer Person sondern im Eigentum der Gemeindemitglieder, nicht auch auf die Literatur gestoßen ist, in der die Unrichtigkeit dieser Behauptung dargelegt und bewiesen wurde.

Die im Aufsatz von Dr. Albert Mair verbreitete Rechtsansicht widersprach auch den einschlägigen Entscheidungen der Höchstgerichte (siehe die Entscheidung des Reichsverwaltungsgerichtes vom 23.09.1892, Slg. Budwinski, Nr.6762; Entscheidung des OGH vom 26.07.1905, Nr.12149; Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 17.03.1931, GZl. B41/30 = VfSlg. 1383; VwSlg. Nr. 3560/1954 Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 25.06.1962, B282/61 und Entscheidung des Obersten Agrarsenates GZl. 43-OAS/66). Auch dies war Hofrat Dr. Albert Mair zweifellos bekannt, sonst hätte er nicht geschrieben, man müsse sich streng davor hüten, die (aufgrund seiner Publikation gewonnenen) historischen Erkenntnisse an den vielfach verfehlten Entscheidungen einer rein römisch rechtlich denkenden Jurisprudenz scheitern zu lassen.
„Es spricht also alles dafür, dass die Tiroler Landesregierung aus verwerflichen politischen Gründen ganz gezielte Desinformation verbreitete.“

Dieser Sachverhalt ist keineswegs mit dem Fall vergleichbar, in dem jemand – etwa aus Unkenntnis oder Gleichgültigkeit – einen Fehler eines Bescheides nicht erkennt, der einem um Gesetzmäßigkeit seines Bescheides bemühten Beamten unabsichtlich unterlaufen ist.
„Die rechtsgrundlagenlosen Eigentumsfeststellungsbescheide einerseits und die gezielte Desinformation der Betroffenen andererseits bildeten untrennbare Bestandteile einer insgesamt sowohl aus politischer als auch aus rechtsstaatlicher Sicht höchst verwerflichen Vorgangsweise der Tiroler Landesregierung. Diese beiden – sich gegenseitig ergänzenden – Aktivitäten der Tiroler Landesregierung dürfen daher nicht isoliert betrachtet werden, weil die gezielte Desinformation die gezielte Schädigung der Allgemeinheit durch die gesetzwidrigen Eigentumsfeststellungsbescheide erst möglich machte.“
Warum sollte ein derartiger Sachverhalt keinen Wiedereinsetzungsgrund bilden?

„Das Institut der Rechtskraft soll Fehler sanieren, die trotz Bemühen um gesetzmäßige Entscheidungen unvermeidlich sind und nicht skrupellosen Gesetzesbrechern den Erfolg ihrer verwerflichen Bemühungen sichern.“
„Wenn das AVG eine strafbare Handlung als Grund für eine amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens anerkennt, warum sollte eine solche nicht auch einen Wiedereinsetzungsgrund bilden können?“
Jedenfalls schränken weder das AVG noch die ZPO die Gründe für eine Wiedereinsetzung so ein, dass darunter nicht auch innere Tatsachen verstanden werden könnten.
„Maßgeblich für die Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag sollte daher nur sein, ob der Verfassungsgerichtshof glaubt, dass die damaligen Gemeindevertreter wirklich durch die Desinformation und den dadurch verursachten Irrtum davon abgehalten wurden, sich mit Rechtsmitteln zu wehren.“
Aber warum sonst sollten fast alle Vertreter der Tiroler Gemeinden untätig zugesehen haben, wie die Tiroler Landesregierung den von ihnen vertretenden Gemeinden das Gemeindegut nimmt? Nimmt denn der Verfassungsgerichtshof an, die Gemeindevertreter hätten sich alle am geschehenen Unrecht beteiligen und die von ihnen zu vertretenden Gemeinden schädigen wollen?
Es mag wohl sein, dass beim einen oder anderen Gemeindevertreter auch dieses Motiv eine Rolle gespielt haben mag, aber doch nicht bei allen.

Es muss doch angenommen werden, dass der Großteil der Gemeindevertreter wirklich meinte, die Landesregierung berichtige mit den in Rede stehenden Bescheiden nur einen Irrtum, der den Grundbuchsführern unterlaufen sei. Warum sonst sollten sie sich nicht gegen die Bescheide gewehrt haben.
Bei der Entscheidung über die noch offenen Wiedereinsetzungsanträge sollte auch bedacht werden, dass nicht nur rechtlich ungebildete Bürgermeister dieser gezielten Desinformation zum Opfer gefallen sind, sondern auch hochkarätige Juristen. So erklärte zum Beispiel Hofrat Dr. H A, Agrarjurist, Landesamtsdirektor und Gemeindeverbandspräsident in einem Interview gegenüber der Tiroler Tageszeitung, er sei selbst – als junger Jurist – einem Rechtsirrtum erlegen. Erst nach der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 9336/1982 sei ihm die wahre Rechtslage klar geworden. Wenn aber selbst ausgebildete Juristen auf die gezielte Desinformation der Landesregierung hereingefallen sind, kann man dann einem Bürgermeister oder einem Gemeindevertreter einen Vorwurf machen, dass ihm dasselbe passierte?

„Wenn man aber davon ausgeht, dass ein Gemeindevertreter die Fehlerhaftigkeit der im Regulierungsverfahren getroffenen Eigentumsfeststellung deshalb nicht erkannt hat, weil er Opfer einer gezielten Desinformation geworden ist, wann hätte sich dann dieser Sachverhalt geändert? Doch nicht schon dann, wenn der betreffende Gemeindevertreter von der Eigentumsfeststellung erfahren hat, die er ja aufgrund der von der Agrarbehörde verbreiteten Desinformation für richtig halten musste. Dieser Wiedereinsetzungsgrund wäre doch wohl frühestens dann weggefallen, wenn ein Gemeindeorgan erfahren hat, dass die seinerzeitigen Bescheide falsch waren. Nun mag man vielleicht meinen, dieser Zeitpunkt sei vielleicht 1982 gekommen, als der Verfassungsgerichtshof in VfSlg 9336 die wahre Rechtslage darlegte. Aber damals ist es der Tiroler Landesregierung sogar gelungen, den Landtag in Irrtum zu führen und zwar wiederum mit einer gezielten Desinformation und zwar auch die SPÖ, die durch diese unrechtmäßige Eigentumsverschiebung politisch geschädigt werden sollte. Kann man daher den Gemeindevertretern einen Vorwurf daraus machen, dass sie damals die wahre Rechtslage nicht erkannt haben? Wohl kaum. Dann ist aber das Hindernis im Sinne der Wiedereinsetzungsvorschriften durch die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 9336/1982 noch nicht weggefallen.“
Allenfalls wird man sagen können, die Gemeindevertreter müssten ab der Medienberichterstattung über die von der Gemeinde Neustift angestrengten Verfahren im Laufe des Jahres 2005 erkannt haben, dass die seinerzeitigen Eigentumsfeststellungsbescheide fehlerhaft waren. Aber muss eine Gemeinde wirklich binnen 14 Tagen nach einem Bericht in der Zeitung oder im Fernsehen bereits einen Wiedereinsetzungsantrag machen. Sie muss ja mit dem Wiedereinsetzungsantrag die versäumten Rechtsmittel nachholen. Zu diesem Zweck muss erst einmal der Akt eingesehen und studiert werden etc.

Weiters ist zu bedenken, dass die Tiroler Landesregierung die Gemeinden ja heute noch über die Erfolgsaussichten allfälliger Rechtsmittel ganz bewusst falsch informiert. So behaupten jetzt Landesrätin Dr. H und Landesrat gegenüber der Tiroler Tageszeitung, der Verfassungsgerichtshof hätte mit seinem Erkenntnis vom 04.03.2006, B334/05-5, entschieden, das Eigentum am Gemeindegut der Tiroler Gemeinden stehe den Agrargemeinschaften zu, obwohl der Verfassungsgerichtshof zu dieser Frage bisher nur mit dem Erkenntnis VfSlg 9336/1982 Stellung genommen hat und zwar gegenteilig. Welchen Sinn sollte eine solche unrichtige Wiedergabe des zitierten Erkenntnisses vom 04.03.2006 haben, wenn nicht den, bei den Vertretern der Gemeinden falsche Vorstellungen über die Aussichten allfälliger rechtlicher Schritte zu erzeugen.

Es ist einzuräumen, dass all diese Argumente auf die bloße Bestellung eines Gemeindevertreters schlecht zu passen scheinen, weil die oben erwähnte Desinformation durch den damaligen Leiter der Agrarbehörde I. Instanz HR Dr. Albert  Mair ja vor allem das Eigentum am Gemeindegut betroffen hat.
Allerdings war die Bestellung eines (durchwegs rechtlich nicht gebildeten und meist den Absichten der Behörden wohlgesonnenen) Gemeindevertreters oft ein ganz wesentlicher Beitrag, der die nachfolgende gesetzlose Enteignung der Gemeinden oft erst möglich gemacht haben dürfte.
Welche rechtlichen Wirkungen die Bestellung eines Gemeindevertreters im Sinne des §110 Abs1 litf) FLG 1952 hatte, dürfte den Bürgermeistern keineswegs so klar gewesen sein, wie dies der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 04.03.2006, B334/05-5, angenommen hat. Der Umfang der Vertretungsmacht des aufsichtsbehördlich bestellten Gemeindevertreters ergibt sich aus dem letzten Satz des §110 Abs6 FLG 1952 welcher lautet: ‚Dieser Vertreter ist auch befugt, Übereinkommen und Vergleiche, an welchen diese Körperschaften teilzunehmen haben, in deren Namen rechtsgültig abzuschließen.‘ Da diese Bestimmung die Vertretungsmacht nicht vom Vorliegen der sonst in der Gemeindeordnung vorgesehenen Organbeschlüsse abhängig machte, dürften die Gemeinden wohl auch aus jenen Vertretungshandlungen verpflichtet worden sein, die der aufsichtsbehördlich bestellte Gemeindevertreter ohne Deckung durch einen Organbeschluss vorgenommen hat. Möglicherweise war auch die für den gewillkürten Vertreter geltende Bestimmung des §110 Abs5 hinsichtlich des Umfanges der Vertretungsmacht zumindest sinngemäß auf den Gemeindevertreter anzuwenden. Wenn ja, wäre dieser auch bevollmächtigt gewesen, ‚Rechte unentgeltlich aufzugeben‘. Dazu kommt schließlich, dass die Bestimmung des §110 Abs1 FLG 1952 von der Rechtssprechung so verstanden wurde, dass nur die in dieser Bestimmung genannten Personen berechtigt waren, die Ge-meinde zu vertreten (vgl. das beiliegende Erkenntnis des Tiroler Landesagrarsenates vom 16.9.1964 LAS-103/3). Es scheint daher, dass sich möglicherweise sogar der Verfassungsgerichtshof anlässlich seiner zu B334/05-5 am 04.03.2006 getroffenen Entscheidung über die vollständigen Folgen einer aufsichtsbehördlichen Bestellung eines Gemeindevertreters im Sinne des §110 FLG 1952 nicht im Klaren gewesen sein könnte, nämlich
* dass durch eine aufsichtsbehördliche
Vertreterbestellung der sonst nach der Gemeindeordnung zuständige – demokratisch gewählte – Bürgermeister in den das Gemeindegut betreffenden Angelegenheiten das Recht zur Vertretung der Gemeinde verlor,
* dass der obrigkeitlich bestellte Gemeindevertreter
(anders als etwa der Bürgermeister) nicht an Beschlüsse des Gemeinderates gebunden war, ja die von ihm vertretene Gemeinde sogar ohne oder gegen einen Beschluss des Gemeinderates rechtswirksam verpflichten konnte und
* dass der bestellte Gemeindevertreter womöglich sogar
bevollmächtigt war, Rechte der Gemeinde unentgeltlich aufzugeben.

Es zeigt sich also, dass schon die bloße Bestellung eines Gemeindevertreters gemäß §110 FLG 1952 das Gemeindegut praktisch vollständig der Disposition der demokratisch gewählten Gemeindeorgane entzog und somit eine ähnliche Wirkung entfaltete, wie die spätere gesetzlose Enteignung. Es wird daher der Sache nicht gerecht, die Bestellung des Gemeindevertreters völlig isoliert von der späteren gesetzlosen Enteignung zu betrachten.“

II. Der Wiedereinsetzungsantrag ist verspätet.
Im Zeitpunkt seiner Bestellung zum Gemeindevertreter im Regulierungsverfahren war A Z Bürgermeister der Gemeinde Mieders. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die verantwortlichen Organe der Gemeinde zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen konnten, welche Folgen das Regulierungsverfahren haben würde, musste ihnen mit Erlassung des Regulierungsplanes vom 9. Jänner 1963 klar sein, dass die Eigentumslage geändert werden sollte. Spätestens mit der Übertragung des bücherlichen Eigentums von der Gemeinde auf die Agrargemeinschaft mussten sie erkennen, dass das Regulierungsverfahren zur überschießenden Rechtsfolge einer Eigentumsübertragung geführt hatte. Sie hätten die Möglichkeit des Ergreifens von Rechtsmitteln – in Verbindung mit einem Wiedereinsetzungsantrag und gegen die Vertreterbestellung – überlegen müssen und mangels Rechtskenntnis einen Fachmann zuziehen können. Dass eine rechtsunkundige Partei den Fehler der Behörde nicht erkennt und die Möglichkeit, ein Rechtsmittel zu ergreifen, falsch einschätzt, rechtfertigt auch dann keine Wiedereinsetzung, wenn zu diesem Zeitpunkt eine irrige Rechtsansicht verbreitet war oder wurde. Die These, die Gemeinde sei gleichsam nur Treuhänderin einer Realgemeinde und ihr bisheriges bücherliches Eigentum nuda proprietas gewesen, hätte nämlich ungeachtet ihrer Verbreitung in Zweifel gezogen werden können (und wäre nach den eigenen Ausführungen der antragstellenden Gemeinde von beigezogenen Fachleuten auch unschwer als zumindest zweifelhaft erkannt worden). Über die Möglichkeit, Rechtsbehelfe zu ergreifen, war die Gemeinde nicht in Irrtum geführt worden.

Im Übrigen hat der Verfassungsgerichtshof schon im genannten Beschluss vom 4. März 2006 die Bestellung des Gemeindevertreters nicht etwa „isoliert von der späteren Enteignung“ betrachtet. Als den Zeitpunkt, zu dem das behauptete Hindernis weggefallen ist, das der Erhebung einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde allenfalls im Wege stand, hat er vielmehr unter den gegebenen besonderen Verhältnissen – wie im vorliegenden Fall – ohnehin den Zeitpunkt der Kenntnis der eingetretenen Folgen angesehen.
Wiedereinsetzungsantrag und Beschwerde sind daher als verspätet zurückzuweisen.

TEXT VERBERGEN

Nachdem der VfGH im Verfahren der Ortsgemeinde Neustift gegen die Kommunalisierer entschieden hatte, gab es im Verfahren über den Wiedereinsetzungsantrag für die Ortsgemeinde Mieders kein Halten mehr: Die Agrarbehörde wurde als Verbrecherbande hingestellt! Der VfGH sollte durch drastische Falschbehauptungen dazu bewogen werden, das Institiut der Rechtskraft zu durchbrechen.

Die Ortsgemeinde Mieders: „Das Institut der Rechtskraft soll Fehler sanieren, die trotz Bemühen um gesetzmäßige Entscheidungen unvermeidlich sind und nicht skrupellosen Gesetzesbrechern den Erfolg ihrer verwerflichen Bemühungen sichern.“

„Die rechtsgrundlagenlosen Eigentumsfeststellungsbescheide einerseits und die gezielte Desinformation der Betroffenen andererseits bildeten untrennbare Bestandteile einer insgesamt sowohl aus politischer als auch aus rechtsstaatlicher Sicht höchst verwerflichen Vorgangsweise der Tiroler Landesregierung. Diese beiden – sich gegenseitig ergänzenden – Aktivitäten der Tiroler Landesregierung dürfen daher nicht isoliert betrachtet werden, weil die gezielte Desinformation die gezielte Schädigung der Allgemeinheit durch die gesetzwidrigen Eigentumsfeststellungsbescheide erst möglich machte.“

Im Fall der Ortsgemeinde Trins wurde ein Erkenntnis des Landesagrarsenates vom 5. August 1969 angefochten, mit dem der erstinstanzliche Bescheid bestätigt wurde, wonach die Agrargemeinschaft Trins die wahre Eigentümetrin der Agrarliegenschaften sei. Der Antrag auf Wiedereinsetzung wurde – ähnlich den bereits entschiedenen Fällen der Gemeinde Neustift (B334/05 vom 4. März 2006) und der Gemeinde Mieders (B619/05 vom 8. Juni 2006) – mit einem Irrtum der antragstellenden Gemeinde über die Rechtslage und Bedeutung der Eigentumsübertragung von der Gemeinde auf die Agrargemeinschaft begründet. Die Agrarbehörde hätte diesen Irrtum bei den ahnungslosen Bürgermeistern und Gemeindevertretern geradezu arglistig herbeigeführt.

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Entscheidungsdatum
21.06.2006
Geschäftszahl
B686/05

Spruch
Der Wiedereinsetzungsantrag wird abgewiesen. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

I. Der vorliegende Antrag begehrt die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 5. August 1969, der einer Berufung des P T und anderer Nutzungsberechtigter gegen den Bescheid der Agrarbehörde vom 17. April 1969 keine Folge gibt, womit festgestellt wird, dass bestimmte Liegenschaften im Eigentum der Agrargemeinschaft Trins stünden, dieser die Verwaltung des Regulierungsgebietes übertragen werde und Verwaltungssatzungen erlassen werden. Der Bescheid enthält die Rechtsmittelbelehrung, dass gemäß §7 Abs2 AgrBehG die Berufung nur hinsichtlich der Frage zulässig ist, ob eine Agrargemeinschaft vorhanden ist, auf welches Gebiet sie sich erstreckt und wer Eigentümer der agrargemeinschaftlichen Grundstücke ist.

In der Begründung des Bescheides wird unter anderem ausgeführt:

„Obwohl aus den Berufungsausführungen nicht zu erkennen ist, ob die Berufungswerber sich auch durch die Übertragung des Eigentums am Regulierungsgebiet an die Agrargemeinschaft beschwert erachten, hatte sich der Landesagrarsenat aus Anlaß der Berufung auch der Frage zugewendet, ob für die Feststellung des Eigentumsrechtes zugunsten der Agrargemeinschaft im Zuge des Regulierungsverfahrens eine gesetzliche Grundlage besteht. Diesbezüglich nimmt der Landesagrarsenat folgenden Rechtsstandpunkt ein:

Das zweite Hauptstück des FLG. enthält unter der Überschrift ‚Ordnung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse an agrargemeinschaftlichen Grundstücken ‚einleitende Bestimmungen, die im Zuge aller nach diesem Hauptstück durchzuführenden Bodenreformmaßnahmen anzuwenden sind. Im §75 FLG, der den Gegenstand des Ermittlungsverfahrens bei der Regulierung beschreibt, ist zwar die Feststellung des Eigentumsrechtes zugunsten der Agrargemeinschaft nicht angeführt; es ergibt sich aber aus den erwähnten einleitenden Normen des zweiten Hauptstückes (§36 Abs2 litd und §38 Abs1 und 7 FLG.) die Aufgabe, im Zuge des Verfahrens festzustellen, welche Grundparzellen Gemeindegut und damit agrargemeinschaftliche Liegenschaften sind, und wem sie gehören, insbesondere ob das Eigentum den Nutzungsberechtigten als Miteigentümer oder einer körperschaftlich eingerichteten Agrargemeinschaft zusteht. Da die Nutzung des Gemeindegutes rechtshistorisch gesehen aus der gemeinschaftlichen Allmendnutzung hervorgegangen ist, ist die Form des Miteigentums ausgeschlossen und das Eigentum der Rechtsnachfolgerin der auf Gewohnheitsrecht beruhenden Realgemeinde, nämlich der körperschaftlich eingerichteten Agrargemeinschaft, einzuräumen.

Die Frage, ob im Lichte der Gemeindeverfassungsnovelle, BGBl. Nr. 205/1962, die Zustimmung des Gemeindevertreters zur Eigentumsübertragung ausreicht, ist problematisch. Der Landesagrarsenat hält jedoch dafür, daß eine allfällige Willensbildung des zur Privatwirtschaftsverwaltung berufenen Gemeindeorganes keine Voraussetzung für die von der Agrarbehörde nach dem Prinzip der Amtswegigkeit des Agrarverfahrens zu treffenden Entscheidung darstellt.“

Der Bescheid wurde den Berufungswerbern, dem (laut Wiedereinsetzungsantrag für das am 4. Jänner 1960 neu eingeleitete Regulierungsverfahren mit Beschluss vom 25. Feber 1961 für das Verfahren bestellten) Vertreter der Gemeinde Trins, dem Bürgermeister der Gemeinde Trins und (offenbar für die Nutzungsberechtigten) an E.H. zugestellt.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung wird – ähnlich den bereits entschiedenen Fällen der Gemeinde Neustift (B334/05 vom 4. März 2006) und der Gemeinde Mieders (B619/05 vom 8. Juni 2006) – mit einem Irrtum der antragstellenden Gemeinde über die Rechtslage und Bedeutung der Eigentumsübertragung von der Gemeinde auf die Agrargemeinschaft begründet, den die Behörden bei den ahnungslosen Bürgermeistern und Gemeindevertretern geradezu arglistig herbeigeführt hätten.

Die gleichzeitig erhobene Beschwerde, nach Erschöpfung des Instanzenzuges wegen bestätigender Entscheidung der II. Instanz für zulässig erachtet, rügt die Verletzung im Eigentumsrecht und in der Gleichheit vor dem Gesetz und macht Verfahrensmängel und verfassungswidrige Veränderung der Eigentumsverhältnisse geltend.

II. Der Wiedereinsetzungsantrag ist nicht begründet.

Es kann dahingestellt bleiben, inwieweit die antragstellende Gemeinde durch einen Bescheid, der die Berufung am Gemeindegut Nutzungsberechtigter gegen die Feststellung des Eigentums der Agrargemeinschaft, die Übertragung der Verwaltung auf die Agrargemeinschaft und die Erlassung von Verwaltungssatzungen abweist, beschwert sein könnte. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wäre jedenfalls nur zu bewilligen, wenn die Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung verhindert wurde (§33 VfGG iVm §146 Abs1 ZPO und §35 Abs1 VfGG). Dass eine rechtsunkundige Partei den Fehler der Behörde nicht erkennt und die Möglichkeit, einen Rechtsbehelf zu ergreifen, falsch einschätzt, rechtfertigt auch dann keine Wiedereinsetzung, wenn zu diesem Zeitpunkt eine irrige Rechtsansicht verbreitet war oder wurde. Die These, die Gemeinde sei gleichsam nur Treuhänderin einer Realgemeinde und ihr bisheriges bücherliches Eigentum nuda proprietas gewesen, hätte nämlich ungeachtet ihrer Verbreitung in Zweifel gezogen werden können (und wäre nach den eigenen Ausführungen der antragstellenden Gemeinde von beigezogenen Fachleuten auch unschwer als zumindest zweifelhaft erkannt worden). Über die Möglichkeit, Rechtsbehelfe zu ergreifen, war die Gemeinde nicht in Irrtum geführt worden. Selbst wenn die Behörde bei Bescheiderlassung wider besseres Wissen gehandelt hätte, wäre dies kein Wiedereinsetzungsgrund (vgl. B619/05 vom 8. Juni 2006).

Der Antrag ist daher als unbegründet abzuweisen (§7 Abs2 litd VfGG).

III. Infolgedessen ist auch die Beschwerde als verspätet zurückzuweisen (§82 Abs1 VfGG).

TEXT VERBERGEN

Zu guter Letzt haben die Kommunalisierer gegen Unterstädter Melkalpe und Oberstädter Melkalpe für Stadtgemeinde Imst den Versuch unternommen, mit Wiedereinsetzungsantrag und Verfassungsgerichtshofbeschwerde gegen die Bestellung des Gemeindevertreters zu einem Erfolg zu gelangen. Auch dieser Versuch scheiterte!

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Entscheidungsdatum
21.06.2006
Geschäftszahl
B790/05 ua

Spruch
Die Anträge auf Wiedereinsetzung betreffs der Vertreterbestellung werden zurückgewiesen.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in Bezug auf das Erkenntnis des Landesagrarsenates vom 16. September 1964 wird abgewiesen.

Die Beschwerden werden als verspätet zurückgewiesen.

Begründung

I. Mit Datum vom 4. Juni 1956 erging vom Amt der Tiroler Landesregierung folgendes Schreiben: „Herrn Stadtrat E L, Postamtsdirektor in I m s t. Beim Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde 1. Instanz behängt ein Verfahren zur Revision des Wirtschaftsplanes und der Verwaltungssatzungen zur Haupturkunde für die Oberstädter Melkalpe in Imst, sowie zur Feststellung der Parteien gem. §88 Abs2 des Flurverfassungs-Landesgesetzes. Für diese Verfahren werden Sie als Vertreter der Stadtgemeinde Imst gem. §110 Abs1 litf des Flurverfassungs-Landesgesetzes LGBl. Nr. 32/1952 bestellt. Für die Landesregierung: Dr. K“

Vom 13. September 1956 ist folgendes weiteres Schreiben an denselben Adressaten datiert: „Für die Unterstädter Melkalpe in Imst ist bei der Agrarbehörde ein Verfahren zur Revision des Generalaktes der Agrarbezirksbehörde aus dem Jahre 1926 anhängig. Für dieses Verfahren werden Sie als Vertreter der Stadtgemeinde Imst gem. §110 Abs1 litf des Flurverfassungs-Landesgesetzes, LGBl. Nr. 32/1952, bestellt. Die Landesregierung hat Sie auch deswegen für dieses Verfahren zum Vertreter der Stadtgemeinde bestellt, weil Sie in der Sache bestens informiert sind und die beiden Verfahren für die Oberstädter- und Unterstädter Melkalpe womöglich gleichartig erledigt werden sollen. Für die Landesregierung: Dr. K“

Mit dem zu B790/05 protokollierten Antrag wird die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde gegen das zweitgenannte, als Bescheid gewertete Schreiben beantragt, mit dem zu B3508/05 protokollierten Antrag dasselbe Begehren in Bezug auf das erstgenannte Schreiben gestellt. Die Anträge sind – wie in den vom Verfassungsgerichtshof bereits behandelten Fällen der Gemeinden Neustift (B334/05), Mieders (B619/05) und Trins (B686/05) – mit der Irreführung der Gemeindeorgane über die Bedeutung und die Folgen der Vertreterbestellung durch die Behörde begründet. Zugleich mit den Anträgen wird jeweils die versäumte Beschwerde nachgeholt.

II. Im Verfahren betreffs die Oberstädter Melkalpe wurde – wie sich aus dem Antrag ergibt – unter anderem mit Bescheid der Agrarbehörde vom 28. Jänner 1963 der Generalakt revidiert. Dabei wurde festgestellt, dass Eigentümer der agrargemeinschaftlichen Grundstücke die Agrargemeinschaft ist. Gegen diese Revision erhob die Stadtgemeinde Imst, vertreten durch den Bürgermeister J K, Berufung. Mit Bescheid des Landesagrarsenats beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 16. September 1964 wurde diese Berufung im Wesentlichen mit folgender Begründung als unzulässig zurückgewiesen: „Zur Vertretung der Stadtgemeinde Imst im Verfahren zur Revision des Regulierungsplanes für die Oberstädter Melkalpe wurde gemäß §110 Abs1 litf FLG, LGBl. Nr. 32/1952, von der Landesregierung als Gemeindeaufsichtsbehörde der Stadtrat E L, Postamtsdirektor in Imst, bestellt. Es ist daher nur dieser zur Vertretung der Gemeinde Imst im vorliegenden Verfahren gemäß §110 Abs1 FLG. berufen. Der Bürgermeister ist nicht legitimiert für die Gemeinde eine Berufung einzubringen. Es hätte dies vielmehr in Ausführung des Gemeinderatsbeschlusses vom 13.3.1963 der bestellte Gemeindevertreter Stadtrat L tun müssen. Der Umstand, daß L zur Zeit der Berufungserhebung nicht mehr dem Stadtrat angehörte, hat darauf keinen Einfluß, da seine Bestellung als Gemeindevertreter von der Gemeindeaufsichtsbehörde nicht rückgängig gemacht worden ist und daher seine Vollmacht weiterhin aufrecht blieb.

Abgesehen von der mangelnden Beschwerdelegitimation des Herrn Bürgermeisters muß aber festgestellt werden, daß bei der Verhandlung am 7.6.1956 das Eigentumsgebiet der Agrargemeinschaft Oberstädter Melkalpe zwischen dem Gemeindevertreter und den Vertretern der Agrargemeinschaft vor der Agrarbehörde vereinbart wurde. Die Wiedergabe des vereinbarten Gebietes im angefochtenen Generalakt stellt nichts anderes als die Genehmigung dieses Übereinkommens dar, in welchem die in der Berufung verlangte Dienstbarkeit nicht enthalten ist. Gegen die Genehmigung dieses Übereinkommens steht jedoch gemäß §94 Abs3 FLG. eine Berufung nicht offen.“

Gegen diesen zurückweisenden Bescheid richtet sich der zu B3507/05 gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde, verbunden mit der nachgeholten Beschwerde.

III. Die Wiedereinsetzungsanträge punkto Vertreterbestellung sind verspätet. Es kann dahingestellt bleiben, ob – wie die Anträge selbst in Abrede stellen – und wann die anscheinend nur an den bestellten Vertreter adressierten (und zugestellten) Bestellungsakte der Stadtgemeinde Imst gegenüber wirksam geworden sind. Das Verfahren wurde jedenfalls mit den Vertretern durchgeführt. Ebenso kann dahingestellt bleiben, inwieweit ein Irrtum über die Bedeutung der Vertreterbestellung, der erst infolge des weiteren Verfahrensgeschehens erkennbar wurde, überhaupt einen Wiedereinsetzungsgrund darstellt. Spätestens mit Erlassung des revidierten Generalplanes für die Oberstädter Melkalpe im Jahre 1963 waren den Organen der Stadtgemeinde Imst jedenfalls die Folgen klar. Sie hätten daher spätestens zu diesem Zeitpunkt neben der Berufung gegen den Sachbescheid auch die Vertreterbestellung bekämpfen und zu diesem Zweck eine Wiedereinsetzung begehren können. (Für die Unterstädter Melkalpe hat im Übrigen gleiches der revidierte Generalplan vom 4. März 1964 bewirkt.)

Im Einzelnen genügt es dazu auf die oben genannten bisherigen Beschlüsse des Verfassungsgerichtshofs zu verweisen.

Die 2005 erhobenen Wiedereinsetzungsanträge sind daher verspätet und ebenso wie die nachgeholten Beschwerden zurückzuweisen.

IV. Der Wiedereinsetzungsantrag gegen den Zurückweisungsbescheid des Landesagrarsenates ist unbegründet.

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wäre nur zu bewilligen, wenn die Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung verhindert wurde (§33 VfGG iVm §146 Abs1 ZPO und §35 Abs1 VfGG). Dass eine rechtsunkundige Partei den Fehler der Behörde nicht erkennt und die Möglichkeit, einen Rechtsbehelf zu ergreifen, falsch einschätzt, rechtfertigt auch dann keine Wiedereinsetzung, wenn zu diesem Zeitpunkt eine irrige Rechtansicht verbreitet war oder wurde. Über die Möglichkeit, Rechtsbehelfe zu ergreifen, insbesondere auch, eine Verfassungsgerichtshofbeschwerde einzubringen, war die Gemeinde nicht in Irrtum geführt worden (vgl. B619/05 vom 8. Juni 2006).

Daher waren die Anträge abzuweisen und die nachgeholten Beschwerden als verspätet zurückzuweisen (§7 Abs2 litd VfGG).

TEXT VERBERGEN

Das Verfahren Neustift im Stubai wurde mit Erkenntnis des VfGH Slg 17.779/2006 zum Abschluss gebracht; dasjenige gegen Agrargemeinschaft Mieders mit demjenigen vom 8.6.2006 B 619/05, dasjenige gegen Agrargemeinschaft Trins mit Erkenntnis B 686/05 sowie gegen die Agrargemeinschaften Oberstädter und Unterstädter Melkalpe mit Erkenntnis B 790/05, jeweils vom 21.6.2006. Alle diese Verfahren endeten mit der Zurückweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung bzw der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof als verspätet.

Der Grund dafür, warum diese erste Antragsserie zur Komunalisierung erfolglos war, leuchtet aus der ersten Entscheidung betreffend Neustift im Stubaital hervor: „Dass das Eigentum am Gemeindegrund der Agrargemeinschaft zugeordnet und der Gemeinde Neustift nur ein Anteil von 15 % zugesprochen wurde, musste den Vertretern der Gemeinde seit Erlassung der Bescheide vom 30. April 1963 klar sein, weil diese Bescheide es wörtlich aussprechen. “

Der wörtlich Ausspruch über die Eigentumsfrage – an dieser sollten die größten Grauslichkeiten, die die Kommunalisierer erfunden hatten, abprallen!

Vorbringen der Ortsgemeinde Mieders im Verfahren VfGH B 619/05 vom 08.06.2006 (Mieders I): „Das Institut der Rechtskraft soll Fehler sanieren, die trotz Bemühen um gesetzmäßige Entscheidungen unvermeidlich sind und nicht skrupellosen Gesetzesbrechern den Erfolg ihrer verwerflichen Bemühungen sichern.“

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Und weiter im Vorbringen der Komunalisierer für Ortsgemeinde Mieders: „Die rechtsgrundlagenlosen Eigentumsfeststellungsbescheide einerseits und die gezielte Desinformation der Betroffenen andererseits, bildeten untrennbare Bestandteile einer insgesamt sowohl aus politischer als auch aus rechtsstaatlicher Sicht höchst verwerflichen Vorgangsweise der Tiroler Landesregierung. Diese beiden – sich gegenseitig ergänzenden – Aktivitäten der Tiroler Landesregierung dürfen daher nicht isoliert betrachtet werden, weil die gezielte Desinformation die gezielte Schädigung der Allgemeinheit durch die gesetzwidrigen Eigentumsfeststellungsbescheide erst möglich machte.“ und schließlich: „Maßgeblich für die Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag sollte daher nur sein, ob der Verfassungsgerichtshof glaubt, dass die damaligen Gemeindevertreter wirklich durch die Desinformation und den dadurch verursachten Irrtum davon abgehalten wurden, sich mit Rechtsmitteln zu wehren.“ … „Wenn man aber davon ausgeht, dass ein Gemeindevertreter die Fehlerhaftigkeit der im Regulierungsverfahren getroffenen Eigentumsfeststellung deshalb nicht erkannt hat, weil er Opfer einer gezielten Desinformation geworden ist, wann hätte sich dann dieser Sachverhalt geändert? Doch nicht schon dann, wenn der betreffende Gemeindevertreter von der Eigentumsfeststellung erfahren hat, die er ja aufgrund der von der Agrarbehörde verbreiteten Desinformation für richtig halten musste. Dieser Wiedereinsetzungsgrund wäre doch wohl frühestens dann weggefallen, wenn ein Gemeindeorgan erfahren hat, dass die seinerzeitigen Bescheide falsch waren. Nun mag man vielleicht meinen, dieser Zeitpunkt sei vielleicht 1982 gekommen, als der Verfassungsgerichtshof in VfSlg 9336 die wahre Rechtslage darlegte. Aber damals ist es der Tiroler Landesregierung sogar gelungen, den Landtag in Irrtum zu führen und zwar wiederum mit einer gezielten Desinformation und zwar auch die SPÖ, die durch diese unrechtmäßige Eigentumsverschiebung politisch geschädigt werden sollte. Kann man daher den Gemeindevertretern einen Vorwurf daraus machen, dass sie damals die wahre Rechtslage nicht erkannt haben? Wohl kaum. Dann ist aber das Hindernis im Sinne der Wiedereinsetzungsvorschriften durch die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 9336/1982 noch nicht weggefallen.“
„Die rechtsgrundlagenlosen Eigentumsfeststellungsbescheide einerseits und die gezielte Desinformation der Betroffenen andererseits bildeten untrennbare Bestandteile einer insgesamt sowohl aus politischer als auch aus rechtsstaatlicher Sicht höchst verwerflichen Vorgangsweise der Tiroler Landesregierung. Diese beiden – sich gegenseitig ergänzenden – Aktivitäten der Tiroler Landesregierung dürfen daher nicht isoliert betrachtet werden, weil die gezielte Desinformation die gezielte Schädigung der Allgemeinheit durch die gesetzwidrigen Eigentumsfeststellungsbescheide erst möglich machte.“

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Märchenstunden bei den Komunalsiern – aber der falsche Weg! 

Dazu der VfGH: Auch wenn die Agrarbehörde die politischen Ortsgemeinden enteignen wollte, so hätte diese doch rechtskräftige Verhältnisse geschaffen – egal mit welchem bösartigen Hintergedanken die Bescheide ausgestellt wurden.

Was haben die Kommunalisierer unternommen? Eine neue Strategie musste her! Aus einer bösartigen Enteignungsbehörde wurde über Nacht die fürsorgliche Behörde gemacht, die das Gemeindegut als Eigentum der Ortsgemeinden bewahren und erhalten wollte!

Über Nacht die Meinung um 180 Grad geändert – aus bösartigen Walddieben, fürsorgliche  Beschützer des Gemeindeguts gemacht! Für die Kommunalisierer mit Schutzpatron im VfGH alles kein Problem.

Strategie II: Märchen vom Gemeindegut