Gerlos: Das Dorf
ohne Gemeindegut

Die politische Ortsgemeinde Gerlos verfügt in der Katastralgemeinde Gerlos aus der Zeit der Grundbuchanlegung über rund 5.760 m² (!) Liegenschaftsvermögen, großteils Gemeindewege; weder Wald- noch Almeigentum findet sich darunter (EZ 52 Grundbuch Gerlos). Alle anderen Liegenschaften, welche die Ortsgemeinde heute besitzt wurden seit Mitte der 1970erJahre käuflich erworben.

Dem gegenüber steht die Liegenschaft in EZ 51 Grundbuch Gerlos, ehemals k.k. Aerar, heute Republik Österreich (Österreichische Bundesforste), im Ausmaß von 7.477 (!) ha. Die Liegenschaft ist mit zahlreichen Dienstbarkeitsrechten belastet; dies vornehmlich zugunsten von rund 60 alten Stammsitzen. Neben Weiderechten stehen zu: Rechte zum Bezug von Bau-, Nutz-, Zaun-, Brennholz und Streu sowie das Recht zum Bezug von Kalkholz, Bau- und Kalksteinen, Sand, Lehm und Schotter.

Diese ca 60 Stammsitzeigentümer sind somit servitutsberechtigt auf ehemals kaiserlichem Eigentum, heute Eigentum der Republik Österreich „Bundesforste“. Diese ca 60 Stammsitzeigentümer besitzen jedoch genauso wenig Waldeigentum wie die politische Ortsgemeinde Gerlos selbst. Dies, weil die Stammsitzeigentümer in Gerlos im Jahr 1849 (!) es nicht riskieren wollten, die Grundsteuer für den Wald zu tragen. Sie haben deshalb die Ablösung ihrer Forstservituten gegen Privateigentum an einem Gemeinschaftswald, verweigert.

Aus der Tiroler Forstregulierung 1847 ist deshalb in der Katastralgemeinde Gerlos kein gemeinschaftliches Waldeigentum der Gerloser Grundbesitzer hervorgegangen. Natürlich wurde auch die politische Gemeinde Gerlos nicht mit Waldeigentum „beschenkt“. Der Kaiser, damals “k.k. Aerar”, hat vielmehr das Waldeigentum in der Katastralgemeinde zur Gänze für sich behalten. Daraus ist die heutige Bundesforsteliegenschaft in der Katastralgemeinde Gerlos hervorgegangen.

Im Zuge der Grundbuchanlegung in der Katastralgemeinde Gerlos ist es deshalb auch zu keinen Verwechslungen von Gemeinschaftseigentum der Gerloser Grundbesitzer mit Gemeindeeigentum gekommen. Somit ist auch nie ein „Gerloser Gemeindegut“ entstanden.

Offenkundig ist, dass die politische Ortsgemeinde Gerlos ein „Gemeindegut“ nie besessen und nie vermisst hat. Für ein gründliches Verständnis der geschichtlichen Entwicklung der Eigentumsverhältnisse an den Tiroler Wäldern und Almen ist das von hohem Interesse. Ganz ähnlich liegen die Grundeigentumsverhältnisse beispielsweise auch in Mayrhofen, in Alpbach, in Brandenberg oder in Steinberg.

Solche Grundeigentumsverhältnisse widerlegen schlagend die These, dass der “gütige Kaiser” die heutigen politischen Ortsgemeinden seinerzeit im Schenkungsweg zu Waldeigentümern gemacht hätte. Die Berichte der kaiserlichen Forst-Servituten-Ablösungskommission aus den Jahren 1847 bis 1849, liefern eine genaue Erklärung.

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Übersicht:
Grundeigentumsverhältnisse in Gerlos
Wo sind Gemeindegut und Bauernwälder geblieben?
Die holzbezugsberechtigte Gemeinde Gerlos
Nutzungsrechte im kaiserlichen Forst
Kommissionsbericht vom 21. Dezember 1849
“Servitutenablösung” heute?
Einfach zum Nachdenken
Das Zillertal: Heimat der Verweigerungsgemeinden
Aus dem “General Konspekt” vom 11. April 1850
Aus dem Kommissions-Protokoll vom 21. Dezember 1849

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Grundeigentumsverhältnisse in Gerlos

Die Ortsgemeinde Gerlos verfügt in der Katastralgemeinde Gerlos aus der Zeit der Grundbuchanlegung über rund 5.760 m² (!), das ist gerade einmal ein halber Hektar Grund und Boden – großteils Gemeindewege. Weder Wald- noch Almeigentum findet sich darunter. Eigentümlich ist der Ortsgemeinde Gerlos seit der Grundbuchanlegung die Liegenschaft in EZ 52 Grundbuch Gerlos, wo diese rund 5.000 m² vorgetragen sind. Alle anderen Liegenschaften, welche die Ortsgemeinde heute besitzt, wurden erst seit Mitte der 1970er Jahre käuflich erworben.
Dem gegenüber steht die Liegenschaft in EZ 51 Grundbuch Gerlos, ehemals k.k. Aerar, heute Republik Österreich, Österreichische Bundesforste, im Ausmaß von 7.477 ha (!). In dieser Liegenschaft ist praktisch das gesamter Waldvermögen in der Katastralgemeinde Gerlos vorgetragen, aber auch eine Unzahl von “öden” Flächen zwischen den Höfen und an den Wegen und Bächen usw.
In Gerlos haben wir somit eine Ortsgemeinde, die keinen einzigen Flecken Wald, aber auch keine Alm und auch keine Wiesen besitzt – kein Waldeigentum, kein Almeigentum und kein Wieseneigentum. Die politische Ortsgemeinde Gerlos besitzt somit auch kein “Gemeindegut”.
Besondere interessant ist diese Situation deshalb, weil die Stammsitzeigentümer in Gerlos ebenfalls kein Waldeigentum besitzen. Die “Bauern” können deshalb keine Schuld daran tragen, dass die Ortsgemeinde Gerlos kein Gemeindegut an Wäldern besitzt. Die “Bauern von Gerlos” haben dort jedenfalls nichts “gestohlen”.
Das gesamte Waldeigentum in der Katastralgemeinde Gerlos ist Eigentum der Republik Österreich, Österreichischen Bundesforste.

Wo sind Gemeindegut und Bauernwälder geblieben?

Einziger erwähnenswerter Waldbesitz in der Katastralgemeinde Gerlos ist derjenige im Eigentum der Republik Österreich, die Liegenschaft in EZ 51 Grundbuch Gerlos, ehemals k.k. Aerar, heute Österreichische Bundesforste im Ausmaß von 7.477 ha.
Hat der Kaiser den Wald behalten, statt diesen der Gemeinde Gerlos zu schenken?
Waren die Gerloser Bauern deshalb gehindert, der Gemeinde Gerlos den Wald zu “stehlen”, weil der Kaiser die Gemeinde Gerlos nicht beschenkt hat?
Weit gefehlt! Die Ursache für diese Verhältnisse ist nicht ein kaiserlicher Geiz oder Kleinmut oder Zorn. Ursächlich ist vielmehr die seinerzeitige Haltung der Stammsitzeigentümer in Gerlos. Diese haben es im Jahr 1849 abgelehnt, ihre Servituten im kaiserlichen Forst in Grund und Boden ablösen zu lassen. Der Kaiser wollte das Grundeigentum am Wald nicht zurückbehalten. Im Gegenteil. Die Stammsitzeigentümer in Gerlos haben das Angebot der kaiserlichen Kommission ausgeschlagen!
Der historische Hintergrund der heutigen Verhältnisse in der Ortsgemeinde Gerlos ist somit in der Tiroler Forstregulierung von 1847 zu suchen. Die Beamten der Forstservituten-Ablösungs-Kommission hatten den Stammliegenschaftsbesitzern von Gerlos im Spätherbst des Jahres 1849 ein ganz ähnliches Angebot unterbreitet wie beispielsweise den damaligen Stammliegenschaftsbesitzern von Gerlosberg, Rohrberg, Ramsau, Kaltenbach, Schwendau, Laimach, Aschau, Finkenberg, Tux oder anderen im Landgerichtsbezirk Zell gelegenen Gemeinden.
Die Stammliegenschaftsbesitzer von Gerlos haben den Abfindungsvergleich jedoch ausgeschlagen. Dies aufgrund einer außergewöhnlich hohen Steuerbelastung, die auf dem Gerloser Wald lastete und die die Stammliegenschaftsbesitzer übernehmen hätten müssen.

Die holzbezugsberechtigte Gemeinde Gerlos

Die Stammliegenschaftsbesitzer von Gerlos, im historischen Sprachgebrauch die (holzbezugsberechtigte) “Gemeinde Gerlos”, wurden dementsprechend nie Eigentümer einer Gemeinschaftsliegenschaft; das Waldeigentum ist “beim Kaiser” – richtig “k.k. Aerar”, verblieben. Im Zuge der Grundbuchsanlegung konnte deshalb auch das historische Eigentum der Nachbarschaft Gerlos nicht verwechselt werden mit demjenigen der politischen Ortsgemeinde Gerlos.
Die politische Ortsgemeinde Gerlos ist deshalb im Zuge der Grundbuchsanlegung mit keinerlei Wald- oder Almflächen bedacht worden; sämtliches Eigentum an den Wäldern, aber auch an allen öden Liegenschaften zwischen den Höfen und an den Wegen wurden als Eigentum des k.k. Aerar behandelt und so im Grundbuch einverleibt.
Die Stammliegenschaftsbesitzer von Gerlos haben auf diese Art nie für die von ihnen genutzten Wälder Grundsteuer bezahlt; im Gegenzug sind sie auch heute keine Eigentümer von Waldliegenschaften (abgesehen von Aufforstungen auf ursprünglichen Mähdern). Und weil die historische Gemeinschaft der Stammliegenschaftsbesitzer von Gerlos kein Eigentum besessen hat, konnte deren Eigentum im Zuge der Grundbuchanlegung – anders als in Gerlosberg – auch nicht irreführend als „Gemeindeeigentum“ im Grundbuch angeschrieben werden.
Die Verhältnisse in der Ortsgemeinde Gerlos machen deutlich, wem die Nutzungsrechte im historischen Staatsforst zugestanden haben und welcher Personengruppe im Fall einer Servitutenablösung die Eigentumsfläche als Gegenleistung zustand. Würde heute eine Servitutenablösung in Gerlos vereinbart, würde selbstverständlich die Ablösefläche, welche die Republik Österreich im Gegenzug für den Verzicht auf die Nutzungsrechte zur Verfügung zu stellen hätte, ausschließlich den 60 berechtigten Stammsitzen gehören. Die politische Ortsgemeinde würde leer ausgehen.
Am Beispiel der Gemeinde Gerlos wird eindrucksvoll deutlich, wem die Ablöseliegenschaften, die als Privateigentum aus der Tiroler Forstregulierung 1847 hervorgegangen sind, tatsächlich gehören: Es handelt sich um Gemeinschaftseigentum der abgelösten Grundbesitzer, der Gemeinschaft der Grundbesitzer, heute als Nachbarschaft bezeichnet, im historischen Sprachgebrauch auch “Gemeinde” genannt.
Nur wer ein Nutzungsrecht in Staatsforst besessen hatte, konnte an der Ablöseleistung beteiligt sein. Alles andere würde auf eine Enteignung der historischen Nutzungsrechte hinauslaufen.

Nutzungsrechte im kaiserlichen Forst

Die Liegenschaft in EZ 51 Grundbuch Gerlos, rund 7.500 ha Grund und Boden, großteils Wald, weist eine Besonderheit auf: Diese Liegenschaft ist mit zahlreichen Dienstbarkeitsrechten belastet – vornehmlich zugunsten von ca 60 alten Stammsitzen des Dorfes Gerlos. Diesen stehen neben Weiderechten insbesondere Rechte zum Bezug von Bau-, Nutz-, Zaun-, Brennholz und Streu sowie das Recht zum Bezug von Kalkholz, Bau- und Kalksteinen, Sand, Lehm und Schotter zu.
Diese ca 60 Servitutsberechtigten besitzen anstatt eines (gemeinschaftlichen) Waldeigentums heute noch Nutzungsrechte im Staatsforst – genannt “Einforstungsrechte” und kein Waldeigentum.
Wer servitutsberechtigt im k.k. Staatsforst gewesen ist, der wurde Miteigentümer der Ablöseliegenschaft, heute Agrargemeinschaft, wenn die Stammsitzeigentümer die Ablöse wollten. Die Instruktion für die Forstservituten-Ablösungs-Kommission vom 1. Mai 1847 definiert exakt und klar, wem abzulösende Rechte zustanden: Abzulösende Nutzungsrechte standen nur den „Bauern” zu, das waren “die Besitzer von Grund und Boden“. Gewerbetreibende waren nur dann nutzungsberechtigt, wenn sie – grob gesprochen – Feuerstattzins bezahlt haben.
Alle anderen, insbesondere die „Neubauten“ (aus der Sicht des Jahres 1847 [!]) waren vom Holzbezug im Staatsforst ausgeschlossen. Diese hatten sich ihren Holzbedarf auf „rechtlichem Weg“, d.h. gegen Bezahlung, zu beschaffen. Die Verhältnisse waren diesbezüglich nicht anders wie heute. Auch ein Kaiser hatte nichts zu verschenken!

Kommissionsbericht vom 21. Dezember 1849

Gemäß Instruktion vom 1. Mai 1847 war die Forstservituten-Ablösungs-Kommission verpflichtet, jeden abgeschlossenen Vergleich mit einem Bericht jedes einzelnen Kommissionsmitgliedes dem Ministerium vorzulegen. Der Bericht zu den im Landgerichtsbezirk Zell abgeschlossenen Vergleichen vom 21. Dezember 1849 ist in einer Ausfertigung im Tiroler Landesarchiv überliefert. Speziell die Verhältnisse in Gerlos betreffend berichten zwei der Kommissionsmitglieder folgende Details:
Aus dem “Protokoll, welches mit sämtlichen Komissionsgliedern über die Annehmbarkeit der im Landgerichte Zell abgeschlossenen Vergleiche aufgenommen wurde.
Dr. Anton Janiczek, Aushilfsreferent der kk. tirol. Kammerprokuratur: „Die Abfindungsversuche mit den übrigen Gemeinden des Landgerichtsbezirkes scheiterten theils an den überspannten Forderungen derselben, theils wie bei Brandberg u. Mayerhofen an der Uneinigkeit über die Abtheilung der gemeinschaftlich benützten Waldungen, die sie auch nicht in das gemeinschaftliche Eigenthum übertragen wollten, endlich auch u. zwar namentlich bei Gerlos an der Verweigerung der Steuerübernahme. Bei diesen Gemeinden erübrigt daher nichts anderes, als es vorläufig bei der bisherigen Einforstung zu belassen, jedoch auf eine bessere Waldwirthschaft hinzuwirken, und günstigere Verhältnisse zu einem etwaigen guten Abfindungsversuch abzuwarten, der seiner Zeit auch durch die Administrativbehörde eingeleitet werden könnte.“
Jakob Gaßer, kk. Gubernial Sekretär: „Die Ursache, warum mehrere Gemeinden des Zellerbezirkes zu keiner Abfindung vermacht werden konnten, läßt sich zumeist auf die eigenthümlichen Einforstungs- u. Steuerverhältnisse, vorzüglich aber auf die ungemessenen Ansprüche der Gemeindevertreter zurückführen; so zb. zahlt das Forstärar für die Gerloser Wälder jährlich bei 1200 f Steuer an den Steuerfond, welche Steuer zum großen Theil im Falle einer Abfindung die Gemeinde Gerlos übernehmen müßte, welches wohl nie zu erwarten sein dürfte.“

„Servitutenablösung“ heute?

Die „holzbezugsberechtigte Gemeinde Gerlos“, die nachweislich das Ablösungsangebot im Jahr 1849 nicht angenommen hat, weil die Liegenschaften mit außergewöhnlich hohen Steuerlasten belegt waren, setzt sich aus rund 60 Nutzungsberechtigten zusammen, die samt und sonders Eigentümer von Gerloser Stammsitzen sind. Da gibt es keine “Zugroasten” – es sei denn, sie hätten einen Stammsitz gekauft.
Bemerkenswert ist, wie diese Rechte der Gerloser Stammsitze heute reguliert sind: Die Stammliegenschaftsbesitzer sind berechtigt a) zum Bezug von Bau-, Nutz- und Zaunholz (in fm), b) zum Bezug von Brennholz (in rm), c) zum Bezug von Streu (Ast- und Bodenstreu in rm) d) zur Benützung des Waldbodens, nämlich zum Bezug von Kalkholz, Bau- und Kalksteinen, Sand, Lehm und Schotter; e) zur Ausübung der Weide (Kuhgräser, Schafgräser, usw usf – s Liegenschaft in EZ 51 GB Gerlos ca 7.500 ha).
Seltsam ist, dass „der Kaiser“ nichts vom Substanzrecht der Ortsgemeinde Gerlos wusste, anderenfalls er den Stammliegenschaftsbesitzern doch nicht das Recht einräumen hätte dürfen, Bau- und Kalksteine, Sand, Lehm und Schotter im Staatsforst abzubauen.
Und: Würden diese Rechte heute in Grund und Boden abgelöst, wem würde die Gegenleistung für den Verzicht auf diese „Einforstungsrechte“ wohl zustehen?

Einfach zum Nachdenken

Wenn die Bundesforste AG in der Katastralgemeinde Gerlos heute den Servitutenablösungsvergleich nachholen könnte, den die ca 60 Gerloser Stammliegenschaftsbesitzer im Jahr 1849 abgelehnt haben, wen würden die Österreichischen Bundesforste wohl in Grund und Boden ablösen?
Antwortvorschlag A: die politische Ortsgemeinde Gerlos
Antwortvorschlag B: die ca 60 Stammliegenschaftsbesitzer
Die richtige Antwort auf diese Frage sollte leicht zu geben sein!

Das Zillertal: Heimat der Verweigerungsgemeinden

Auffällig ist, dass gerade im hinteren Zillertal, das war seinerzeit der Gerichtsbezirk Zell (im Gegensatz zum Gerichtsbezirk Fügen), die Grundbesitzer es relativ oft abgelehnt haben, die mit ihren Stammsitzen verbundenen Forstservituten ablösen zu lassen. Während aus dem Oberland kaum Fälle bekannt wurden, dass eine holzbezugsberechtigte Gemeinschaft das Angebot der Forstservituten-Ablösungs-Kommission endgültig abgelehnt hätte, häufen sich derartige Fälle im hinteren Zillertal.

Aus dem “General Konspekt” vom 11. April 1850

Moritz v. Kempelen, Berg- und Salinen-Directions-Assessor in Hall, Berg- und Forstrath, hat im April 1850 einen „General Konspekt“ über die Forstservituten Ablösung im Unterinnthaler Kreise erstellt. Die Verhandlungsergebnisse für den Landgerichtsbezirk Zell fasst er wie folgt zusammen:

Zu X. Forstamt Zell, Landgericht Zell
Abfindungsmodalitäten:
Die Gemeinden 1 bis inklusive 9 (das sind Tux, Finkenberg, Rohrberg, Kaltenbach, Aschau, Gerlosberg, Ramsau, Laimach, Schwendau) sind von der Waldservituten-Ablösungskommission abgefunden worden, die übrigen sind dermalen noch unabgefunden. [Hinweis. Das waren: 10 Distelberg, 11 Hainzenberg, 12 Schwendberg, 13 Zellberg, 14 Zell, 15 Gerlos, 16 Mayrhofen, 17 Brandberg]
Bedeckungsverhältnisse:
Das Landgericht Zell zählt 1842 Familien, 9405 Seelen. Es entfallen 6,5 Klafter rechtlichen Holzbezugs, 21,5 Jauch produktive Waldfläche, 6,3 Klafter gegenwärtigen Ertrages auf die Familie. Es muss sohin zur vollständigen Holzbedeckung der gegenwärtige Ertrag von 0,28 Klafter auf 0,29 Klafter pro Jauch produktiv erhöht werden.
Sonstige Bemerkungen:
ad 2 (Finkenberg): Die unabgefundene Fraktion Dornauberg ist mit ihrem Holzbedarfe von 73 Klaftern gleich wie der Alpholzbezug von dem Ertrage der betreffenden vom Staatswalde bereits in Abschlag gebracht.
ad 3 (Rohrberg): Diese Gemeinde hat eine Taxstreuaushilfe gegen Abgabe von 6 Fichtenstämmen an den Goldbergbau erhalten.
ad 6 (Gerlosberg): Dieser Gemeinde wurde eine jährliche Schindelholzaushilfe bei erwiesenem Mangel gegen Ersatz der Gestehungskosten oder Stellung eines gleichen Brennholzquantums zugestanden.
ad 9 (Schwendau): Der Holzbedarf der unabgefundenen Gemeindefraktion Mühlau pro 72 Klafter ist samt dem Alpholzbezuge von dem Ertrage der betreffenden reservierten Staatswälder bereits in Abzug gebracht.
ad 2, 4, 5, 6, 7, 8, 9 (das sind Finkenberg, Kaltenbach, Aschau, Gerlosberg, Ramsau, Laimach, Schwendau): Diese Gemeinden haben die bisher entrichteten Forstgebühren kapitalisch abgelöst.”

(General Konspekt über die Forstservituten Ablösung im Unterinnthaler Kreise, vom 11. April 1850,
Moritz v. Kempelen, Berg- und Salinen-Directions-Assessor in Hall, Berg- und Forstrath)

Aus dem Kommissions-Protokoll vom 21. Dezember 1849

Moritz v. Kempelen, Berg- und Salinen-Directions-Assessor in Hall, Berg- und Forstrath, gibt im Protokoll, welches die Komissionsglieder über die im Landgericht Zell abgeschlossenen Vergleiche am 21. Dezember 1849 aufgenommen haben, interessante Erklärungen zur Kommissionsarbeit im hinteren Zillertal:

Das Zillertal gehörte ehedem zum salzburgischen Gebiete. – An die Stelle der Verleihwaldungen, wie sie im Unterinnthale vorkommen, sind hier die sogenannten Freigelacke getreten, welche sich jedoch von den erstern bloß durch die Benennung unterscheiden. Es sind dies nemlich größtentheils aufgetheilte Waldungen, für welche die Theilinhaber den Kaufgroschen und für Verkaufsholz eine bestimmte geringe Abgabe an die Forstkasse entrichten. Von der Forsteigenth: Purif: Komission theils bedingt gegen Fortentrichtung der Forstpreise, theils unbedingt anerkannt, war es hier wie dort Aufgabe der Ablösungs Komission, die mit Waldtheilen entweder gar nicht versehenen, oder mit denselben nur unvollständig gedeckten Eingeforsteten zu befriedigen und nebenbei die kapitalische Ablösung der bisher entrichteten Forstpreise zu bewirken.
Die Verfolgung beider dieser Zwecke stieß jedoch hier auf ganz besondere Schwierigkeiten.
Die Viehzucht, welche im Zillerthal in den ausgedehntesten Maßen betrieben wird, indem sich der Viehhandel bis nach Russland erstreckt – hat einen so übermäßigen Bedarf an Waldstreu hervorgerufen, daß die Gewinnung derselben nur mehr mit dem größten Nachtheil für den Wald statt finden kann, wovon die bis auf die Wipfeln verstümmelten Bäume einen traurigen Beweis geben.
Diesem unwirthschaftlichen Gebaren in den freigelackten Waldungen, die mehr oder weniger als Privateigenthum betrachtet wurden, Einhalt zu thun, ist bisher trotz allen Bemühungen nicht gelungen, und so mußte sich die schädliche Rückwirkung auf den Holzertrag bald zum Nachtheil der übrigen Staatswälder geltend machen. Die Streugewinnung von den letztern Wäldern fernzuhalten, war man schon längst nicht mehr im Stande, nun ließen sich auch die genehmigten Holzbedürfnisse nicht mehr abwehren, und also kam es, daß gegenwärtig ausser in einigen entferntern Thälern, wie das Gerloser und Dornauberger Thal oder dem Zillergrund, – fast alle Staatswaldungen durch die Bedürfnisse der Unterthanen so belastet sind, daß ein Holzbezug zu Aerarial Zwecken schon seit Jahren nicht mehr statt finden konnte, und auch für die Zukunft nicht zu erwarten stand.
Da nun überdies die Wälder in diesen Landestheilen vom Staate versteuert werden, und in demselben Maße mit Gemeinde Wüstungen belegt sind, so hat das Aerar für den größten Theil der Waldungen nur Lasten zu tragen, ohne irgend einen Vortheil zu geniessen.
Aber selbst die entfernteren Thäler und Gründe bleiben nicht fern von jeder Belastung, indem die Gemeinden häufig Bauholzaushilfen aus denselben erfüllen. Ausserdem haben die größeren Komerzien Gewerbe, namentlich die Sensen Schmiede, ihr Gewerbeholz aus den letztgenannten Wäldern bezogen, ja einige von ihnen sprachen sogar ein Recht zum Holzbezuge gegen den mindern oder höhern Forstpreis an
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Auszug aus: Protokoll, welches mit sämtlichen Komissionsgliedern über die Annehmbarkeit der im Landgerichte Zell abgeschlossenen Vergleiche aufgenommen wurde, 21. Dezember 1849,
Moritz v. Kempelen, Berg- und Salinen-Directions-Assessor in Hall

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