Der Tiroler Teilwald

I. DIE AUFGETEILTEN WÄLDER

Ursprünglich haben sich die Rechts- und Nutzungsverhältnisse an den aufgeteilten Wäldern in Tirol über Jahrhunderte gleichförmig entwickelt. Das Waldeigentum wurde dem Landesfürsten zugeordnet; die Nutzungen standen den jeweiligen Nachbarschaften zu. Solche Wälder wurden „gemeine Wälder“ oder „Gemeindewälder“ genannt.

Daneben gab es Wälder, die für landesfürstliche Bergwerke und Salinen reserviert waren, und Wälder im Eigentum des Adels oder kirchlicher Institutionen. Spätestens unter Kaiser Max ab Anfang des 16. Jahrhunderts wurden „gemeine Wälder“ unter den „Feuerstattbesitzern“ aufgeteilt. Auch nach der Waldaufteilung verblieb das Eigentum beim Landesfürsten; die Holznutzung stand ausschließlich den jeweiligen „Feuerstattbesitzern“ zu; das Holz aus den „aufgeteilten Wäldern“ durfte typischer Weise auch verkauft werden. Das Recht am Waldteil umfasst sämtliches Holzrecht samt der Befugnis zum Holzverkauf.

Diese Rechtsverhältnisse haben sich erst geändert, als der Landesfürst sein Obereigentum über alle Wälder Tirols im Zuge der Tiroler Forstregulierung 1847 aufgegeben hat. Die Tiroler Forstregulierung 1847 hat sozusagen für Wälder und Almen die im Jahr 1849 für das gesamte „Kaiserthum Österreich“ angeordnete Grundentlastung vorweggenommen: Volles und freies Eigentum trat anstelle der feudalstaatlichen Nutzungsverhältnisse an grundherrlichem Obereigentum. Im Jahr 1867 wurde im neuen Staatsgrundgesetz sogar ausdrücklich festgeschrieben, dass ein geteiltes Eigentum (Obereigentum und Nutzungseigentum) nie mehr begründet werden dürfe (Artikel 7 Staatsgrundgesetz).

Als Ergebnis der Tiroler Forstregulierung 1847 ging das Eigentum auf die jeweilige „Gemeinschaft der Holzbezugsberechtigten“ über (= holzbezugsberechtigte Gemeinde). Die Rechtsverhältnisse sind mit dem modernen Wohnungseigentum vergleichbar: unteilbares Gemeinschaftseigentum an der Liegenschaft verbunden mit den Waldteilen der Miteigentümer. Im Wohnungseigentum haben wir ein Gemeinschaftseigentum am Wohnhaus verbunden mit Einzelwohnungen.

Die „Teilwaldgemeinschaften“ wurden im Jahr 1935 im Tiroler Flurverfassungsrecht als eine Erscheinungsform der Agrargemeinschaft geregelt. War die Waldteilung in der erforderlichen Schärfe exekutiert (Vermessungsurkunden, Vermarkung), konnten sich die Waldteile auch als Einzeleigentum darstellen.

 

II. Grundstückkataster und Grundbuch

Die Anlegung des Franziszeischen Grundstückkatasters – in Tirol in den 1850er Jahren – und die Grundbuchanlegung – in Tirol: 1898 bis 1940 – haben teilweise verwirrende Verhältnisse geschaffen. Bei der Anlegung des Steuerkatasters sind parzellierte und nicht parzellierte Waldteile entstanden, je nach dem, ob die Waldteile vermessen und als eigene Parzellen erfasst wurden. Warum sich die Beamten im Einzelfall für „Einzelvermessungen“ entschieden haben und wann nicht, wurde bis heute nicht untersucht. Parzellierte Teilwälder wurden im Franziszeischen Steuerkataster als Eigentum der jeweiligen Waldbesitzer ausgewiesen, nicht parzellierte Teilwälder wurden häufig auf die Etiketten „Ortschaft“ oder „Gemeinde“ eingetragen.

Die Grundbuchanlegung hat die Rechtsverhältnisse an den aufgeteilten Wäldern eigenständig beurteilt. Als Grundsatz wurde „Gemeinde-“ oder „Fraktionseigentum“ angenommen, weil man von der These ausging, der Tiroler Landesfürst habe im Zuge der Tiroler Forstregulierung 1847 die heutigen Ortsgemeinden mit dem Eigentum beschenkt. Die aus den historischen Teilungsakten hervorgegangenen „Waldteile“ der Tirolerinnen und Tiroler sollten als „Gemeindegutnutzungen“ überhaupt nicht im Grundbuch eingetragen werden. Ein Waldeigentum laut Steuerkataster wurde ausdrücklich als irrelevant erklärt.

Je nach dem, ob sich die Waldbesitzer gegen diese Beurteilung zur Wehr gesetzt haben, sind ganz unterschiedliche Rechtsverhältnisse an den aufgeteilten Wäldern („Teilwäldern“) dargestellt worden:

1) Waldparzellen, die von der Grundbuchanlegung als freies Einzeleigentum registriert wurden, was vor allem in den „Bayrischen Gerichten“ Kufstein, Rattenberg und Kitzbühel vorkam.
2) Waldparzellen, wo das Einzeleigentum im Zuge der Grund-buchanlegung erstritten wurde (z. B. in Roppen und in Haiming).
3) Waldparzellen, die aufgrund des Beschlusses des Tiroler Landtages vom 31. Jänner 1910, LG vom 30. Juni 1910 LGBl 65/1910, von den Ortsgemeinden als Eigentum der Grundbesitzer anerkannt wurden.
4) Waldparzellen, die grundbücherlich als Eigentum einer „Gemeinde“ oder „Fraktion“ geführt sind, auf denen räumlich abgegrenzte, ausschließliche Servituten des Holz- und Streubezugs „mit Verkaufsrecht“ eingetragen wurden.
5) Waldparzellen, die grundbücherlich als Eigentum einer „Gemeinde“ oder „Fraktion“ geführt sind, wo ebenfalls räumlich abgegrenzte, ausschließliche Holz- und Streubezugsrechte bestehen, die als (angebliche) Gemeindegutsnutzungen jedoch nicht im Grundbuch einverleibt sind.

 

III. Waldnutzung und Waldeigentum

Aus heutiger Sicht sind diese Unterscheidungen in den 1850er -Jahren oder durch die Grundbuchanlegung zu relativieren: Wenn Grundbesitzer eine Waldparzelle über Jahrhunderte ausschließlich genutzt haben, entsteht in dem Moment, in dem der Landesfürst sein Obereigentum aufgibt, volles und freies Eigentum der Privaten – je nach durchgeführter Vermessung alleine oder gemeinsam mit den übrigen „Feuerstattbesitzern“.

Erzherzog Siegmund

Erzherzog Siegmund der Münzreiche (* 1427 in Innsbruck; † 1496 in Innsbruck) regierte als Tiroler Landesfürst von 1446 bis 1490.

Die ersten „Teilwälder“ entstanden am Beginn der Neuzeit, als in Tirol Erzherzog Siegmund der Münzreiche und Kaiser Max die Landesherrschaft ausübten. Die älteste, nachweisbare Urkunde, in der die Anordnung einer Waldteilung dokumentiert ist, stammt aus dem Jahr 1510, der Herrschaftszeit von Kaiser Max. Diese Urkunde dokumentiert die Bitte der Nachbarn von Kolsass, dass ein unter Erzherzog Siegmund ausgezeigter Wald am Kolsassberg zu gleichen, nach dem Los bestimmten Teilen unter den „Feuerstätten“ aufgeteilt werde. Die Nachbarn von Kolsass haben sich dabei auf ältere solche Aufteilungen in Mils, Fritzens und Baumkirchen berufen. Kaiser Max bewilligte die Bitte und wies Christian Pirchner, Richter zu Rettenberg, und Leonhardt Möltl, Bergrichter zu Schwaz, an, die nötigen Veranlassungen zu treffen. Der Wald der „Nachbarschaft zu Berg und Dorf des Oblay Kolsass“ sollte „mit dem Los nach den Feuerstätten und billigen Dingen“ ausgeteilt werden, damit „niemand wieder die Billigkeit beschwert“ werde. Gebildet wurden 22 Teile, zehn für die Nachbarn vom „Berg“, zwölf für die Nachbarn im „Dorf“.

Wann die noch älteren Waldaufteilungen in Mils, Fritzens und Baumkirchen durchgeführt wurden, auf die sich die Nachbarn von Kolsass im Jahr 1510 als Beispiel berufen haben, wurde noch nicht untersucht.

kaisermax

Kaiser Max (*1459 in Wiener Neustadt; † 1519 in Wels) regierte als Tiroler Landesfürst von 1490 bis zu seinem Tod im Jahr 1519.

Es gibt mehrere Phasen intensiver Waldaufteilungen: Die erste war Mitte des 16. Jh. abgeschlossen; die zweite fällt in die 2. Hälfte des 17. Jh. und eine dritte in den Zeitraum um 1730. Aufgeteilt haben landesfürstliche Beamte auf Bewilligung durch den Landesfürsten entsprechend den Bitten der betreffenden Nachbarschaften, die sich „Gemeinde“ nannten.

Seit der Teilung nutzt ein jeder „Feuerstattbesitzer“ sein Waldstück. Nur die Waldweide wurde typischer Weise weiterhin von der ganzen Nachbarschaft ausgeübt. Das Eigentum blieb im Allgemeinen beim Landesfürsten. Erst im Zuge der Tiroler Forstregulierung 1847 verzichtete der Landesfürst auf das Obereigentum; dies zugunsten der „holzbezugsberechtigten Gemeinde als solcher“, unter Vorbehalt besserer Rechte einzelner oder dritter. Bei dieser „holzbezugsberechtigten Gemeinde“ handelt es sich nicht um die Schulgemeinde, aber auch nicht um die Kirchengemeinde und um keine Trauergemeinde, sondern um die Gemeinschaft der „holzgenussberechtigten Feuerstattbesitzer“, die Summe der Teilwaldberechtigten. Für solche Miteigentumsgemeinschaften existierte bis zum Jahr 1935 kein rechtliches Organisationsmodell. Erst mit dem Flurverfassungsgesetz 1935 konnte die Agrarbehörde diese Gemeinschaften organisieren und die Grundbucheintragungen richtigstellen.

 

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MP