Guggenberger 2004: Merkblatt für die Gemeinden Tirols

Merkblatt für die Gemeinde Tirols
Nr. 25

Aktuelle Gedanken zu Gemeindegut und Agrargemeinschaften

Agrargemeinschaften sind moderne Wirtschaftsbetriebe, die historische Bindungen und öffentliche Interessen mitberücksichtigen müssen; für Agrargemeinschaften besteht eine gewisse Sozialpflichtigkeit.

Etwas zur Geschichte der agrarischen Nutzungen in Tirol

Agrarische Nutzungsrechte sind nur rechtsgeschichtlich und nur aus den früheren bäuerlichen Verhältnissen heraus verständlich. In der heutigen Agrarstruktur wirken noch Verhältnisse nach, die seit der vorgeschichtlichen Besiedlung und vor allem nach der Landnahme durch die Bajuwaren den Tiroler Alpenraum geprägt haben. Am Beginn der bajuwarischen Besiedlung im Tiroler Unterland kam sippenrechtlichen Verbänden eine große Bedeutung zu. An ihre Stelle oder neben sie trat später die Nachbarschaft, die Gemeinde oder die Markgenossenschaft mit Bindungen für die Feldbestellungen (Flurzwang), den Viehauftrieb, die Wegerhaltung und Rodungen. Die Formen der Bewirtschaftung blieben sich Jahrhunderte lang völlig gleich, auch wenn sich die Zusammensetzung der Bevölkerung änderte.

Der rätische Charakter prägt den Westen Tirols, der lange Zeit unter dem Einfluss des Bistums Churrätien stand. Dort findet man Siedlungen und Realteilungsgebiete. Alemannen oder Schwaben besiedelten das Außerfern; Weilersiedlungen und große Markgenossenschaften, die sich in gemeinsamer Dingstätte, Pfarrkirche und in gemeinsamem Besitz von Weiden, Almen und Wäldern (Pfarrgemeinden) äußerten, sind dort kennzeichnend.
Während gewisse hofnahe Flächen in Sondernutzung des jeweiligen Hofes standen, konnte in der Allmende („Gemain“) jeder Siedler Vieh auftreiben, Holz fällen, Jagd und Fischerei betreiben. Wenn in den Regulierungen eine Fixierung der Mitglieder auf den Kreis allein von Bauern erfolgt ist, wenn in den Agrargemeinschaften heute die praktizierenden Bauern nur mehr eine Minderheit darstellen und wenn andererseits heute sich die Gemeindebevölkerung durchwegs vervielfacht hat und sich aus verschiedenen anderen und im Vergleich mit der Geschichte auch neuen Berufsgruppen zusammensetzt, dann ist nicht ganz einsichtig, wie fallweise argumentiert wird, dass die Gemeinde und ihre verschiedenen Bewohner von der Gemeindegutsnutzung durch die erfolgte Regulierung mit Eigentumsübertragung an die Agrargemeinschaften und durch die Fixierung der Mitglieder auf einen historischen Mitgliederkreis ein für alle Mal und für alle Zukunft von jeder Nutzung an diesem historischen Gemeinschaftsgut abgeschnitten worden sind. Eine gewisse Durchlässigkeit in den Mitgliedschaften zu den heutigen Agrargemeinschaften erscheint daher geboten.

Die Besitzer der alten Höfe waren bemüht, neu Hinzukommende nicht in die Gemeinschaft zu lassen (Einkaufsregelungen!), mögliche Neue jedenfalls von der Allmendnutzung möglichst auszuschließen. Auch heute, trotz völlig veränderter wirtschaftlicher, vor allem landwirtschaftlicher Gegebenheiten zeigt sich solches Bemühen gleichermaßen, wenn es um den Erwerb von Mitgliedschaften in Agrargemeinschaften durch Nichtmitglieder geht. Leute, die keinen Grundbesitz oder kein richtiges Bauerngut besaßen, nannte man früher Söllleute (Ungenossen, Ingehäusen, Kleinhäusler). Sie verdienten ihren Unterhalt im Bergbau, als Handwerker oder als Tagelöhner. Der Durchschnitt, die Zahl der Haushalte (= Feuerstätten) haben sich in der Zeit von 1300 bis 1800 verdoppelt. Die Siedlungen wurden größer, immer mehr Flächen mussten gerodet werden, Höfe wurden in immer größere Höhen hin angelegt (besonders die Schwaighöfe mit vorwiegend Viehhaltung). Die Zunahme der Bevölkerung in Bergwerkszentren steigerte wiederum die Nachfrage nach Bau- und Brennholz. Immer wieder musste so zwischen verschiedenen Ansprüchen ein Ausgleich oder eine Abgrenzung gefunden werden. Solche Regelungen erfolgten teils durch die Dorfgenossen (die Gemeinde), teils durch die Gerichte und durch den Landesfürsten. In erster Linie galt es natürlich, den Haus- und Gutsbedarf der einzelnen Höfe zu sichern. Der Regelung der Weide- und Holznutzungen dienten typisch mittelalterliche Rechtsinstitute, nämlich Zwangsrechte wie Alpzwang, Hutzwang und das Weiterbestehen des Flurzwanges (einheitliche Bestellung der Ackerflur). Der Maßstab für die Teilnahme an der Weidenutzung war grundsätzlich die Zahl des auf dem Hof überwinterten Viehs, für die Holznutzung der Hausbedarf.

Die seinerzeitigen herrschaftlichen oder genossenschaftlichen Regelungen lassen sich nicht mit den modernen Begriffen des Eigentums, der Dienstbarkeiten und der staatlichen Gewalt klar abgrenzen und beschreiben. Die deutsch-rechtliche Gewere ließ eine Teilung der Sachherrschaft sowohl der Substanz wie auch der Nutzung zu (Obereigentum und Nutzungseigentum). Seit der Rezeption drang durch die römisch-rechtlich geschulten Juristen in den Kanzleien der Landesfürsten der unbeschränkte Eigentumsbegriff vor. Neben genossenschaftlichen Waldnutzungsregelungen bestanden solche des Landesfürsten. Das Forstregal gab dem Landesfürsten die Befugnis, sein Recht an der Substanz der Wälder geltend zu machen und den Dorfgenossen nur mehr ein Nutzungsrecht für ihren Haus- und Gutsbedarf zuzugestehen. Diese Streitigkeiten darüber dauerten bis ins 19. Jahrhundert. Bei der Bauernerhebung um 1525/26 wurde unter anderem die freie Jagd, der freie Fischfang, die Freiheit des Waldes, der Weide und der Gewässer gefordert.

Man muss davon ausgehen, dass die Gemeinde vor dem 19. Jahrhundert bereits ein Bündel von Verwaltungsaufgaben zu erledigen hatte. Auch die Forschungen zur Rechtsgeschichte der Gemeinde bestätigen, dass die Selbständigkeit der Gemeinde weit ins Mittelalter zurückreicht und nicht nur auf rein land- und forstwirtschaftliche Nutzungsregelungen beschränkt war. Die Zuordnung der Berechtigung zur Nutzung erfolgt als Ausfluss bajuwarischer Rechtsauffassung zu einem Hof (= Stammsitzliegenschaft), also nach dem Territorialitätsprinzip; heute ist dies die bücherliche Einlagezahl. In Vorarlberg ist – ähnlich wie im übrigen alemannischen Einflussbereich – die Berechtigung weitgehend nach der Abstammung einer bezugsberechtigten (zur Gemeinde gehörigen) Person, also nach dem Personalitätsprinzip bestimmt.

Vom Gemeindegut zu den Agrargemeinschaften

In Durchführung einer kaiserlichen Entschließung vom 6. Februar 1847 wurden in zahlreichen Vergleichsprotokollen (Waldpurifikationstabellen) zahlreiche Waldungen an die einzelnen Gemeinden übergeben. Den Gemeinden in Tirol wurden dadurch allein etwa 266.000 ha Wald ins volle Eigentum überlassen. Sogenannte Waldzuweisungskommissionen wurden mit den Verhandlungen dazu beauftragt. Diese Vergleichsprotokolle bildeten später den Titel für die Eintragung des Eigentums der Gemeinden an solchen Wäldern im Grundbuch. Diese Wälder dienten durchwegs zur Ablösung bestehender Holznutzungsrechte oder zur Bereinigung der Eigentumsstreitigkeiten der Gemeinden. Durch diese Urkunden (Vergleichsprotokolle, Waldzuweisungs-urkunden, Forsteigentumspurifikations-tabellen) erfasste Wälder sind als Gemeindegut anzusehen. Selbstverständlich gelten die Gemeindealmen, die späterhin in Tirol durchwegs ins Eigentum von Agrargemeinschaften übergingen, als Gemeindegut.

Aus dem Gemeindegut (Wälder, Almen und sonstige Liegenschaften) sind bei uns dann im Zuge agrarbehördlicher Regulierungen viele Agrargemeinschaften in Tirol hervorgegangen. Diesen Agrargemeinschaften ist von den politischen Gemeinden im Zuge der Regulierungen das grundbücherliche Eigentum übertragen worden. Diese Agrargemeinschaften sind heute „stolze“ Selbstverwaltungskörper; im öffentlichen Interesse, im Interesse der Mitglieder und im guten Zusammenwirken mit den Gemeinden werden Feld und Wald und Almen von vielen Agrargemeinschaften in unserem Land bewirtschaftet und verwaltet.

Das Gemeindegut nach der Tiroler Gemeindeordnung (§§ 68 ff)

Sachen und Rechte, über die die Gemeinde verfügungsberechtigt ist, und die Pflichten der Gemeinde bilden das Gemeindevermögen. Jener Teil des Gemeindevermögens, der der Deckung des Haus- oder Gutsbedarfes der nutzungsberechtigten Liegenschaften und der Bedürfnisse der Gemeinde dient, bildet das Gemeindegut. Die Nutzungsrechte am Gemeindegut haften an den berechtigten Liegenschaften. Die Gemeinde überwacht die Nutzungen nach der bisherigen Übung und sorgt für die ordnungsgemäße und zweckmäßige Ausübung der Nutzungen (§ 71 TGO). Die Gemeinde ist auch berechtigt, Ertragsfähigkeit u.a.) auf die berechtigten Liegenschaften nach sachlichen Merkmalen umzulegen. Die Gemeinde ist auch berechtigt, auf Grundstücken des Gemeindegutes lastende Nutzungsrechte aufzuheben, wenn dies für die Errichtung von infrastrukturellen Vorhaben oder von Anlagen, an deren Errichtung ein öffentliches Interesse besteht, erforderlich ist oder Verwirklichung von Zielen der örtlichen Raumordnung oder der Verbesserung der Agrarstruktur dient. Für die Aufhebung solcher Nutzungsrechte gebührt eine Entschädigung nur insoweit, als dadurch die Deckung des Haus- oder Gutsbedarfes nicht mehr gewährleistet erscheint. Die Bestimmungen über das Gemeindegut in der Tiroler Gemeindeordnung sind also eine geeignete Grundlage und gleichzeitig Verpflichtung der Gemeinden, Nutzungen am Gemeindegut weiterhin und auch ohne agrarbehördliche Regulierung mit Übertragung des bücherlichen Eigentums an neu zu gründende Agrargemeinschaften, sicher zu stellen.

In Vorarlberg ist mit 8. Juli 1998 ein Landesgesetz über das Gemeindegut (LGBl Nr. 49/1998) in Kraft getreten. Der Vorarlberger Landesgesetzgeber geht davon aus, dass das Gemeindegut im Eigentum der politischen Gemeinden steht und bleibt. Das Gemeindegut wird in der „Gemeindestube“ verwaltet. Die Gemeinde hat dafür zu sorgen, dass die Nutzung und Erhaltung des Gemeindegutes entsprechend den Bestimmungen dieses Gesetzes erfolgt. Die Gemeindevertretung kann durch Verordnung Satzungen über die Nutzung des Gemeindegutes erlassen. Die Regulierungen durch die Agrarbehörde mit Eigentumsübertragungen an neu gegründete Agrargemeinschaften wurden in den letzten Jahrzehnten in Tirol deshalb durchgeführt, weil man der Meinung war, so die Nutzungen für die Berechtigten am besten für alle Zukunft abzusichern.

Bedeutung und Zweck der Agrargemeinschaften

In Tirol gibt es zusammen rund 2.000 regulierte und nicht regulierte Agrargemeinschaften. In unserem Land sind an Agrargemeinschaften etwa 30.000 bis 40.000 Mitglieder (Stammsitzliegenschaften) beteiligt. Leider sind uns etwa 3/4 jener Bauern heute verloren gegangen, die noch zum Zeitpunkt der Regulierung unserer Agrargemeinschaften (vornehmlich in den Sechziger- und Siebzigerjahren) Bauern und Bewirtschafter einer Landwirtschaft waren. Die Agrargemeinschaften sind ungeachtet dessen bestrebt, „Neue nicht hereinzulassen“; hier musste der Gesetzgeber eingreifen. Wenn ein neuer Bauer die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt, dann muss er auch ein Anteilsrecht an einer Agrargemeinschaft von einem verkaufswilligen Mitglied kaufen können, ohne dass er der manchmal willkürlichen Ablehnung und Ausgrenzung durch die bestehende Agrargemeinschaft bzw. durch die derzeitigen Mitglieder ausgesetzt ist. Die agrarbehördliche Bewilligung für eine Absonderung zu einem käuflichen Erwerb eines Anteilsrechtes und damit der Erwerb einer Mitgliedschaft an einer Agrargemeinschaft hängt künftig hin nicht mehr auf „Gedeih und Verderb“ davon ab, ob eine Agrargemeinschaft dem Erwerb einer Mitgliedschaft durch ein Nichtmitglied ihre Zustimmung erteilt oder diese versagt. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen mussten den aktuellen geänderten Verhältnissen angepasst werden.

Die einzelne Agrargemeinschaft verfügt im Regelfall über mehrere Hundert Hektar und teilweise über mehrere Tausend Hektar vorwiegend Waldungen, Almen, landwirtschaftliche Nutzflächen und Sonstiges. Agrargemeinschaften stellen im Regelfall potente Wirtschaftspartner in der Land- und Forstwirtschaft und auch in anderen Wirtschaftsbereichen dar. Dies trifft insbesondere dann zu, wenn Agrargemeinschaften zB in Fremdenverkehrsgebieten beachtliche laufende Einnahmen aus Dienstbarkeitsverträgen oder durch den Betrieb von Fremdenverkehrseinrichtungen (Restaurants und Schihütten) oder Flächen für Schotterabbau zur Verfügung stellen oder häufig über verwertbare Baulandliegenschaften verfügen.

Aufgabe der Agrargemeinschaften ist es, einerseits ihren Mitgliedern, aber auch den Interessen der Landeskultur durch Bewahrung des Vermögens der Agrargemeinschaften in einer den zeitgemäßen Interessen der Landeskultur entsprechenden Art und Weise sowie durch zweckmäßige Bewirtschaftung des Gemeinschaftsvermögens zu dienen. Über die Einrichtung und Tätigkeit der Agrargemeinschaften wurde durch die Tiroler Agrarbehörde eine Mustersatzung ausgearbeitet. Diese wird über Antrag den Agrargemeinschaften durch die Agrarbehörde verliehen. Über die Befriedigung der Ansprüche ihrer Mitglieder hinaus haben die Agrargemeinschaften Aufgaben vor allem auch im öffentlichen und im allgemeinen Interesse zu erfüllen; so liegt etwa die ordnungsgemäße Waldbewirtschaftung nicht nur im Interesse der Agrargemeinschaftsmitglieder; die Schutz- und Erholungsfunktion kommt auch der Allgemeinheit zugute. Genauso ist es mit der Alpsbewirtschaftung; diese erfolgt auch im Interesse der Tiergesundheit, der Produktion gesunder Nahrungsmittel, des Schutzes vor Lawinen und Murbrüchen, der Erhaltung der Landschaft u.v.a.m. Aus dieser Funktion im öffentlichen Interesse heraus hat der Gesetzgeber Agrargemeinschaften eben nicht als private Vereine, sondern vielmehr als Körperschaften öffentlichen Rechtes eingerichtet.

Im Zuge von Regulierungsverfahren haben viele Agrargemeinschaften von den Gemeinden auch das grundbücherliche Eigentum am Gemeindegut erhalten; der Verfassungsgerichtshof sieht dies anders

Vor allem in den Sechziger-, Siebziger- und Achtzigerjahren wurde eine große Zahl von agrarbehördlichen Regulierungsverfahren durchgeführt; diese betrafen vornehmlich die frühere Allmendenutzung bzw. das spätere Gemeindegut. In den Regulierungsverfahren erfolgte die Fixierung auf einen historischen Benützerkreis als Mitglieder der neu gebildeten Agrargemeinschaften. Dieser Benützerkreis (Agrargemeinschaftsmitglieder) konnte seit dieser Zeit nicht mehr verändert und schon gar nicht erweitert werden. Im Zuge von Regulierungsverfahren haben viele Tiroler Gemeinden das Eigentum an ihrem Gemeinde(Fraktions-Ortschafts-)gut an die neu gegründeten Agrargemeinschaften übertragen. Noch im Jahre 1994 hat zB der Gemeinderat von Berwang im Bezirk Außerfern der Übertragung des gesamten grundbücherlichen Eigentums der politischen Gemeinde am Gemeindegut an Agrargemeinschaften in Berwang im Zuge des agrarbehördlichen Regulierungsverfahrens die Zustimmung gegeben. Die Zustimmung zur Eigentumsübertragung ist im Zusammenhang mit der damals bevorstehenden Gemeinderatswahl gestanden. Das Regulierungsverfahren bestand wesentlich darin, dass das Eigentum am Gemeindegut an die neu zu gründende Agrargemeinschaft in der Gemeinde Berwang übertragen wurde. Rindvieh haltende Bauern gibt es in Berwang keine mehr! Als Grundlage für die Eigentumsübertragungen in vielen Gemeinden diente die Überlegung, die politischen Gemeinden seien aus der Geschichte heraus nur Treuhänder des bücherlichen Eigentums am Gemeindegut für die Nutzungsberechtigten; in Wirklichkeit gehöre das Eigentum den Nutzungsberechtigten.

Der Verfassungsgerichtshof ist in seiner Entscheidung vom 1. März 1982, G35, 36/81-29, G83, 84/81-16, dieser Auffassung entgegengetreten, die politische Gemeinde fungiere aufgrund der geschichtlichen Entwicklung des Gemeindegutes gleichsam nur als Vertreter oder Treuhänder der Nutzungsberechtigten und diese, die Mitglieder der alten Realgemeinde oder die von ihnen gebildete Gemeinschaft seien die wahren (materiellen) Eigentümer des Gemeindegutes. Diese Auffassung, so die Argumentation des Verfassungsgerichtshofes (VfGH), finde aber in der tatsächlichen Entwicklung des Gemeinderechtes keine Stütze. Es sei einzuräumen, so der Verfassungsgerichtshof weiter, dass im Zuge der Überleitung des alten Gemeindegutes in die neue Gemeindeverfassung nach 1848 aus dem Eigentum der alten Realgemeinde häufig Eigentum der Nutzungsberechtigten entstanden sei. Es mag dahingestellt bleiben, so führt der VfGH weiter aus, ob diese Vorgänge den damals geltenden Vorschriften entsprochen haben. Was nämlich zum Gemeindegut im Sinne der nach dem Reichsgemeindegesetz 1862 erlassenen Gemeindeordnung geworden sei, sei – bei allem Vorbehalt überkommender Nutzungsrechte – wahres Eigentum der neuen (politischen) Gemeinde geworden, die übrigens auch verschiedene Lasten übernommen habe, von denen die Realgemeinde betroffen gewesen sei. (vgl. dazu auch Siegbert Morscher. „Gemeindenutzungsrechte am Gemeindegut“, in der Zeitschrift für Verwaltung, Februar 1892, Heft 1, sowie Siegbert Morscher in FG Ebert (2002), 167-179, „Neues im Gemeindegut“). Heute sind Gemeinden nicht mehr bereit, ihr bücherliches Eigentum an Gemeindegutsflächen im Zuge von Regulierungsverfahren zugunsten von Agrargemeinschaften aufzugeben.

Durch die Abtretung des Eigentums am Gemeindegut an die Agrargemeinschaften wurden nicht nur die Nutzungsansprüche zum Bezug von Brenn- und Nutzholz und zur Ausübung der Weide auf dem Gemeindegutsgebiet „sichergestellt“; dies müssten die Gemeinden, wären sie weiterhin bücherliche Eigentümer des Gemeindegutes geblieben, natürlich auch heute weiterhin gewährleisten; in den bereits angeführten Bestimmungen über das Gemeindegut in der Tiroler Gemeindeordnung, wie auch im Gesetz über das Gemeindegut in Vorarlberg ist dies eingehend geregelt.

Durch die Übertragung des Eigentums an Agrargemeinschaften kommen diesen Agrargemeinschaften neben den überkommenden Nutzungen in Weide und Holz für die Mitglieder auch die aus dem nunmehrigen (von den Gemeinden übertragenen) Eigentum fließenden weiteren Nutzungen zugute: Die Agrargemeinschaften verfügen über (frühere) Gemeindegutsflächen, die heute für Gewerbe- oder Industriegebiet, für Schottergruben, für die Schaffung von Bauland, für Wege- und Parkflächen und sonstige Anliegen der örtlichen oder überörtlichen Raumordnung in Anspruch genommen werden müssen. Verkaufserlöse, Pachtzins und andere Entschädigungen gehören den Agrargemeinschaften. Genauso kommen die Dienstbarkeitsentschädigungen für Liftanlagen und Schiabfahrten auf dem Eigentum der Agrargemeinschaften heute den Agrargemeinschaften zu, weil sie über das bücherliche Eigentum verfügen. Auf ihrem Eigentumsgebiet betrieben die Agrargemeinschaften in Tourismusgebieten fallweise gewerbliche Betriebe wie Restaurants und Schihütten. Die Einnahmen stehen den Agrargemeinschaften zu. Entschädigungen für Mountainbikerouten auf Agrargemeinschaftsgebieten kommen den Agrargemeinschaften zu. Das Jagdrecht ist ebenso Ausfluss des Eigentumsrechtes. Jagdpachterlöse für das Eigentumsgebiet von Agrargemeinschaften stehen den Agrargemeinschaften zu. Wenn Wege angelegt werden oder Schottergruben auf Agrargemeinschaftsgebiet errichtet werden, so stehen Entschädigungen und Verkaufserlöse daraus ebenso den Agrargemeinschaften zu; sie sind eben im Zuge von agrarbehördlichen Regulierungen volle Eigentümer des ehemals im bücherlichen Eigentum der politischen Gemeinden gestandenen Gemeindegutes geworden. Einzelne Gemeinden in Tirol haben im Zuge agrarbehördlicher Regulierungsverfahren zwar die Verwaltung der alten Nutzungen, nicht aber ihr Eigentumsrecht an Agrargemeinschaften übertragen; sie sind weiterhin bücherliche Eigentümer des Gemeindegutes geblieben. Dadurch stehen in diesen wenigen Gemeinden in Tirol die aus dem bücherlichen Eigentum her rührenden Eigentumsnutzungen am Gemeindegut auch heute noch der politischen Gemeinde zu. Einen Teil dieser Entschädigungen stellen die Gemeinden allerdings den Agrargemeinschaften, die die Verwaltung über die Gemeindegutsnutzungen übernehmen, zur Verfügung. Dadurch ersparen sich diese Gemeinden Verwaltungskosten, die die politische Gemeinde bei der Verwaltung und Bewirtschaftung ihres Gemeindegutes ohnehin hätte.

Soweit die Gemeinden in den Regulierungsverfahren mit einem Anteil an den Agrargemeinschaften beteiligt wurden, so war dies ein Ausgleich für die in ihrem Gemeindegutsgebiet, vornehmlich als Holzbezüge erfolgten Nutzungen, die auch die Gemeinden selber am Gemeindegut nach alter Übung vorgenommen haben. Eine Abgeltung für die Abtretung des bücherlichen Eigentums am Gemeindegut an Agrargemeinschaften war darin regelmäßig nicht enthalten, wurde damals doch davon ausgegangen, dass das bücherliche Eigentum durch die politischen Gemeinden lediglich treuhänderisch für die Nutzungsberechtigten gehalten würde und das Eigentum daher in den Regulierungsverfahren (von der Gemeinde weg) für die Nutzungsberechtigten festzustellen wäre. Der VfGH, wie bereits festgehalten, vertritt einen grundlegend anderen Rechtsstandpunkt.

Neuere Entwicklung

Die Situation ist nun heute so, dass große Teile der Wälder und Almen niemand mehr bewirtschaften will. Die Öffentlichkeit muss beachtliche Mittel aufwenden, um die Waldpflege und die Walderschließung zu fördern. Dasselbe gilt für die Bewirtschaftung der Almen, wenn nur durch Almwirtschaftsprämien und sonstige Beihilfen und Zuschüsse die Almbewirtschaftung, die Almgebäulichkeiten und die Almerschließung sichergestellt bzw. erhalten werden können. Im Grundverkehr hat man erkannt, dass aus der Sicht des öffentlichen Interesses an der Waldbewirtschaftung eine gewisse Liberalisierung beim Erwerb von Waldflächen nur zu begrüßen ist; wer einen Wald bewirtschaften kann und dies auch tatsächlich tun will, soll ihn auch erwerben können. Es gibt nur zu viele, die ihren Wald nicht und nur schlecht bewirtschaften! Deshalb ist man im Grundverkehr davon abgegangen, dass einen Wald nur ein praktizierender Bauer kaufen kann. Die jüngste Rechtsprechung des EuGH zwingt uns auch im Grundverkehr (zumindest in der Frage der Selbstbewirtschaftung und der Residenzpflicht) zu mehr Liberalität. Beim Teilwalderwerb wurde bei Teilwäldern auf Gemeindegrund eine Lösung gefunden, dass solche Teilwälder (ähnlich wie beim Waldkauf im Grundverkehr) auch von Nichtbauern erworben werden können. Es war nämlich oft nicht verständlich zu machen, wenn Interessenten beim Erwerb eines Teilwaldrechtes bei der Agrarbehörde „höheren Hürden“ ausgesetzt sein sollten, als beim Erwerb eines Privatwaldes im Grundverkehr. Vor allem bei reinen Waldagrargemeinschaften ist oft nicht verständlich zu machen, warum jemand vom Erwerb einer Beteiligung an einer Waldagrargemeinschaft ausgeschlossen bleiben soll, wenn ein Erwerber die für eine Waldbewirtschaftung nötigen Kenntnisse und Fähigkeiten und den Willen zur Bewirtschaftung besitzt. Jedermann hat das Recht, so wurde in diesem Zusammenhang von Juristen oft argumentiert, in einem Gemeinschaftshaus eine Eigentumswohnung zu erwerben. Es stellt einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die freie Verfügung über das Eigentum und letztlich eine nicht sachlich gerechtfertigte Differenzierung dar, so die Argumentation weiter, wenn der Erwerb einer Agrarbeteiligung unabdingbar von einer Zustimmung oder von einem Vorkaufsrecht der Agrargemeinschaft oder gar deren einzelnen Mitgliedern abhängig gemacht würde. Wenn der Gesetzgeber nunmehr den Agrargemeinschaften lediglich ein Anhörungsrecht gibt, wenn Anteilsrechte erworben werden (siehe dazu später), so ist diese Lösung geradezu zwingend; das „Zusammenleben“ von Wohnungseigentümern in einen Wohnblock ist viel enger „verflochten“, wie dies etwa unter Mitgliedern einer Agrargemeinschaft ist. Es wäre aber schon verfassungsrechtlich nicht vertretbar, wenn der Gesetzgeber etwa bei einem Wohnungserwerb diesen Eigentumserwerb vom Zustimmungsrecht, von einem Anhörungsrecht oder von einem Vorkaufsrecht anderer Miteigentümer und Wohnungsbesitzer an bzw. in dieser Liegenschaft abhängig machen würde. Dasselbe muss natürlich auch für Agrargemeinschaften, bei einem Anteilserwerb an denselben, Geltung haben. Selbstverständlich soll und muss der Erwerber einer Agrarbeteiligung einen zumindest kleinen Landwirtschaftsbetrieb haben, womit das Anteilsrecht als künftige Stammsitzliegenschaft verbunden werden kann. Um jedem Irrtum vorzubeugen, eine agrarbehördliche Bewilligung zum Erwerb einer Agrarbeteiligung wird weiterhin erforderlich sein müssen. Nur so kann die Erreichung der gesetzlichen Zielsetzungen gewährleistet werden.

Die Regulierung brachte ein Abgehen vom Haus- und Gutsbedarf. Die Regulierung brachte eine Fixierung auf einen historischen Mitgliederkreis in den Agrargemeinschaften. Die Höhe des Anteiles jedes Mitgliedes wurde ebenso fixiert. Eine „Durchlässigkeit“ im Mitgliederkreis der Agrargemeinschaften ist seit der Regulierung nicht mehr gegeben. Eine gewisse Durchlässigkeit hingegen war bei den Nutzungen zur Zeit der Allmendenutzung wie bei der Nutzung am Gemeindegut noch durchaus üblich. Die praktizierenden Bauern in den Agrargemeinschaften sind heute leider oft nur mehr eine kleine Minderheit. Trotzdem wehrt man sich, dass neue Mitglieder als praktizierende Bauern in die Agrargemeinschaften kommen dürften. In diesem Ansinnen sind sich die Agrargemeinschaftsmitglieder, ob praktizierende Bauern oder nicht, durchwegs einig. Letztlich hat diese (heute gewiss verfehlte) Grundhaltung so mancher Agrargemeinschaften und ihrer Mitglieder ihre Überlegung darin, dass ihnen im Zuge der Regulierungsverfahren auch das Eigentumsrecht und damit alle die aus dem Eigentum ableitbaren weiteren Nutzungen an all diesen Liegenschaften in deren volle Verfügung übertragen wurden. Auf diesen Umstand scheint die heutige neue Generation von Agrargemeinschaftsvertretern und -Mitgliedern fallweise bei so manchen Entscheidungen, wenn etwas zu viel Egoismus zum Tragen kommt, eher zu wenig Bedacht zu nehmen.

Agrargemeinschaften auch in sozialer Verantwortung

Man muss aus der Sicht der Nutzungsberechtigten heute froh sein, dass die Tiroler Gemeinden im Zuge von agrarbehördlichen Regulierungsverfahren den Agrargemeinschaften ihr Gemeindegut ins Eigentum übertragen haben. Dadurch verfügen die Agrargemeinschaften in unserem Land über ansehnlichen Liegenschaftsbesitz. Dass diese Entwicklung in unserem Land möglich wurde, hatte den Grund darin, dass in der Politik wie auch in der Verwaltung im Interesse der Landwirtschaft und der landwirtschaftlichen Betriebe, wenn man das im gegebenen Zusammenhang so formulieren darf, damals in den Jahrzehnten der Regulierungen weit voraus gedacht wurde. Die Agrargemeinschaften und damit der fixierte Kreis der Mitglieder wurden von der „Gemeindestube“ durch die Übertragung des Eigentumes am Gemeinde(Fraktions-, Ortschafts-)gut in das bücherliche Eigentum von Agrargemeinschaften gut „behandelt“. Gerade angesichts dieser Tatsache tun die Agrargemeinschaften gut daran, der Gemeinde und der Gemeindeöffentlichkeit gegenüber nicht kleinlich zu sein; dies vor allem dann, wenn es um Grundabtretungen für Wege, für einen Sportplatz, für öffentliche Einrichtungen (vom Kindergarten bis zur Schule und zu den Vereinen), für den sozialen Wohnbau, auch wenn es um die Einräumung von Dienstbarkeiten, um die Anlegung von Loipen oder von Mountainbikerouten auf Wegen und Flächen der Agrargemeinschaften geht. Dasselbe muss auch im öffentlichen Interesse gelten, wenn Agrargemeinschaften in der Lage sind, Flächen für Gewerbe- und Industriebetriebe zur Schaffung von Arbeitsplätzen in einer Gemeinde anzubieten. Den Agrargemeinschaften kann man nur zustimmen, wenn sie Bauflächen für die örtlichen Häuslbauer zu günstigen Preisen zur Verfügung stellen. Die Agrargemeinschaften „funktionieren“ dann gut, wenn Partnerschaft auch und vor allem mit den Gemeinden geübt wird. Agrargemeinschaften sind auch „Kinder“ im Dorf. Es ist daher in der Praxis üblich, dass Agrargemeinschaften sich am dörflichen Leben durch kleinere Spenden an Vereine, ja auch zur Erhaltung von Gemeinschaftseinrichtungen, Kirchen und Denkmälern beteiligen. Eine gewisse Großzügigkeit der Gemeinde gegenüber und im öffentlichen Interesse erscheint aus den dargelegten historischen „Wurzeln“ der sogenannten Gemeindeguts-Agrargemeinschaften heraus, soweit sie dazu in der Lage sind, naheliegend und gerechtfertigt.

Dem Rückgang der Bauern folgen neue Interessensgegensätze in den Agrargemeinschaften

Durch die Regulierungen mit der Übertragung des Eigentums am Gemeindegut an die Agrargemeinschaften verfügen die Agrargemeinschaften nunmehr über beachtliche Vermögenswerte in unserem Land. Im Zuge der Regulierung von Gemeindeguts-Agrargemeinschaften, vornehmlich in den Sechziger-, Siebziger- und Achtzigerjahren ist die Übertragung des Eigentums an Agrargemeinschaften von den Gemeinderäten durchwegs auch deshalb für richtig befunden und beschlossen worden, weil sich damals die Gemeinderäte noch mehrheitlich aus Bauern zusammensetzten. Heute hat sich das Bild grundlegend geändert. In den Gemeinderäten sind die Bauern in der Minderzahl. Dasselbe Bild zeigt sich in der Bevölkerungsstruktur und leider auch in unseren Agrargemeinschaften; 3/4 und teilweise mehr von den in den Sechziger- und Siebzigerjahren noch vorhanden gewesenen Bauern sind uns „verloren“ gegangen; die Bewirtschaftung von Bauernschaften und die Viehhaltung wurden aufgegeben. Nur mehr ein kleiner Teil der Mitglieder in den Agrargemeinschaften bewirtschaftet noch selber eine Stammsitzliegenschaft, einen landwirtschaftlichen Betrieb. Vorwiegend in großen Agrargemeinschaften treten Interessensgegensätze auf: Die verbliebenen Bauern zB wollen die verfügbaren gemeinschaftlichen Mittel für Alpsgebäude, zur Wegerhaltung, zur Waldpflege, zur Zäunung, für Grund- und Maschinenankäufe und für andere Gemeinschaftsinvestitionen verwenden. Die Bauern sind daran interessiert, dass der Hirte aus der Gemeinschaftskasse bezahlt wird und dass der Alpszins möglichst gering gehalten wird. Wenn AMA-Zahlungen an die Agrargemeinschaft aufgeteilt werden sollen, dann sollten diese nur an die viehhaltenden Mitglieder erfolgen, ein aus bäuerlicher Sicht gewiss wünschenswerter Rechtsstandpunkt der leider nicht immer zu halten ist (Ausschüttungen müssen nach den fixierten Anteilen an alle Mitglieder erfolgen). Die Nichtbauern hingegen haben vorrangig Interesse daran, dass „aus der Agrargemeinschaft etwas heraus schauen müsse“. Sie wollen, dass ein Teil der Gemeinschaftsgelder zur Verteilung gelangt. Almförderungen seien für gemeinschaftliche Investitionen zu verwenden und nicht an die Viehhalter zu verteilen.

Neue Bauern müssen in den Agrargemeinschaften willkommen sein,
wenn von einem aufgelassenen Betrieb der entbehrlich gewordene Anteil durch einen Bauern erworben wird

Wenn nun in den, vornehmlich aus dem früheren Gemeindegut hervorgegangenen Agrargemeinschaften die Bauern häufig nur mehr eine Minderheit sind, dann muss man froh sein, wenn eine Mitgliedschaft zur Agrargemeinschaft von einem neuen landwirtschaftlichen Betrieb in derselben Gemeinde erworben wird, mag dieser Betrieb an der Agrargemeinschaft auch bisher noch nicht beteiligt sein. Wurden und werden die Bauern in den Agrargemeinschaften immer (noch) weniger, so muss man vom öffentlichen Interesse her um jeden Bauern mehr in den Agrargemeinschaften nur froh sein. Gerade bei der gegebenen Situation der Bauern in unseren Gemeinden kann es nun nicht „Aufgabe“ der Agrargemeinschaften sein, landwirtschaftliche Interessenten vom Erwerb einer Mitgliedschaft an einer Agrargemeinschaft abzuwehren und sie als neues Mitglied auszusperren. Persönliche und oft nicht sachliche Motive, Konkurrenz- und Machtdenken führten in der Praxis leider oft dazu, „echte“ Bauern vom Erwerb eines Anteilsrechtes an dieser oder jener Agrargemeinschaft abzuhalten. Der Geist der Solidarität, der Hereinnahme und Aufnahme eines neuen Bauern soll und muss der Haltung zur Ausgrenzung und Aussperrung weichen. Agrargemeinschaften sind Körperschaften öffentlichen Rechtes. Sie sind nicht private Vereine oder Kapital- oder Personengesellschaften des Handelsrechtes. In Privatgesellschaften wäre es möglich, die Hereinnahme neuer Mitglieder gesellschaftsvertraglich an Bedingungen zu knüpfen oder gar zu unterbinden. Unter Einhaltung der geltenden gesetzlichen Bedingungen im Tiroler Flurverfassungslandesgesetz ist und muss es aber möglich sein, als Bauer durch Ankauf einer Mitgliedschaft Mitglied in einer Agrargemeinschaft, eben einer Körperschaft öffentlichen Rechtes zu werden; allein auf den Willen und die Meinung der Agrargemeinschaft kann und darf es hier nicht ankommen. Es sind andere gesetzliche Kriterien einzuhalten. Zur Zeit der Verwaltung des Gemeindegutes durch die Gemeinden war ein „Kommen und Gehen“ im Kreis der Nutzungen und der Berechtigten am Gemeindegut möglich und üblich. Warum soll eine gesetzlich ohnehin beschränkte (eine Agrarbehördenbewilligung ist zum Anteilserwerb erforderlich) Durchlässigkeit heute in den regulierten Agrargemeinschaften nicht genau so möglich sein? Dies umso mehr, wo doch die Bauern als Mitglieder in den Agrargemeinschaften heute durchwegs nur mehr eine Minderheit sind!

Die Agrargemeinschaft ist eine Sach- und Personengemeinschaft. Die Agrargemeinschaft, das agrargemeinschaftliche Vermögen sind zweckgebunden und das Vermögen ist unter Einhaltung der gesetzlichen Grundlagen zu verwenden. Die gesetzliche Einrichtung der Agrargemeinschaften als Körperschaften öffentlichen Rechtes ist auch als sehr wesentlich im öffentlichen Interesse gelegen. Wenn ein bisheriges Mitglied sein Anteilsrecht nicht mehr braucht und dieses verkauft, dann muss es für einen erwerbenden landwirtschaftlichen Betrieb dieser Gemeinde auch möglich sein, eine solche Mitgliedschaft zur Verbesserung seines landwirtschaftlichen Betriebes erwerben zu können. Ein solcher Anteilserwerb bedarf ohnehin einer agrarbehördlichen Bewilligung. Die Agrarbehörde hat die Bewilligungsvoraussetzungen zu prüfen. In der dargestellten heutigen Situation kann es nicht Aufgabe der Agrargemeinschaften sein (die Viehhalter und Bauern sind dort überwiegend in der Minderheit), durch Rechtsmittel gegen Agrarbehördenbewilligungen und durch Beschwerden an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes (aus durchwegs nur egoistischen Motiven!) ansässige Bauern als mögliche neue Mitglieder in der Agrargemeinschaft auszusperren.

Das Zustimmungsrecht der Agrargemeinschaft zur Aufnahme
neuer Mitglieder ist überholt

Das Zustimmungsrecht der Agrargemeinschaft zum Erwerbe einer Mitgliedschaft wird zu Zeiten eine Bedeutung gehabt haben, als die Agrargemeinschaften von ihren Mitgliedern her noch ein „geschlossener Kreis“ von Bauern waren. Das trifft heute weit nicht mehr zu. Deshalb hat der Tiroler Landesgesetzgeber der nunmehr geänderten Situation für die Bauern in unseren Agrargemeinschaften Rechnung getragen mit der Novelle LGBl Nr. 77/1998 zum Tiroler Flurverfassungslandesgesetz wurde das Zustimmungsrecht der Agrargemeinschaft zum Erwerb einer Mitgliedschaft durch einen neuen Bauern derselben Gemeinde aufgehoben. In der weiteren Novelle LGBl Nr. 55/2001 hat der Tiroler Landesgesetzgeber klargestellt, dass die Agrargemeinschaft beim Erwerb eines Anteilsrechtes im agrarbehördlichen Bewilligungsverfahren lediglich anzuhören ist. Eine Agrargemeinschaft kann also einen von der Agrarbehörde bewilligten Anteilserwerb nicht mehr verhindern und auch nicht mehr durch Berufungs- oder Beschwerdeverfahren die Behördenbewilligung zum vereinbarten Anteilserwerb hinauszögern. Die Agrargemeinschaft ist im agrarbehördlichen Bewilligungsverfahren in jenen Fällen anzuhören, wenn aus der Sicht der betroffenen Agrargemeinschaft bei einem Anteilserwerb die Gefahr einer Anhäufung der Agrarbeteiligung beim Erwerber oder die Gefahr einer Zersplitterung des bestehenden Anteilsrechtes zum Nachteil der Agrargemeinschaft gegeben wäre. Von einer Anhäufung wird man aus der Sicht der Agrargemeinschaft dann sprechen müssen, wenn durch einen Hinzuerwerb einer Agrarbeteiligung die Gefahr besteht, dass der Erwerber nach dem Hinzuerwerb über ein so großes Anteilsrecht verfügte und damit die Agrargemeinschaft in den Versammlungen, aber auch bei der Verwaltung und Bewirtschaftung „dominieren“ könnte. Von einer für die Agrargemeinschaft abträglichen Zersplitterung könnte man dann reden, wenn ein Anteilsrecht so aufgesplittert würde, dass mit einem kleinen Anteilsrecht kaum mehr das Recht zur Teilnahme an der Weideausübung für ein Stück Rind gegeben wäre oder dass der Holzbezug für eine Stammsitzliegenschaft so verkleinert bzw. aufgesplittert würde, dass der Aufwand für die Verwaltung bei der Abwicklung des Holzbezuges zum Wert des Holzbezuges nicht in angemessenem Verhältnis stünde. Die Agrargemeinschaft hätte mehr mit ihrer Verwaltung Arbeit, als ein Holzbezug nach Aufsplitterung und wegen dessen Geringfügigkeit einer Stammsitzliegenschaft noch dienlich sein könnte. Solche Zersplitterungssituationen treten in der Praxis nicht auf; kleine Anteile werden schon nach den Vereinbarungen in Verträgen nicht noch weiter aufgeteilt. Die Gefahr der Anhäufung einer Agrarbeteiligung ist in der Praxis höchst selten vorkommend. Aus der Sicht der Bauernschaft, aber auch aus der Sicht des öffentlichen Interesses, muss man um jeden Bauern als neues Mitglied froh sein, wodurch der Kreis der – durch die wirtschaftliche Entwicklung ohnehin auf sehr wenige geschrumpften – praktizierenden Bauern in einer Agrargemeinschaft (durch Ausscheiden eines die Mitgliedschaft verkaufenden Nichtbauern) erweitert würde. Als die Gemeinde das Gemeindegut verwaltete, war es selbst damals durchaus üblich, dass nutzungsberechtigte Betriebe durch Zersplitterung untergegangen und damit ihre Nutzung im Gemeindegut verloren ging, andererseits aber neu entstandene Betriebe in der Gemeinde zu den Nutzungen im Gemeindegut zugelassen wurden.

Mit agrarbehördlicher Bewilligung müssen Anteilsrechte handelbar bleiben; die Agrargemeinschaft soll ihren Mitgliedern nicht ein Vorkaufsrecht für die Agrargemeinschaft „verordnen“, um so neue Mitglieder vom Anteilskauf abzudrängen

Unter Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und Voraussetzungen sollen agrargemeinschaftliche Anteilsrechte verkauft und gekauft werden können. Es kann nicht Aufgabe einer Agrargemeinschaft sein, für alle ihre Mitglieder bindend einen Mehrheitsbeschluss zu fassen, wonach im Falle eines Abverkaufes eines Anteilsrechtes, dieses Anteilsrecht der Agrargemeinschaft und/oder ihren Mitgliedern zur Ausübung eines Vorkaufsrechtes angeboten werden müsste. In den Bestimmungen des Tiroler Flurverfassungsgesetzes ist die Begründung eines Vorkaufsrechtes durch die Beschlussfassung in einem Organ der Agrargemeinschaft nicht vorgesehen. Ein Vorkaufsrecht könnte zwar vereinbart werden, das Vorkaufsrecht kann aber nicht im Wege eines Beschlusses erzwungen und so jedem Mitgliede im Verkaufsfall auf das „Aug“ gedrückt werden. Ein Mindestmitgliederstand in den Agrargemeinschaften muss erhalten bleiben! Es kann nicht Aufgabe der Agrargemeinschaften sein, den Mitgliederstand „zwangsweise“ in jedem Verkaufsfall zu reduzieren, wenn jeweils die Agrargemeinschaft aufkauft (nur das könnte ein durch die Gemeinschaft verordnetes Vorkaufsrecht zum Ziel haben), wenn andererseits ein tüchtiger Bauer anstelle des verkaufenden Mitgliedes in die Agrargemeinschaft hineinkommen möchte.

Agrargemeinschaften sind gut funktionierende Wirtschaftsbetriebe; die Ausschüsse sollen nach der Mustersatzung „Geschäftsführer“ der Agrargemeinschaften sein

Die Agrargemeinschaften müssen sich als Wirtschaftsbetriebe den rasant sich ändernden Gegebenheiten anpassen. Unsere Agrargemeinschaften sind selbstständig und eigenverantwortlich arbeitende Betrieb.

Im Rahmen von Gesetz und Satzung kommt den Agrargemeinschaften Selbstverwaltung, Autonomie und Eigenverantwortung zu. Als Wirtschaftsbetriebe müssen die Agrargemeinschaften gut organisiert sein. Agrargemeinschaften müssen oft rasch Entscheidungen treffen können, wie dies in der heutigen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung von Wirtschaftsbetrieben am Markt gefordert wird. Vor allem bei größeren Agrargemeinschaften muss daher dem Ausschuss dieser Agrargemeinschaften die Geschäftsführungsbefugnis für die Agrargemeinschaft zukommen. Die Vollversammlung hat die Ausschussmitglieder und die Rechnungsprüfer zu wählen. Die Wahl ist Vertrauens-, Verantwortungs- und Kompetenzübertragung an den Obmann, an die Ausschussmitglieder und sonstigen Funktionäre für die Gemeinschaft zu arbeiten und zu entscheiden. Dessen muss sich jedes Mitglied bei der (Aus)Wahl der Organe bewusst sein. Nur wenn man den Ausschussmitgliedern Verantwortung zutraut, dann sind erfahrene ältere und vor allem auch tüchtige jüngere Funktionäre zu haben. Die Mustersatzung der Agrarbehörde in Tirol beabsichtigt im Wesentlichen, dass der gewählte Ausschuss der Agrargemeinschaft als wichtiger Entscheidungsträger für die Agrargemeinschaft aufgewertet wird. Neben der Wahl sind wichtige Aufgaben, wie die Verteilung von Ertragsüberschüssen, die Entschädigung der Funktionäre, die Errichtung von und die Beteiligung an erwerbswirtschaftlichen Unternehmen, die größeren Grundverkäufe, die zB über eine Bauplatzgröße hinausgehen, solche Angelegenheiten sollen von der Vollversammlung besorgt werden. Im Übrigen hat aber der Ausschuss als geschäftsführendes Organ der Agrargemeinschaft zu entscheiden. Der Obmann hat der Vollversammlung über die Wirtschaftsführung und Gebarung der Agrargemeinschaft genau Bericht zu geben; dieses Informationsrecht der Mitglieder in der Vollversammlung über die Wirtschaftsführung und die Gebarung der Agrargemeinschaften ist in der Satzung ausdrücklich festgeschrieben.

Die Agrarbehörde ist Streitinstanz, die Funktionäre der Agrargemeinschaften arbeiten durchwegs sehr verantwortungsvoll

Ausschussbeschlüsse müssen ordnungsgemäß kundgemacht werden. Gegen jeden Ausschuss- wie auch Vollversammlungsbeschluss kann ein Agrargemeinschaftsmitglied eine an die Agrarbehörde gerichtete Aufsichtsbeschwerde beim Obmann der Agrargemeinschaft einbringen. Die Agrarbehörde führt die Aufsicht über die Agrargemeinschaften. Das Mitglied kann aber auch Gemeinschaftsbeschlüsse bei der Agrarbehörde beeinspruchen. Über Einsprüche hat die Agrarbehörde im Streit aus dem Mitgliedschaftsverhältnis zwischen der Gemeinschaft und einem Einspruchswerber zu entscheiden. In der Praxis zeigt sich, dass die Agrargemeinschaften schon in der Lage sind, ihre Dinge selber zu ordnen und gegensätzliche Meinungen in eigenen Reihen und ohne den ständigen „Ruf“ nach Streitentscheidungen durch die Agrarbehörde auszukommen.

Insgesamt ist festzuhalten, dass die Funktionäre in den Agrargemeinschaften in unserem Land durchwegs verantwortungsbewusst ihre Aufgaben im Interesse der vielen Agrargemeinschaften, aber auch im landeskulturellen Interesse wahrnehmen. Die agrargemeinschaftliche Verwaltung wird effizient und für die Mitglieder zumeist reibungslos durchgeführt. Dafür gilt allen Funktionären und vor allem den Obleuten unserer Agrargemeinschaften Dank und Anerkennung.

Zusammenfassung

An der Allmendenutzung waren alle Siedler nach Haus- und Gutsbedarf beteiligt. Eine ähnliche Durchlässigkeit war bei der Verwaltung des Gemeindegutes durch die Gemeinden gegeben. Nach Haus- und Gutsbedarf konnte an den Nutzungen im Gemeindegutswald- und in den Gemeindegutsalmen, von den landwirtschaftlichen Betrieben der Gemeinde aus, teilgenommen werden. Freilich waren neben den landwirtschaftlichen Betrieben damals zB auch der Förster, der Schlosser, der Wirt, Kleinhäusler u. a. an der Gemeindegutsnutzung beteiligt. Als grundbücherliche Eigentümerin und Verwalterin des Gemeindegutes war die Gemeinde in der Lage, aus dem Gemeindegut auch eine gewisse Armenverwaltung zu besorgen. So konnte die Gemeinde Brennholz an Bedürftige oder auch einen Bauplatz und entsprechende Holzbezüge zum Hausbau an diejenigen vergeben, die es nötig hatten. Die Regelungen über das Gemeindegut in der Tiroler Gemeindeordnung, also im geltenden Gesetz, würden schon ausreichen, um das Gemeindegut weiterhin durch die politischen Gemeinden zu verwalten.

Bei uns wurden Regulierungsverfahren hinsichtlich des Gemeindegutes durch die Agrarbehörde durchgeführt. Man ging davon aus, durch Regulierungen für die Zukunft die Nutzungen für die Berechtigten in Regulierungsplänen festzuschreiben. Gleichzeitig wurde fast immer auch das bücherliche Eigentum von den politischen Gemeinden weg an die neu gegründeten Agrargemeinschaften übertragen. Damit sind die Agrargemeinschaften heute in die Lage versetzt, alle aus dem Eigentumsrecht am Grund und Boden fließenden Nutzungen und Erträge für sich zu vereinnahmen. Zur Zeit der Regulierung war in den Agrargemeinschaften noch ein geschlossener Kreis fast ausschließlich Bauern. In der späteren Entwicklung ist es allerdings anders gekommen: Heute sind in den Agrargemeinschaften leider oft nur mehr ein geringer Teil der Berechtigten tatsächlich auch Bauern. Die Agrargemeinschaften sind sich wohl auch bewusst, dass sie durchwegs über sehr große Immobilienwerte verfügen. Ihr Eigentumsgebiet reicht oft bis in die Dörfer und Siedlungen. Die Agrargemeinschaften verfügen auch über wichtige verwertbare Siedlungs- und Gewerbeflächen. In der örtlichen Raumordnung, in der Entwicklung der Raumordnung haben die Agrargemeinschaften bestimmenden Einfluss. Die Agrargemeinschaften sind fallweise bestrebt, neue Mitglieder nicht hereinzulassen. Fallweise soll dies mit allen Mitteln verhindert werden; Agrargemeinschaften streiten oft bis zu den Höchstgerichten, um neue Mitglieder in der Teilhabe an den agrargemeinschaftlichen Vermögenswerten abzuhalten.

Agrargemeinschaften versuchen, Vorkaufsrechte zugunsten der Agrargemeinschaft oder zugunsten jedes anderen Mitgliedes zu beschließen, wenn ein Anteilsrecht angeboten, d.h. verkauft werden wollte. So ist der Kreis von möglichen Anbietern von außen gleich null, weil sich niemand mit der Agrargemeinschaft als wirtschaftlich potenter Partnerin im Ankauf von Anteilen anlegen kann und möchte. Wollte man eine solche Entscheidung gutheißen, so könnte man hochrechnen, wann es so weit sein würde, dass nur mehr wenige (überwiegend nicht mehr Bauern!) in unseren Agrargemeinschaften „sitzen“ und diese wenigen und einzelnen über die doch beachtlichen Vermögenswerte der heutigen Agrargemeinschaften, über die ehemalige Allmende und über das ehemalige Gemeindegut, das früher noch für viele und alle in der politischen Gemeinde da war, alleine verfügen werden. Der Gesetzgeber hat hier versucht, etwas gegenzusteuern. Die Agrargemeinschaften werden in Zukunft nicht mehr in der Lage sein, nur durch Rechtsmittel eine agrarbehördliche Bewilligung zum Anteilserwerb hinauszuzögern. Es kann auch nicht Aufgabe der Agrargemeinschaften sein, im Wege von Mehrheitsbeschlüssen ihren Mitgliedern ein im Verkaufsfall für den Verkäufer nachteiliges Vorkaufsrecht aufzuzwingen.

Die Agrargemeinschaften sind interessante und wirtschaftlich durchwegs gut lebensfähige Personen-, Vermögens- und Sachgemeinschaften in unseren ländlichen Gemeinden. Die Agrargemeinschaften arbeiten als gut organisierte Wirtschaftskörper. Die Agrargemeinschaften sollen und müssen nicht „gratis“ tun. Die Agrargemeinschaften tragen aber in der örtlichen Gemeinschaft, „im Dorf“, in der Gemeinde ein gewisses Maß an sozialer Verantwortung. Wenn man die Wurzeln und das Herkommen der Gemeindeguts-Agrargemeinschaften etwas in Betracht zieht, dann wird dies zu tun, verantwortungsbewussten Funktionären und Mitgliedern in den vielen Agrargemeinschaften in unseren Gemeinden auch möglich sein.

Dr. Josef Guggenberger, Vorstand der Abteilung Agrarbehörde im Amt der Tiroler Landesregierung