1982: Systembruch im Agrarrecht

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Verfassungsrichter Karl Spielbüchler (Bild: VfGH/Achim Bieniek 2003; *1939 in Bad Ischl; † 2012 in Gosau) im Jahr 1976 (36) von Bruno Kreisky zum jüngsten Verfassungsrichter gemacht, verantwortete schon die „Mutter der Verkenntnis“ (Josef Kühne), das Erkenntnis VfSlg 9336/1982.
Der Tiroler Verfassungsrichter Dr. Andreas Saxer war Anfang der 1980er Referent für das Agrarrecht. Karl Spielbüchler sorgte dafür, dass Saxer mit seinem Referat zu den Beschwerdesachen „Gemeinschaftsgut Altenstadt, Feldkirch“ und „Gemeinschaftsgut Eggenwald, Innsbruck“, VfSlg 9336/1982 im Richtergremium durchfiel. Saxer dachte nicht im Entferntesten an eine Behauptung, wonach die Regulierung von „Gemeindegut“ verfassungswidrig sei. Ganz im Gegenteil: Als ehemaliger Vorsitzender im Tiroler Landesagrarsenat verantwortet Saxer ein mustergültiges Erkenntnis betreffend Agrargemeinschaft Trins, in dem die Entscheidungsbefugnis der Agrarbehörde und die Rechtsnatur des Gemeindeguts in das rechts Licht gerückt sind.
In Konsequenz des Scheiterns des Referates Saxer in der Sache VfSlg 9336/1982 konnte der „Roten Professor“ (Karl Spielbüchler über Karl Spielbüchler) das Referat in allen Angelegenheiten der Bodenreform an sich ziehen.
Spielbüchler nutzte die Gunst der Stunde und brachte „im Sturmangriff“ auf die Flurverfassung deren zentrale Bestimmung zu Fall – die Zuständigkeitsbestimmung für die Teilung und Regulierung des Gemeindeguts.
Spielbüchler trägt die Verantwortung, dass mit dem Erk VfSlg 9336/1982 die zentrale Gesetzesbestimmung im Flurverfassungsrecht, nämlich die Regulierung von „Gemeindegut“, als verfassungswidrig hingestellt wurde. Grundlage dafür war die falsche Fiktion, dass ein Gemeindegut notwendig ein Eigentum der Ortsgemeinde sein müsse.
Nachdem das Verkenntnis VfSlg 9336/1982 diese Lücke in das Flurverfassungsrecht gerissen hatte, wäre es die Aufgabe des Bundesgesetzgebers gewesen, binnen Jahresfrist das Flurverfassungs-Grundsatzgesetz zu sanieren. Dies ist nicht geschehen. Das Jahr 1982 fiel in die vierte Regierungsperiode von Bruno Kreisky, der Zeit der SPÖ-Alleinregierung. Warum auch immer: Die Einjahresfrist zur Sanierung des Gesetzes ist ohne Gesetzessanierung verstrichen. Der falsche Rechtssatz, wonach ein Gemeindegut ein Eigentum der Ortsgemeinde sein müsse blieb, in der Welt; hunderttausende Hektar Grund und Boden waren mit einem Schlag „kommunalisiert“.
Und so konnte sich der „Gemeindeguts-Irrtum“ verbreiten, wonach ein „Gemeindegut“ ein Eigentum der Ortsgemeinde sein müsse, weshalb die Regulierung und Teilung desselben verfassungswidrig sei. Die Auswirkungen dieses Erkenntnisses wurden noch nie untersucht. Als eines der Ergebnisse ist jedenfalls zu verzeichnen, dass neue Regulierungen oder Teilungen von gemeindeverwalteten Gemeinschaftsgütern zum Erliegen kam. Wie viele tausend ha Grund und Boden davon betroffen sind, wurde bis heute nicht erhoben.
Mit dem „Mieders-Verkenntnis“ 2008 (Josef Kühne) hat Karl Spielbüchler sechsundzwanzig Jahre später sein Zerstörungswerk am Bodenreformrecht zum Höhepunkt geführt.

 

1982: Systembruch im Agrarrecht.

Aus: „Josef Kühne/Bernd Oberhofer, Gemeindegut und Anteilsrecht der Ortsgemeinde – zugleich eine Besprechung des Erk VfSlg 9336/1982, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler/Raber, Die Agrargemeinschaften in Westösterreich, 2011, 237ff.

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1. Gemeindegut und Eigentum der Ortsgemeinde

Im Erk VfSlg 9336/1982 war der VfGH davon ausgegangen, dass ein Gemeindegut, das agrargemeinschaftlich genutzt  wird, durch das Gemeinderecht ex lege ausschließlich als Gut im Eigentum der Ortsgemeinde definiert sei.
Dies würde sich einerseits aus dem (angeblich) durch die Gemeindeordnungen geprägten Ausdruck „Gemeindegut“ ergeben, andererseits aus dem Hinweis im Flurverfassungs-Grundsatz-Gesetz (FlVerfGG 1951), wonach das „Gemeindegut“ in den Gemeindeordnungen definiert sei.

Das Flurverfassungsrecht würde dies nicht berücksichtigen und das Gemeindegut undifferenziert als Gemeinschaftseigentum der Nutzungsberechtigten behandeln, dh als Eigentum einer Agrargemeinschaft. Tatsächlich handle es sich jedoch um angebliches Eigentum der Ortsgemeinde, das wie ein Eigentum einer Agrargemeinschaft behandelt werde.
Im Zuge der agrarischen Operationen würden in Konsequenz die Ortsgemeinde und die übrigen Gemeindebürger gegenüber den Nutzungsberechtigten unsachlich benachteiligt. Es sei deshalb verfassungswidrig, Gemeindegut undifferenziert der agrarischen Operation zu unterwerfen. Die „Substanz“ müsste der Ortsgemeinde verbleiben.

a) Undifferenzierte Einbeziehung des Gemeindegutes?

Der VfGH führte dazu aus: Unter dem Gemeindegut (Ortschaftsgut, Fraktionsgut) iSd § 15 Abs 2 lit d FlVerfGG 1951 (ebenso gem den präjudiziellen Ausführungsgesetzen § 31 Abs 2 lit d VFLG 1979 sowie § 32 Abs 2 lit c TFLG 1978) sei jene Erscheinung zu verstehen, die in den früheren Gemeindeordnungen im Rahmen des Reichsgemeindegesetzes 1862 und den nachfolgenden Gemeindegesetzen geregelt war. Dies würde sich nicht nur aus dem durch die Gemeindeordnung geprägten Ausdruck „Gemeindegut“ ergeben, sondern auch aus dem Hinweis auf die Bestimmungen der Gemeindeordnungen im Grundsatzgesetz. Das Gemeindegut iSd Gemeindeordnungen sei aber nicht nur formell der Gemeinde zugeordnet, sondern auch in materieller Hinsicht Eigentum der Gemeinde und nur insofern beschränkt, als es mit bestimmten öffentlich-rechtlichen Nutzungsrechten einiger oder aller Gemeindeglieder belastet sei, sodass die Substanz und also auch der Substanzwert und ein allfälliger Überschuss der Nutzungen der Gemeinde als solcher zugeordnet bleibe.

Der VfGH sei der Meinung, dass das Bild des Gemeindegutes, das den Bodenreformgesetzen zugrunde liege, ein völlig anderes sei. Grundsatzgesetz wie Ausführungsgesetz würden das Gemeindegut im Ergebnis wie eine einfache agrargemeinschaftliche Liegenschaft behandeln, die im Eigentum der Nutzungsberechtigten (oder der von ihnen gebildeten Gemeinschaft) stehe. Dieses – im gemeinderechtlichen Befund nicht gedeckte – Bild der Bodenreformgesetze sei es, von dem auch die Tir. Landesregierung in ihrer Äußerung ausgehe; sie verkenne dabei, dass man bei diesem Bild nicht haltmachen dürfe, sondern auf die Regelungen des Gemeinderechtes zurückgreifen und die Auswirkung der mangelnden Übereinstimmung untersuchen müsse. Abzuleiten sei das Bild des Gemeindegutes, das sich der Bodenreformgesetzgeber gemacht habe, [aus] dem Zusammenhang der flurverfassungsrechtlichen Regelungen. Im Rahmen der Vorschriften über die Regulierung und Teilung sehe § 22 Abs 1 FlVerfGG vor, dass jeder Teilgenosse nach dem festgestellten Wert seines Anteiles an den agrargemeinschaftlichen Grundstücken Anspruch auf vollen Gegenwert tunlichst in Grund und Boden habe. Sodann bestimme Abs 2: „Der Gemeinde steht neben dem ihr etwa nach Abs 1 zustehenden Anspruch ein Anteilsrecht an dem agrargemeinschaftlichen Besitz auch dann zu, wenn sie in den öffentlichen Büchern als Eigentümerin diese Besitzes eingetragen ist oder wenn die Gemeinde für diesen Besitz die Steuern aus ihren Mitteln trägt. Dieses Anteilsrecht gebührt der Gemeinde aber nur dann, wenn sie über eine ihr etwa nach Abs 1 zustehende Berechtigung hinaus an der Benutzung teilgenommen hat, und wird mit einem Fünftel des Wertes des agrargemeinschaftlichen Besitzes bestimmt, insoweit nicht die Landesgesetzgebung eine höhere Anteilsberechtigung bis zur Höchstgrenze der tatsächlichen durchschnittlichen Benutzung durch die Gemeinde vorsieht.“ Bei der Regulierung habe nach § 23 FlVerfGG jede Partei Anspruch auf die wirtschaftlich zulässigen Nutzungen nach Verhältnis des festgestellten Anteilrechts. Hierbei würden nach Abs 3 für das Anteilrecht der Gemeinde die Bestimmungen des § 22 gelten. Ähnliche Bestimmungen würde (wie schon im Einleitungsbeschluss dargelegt wurde) das VFLG (§§ 46 Abs 2 und 57 Abs 2 lit a) enthalten. Wenn in diesen Bestimmungen die Rechtsstellung der Gemeinde hervorgehoben werde, müssen sie jedenfalls auch für das Gemeindegut gelten. Sie würden zeigen, dass die Bemessung der Anteile zum Zweck der Teilung auch hier in gleicher Weise erfolgte, wie zum Zweck der Regulierung. […] Ein verfassungsrechtliches Hindernis, das dem Bodenreformgesetzgeber die Teilung des Gemeindegutes schlechthin untersagen würde, ist auch gar nicht erkennbar. Wird der auf die Gemeinde fallende Wertanteil ebenso in Grund und Boden abgegolten wie die Nutzungsrechte, so steht das Eigentum der Gemeinde einer Teilung ebenso wenig entgegen wie sonst Privateigentum den bodenreformatorischen Maßnahmen. Art 5 StGG lässt dem Gesetzgeber in dieser Hinsicht einen großen Spielraum rechtspolitischer Entscheidungsfreiheit.

„Setzt man aber voraus, dass der Gesetzgeber schon im Hinblick auf die Teilungsmöglichkeit jeder Partei einen Anteil am Gemeindegut zugebilligt habe, die er – ohne Unterscheidung ihrer formalen Stellung – als materiell an der Liegenschaft beteiligt ansieht, so folge aus den genannten Vorschriften zwingend, dass nach der Vorstellung des Bodenreformgesetzgebers der Gemeinde ein materieller Anteil am Gemeindegut eben nur dann zukomme, wenn sie auch an der (widmungsgemäßen) Nutzung teilgenommen habe. Was sich also äußerlich als Sondervorschrift für die Gemeinden (und daher insbesondere für das Gemeindegut) gibt, gewährleistet in Wahrheit, dass die Gemeinde nur mit ihren (widmungsmäßigen) Nutzungen zum Zuge kommt, nicht mit ihrem (alleinigen) Recht an der Substanz. Mit dieser Schlussfolgerung stimme es dann vollkommen überein, wenn das Gemeindegut agrargemeinschaftlichen Grundstücken einfach gleichgehalten wird (§ 15 Abs 2 FlVerfGG, § 31 Abs 2 VFLG 1979). Denn wo das Grundstück selbst den Nutzungsberechtigten (oder der von ihnen gebildeten Gemeinschaft) zustehe, würden sich die Anteile erst recht in jeder Beziehung nach dem Verhältnis der Werte der jeweiligen Nutzungen bestimmen. Demgegenüber sei an der schon im Einleitungsbeschluss geäußerten und von den Landesregierungen geteilten Meinung festzuhalten, dass die Summe der widmungsmäßigen (land- oder forstwirtschaftlichen) Nutzungen keineswegs immer den Wert der Substanz ausschöpfe, sondern unter Umständen sogar sehr erheblich hinter diesem Wert zurückbleibe, sodass bei Außerachtlassung des Unterschiedes der Gemeinde ein wesentlicher Vermögenswert verloren geht.“

b) Kritik der Grundlagen des Erk VfSlg 9336/1982

Ausgangspunkt der Überlegungen im Erk VfSlg 9336/1982 bildete somit die Reduktion des Begriffes „Gemeindegut“ auf ein Gut im Eigentum der Ortsgemeinde. Dem entgegen würde das Flurverfassungsrecht jedoch inhaltlich das Gemeindegut als ein Gut im Eigentum einer Agrargemeinschaft verstehen und denselben Regeln unterwerfen wie denjenigen für agrargemeinschaftliche Liegenschaften im Eigentum der Nutzungsberechtigten. Dies, obwohl im Flurverfassungsrecht an den Begriff des Gemeindeguts im Sinne der Gemeindeordnungen angeknüpft würde. Aus der behaupteten Gleichbehandlung von Eigentum der Ortsgemeinde und Eigentum der Nutzungsberechtigten im Flurverfassungsrecht wurde die Gleichheitswidrigkeit der Einbeziehung des Gemeindeguts in das Flurverfassungsrecht abgeleitet. Eigentum der Ortsgemeinde würde einer Agrargemeinschaft zugeordnet oder unter die Nutzungsberechtigten verteilt.

Diesem Gedankengang liegen grundlegende inhaltliche und methodische Fehler zu Grunde.
Das Flurverfassungsrecht ordnet weder das Gemeindegut noch andere agrargemeinschaftliche Grundstücke undifferenziert einer Agrargemeinschaft zu, um dieses Eigentum in der Folge unter Umständen einer Teilung zu unterwerfen. Das Flurverfassungsrecht verlangt vielmehr eine Prüfung und Entscheidung der Eigentumsverhältnisse in jedem Einzelfall. Die Einbeziehung einer Liegenschaft in den Anwendungsbereich der agrarischen Operationen ist formaler Natur, welche die Zuständigkeit der Agrarbehörde mit dem Ziel, reformatorischer Feststellung und Entscheidung, nach sich zieht. Nur ein wahrer Eigentümer des agrargemeinschaftlichen Grundstückes kann im agrarbehördlichen Verfahren als Eigentümer festgestellt werden. Die Idee vom „Zwangstauschverfahren Eigentum gegen Anteilsrecht“ im Regulierungsverfahren nach dem Flurverfassungsrecht ist eine dem positiven Recht klar widersprechende Erfindung!

In diesem Zusammenhang muss auch die geschichtliche Entwicklung berücksichtigt werden. Die politische Ortsgemeinde hat mit ihrer Konstituierung auf der Grundlage des prov. GemG 1849 und der Landes-Ausführungsgesetze zum RGG 1862 – im Ergebnis aufgrund stillschweigender Anerkennung durch die Stammliegenschaftsbesitzer – Aufgaben wahrgenommen, welche funktional als Staatsaufsicht über die Agrargemeinschaft erscheinen. Anknüpfungspunkt war in vielen historischen Kronländern die Tatsache, dass die Gemeinschaftsliegenschaften in den öffentlichen Registern undifferenziert auf „Gemeinde“, „Fraktion“, „Ortschaft“ oder „Commune“ uä registriert waren und dass diese Begriffe mit Konstituierung der Ortsgemeinden im öffentlich-rechtlichen Sinn ausgelegt wurden. In Reaktion auf das FlVerfGG 1931 hat das Gemeinderecht der Länder jedoch das Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung aus dem Gemeindegutsbegriff im Allgemeinen ausdifferenziert und ausdrücklich der Flurverfassung unterstellt. Dies in Anerkennung der geschichtlichen Entwicklung, welche eine korrekte Differenzierung in den Eigentumsverhältnissen nicht zugelassen hatte. Die Landesgemeindegesetzgeber haben diesem Umstand Rechnung getragen, indem sie gerade nicht undifferenziert von wahrem Eigentum der Ortsgemeinde ausgegangen sind, sondern in den Gemeindeordnungen ausdrücklich anerkannten, dass die wahren Eigentumsverhältnisse am Gemeindegut, insoweit es in agrargemeinschaftlicher Nutzung stand, in jedem Einzelfall von Fall zu Fall geprüft werden müssen. Hiefür zuständig sollten die Agrarbehörden im Vollzugsbereich des Flurverfassungsrechts sein.

2. Inhaltliche Einwände gegen Erk VfSlg 9336/1982

Schwer wiegen die Einwände inhaltlicher Art gegen die Gedankenführung im Erk Slg 9336/1982, weil Grundsätze des Bodenreformrechts verkannt und das Recht der Teilung und Regulierung von Gemeinschaftsliegenschaften mit dem Recht der Ablösung von land- und forstwirtschaftlichen Nutzungsrechten („Servitutenregulierung“) unzulässig vermengt wurden. Der Anwendungsbereich des Teilungs- und Regulierungsrechts für Gemeinschaftsliegenschaften, wie er bereits im TRRG 1883 zu Grunde gelegt und in § 15 TRRG 1883 iVm § 1 Servitutenpatent 1853 abgegrenzt wurde, ist verkannt worden, weil das Erk VfSlg 9336/1982 die Agrargemeinschaft – entgegen den Rechtsgrundlagen – als Eigentumsgemeinschaft und nicht als Besitz- und Nutzungsgemeinschaft verstanden hat. Unbeachtet blieben die Motive für die Einrichtung der Agrarbehörden und deren Zweck, als ausschließlich zuständige Behörden über die Eigentumsverhältnisse an den Gemeinschaftsliegenschaften zu entscheiden. Schließlich wurde auch verkannt, dass das Gemeinderecht das Gemeindegut im Allgemeinen vom Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung streng unterscheidet und die rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse am Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung ausdrücklich dem Vollzug des Flurverfassungsrechtes unterstellt.

a) Die Eigentumsfrage und die Agrargemeinschaft

Im Gedankenduktus des Erk Slg 9336/1982 wird dem Bodenreformgesetzgeber zu Unrecht zum Vorwurf gemacht, er hätte bei den verschiedenen Ausformungen agrargemeinschaftlicher Liegenschaften die erforderliche Differenzierung nach den Eigentumsverhältnissen unterlassen. Dabei wurde das Wesen der Agrargemeinschaft als Besitz- und Nutzungsgemeinschaft verkannt. Dieser grundlegende Fehler ist bereits im Beschluss auf Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens angelegt.

Aus dem Einleitungsbeschluss zu VfSlg 9336/1982: Ohne besondere Bezugnahme auf das Gemeindegut ordne das VFLG für agrargemeinschaftliche Grundstücke an, dass die Anteilsberechtigten […] eine Agrargemeinschaft bilden (§ 32 Abs 1), dass Agrargemeinschaften aus mindestens fünf Mitgliedern als Körperschaften öffentlichen Rechtes zu organisieren seien (§ 32 Abs 2) und dass die Behörde festzustellen habe, welche Liegenschaften agrargemeinschaftlich seien und wem sie gehören, insbesondere, ob das Eigentum daran mehreren Teilgenossen als Miteigentum oder einer körperschaftlich eingerichteten Agrargemeinschaft zustehe (§ 33 Abs 1 VFLG entsprechend § 17 Abs 1 FlVerfGG). Diese Vorschriften seien indessen nur ein erster – den folgenden Weg maßgeblich bestimmender – Schritt zur Ordnung der rechtlichen Verhältnisse an den betroffenen Grundstücken. Eine solche Ordnung könne nicht nur durch Regulierung der gemeinschaftlichen Nutzungs- und Verwaltungsrechte, sondern auch durch die Teilung erfolgen (§ 36 Abs 1 VFLG, entsprechend § 19 FlVerfGG), bei welcher Teilflächen den Teilgenossen ins Eigentum übergeben würden (§ 36 Abs 2 FlVG, entsprechend § 20 Abs 1 FlVerfGG), so zwar, dass eine Hauptteilung unter anderem zur Auseinandersetzung zwischen der Gemeinde und einer agrarischen Gemeinschaft führe (§ 36 Abs 4 FlVG, entsprechend § 20 Abs 2 FlV-GG).
„In ihrem Zusammenhang entnimmt der VfGH diesen Vorschriften vorläufig, dass Gemeindegut als agrargemeinschaftlicher Grund einer Gemeinschaft zugeordnet werden soll, die entweder aus den Nutzungsberechtigten mit Einschluss der Gemeinde oder aus der Gemeinde einerseits und einer Agrargemeinschaft der Nutzungsberechtigten andererseits besteht, und sodann unter Umständen einer Teilung unterworfen wird, bei der den in der Agrargemeinschaft vereinigten Teilhabern Eigentum an einer Teilfläche übertragen wird.“ Daraus würde zwangsläufig folgen, dass bei der Feststellung des Eigentums am Gemeindegut iS des § 33 Abs 1 Miteigentum der Gemeinde und der Nutzungsberechtigten bzw einer Agrargemeinschaft der Nutzungsberechtigten angenommen werden müsse. „Andernfalls wäre weder der Bestand einer Agrargemeinschaft mit der Gemeinde feststellbar, noch ein Grund für eine allfällige Teilung (Hauptteilung) zu erkennen.“

Zusammengefasst will das Erk VfSlg 9336/1982 den Bestimmungen des Flurverfassungsrechts entnehmen, dass im Regulierungsverfahren Gemeindegut (= Eigentum der Ortsgemeinde) einer Agrargemeinschaft zugeordnet und sodann unter Umständen einer Teilung unterworfen würde. Dem Flurverfassungsrecht ist jedoch die „Zuordnung“ von Eigentumsrechten fremd. Das Flurverfassungsrecht befasst sich mit der bestehenden Agrargemeinschaft (= Summe von Rechtspositionen der Nutzungsberechtigten an einer Liegenschaft). Diese Agrargemeinschaft ist entweder Eigentümerin oder sie ist es nicht. Nur die bestehende Rechtsposition der Agrargemeinschaft wird reformatorisch gestaltet. Gesetzlich besteht kein Anhaltspunkt für die Ausweitung dieser Rechtsposition zu Lasten Dritter oder zu Lasten eines Mitgliedes der Agrargemeinschaft im Regulierungsverfahren. Ebenso wenig besteht ein gesetzlicher Anhaltspunkt dafür, dass Eigentum der Ortsgemeinde auf eine Agrargemeinschaft übertragen werden soll.

Wie im Erk einleitend zu Recht festgestellt wurde, nehmen die Regelungen betreffend die Feststellung der Anteilrechte – sei es für den Fall der Teilung oder für den Fall der Regulierung der Nutzungs- und Verwaltungsrechte – keinen Bezug auf den Tatbestand „Gemeindegut“. Dieser Tatbestand dient nur zur Definition der sachlichen Zuständigkeit der Agrarbehörden im Teilungs- und Regulierungsrecht (§ 33 TFLG 1996). Genauso wenig nehmen diese Regelungen Bezug auf andere Erscheinungsformen bzw. Tatbestände agrargemeinschaftlicher Liegenschaften – weder auf die beiden „Generaltatbestände“ gem § 15 Abs 1 lit a und b FlVerfGG 1951, noch auf die Spezialtatbestände gem § 15 Abs 2 FlVerfGG 1951 bzw in den entsprechenden Bestimmungen der Ausführungsgesetze (in Tirol eben § 33 TFLG 1996). Dem Gesetz kann deshalb nicht unterstellt werden, dass jede Erscheinungsform von agrargemeinschaftlich genutzten Liegenschaften zwingend und undifferenziert allen Varianten der agrarischen Operation zugänglich ist. Der Gesetzgeber hat auch keinesfalls zu Ausdruck gebracht, dass jede derartige Liegenschaft zwingend und undifferenziert einem Teilungsverfahren unterworfen werden könnte und schon gar nicht, dass alle agrargemeinschaftlich genutzten Liegenschaften Eigentum der nutzungsberechtigten Agrargemeinschaft wären.

Selbst im Einleitungsbeschluss zum Gesetzesprüfungsverfahren VfSlg 9336/1982 wurde darauf hingewiesen, dass die Agrarbehörde festzustellen habe, wem eine agrargemeinschaftlich genutzte Liegenschaft gehört. Wie Pernthaler überzeugend hervorhebt, enthält das Teilungs- und Regulierungsrecht gem dem zweiten Hauptstück des TFLG (seit jeher) allgemeine Bestimmungen, „die im Zuge aller nach diesem Hauptstück durchzuführenden Bodenreformmaßnahmen anzuwenden sind.“ „Als Grundlage des Regulierungsverfahrens hat die Agrarbehörde die agrargemeinschaftlichen Liegenschaften festzustellen (§ 38 Abs 1 erster Tatbestand TFLG 1996). Spätestens im Zuge der Entscheidung über den Regulierungsplan hat die Agrarbehörde auch über die Eigentumsverhältnisse am Regulierungsgebiet zu entscheiden (§§ 65 Abs 2 lit b iVm 38 Abs 1 zweiter Tatbestand TFLG 1996).“ Unter diesen Voraussetzungen kann und darf man dem Gesetzgeber nicht unterstellen, er hätte die Übertragung von fremdem Eigentum auf eine Agrargemeinschaft vorgesehen. Wozu sollen die Eigentumsverhältnisse festgestellt werden, wenn in der Folge undifferenziert „umgegründet“ wird? Wozu nach dem Eigentümer forschen, wenn der Eigentümer in der Folge sein Eigentum undifferenziert zu Gunsten der Nutzungsgemeinschaft verliert? Nichts anderes gilt für den Fall des Teilungsverfahrens. Dem Bodenreformgesetzgeber darf nicht ernstlich unterstellt werden, er hätte die Aufteilung von fremdem Eigentum unter den Anteilsberechtigten vorgesehen. Dies ergibt sich schon aus einer einfachen Wortinterpretation des Rechtsbegriffes „Teilung“. Wo in der Österreichischen Rechtsordnung finden sich Anhaltspunkte dafür, dass eine Behörde von Gesetzes wegen veranlasst würde, Liegenschaftsvermögen auf Nichtberechtigte zu verteilen? „Teilungsverfahren“ können denkmöglich nur unter Mitberechtigten durchgeführt werden. Die „verfassungskonforme Interpretation“ als „ultima ratio“, muss für derart selbstverständliche Auslegungsergebnisse nicht einmal bemüht werden – ungeachtet dessen diese selbstverständlich fruchtbar zu machen wäre, bevor dem Gesetz ein offenkundig gleichheitswidriger Sinn unterstellt wird.

Gerade anhand des Falles von agrargemeinschaftlich genutztem „Gemeindegut“ hatte der historische Gesetzgeber in den Materialien zum TRRG 1883 breit erörtert, dass die auf Teilung oder Regulierung abzielenden agrarischen Operationen Liegenschaften zu Gegenstand hätten, deren Eigentumsverhältnisse nicht weniger unklar seien, als die Nutzungsverhältnisse. Auch im Fall von Gemeinschaftsliegenschaften, welche unter den Bezeichnungen „Gemeindegut“ oder „Gemeingut“ oder wie immer in den Organen der Ortsgemeinden verwaltet wurden, sollte die Agrarbehörde die Eigentumsverhältnisse aufklären und im Streitfall entscheiden. Wie gezeigt, ging es dem historischen Gesetzgeber des TRRG 1883 gerade auch darum, Behörden einzurichten, welche über die allenfalls strittige (Vor-)Frage entscheiden, wem eine Gemeinschaftsliegenschaft gehört? Dieses Motiv des historischen Gesetzgebers war nicht etwa eine Art Randbemerkung in der historischen Debatte. Die Eigentumsfrage bei Gemeinschaftsliegenschaften war eine der „brennenden Fragen“ des Wirtschaftslebens im 19. Jhdt. Diese Frage und deren Aufklärung hatte in den 70er Jahren des 19. Jhdts gleich mehrere umfangreiche Untersuchungen motiviert.

Carl Peyrer, k.k. Ministerialrat im Ackerbauministerium, fasste in seiner Privatarbeit zu den Eigentums- und Nutzungsverhältnissen an den Gemeinschaftsliegenschaften die Situation aus der Sicht des Jahres 1877 trefflich zusammen. „In der Praxis begegnet man aber derzeit noch einer kaum glaublichen Sorglosigkeit und einer völligen Unklarheit und Verwirrung in den Bezeichnungen wie in den Begriffen, wenn es sich darum handelt, die Eigentumsverhältnisse bei gemeinschaftlich benutzten Grundstücken anzugeben, selbe in statistische Nachweisungen, in den Steuerkataster, in Gemeinde-Inventare, ja selbst in Erkenntnisse der Behörden, in die Grundbücher einzutragen, Verfügungen darüber vom Standpunkte des Verwaltungsrechtes zu treffen, Teilungsverhandlungen einzuleiten oder zu genehmigen, die Verwaltung zu regeln oder andere öffentliche Akte darüber vorzunehmen.“ Auf diesen Vorarbeiten Peyrers hat der Reichsgesetzgeber aufgebaut: Die Absicht, eine politische Behörde einzurichten, welche sich den ungeklärten Rechtsverhältnissen auch (!) an den sog. „Gemeindegründen“ widmen soll, stand im Mittelpunkt gesetzgeberischer Überlegungen. „Ob ein Grundstück ein Gemeindevermögen, ein Gemeindegut oder ein Gemeinschafts- (Gesamt-)Vermögen einer Nutzungsgemeinschaft bilde, muß von Fall zu Fall beurteilt werden und lassen sich insbesondere die beiden letzteren Eigentumskategorien nur sehr schwer voneinander unterscheiden.“ (Carl Peyrer, Die Regelung der Grundeigentums-Verhältnisse, 23)

Aus der umfangreichen Debatte der Abgeordneten zum Reichstag, die sich aus Anlass der Beschlussfassung über das TRRG 1883 mit dieser Aufgabenstellung an die Agrarbehörde ausführlich auseinander setzten, sei eine Äußerung des Abgeordneten Dr. Johann Zak herausgehoben, als Notar und Advokat, Berichterstatter des „Commassionsausschusses“ und Mitglied des Böhmischen Landesausschusses, jedenfalls keine unbedeutende Stimme unter den Abgeordneten. „Was die Ausführungen des Herrn Regierungsvertreters betrifft, so stimme ich ihm vollkommen bei. Namentlich bin ich seiner Ansicht, wenn er sagt, es sei eigentlich die Vorfrage, was für ein Vermögen es sei, um das es sich im gegebenen Fall handelt, die schwierigste. Diese Vorfrage wird von den Landesausschüssen und Gerichten verschieden beurteilt und entschieden, ja man kann sagen, es gibt so viele Ansichten, als Entscheidungen. Man hat sehr oft vollen Grund, sich über die Entscheidungen des Landesausschusses und der Gerichte namentlich darüber zu wundern, wem das strittige Vermögen zugewiesen wurde. Wenn wir es bei der bisherigen Judikatur der politischen oder Gerichtsbehörden bewenden lassen, werden wir in diese verworrenen Verhältnisse niemals eine Ordnung bringen. Es muss bezüglich dieser Sachen einmal tabula rasa gemacht werden, und es ist hoch an der Zeit, solche Sachen, welche nur den Zwist in den Gemeinden nähren, sobald als möglich aus der Welt zu schaffen. Was die Gemeindeordnungen und insbesondere die böhmische Gemeindeordnung betrifft, so kann ich in der Tat sagen, dass ich in derselben fast gar keinen Anhaltspunkt für die Entscheidung dieser Frage finde. Wenn man sich auf die bisherige unangefochtene Übung beruft und nach dieser entscheidet, so ist dass ganz gewiss eine sehr hinfällige Basis.“

Die Äußerung des Regierungsvertreters, auf welche Dr. Johann Zak hier Bezug genommen hat, liest sich folgendermaßen: „Der Grund, warum überhaupt dieses Gesetz auch diese Grundstücke, nebst den so genannten Klassenvermögen also auch das Gemeindegut einbezogen hat, ist einfach der, weil nach den Erfahrungen, welche in einer Reihe von Ländern gemacht worden sind, die sehr vagen Bestimmungen der Gemeindeordnung, welche ja bloß auf die unangefochtene Übung hinweisen […] nicht hinreichend sind. Schon die einfache Vorfrage, ob ein solches Grundstück ein Grundstück der Gemeinden oder ein Grundstück einer Klasse von Gemeindeangehörigen sein wird, ist ja eine ungemein schwierig zu lösende Frage, und zwar eine Frage, die nicht bloß merital schwierig zu lösen ist, sondern schon dann Schwierigkeiten bietet, wenn man einfach um die Kompetenz frägt, wenn man sicheren Aufschluss haben will, wer eigentlich kompetent sei, in dieser Frage zu entscheiden?“

Die Agrarbehörden hatten somit gerade die Aufgabe, die Eigentumsverhältnisse an den Gemeinschaftsliegenschaften zu klären. Konsequenterweise wurde in den Ausführungsgesetzen zum FlVerfGG 1932, in Tirol mit Inkrafttreten des TFLG 1935, obligatorisch vorgeschrieben, in jedem Regulierungsfall die Eigentumsverhältnisse am agrargemeinschaftlichen Liegenschaftsvermögen zu prüfen und über die Eigentumsverhältnisse abzusprechen. Diese Behördenverfahren führten mit rechtskräftiger Entscheidung zur Feststellung, wer Eigentümer der agrargemeinschaftlichen Liegenschaft war und ist. Keines der Flurverfassungs-Landesgesetze gibt einen Anhaltspunkt dafür, einen Eigentumstitel vermitteln zu wollen oder zu können. Das Flurverfassungsrecht setzt Eigentumsverhältnisse voraus; die Behörde hatte entsprechend den wahren Eigentumsverhältnissen zu entscheiden. Den Beteiligten stand es freilich frei, im Rahmen eines Parteienübereinkommens auch über die Eigentumsverhältnisse zu disponieren. Die Grundlage für die Feststellung der Eigentumsverhältnisse durch die Agrarbehörde konnte so privatautonom vorgegeben werden. Der Vorwurf im Erk VfSlg 9336/1982 an das Flurverfassungsrecht, es würde zwischen Eigentum einer Agrargemeinschaft und Eigentum von Dritten, konkret dem öffentlichem Eigentum der Ortsgemeinden einerseits und Eigentum einer Agrargemeinschaft andererseits nicht unterscheiden, erweist sich somit als gänzlich unberechtigte Unterstellung.

b) Ablösung des Grundeigentums zu Gunsten der Agrargemeinschaft?

Das Erk VfSlg 9336/1982 gründet auf dem weiteren Gedanken, dass das Flurverfassungsrecht sich mit der Auflösung des Konfliktes zwischen Nutzungsberechtigten und den Eigentümern nutzungsbelasteter Liegenschaft befassen wolle. Dies sei in der Form geschehen, dass der Eigentümer abgelöst und mit einem Anteilrecht an der Agrargemeinschaft entsprechend seiner Nutzungsquote abgefunden würde. Auch dieser Gedanke findet im Gesetz keine Grundlage. Der Irrtum ist auch in diesem Fall bereits im Einleitungsbeschluss zum Gesetzesprüfungsverfahren VfSlg 9336/1982 angelegt, wenn dort wie folgt ausgeführt wird:

„Nun hat der Gerichtshof zwar verfassungsrechtliche Bedenken weder gegen den Bestand von unmittelbaren Nutzungsrechten am Gemeindegut noch gegen die Bildung öffentlich-rechtlicher Körperschaften der Nutzungsberechtigten, auch wenn daran nicht alle Gemeindemitglieder teilnehmen, und er hält vorläufig auch die Umwandlung öffentlich-rechtlicher Nutzungsrechte in Privatrechte für zulässig. Selbst die auf den ersten Blick willkürlich anmutende Abgrenzung des Kreises der Nutzungsberechtigten scheint ihm mit Rücksicht auf den mehr als hundertjährigen Bestand der Nutzungsrechte und den Umstand, dass sie ungeachtet der öffentlich-rechtlichen Regelung der Einzelbefugnisse in ihrer jeweiligen Gesamtheit sowohl nach ihrer Herkunft als auch nach ihrer wirtschaftlichen Bedeutung privatrechtlichen Befugnissen ähnlich sind […] grundsätzlich sachlich und damit verfassungsrechtlich unbedenklich zu sein. Er sieht vorläufig auch kein Hindernis dafür, dass die Ordnung der Rechtsverhältnisse am überkommenen Gemeindegut – also von Nachwirkungen der alten Agrargemeinde – als Angelegenheit der Bodenreform behandelt und der Vollziehung durch Agrarbehörden überantwortet wird.
Bedenken hat der Gerichtshof aber gegen die schematische Verwandlung bloßer Nutzungsrechte an öffentlichen Sachen in Anteilsrechte an der Gemeinschaft und damit in eine Teilhabe an der Substanz. Die undifferenzierte Einbeziehung des Gemeindegutes in eine auf bestehende agrarische Gemeinschaften abgestellte Regelung scheint nämlich durch Gleichsetzung von Nutzungsrechten und Anteilen den Inhalt der Rechtspositionen ohne sachliche Rechtfertigung zu erweitern: Während den in einer Agrargemeinschaft zusammengefassten Anteilsberechtigten die Sache selbst zusteht, ist den am Gemeindegut Berechtigten nur die widmungsmäßige und das heißt: nur eine bestimmte beschränkte, nicht alle möglichen Verwendungsweisen der Sache umfassende Nutzung (im vorliegenden Fall etwa der Bezug von Holz) zugewiesen. […] Die undifferenzierte Einbeziehung des Gemeindegutes in die Ordnung agrargemeinschaftlicher Grundstücke scheint also nicht etwa deren Regulierung oder Ablöse nach dem Muster des Gesetzes RGBl 130/1853 herbeizuführen, sondern aus öffentlich-rechtlichen Nutzungsrechten über ihren tatsächlichen Wert hinaus Anteile an der Substanz zu machen. Es scheint daher, dass sie als sachlich nicht gerechtfertigte Bevorzugung einzelner Gemeindebürger dem Gleichheitssatz widerspricht.“

Tatsächlich wollte sich das Teilungs- und Regulierungsrecht und das daraus hervorgegangene Flurverfassungsrecht nicht mit dem Spannungsverhältnis zwischen Grundeigentum und Nutzungsberechtigungen befassen. Solches zu unterstellen käme dem Ignorieren historischer Fakten gleich. Nur die gemeinschaftlichen Besitz- und Nutzungsverhältnisse sind Regelungsgegenstand des Teilungs- und Regulierungsrechts. Die Abgrenzung der Regelungsmaterie „Teilung und Regulierung von Gemeinschaftsliegenschaften“ in § 15 TRRG 1883 zur Regelungsmaterie „Ablösung und Regulierung landwirtschaftlicher Nutzungsrechte“ (Servitutenpatent 1853) macht dies deutlich. Konsequenterweise hat der Grundsatzgesetzgeber mit Kundmachung der Bundesregierung vom 13. Februar 1951 über die Wiederverlautbarung von Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der Bodenreform die Auseinandersetzung gemeinschaftlicher Besitz- und Nutzungsverhältnisse im Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951 erfasst, wohingegen die Auseinandersetzung des Eigentümers mit den Nutzungsberechtigten im Grundsatzgesetz 1951 über die Behandlung der Wald- und Weidenutzungsrechte sowie besonderer Felddienstbarkeiten geregelt wurde. Nach geltendem Recht werden auch heute noch Nutzungsrechte auf fremdem Grund und Boden abgelöst oder reguliert. Eine „Ablösung des Eigentümers“ zu Gunsten einer „Agrargemeinschaft der Nutzungsberechtigten“ ist dem österreichischen Recht vollkommen fremd, genauso wie ein „Zwangstausch Eigentum gegen Anteilsrecht“.

Diese Prinzipien des Bodenreformrechts wurden im Erk VfSlg 9336/1982 ignoriert. Das Erk geht davon aus, dass das Eigentum Dritter, konkret das Eigentum einer politischen Ortsgemeinde, der Regulierung und der Teilung unterworfen würde. Das Erk VfSlg 9336/1982 unterstellt den Vorschriften des Flurverfassungsrechts „in ihrem Zusammenhang“ zu Unrecht, das Eigentum einer Ortsgemeinde einer Agrargemeinschaft zuzuordnen und sodann unter Umständen einer Teilung zu unterwerfen.

Das Erk VfSlg 9336/1982 dazu: „Wenn in diesen Bestimmungen [Anm: des Flurverfassungsrechts] die Rechtsstellung der Gemeinde hervorgehoben wird, müssen sie jedenfalls auch für das Gemeindegut gelten. Sie zeigen, dass die Bemessung der Anteile zum Zweck der Teilung auch hier in gleicher Weise erfolgt wie zum Zweck der Regulierung. […] Ein verfassungsrechtliches Hindernis, das dem Bodenreformgesetzgeber die Teilung des Gemeindegutes schlechthin untersagen würde, ist auch gar nicht erkennbar. Wird der auf die Gemeinde fallende Wertanteil ebenso in Grund und Boden abgegolten wie die Nutzungsrechte, so steht das Eigentum der Gemeinde einer Teilung ebenso wenig entgegen wie sonst Privateigentum den bodenreformatorischen Maßnahmen. Art 5 StGG lässt dem Gesetzgeber in dieser Hinsicht einen großen Spielraum rechtspolitischer Entscheidungsfreiheit.“

Inhaltlich betreffen diese Ausführungen im Erk VfSlg 9336/1982 eindeutig den Sachgegenstand der „Auseinandersetzung eines Eigentümers mit den Nutzungsberechtigten“. Mit dieser Materie befasst sich jedoch Art III. des Grundsatzgesetzes 1951 über die Behandlung der Wald- und Weidenutzungsrechte. Die Rechtsgrundlagen dazu zielen freilich gerade nicht auf eine Ablöse des Eigentümers – ganz im Gegenteil: Die Wald- und Weidenutzungsrechte auf fremdem Grund und Boden sollen nach Möglichkeit abgelöst werden! Die Nutzungsberechtigten unterliegen der Ablösung, mögen diese eine Agrargemeinschaft bilden oder nicht.
Den Gedanken, dass der Eigentümer im Servitutenablösungsverfahren nur soviel Anteil an Grund und Boden erhielte wie es seinem bisherigen Nutzungsanteil entsprochen hat, wird jedermann entrüstet von sich weisen. Das Erk VfSlg 9336/1982 unterstellt jedoch dem Teilungs- und Regulierungsrecht nach der Flurverfassung, solches vorzusehen. Mit diesen Ausführungen wird im Ergebnis die den Agrarbehörden in sämtlichen Ausführungsgesetzen zum FlVerfGG 1932 vorgeschriebene Entscheidung über die Eigentumsverhältnisse am agrargemeinschaftlich genutzten Grundstück verleugnet. Die dem Teilungsverfahren zwingend vorausgegangene Entscheidung der Eigentumsfrage wird ignoriert. Die Gefahr, dass die Ortsgemeinde oder ein anderer Eigentümer seine Rechtsposition im Regulierungs- und Teilungsverfahren nach Flurverfassungsrecht undifferenziert an die Agrargemeinschaft verlieren könnte, hatte in Wahrheit nie bestanden. Das Teilungs- und Regulierungsrecht trifft nämlich die erforderliche Differenzierung, indem es der Agrarbehörde in jedem Regulierungsverfahren auferlegt, den wahren Eigentümer der Gemeinschaftsliegenschaft festzustellen. Die Ermittlung der Anteilrechte an der Agrargemeinschaft (als Gemeinschaft der Nutzungsberechtigten) steht mit der Frage, wer Eigentümer der Liegenschaft ist, in keinem Zusammenhang.

c) Begriffsprägung durch die Gemeindeordnungen?

Das Erk VfSlg 9336/1982 operiert des Weiteren mit der Behauptung, dass der Ausdruck „Gemeindegut“ durch die modernen Gemeindeordnungen „geprägt“ sei. Diese These steht in offenkundigem Widerspruch zur historischen Wahrheit. Das Begriffspaar „Gemeindegut“ und „Gemeindevermögen“ findet sich ua bereits im Urentwurf zum ABGB aus der Feder des Tirolers Karl Anton von Martini, vorgelegt im Jahr 1796. Mit Hilfe dieses Begriffspaares wurde das Eigentum der Gemeinde als Gesellschaft der Nutzungsberechtigten definiert. Mit Inkrafttreten des ABGB im Jahr 1812 wurde der Ausdruck „Gemeindegut“ in § 288 ABGB als Fachterminus gesetzlich verankert, um innerhalb des Eigentums der Gemeinde als Gesellschaft der Nutzungsberechtigten zu unterscheiden. Das ABGB 1811 hatte die „Gemeinde“ als historische Gesellschaftsform der Nutzungsberechtigten nach den „Landesverfassungen“ vorgefunden und diese (rudimentär) im Gesetz geregelt.

Der Rechtswissenschaft ist inhaltlich der Begriff „Gemeindegut“ freilich bereits viel früher geläufig. Beispielsweise unterscheidet der Codex Theresianus das öffentliche Eigentum des Staates bei den Gemeinden vom zivilrechtlichen Eigentum der Gemeinde „als sittliche Person“, die auf einem Zusammenschluss von wenigstens drei natürlichen Personen gründete. Für diesen Zusammenschluss von wenigstens drei natürlichen Personen, welche „die Gemeinde“ bilden, ist eine privatautonome Entscheidung zu unterstellen, auch wenn im Einzelfall möglicherweise (modern gesprochen) „Kontrahierungszwang“ bestand (vgl eine „Mühlengemeinde“ einerseits und eine „Verarchungsgemeinde“ andererseits). Das Privateigentum der Gemeinde als Gesellschaft der Nutzungsberechtigten war „entweder der Gemeinde selbst mit Ausschließung einzelner Mitglieder vorbehalten“ („Kammerei“) oder „allen einzelnen Mitgliedern gemein“. Schließlich kannte der C.TH. auch solche Sachen, „wo in dem Gebrauch eine Vorzüglichkeit gewissen Mitgliedern vor anderen nach Ordnung der Gemeinde“ zustünde, „deren Nutzen und Gebrauch nicht der Gemeinde allein oder allen ihren Mitgliedern, sondern nur gewissen Personen derselben zukäme“.

Der Begriff „Gemeindegut“ wurde somit in der Zivilrechtswissenschaft entwickelt; dies lange bevor die Organisierung der heutigen politischen Ortsgemeinden in Angriff genommen wurde. Dass das öffentliche Recht im Allgemeinen oder das Recht der modernen Ortsgemeinden einen substanziellen Beitrag zur Entwicklung des Begriffes „Gemeindegut“ geleistet hätte, dass das öffentliche Recht im Allgemeinen oder das Recht der modernen Ortsgemeinden den Begriff „Gemeindegut“ „prägten“, ist mit Blick auf die dogmengeschichtliche Entwicklung schlicht zu verneinen.

d) Der Gemeindegutsbegriff des Gemeinderechts

Zu verwerfen ist schließlich die Behauptung im Erk VfSlg 9336/1982, dass das Recht der heutigen Ortsgemeinde den Begriff „Gemeindegut“ als Gut im Eigentum der Ortsgemeinde definiere. Die Behauptung, dass das Flurverfassungsrecht und das Gemeinderecht ein identisches Begriffsverständnis voraussetzen würden, führte im Erk VfSlg 9336/1982 zu der weiteren Folgerung, dass zwingend auch das Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung ein Gut im Eigentum der Ortsgemeinde sei. Das Gemeindegut iSd Gemeindeordnungen – so die Ausführungen im Erk VfSlg 9336/1982 – sei nämlich nicht nur formell der Gemeinde zugeordnet, sondern auch in materieller Hinsicht Eigentum der Gemeinde, sodass „die Substanz und also auch der Substanzwert und ein allfälliger Überschuss der Nutzungen“ der Gemeinde als solcher zugeordnet bleibe. Diese Behauptung im Jahre 1982, ausgesprochen für das im Jahr 1982 geltende Gemeinderecht, läuft jedoch ebenfalls der historischen Wahrheit klar zuwider.

Sowohl das Teilungs- und Regulierungsrecht (später als „Flurverfassungsrecht“ bezeichnet), als auch das Gemeinderecht haben in Wahrheit eine Entwicklung durchlaufen. Die Behauptung, beide Rechtsmaterien hätten mit einem identen und einheitlichen Gemeindeguts-Begriff operiert, ist nicht nur grob vereinfachend, sondern im Ergebnis schlicht falsch.

aa) Gemeindegut nach den Gemeindeordnungen 1863 bis 1866

Das Gemeinderecht hat in der ursprünglichen Fassung die privaten Gemeinschaftsliegenschaften sowie die privaten gemeinschaftlichen Nutzungsrechte eindeutig vom Zuständigkeitsbereich der neuen Ortsgemeinden abgegrenzt. Die Eigentumsverhältnisse überhaupt und insbesondere das gemeinschaftliche Privateigentum ganzer „Klassen von Gemeindegliedern“ sowie die privaten Nutzungsrechte solcher „Klassen“ sollten durch das moderne Recht der Ortsgemeinde nicht berührt werden. Eine „Anleitung zur Verwaltung des Gemeindeeigentums“ vom Dezember 1850 sollte die Bewältigung der Abgrenzungsprobleme unterstützen. Insbesondere § 8 dieser „Verordnung“ ist von bemerkenswerter Deutlichkeit. Die Tiroler Gemeindeordnung 1928, LGBl 1928/36, betont weiterhin diese Abgrenzung gegenüber den Privatrechtverhältnissen.

Das Gemeinderecht begründete somit keinen Rechtstitel für den Übergang von privatem Gemeinschaftseigentum auf die Ortsgemeinden; Gemeindegut und Gemeindevermögen der Ortsgemeinde gem prov. GemG 1849 bzw den Ausführungsgesetzen zur RGG 1862 (samt Nachfolgegesetzen) bedurfte somit eines Eigentumstitels; wo dieser fehlte, war Eigentum der Ortsgemeinde auszuschließen; es war von privatem Genossenschaftsvermögen auszugehen.

bb) Die Phase der Begünstigung der Idee von Gemeindeeigentum

Ungeachtet der klaren gesetzlichen Vorgaben entstand auch in Tirol jene Problematik, welche wesentlichen Anlass gab, 1883 das Teilungs- und Regulierungsrecht zu schaffen. Wenn es darum ging „die Eigentumsverhältnisse bei gemeinschaftlich benutzten Grundstücken anzugeben, selbe in statistische Nachweisungen, in den Steuerkataster, in Gemeinde-Inventare, ja selbst in Erkenntnisse der Behörden, in die Grundbücher, einzutragen, Verfügungen darüber vom Standpunkte des Verwaltungsrechtes zu treffen, Teilungsverhandlungen einzuleiten oder zu genehmigen, …“, wurden Unklarheit und Verwirrung, verbunden mit Sorglosigkeit festgestellt. Dies einerseits, weil den „historischen Wirtschaftsgenossenschaften“ kein gesetzlich anerkanntes Organisationsmodell (mehr) entsprochen hatte, andererseits weil die neue politische Gemeinde „vom Staate sowie von den höheren autonomen Organen begünstigt“ wurde, weshalb „oft schon der bloße Namen [genügte], um das Vermögen der Nutzungsgenossenschaft ganz der politischen Gemeinde zuzuweisen“.

Die Zuordnung aller Funktionen eines Eigentümers von Klassenvermögen zur politischen Ortsgemeinde ist die natürliche Konsequenz. Namensidentität und fehlendes Organisationsrecht für die Wirtschaftsgenossenschaft waren der Motor dieser Entwicklung, fehlende Einsicht für das Erfordernis einer Unterscheidung die Grundlage. Die Demoskopie, das historische Wahlrecht zum Ausschuss der Ortsgemeinde und das historische Gemeindesteuerrecht taten ein Übriges. Solange die Stammliegenschaftsbesitzer die politische Gemeindestruktur vollkommen beherrschten, war eine eigenständige Organisationsformen für „Klassenvermögen“ (gem § 26 prov. GemG 1849) offensichtlich unzweckmäßig – dies einmal ganz abgesehen davon, dass rechtlich anerkannte Organisationsmodelle schlicht nicht zur Verfügung standen. Sowohl das Innenverhältnis betreffend („Geschäftsführung“), als auch das Außenverhältnis betreffend („Vertretung“) wurde das private Klassenvermögen deshalb in aller Regel den Bestimmungen für Gemeindegut oder Fraktionsgut gem Gemeindeordnung unterworfen.

Die Teilungs- und Regulierungs-Ausführungsgesetze aus dem Zeitraum 1884 bis 1921 spiegeln diese Tendenz zur Begünstigung der Ortsgemeinden noch deutlicher wieder, wenn diese für agrargemeinschaftliche Liegenschaften in Verwaltung der Ortsgemeinde als Regelungsmaßnahme nur eine Ergänzung der Gemeindeordnung um die nötigen Bestimmungen vorgesehen haben. Insofern bestand aus der Sicht der Landesgemeindegesetzgeber bis zum Inkrafttreten des FlVerfGG 1931 kein Handlungsbedarf, weil alle agrargemeinschaftlich genutzten Liegenschaften – auch wenn diese ohne Rechtsgrundlage in Anwendung der Gemeindeordnung verwaltet wurden – nach dem „neuen“ Teilungs- und Regulierungsrecht tendenziell in Verwaltung der Gemeinde verbleiben sollten. Als Klassenvermögen zu qualifizierende Gemeinschaftsliegenschaften mutierten damit – begünstigt durch die Regelung der TRLGs – zum Gemeindegut im Sinn der Gemeindeordnungen, ohne dass diese Qualifizierung aufgrund der wahren Eigentumsverhältnisse gerechtfertigt gewesen wäre („Scheingemeindegut“).

Die Teilungs- und Regulierungs-Landesgesetze der Jahre 1884 bis 1921 haben somit für Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung die Regulierung der Verwaltungsrechte und damit die körperschaftliche Einrichtung einer Agrargemeinschaft gar nicht vorgesehen. Im zeitlichen Geltungsbereich des TRLG 1909 (Tirol) bzw des TRLG 1921 (Vorarlberg) ergab sich für den Gesetzgeber des Gemeinderechts deshalb kein zwingendes Differenzierungserfordernis das Gemeindegut im Allgemeinen und das Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung betreffend.

cc) Die „Ergänzung der Gemeindeordnung“ als Regelungsalternative entfällt

Mit Inkrafttreten des FlVerfGG 1931 ist die Regelungsalternative, dass die Verwaltung nach der Gemeindeordnung aufrechterhalten und die Gemeindeordnung lediglich um notwendige Regelungen ergänzt würde, weggefallen. Damit galt auch für das Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung, ungeachtet dessen, ob es sich um wahres Eigentum der Ortsgemeinde handelte oder ob „Scheingemeindegut“ vorgelegen hatte, das „allgemeine Regelungsverfahren“ gem Flurverfassungsrecht. Die Landes-Flurverfassungsgesetze sahen klare Regelungen vor, wie dieses zu behandeln sei: Es waren die Nutzungsberechtigten und ihre Anteilsrechte festzustellen und es war insbesondere zu klären, wer Eigentümer der jeweiligen Liegenschaft war. Dies von Fall zu Fall in jedem Regulierungsverfahren.

Im Hinblick auf diese eindeutige Vorgabe des Flurverfassungs-Landesrechts bestand aus der Sicht der Gemeindeordnungen kein Anlass, eine Unterscheidung danach zu treffen, ob im konkreten Fall Gemeindegut (= Eigentum der Ortsgemeinde in agrargemeinschaftlicher Nutzung) oder „Scheingemeindegut“ (= Klassenvermögen in Verwaltung der Gemeindestruktur) vorliege. Die wahren Eigentumsverhältnisse hatte ohnehin die Agrarbehörde zu klären. Das Gemeinderecht hatte jedoch Anlass, das Gemeindegut im Allgemeinen, welches auch weiterhin dem Gemeinderecht unterlag, vom jenem Gemeindegut abzugrenzen, welches in agrargemeinschaftlicher Nutzung stand. Durch diese Abgrenzung wurde dem Umstand Rechnung getragen, dass letzteres mit Inkrafttreten eines Ausführungsgesetzes zum FlVerfGG 1932 dem Flurverfassungsrecht unterworfen wurde und ersteres nicht.

dd) Die Reaktion des Gemeindegesetzgebers

Wäre die apodiktische Behauptung im Erk VfSlg 9336/2982 richtig, dass auch das Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung in den Gemeindeordnungen als Gut im Eigentum der Ortsgemeinde definiert sei, dürfte diese Abgrenzung im Recht der politischen Ortsgemeinde nicht existieren.
Zu suchen ist diese Abgrenzung freilich nicht in den Gemeindeordnungen aus den 60er Jahren des 19. Jhdts, bei welchen im Erk VfSlg 9336/1982 angeknüpft wird. Das Teilungs- und Regulierungsrecht für Gut in agrargemeinschaftlicher Nutzung hatte damals noch nicht existiert – wozu sollte das Gemeinderecht eine Unterscheidung treffen?
Zu suchen ist diese Abgrenzung auch nicht in den Novellen zu den Gemeindeordnungen aus der Zeit der Geltung der TRLGs (1884 bis 1921), hatten diese doch die Regulierung der Verwaltungsrechte und damit die körperschaftliche Einrichtung der Agrargemeinschaft neben einer Verwaltung in Anwendung der Gemeindeordnung gar nicht zugelassen. Weil die TRLGs der Jahre 1884 bis 1921 die Aufrechterhaltung einer Verwaltung agrargemeinschaftlich genutzter Liegenschaften in Anwendung der Gemeindeordnungen indirekt begünstigt hatten, haben die Landesgemeindegesetzgeber erst als Reaktion auf das Inkrafttreten des FlVerfGG 1931 die Rechtsverhältnisse klargestellt.

Teilweise wurde der „Gemeindegut“ nicht überhaupt aus der Gemeindeordnung beseitigt – so etwa im Land Salzburg.
Die Salzburger Gemeindeordnung 1936 vom 26. Jänner 1936 LGBl 1936/23 kennt keine Regelungen mehr zum „Gemeindegut“. Im Land Salzburg war das Teilungs- und Regulierungsrecht bereits mit Gesetz vom 19. Jänner 1934 betreffend die Regelung der Flurverfassung (LGBl 94/1943) an die durch FlVerfGG 1931 geänderte Rechtslage angepasst worden. Gemäß § 36 Abs 1 lit b wurden als agrargemeinschaftliche Grundstücke im Sinn dieses Gesetzes insbesondere definiert: Grundstücke, „welche von allen oder von gewissen Mitgliedern einer Gemeinde (Ortschaft), einer oder mehrerer Gemeindeabteilungen (Ortsteile), Nachbarschaften oder ähnlichen agrarischen Gemeinschaften kraft ihrer persönlichen oder mit einem Besitze verbundenen Mitgliedschaft oder von den Mitberechtigten an Wechsel- oder Wandelgründen gemeinschaftlich oder wechselseitig benutzt werden. Gemäß Abs 2 leg. cit. zählen zu diesen Grundstücken ferner: … lit d) das einer gemeinschaftlichen Nutzung nach den Bestimmungen des § 64 der Gemeindeordnung unterliegende Gemeindegut. Die rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse am „Gemeindegut“ waren damit nach Landes-Flurverfassungsrecht zu regeln.

Teilweise haben die Gemeindeordnungen seit 1931 eine klare Differenzierung eingezogen: Gemeindegut im Allgemeinen sollte weiterhin der Gemeindeordnung zur Regelung zugewiesen bleiben, hingegen wurde Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung ausdrücklich den Regelungen der Flurverfassung unterstellt. Dieses historische Faktum wurde im Erk VfSlg 9336/1982 übersehen oder verleugnet.
Mustergültig sind die einschlägigen Regelungen des Steirischen Gesetzes vom 6. Juli 1948 über die Änderung der Gemeindeordnung LGBl 52/1948, mit welchem die Bestimmungen der Gemeindeordnung 1864 zum „Gemeindegut“ wie folgt neu gefasst wurden: „§ 61. Gemeindegut. (1) Sachen, welche zum Gebrauche eines jeden Gemeindemitgliedes einer Gemeinde dienen, bilden das Gemeindegut. Insbesonders gehören zum Gemeindegut Grundstücke, welche von allen oder nur von gewissen Gemeindemitgliedern einer Gemeinde oder einer Ortschaft zur Deckung ihres Guts- und Hausbedarfes gemeinschaftlich oder wechselseitig benützt werden. (2) […] (3) Nach den aufgrund des Artikels 12, Abs (1), Punkt 3, der Bundesverfassung 1929 erlassenen Gesetzen unterliegt das in Abs (1) bezeichnete Gemeindegut den Bestimmungen dieser Gesetze. Die Entscheidung über den Bestand des Gemeindegutes als agrarische Gemeinschaft im Sinne dieser Gesetze, über den Verkauf des Gemeindegutes oder von Teilen desselben, ferner über die Übertragung von Nutzungsrechten an andere Gemeindemitglieder und die Höhe der einzelnen Nutzungen steht den Agrarbehörden zu. (4) Die Gemeindebehörde hat darauf zu achten, dass die Nutzungen der Gemeindemitglieder nicht über den notwendigen Guts- und Hausbedarf hinaus in Anspruch genommen werden und diese Nutzungen der nachhaltigen Bewirtschaftung des Grundstückes, insbesondere bei Waldungen, entsprechen. Nötigenfalls ist die Entscheidung der Agrarbehörde einzuholen.“

In Oberösterreich hatte der Landesgemeindegesetzgeber bereits mit LG vom 29. April 1936, Oberösterreichische Gemeindeordnung 1936, die Rechtsverhältnisse am Gemeindegut der Rechtslage gemäß FlVerfGG 1931 angepasst; dies mit der Regelung in § 67 Oö Gemeindeordnung 1936. Die Bestimmung lautet wie folgt: „Die Bestimmungen dieses Gesetzes finden auf jene Teile des Gemeindegutes, die als agrargemeinschaftliche Grundstücke im Sinn des § 15, Absatz 2, Punkt d, des Bundesgesetzes vom Jahre 1932, BGBl Nr 256, betreffend Grundsätze für die Flurverfassung, gelten, nur insoweit Anwendung, als sie mit diesem Grundsatzgesetz und dem Ausführungsgesetze hiezu nicht in Widerspruch stehen. Bis zur Erlassung des Ausführungsgesetzes bleiben die geltenden Vorschriften in Kraft.“ Ergänzend regelte § 69 Abs 5 Oö Gemeindeordnung 1936 Folgendes: „Über Ansprüche auf Nutzungen des Gemeindegutes entscheidet der Gemeindetag. Bei agrargemeinschaftlichen Grundstücken im Sinn der Grundsätze für die Flurverfassung (BGBl Nr 256/1932), entscheiden nach Inkrafttreten des Landes-Ausführungsgesetzes im Streitfalle die Agrarbehörden.“

Gem § 102 Abs 3 Vorarlberger Gemeindeordnung 1935 LGBl 1935/25 wurde die Konkurrenz zwischen Gemeinderecht und Flurverfassung ebenfalls eindeutig geregelt: „Die rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der als agrargemeinschaftliche Grundstücke im Sinn des § 15 Absatz 2 Punkt d des Bundesgesetzes betreffend Grundsätze für die Flurverfassung BGBl Nr 256/1932 geltenden Teile des Gemeindegutes, werden durch das Ausführungsgesetz zu diesem Bundesgesetz geregelt; bis dahin bleiben die bisher geltenden Vorschriften in Kraft.“

Die Tiroler Gemeindeordnung 1935 LGBl 1935/36 steht diesen Regelungen in Nichts an Deutlichkeit nach: In Art III LGBl 1935/36 wurde ein „Übergangsrecht“ geschaffen, welches das Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung regelt, bis das Flurverfassungsrecht in Kraft tritt; gleichzeitig wurde das Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung aus dem Anwendungsbereich der Regelungen der Gemeindeordnung zum Gemeindegut im Allgemeinen ausgenommen; dasselbe galt für das Fraktionsgut in agrargemeinschaftlicher Nutzung. Schließlich wurde im Gemeindeaufsichtsrecht klargestellt, dass zur Entscheidung über Veräußerung, Belastung und Verteilung des Gemeinde-(Fraktions)Guts die Agrarbehörde zuständig ist.

Das Gemeinderecht hat somit klar differenziert: Nur das Gemeindegut im Allgemeinen ist kraft Gemeindeordnung als Eigentum der Ortsgemeinde definiert; das Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung hingegen unterliegt nicht den Regelungen der Gemeindeordnung, sondern denjenigen des Flurverfassungslandesrechts. Eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über die Eigentumsverhältnisse konnte nur von der Agrarbehörde stammen. All das folgt freilich auch aus der Zuordnung des Gemeindeguts in agrargemeinschaftlicher Nutzung zum Kompetenztatbestand Bodenreform gem Art 12 B-VG, weshalb die Eigentumsverhältnisse am Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung daran nicht ex lege definiert, sondern in Anwendung des bürgerlichen Rechts durch die Agrarbehörde zu entscheiden sind. Spätere Gemeindeordnungen widmen deshalb der Abgrenzung des Gemeindeguts in agrargemeinschaftlicher Nutzung (Bodenreformrecht) und des Gemeindeguts im Allgemeinen (Gemeinderecht) nur mehr eine untergeordnete Rolle, soweit nicht überhaupt auf Regelungen zum Gemeindegut im Allgemeinen verzichtet wurde. Exemplarisch ist auf folgende Bestimmungen zu verweisen:
Die Oö Gemeindeordnung 1948, Anlage 1 zum Gesetz vom 7. Juli 1948 LGBl 22/1949 definiert in § 67 Folgendes: „Die Bestimmungen dieses Gesetzes finden auf jene Teile des Gemeindegutes, die als agrargemeinschaftliche Grundstücke im Sinne des § 15, Abs (2), Punkt d, des Bundesgesetzes vom Jahr 1932, BGBl Nr 256, betreffend Grundsätze für die Flurverfassung, gelten, nur insofern Anwendung, als sie mit diesem Grundsatzgesetz und dem Ausführungsgesetze hiezu nicht im Widerspruch stehen. Bis zur Erlassung des Ausführungsgesetzes bleiben die geltenden Vorschriften in Kraft.“
In der Oö Gemeindeordnung 1965, LGBl 45/196, § 71 Gemeindegut (Abs 7) wird die Unterscheidung zwischen Gemeindegut im Allgemeinen, welches der Gemeindeordnung unterliegt und Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung, welches dem Flurverfassungsrecht unterliegt, nur mehr in einem klarstellenden Hinweis fortgesetzt: „Die gesetzlichen Bestimmungen auf dem Gebiet der Bodenreform werden durch die Bestimmungen der Abs 1 bis 6 nicht berührt.“
In diesem Sinn lautet eine einschlägige Bestimmung in der Tiroler Gemeindeordnung 1949 (LG vom 31. März 1949, LGBl 1949/24) wie folgt: „§ 82 TGO. Durch die Bestimmungen dieses Gesetzes werden die gesetzlichen Vorschriften über die Flurverfassung nicht berührt.“

Unter den landesgesetzlichen Regelungen der Folgezeit sticht besonders eine aus Vorarlberg hervor. Das Vorarlberger Gemeindegesetz 1965 (VGG 1965, LGBl 45/1965) schuf materielles Bodenreformrecht für die Rechtsverhältnisse im Stadium der nicht regulierten Agrargemeinschaft. Danach wurde die Ortsgemeinde ausdrücklich zur Verwaltung der nicht regulierten Agrargemeinschaft berufen.

§ 91 Übergangsbestimmungen Abs 4 VGG 1965, LGBl 45/1965, lautete wie folgt: „Die Gemeinde als Trägerin von Privatrechten ist verpflichtet, Gemeindegut, dessen rechtliche und wirtschaftliche Verhältnisse noch nicht nach den Bestimmungen des II. Hauptstückes des Flurverfassungsgesetzes LGBl Nr 4/1951, geordnet sind, vorläufig nach den Bestimmungen des Flurverfassungsgesetzes weiter zur verwalten.“

Damit galt in Vorarlberg kraft positiver Norm im Gemeinderecht, was in Tirol vom Landesagrarsenat zum Flurverfassungsrecht noch 1979 judiziert wurde:
„Ebenso bestand schon damals [Anm: TFLG 1952] die Rechtslage, dass diese „Kraft-Gesetzes-Agrargemeinschaften“ ohne Satzungsverleihung durch die Agrarbehörde, worin eine anderslautende Regelung erfolgen hätte können, nur die Gemeinde verwaltet, […]. Der Gemeinde war und ist auch heute noch bei unregulierten Agrargemeinschaften die Verwaltung dieser Körperschaften übertragen (§ 82 TGO: Die Gemeinde hat die Nutzungsbezüge zu überwachen und für eine reibungslose und zweckmäßige Ausübung der Nutzungen zu sorgen). …“ (LAS Tirol, Erkenntnis LAS-115/3-79 vom 13.6.1979 (Regulierung des Gemeindegutes von Höfen).

Zwischenergebnis: Nach dem Gemeinderecht der Länder, welches sich auf der Grundlage von Art 12 B-VG sowie des FlVerfGG 1931 gegenüber dem Stand der Gemeindeordnungen der Jahre 1863 bis 1866 weiterentwickelte, ist wie folgt zu unterscheiden: Vom Gemeindegut im Allgemeinen ist das Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung zu differenzieren; ersteres ist nach den Gemeindeordnungen zu behandeln, letzteres nach Flurverfassungsrecht. Die Behauptung im Erk VfSlg 9336/1982, dass die Gemeindeordnungen der Länder das Gemeindegut als Gut im Eigentum der Ortsgemeinden definieren würden, ist zwar für die Rechtslage der 60er Jahre des 19. Jhdts zutreffend, weil das Teilungs- und Regulierungsrecht damals nicht existierte. Für das Jahr 1982 betrachtet und bezogen auf die 1982 und auch heute noch geltende Rechtslage, war diese Behauptung hingegen f a l s c h . Das Erk VfSlg 9336/1982 wollte oder konnte die Differenzierung im geltenden Gemeinderecht nicht nachvollziehen.

ee) Idente Begriffe im Flurverfassungs- und im Gemeinderecht?

Als substantieller Fehler ist dem Erk VfSlg 9336/1982 somit anzukreiden, dass jedwede Entwicklung des Gemeinderechts übersehen oder verleugnet wurde. Die These, dass im Flurverfassungsrecht und im Gemeinderecht ein identischer Begriff von „Gemeindegut“ verwendet würde, ist angesichts einer offenkundigen Rechtsentwicklung zu verwerfen. Schon das „moderne Gemeinderecht“ der ersten Republik hat zweierlei Arten von Gemeindegut vorausgesetzt: Gemeindegut im Allgemeinen (welches nach den Gemeindeordnungen als Eigentum der Ortsgemeinde definiert ist) und Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung (welches Eigentum der Ortsgemeinde oder Eigentum der Agrargemeinschaft sein konnte; über die Eigentumsverhältnisse zu entscheiden hatte die Agrarbehörde von Fall zu Fall). Die Überlegungen in VfSlg 9336/1982 knüpfen wohl nicht zufällig bei den Gemeindegesetzen aus den 60er Jahren des 19. Jhdts an, welche älter sind, als das Flurverfassungsrecht. Weil der Regelungsbedarf für die Materie des Teilungs- und Regulierungsrechts (noch) nicht erkannt war, wurde selbstverständlich in den Gemeindegesetzen dieser Periode zwischen Gemeindegut im Allgemeinen und Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung nicht differenziert.

Die Landesregierungen Vorarlbergs und Tirols hatten in ihren Stellungnahmen im Gesetzesprüfungsverfahren VfSlg 9336/1982 dem Zusammenwirken von Gemeinderecht und Flurverfassungsrecht bedauerlicher Weise nicht die erforderliche Beachtung geschenkt. Sie konnten oder wollten dem VfGH keine Auflösung zur scheinbaren Widersprüchlichkeit zwischen den Regelungen des Bodenreformrechts und denen des Gemeinderechts präsentieren, obwohl dies leicht zu bewerkstelligen gewesen wäre. Tatsächlich differenzieren sowohl das Vlbg Landesrecht, als auch das Tiroler Landesrecht schon seit dem Jahr 1935 (!) das agrargemeinschaftlich genutzte Gemeindegut, welches durch das Gemeinderecht (!) ausdrücklich den Regelungen der Bodenreform unterworfen ist, vom Gemeindegut im Allgemeinen, für welches die Bestimmungen der Gemeindeordnung gelten.

Die Tiroler Gemeindeordnung 1935 regelte die Konkurrenz zum TFLG 1935 in § 117 TGO 1935. Nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Gesetzesbestimmung wurde das in agrargemeinschaftlicher Nutzung stehende Gemeindegut vom Gemeindegutsbegriff im Allgemeinen ausdifferenziert; für dieses Gut sollten die Regelungen des Gemeinderechts gerade nicht anwendbar sein. Die späteren Gemeindeordnungen haben an dieser Rechtslage nichts geändert. Der Vorarlberger Gemeindegesetzgeber befand sich in einer etwas anderen Situation als der Tiroler. Das Vlbg-TRLG 1921 war noch „junges Recht“; für die Umsetzung der Grundsätze des FlVerfGG 1932 war an eine gewisse Übergangszeit gedacht, während der das agrargemeinschaftlich genutzte Gemeindegut weiterhin den Regelungen des Gemeinderechts unterworfen bleiben sollte (mit der Möglichkeit zur Erlassung ergänzender Bestimmungen zur Gemeindeordnung gem § 3 Abs 2 TRLG 1921 durch die Agrarbehörde). In die Vlbg Gemeindeordnung 1935 wurde dementsprechend die Bestimmung aufgenommen, dass die rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse an Liegenschaften des Gemeindegutes in agrargemeinschaftlicher Nutzung durch ein Ausführungsgesetz zum FlVerfGG 1932 geregelt würden. Für diese Teile des Gemeindeguts würden die Bestimmungen der Vlbg Gemeindeordnung 1935 somit solange weiter gelten, bis ein entsprechendes Flurverfassungs-Landesgesetz geschaffen wäre. Eine Regelung im Vorarlberger Gemeindegesetz 1965 rundete die gemeinderechtliche Behandlung des agrargemeinschaftlich genutzten Gemeindeguts im Vlbg Gemeinderecht ab. Danach wurde der Ortsgemeinde ausdrücklich die Aufgabe zugewiesen, eine an Gemeindegut bestehende Agrargemeinschaft in Anwendung der Bestimmungen des Flurverfassungsrechts zu verwalten und zu vertreten.

Agrargemeinschaftliche Liegenschaften des „Gemeindeguts“ wurden somit nach den landesgesetzlichen Vorschriften Tirols und Vorarlbergs seit dem Jahr 1935 ausdrücklich vom allgemeinen Gemeindegut gem Gemeindeordnung unterschieden und der Anwendung des Flurverfassungsrechts unterworfen. Das FlVerfGG 1932 und die Landes-Flurverfassungsgesetze von Tirol (1935) und Vorarlberg (1951) haben sohin nur jenes Gut in die Zuständigkeit der Agrarbehörden einbezogen, welches nach Tiroler und Vorarlberger Gemeinderecht dafür vorgesehen war. Gemeinderecht und Flurverfassungsrecht befanden sich hinsichtlich der Regelungen das Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung betreffend in vollkommener Harmonie.

Die Landesregierungen Vorarlbergs und Tirols hatten es im Gesetzesprüfungsverfahren VfSlg 9336/1982 freilich verabsäumt, auf den Kern der Vorhalte im Einleitungsbeschluss des VfGH zum Gesetzesprüfungsverfahren VfSlg 9336/1982 einzugehen. Dem Vorhalt des Gerichtshofes betreffend die angebliche Unvereinbarkeit des allgemeinen gemeinderechtlichen Gemeindegutsbegriffs mit den Rechtsfolgen des Teilungs- und Regulierungsrechts konnte oder wollte man wenig Zweckdienliches entgegen halten. Der einfache Hinweis, dass die jeweiligen Landes-Flurverfassungsrechte selbstverständlich nur das agrargemeinschaftlich genutzte Gemeindegut erfassten, welches in den Gemeindeordnungen bereits einer Regelung durch die Flurverfassungsrechte zugewiesen war, ist unterblieben. Das Zusammenspiel von Gemeinderecht und Bodenreformrecht wurde nicht vertieft. Auf den Umstand, dass man das Verhältnis der beiden Gesetzesmaterien nicht anhand des inhaltlich vollkommen überholten (!) Wortlautes der Gemeindeordnungen der Jahre 1863 bis 1866 (!) auflösen könne, war der VfGH nicht hingewiesen worden.

Dabei ist diese Konsequenz nur selbstverständlich: Das Teilungs- und Regulierungsrecht war doch erst mit dem TRRG 1883 (!) geschaffen worden. Der Gemeindegesetzgeber der Jahre 1863 bis 1866 konnte die spätere Rechtslage verständlicher Weise nicht voraussehen. Der Versuch einer Darstellung der Vorarlberger Rechtslage anhand der Vlbg Gemeindeordnung 1864 (!) im Rahmen des Einleitungsbeschlusses im Jahr 1981 zum Gesetzesprüfungsverfahren Slg 9336/1982 geht deshalb zur Gänze an der Sache vorbei. Selbst für den zeitlichen Geltungsbereich des Tir. TRLG 1909 sowie des Vlbg TRLG 1921 wäre zu berücksichtigen gewesen, dass diese Gesetze bei Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung keine körperschaftliche Einrichtung der Agrargemeinschaft vorgesehen hatten, weshalb auch nicht über die Eigentumsverhältnisse an der agrargemeinschaftlichen Liegenschaft zu entscheiden war. Erst in den Gemeindeordnungen des Jahres 1935 hatten die Tiroler und Vorarlberger Landesgemeindegesetzgeber die Kompetenz der Agrarbehörden zur Entscheidung über die Eigentumsverhältnisse an Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung nachzuvollziehen und klarzustellen. Es wäre Aufgabe der Landesregierungen gewesen, den VfGH, der den Landesrechten „ferner“ steht als die jeweiligen Landesregierungen, auf diese Rechtslage nach Tiroler und Vorarlberger Landesrecht unmissverständlich hinzuweisen.

In Konsequenz blieben §§ 117, 140, 164 letzter Satz TGO 1935 Art III Tiroler LGBl 1935/36 sowie § 102 Abs 3 VGO 1935 sowie die Nachfolgeregelungen dazu, und damit das 1982 in Geltung stehende Gemeinderecht im Erk VfSlg 9336/1982 völlig unberücksichtigt. Das Erk VfSlg 9336/1982 hat die Zuständigkeit der Agrarbehörden zur Regelung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung an gemeinderechtlichen Normen gemessen, welche seit vielen Jahrzehnten außer Kraft getreten waren. Wesentliche Teile des Flurverfassungsrechts wurden wegen einer Divergenz des 1982 geltenden Bundes- und Landes-Flurverfassungsrechts mit den historischen Gemeindeordnungen des 19. Jhdts (!) als verfassungswidrig verkannt. Nach dem 1982 geltenden Gemeinderecht hatte gar keine Divergenz bestanden.

Zwischenergebnis: Eine weitere wesentliche Grundlage des Erk VfSlg 9336/1982 wonach Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung kraft einschlägiger Regelung in den Landesgemeindeordnungen zum Eigentum der politischen Ortsgemeinde gestempelt sei, ist somit schlicht f a l s c h . Dieses Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung unterlag 1982 gerade nicht den Bestimmungen der Landes-Gemeindeordnungen – weder in Tirol noch in Vorarlberg. Für Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung waren die Eigentumsverhältnisse gerade nicht durch die Gemeindeordnungen präjudiziert. Vielmehr galt, dass bereits die Tiroler und Vorarlberger Gemeindeordnungen 1935 das Gemeindegut im Allgemeinen, welches der Gemeindeordnung unterliegt, vom agrargemeinschaftlich genutzten Gemeindegut unterschieden hatten. Dieses agrargemeinschaftlich genutzte Gut war nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut der Gemeindeordnungen der Zuständigkeit der Agrarbehörde unterworfen, welche erst im Verlauf einer agrarischen Operation von Fall zu Fall zu prüfen und zu entscheiden hatte, wer wahrer Eigentümer ist und war.

3. Methodische Einwände gegen das Erk VfSlg 9336/1982

a) Der Gemeindegutsbegriff im historischen Bodenreformrecht

Im Erk VfSlg 9336/1982 wurde davon ausgegangen, dass das Begriffsbild des Gemeindeguts im Bodenreformrecht Eigentum einer Agrargemeinschaft voraussetze. Das Erk folgte mit dieser Analyse zur Ausgangslage im Ergebnis den Stellungnahmen der beteiligten Landesregierungen von Vorarlberg und Tirol. Aber auch die Salzburger Landesregierung hatte den Standpunkt eingenommen, dass das, was man sich in Salzburg unter „Gemeindegut“ vorstellte, Eigentum von Agrargemeinschaften sei. Im Ergebnis trifft sich diese Einschätzung auch mit der Stellungnahme der Bundesregierung.

Die Vlbg Landesregierung begründete diese Auffassung mit einer systematischen Interpretation des TRRG 1883. Die zur Verwaltung des Gemeindegutes berufene „Gemeinde“ sei nichts anderes als die Gemeinschaft der Nutzungsberechtigten, das Gemeindegut sei gemeinschaftliches Eigentum der Nutzungsberechtigten und die Nutzungsrechte seien Ausfluss der Mitgliedschaft an einer Agrargemeinschaft; auch die Rechtsprechung des Obersten Agrarsenates verstünde Gemeindegutnutzungsrechte als „Rechte an eigener Sache“. Offenbar unter dem Eindruck des durch die Bodenreformgesetzgebung vorausgesetzten Bildes über die Rechtsnatur der Gemeindegutsnutzungsrechte habe der Vlbg Gemeindegesetzgeber angenommen, dass für gemeinderechtliche Regelungen über das Gemeindegut kein Platz mehr sei. Der Vlbg Gemeindegesetzgeber habe deshalb auf gemeinderechtliche Bestimmungen zum (agrargemeinschaftlichen) Gemeindegut im Hinblick auf das Inkrafttreten des VFLG 1951 verzichtet.
Die Tiroler Landesregierung erarbeitete die Rechtsposition, wonach „Gemeindegut“ Eigentum einer Agrargemeinschaft sei, anhand einer Analyse zu den historischen Eigentumsverhältnissen an den Tiroler Gemeinschaftsliegenschaften. Für die gemeinschaftliche Nutzung der Allmendliegenschaften hätten sich eigene Gemeinschaften (Nachbarschaften, ursprünglich selbständige Gemeinden) herausgebildet. Diese würden als Agrargemeinschaften gelten. In vielen Gemeinden wäre jedoch „die Gemeinde als solche“, nämlich die alte sog. „Realgemeinde“ als Nutzungsgemeinschaft Zuordnungspunkt dieser Nutzung gewesen. Dafür sei dann der Begriff „Gemeindegut“ verwendet worden. Um dem Gleichheitssatz gerecht zu werden, müssten auch diese Fälle dem Flurverfassungsrecht unterstellt werden.
Die Salzburger Landesregierung verwies in ihrer Stellungnahme darauf, dass in Salzburg im Zuge der Servitutenablösung Waldgrundstücke nicht an einzelne Gemeindeinsassen, sondern (formell) nur an ganze Gemeinden abgetreten worden seien. Es handle sich aber nicht um Gemeinde-, sondern um Gemeinschaftswälder, sodass später das Eigentum den aus den Nutzungsberechtigten gebildeten Agrargemeinschaften zugesprochen worden sei. Das sei nicht gleichheitswidrig gewesen, weil die Grundflächen als Ablösung für alte Nutzungsrechte aus dem Staatswald abgetreten worden seien.
Die Bundesregierung meinte schließlich, dass die Bedenken des VfGH an sich nur gegen die Teilungsvorschriften gerichtet wären; die Bundesregierung hielt es aber auch für sachlich gerechtfertigt, dass im Zuge einer Hauptteilung das ganze Gemeindegut in das Eigentum der Nutzungsberechtigten (bzw der von ihnen gebildeten Agrargemeinschaften) übertragen würde, wenn die Gemeinde aus dem „Gemeindegut“ nie einen Vorteil gezogen hätte. Bei einem solchen Sachverhalt unterstellte die Bundesregierung offensichtlich ebenfalls wahres Eigentum der Nutzungsberechtigten.

Vor dem Hintergrund, dass drei beteiligte Landesregierungen mit völlig unterschiedlichen Begründungen eine Einschätzung zur Rechtslage geliefert hatten, welche ein rechtliches Schicksal des (agrargemeinschaftlichen) Gemeindeguts losgelöst vom modernen Recht der Ortsgemeinde voraussetzten, wäre zu erwarten gewesen, dass im Erk VfSlg 9336/1982 dem Wesen des Begriffes „Gemeindegut“ im Flurverfassungsrecht auf den Grund gegangen wird. Einem Gesetz darf nämlich „in der Anwendung kein anderer Verstand beigelegt werden, als welcher aus der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang und aus der klaren Absicht des Gesetzgebers hervorleuchtet“ (§ 6 ABGB). Bevor auf Verfassungswidrigkeit einer Regelung erkannt wird, welche seit 1884 (!) als Landesrecht in den verschiedensten Kronländern in Kraft steht, wäre zumindest die Absicht des historischen Gesetzgebers offen zu legen gewesen.

b) Zur Absicht des historischen Bodenreformgesetzgebers

Wie oben gezeigt, hatte der historische Gesetzgeber des Jahres 1883 mit der Einbeziehung des Gemeindegutes in das Teilungs- und Regulierungsrecht Liegenschaften erfassen wollen, deren Eigentumsverhältnisse ungeklärt waren, obwohl oder gerade weil diese durch die neuen Ortsgemeinden verwaltet wurden. Zur Klärung der mit solchen Liegenschaften verbundenen Streitfragen wurden sie der Zuständigkeit der „Commassionsbehörden“ unterworfen. Als Ergebnis des Behördenverfahrens konnten sich diese Liegenschaften mit ursprünglich ungeklärten Eigentumsverhältnissen als Eigentum einer Agrargemeinschaft oder als Eigentum der jeweiligen Ortsgemeinde herausstellen.

Dieser undifferenzierte agrarrechtliche Gemeindegutsbegriff umfasste deshalb sowohl das Eigentum der historischen Wirtschaftsgenossenschaften, als auch das mit Nutzungsrechten belastete, wahre Eigentum der neuen Ortsgemeinden. Beide Erscheinungsformen agrargemeinschaftlich genutzter Liegenschaften konnten in der Praxis als „Gemeindegut“ in Erscheinung treten und waren nach dem klaren Willen des historischen Gesetzgebers vom sachlichen Anwendungsbereich des TRRG 1883 (RGBl 94/1883) erfasst. Der „Generalklausel“ des § 1 lit b TRRG 1883 ist ein (eigentumsrechtlich) undifferenzierter agrarrechtlicher Gemeindegutsbegriff immanent, der sowohl Gemeindegut im Eigentum einer Ortsgemeinde als auch im Eigentum einer Gemeinschaft der Nutzungsberechtigten (Agrargemeinschaft) umfasst.
Der historische Gesetzgeber hat in den TRLGs bestimmte „Typen“ von agrargemeinschaftlich genutzten Liegenschaften ausdifferenziert, nämlich das aus Servitutenregulierung hervorgegangene Gemeinschaftseigentum und die in Anwendung der Gemeindeordnung verwalteten Gemeinschaftsliegenschaften. Folglich wurde der zentrale Grundsatz des Teilungs- und Regulierungsrechts, wonach agrargemeinschaftliche Grundstücke anhand der Benutzungsverhältnisse und gerade nicht anhand der Eigentumsverhältnisse definiert sind, nicht verworfen. Agrargemeinschaftlich genutzte Grundstücke, die in Anwendung der Gemeindeordnung verwaltet wurden, konnten wahres Eigentum einer Agrargemeinschaft sein oder wahres Eigentum der Ortsgemeinde. Die Agrarbehörde hatte und hat zu entscheiden, was von beiden zutrifft.

Das Bodenreformrecht verwendete deshalb seit jeher einen eigentumsrechtlich undifferenzierten Gemeindegutsbegriff, allerdings nicht in der Absicht, „Gemeindegut im Eigentum der Ortsgemeinde“ auf Agrargemeinschaften zu übertragen oder auf die Nutzungsberechtigten zu verteilen. Vielmehr war es die erweisliche Absicht des historischen Gesetzgebers, dass die Behörden der Bodenreform zu prüfen hatten, wem eine Liegenschaft, die unter der Bezeichnung „Gemeindegut“ oder „Gemeingut“ bei den Ortsgemeinden „in Anwendung der Gemeindeordnung“ verwaltet wurde, wirklich gehört. Die undifferenzierte Einbeziehung des Gemeindegutes in die agrarischen Operationen erfolgte somit genau mit dem gegenteiligen Ziel, wie dieses im Erk VfSlg 9336/1982 unterstellt wurde. Die Einbeziehung erfolgte – jedenfalls die Eigentumsverhältnisse betreffend – nur formal im Sinne einer distinktiven Kompetenz der Agrarbehörden zur Klärung der Eigentumsfrage – undifferenziert „zuzuordnen“ oder undifferenziert zu verteilen, war nie das Ziel des Bodenreformgesetzgebers. Die gegenteilige Absicht des Bodenreformgesetzgebers, die neuen Behörden exklusiv mit der Aufgabe zu betrauen, über streitige Eigentumsverhältnisse zu entscheiden, leuchtet wahrlich aus den Gesetzesmaterialien hervor. Mit dieser Absicht des Gesetzgebers völlig unvereinbar war die Unterstellung im Erk VfSlg 9336/1982, dass dieselben Behörden festgestelltes Eigentum einem anderen „zuweisen“ oder dieses unter den bisherigen Nichteigentümern aufteilen könnten.

Zwischenergebnis: Die Erforschung der klaren Absicht des Bodenreformgesetzgebers hätte hervorgebracht, dass der Begriff „Gemeindegut“ im Bodenreformrecht auch mit dem Inhalt verwendet wurde, dass darunter Liegenschaften mit unklaren Eigentumsverhältnissen in Verwaltung der Ortsgemeinden verstanden wurden. Über die ungeklärten Eigentumsverhältnisse sollten als Ergebnis der agrarischen Operation entschieden werden. Die agrarbehördliche Prüfung und Entscheidung über die Eigentumsverhältnisse konnte wahres Eigentum der Ortsgemeinde, einer Agrargemeinschaft oder eines Dritten hervorbringen – auch der letztere Fall ist nicht auszuschließen. Im Erk VfSlg 9336/1982 wurde diese Aufgabenstellung im Agrarbehördenverfahren grundlegend verkannt oder verleugnet. Es wurde grundlos unterstellt, dass fremdes Eigentum auf eine Agrargemeinschaft übertragen oder auf Nichteigentümer verteilt würde. Mit derselben Argumentation kann man freilich den gesamten Anwendungsbereich des Teilungs- und Regulierungsrechts und schließlich die gesamte Zivilgerichtsbarkeit als verfassungswidrig verkennen: Wer unterstellt, dass ein staatliches Verfahren notwendig zu einem bestimmten Ergebnis führen müsse, wird zwangsläufig in jeden gegenteiligen Verfahrensausgang einen verfassungswidrigen Eigentumseingriff verkennen.

4. Einwände gegen die „Arbeitshypothese“ des Erk VfSlg 9336/1982

Der Einleitungsbeschluss zum Erk VfSlg 9336/1982 gründet auf einer These, wonach die neuen politischen Ortsgemeinden die historischen Nachbarschaften gleichsam „beerbt“ hätten. Dabei wurde an die Bestimmungen der Ausführungsgesetze zur Reichsgemeindeordnung 1862 betreffend die Rechtsverhältnisse am Gemeindegut (§§ 63 bzw 64 der Landes-Gemeindeordnungen) angeknüpft.

Im Einleitungsbeschluss zum Erk VfSlg 9336/1982 wird aus diesen längst überholten Bestimmungen des Gemeinderechts Folgendes abgeleitet: „Diese Vorschriften kann der Gerichtshof vorläufig nicht anders verstehen, als dass auch mit Nutzungen belastetes Eigentum der früheren Realgemeinde auf die neue Gemeinde übergegangen war und lediglich mit den bisherigen Nutzungen belastet blieb (wofür insbesondere die Verwendung des Überschusses spricht), sich also vom sonstigen Gemeindevermögen nur durch die Zweckbestimmung unterscheidet (vgl VfSlg 1383/1931 und 4229/1962, S 352 f).“

Mit diesen Ausführungen wurde eine „Systementscheidung“ des politischen Gemeinderechts ignoriert, wonach die Privateigentumsverhältnisse einzelner oder ganzer Klassen von Gemeindebürgern vom Recht der neuen politischen Ortsgemeinde unberührt zu bleiben hatten (§§ 26 prov. GemG, 11 und 12 der Landes-Gemeindeordnungen 1863 bis 1866). Heinz Mayer und Theodor Öhlinger haben dazu bereits anderenorts die nötigen Klarstellungen getroffen: „Sofern daher das Erk. Slg 9663/1982 den Eindruck erweckt, das Eigentum dieser `Realgemeinden´ sei auf die politische Ortsgemeinde kraft öffentlichen Rechts `übergeleitet worden´, so würde dies schlicht einer eindeutigen historischen Rechtslage widersprechen.“

Im Erk selbst wurde die abstruse These von der Enteignung der „Klassen von Gemeindebürgern“ (entgegen §§ 26 prov. GemG 1849 und 11 bzw 12 der Landesgemeindeordnungen 1863 bis 1866) nicht weiter verfolgt. Trotzdem darf nicht übersehen werden, dass der Einleitungsbeschluss zum Erk VfSlg 9336/1982 wesentlich durch diese These motiviert war. Eindeutig wurde unterstellt, dass das politische Gemeinderecht einen Eigentumstitel der Ortsgemeinde für Gemeinschaftsliegenschaften geschaffen hätte und es wurde mit dieser These auch begründet, warum das Gemeindegut mit Inkrafttreten der Gemeindeordnungen der Jahre 1863 bis 1866 wahres Eigentum der neuen Ortsgemeinden sein müsse. Die Funktion der „Quasi-Erbschaft“ im Gedankenduktus des Einleitungsbeschlusses wurde in der Begründung des Erk VfSlg 9336/1982 durch den direkten Rückgriff auf einen vermeintlichen, tatsächlich nicht existierenden, einheitlichen Begriff des Gemeindeguts substituiert, welches angeblich in den Gemeindeordnungen zum Eigentum der Ortsgemeinden gestempelt sei. Es wurde ausgeblendet, dass die Gemeindeordnungen die agrargemeinschaftlich genutzten Liegenschaften des Gemeindeguts vom Gemeindegut im Allgemeinen unterscheiden. Dadurch, dass der Begriff des Gemeindeguts im Flurverfassungsrecht auf ein Gut im Eigentum der Ortsgemeinde verkannt wurde, konnte die Frage, wie die moderne Ortsgemeinde im konkreten Fall Eigentümerin einer Gemeinschaftsliegenschaft geworden sein könnte, offen bleiben.

Einem Eigentumsübergang von Gesetzes wegen war freilich durch die Bestimmungen des ABGB zum Eigentumserwerb und die ausdrücklich im gegenteiligen Sinn klarstellende Regelungen gem § 26 des prov. Gemeindegesetzes 1849 bzw. der wortgleichen Bestimmungen in den Ausführungsgesetzen der Länder zum Reichsgemeindegesetz (§§ 11 bzw 12 der jeweiligen Gemeindeordnungen) vorgebeugt: „Die privatrechtlichen Verhältnisse überhaupt und insbesondere die Eigenthums- und Nutzungsrechte ganzer Classen oder einzelner Glieder der Gemeinde bleiben ungeändert.“ Weder wurde das Eigentumsrecht an den historischen Gemeinschaftsliegenschaften auf die Ortsgemeinden überführt, noch konnte die ursprüngliche private Rechtsnatur von Nutzungsrechten „verwandelt“ werden.

5. Schlussfolgerungen

Mit Blick auf diese Sachzusammenhänge erweist sich die im Erk VfSlg 9336/1982 vorgetragene Begründung für die Beseitigung der Zuständigkeit der Agrarbehörden für Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung schlicht als falsch. Die Einbeziehung des agrargemeinschaftlich genutzten Gemeindeguts in das Teilungs- und Regulierungsrecht gemäß der Flurverfassung bewirkte per se nur die ausdrücklich vom Gesetzgeber gewollte distinktive Zuständigkeit (Pernthaler) der Agrarbehörde. Diese hatte über die rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse an diesen Liegenschaften zu erkennen (einschließlich der vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollten Zuständigkeit zur Entscheidung über die Eigentumsverhältnisse).

Der Gemeindegutsbegriff des Flurverfassungsrechtes ist ein agrarischer in dem Sinn, dass an die faktischen Benützungsverhältnisse als agrargemeinschaftliches Grundstück angeknüpft wird. Am Beginn der agrarischen Operation steht eine in Anwendung der Gemeindeordnung verwaltete, in agrargemeinschaftlicher Nutzung stehende Liegenschaft mit ungeklärten Eigentumsverhältnissen. Je nach Sach- und Rechtslage konnte sich die politische Ortsgemeinde oder die Agrargemeinschaft oder ein Dritter als Eigentümer erweisen. Die Aufklärung und Entscheidung der Eigentumsverhältnisse war Teil der Aufgabenstellung an die Agrarbehörde. Nur bei festgestelltem Eigentum der Agrargemeinschaft ist die Agrargemeinschaft Eigentümerin – anderenfalls vereinigt diese lediglich die Summe der Nutzungsrechte ihrer Mitglieder.

Das Gemeinderecht Tirols und Vorarlbergs hat seit den Gesetzen 1935 ausdrücklich das Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung aus dem allgemeinen Gemeindegutsbegriff ausdifferenziert und es wurde die Regelung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse am agrargemeinschaftlich genutzten Gemeindegut dem Flurverfassungsrecht zugewiesen (§ 117 TGO 1935; § 102 Abs 3 VGO 1935). An dieser Rechtslage hat sich in weiterer Folge nichts geändert. Das Gemeinderecht hat somit „originär“ das Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung der Regelung nach Flurverfassungsrecht unterworfen.

Das Erk VfSlg 9336/1982 unterstellt dem Teilungs- und Regulierungsrecht gem der Flurverfassung weiters, dass ein Eigentümer des agrargemeinschaftlich genutzten Grundstückes sein Eigentum an die Agrargemeinschaft verlieren würde. Das Teilungs- und Regulierungsrecht wurde als „Eigentumsablösungsrecht“ missverstanden. Es wurde ein „Zwangstauschverfahren Eigentum gegen Anteilrecht“ unterstellt. Die systematischen Zusammenhänge mit dem Recht der Servitutenablösung wurden ebenso verkannt, wie die Aufgabenstellung an die Agrarbehörde, die Eigentumsverhältnisse aufzuklären und zu entscheiden.

Das Erk VfSlg 9336/1982 erweist sich damit als ein arger juristischer Fehlgriff des Höchstgerichts, der durch den Bundesgrundsatzgesetzgeber zu korrigieren wäre. Die Zuständigkeit der Agrarbehörden zur Entscheidung und Regelung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse an Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung ist durch eine Novelle zum FlVerfGG 1951 klarzustellen. Der ursprüngliche Gesetzeswortlaut könnte durch die Verwendung des Begriffes „Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung“ im Sinne der geforderten Differenzierung verbessert werden. Die weitere Differenzierung erfolgt im Rahmen der agrarischen Operation durch die Klärung und Entscheidung der Agrarbehörde darüber, wer wahrer Eigentümer einer Gemeinschaftsliegenschaft war und ist.

 

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Max Paua