Grundvermögen
gedrittelt!

Agrargemeinschaften in Tirol. Entschädigungslose Enteignung der Tiroler Bauern im 21. Jhdt
Toni Haas, vulgo Loachner in Lans, Jahrgang 1955, verheiratet, Vater von vier Kindern, Landwirt im Haupterwerb, Alt-Obmann der Agrargemeinschaft Lans (1994-2014). Der Loachnerhof in Lans umfasst ca. siebeneinhalb Hektar Feld und Wiesen samt einem Anteil an der Agrargemeinschaft Lans, die Toni Haas mit seiner Gattin Erika bewirtschaften. Der einzige mit dem Hof verbundene Waldbesitz ist der Anteil am Agrargemeinschaftswald Lans, anteilig 15 ha Wald- und Almgebiet. Zum 01.07.2014 wurde das gesamte Agrargemeinschaftsvermögen in staatskommissarische Verfügung übernommen, der Grundbesitz, das Almgebäude, zwei Freizeitwohnsitze sowie ein Barvermögen von rund EUR 140.000,–. Der Sache nach stehen alle Erträge daraus nun der Ortsgemeinde, zu; dem Loachnerbauern verbleibt ein „Nutzungsrecht mit beschränktem Inhalt“. Das zum Loachnerhof gehörige Grundvermögen wurde somit über Nacht auf ein Drittel geschrumpft: 15 ha anteiliger Wald- und Almbesitzt haben sich in „atypisches Gemeindegut“ aufgelöst. Das land Tirol, unter der Führung von Landeshauptmann Günter Platter will dieses Vermögen der Gemeinde Lans zuwenden. Eine Entschädigung der Grundbesitzer ist nicht vorgesehen. FOTO: Kaltenriner

 

Grundvermögen gedrittelt!

Seit der Veröffentlichung des Mieders-Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes im Juni 2008 hat sich die Tiroler Politik der Enteignung des agrargemeinschaftlichen Besitzes in Tirol verschrieben. Der neu ins Amt gekommene ÖVP-Landeshauptmann, Günter Platter, und der ehemalige AK-Präsident Fritz Dinkhauser, der mit seiner Liste „FRITZ“ 2008 sieben Landtags-Mandante errang, etablierten sich als Speerspitzen dieser Enteignungsbemühungen. Blind für jede Unterscheidung in den Ansätzen wurde unisono die „Umsetzung des Mieders-Erkenntnisses auf Punkt und Beistrich“ gefordert. Gemeint war damit die völlige, entschädigungslose Enteignung aller Gemeinschaftsliegenschaften!

In zwei Novellen zum Tiroler Flurverfassungs-Landesgesetz (2009 und 2014) wurde diese Enteignung umgesetzt. Am Beispiel des Loachnerhofes in Lans kann man die konkreten Auswirkungen gut nachvollziehen: Der beispiellose Zugriff des Staates auf Privatvermögen hinterlässt diesen funktionierenden, Jahrhunderte  alten Tiroler Bauernhof ohne den geringsten Waldanteil. Allen Bauernhöfen in Lans wurde jeglicher Waldanteil weggenommen. Am Beispiel des  Loachnerhofes bedeutet das: Siebeneinhalb Hektar Feld- und Ackerboden und 15 Hektar anteiliger Waldboden gehörten zum Loachnerhof. Die 15 Hektar anteiliger Waldboden sollen der Gemeinde Lans einverleibt werden. Und das ohne jede Entschädigung!

 

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Am 01.07.2014 ist die Novelle zum Tiroler Flurverfassungsgesetz 2014 in Kraft getreten. Es handelt sich um die zweite Gesetzesnovelle für „atypische Gemeindegutsagrargemeinschaften“. Ein erster gesetzgeberischer Anlauf wurde im Dezember 2009 unternommen. Der Staatseingriff durch die Novelle 2014 verschärft die Situation: Jedwede Verfügung über „Substanz“ wurde in die Hände eines staatlich bestellten „Kommissars“, des „Substanzverwalters“ gelegt; alle Erträge aus „Substanz“ wurden dem Staat zugewiesen. Zusätzlich wurden die vorhandenen Barreserven in Beschlag genommen.

Grundlage für diese radikalen Schritte des Tiroler Landesgesetzgebers sind die zwei Verfassungsgerichtshof-Erkenntnisse, das „Mieders-Erkenntnis“ aus 2008 und das „Pflach-Erkenntnis“ von Oktober 2013. Interessanter Weise schenkt kein anderes Bundesland diesen Verfassungsgerichtshof-Erkenntnissen irgendeine Beachtung. Tirol steht da alleine. Umso mehr interessieren die Auswirkungen in Tirol. Am Beispiel des Loachnerhofes in Lans zeigt sich wie unverschämt die öffentliche Hand Bürgerinnenh und Bürger dieses Landes um ihr Eigentum bringt.

Seit Gründung der Agrargemeinschaft Lans, Mitte der 1950er Jahre, wurden von den Mitgliedern, das sind die Eigentümer der 34 alten Bauerngüter in Lans, 541.767 Forstpflanzen gesetzt und 37.040 unbezahlte Robotstunden geleistet. Das Gemeinschaftsgebiet wurde mit rund 20 km Forstwegen erschlossen. Durch nachhaltige Forstwirtschaft wurde der Holzertrag von 1.177 fm Nutzholz im Jahr 1955 auf 2.700 fm Nutzholz mit Stand 2012 gesteigert. Die Ertragssteigerung resultiert aus gezielter Aufforstung, nachhaltiger Pflanzenpflege und massiver Einschränkung bei der Waldweide sowie Aufforstung ehemaliger Weideparzellen. Im Regulierungsverfahren wurde die Beteiligung der Ortsgemeinde Lans vertraglich mit einem Zehntelanteil festgesetzt. Die verbliebenen 90% wurden nach Anteilsrechten den 34 alten Bauerngütern in Lans zuerkannt. Gemeinschaftlich bewirtschaftet werden in Lans insgesamt 436 ha Grundfläche, davon Wirtschaftswald 268,3 ha, Schutzwald außer Ertrag 55,5 ha, Schutzwald im Ertrag 69,1 ha, Wegflächen 7,5 ha und Almfläche 35,6 ha. Auf das Anteilsrecht der Ortsgemeinde entfallen anteilig 43,6 ha Wald- und Almfläche, auf jeden einzelnen der ursprünglich beteiligten 34 Nachbarn entfielen durchschnittlich 11,5 ha. Die Verwaltungstätigkeit in der Agrargemeinschaft Lans gründete auf dem Prinzip der Ehrenamtlichkeit; nur der Obmann wurde mit EUR 360,– monatlich entschädigt und der Kassier mit monatlich EUR 140,–.

Zum Stichtag 01.07.2014 wurde das gesamte Agrargemeinschaftsvermögen in staatskommissarische Verwaltung durch einen „Substanzverwalter“ übernommen – der Grundbesitz,  das Almgebäude, zwei Freizeitwohnsitze sowie ein Barvermögen von rund EUR 140.000,–. Letzteres hatte man über Jahrzehnte angespart. Der neue Substanzverwalter ist Bürgermeister Christian Meischl; dieser entscheidet seither alleine über das Eigentum. Seine Aufgabe ist es, aus dem Agrargemeinschaftsvermögen Erträge für die politische Ortsgemeinde zu ziehen. Den Agrargemeinschaftsmitgliedern, den Eigentümern der 34 alten Bauerngüter in Lans, wird nur mehr ein „historischer Gutsbedarf“ an Holz- und Grasnutzung zugestanden; dies unter der Voraussetzung eines „konkreten Bedarfs“. Aus einem allgemein anerkannten Anteilsrecht als Miteigentümer wurde ein schlichtes Nutzungsrecht, für dessen Ausübung ein konkreter Bedarf bestehen muss. Und für Holznutzungen muss ein Bewirtschaftungsbeitrag bezahlt werden.

Obmann der Agrargemeinschaft Lans war über zwanzig Jahre der Loachnerbauer, Toni Haas. Zum Stichtag 01.07.2014 war er gezwungen, das Agrargemeinschaftsvermögen samt allen Verwaltungsunterlagen, dem Protokollbuch, dem Kassabuch, allen Sparbüchern und dem gesamten sonstigen beweglichen Vermögen dem „Substanzverwalter“ auszuliefern. Eine 60jährige erfolgreiche Eigenverwaltung der Agrargemeinschaftsmitglieder ist damit zu Ende gegangen. Nun hat der Staat im Wald das Sagen. Die mit den alten Bauernhöfen verbundenen Anteilsrechte, die immer wie Miteigentum gehandelt und behandelt wurden, vermitteln nur mehr ein staatlich kontrolliertes „Recht mit beschränkter Nutzung“. Toni Haas rechnet vor, dass mit der Schaffung der „atypischen Gemeindegutsagrargemeinschaft Lans“ zwei Drittel vom Loachnerhof verstaatlicht wurden. Wie das geht? Seit Gründung der Agrargemeinschaft haben fünf Mitglieder ihre Anteile an die Agrargemeinschaft verkauft und sind somit ausgeschieden. Einem Anteilsrecht entsprachen damit ca. 15 ha Wald- und Almfläche aus dem Gemeinschaftsbesitz. Im Blick auf ca 7 ha Feld, die den Loachnerhof ausmachen und die jetzt alleine verblieben sind, wurden zwei Drittel des Grundbesitzes, der zum Hof gehörte, zum Stichtag 01.07.2014 verstaatlicht.

Dass sich die Lanser Bauern in der Vergangenheit bereichert hätten, bestreitet Toni Haas. Solange es Bauernhöfe in Lans gegeben habe, seien die Erträgnisse aus Wald und Weide, aus Grund und Boden, ein Teil des Einkommens aus den Lanser Bauernhöfen gewesen. Wegen dieser aus dem Gemeinschaftswald erarbeiteten Einkünfte konnten in Lans Höfe existieren, die anderswo schon vor Jahrzehnten zugesperrt worden wären. Die Erfindung vom „atypischen Gemeindegut“ gefährde diese Bauernwirtschaften, weil die Arbeit im eigenen Wald als Einkunftsquelle wegfällt.


Interview mit Toni Haas, Loachnerbauer in Lans, Obmann der Agrargemeinschaft Lans, aus dem jahr 2014.

GUT: Welche Lehren ziehen sie aus der jüngsten Entwicklung?
Toni Haas: Vor 60 Jahren haben die Bauern mit der Gemeinde einen Vergleich geschlossen. Dieser Vergleich ist von den Landesbehörden  in einen  Bescheid gegossen worden. Und nun wird dieser Bescheid einseitig abgeändert, ohne den Betroffenen die Möglichkeit zu lassen, ihr Eigentum nachzuweisen oder in das vorherige Rechtsverhältnis zurückzukehren. Das bedeutet für mich: Es gibt keine Rechtssicherheit mehr in diesem Land! Der Staat, konkret die Gemeinde, ist kein verlässlicher Vertragspartner mehr. Eine beispiellose mediale Hetzkampagne, in der die Agrargemeinschaften als Landräuber vorverurteilt wurden, hat das bewirkt.

GUT: Haben nicht unabhängige Gerichte Fehler bei den Regulierungen feststellten?
Toni Haas: Ich glaube nicht, dass die weisungsgebundenen Beamten, die Agrargemeinschaft Lans nachträglich überprüft haben, wirklich unabhängig waren. Und der VfGH und der VwGH haben die Beschwerden der Agrargemeinschaft  Lans nicht in Behandlung genommen. Dies, obwohl schon in der 1950er Jahren rechtskräftig entschieden wurde, dass Agrargemeinschaft Lans – und gerade nicht die Ortsgemeinde – immer Alleineigentümerin war. Und unsere Vorgänger haben einen Vertrag mit der Ortsgemeinde geschlossen. Der Gemeindeanteil wurde mit 10% vom Ganzen vereinbart. Über Nacht wurden die Ortsgemeinden zu Alleineigentümern und die Hofbesitzer zu Bittstellern.

GUT: Es ist aber doch moralisch gerechtfertigt aufzuteilen?
Toni Haas: Das müsste unter die Kategorie „Umverteilung“ eingeordnet werden. Und das sollte man sich dann auch zu sagen trauen. „Wir haben den Bauernwald umverteilt!“ – eine sozialistische Ideologie, die nirgend auf der Welt funktioniert hat.  Auch werden die „Erträge“ bei der Gemeinde nicht ins Gewicht fallen: Zum einen sind sie niedriger wie manche glauben und zum anderen wird das Land Tirol allfällige Bedarfszuweisungen in gleicher Höhe kürzen und auf andere Gemeinden umverteilen.

GUT: Die Politik erklärte den Agrarstreit als beendet. Gilt das auch in Lans?
Toni Haas: Der Loachnerhof in Lans besteht aus siebeneinhalb Hektar aufgeteiltem Grund und Boden und anteilig fünfzehn Hektar Wald- und Weidefläche, die in der Agrargemeinschaft stecken, 22,5 Hektar insgesamt. Nach der derzeitigen Rechtsanschauung sollen fünfzehn Hektar Grund und Boden an den Staat verloren sein. Diese Sache ist nicht erledigt – nicht für mich und nicht für die anderen Grundbesitzer.

GUT: Was wird die Zukunft bringen?
Toni Haas: Ich bin kein Hellseher aber der Blick in die Vergangenheit zeigt, das ungefähr alle 50 Jahre mit den agrargemeinschaftlichen Grundstücken  Probleme auftauchten und Veränderungen stattgefunden haben: ~1850 Forstservitutenablöse, ~1900 Anlegung des Grundbuchs, ~1950 Regulierung der Agrargemeinschaft und ~2010 Enteignung der Anteilsberechtigten an der Agrargemeinschaft. Ich bin mir freilich sicher, dass jetzt die Probleme nicht wieder 50 Jahre Pause machen.

MP

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