„… dass wenigstens drei Personen eine Gemeinde ausmachen“

Maria Theresia von Österreich (* 13. Mai 1717 in Wien; † 29. November 1780 ebenda) war eine Fürstin aus dem Hause Habsburg. Die regierende Erzherzogin von Österreich, Königin von Ungarn mit Kroatien und Königin von Böhmen (1740–1780) zählte zu den prägenden Herrscherpersönlichkeiten der Habsburgermonarchie. Im Jahr 1745 wurde ihr Gatte Franz I. Stephan zum römisch-deutschen Kaiser gewählt. Die Regierungsgeschäfte der Habsburgermonarchie führte Maria Theresia trotzdem allein. Wie jede Gattin eines Kaisers wurde sie, obwohl nicht selbst gekrönt, als Kaiserin tituliert.
Maria Theresia von Österreich (* 13. Mai 1717 in Wien; † 29. November 1780 ebenda), Erzherzogin von Österreich, Königin von Ungarn mit Kroatien und Königin von Böhmen (1740–1780). Im Jahr 1745 wurde ihr Gatte Franz I. Stephan zum römisch-deutschen Kaiser gewählt, weshalb auch sie als „Kaiserin“ bezeichnet wird.
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Die Regierungsgeschäfte der Habsburgermonarchie führte Maria Theresia allein. Bald nach Amtsantritt richtete Maria Theresia ihr Augenmerk auf innere Reformen ihrer Länder. Ihre weitreichenden Änderungen wurden unter dem Namen „Theresianische Staatsreform“ bekannt („aufgeklärter Absolutismus“).
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Ein roter Faden ihrer Reformpolitik war, dass an Stelle der überkommenen und zersplitterten ständischen Einrichtungen ein zentraler, absolutistisch regierter Staatsapparat treten sollte. In Maria Theresias Zeit fielen bedeutende Reformen des Justizwesens. Maria Theresia ließ die Rechte der Länder im 1769 veröffentlichten Codex Theresianus sammeln. Auf dieser Grundlage sollte eine Rechtsvereinheitlichung vorgenommen werden.
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Der Codex Theresianus (CTH) ist ein Vorläufer des österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB). Eine von Maria Theresia 1753 eingesetzte Kommission mit dem Hauptreferenten Joseph von Azzoni (1712–1760) und eine anschließende Revisionskommission schufen in mehrjähriger Arbeit bis 1766 den Codex Theresianus (CTH).
Er war als Gesetzbuch jedoch zu einzelfallbezogen („kasuistisch“) und viel zu umfangreich (über 50.000 §§). Maria Theresia hat dem Werk deshalb nie Gesetzeskraft verliehen. Der CTH blieb bloßer Gesetzesentwurf, der jedoch nach dem Charakter eines Rechtslehrbuches das im 18. Jahrhundert geltende Recht für die historische Forschung erschließt. Annähern 40 Nr – heute würde man sagen „Paragrafen“ – sind darin den Rechtsverhältnissen der historischen Nachbarschaften gewidmet, „Gemeinden“ bezeichnet. Nach dem CTH können bereits drei Personen einen Gemeinde bilden.

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VERWECHSLUNG ALSEIGENTUMSTITEL“

Das historische Recht Mitteleuropas kannte keine der heute gängigen juristischen Personen wie die Aktiengesellschaft, die GmbH, die Genossenschaft oder die Stiftung. Trotzdem war das Phänomen eines Zusammenschlusses von Personen, die ein gemeinsames Ziel verfolgt haben,  allgegenwärtig.
„Gemeinde“ war einer der Begriffe, mit dem im historischen Recht das beschrieben wurde, was wir heute „Gesellschaft“ nennen.

Der „Codex Theresianus“ (CTH),  ein Gesetzesentwurf erstellt im Auftrag der Kaiserin Maria Theresia, erklärt die „Gemeinde“ als einen Zusammenschluss von mindestens drei Personen.
„Gemeinde“ ist danach ein von den Nachbarn begründetes Gebilde, zur Umsetzung eines gemeinsamen Zweckes – zB Gewährleistung einer Wasserversorgung für die Mitglieder, einer Holzversorgung für die Mitglieder, des gemeinsamen Schutzes gegen Hochwasser und Vermutung.

Der „Codex Theresianus“ (CTH),  ein im Auftrag der Kaiserin Maria Theresia 1766 vorgelegter Entwurf für ein Bürgerliches Gesetzbuch, definierte die „Gemeinde“ wie folgt: „Alle anderen zu den Gemeinden gehörige Sachen sind in ihrem Eigentum, welche in dieser Absicht als sittliche Personen betrachtet und hierunter die Gemeinden der Städte, Märkte und anderen Ortschaften wie auch alle und jede weltliche Versammlung mehrerer in größerer oder kleinerer Anzahl bestehender Personen, welche rechtmäßig errichtet und von Uns bestätigt sind, verstanden werden, also, dass wenigstens drei Personen eine Gemeinde oder Versammlung ausmachen können.“ (CTH II. Teil „Von Sachen und dinglichen Rechten, Caput I „Von Unterschied der Sachen, § V Von Sachen der Gemeinden, Nr 133)

Kaiserin Maria Theresia hat das Gesetzeswerk CTH nicht in Kraft gesetzt; trotzdem bietet der Gesetzesentwurf CTH einen wertvollen Einblick in das damalige Rechts- und Begriffsverständnis. Mit dem Charakter eine Lehrbuches erklärt der CTH in  „Gemeinde“ war danach eine private Gesellschaft der Nachbarn.

Dieses privatrechtliche Begriffsverständnis (Gemeinde als privater Zusammenschluss der Nachbarn), war im „deutschen Rechtskreis“  über Jahrhunderte fest verwurzelt, bevor der moderne Staat die moderne politische Ortsgemeinde geschaffen hat. Nicht zuletzt aus diesem Grund kam es noch zur Zeit der Grundbuchanlegung in Tirol zu zahllosen Verwechslungen.

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Übersicht:
Drei machen eine Gemeinde
„Gemeinde“ war eine Gesellschaft
Zur Geschichte des Gemeindebegriffes

DREI MACHEN EINE GEMEINDE

Der Codex Theresianus ist ein Vorläufer des österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB). Eine von Maria Theresia 1753 eingesetzte Kompilationskommission mit dem Hauptreferenten Universitätsprofessor Dr. Joseph von Azzoni (1712–1760) und eine anschließende Revisionskommission, hatte den Auftrag, das geltende Privatrecht zu erfassen und in einem Gesetzeswerk als unmittelbare Quelle der Rechtsprechung niederzulegen. Auch wenn das Werk letztlich zu kasuistisch, zu wenig systhematisch durchdacht und viel zu umfangreich ausgefallen ist, so bleibt der Codex Theresianus eine wertvolle Quelle für das damals geltende Recht. Der Codex Th. hat jedenfalls die Qualität eines für die damaligen Zeit allgemein anerkannten Standardwerkes zum Privaterecht. Dies umso mehr, als dieses Standardwerk von einem ganzen Professorenteam bearbeitet und „approbiert“ wurde.
Die zitierte Gesetzesbestimmung ist Teil eines ganzen Abschnittes (§ V, Nr 126 bis 155), der sich aus 30 (!) Absätzen, heute würde man sagen Paragraphen, damals „Nummern“ genannt, zusammensetzt. Nr 133 wie oben zitiert, sagt inhaltlich zum Gemeindeeigentum selbst nichts anderes aus, als das, was im selben Abschnitt bereits in der einleitenden Nr 126 geregelt wurde:
„Sachen der Gemeinden sind jene, deren Eigentum nicht einzelnen Personen, sondern der ganzen Gemeinde gehörig, der aber davon entweder der Gemeinde allein vorbehalten, oder allen Mitgliedern gemein ist.“ Die sachenrechtlichen Verhältnisse betreffend ist die Bestimmung der Nr 133, § V, Caput I, II. Teil Codex Th offensichtlich wenig ergibig.

Ganz anders sind die Aussagen der Gesetzesbestimmung zur die Rechtsnatur der „Gemeinde“ zu beurteilen. Diese Aussagen machen deutlich, dass die „Gemeinde“ zur damaligen Zeit ein begriff war, der eine Personengesellschaft definiert. Diese Personengesellschaft hat bestimmte Eigenschaften, nämlich a) sie wird als eine „sittliche Person“ betrachtet (heute würde man sagen „juristische Person“); b) diese „Gemeinde“ findet man in den Städten, Märkten und anderen Ortschaften aber auch als andere privatrechtliche Zusammenschlüsse von Personen; c) wenigstens drei Personen müssen sich beteiligen, damit von einer „Gemeinde“ gesprochen werden kann.

„GEMEINDE“ WAR EINE GESELLSCHAFT

Damit definieren die Rechtsprofessoren aus der Zeit der Kaiserin Maria Theresia die „Gemeinde“ als eine Gesellschaft nach privatem Recht, als Zusammenschluss von mindestens drei Personen und gerade nicht als eine Staatsorganisation, wie dies dem heutigen Begriffsverständnis entsprechen würde.

Das Eigentum der „Gemeinde“, bestehend aus zumindest drei Personen, wurde in Nr 126 bis 155, heute würde man sagen §§ 126 bis 155, somit in 30 (!) Paragraphen geregelt. Losgelöst von den sachenrechtlichen Regelungen und bereinigt um die missglückte Gleichstellung einer „Versammlung“ mit einer „Gemeinde“ im letzten Halbsatz von Nr 133, ist dieser legistische Regelungsversuch der „Gemeinde“ als Zusammenschluss von Privatpersonen zu einer juristischen Person nach Privatrecht (heute: „Gesellschaft“) wie folgt zu verstehen:
„Die Gemeinden in den Städten, Märkten und anderen Ortschaften sowie die weltlichen Zusammenschlüsse mehrerer Personen sind als sittliche Person anerkannt, soferne sie rechtmäßig errichtet und hoheitlich bestätigt sind, sofern sich mindestens drei Personen zusammen geschlossen haben.“

Bemerkenswert ist, dass der Codex Th in der anschließenden Nr 134 die Rechtsfolgen für den Fall regelt, dass sich die Anzahl der Gesellschafter einer solchen „Gemeinde“ nachträglich unter die für die Gründung erforderliche Mindestanzahl verringert. Nr 134, § V, Caput I, II. Teil Codex Th lautet wie folgt: „Würde aber deren Anzahl bis auf eine einzige noch übrige Person vermindert, so bleiben dennoch die Rechte der Gemeinde in dieser einzigen Person aufrecht, und das alle abgingen, hat die Behörde (Original: „haben Unsere Stellen“ – gemeint die Beamten der Kaiserin) wegen der Sachen und Rechte der Gemeinde einstweilen die Vorsehung zu treffen …“

ZUR GESCHICHTE DES GEMEINDEBEGRIFFES

Wer die Geschichte des Gemeindebegriffes verstehen möchte, muss sich von Vorstellungen befreien, welche das einfließen lassen, was heute eine politische Ortsgemeinde darstellt. Die historischen Siedlergemeinschaften, genannt die „Markgemeinden“, die zur Anfangszeit der heutigen Besiedlung ein bestimmtes Territorium in Besitz genommen haben, hatten politisch-soziale Aufgaben wahrgenommen und solche wirtschaftsgenossenschaftlicher Art. Treffend prägte Otto Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd I (1895) 577, den Begriff des „doppelten Berufes“ den die historischen Markgemeinden gehabt hätte: Sie waren örtliches Gemeinwesen und sie waren ländliche Wirtschaftsgenossenschaft, Verwalter des gemeinsamen Privaten Grund und Bodens.
Je nach der lokaler Rechtsentwicklung wurden die politischen Aufgaben früher oder später in staatlich „implementierte Rechtsträger“ ausgelagert.
Zurück blieb die Wirtschaftsgenossenschaft, heute als Agrargemeinschaft definiert.

Diese staatlichen Gemeindegebilde, die durch Hoheitsakt in die historische Privatgemeinden, in die Gesellschaften der Nachbarn, hineingepflanzt wurden, sind streng zu unterscheiden von der „wirtschaftsgenossenschaftlichen Seite der Markgemeinde“. Aus der ursprünglichen „Gesellschaft der Nachbarn“ hat sich die Agrargemeinschaft entwickelt, als Eigentumsträger von typischer Weise unbesiedeltem Land, von Heimweiden, Wäldern und Almen.
Je nach dem wann die moderne Agrargesetzgebung die Regulierung der Gemeinschaftsliegenschaften ermöglicht hat, entstanden die heutigen „körperschaftlich eingerichteten“ Agrargemeinschaften; oft wurde das Gemeinschaftsland auch einfach aufgeteilt.

Nicht alle derartigen Agrargemeinden wurden bis dato reguliert. Zum Teil haben die politischen Ortsgemeinden das Kommando übernommen; zum Teil existieren noch die uralten Korporationen, Agrargemeinden nach bürgerlichem Recht, mit eigenständiger Organisation, vertreten durch gewählte Machthaber. So existiert im Bezirk Landeck die „Zweidrittelgericht Landeck“, Eigentümerin von insgesamt acht Liegenschaften, ua der Liegenschaft in EZ 178 Grundbuch Grins. Diese Agrargemeinde existiert wohl schon seit dem Beginn der heutigen Besiedlung. Als „Groß-Alpe“ vereinigt diese Gesellschaft der Nachbarn nutzungsberechtigte Stammliegenschaftsbesitzer aus mehreren Siedlungsverbänden.

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Gemeinde, das sind „Häuser“ mit Rechten und Pflichten

 

MP