Anerkennung („Purifikation“) von Privateigentum

Anerkennung („Purifikation“) von Privateigentum

Auszug aus: Ogris/Oberhofer, Das Privateigentum an den Tiroler Forsten zum Ende des Vormärz, in Kohl/Oberhofer/Pernthaler, Die Agrargemeinschaften in Tirol, 151 ff.

Vorbemerkungen

Der in der letzten Zeit heftig aufgebrochene Streit um die ehemaligen Allmendliegenschaften in Tirol betrifft eine Kernfrage des historischen deutschen Privatrechts, nämlich – wie Otto Gierke dies treffend formulierte – die Frage nach dem „Schicksal der wirtschaftsgenossenschaftlichen Seite der Markgemeinde“. Die „alte Markgemeinde“ erfüllte bekanntlich eine doppelte Aufgabe: diejenige eines örtlichen Gemeinwesens und diejenige einer ländlichen Wirtschaftsgenossenschaft. „Mit der Eigenschaft eines politisch-sozialen Gebietskörpers verbindet sie die Eigenschaft einer vermögensrechtlichen Vereinigung im Sinne einer agrarischenProduktivgesellschaft.“

Solange der unmittelbare Zusammenhang zwischen Bodenverteilung und Gemeinderecht aufrechterhalten blieb, stellte sich die Frage nach dem Schicksal des „älteren Gemeindevermögens“ nicht. Mit der Demokratisierung des Gemeindeverbandes und der Einrichtung der modernen politischen Ortsgemeinden auf der Grundlage des Reichsgemeindegesetzes 1862 und der dazu ergangenen Ausführungsgesetze wurde die politische Seite der alten Markgemeinde endgültig in der heutigen politischen Ortsgemeinde verselbständigt. Die Demokratisierung der Lokalverwaltung durch Beteiligung aller Einwohner und deren Aufnahme als gleichberechtigte Gemeindeglieder in den politischen Verband verlangte gleichzeitig nach rechtlicher Verselbständigung der regelmäßig zumindest in Resten vorhandenen, wenngleich durch historische „Gemeinheitsteilungen“ teilweise aufgezehrten Allmendliegenschaften, soweit diese für die Bedürfnisse bestimmter Einzelwirtschaften gewidmet waren. Die Übertragung des politischen Demokratisierungsprozesses auf den Bereich der wirtschaftsgenossenschaftlichen Seite der historischen Markgemeinde hätte eine gravierende Änderung der Eigentumsverhältnisse nach sich gezogen: „Demokratisierung“ würde für die wirtschaftsgenossenschaftliche Seite der historischen Markgemeinde „Kommunalisierung“ bedeuten, was schon die zeitgenössischen Literatur klar erkannt hatte.

Grundsätzlich sind hinsichtlich der wirtschaftsgenossenschaftlichen Seite der historischen Markgemeindezwei Problemkreise zu unterscheiden: Der erste Problemkreis betrifft das unmittelbare Rechtsverhältnis der historischen Markgemeinde zur Allmende – in Tirol die „Gmoan“ genannt –, welches deshalb komplex ist, weil der Tiroler Landesfürst Jahrhunderte lang für die Allmendliegenschaften Hoheitsrechte als „Allmendregal des Landesfürsten“ aufrecht erhalten hatte. Erst im Zuge der Tiroler Forstregulierung 1847verzichtete der Landesfürst endgültig auf sein Obereigentum. Der zweite Problemkreis betrifft den Umgang des Staates mit den im Zeitpunkt der Errichtung der heutigen politischen Ortsgemeinden – ungeachtet der über Jahrhunderte vollzogenen Teilungsakte – vielerorts in Teilen noch bestehenden Allmendliegenschaften. Letzterer Problembereich wurde für das Kaisertum Österreich und damit auch für Tirol einer eindeutigen Lösung im Rahmen der politischen Gemeindegesetzgebung zugeführt: § 26 Prov. GemG 1849 bzw § 11 der Regierungsvorlage für die Ausführungsgesetze zum Reichsgemeindegesetz 1862 (in Tirol schließlich § 12 TGO 1866) ordneten eine strikte Trennung des Privateigentums vom Eigentum der politischen Ortsgemeinde an: „Die privatrechtlichen Verhältnisse überhaupt und insbesondere die Eigentums- und Nutzungsrechte ganzer Klassen oder einzelner Glieder der Gemeinde bleiben ungeändert.“ Das auf der Grundlage des Forstregulierungspatentes 1847 förmlich anerkannte Klassenvermögen blieb somit unangetastet.

Angesichts einer historisch eindeutigen Rechtslagesollte der heutige Konflikt in Tirol einer klaren Lösung zugeführt werden können: Es entbehrt jeder Grundlage, wollte man dem (bis zur Umgestaltung des Kaisertums Österreich in einen Rechts- und Verfassungsstaat moderner Prägung ab 1867) für die Gesetzgebung verantwortlichen Monarchen, Kaiser Franz Josef I., den Willen zur Kommunalisierung der historischen Allmendliegenschaften unterstellen. Dies würde jedoch geschehen, nähme man an, dass das Eigentumsrecht an den Gemeinschaftsliegenschaften von Gesetzes wegen 1849 oder mit Inkrafttreten der Ausführungsgesetze zum Reichsgemeindegesetz – in Tirol mit der TGO 1866 – auf die heutigen politischen Ortsgemeinden übertragen worden sei. Die Demokratisierung der politischen Gemeindeverfassung wäre in diesem Falle ex lege mit einer starken Umwälzung der ländlichen Besitzverhältnisse verbunden gewesen. Davon hat man freilich im ehemaligen Kaisertum Österreich nichts bemerkt. Im Gegenteil: Die Annahme derartiger Rechtsfolgen für die politische Gemeindegesetzgebung widerspricht der eindeutigen historischen Rechtslage, wonach die Privatrechtsverhältnisse unberührt zu bleiben hatten. Es liegt deshalb an der heutigen politischen Führung, jene Grundsätze zu beherzigen, welche Julius Weiske bereits im Jahr 1849 (!) definiert hatte: „So wären denn die (politischen Orts-) Gemeinden darüber aufzuklären, wie diese Güter entstanden sind, wie die jetzt bevorzugt erscheinenden Mitglieder die rechtlichen Nachfolger derer sind, welche, als sie die ganze Flur in Besitz nahmen, die jetzt sog. Gemeindegüter ungeteilt ließen, um sie gemeinschaftlich oder nach bestimmt festgesetzten Anteilen für sich zu benutzen. Dabei muss man in Erwägung ziehen, dass die(jenigen), welche jene Einrichtung trafen, ebenso gut, wenn es ihr Interesse erfordert hätte, jene ungeteilt gebliebenen Grundstücke sich hätten zuteilen und zu ihren Äckern oder Privatgütern schlagen können. Wäre dies geschehen, so würde niemand behaupten: Da wir jetzt alle wirkliche Gemeindeglieder, gleichberechtigt und gleich verpflichtet, sind, so darf auch kein Mitglied ein größeres Gut, mehr Wald usw. als ein anderes haben; oder: da Einzelne mehr Grund und Boden als Privatgüter in der Gemeinde besitzen als andere, so müssen jene diesen gewisse Teile abtreten.“

Zur historischen Ausgangslage

In Tirol bestand eine lange Tradition, nach der die Obrigkeit lokalen Gruppen der heimischen Landbevölkerung „Besitz“ an bestimmten Alp-, Weide- oder Waldgrundstücken in förmlichen Verleihurkunden uä bestätigte. Die daraus historisch abzuleitende Rechtsposition ist durchaus mit dem modernen Grundeigentum vergleichbar. Durch eine breite und ausführliche Beschreibung der Befugnisse, welche die „Nachbarn“ hinsichtlich des Erworbenen erlangten, wurde hier inhaltlich all das umschrieben, was heute mit dem Begriff des Eigentums als Selbstverständlichkeit umfasst ist. Jene Gruppen, die in diesen Urkunden als Adressaten der Verleihungen Erwähnung fanden, wurden regelmäßig als Nachbarschaften oder Gemeinden oder mit einer Kombination dieser Worte („Gmeind und Nachperschafft“) bezeichnet. Bei diesen Gebilden war ausschließlich an einen geschlossenen Personenkreis gedacht! Unmissverständlich definierten die historischen Rechtstitel „die Nachbarn, ihre Erben und Nachkommen“ als jeweiligen Vertragspartner. Juristisch ist die Nachbarschaft als Gemeinde nach bürgerlichem Recht (§ 27 ABGB – Gemeinde nbR) zu verstehen, als eine „moralische Person“, verwandt der personamoralis collegialis des Gemeinen Rechts.

Dass die Dogmatik der Gemeinde nbR heute noch Probleme bereitet, ist nicht verwunderlich. Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts, als die großen Kodifikationen des bürgerlichen Rechts beraten bzw. geschaffen wurden, hatte die Privatrechtswissenschaft die heutige juristische Person erst in Teilbereichen ihres Wesens erfasst. Als dann seit der Mitte des 19. Jahrhunderts die monographischen Darstellungen Savignys und Gierkes, für Österreich vor allem auch Ungers erschienen, war die Rechtsfigur der Gemeinde nbR bereits einem massiven Verdrängungs-, besser Überlagerungsprozess ausgesetzt, der von einer die Rechtsverhältnisse der lokalen Siedlungsverbände völlig beherrschenden juristischen Neuschöpfung, der heutigen politischen Ortsgemeinde, ausging.

Bezeichnend ist, dass sich zB in der Ende des 19. Jhdts veröffentlichen 7. Auflage des Stubenrauch-Kommentars zum ABGB in den Anmerkungen zu § 21 letzter HS idF 1811 angesichts der Tatsache der gesetzlich angeordneten Handlungsunfähigkeit der „Gemeinden“ nur folgender Hinweis findet: „…und der Gemeinden (oder richtiger der moralischen [juristischen] Personen)“ – um im übrigen betreffend die Natur der juristischen Personen auf die Kommentierung zu den §§ 26f ABGB zu verweisen. Im Kontext der Ausführungen dazu wird der Begriff „Gemeinde“ dann ausschließlich im Sinne von „politischer Ortsgemeinde“ abgehandelt, obwohl offensichtlich ist, dass der Status der bürgerlichrechtlichen Handlungsfähigkeit, wie dies der Rechtslage während des gesamten 19. Jahrhunderts entsprach, ausschließlich für die Gemeinde nbR., „moralische Person“ in der Terminologie der Schöpfer unseres bürgerlichen Gesetzbuches, gegolten haben kann. Die Gemeinde nbR scheint sohin am Ende des 19. Jahrhunderts für die Rechtswissenschaft bereits völlig in die Bedeutungslosigkeit versunken zu sein. Ungeachtet dessen existierten derartige Rechtsgebilde und existieren sie auch noch heute (zumindest) in Folge Fortbestandes ihres Vermögens, teilweise sogar als wirtschaftlich aktive „moralische Personen“, wie die Beispiele „Zweidrittelgericht Landeck“oder „Gedingstatt Zams“ eindrucksvoll belegen.

Die „Gemeinde nach bürgerlichem Recht“

Hier ist nicht der Platz, die Dogmatik der Gemeinde nbR zu entwickeln; nur so viel in Kürze: Im Codex Theresianus (1766) fand sich im Sachenrecht (!) folgende „Gemeindedefinition“: „Alle anderen zu den Gemeinden gehörige Sachen sind in ihrem Eigentum, welche in dieser Absicht als sittliche Personen betrachtet und hierunter die Gemeinden der Städte, Märkte und anderen Ortschaften wie auch alle und jede weltliche Versammlung mehrerer in größerer oder kleinerer Anzahl bestehender Personen, welche rechtmäßig errichtet und von Uns bestätigt sind, verstanden werden, also, dass wenigstens drei Personen eine Gemeinde oder Versammlung ausmachen können.“ Nach dieser Definition konnten also schon drei Personen eine Gemeinde (oder Versammlung) ausmachen – weitere Einzelheiten blieben ungeregelt.

Wesentlich instruktiver erscheint die „Definition“ der Gemeinde nach „Tiroler Landesrecht“, die uns vom Tirolischen Gubernium aus dem Jahr 1784 überliefert ist: „In Tyroll wird unter der Benambsung Gemeinde eine gewisse, bald größere bald kleinere Anzahl beysammen liegender oder auch einzeln zerstreuter Häuser verstanden, die gewisse Nutzbarkeiten an Weyden, Waldungen und beurbarten Gründen gemeinschaftlich und mit Ausschluß anderer Gemeinden genießen, einen gemeinschaftlichen Beutel oder Cassa führen und also gewisse gemeinschaftliche Schuldigkeiten haben z.B. eine bestimmte Strecke eines Wildbaches oder Stromes zu verarchen. Diese „Definition“ enthält konkrete Tatbestandselemente, welche die „Gemeinde“ als einen bestimmten Typus der „moralischen Person“ charakterisieren: Die Gemeinde setzt sich demnach aus „Häusern“ zusammen (beisammen liegend oder zerstreut), welche bestimmte Rechte an Liegenschaften gemeinschaftlich ausüben, und zwar unter Ausschluss von anderen (Gemeinden). Bestimmte Träger von Liegenschaften haben sich somit als Träger bestimmter Rechte zusammengeschlossen, also eine Gemeinde nbR gebildet. Dieses Gemeinschaftsgebilde ist nach modernem Verständnis eine juristische Person, dh Träger von Rechten und Pflichten; es besitzt eine Verwaltungsstruktur, die sich vor allem in der gemeinsamen Finanzgebarung zeigt, dem „gemeinschaftlichen Beutel“ bzw der Gemeinschaftskassa. Durch Interpretation zu erschließen sind aus dieser Gemeindedefinition auch der Erwerb und der Verlust der Gemeindemitgliedschaft: Die jeweils am „Mitgliedshaus“ berechtigte natürliche Person ist Gemeindeglied; der Verlust der Berechtigung am Haus muss nach historischem Tiroler Landesrecht den Verlust der Gemeindemitgliedschaft nach sich gezogen haben.

Der Entwurf Martini zum ABGB verzichtete dagegen auf jede Definition der Gemeinde nbR. Nach dem Beispiel des Codex Theresianus wird im Sachenrecht die (als bekannt vorausgesetzte) Gemeinde als Trägerin von Privatrechten definiert: Die Mitglieder der bürgerlichen Gesellschaft sind entweder Gemeinden oder einzelne Personen.

In das ABGB fand zwar keine Definition der Gemeinde nbR Eingang, sehr wohl aber eine generelle Bestimmung über die „moralische Person“. Der historische Gesetzgeber definierte die Gemeinde nbR als Erscheinungsform der „moralischen Person“: Die Marginalrubrik zu §§ 26, 27 ABGB lautet: Aus dem Verhältnisse einer moralischen Person. Der Gesetzestext dazu lautet: § 26. Die Rechte der Mitglieder einer erlaubten Gesellschaft unter sich werden durch den Vertrag oder Zweck, und die besonderen für dieselben bestehenden Vorschriften bestimmt. Im Verhältnisse gegen andere genießen erlaubte Gesellschaften in der Regel gleiche Rechte mit den einzelnen Personen. Unerlaubte Gesellschaften haben als solche keine Rechte (…). § 27. Inwiefern Gemeinden in Rücksicht ihrer Rechte unter einer besonderen Vorsorge der öffentlichen Verwaltung stehen, ist in den politischen Gesetzen enthalten.

Was das ABGB unter einer solchen Gemeinde als einer moralischen Person in concreto verstanden hat, kann beim wichtigsten Redaktor und Kommentator des Gesetzbuches, Franz von Zeiller, nachgelesen werden. Er erläuterte zu § 27 ABGB: „Die unter öffentlicher Authorität zu gemeinnützigen Zwecken verbundenen Gemeinden, wie die der Städte, Märkte, Dörfer, oder der geistlichen Gemeinden, haben ihre besondere, durch politische Gesetze und Statuten bestimmte Verfassung, sie stehen, weil die einzelnen Glieder ihre in dem Gemeindevermögen begriffenen Rechte nicht verwahren können, unter einem besondern Schutze des Staates, sind in der Verwaltung ihres Vermögens eingeschränkt und genießen besondere (auf Sachen) angewandte Personen-Rechte. Die Vorsicht fordert demnach, daßdiejenigen, welche mit Gemeinheiten Rechtsgeschäfte eingehen, sich zuvor genaue Kenntniß erwerben, ob und inwieweit dieselben oder ihre Vorsteher in der Verwaltung des Vermögens eingeschränkt oder begünstiget seyn.“ Zeiller setzte offensichtlich eine Vielzahl verschiedener Gemeinden voraus; er differenzierte zwischen Städten, Märkten und Dörfern, innerhalb derer „Gemeinden“ existieren; dementsprechend bezeichnete er „Gemeinden“ synonym auch als „Gemeinheiten“.

Einschränkender, aber zugleich präziser war die Definition der „Dorfgemeine“ nach § 18 II. 7 des Allgemeinen Landrechts für die preußischen Staaten (ALR) aus dem Jahr 1794: „Die Besitzer der in einem Dorfe oder in dessen Feldmark gelegenen bäuerlichen Grundstücke machen zusammen die Dorfgemeine aus.“ Diese Definition einer „Dorfgemeine“ schließt selbstverständlich nicht aus, dass innerhalb des Dorfes noch (weitere) Gemeinden (Brunnengemeinden, Mühlengemeinden, Waldgemeinden usw) existieren können.

Aus diesem knappen Überblick ergibt sich eine für die gegenständliche Untersuchung maßgebliche Eigenschaft der Gemeinde nbR: Die Schöpfer des ABGB haben zur Definition der „Gemeinde nbR“ keine Anleihe beim bekannten Beispiel der im ALR definierten „Dorfgemeine“ genommen; Zeillers Kommentar übernahm vielmehr fast wörtlich die Beschreibung aus dem Codex Theresianus, wonach Gemeinden in den Städten, Märkten und Ortschaften existieren. Gemeinde nbR ist deshalb – im Gegensatz zur „Dorfgemeinde“ des ALR – nicht notwendig ein gesamter Siedlungsverband, sondern auch ein beliebiger Teil desselben oder eine größere Einheit aus einer Vielzahl von Gemeindegliedern, von denen verschiedene Gruppen in anderem Zusammenhang als eigenständige Gemeinden zusammen geschlossen sein können. Historische Gemeinschaftsliegenschaften, welche Stammliegenschaftsbesitzern aus verschiedenen Siedlungsverbänden als Eigentum zuzuordnen waren, bilden ein beredtes Beispiel dafür: So setzt sich die Gemeinde „Zweidrittelgericht Landeck“ aus Stammliegenschaftsbesitzern diverser heutiger politischer Gemeinden zusammen; gleiches gilt für die „Gedingstatt Zams“.

Rahmenbedingungen für das Forsteigentum in Tirol

Die Ursprünge der Forstverfassung Tirols werden auf das 14. Jahrhundert zurückgeführt. Schon im Jahr 1330 hätte Heinrich II. von Tirol in dem von ihm „aufgerichteten Amtsbuche“ sämtliche Waldungen des Inn- und Wipptales als sein Eigentum erklärt. Auf dieser Verfügung soll die von Kaiser Ferdinand I. 1541 erlassene erste Tiroler Waldordnung beruhen. Schließlich erließ Kaiser Leopold I. im Jahr 1685 eine spezielle Inn- und Wipptaler Waldordnung, welche bis zum Jahr 1847 für geltendes Recht gehalten wurde. Diese Waldordnungen wurden nach herrschender Auffassung so ausgelegt, dass die Erwerbung von Waldeigentum durch Ersitzung ausgeschlossen war: „Niemand könne Waldeigentum behaupten, er müsste sich denn über den Besitz desselben durch landesfürstliche Urkunde ausweisen.“ Diese Rechtsauffassung wurde in der a.h. Entschließung vom 6.2.1847, dem Forstregulierungspatent (FRP) im Wege authentischer Interpretation bestätigt, wonach „gemäß der (…) bisher in Kraft gestandenen alttyrolischen Waldordnungen, auf welche sich auch die Holzbezugsrechte und Gnadenholzbezüge der Untertanen gründen, sämtliche Wälder Tirols, mit Ausnahme weniger Landestheile, (…) ein Gegenstand landesfürstlichen Hoheitsrechtes sind, insoferne von seiner Majestät Vorfahren nicht einzelne Wälder an Gemeinden oder Private urkundlich verliehen worden waren.“ (Präambel zum FRP)

Zur Begründung dieses Regalitätsrechtes fanden die Zeitgenossen bemerkenswerte Erklärungen: „Es mag allerdings befremden, dass die tyrolischen Landesfürsten, die doch, wie bekannt, dem bideren Tyrolervolk stets ihre besondere Gunst zuwandten, gerade in Bezug auf die Forste mit diesem nicht allzu freigebig waren, und noch zu einer Zeit, wo man bereits anderenorts von der starren Aufrechterhaltung des Waldreservats nachzulassen begann, das Waldeigenthum in Tyrol fast ausschließlich nur für sich erhalten wissen wollten. Aber gerade in dieser, bis zum Jahr 1847 mit unerschütterlicher Konsequenz an den Tag gelegten Absicht, liegt der sprechende Beweis von der weisen Fürsorge der Landesfürsten. Mit richtigem Blicke haben sie seit jeher erkannt, dass das Wohl des Landes und seiner Bewohner in einem inneren Zusammenhange mit einer guten Waldwirtschaft stehe, ja dass diese eine unerlässliche Bedingung für das erstere sei; und nur in der Absicht, damit die Quellen des Tyroler Wohlstandes: Bergwerke und Salinen, dann Land und Leut in künftiger Zeit an Holz keinen Abgang oder Mangel leiden dürfen, sondern jederzeit mit guter Notdurft versehen werden mögen, verfügten sie: ‚Seynd alle Wäldt, Höhen, kaine ausgeschlossen, Unser Aigen.’ In diesen, der Waldordnung entnommenen Worten liegt ein tiefer Sinn. – Es ist damit (…) ausgesprochen, die Waldungen Tirols nicht allein als eine Quelle des landesfürstlichen Einkommens, sondern als ein Mittel zur Förderung eines höheren Zwecks – des Wohlstandes der Nation – als landesfürstliches Eigentum zu erhalten und gut bewirtschaften zu wollen. In diesen Worten findet aber auch der Anspruch der Bewohner Tirols, auf nachhaltige Deckung ihrer Bedürfnisse aus landesfürstlichen Waldungen, seinen richtigen Grund, und das ursprünglich aus allerhöchster Gnade erflossene Recht der Einforstung seinen unwiderlegbaren Haltpunkt.“

In der Praxis war das landesfürstliche Forstregal freilich immer wieder umstritten und umkämpft, insbesondere seit Erlass der provisorischen Waldordnung 1839. Die offensichtlich als Missstand empfundenen Streitigkeiten beschäftigten den Tiroler Landtag; es fanden Verhandlungen „der Tiroler Ständischen Aktivität“ in Wien statt. Die zur Erledigung dieser Streitigkeiten erlassene Entschließung vom 6. Februar 1847 erschien den Zeitgenossen als glänzender Erfolg der vereinten Bemühungen der Bevölkerung Tirols: Das landesfürstliche Forsthoheitsrecht wurde auf die Forste des Ober- und Unter-Inntals sowie einige Forste südlich des Brenners beschränkt; alle übrigen, bisher dem Landesfürsten aus dem Titel des Hoheitsrechtes zugerechneten Forste des Landes wurden den servitutsberechtigten Gemeinden, unbeschadet der Ansprüche Dritter, ins volle Privateigentum abgetreten. In Ansehung jener Gebiete, hinsichtlich derer das landesfürstliche Hoheitsrecht aufrechterhalten blieb („Regalitätsforste“), wurde – soweit die Forste nicht ohnehin aufgrund von landesfürstlichen Verleihurkunden bereits in Privatbesitz standen – die Anerkennung von Ersitzungstatbeständen in Aussicht gestellt. Ferner sollten in den Regalitätsforsten die Servituten und Gnadenholzbezüge der Untertanen, sofern ihnen solche nach den alten Waldordnungen zukamen, soweit nur immer tunlich durch Ausscheidung und Überweisung einzelner Forstteile in das volle Eigentum der betreffenden berechtigten Gemeinden abgelöst werden.

Rahmenbedingungen der Forsteigentumspurifikation

Die Einzelheiten für die Vorgehensweise der „Kommission zur Purifizierung der Privateigenthums-Ansprüche auf Wälder in jenen Landestheilen oder Forstgebieten Tirols, in welchen das landesfürstliche Forsthoheits-Recht vorbehalten bleibt“, regelte eine Instruktion vom 17. Juni 1847. Demnach (Pkt 1 Z 2 Abs 4) hatte die Kommission die Bestimmung, in jenen Forstgebieten Tirols, in welchen das lf. Forsthoheitsrecht als Regel aufrecht verbleibt, namens der obersten Finanzverwaltung das Privatforsteigenthum im außergerichtlichen Wege zu „liquidiren“. Dadurch würde dasselbe „von künftigen aerarischen Ansprüchen enthoben und gesichert und in diesem besonders für das Land Tirol wichtigen Beziehungen den streitigen Differenzen zwischen den Privaten und dem Aerar ein Ziel gesetzt, und für die Zukunft begegnet.“ Als gleichzeitige Folge der Lösung dieser Aufgaben der Kommission würde sich die Erreichung des Zweckes ergeben, „dass auch das dem Staate als Ausfluss des landesfürstlichen Hoheitsrechtes zustehende Forsteigenthum von Besitzansprüchen der Privaten – und zwar auf immerwährende Zeiten – freigestellt wird.“ Mit diesen Sätzen wurde im Wesentlichen das gesamte Programm der Tirolischen Forstregulierung umrissen, nämlich die Trennung der Bereiche privater und öffentlicher Eigentumssphären.

Als Leitsatz für die spezielle Tätigkeit der Privatforst-Eigentums-Purifikations-Kommission (FEPK) gab die Instruktion vom 17. Juni 1847 folgendes vor: Als Privateigenthum sind, wie sich im Allgemeinen schon von selbst versteht, nur solche Forste anzuerkennen, welche entweder nach den Besitz-Urkunden, oder nach sonstigen Titeln als wirkliches Eigenthum und nicht bloß zur Nutznießung von Privaten besessen worden sind.“(Pkt 14 der Instruktion) Die Tiroler Privatforst-Eigentums-Purifikation würde also missverstanden, wollte man meinen, mit dieser Maßnahme sei Eigentum an Rechtsträger zugewiesen worden, welche bis zu diesem Zeitpunkt keine Herrschaftsrechte über die betroffenen Liegenschaften ausübten. Von der Maßnahme der Privatforsteigentums-Purifikation waren vielmehr ausschließlich solche Sachverhalte betroffen, in denen natürliche oder moralische Personen sich entweder auf eine „landesfürstliche“ Besitzurkunde oder auf andere, „wirkliches Eigentum“ begründende Titel stützen konnten. Während die landesfürstlichen Besitzurkunden schon nach älterer Rechtslage – ungeachtet der immer wieder angezweifelten Regalitätsrechte des Landesfürsten – staatlich anerkanntes Privateigentum begründeten, war dies für die „sonstigen Titel“ im Hinblick auf die herrschende Auffassung, wonach im Gebiet des landesfürstlichen Forstregals eine Ersitzung ausgeschlossen sei, umstritten. Mit dem Tiroler Forstregulierungspatent 1847 hatte der historische Gesetzgeber sich ausdrücklich bereit erklärt, „in huldvoller Berücksichtigung der im Verlaufe der Zeit eingetretenen Verhältnisse“ die Eigentumsrechte der Bürger an Forsten, Alpen und Auen unter diesem Gesichtspunkt neu zu beurteilen.

Damit ist zugleich das zentrale Anliegen, das die FEPK umzusetzen hatte, beschrieben: Es oblag ihr die Beurteilung von Einzelsachverhalten, welche daraufhin zu überprüfen waren, ob Tatbestände erfüllt wären, welche der Gesetzgeber speziell in dieser Instruktion als Voraussetzung für die Anerkennung von ersessenem privatem Forsteigentum im Gebiet des landesfürstlichen Hoheitsrechtes definiert hatte. Angesichts des historischen Selbstverständnisses des Landesfürsten im Jahr 1847 ist es nachvollziehbar, dass diese Tätigkeit nicht der gewöhnlichen Zivilgerichtsbarkeit überantwortet wurde, sondern einer eigenständigen, temporär eingesetzten Behörde.