Das Forstregulierungspatent 1847 (FRP)
Das Gesetz zur Regulierung der Tiroler Forstangelegenheiten:
Ende der 1830er, Anfang der 1840er Jahre waren in Tirol heftige Rechtsstreitigkeiten ausgebrochen. Gegenstand waren die Eigentumsverhältnisse an den Tiroler Wäldern. Ein anonymer Bericht in der Österreichischen Vierteljahresschrift für Forstwesen aus dem Jahr 1851 berichtet von hunderten (!) anhängigen Rechtsstreitigkeiten (und doppelt so vielen Federn in Bewegung, um für und dagegen zu schreiben). Die staatliche Forstverwaltung sei nur noch mit der „Sammlung von Klagebehelfen und Instruierung von Klagen“ beschäftigt gewesen. Von verschiedenster Seite wurde in dieser Situation in Wien interveniert, wo seit Anfang der 1840er Jahre das staatliche Berg- und Forstwesen in den Händen von Carl Friedlich Kübeck Freiherr von Kübau lag. Auf dessen Initiative ist es zurückzuführen, dass Kaiser Ferdinand I. die allerhöchste Entschließung vom 6. Februar 1847, Provinzialgesetzsammlung für Tirol und Vorarlberg für das Jahr 1847/XXXVI, 253ff, erlassen hat, das so genannte Tiroler Forstregulierungspatent von 1847. Im „Kaiserlich königlich privilegierten Bothen für Tirol und Vorarlberg“, Jahrgang 1847, Seite 189f, vom 29. April 1847 und im „Amts-Blatt zum k. k. privilegierten Bothen von und für Tirol und Vorarlberg“ am 6. Mai 1847 erschien dazu die nachstehende Veröffentlichung:
Regulierung der Tiroler Forstangelegenheiten. Sr. k. k. Majestät haben mit der an das k. k. Hofkammer-Präsidium erlassenen und von diesem am 1. April d. J. an die k. k. vereinigte Hofkanzlei mitgeteilten allerhöchsten Entschließung vom 6. Februar d.J. zu erklären befunden: Daß gemäß der über die Forsteigentums-Verhältnisse in Tirol – mit Ausschluß Vorarlbergs – bisher in Kraft gestandenen alttirolischen Waldordnungen, auf welche sich auch die Holzbezugsrechte und Gnadenholzbezüge der Untertanen gründen, sämtlicher Wälder Tirols mit Ausnahme weniger Landesteile, allerdings ein Gegenstand landesfürstlichen Hoheitsrechtes sind, in so ferne von Seiner Majestät Vorfahren nicht einzelne Wälder an Gemeinden oder Private urkundlich verliehen worden waren.
Seine k. k. Majestät haben jedoch in huldvoller Berücksichtigung der, im Verlauf der Zeit eingetretenen Verhältnisse zur gründlichen Behebung aller Verwirrung im Forstbesitze, in den Forstnormen von Tirol – mit Ausnahme Vorarlbergs – nachfolgende Änderungen allergnädigst zu genehmigen geruht:
1. Das jeden Privatbesitz, außer infolge landesfürstlicher Verleihung, ausschließende landesfürstliche Hoheitsrecht über die Wälder Tirols wird auf die Waldungen des Ober- und des Unterinntals, dann des Wipptales, welche sich gegenwärtig unter Verwaltung der Staatsbehörden befinden, dann in den übrigen Landesteilen
a.) auf den Forstkomplex Paneveggio und Cadino im Fleimsertale,
b.) auf die Forste Kar und Latemar im Bozner Kreise, welche sämtlich gleichfalls unter Verwaltung der Staatsbehörden stehen, beschränkt;
c.) die zu den montanistischen Werken am Schneeberge und in Pfundern, dann zur ärarialischen Schmelzhütte in Klausen gehörigen und erforderlichen Forste haben ebenfalls landesfürstlich zu verbleiben.
Über die Primörerforste wird die im administrativen Wege schwebende abgesonderte Verhandlung zur Entscheidung führen.
2. Auch in Ansehung dieser Forste, in Absicht auf welche das landesfürstliche Hoheitsrecht aufrecht verbleibt, gestatten seine Majestät die Beurteilung der Eigentumsansprüche von einzelnen Privaten oder Gemeinden, in huldvoller Berücksichtigung der eingetretenen Verhältnisse, für das vergangene in Anwendung der Bestimmungen des allgemeinen bürgerlichen Rechts, jedoch nur dann und insoferne, als diese Ansprüche entweder schon derzeit gerichtlich gestellt sind, oder binnen 3 Monaten vom Tage, an welchem die zur Purification dieser Eigentumsansprüche auszusendende Kommission den Beginn ihrer Wirksamkeit bekannt gemacht haben wird, bei eben dieser Kommission angemeldet werden.
3. Seine Majestät geruhen allergnädigst zu bewilligen, dass in den künftig vorbehaltenen Staatswäldern die Holzbezugsrechte oder Gnadenholzbezüge der Untertanen, insoferne ihnen solche nach den alten Waldordnungen zukommen, durch Ausscheidung und Überweisung einzelner Forstteile in das volle Eigentum, und zwar nicht der einzelnen Untertanen, sondern der betreffenden Gemeinden, soweit es nur immer zulässig ist, abgelöst werden. In Ansehung derjenigen einzelnen Berechtigten, welche sich weigern würden, dem Willen der Mehrzahl der Gemeindeglieder beizutreten, werden von Seiten der k. k. vereinigten Hofkanzlei die nötigen Bestimmungen getroffen werden, um solche vereinzelte Einstreuungen im Interesse des Staates und der Gemeinden selbst zu beseitigen.
4. Sowohl zum Behufe der Eigentums-Purifikation, als zum Behufe der Ablösung und Richtigstellung der Holzbezugs- und sonstigen Rechte in den künftig vorbehaltenen Staatswäldern, wird die erforderliche Kommission zusammengestellt und ausgesendet werden.
Die Purifikations-Kommission der Eigentumsrechte wird, nach vorläufiger Aufforderung der Beteiligten zur Produzierung ihrer Besitztitel, bei den, nach Grundsätzen des allgemeinen bürgerlichen Rechts unzweifelhaften Eigentumsrechten, dieselben als solche anerkennen, bei den zweifelhaften dagegen mit betreffenden Parteien eine gütliche Ausgleichung versuchen, und nach Umständen bewirken; die Kommission für die Ablösung der Holzbezugsrechte und Gnadenholzbezüge wird die Richtigstellung und Ausgleichung mit den Gemeinden bewerkstelligen.
Die Zusammensetzung, Instruierung und die nähere Bestimmung der Wirksamkeit dieser Kommission oder Kommissionen wird alsbald nachträglich erfolgen.
5. Zur Anbringung oder Fortsetzung von Rechtsstreiten des Ärars oder wieder das Ärar bei jenen Eigentums-Ansprüchen in den künftig vorbehaltenen Staatswäldern, welche bei der bezüglichen Kommission zwar angemeldet wurden, aber von solcher nicht abgetan werden können, gleich wie für alle künftigen Forstrechtsstreitigkeiten in Tirol zwischen dem Ärar und den Parteien, geruhen seine Majestät, statt des, mit der k. k. Salinen-Direktion vereinigten Berggerichtes zu Hall, das k. k. Stadt- und Landrecht zu Innsbruck als den gesetzlichen Gerichtsstand des Fiskus unter jedesmaliger Intervenierung der berufenen Cameral-Repräsentanten als erste Instanz zu bestimmen.
6. Seine Majestät beruhen zugleich allergnädigst anzubefehlen, dass mit Ausnahme der sup 1 angeführten, alle übrigen Wälder Tirols welche bisher allerhöchst demselben aus dem Hoheitsrechte vorbehalten waren, unter gleichzeitigem Erlöschen der auf demselben wieder das Ärar bestandenen Holzbezugs- oder sonstigen Rechte, unbeschadet der Besitzansprüche oder sonstigen, aus was immer für Titeln abgeleiteten Rechte Dritter, und ohne Gewährleistung wieder dieselbe von Seiten des Staatsschatzes, den bisher zum Holzbezuge berechtigten oder mit Gnadenholzbezügen beteilten Gemeinden, als solchen, in das volle Eigentum zu überlassen sein.
7. Dieses Eigentum soll jedoch nach dem bestimmten Wille seiner Majestät nur unter den Beschränkungen genossen werden dürfen, welche die zum Behufe der Erhaltung der Kultur und Bestände der Forste Tirols sobald als möglich zu erlassenden, die Forstpolizei, die Benützung der Wässer und Bäche, der Alpen und Auen, ferner die Bestimmungen über die Forstaufsicht und die Bedeckungsmittel der Kosten derselben umfassenden Anordnungen, festgestellt werden.
Einstweil ist sich hinsichtlich der Beaufsichtigung und Bewirtschaftung der in das Eigentum der Gemeinden übergehenden Staatswaldungen nach den, in dem 2. Teil der provisorischen Waldordnung für Tirol vom 24. Dezember 1839, Nr. 400 der JGS, enthaltenen Vorschriften unter strengster Verantwortung der berufenen Behörden, denen die erforderlichen Organe unter einem verschafft werden, zu benehmen.
8. Die Extradierung der, in der bezeichneten Art an die bisher zum Holzbezuge berechtigten, oder mit Gnadenholz beteilten Gemeinden als Eigentum überlassenen Wälder, wird von der Cammeral-Gefällen-Verwaltung Tirols im ganzen an die Landesstelle als Curadelsbehörde der Gemeinden geschehen, welcher auch die Zuweisung der einzelnen Waldstrecken an die Gemeinden und die Vornahme der zwischen diesen etwa nötig werdenden Ausgleichungen obliegen wird.
9. Alle Besitz-, Eigentums-, oder was immer für sonstige Rechtsansprüche einzelner, oder anderer Gemeinden auf Forste, die bisher dem allerhöchsten Landesfürsten gehörten, aber nunmehr den holzbezugsberechtigten Gemeinden abgetreten werden, sollen hinfort nur gegen diese letzteren gestellt oder fortgeführt werden können, ohne dass dem Ärar, wie bereits oberwähnt, dabei irgend eine Vertretungsleistung zur Last fallen darf. Es versteht sich von selbst, dass den berechtigten Gemeinden, die das Eigentum solcher landesfürstlichen Forste erlangen, weder für die Vergangenheit, den Ansprüchen Dritter gegenüber, das landesfürstliche Hoheitsrecht zu statten komme, noch für die Zukunft ein Hoheitsrecht, sondern nur das einfache Privat-Eigentumsrecht zustehen könne.
Allfällige Besitz-, Eigentums-, oder was immer für sonstige Rechtsansprüche Dritter wieder die Gemeinden, kommen daher nach dem allgemeinen bürgerlichen Recht zu beurteilen, und Rechtsstreite, die hierüber entstehen oder fortgeführt werden, hat das kompetente ordentliche Gericht zu entscheiden.
Die Prozessakten, welche diesfalls bisher wieder den Fiskus aufgelaufen sind, werden von diesem der Landesstelle, als der zur Übernahme und Zuweisung der betreffenden Wälder an die Gemeinden berufenen Behörde, zur weiteren Verfügung übergeben werden.
10. Bei jenen Waldstrecken, die sich schon bisher in Privatbesitze befinden, aber landesfürstliche Lehen, oder landesfürstliche Erbpacht und Erbzinsgüter sind, haben die Ärarialrechte des landesherrlichen Obereigentümers, oder des landesfürstlichen Erbpacht- oder Erbzinsherrn aufrecht zu verbleiben.
Seine Majestät geruhen jedoch allergnädigst anzubefehlen, dass zur möglichsten Befreiung des Forsteigentums in Tirol von dieser Artbeschränkung auf die Ablösung auch dieser Arialrechte hingewirkt, und den berufenen Behörden die hiernach erforderliche Weisung erteilt werden soll.
11. Seine Majestät geruhen schließlich zu erklären, dass es von der Anordnung des § 2 der provisorischen Waldordnung vom Jahr 1839, Nr. 400 der JGS, definitiv abzukommen, und der Einfluss der politischen Behörden bei Besitzstreitigkeiten in Waldsachen auch in Tirol nur nach den bestehenden allgemeinen Grundsätzen, dass ist nur dann und in so ferne einzutreten habe, als die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung das Einschreiten der, mit Handhabung derselben gesetzlich beauftragten politischen Behörden es fordert.
Diese allerhöchste Entschließung wird hiermit in Folge Dekretes der k. k. Hofkanzlei vom 11. d. M., Zahl 1211/698, öffentlich bekannt gegeben. Innsbruck, am 19. April 1847. Vom k. k. Landesgubernium für Tirol und Vorarlberg. Klemens Graf und Herr zu Brandis, Gouverneur. Norbert Freiherr von Benz, k. k. Vicepräsident. Joseph Vogelsanger, k. k. Gubernialrath.“