Gemeindebegriff der Forstregulierung

Gemeindebegriff der Forstregulierung

Auszug aus: Gerald Kohl, Die Forstservitutenablösung im Rahmen der Tiroler Forstregulierung 1847, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler, Die Agrargemeinschaften in Tirol (2010) 105 ff

Allgemeines

Verhandlungs- und Vertragspartner des Aerar war im Rahmen der Forstregulierung – in den Worten des historischen Gesetzgebers – die „betreffende“ bzw die „holzbezugsberechtigte“ bzw die „mit Gnadenholzbezügen“ versehene „Gemeinde“. Dieser Begriff ist nach den herkömmlichen juristischen Auslegungsregeln unter Berücksichtigung des sachlichen Zusammenhanges und des zeitgenössischen Verständnisses auszulegen. So etwa war im öffentlichen Recht in der Mitte des 20. Jahrhunderts – und wohl auch noch heute – „nach dem Sprachgebrauch der österreichischen Gesetzgebung (…) unter dem Ausdruck Gemeinde grundsätzlich die politische Gemeinde zu verstehen“ (VwSlg 3560/1954), womit der VwGH eine widerlegliche (arg. „grundsätzlich“) Vermutung für einen bestimmten Be­griffsinhalt aufstellte. Im vorliegenden Fall hilft diese allerdings nicht weiter, denn es ist eine in wesentlichen Aspekten privatrechtliche (!) Frage für die Mitte des 19. Jahrhunderts (!) zu beantworten. In diesem Sinne hatte der VwGH 1894 in einem konkreten, dem hier zu beurteilenden Fall ähnlichen Sachverhalt festgestellt, „daß vorliegenden Falles der Ausdruck „Gemeinde“ als gleichbedeutend mit „Ortschaft“ aufzufassen“ sei. (Budwinski, Erkenntnisse des k.k. Verwaltungsgerichtshofes 1894, Nr. 8032) Der Gemeindebegriff war also unscharf und interpretationsbedürftig.

Die zentrale Quelle des Privatrechts bildete 1847 das ABGB. Auf das „allgemeine bürgerliche Recht“ verweist etwa auch Punkt 9 des Forstregulierungspatents 1847 (FRP). Die Frage nach dem Gemeindebegriff des ABGB ist schon seit vielen Jahren gründlich untersucht: „Unter dem Begriff ‚Gemeinde’ versteht das ABGB keineswegs die politische Ortsgemeinde oder ein ähnliches territoriales Gebilde“, sondern es „gilt (…) als ‚Gemeinde’ eine Moralische Person, die als ‚Gemeinschaft’, ‚Körper’ aus ‚Mitgliedern’ (§§ 337, 1482), ‚Gliedern’ (§§ 539, 867) besteht, durch ‚Stellvertreter’ handelt (§ 867), über ein eigenes ‚Gemeindevermögen’ bzw. über ‚Gemeindegüter’ verfügen kann (§ 290) und von ‚weltlichen und (=oder) geistlichen Vorsteher(n)’ (§ 189) geleitet wird.“ Demnach kennzeichnet der Begriff „Gemeinde“ also jede organisierte Personenmehrheit, insbesondere auf gesetzlicher Grundlage.

Diese Auffassung könnte durch zahllose zeitgenössische Quellen belegt werden; schon die Register zum ABGB oder zur Politischen Gesetzessammlung zeigen die Vielfalt verschiedener „Gemeinden“. Zitiert sei hier bloß, stellvertretend für dieses Verständnis, der wichtigste Redaktor und erste Kommentator des ABGB, Franz von Zeiller. Er erläuterte zu § 27 ABGB: „Die unter öffentlicher Authorität zu gemeinnützigen Zwecken verbundenen Gemeinden, wie die (!) der Städte, Märkte, Dörfer, oder der geistlichen Gemeinden, haben ihre besondere, durch politische Gesetze und Statuten bestimmte Verfassung, sie stehen, weil die einzelnen Glieder ihre in dem Gemeindevermögen begriffenen Rechte nicht verwahren können, unter einem besondern Schutze des Staates, sind in der Verwaltung ihres Vermögens eingeschränkt und genießen besondere (auf Sachen) angewandte Personen-Rechte. Die Vorsicht fordert demnach, daß diejenigen, welche mit Gemeinheiten (!) Rechtsgeschäfte eingehen, sich zuvor genaue Kenntniß erwerben, ob und inwieweit dieselben oder ihre Vorsteher in der Verwaltung des Vermögens eingeschränkt oder begünstiget seyn.“ Zeiller kennt also eine Vielzahl verschiedener Gemeinden, für die er bloß Beispiele anführt (arg. „wie die“) und die er synonym auch als „Gemeinheiten“ bezeichnet. In diesem Sinne verweist auch das Register von Zeillers Kommentar unter „Gemeinden“ auf „Gesellschaft“ und umgekehrt von „Gesellschaft“ auch auf „Gemeinden“ und „Gemeinschaft“. Nicht wenige der ABGB-Bestimmungen beziehen sich beispielsweise auf die von Zeiller genannten „geistlichen Gemeinden“. Auch die Literatur zu einer der im Vormärz umstrittensten Kontroversen bei der Auslegung des ABGB, nämlich zur Frage der Redlichkeit oder Unredlichkeit des Besitzes von „Gemeinden“ (§ 337 ABGB), zeigt deutlich, daß man dabei an ganz unterschiedliche Verhältnisse dachte.

Diese Vieldeutigkeit des Gemeindebegriffs machte es erforderlich, im FRP beispielsweise die sperrige Formulierung von den „bisher zum Holzbezuge berechtigten, oder mit Gnadenholz betheilten Gemeinden“ mehrfach zu wiederholen bzw abzuwandeln („holzbezugsberechtigte Gemeinden“ – Pkt 9 FRP) und zu betonen, daß das Eigentum „den bisher zum Holzbezuge berechtigten oder mit Gnadenholzbezügen betheilten Gemeinden, als solchen“ (!) überlassen werden sollte (Pkt 6 FRP). Im Zuge der Forstregulierung 1847 tritt uns unter dem Etikett „Gemeinde“ also die Gemeinschaft der (früher nur) Holzbezugsberechtigten gegenüber. Rechtsansprüche „anderer Gemeinden“ (und einzelner Privater) waren gegen die neuen Eigentümer geltend zu machen (Pkt 9 FRP).

Gerade aus dem Fortbestand individueller Rechte gegen die Empfängerin der Waldzuweisung resultierte die Notwendigkeit, diese im FRP ausdrücklich als „holzbezugsberechtigte“ Gemeinde zu bezeichnen. Im Zuge der Bestimmungen zur Forstservitutenablösung genügte hingegen eine Benennung als die „betreffende“ Gemeinde, die sich aus den unmittelbar davor genannten, „Holzbezugsrechte oder Gnadenholzbezüge“ genießenden „Unterthanen“ zusammensetzte (Pkt 3 FRP). Die Gemeinde, die durch deren Ablösung durch Grundabtretung definiert und „betroffen“ wird, ist eben die „betreffende“ Gemeinde derjenigen, die abzulösende Servitutsrechte hatten; auch sie kann, wie nicht zuletzt die parallelen Formulierungen unter Bezugnahme auf „Holzbezugsrechte oder Gnadenholzbezüge“ verdeutlichen, als „holzbezugsberechtigte Gemeinde“ charakterisiert werden. In diesem Sinne kennzeichnete ein zeitgenössischer Beobachter die FSA als „Ausscheidung und Überweisung einzelner Forstteile in das volle Eigentum der betreffenden berechtigten Gemeinden“.

Jede andere Interpretation würde, nachdem die Servitutenablösung durch eine Umwandlung von Nutzungsrechten in Eigentum gekennzeichnet ist, einen Vermögensverlust der Nutzungsberechtigten durch ersatzloses Erlöschen ihrer individuellen Rechte bedeuten, dafür aber einer bis dahin nicht berechtigten Person rechtsgrundlos einen ungerechtfertigten Vorteil zuwenden.

Organisierung der holzbezugsberechtigten Gemeinden

Der von den Wiener Zentralstellen für die Vergleichabschlüsse im Zuge der FSA entworfene „Verhandlungsmodus“ macht den auf die individuellen Rechtspositionen bezogenen korporativen Charakter der „holzbezugsberechtigten Gemeinde“ deutlich: Für die FSA hatten die „Gemeinden“ nämlich Vertreter zu wählen, die als Bevollmächtigte auftreten und die Ansprüche der Berechtigten anzumelden hatten; es handelte sich dabei um „Stellvertreter“ im Sinne des § 867 ABGB. Wegen seiner grundlegenden Bedeutung sei das Hofkanzleidekret vom 29. Juni 1847 hier wörtlich zitiert.

„Mit dem Berichte vom 22. vorigen M[ona]ts Z[a]hl 12460 hat das Gubernium über Anregung des Vorstandes der Forstservituten Ablösungs Kommission, Freiherrn von Binder den Antrag gestellt, daß die Herbeiführung der diesfälligen Abfindungen mit den Gemeinden durch, von sämmtlichen Gemeindegliedern gehörig zu wählende Bevollmächtigte geschehen, die Zahl der letzteren aber bei größeren Gemeinden auf sechs, bei kleineren auf drei Personen festgesetzt werden sollte.

Über diesen Bericht wird dem Gubernium im Einverständnisse mit dem kk. Hofkammer-Präsidium unter Rückschluß der Beilage erwiedert, daß man bei der Wichtigkeit des in Frage stehenden Ablösungs-Geschäftes und mit Rücksicht auf die sich daraus ergebenden Folgen, dann um künftigen allfälligen Anständen so viel wie immer thunlich vorzubeugen, endlich mit Rückblick auf den Absatz 3. der A.h. Entschließung vom 6. Februar l[aufenden] J[a]h[re]s die Vornahme der Gesammt-Verhandlungen zum Behufe der Forstservituten Ablösung mit von den Gemeinden, auf die von dem Gubernium beantragte Weise zu wählenden Bevollmächtigten nur unter folgenden Bedingungen zu genehmigen findet:

  1. daß jene Gemeindeglieder, welche bei dem Akte der Bevollmächtigung nicht interveniren, in Absicht auf die Wahl der bevollmächtigten Personen, und auf den Zweck der Bevollmächtigung als dem Willen der Mehrzahl der Vollmachtgeber beigetreten erachtet werden.
  2. daß die Bevollmächtigten aus den betreffenden Gemeinden selbst, und zwar bei größeren Gemeinden in der Zahl von 12 (zwölf) bei kleineren aber in der Zahl von mindestens 6 (sechs) und höchstens 9 (neun) Individuen genommen werden, und die Feststellung des Begriffes von großen und kleinen Gemeinden zu diesem Behufe nach den dortlandes bestehenden Verhältnissen von dem Gubernium erfolge, endlich
  3. daß wenn mit den dergestalt gewählten Bevollmächtigten eine Ausgleichung nicht zu Stande käme, der Forstservituten Ablösungs Kommission die individuelle Berufung der Servitutsberechtigten oder mit Gnadenbezügen betheilten Gemeindegliedern vorbehalten bleibe, und dann über die Annahme der von der Kommission vorgeschlagenen Abfindung die Stimmen der Mehrheit der als servitutsberechtigt oder bisher mit Gnadenbezügen betheilt anerkannten Gemeindeglieder für die ganze Gemeinde bindend erscheinen, die formellen Vergleichs Abschlüsse aber in diesem Falle, wo dieselben nicht mit den Bevollmächtigten, sondern unmittelbar mit der Mehrzahl der Gemeindeglieder zu Stande kommen, von eben dieser Mehrzahl gefertiget werden sollen.
    Hiernach ist das Entsprechende zu verfügen. Wien, am 29. Juni 1847 [gez. Pillersdorf]“

AVA Wien, Hofkanzlei 20968/1847, Erlass vom 29. Juni 1847

Von Anfang an wurden die Mitglieder der FRP-Gemeinde damit Mehrheitsbeschlüssen unterworfen, worin ein später noch zu betrachtendes Motiv für die Rechtsübertragung an Korporationen statt an Individuen zum Ausdruck kommt. Bemerkenswert ist der Umstand, daß die Hofkanzlei „bei der Wichtigkeit des in Frage stehenden Ablösungs-Geschäftes und mit Rücksicht auf die sich daraus ergebenden Folgen, dann um künftigen allfälligen Anständen so viel wie immer thunlich vorzubeugen“, die vom Vorstand der FSAK vorgeschlagene Anzahl der zu bevollmächtigenden abschlussberechtigten Vertreter jeweils verdoppelte, sodaß bei kleineren Gemeinden statt drei zumindest sechs, bei größeren Gemeinden statt sechs Bevollmächtigten zwölf einzuschreiten hatten. Es kann angenommen werden, daß die auf diese Weise geschaffenen Verhandlungsteams der Eingeforsteten ausreichende „Durchschlagskraft“ hatten – weniger in den Verhandlungen mit dem Aerar, als bei der Rechtfertigung des jeweils getätigten Geschäftes gegenüber ihren Vollmachtgebern. Eine „starke Vertretung“ der Bezugsberechtigten war somit vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollt.

Gleichzeitig erhielt die FSAK ein Druckmittel für den Fall, daß „mit den (…) gewählten Bevollmächtigten eine Ausgleichung nicht zu Stande käme“, ein vertretbarer Ausgleich also nicht zu erzielen war. Diesfalls sollte in letzter Konsequenz „der Forstservituten-Ablösungs-Kommission die individuelle Berufung der Servitutsberechtigten, oder mit Gnadenholzbezügen betheilten Gemeindeglieder vorbehalten“ bleiben „und dann über die Annahme der von der Kommission vorgeschlagenen Abfindung die Stimmen der Mehrheit der als servitutsberechtigt oder bisher mit Gnadenbezügen betheilt anerkannten Gemeinde Glieder für die ganze Gemeinde bindend erscheinen, die formellen Vergleichsabschlüße aber in diesem Falle, wo dieselben nicht mit den Bevollmächtigten, sondern unmittelbar mit der Mehrzahl der Gemeindeglieder zu Stande kommen, von eben dieser Mehrzahl gefertigt werden“. Diese Bestimmungen verdeutlichen die Bezugnahme auf die der gesamten Aktion ab 1847 letztlich zugrundeliegenden individuellen Rechtspositionen.

Beide Bestimmungen machen aber auch deutlich, daß die FSAK nicht mit Zwangsbefugnis ausgestattet war, sondern die Aufgabe hatte, auf der Basis privatrechtlicher Vergleiche die Forstservituten bzw Gnadenholzbezüge der Berechtigten zu erledigen.

FRP-Gemeinde und politische Ortsgemeinde

Man mag im Zusammenhang mit der Analyse des Gemeindebegriffes der Tiroler Forstregulierung, unter anderem gestützt auf eine unfundierte Behauptung Stephan Falsers von 1932, an jene Gemeinden denken, die mittels allerhöchster Entschließung vom 14. August 1819 zur „Regulierung des Gemeindewesens in Tirol und Vorarlberg“ („Gemeinderegulierungspatent“, in der Folge: GRP) geregelt wurden. Mit diesen gab es tatsächlich auch Gemeinden mit öffentlich-rechtlichen Funktionen (zB §§12 bis 14) und eigens bestimmten Funktionären; die genannte Norm sah einen „Gemeindevorsteher“, zwei „Gemeindeausschüsse“, einen „Gemeindecassier“ und einen eigenen „Steuereintreiber“ vor (§§ 5f). Allerdings wurden gerade diese Organe im Rahmen der Forstregulierung nicht mit Vertretungsaufgaben betraut (siehe oben b). In diesem Sinne verwundert es auch nicht, daß der für die Forstregulierung zentrale Normtext, das Forstregulierungspatent 1847 (FRP), keinerlei Verweis auf das Gemeinderegulierungspatent 1817 (GRP) enthielt; ein entsprechender Hinweis findet sich nicht einmal in einer Fußnote der Provinzialgesetzsammlung!

Im Rahmen der Forstservitutenablösung (FSA) waren die GRP-Gemeinden also keine Vertragspartner des Aerars – nahezu das Gegenteil war der Fall. Die staatlichen Behörden (Landgerichte) bedienten sich der Gemeindevorstehungen der GRP-Gemeinden, um sich über die örtlichen Verhältnisse zu informieren und die darüber erforderlichen „Ausweise“ zu erstellen. Schon dieses Vertrauen in die GRP-Gemeinden indiziert, daß diese eben gerade nicht die Begünstigten bzw Vertragspartner werden sollten! Andernfalls wäre eine wesentliche Grundlage des gesamten aufwendigen Verfahrens einseitig von einer der Vertragsparteien geschaffen worden, was bei der in den Instruktionen vielfach zum Ausdruck kommenden – an Mißtrauen gegenüber den Nutzungsberechtigten grenzenden – Vorsicht der Staatsverwaltung nicht anzunehmen ist.

Tatsächlich war die Frage, wer für die „Gemeinden“ der Nutzungsberechtigten auftreten und handeln sollte, ein offenbar zentrales Problem. Dieses wurde noch in der IFSAK künftigen Anordnungen vorbehalten: „Die gültige Einwilligung der einzelnen Gemeinden ist auf jene Weise herbeizuführen, wie selbe demnächst von der kk. vereinigten Hofkanzlei dem Hofkammerpräsidio und von solchem der Servituts-Ablösungs-Commission bekannt gegeben werden wird.“ Der in diesem Sinne von den Wiener Zentralstellen für die Servitutenablösung entworfene „Verhandlungsmodus“ füllte diese zunächst bestehende Lücke durch die Anordnung von Wahlen bevollmächtigter Vertreter. Durch die Verdoppelung ihrer Anzahl gegenüber dem Vorschlag des FSAK-Vorstandes brachte die Hofkanzlei das Interesse des Staates an einer möglichst breiten Vertretung zum Ausdruck.

Diese Modifikationen zeigen, daß man also ganz bewußt nicht auf gesetzlich bereits konstituierte Organe, nämlich die bestehenden, gewählten Funktionäre der 1819 „regulierten“ Gemeinden als solchen, zurückgriff. Dies wäre wohl geschehen, hätte man diese mit öffentlich-rechtlichen Funktionen ausgestattete Gemeinde als solche auch zur Eigentümerin aufgrund der FEP machen wollen. Statt diesen unaufwendigen Weg zu beschreiten, organisierte man unter immensem Aufwand auf eigenständiger Rechtsgrundlage „holzbezugsberechtigte Gemeinden“ und sah eigens eine besondere Wahl von „Vertretern“ – übrigens in einer von der Zahl der Funktionäre der 1819 regulierten Gemeinden sogar abweichenden Anzahl – vor. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Anordnung solch spezieller Wahlvorgänge nicht in eine Zeit besonders hochentwickelter basisdemokratischer Tendenzen fiel, sondern in die Blütezeit des maßgeblich vom Staatskanzler Metternich geprägten vormärzlich-antidemokra­tischen Systems. „Vertreter“ mußten demnach einfach deshalb gewählt werden, weil die „holzbezugsberechtigten Gemeinden“ solche weder hatten noch haben konnten, waren sie doch erst durch das FRP konstituiert worden.

Der „private“ Charakter der Bevollmächtigung wird in mehrfacher Weise durch deren Textierung deutlich. Einerseits lautete die von den Unterzeichnern erteilte Vollmacht darauf, „Sie (!) Gemeinde resp. sie Gemeindeglieder“ – letztere bildeten also die Gemeinde – zu vertreten; andererseits wurde die Bevollmächtigung von den Unterzeichnern oftmals mit einer typisch privatrechtlichen Formulierung „für sich und ihre Erben“ erteilt. Nach anderen Vollmachtstexten sollten die Bevollmächtigten „alles vor[…]kehren, damit sie [dh die Unterzeichner und ihre Erben] in dem Besitze ihrer Güter verbleiben können“. Dazu wurden die „Gewählten (…) überhaupt ermächtigt, alles das anzubringen, was ihnen von der Gemeinde oder von den Einzelnen (!) aufgetragen wird“; sie sollten nach ihrem „besten Wissen und Gewissen im Interesse der Gemeinde“ tätig werden – damit war, wenngleich indirekt, die aus der Summe individueller Berechtigungen konstruierte, überzeitliche Gemeinde definiert.

Den privatrechtlich-korporativen Charakter der „holzbezugsberechtigten Gemeinde“ zeigen auch die Bestimmungen über die „Ausübung der Weide (…) in den vorbehaltenen Staatswaldungen“ gemäß Punkt „Drittens“ der (formularhaften) Vergleichsprotokolle. Diese sollte in der Regel „nach der bisherigen Übung“ gestattet werden, und zwar „mit der Beschränkung auf jenen Viehstand, welchen die Gemeinde auf ihren eigenen Gütern zu überwintern vermag“. Einen derart zu überwinternden eigenen Viehstand als Ausdruck eines eigenen Wirtschaftsbetriebes hatte eine GRP-Gemeinde als solche in der Regel aber nicht – „Gemeinde“ ist hier eben die Summe der Nutzungs-, in diesem Fall konkret Weideberechtigten.

Sonderproblem „Fraktion“

Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang der Umstand, daß weder das FRP selbst noch die in weiterer Folge erlassenen Instruktionen Bestimmungen über die Benennung der im Rahmen von FEP und FSA auftretenden Gemeinden aufstellten. Auf deren Charakter als „Gemeinden“ im Sinne des ABGB hatte ihre Bezeichnung ohnehin keinerlei Einfluss. Im Namen der jeweiligen „Gemeinden“ musste das Wort „Gemeinde“ also nicht vorkommen, auch wenn dies überwiegend der Fall gewesen sein mochte. In nicht wenigen Fällen trägt die berechtigte „Gemeinde“ allerdings den Namen einer „Fraktion“.

Im Rahmen des öffentlichen Gemeinderechts setzte die Bedeutung dieses Begriffes erst mit dem Provisorischen Gemeindegesetz 1849 ein: Fraktionen durften demnach nur bei „bedeutender Volkszahl“ gebildet werden, was sich nicht nur aus dem ausdrücklichen Wortlaut, sondern auch aus ihrer Zweckbestimmung, nämlich der „Erleichterung der Verwaltung“ ergab. Die Fraktionsbildung trat nicht ex lege ein, sondern erforderte ein Handeln der Gemeinde sowohl zur Begründung der Fraktionen („sich in Fractionen zu theilen“) als auch bei der Definition ihrer jeweiligen Aufgaben („einen gewissen Wirkungskreis zuzuweisen“).

Die Geschichte des Fraktionsbegriffs ist zwar erst zu schreiben, fest steht aber, daß dieser Begriff – neben jenem der „Parzelle“ – bereits von der Forstservituten-Ablösungs-Kommission verwendet wurde. Als Synonyme für „politische“ Gemeinden, deren Vorläufer oder Teile waren beide Ausdrücke hingegen zunächst unbekannt, wie einschlägige Untersuchungen schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts gezeigt haben. Jene „Fraktionen“, die ihre Rechte als private (FRP-)Gemeinden auf die Zeit vor der Möglichkeit zur Begründung politischer Gemeindefraktionen zurückführen können, sind daher von diesen unbedingt zu unterscheiden. Vor „fatalen Verwechslungen“ warnte schon vor über einem halben Jahrhundert Theodor Veiter: „Von diesem [gemeinderechtlichen] Begriff der Ortschaft (Fraktion), der kaum mehr einen Inhalt hat, streng zu unterscheiden ist jene Ortschaft (Fraktion), die Träger von Sondervermögen ist. (…) Ortschaften als Träger von Sondervermögen (Fraktionen als Vermögensrechtsträger) sind kein bestimmter Gebietsteil einer Gemeinde, sondern die rechtspersönliche Gemeinschaft der nutzungsberechtigten Bürger räumlich bestimmter, mit den Gemeindegrenzen nicht notwendig zusammenfallender, in der Regel aber nur Gemeindeteile umfassender Gemeindegebiete, wobei diesen Bürgern nach alter Übung Vermögensnutzung und ideeller Anteil an der Nutzungs-Substanz des Sondervermögens zukommt.“ Dabei ist zu beachten, daß nur die gemeinderechtlichen Fraktionen 1938 als „Einrichtungen gemeinderechtlicher Art“ von § 1 der Verordnung über die Einführung der Deutschen Gemeindeordnung im Lande Österreich erfaßt waren und beseitigt wurden, nicht aber jegliche, allenfalls „Fraktion“ benannte „moralische Person Gemeinde“ im Sinne des ABGB als Körperschaft des Privatrechts. Die durch das FRP konstituierten gesetzlichen Zwangsgenossenschaften waren als „moralische Personen“ des Privatrechts von diesem Akt gemeinderechtlicher Gesetzgebung also auch dann nicht betroffen, wenn sie unter dem Namen einer Fraktion firmierten.

Vermögensgegenstände, die als Eigentum einer derartigen privatrechtlichen Fraktion nicht im Eigentum der gesamten politischen Gemeinde standen, waren daher weder ursprünglich Gemeindegut der politischen Gemeinde noch wurden sie dies in späterer Folge.

Gründe für „Gemeinde“-Eigentum

Im Zuge der Forstservituten-Ablösung aufgrund des FRP 1847 tritt uns als „Gemeinde“ – allenfalls, jedoch nicht zwingend, auch unter dem Etikett „Gemeinde“ – also die Gemeinschaft der (zuvor) Nutzungsberechtigten gegenüber, die – ähnlich wie bei der (Servituten-)Regulierungsgesetzgebung des ausgehenden 19. Jahrhunderts – im Gegenzug für den Verlust ihrer bisherigen (individuellen) beschränkten privatrechtlichen Ansprüche ein (gemeinschaftliches) moderneres Eigentumsrecht erhielten. In diesem Sinne sprechen die zitierten archivalischen Quellen ausdrücklich von „Servitutenablösung“ bzw von Abfindung der bisher Servitutsberechtigten. Dieses Eigentumsrecht sollte allerdings im Sinne einer Nachhaltigkeit der Forstbewirtschaftung „nur unter den Beschränkungen genossen werden dürfen, welche die zum Behufe der Erhaltung der Kultur und Bestände der Forste Tirols sobald als möglich zu erlassende Forstpolizei (…) feststellen“ würde (Pkt 7 FRP).

Die gleichen Nachhaltigkeitsüberlegungen sind nun auch dafür verantwortlich, daß die Übertragung nicht an einzelne, bis dahin berechtigte Individuen oder Güter erfolgte, sondern an die holzbezugsberechtigten Gemeinden „als solche“: Damit wurde nämlich einerseits die Verfügungsmöglichkeit der Einzelnen beschränkt, indem man sie in einer gesetzlichen Zwangskorporation zusammenschloß (in deren Rahmen sie sich schon zu Beginn Mehrheitsbeschlüssen zu beugen hatten), andererseits blieb vielfach eine Aufsicht der „Landesstelle als Kuratelsbehörde“ gewährleistet. Die Summe der individuellen, beschränkten Berechtigungen wurde also in gemeinschaftliches „Eigenthum“ umgewandelt; die konkreten Berechtigten verloren zwar de iure ihre Rechte, behielten sie aber de facto als Ausdruck ihres Anteils an der aus ihnen genossenschaftlich gebildeten „Gemeinde“ als überzeitlicher Eigentümerin. Diese Konstruktion schuf eine dem „geteilten Eigentum“ verwandte genossenschaftliche Struktur, wobei die auf Dauer – pathetisch formuliert: „für die Ewigkeit“ – eingerichtete „Gemeinde“ als Eigentümerin, die einzelnen Angehörigen als aufgrund ihres Anteils Nutzungsberechtigte erscheinen. Nur diese Struktur wahrte das Interesse der Nachhaltigkeit; bei einem modernen (romanistisch geprägten) Quotenmiteigentum wären durch die potentielle Kommerzialisierung der Anteile zahllose Probleme entstanden, etwa aufgrund des jedem Miteigentümer zustehenden Teilungsanspruchs (§ 830 ABGB) mit der (im Falle agrargemeinschaftlicher Verhältnisse für die übrigen Berechtigten existenzbedrohenden) Gefahr einer Zivilteilung (§ 843 ABGB). Die Bestimmungen über das Miteigentum (16. Hauptstück des ABGB) waren und sind für derartige Verhältnisse ungeeignet, sodaß im Rahmen der FEP eben nicht gewöhnliches Miteigentum, sondern Eigentum einer „Gemeinde als solche“ geschaffen werden sollte.

Daß die Holzbezugsberechtigten als speziell zu bildende Gemeinden zusammengefasst wurden, entsprach schließlich auch verfahrenstechnischen Erfordernissen: Nur durch die gruppenweise Zusammenfassung der Nutzungsberechtigten als „holzbezugsberechtigte Gemeinden“ war für diese gewaltige Regulierungsarbeit ein Ziel voraussehbar. Wären für jeden Nutzungsberechtigten Einzelablöseflächen zu verhandeln gewesen – die gesamte Forstservituten-Ablösung beruhte auf privatrechtlichen Vergleichen ohne Zwangsbefugnis der Forstservituten-Ablösungskommission – so wäre diese Arbeit wohl kaum binnen zwei Jahren abgeschlossen worden.