1. Beholzungsservituten der „Besitzer von Grund und Boden“
Die von Seiten der Agrargemeinschaften aufgestellte Behauptung, wonach die ehemals Landwirtschaft treibenden Bevölkerungsteile Eigentümer des unverteilten Gemeinschaftslandes seien, mutet zwar heute, betrachtet vom Standpunkt der Gleichheit aller Staatsbürger, willkürlich an, doch sind Eigentumsrechte – von revolutionär begründeten sozialromantischen Experimenten abgesehen – stets historisch bedingt ungleich. (So gab es zum Beispiel in Thomas Morus’ Utopia überhaupt kein Privateigentum (Thomas Morus, Utopia – Reclam-Ausgabe, Stuttgart 1983, 53ff, 142ff); in der russischen Revolution 1917 wurde das Liegenschafts¬eigentum aufgehoben durch Gesetz über den Landbesitz vom 28.10.1917 (Hermann Klibanski, Die Gesetzgebung der Bolschewiki, Ndr der Ausgabe von 1920, Berlin 2009, 143ff)
Eine nähere Betrachtung historischer Umstände kann daher Licht auf heute unerklärlich und unbegründet erscheinende Zusammenhänge werfen.
In der Eigentumsgeschichte der Tiroler Gemeinschaftsliegenschaften fällt besonders ein Ereignis in die Augen, das an der Schnittstelle zwischen feudaler und moderner Eigentumsordnung liegt, die Tiroler Forstregulierung von 1847. Der in den vorangegangenen Jahren eskalierte Streit um das behauptete Obereigentum des Landesfürsten an den Tiroler Wäldern wurde dabei zwar im Sinne einer Anerkennung des strittigen landesfürstlichen Rechts entschieden, doch zugleich jener Weg vorgezeichnet, auf dem die Abwicklung der feudalen Eigentumsordnung vorgenommen werden sollte. Die Rechtsgrundlage dieses politischen Kompromisses ist das Tiroler Forstregulierungspatent 1847. (A.h. Entschließung zur Regulirung der Tiroler Forstangelegenheiten vom 6.2.1847, Provinzialgesetzsammlung für Tirol und Vorarlberg für das Jahr 1847/XXXVI, 253ff)
Ergänzt wurde diese Norm durch „Instruktionen“ für die zur Forstregulierung eingesetzten Kommissionen. In diesen – nach modernen Maßstäben als „Ausführungserlässen“ zu charakterisierenden – Regelwerken wurden unter anderem die Rechtspositionen der Landeseinwohner näher definiert. („Instruction für die Commission zur Ablösung der Servituten in den vorbehaltenen Staatswäldern Tirols“, 1. Mai 1847: TLA Innsbruck, Gub. Präsidium Zl 1709 in Zl 1146/1847; „Instruction für die Commission zur Purifizirung der Privat Eigenthums-Ansprüche auf Wälder in jenen Landestheilen oder Forstgebieten Tirols, in welchen das l.f. Forsthoheits-Recht vorbehalten bleibt“, 17. Juni 1847: AVA Wien, Hofkanzlei, IV G 11 Waldwesen Tirol, 21889/1847).
Von diesen detailliert festgehaltenen Rechtspositionen an den als landesfürstlich definierten Wäldern ist vor allem das „Holzbezugsrecht“ von Interesse, weil dieses Recht der zentrale Gegenstand der Forstservitutenablösung war. Die Instruktion für die Forstservitutenablösungskommission (IFSAK vom 1. Mai 1847) stellte dazu folgendes fest:
Die Beholzungsservitut. Sie besteht in dem Befugniße, aus den gemeinen Waldungen das zum Haus- und Gutsbedarf erforderliche Brenn- und Bauholz (auf Auszeigung des gemeinen Waldmeisters) unentgeldlich zu beziehen.
Die Ablösungskommißion hat sich gegenwärtig zu halten, daß dieses Befugniß nur dem Bauernstande, d: i: den Besitzern von Grund und Boden zusteht; dem Gewerbstande kann es im Allgemeinen nach Analogie mit Titel II. Buch IV der Tiroler-Landesordnung nicht zugestanden werden. Es ist somit bei der Ablösung auf den Bedarf des Gewerbstandes in der Regel keine Rücksicht zu nehmen.
Das Hofkammerpraesidium findet sich jedoch bestimt, bei den radizirten Gewerben eine Ausnahme zu gestatten und zu bewilligen, daß bei denselben auf einen über die Verjährungszeit hinausreichenden Besitzstand, auf den Inhalt des ursprünglichen Steuerkatasters, auf allenfalls bestehende, an ein landesfürstliches Urbarium zu entrichtende Feuerstattzinse, oder auf sonst den eben angeführten ähnliche, besonders beachtenswerthe Verhältniße in der Art Rücksicht genommen werden dürfe, daß ihr auf das Genaueste zu erhebender, bisheriger Bedarf, nicht aber auch die Möglichkeit einer Steigerung desselben, in den Gesamtbestand der in einer Gemeinde abzulösenden Beholzungsbefugnisse einbezogen werde. Bei Vorlage der Ablösungsoperate zur Genehmigung des Hofkammerpraesidiums ist die Einbeziehung solcher Gewerbsholzbedarfe in die Ablösung besonders anzugeben und zu begründen. Überhaupt ist bei der, jeder Ablösungsverhandlung vorausgehenden, näheren Constatirung der Beholzungsbefugniß der einzelnen Gemeinden auf landesfürstliche, oder auf Verleihungen einer competenten Behörde, auf das Steuerkataster, auf allfällige Theillibelle, alte Kontrakte oder Vergleiche zwischen einzelnen Gemeinden, dann auf einen über die Verjährungszeit hinausreichenden Besitzstand Rücksicht zu nehmen.
Hinsichtlich der Neubauten und der Vergrößerung bestehender Bauten kann das Recht der Einforstung nicht zugestanden werden; auf die Herhaltung der mit Feuerstattzinsen belegten Häuser ist jedoch gebührende Rücksicht zu nehmen. In Bezug auf den subsidiarisch (wenn nähmlich die gemeinen Waldungen ungeachtet der waldordnungsmäßigen Verwendung derselben zur Deckung des Haus- und Gutsbedarfes nicht hinreichten) den Insaßen aus Amtswaldungen verabfolgten Holzes, welche Verabfolgung theils gegen, theils ohne Entrichtung eines Stockgeldes geschah, ist sich in Ansehung dieses letzteren Umstandes an den dermaligen Stand der Dinge zu halten, und der Kapitalswerth des einjährigen Stockzinserträgnisses bei Ausmittlung des künftigen Gemeinde-Forsteigenthumes entweder in angemessenen Abschlag zu bringen, oder dießfalls mit der betreffenden Gemeinde über die Fortdauer eines fixen jährlichen Zinsbetrag-Aequivalentes, das sofort von der Gemeinde, und nicht von einzelnen Insaßen abzuführen sein würde, oder über einen andern, dießfalls angemessenen Vergleichspunkt zu unterhandeln.
„Instruction für die Commission zur Ablösung der Servituten in den vorbehaltenen Staatswäldern Tirols“, 1. Mai 1847: TLA Innsbruck, Gub. Präsidium Zl 1709 in Zl 1146/1847
Von diesen ziemlich detaillierten Regeln soll hier nun nicht der Umfang des Rechts in den Blick genommen werden, also seine Begrenzung in quantitativer oder qualitativer Hinsicht (ob also etwa auch eine Berechtigung zum Verkauf von Holz bestehen sollte oder nicht), sondern die Definition des Anspruches seinem Grunde nach: Wen anerkannte der historische Gesetzgeber als „holzbezugsberechtigt“?
Die zitierte Instruktion vom 1. Mai 1847 stellte dazu klar, dass diese Befugnis grundsätzlich nur „dem Bauernstande, d. i. den Besitzern von Grund und Boden“ zukam. Von diesem Grundsatz gab es nur wenige Ausnahmen, insbesondere zu Gunsten der „radizirten Gewerbe“ und für solche „Neubauten“ und „Vergrößerung[en] bestehender Bauten“, die mit „Feuerstattzinsen“ belegt waren. Bei aller im Interesse einer sachgerechten Lösung im Einzelfall angestrebten Flexibilität blieb aber doch der Grundsatz gewahrt und wurde der FSAK nachdrücklich eingeschärft.
Mit anderen Worten: Nicht jeder Hauseigentümer – und schon gar nicht jeder Landeseinwohner – des Jahres 1847 wurde als holzbezugsberechtigt anerkannt; Einwohner, die keine Liegenschaftseigentümer waren, somit auch keine eigene „Feuerstatt“ besaßen, waren offensichtlich von den Holzbezugsrechten am landesfürstlich dominierten „Gemeinschaftsland“ ausgeschlossen.
Der Gesetzgeber sah somit offenbar einen Zusammenhang zwischen dem „alten“ Einzeleigentum an Liegenschaften, also den „Stammsitzen“ (samt den verteilten Äckern und Feldern), sowie weiters „radizierten Gewerbeliegenschaften“ und mit Feuerstattzins belegten Neubauten einerseits und den Berechtigungen an den unverteilten Liegenschaften, deren Eigentum der Landesfürst bis 1847 aufgrund eines Regals beanspruchte, andererseits. Dieser „Verknüpfung“ ist im Folgenden weiter nachzugehen.
2. Trennung von Eigentumssphären: hier Staat, dort Privat
Die in den „landesfürstlichen“ Wäldern bestehenden „Beholzungsrechte“ jenes Personenkreises, den die IFSAK in der skizzierten Weise definierte, sollten im Zuge der Forstregulierung 1847 abgelöst werden – dies soweit wie möglich und soweit von den Betroffenen gewünscht, also auf freiwilliger Basis, und zwar in Grund und Boden. In diesem Zusammenhang sollte nicht eine Unzahl von Einzeleigentumsparzellen geschaffen werden, sondern – wohl im Interesse der rascheren Abwicklung und der angestrebten Nachhaltigkeit in der Waldbewirtschaftung – Gemeinschaftseigentum, „fraktionsweise“ oder „gemeindeweise“ jeweils für Gruppen von Holzbezugsberechtigten, die räumlich abgegrenzte Nutzungsrechte besaßen („holzbezugsberechtigte Gemeinden als solche“).
Aus diesen Servitutenablösungsgeschäften gingen die meisten Nordtiroler Gemeinschaftsliegenschaften im heutigen Umfang hervor: 283 Ablösungsvergleiche wurden im Zeitraum September 1847 bis Dezember 1849 in ganz Nordtirol durch die FSAK ausverhandelt, die meisten davon von den „holzbezugsberechtigten Gemeinden“ sogleich angenommen. (R.S., Die Forstservituten-Ablösung in Tirol, in: Österreichische Vierteljahresschrift für Forstwesen 1851, 376 ff)
Doch damit nicht genug: Als Ergebnis der Ablösungsverhandlungen 1847–1849 entstanden nicht nur die Gemeinschaftsliegenschaften idR im heutigen Umfang, sondern auch (weitgehend) holzbezugsfrei gestellter Staatsforst, heute im Eigentum der Bundesforste. Die jahrzehntelange Streitfrage der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, ob die Tiroler Wälder landesfürstliches Eigentum oder Privateigentum der Landesbewohner wären, wurde vom historischen Gesetzgeber durch einen politisch klugen juristischen Kompromiss, nämlich durch eine Aufteilung der Flächen gelöst: Einerseits entstand (im Prinzip) servitutsfrei gestellter Staatsforst, andererseits Privateigentum der Landesbewohner. Das Instrument zur Abgrenzung der beiden Eigentumssphären war der – individuell mit jeder Gruppe, „gemeindeweise“ – verhandelte und abgeschlossene Vergleich. (Der vollständige Text eines solchen Forstservituten-Ablösungsvergleiches, errichtet im Zuge der Tiroler Forstregulierung 1847, findet sich bei Kohl, Die Forstservitutenablösung im Rahmen der Tiroler Forstregulierung 1847, in: Kohl/Oberthofer/Pernthaler, Die Agrargemeinschaften in Tirol, 2010, 133 ff.)
Die Forstservitutenablösung stand in enger Verbindung mit der „Forsteigentumspurifikation“, in deren Rahmen eine andere Kommission, die Forsteigentumspurifikationskommission, bestehende Privateigentumsrechte anzuerkennen oder zu bestreiten hatte. (Dazu Ogris/Oberhofer, Das Privateigentum an den Tiroler Forsten zum Ende des Vormärz und die „Forsteigentumspurifikation“ von 1847, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler, Die Agrargemeinschaften in Tirol, 151ff.) Auch hier war der Wille des Gesetzgebers auf eine Trennung von Eigentumssphären gerichtet. In der Instruktion für diese Forsteigentumspurifikationskommission (IFEPK vom 17.6.1847) ist dazu unter anderem folgende programmatische Passage enthalten:
Die Commißion hat also die Bestimmung, in jenen Forstgebieten Tirols, in welchem das lf. Forsthoheits-Recht als Regel aufrecht verbleibt, Namens der obersten Finanzverwaltung – welche dieses Hoheitsrecht zu wahren, und aus demselben jeden Privat-Forstbesitzer zur Nachweisung seines Besitztitels aufzufordern berechtiget ist – das Privatforsteigenthum im außergerichtlichen Wege zu liquidiren, wodurch dasselbe von künftigen aerarischen Ansprüchen enthoben und gesichert, und in dieser, besonders für das Land Tirol wichtigen Beziehung den streitigen Differenzen zwischen den Privaten und dem Aerar ein Ziel gesetzt, und für die Zukunft begegnet werden soll. Als gleichzeitige Folge der Lösung dieser Aufgabe der Kommißion ergibt sich die Erreichung des Zweckes: daß auch das dem Staate, als Ausfluss des lf. Hoheitsrechtes zustehende Forsteigenthum von Besitz-Ansprüchen der Privaten, und zwar auf immerwährende Zeiten reingestellt wird, weil – nachdem die ah: Entschließung vom 6. Februar d. J. das landesf. Hoheitsrecht in den aerarischen Forstgebieten nach Ablauf der Amtshandlung dieser Purifikationskommission unbedingt, d. i. mit Ausschluß der Giltigkeit jedes anderen Privatbesitztitels als den einer landesfürstlichen Eigenthums-Verleihung, aufrecht erhält – Privatoccupationen landesfürstlicher Forste mit einer, für das Eigenthum des Aerars nachtheiligen Folge nicht mehr Statt finden können.
„Instruction für die Commission zur Purifizirung der Privat Eigenthums-Ansprüche auf Wälder in jenen Landestheilen oder Forstgebieten Tirols, in welchen das l.f. Forsthoheits-Recht vorbehalten bleibt“, 17. Juni 1847: AVA Wien, Hofkanzlei, IV G 11 Waldwesen Tirol, 21889/1847
Es ging somit bei den Maßnahmen der Tiroler Forstregulierung 1847 einerseits darum, „das Privatforsteigenthum im außergerichtlichen Wege zu liquidiren, wodurch dasselbe von künftigen aerarischen Ansprüchen enthoben und gesichert“ war, andererseits darum, „daß auch das dem Staate, als Ausfluss des lf. Hoheitsrechtes zustehende Forsteigenthum von Besitz-Ansprüchen der Privaten, und zwar auf immerwährende Zeiten reingestellt“ werden sollte. Damit wurde die Staatssphäre (der heutigen Bundesforste) von privaten Rechten abgegrenzt. Weitere Ersitzungshandlungen zu Lasten der (verbleibenden) Staatswälder – „Privatoccupationen landesfürstlicher Forste mit einer, für das Eigenthum des Aerars nachtheiligen Folge“ – sollten ausgeschlossen sein.
3. Gemeinschaftsgut der „holzbezugsberechtigten Gemeinde“
Wie sieht es nun auf der „Gegenseite“ jener historischen Landeseinwohner aus, deren Rechtspositionen im Staatsforst abgelöst wurden durch Privateigentum an Liegenschaften, das „von künftigen aerarischen Ansprüchen enthoben und gesichert“ sein sollte?
Hier fällt vor allem zweierlei auf: Einerseits, wie eingangs thematisiert, dass der Gesetzgeber die abzulösenden Rechte an den Besitz von „Grund und Boden“ knüpfte ((Argumentum: „Die Beholzungsservitut. … Die Ablösungskommission hat sich gegenwärtig zu halten, dass dieses Befugniß nur dem Bauernstande, d. i. den Besitzern von Grund und Boden zusteht.“), andererseits, dass auch bei der Gruppe der „haushäblichen“ Landeseinwohner unterschieden wurde:
Die Deckung des Haus- und Guts-Beholzungs-Bedürfnißes der Unterthanen ist vollständig, jedoch nur in so fern, als es rechtlich und wirklich besteht, im Auge zu behalten, jeder Bezug der Unterthanen aber überhaupt nur mit jenen Modalitäten, unter welchen ihnen die einzelnen Genußrechte nach den verschiedenen Forstgebiethen bisher zugestanden haben. Es muß daher, wenn die Ablösungsverhandlung in einer Gemeinde begonnen wird, das erste Geschäft der Commißion sein, diese Modalitäten genau zu constatiren, und findet die Einbeziehung solcher Gutsbesitzer, welche bereits eine ihrem Bedarf entsprechende Waldfläche in Folge Auftheilung oder Verleihung, oder die überhaupt aus einem stichhältigen Grunde gegenwärtig keine Bezüge in Staatsforsten besitzen, in die Zahl der Gemeindeglieder, für deren Bedürfniß durch die Abtretung von Aerarialforsttheilen zu sorgen ist, nicht Statt.
„Instruction für die Commission zur Ablösung der Servituten in den vorbehaltenen Staatswäldern Tirols“, 1. Mai 1847: TLA Innsbruck, Gub. Präsidium Zl 1709 in Zl 1146/1847
Soweit also 1847 Einzeleigentum an Wäldern bestand, aus dem der jeweilige „Haus- und Gutsbedarf“ an Forstprodukten abgedeckt werden konnte, nahmen die Betreffenden an dem gemeinschaftlichen Ablösungsgeschäft nicht mehr teil. Dies bedeutet, dass keineswegs nur die „Besitzlosen“ von einer Mitberechtigung am entstehenden gemeinschaftlichen Privateigentum ausgeschlossen waren, sondern auch jene Personen, zu deren „Haus und Hof“ aufgrund historischer Teilungen oder „landesfürstlicher Verleihung“ bereits soviel Waldfläche zugeschlagen war, dass der Bedarf an Forstprodukten gedeckt war.
Ob eine bestimmte Liegenschaft und damit deren Eigentümer am jeweiligen Servitutenablösungsvergleich beteiligt wurde oder nicht, war somit im Einzelfall zu beurteilen. Bekannt ist unter anderem die Beschwerde diverser Gewerbetreibender von Ehrwald und Biberwier, denen keine Holzbezugsrechte und damit keine Anteile an den Ablöseflächen zuerkannt worden waren, beim Minister für Landeskultur und Bergwesen, die jedoch erfolglos blieb. (Gerald Kohl, Die Forstservitutenablösung im Rahmen der Tiroler Forstregulierung 1847, aaO, 138) Daraus erklärt sich auch, dass die Ablöseflächen unterschiedlich groß ausfielen, je nachdem, welche Anzahl an Stammsitzen an einem Ablösungsvergleich beteiligt war. (RS, Die Forstservituten-Ablösung in Tirol, in: Vierteljahresschrift für Forstwesen (1851), 391 f: „Im großen Durchschnitte stellte sich für jede Familie ein Bedarf von 6 Klafter Holz zu 108 Kubikfuß Raum heraus und dieser [Bedarf] wurde durchschnittlich mit einer Waldfläche von 9,9 Joch, wovon im Durchschnitt 10 % unproduktiv sind, abgelöst.“)
Diese Umstände erleichtern es auch, die Rechtsnatur der „holzbezugsberechtigten Gemeinde“ zu qualifizieren. Es ist nämlich allgemein anerkannt, dass aus Forstservitutenablösung Agrargemeinschaften entstehen, die sich aus der geschlossenen Anzahl jener Nutzungsberechtigten zusammensetzen, deren Rechtspositionen Zug um Zug gegen Übertragung von Eigentum abgelöst wurden. (Vgl Klang in Klang, ABGB II², 608 (zur Servitutenablösung): „Gewöhnlich sollen Wald- und Weidegrund allen Berechtigten gemeinsam abgetreten werden. Dadurch entstehen Agrargemeinschaften.“ Ehrenzweig, System I/1 (1925), 183: „Es gibt landwirtschaftliche Grundstücke, deren Nutzung den Besitzern gewisser behauster Grundstücke gemeinschaftlich für die Zwecke ihrer Einzelwirtschaften zusteht. Solche Agrargemeinschaften sind zum Teil erst in neuerer Zeit bei der Servitutenablösung […]entstanden“; s auch VfGH, VfSlg 9336/1982 Pkt III Z 1 Abs 2 der Begründung)
Für die Tiroler Forstregulierung 1847 lässt sich anhand des Quellenmaterials nachweisen, dass ortschafts- oder gemeindeweise die Anzahl der berechtigten Liegenschaften erhoben wurde und dass dieser geschlossenen Anzahl von Berechtigten – der „holzbezugsberechtigte[n] Gemeinde als solcher“ – Gemeinschaftseigentum übertragen wurde. Die Servitutenablösung konnte schon aus Praktikabilitätsgründen nur „gruppenweise“ erfolgen; dies entsprechend den jeweiligen Nutzungsverhältnissen. Art 3 FRP 1847 definiert diese Vorgabe wie folgt: „Seine Majestät geruhen allergnädigst zu bewilligen, dass in den künftig vorbehaltenen Staatswäldern die Holzbezugsrechte oder Gnadenholzbezüge der Untertanen, insoferne ihnen solche nach den alten Waldordnungen zukommen, durch Ausscheidung und Überweisung einzelner Forstteile in das volle Eigentum, und zwar nicht der einzelnen Untertanen, sondern der betreffenden Gemeinden, soweit es nur immer zulässig ist, abgelöst werden.“
In den betreffenden Ablösungsvergleichen werden die Berechtigten als Gruppe mit dem (zivilrechtlichen) Begriff „Gemeinde“ oder „Fraktion“ bezeichnet. (Beispielsweise weisen folgende Forstservitutenablösungsvergleiche (FSAV) „Fraktionen, gebildet aus Servitutsberechtigten Hausbesitzern“ entweder direkt Eigentum (E) zu oder grenzen zumindest Nutzungsgebiete (N) von „Fraktionen“ ab: FSAV Gries/Brenner 19.5.1848, verfacht am 20.11.1849 fol 328 (N); FSAV Häselgehr 31.8.1848 verfacht 13.9.1852 fol 913 (E); FSAV Haiming 2.12.1848 verfacht fol 689 (N); FSAV Holzgau 30.8.1848 verfacht 13.9.1852 fol 915 (E); FSAV Lech, Höfen, Weisenbach und Wängle 19.10.1848 verfacht 13.11.1852 fol 924 (E); FSAV Imst 18.1.1848 verfacht 1850 fol 3705 (N, E); FSAV Imsterberg 12.1.1848 verfacht 12.12.1851 fol 437 (E); FSAV Jerzens 7.1.1848 verfacht 1850 fol 3713; FSAV Stanz, Angedair, Perfuchs 17.12.1847 verfacht 5.8.1852 fol 2363 (E); FSAV Lermoos 20.10.1848 verfacht 13.11.1852 fol 909 (N); FSAV Mieming 14.11.1848 verfacht 25.6.1851 fol 528 (Teilungsanordnung bezogen auf Fraktionen); FSAV Mühlbachl 15.12.1849 verfacht 13.3.1853 fol 434 (E); FSAV Matrei/Brenner Vergleichsprotokoll 19.12.1849 verfacht 11.3.1851 fol 435 (E: Dieser Vergleich weist sogar die Besonderheit auf, dass er mit der Gemeinde Matrei und den zur Gemeinde Mühlbachl gehörigen Fraktionen Mühlbachl, Zieglstadl, Mutzens und Alpenstadt errichtet wurde); FSAV Musau 14.9.1848 verfacht 13.11.1852 fol 930 (E – „volles und unbeschränktes Eigentum die Gemeinde Musau mit Ausschluss der Fraktion Unterletzen“; E – Fraktion Unterletzen, E – Fraktion Oberletzen); FSAV Nassereith 18.1.1848 verfacht fol 3695 (N); Nesselwängle 12.9.1848 verfacht 13.11.1852 fol 927 (E). Dies kann zu Missverständnissen führen und bildet heute ein Verständnisproblem im Tiroler Agrarstreit.
Der Oberste Agrarsenat hat diese spezifischen Tiroler Verhältnisse aber schon Anfang der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts treffend analysiert: „Auf Grund zahlreicher, bis in die älteste Zeit zurückgehender Waldordnungen, die die Forstverfassung Tirols regelten, standen die Wälder im Eigentum des Landesfürsten und konnte niemand anderer ein Waldeigentum behaupten, außer er war in der Lage, sich über den Besitz desselben durch landesfürstliche Verleihungsurkunde auszuweisen. (…) Gleichzeitig war aber den Bewohnern des Landes der Rechtsanspruch eingeräumt bzw bestätigt, ihren Bedarf an Holz aus diesen Wäldern nachhaltig zu decken. Die Holzrechte standen teils einzelnen Gütern, teil aber auch ganzen Gemeinden zu. Hinsichtlich der Gemeinden ist jedoch festzuhalten, dass es sich hier in diesen vergangenen Jahrhunderten nicht um politische Verwaltungskörper, um Ortsgemeinden (politische Gemeinden) im heutigen Rechtssinn gehandelt hat. Diese Gemeinden waren vielmehr nichts anderes als Nutzungsgemeinschaften, d.h. wirtschaftsorganisatorische Zusammenfassungen der einzelnen, in einem bestimmten örtlichen Bereich gelegenen, holzbezugsberechtigten Güter“. Der OAS weiter: „Im vorliegenden Fall steht (…) fest, dass die streitverfangenen Waldgrundstücke mit der Waldzuweisungsurkunde vom 9.11.1853 aufgrund der a.h. Entschließung vom 6.2. und 6.11.1847 in das Eigentum der Gemeinde als agrarisch-wirtschaftliche Vereinigung übertragen worden sind. (…) Der Landesfürst hatte nicht die geringste Veranlassung, Personen, Gütern oder Gemeinden, denen nach den alten Waldordnungen keine Einforstungsrechte zustanden, Wälder aus seinem Besitz zuzuteilen. Dies ergibt sich eindeutig aus der damaligen historischen Situation und dem Inhalt der Allerhöchsten Entschließung.“ (234-OAS/60 vom 5.9.1960, 7)
Damit ist klar, dass die „holzbezugsberechtigte Gemeinde“ der Tiroler Forstregulierung 1847 eine private war, nämlich ein geschlossener Personenkreis, „moralische Person“ gem §§ 26f ABGB. (Vgl schon: Gerald Kohl, Die Forstservitutenablösung im Rahmen der Tiroler Forstregulierung 1847, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler, Die Agrargemeinschaften in Tirol, 130f: „Im Zuge der FSA aufgrund des FRP 1847 tritt uns als „Gemeinde“ – allenfalls, jedoch nicht zwingend, auch unter dem Etikett „Gemeinde“ – also die Gemeinschaft der (zuvor) Bezugsberechtigten gegenüber, die – ähnlich wie bei der Regulierungsgesetzgebung des ausgehenden 19. Jahrhunderts – im Gegenzug für den Verlust ihrer bisherigen (individuellen) beschränkten privatrechtlichen Ansprüche ein (gemeinschaftliches) moderneres Eigentumsrecht erhielten. In diesem Sinne sprechen die zitierten archivalischen Quellen ausdrücklich von „Servitutenablösung“ bzw von Abfindung der bisher Servitutsberechtigten. Dieses Eigentumsrecht sollte allerdings im Sinne einer Nachhaltigkeit der Forstbewirtschaftung „nur unter den Beschränkungen genossen werden dürfen, welche die zum Behufe der Erhaltung der Kultur und Bestände der Forste Tirols sobald als möglich zu erlassende Forstpolizei (…) feststellen“ würde.“)
Die „holzbezugsberechtigte Gemeinde“ der Tiroler Forstregulierung 1847 war also keine öffentlich-rechtliche „Staatseinrichtung“, insbesondere nicht eine Rechtsvorgängerin der heutigen politischen Ortsgemeinde. Der Oberste Agrarsenat hat dies schon in den 1960er-Jahren deutlich zum Ausdruck gebracht. Das gemeinschaftliche Eigentum war die Gegenleistung für die Aufhebung einer begrenzten Anzahl an Nutzungsrechten genau bestimmter Güter bzw „Feuerstätten“. Wer dieses Gemeinschaftseigentum heute einem anderen Personenkreis zuordnen möchte als den heutigen Eigentümern der 1847 als „bezugsberechtigt“ anerkannten Güter, unterstellt eine entschädigungslose Enteignung – entweder sogleich 1847 oder im Verlauf der weiteren Entwicklung. Eine solche Deutung stünde nicht nur im Gegensatz zu grundrechtlichen Positionen seit dem Staatsgrundgesetz 1867, sondern auch zum ABGB 1812. (§ 365 ABGB: „Wenn es das allgemeine Beste erheischt, muß ein Mitglied des Staates gegen eine angemessene Schadloshaltung selbst das vollständige Eigenthum einer Sache abtreten.“)
Es widerspricht jedoch den Regeln juristischer Auslegung, einer Norm gerade jene Bedeutung zu unterstellen, die mit (in diesem Fall sogar besonders grundlegenden) anderen Normen in Widerspruch stünde.
4. Einzeleigentum und Gemeinschaftsgut
Die vom Gesetzgeber 1847 als Verhandlungs- und Vertragspartner anerkannten Landeseinwohner erscheinen aus heutiger Sicht in erster Linie als „Bauern“. Erst bei näherer Betrachtung wird deutlich, dass hier nicht bei einem Berufsstand angeknüpft werden sollte; für den historischen Gesetzgeber war der „Bauernstand“ nämlich nur ein Synonym für die „Besitzer von Grund und Boden“. ((Arg. „dass dieses Befugniß nur dem Bauernstande, d. i. den Besitzern von Grund und Boden zusteht“: „Instruction für die Commission zur Ablösung der Servituten in den vorbehaltenen Staatswäldern Tirols“, 1. Mai 1847: TLA Innsbruck, Gub. Präsidium Zl 1709 in Zl 1146/1847)
Mit diesem Begriffsverständnis näherte er sich den etymologischen Wurzeln der „Nachbarschaft“ an: „Nachbar“ leitet sich nämlich von „Nachbauer“ her, dem „Mitglied eines Personenverbandes, einer rechtstragenden Personengruppe in der Einwohnerschaft eines Dorfes“. (Heino Speer (Bearb), Deutsches Rechtswörterbuch IX, Weimar 1996, Sp. 1123f; Grimm, Deutsches Wörterbuch VII, 1889, 22ff) In diesem Sinne erweist sich die „holzbezugsberechtigte Gemeinde“ der Tiroler Forstregulierung 1847 schon durch die von der IFSAK vorgenommene Definition des dazu verbundenen Kreises an Berechtigten als Summe von „Besitzern von Grund und Boden“.
Im Ergebnis bedeutet dies freilich, dass der historische Gesetzgeber auf das unverteilte Land – soweit dieses nicht für die Zukunft dem Staat reserviert wurde – die damalige, nach den Tiroler Landesverhältnissen bestehende und anerkannte Eigentumsordnung anwendete, sie geradezu spiegelbildlich wiedergab. Wer verteiltes Land (Haus und Hof, Äcker und verteilte Weiden) besaß, wurde – zumindest grundsätzlich – am unverteilten Land, den Gemeinschaftsliegenschaften, beteiligt; wer kein verteiltes Land besaß, wurde auch am unverteilten Land nicht beteiligt. Der Anteil am unverteilten Land war also mit dem Eigentum am verteilten Land verknüpft. Mit anderen Worten: Individuelles Liegenschaftseigentum war Voraussetzung für einen Anteil am gemeinschaftlichen Liegenschaftseigentum. Der so begründete Beteiligungsanspruch am unverteilten Land erscheint heute als agrargemeinschaftliches Anteilsrecht.
Die nun als Agrargemeinschaft definierte Gemeinschaft der einstigen Eigentümer von Grund und Boden wurde somit als Eigentümer des unverteilten Landes anerkannt; insofern bildeten sie eine „Gemeinde der Eigentümer“. Diese „Realgemeinde“ ist aber ein offenes System: Wer immer Eigentum an einem berechtigten Stammsitz erwirbt, wird damit auch Mitglied der (heute idR als Agrargemeinschaft definierten) „Realgemeinde“. Ihr ist das Eigentumsrecht an der jeweiligen Gemeinschaftsliegenschaft zuzuordnen.
5. Rechtsverhältnisse bei Scheitern der Servitutenablösung
Da die Trennung des Staatseigentums einerseits und der Privatrechtspositionen der Landeseinwohner andererseits auf freiwilliger Basis erfolgen musste (die Tiroler Forstregulierung kannte keine Zwangsablösung), ist diese nicht überall gelungen. Ein Beispiel einer Gemeinschaft von Holzbezugsberechtigten, welche die angebotene Ablösung ihrer „Beholzungsservituten“ ablehnte, findet man in Gerlos. (Lang, Die Teilwaldrechte in Tirol, Wien 1978, 70) In der Katastralgemeinde Gerlos lassen sich die praktischen Auswirkungen einer solchen Ablehnung des „landesfürstlichen Angebots“ zur Servitutenablösung auch heute noch gut nachvollziehen.
Die Stammliegenschaftsbesitzer von Gerlos besitzen kein gemeinschaftliches Eigentum an Nutzwäldern und natürlich besitzt auch die politische Ortsgemeinde Gerlos kein solches Eigentum – woher sollte sie dieses auch haben? Weil die Holzbezugsberechtigten von Gerlos (als „holzbezugsberechtigte Gemeinde Gerlos“) keinen Servituten-Ablösungsvergleich errichtet haben, ist kein Eigentumstitel entstanden, den man im Zuge der Grundbuchanlegung als Eigentumstitel der heutigen politischen Ortsgemeinde Gerlos missverstehen hätte können.
Nicht eine einzige Waldparzelle wurde deshalb im Zuge der Grundbuchanlegung auf die Eigentümerbezeichnung „Gemeinde Gerlos“ einverleibt. Sämtliches Waldeigentum in der Katastralgemeinde Gerlos wurde vielmehr als Staatseigentum zu Gunsten des k.k. Aerars in EZ 51 II KG Gerlos vorgetragen (einschließlich des kahlen Hochgebirges ca 7400 ha). Auf „Gemeinde Gerlos“ wurden in EZ 52 II KG Gerlos vornehmlich „Gemeindewege“ vorgetragen, heute ca 5.700 m² (!) (fünftausendsiebenhundert Quadratmeter) insgesamt.
Im Rahmen der standardisierten Vergleichstexte vorgesehen und damit Teil des Ablösungsgeschäftes waren zusätzlich zu jeweils individuell genannten Forsten auch die „landesfürstlichen Freien (öde Gründe), welche sich zerstreut zwischen den Höfen, in und um die Dörfer u. Weiler, dann an den Wegen befinden“ (S dazu der Text des Ablösungsvergleiches, der „standardmäßig“ verwendet wurde, Pkt Erstens, abgedruckt bei Kohl, Die Forstservitutenablösung im Rahmen der Tiroler Forstregulierung 1847, aaO, 145). Diese heute vielfach besonders wertvollen Liegenschaften wurden den jeweiligen holzbezugsberechtigten Gemeinden als Teil des Ablösungsgeschäftes zusätzlich zum berechneten Ablösungsäquivalent in Form von Waldflächen, in das Privateigentum übertragen. Weil die Holzbezugsberechtigten von Gerlos das „landesfürstliche Angebot“ ausgeschlagen haben, kam es in Gerlos auch nicht zu einer solchen Eigentumsübertragung an den „landesfürstlichen Freien“, den damals öden Gründen zwischen den Höfen, in und um die Dörfer und an den Wegen. Diese Gründe verblieben vielmehr „landesfürstlich“.
Dieses landesfürstliche Eigentum an den damals (1847) öden Gründen zwischen den Höfen, in und um die Dörfer und an den Wegen wurde bei der Anlegung des „Franziszeischen Steuerkatasters“ und später bei der Grundbuchsanlegung streng beachtet. Die „holzbezugsberechtigte Gemeinde“ besaß keinen Eigentumstitel für diese Grundstücke, weshalb alle derartigen Grundstücke zu Recht dem Staat, dem k.k. Aerar, heute Republik Österreich „Bundesforste“, eigentümlich zugeschrieben wurden. Noch heute sind daher zahllose Flächen im und um den Dorfkern von Gerlos Eigentum des Staates, konkret Bundeseigentum unter der Verwaltung der Österreichischen Bundesforste AG. Dies gilt selbstverständlich auch für alle Wälder im Gemeindegebiet; diese sind allerdings mit forstlichen Servituten zu Gunsten der Rechtsnachfolger jener „Besitzer von Grund und Boden“ in Gerlos belastet, welche im Zuge der Forstregulierung 1847 die Ablösung ihrer Beholzungsservituten im Staatsforst verweigert haben. Die Agrarjuristen sprechen von „Einforstungsrechten“.
Diese heutigen „Einforstungsrechte“ der Stammliegenschaftsbesitzer von Gerlos im Staatsforst sind nichts anderes als die rechtliche Fortentwicklung jener Rechtspositionen, welche der historische Gesetzgeber 1847 in der Instruktion vom 1. Mai 1847 definiert hatte („Instruction für die Commission zur Ablösung der Servituten in den vorbehaltenen Staatswäldern Tirols“, 1. Mai 1847: TLA Innsbruck, Gub. Präsidium Zl 1709 in Zl 1146/1847).
Wem „Beholzugsservituten“ nach der Rechtslage des Jahres 1847 zustanden und wem nicht, lässt sich deshalb noch heute anhand der im Lastenblatt der Liegenschaft in EZ 51 Grundbuch 87107 Gerlos einverleibten „Dienstbarkeiten des Bezuges von Nutz- und Brennholz sowie Streu“ nachvollziehen. Dies Gesamtheit der solcherart Berechtigten hatte die „holzbezugsberechtigte Gemeinde Gerlos“ gebildet. Würden diese Dienstbarkeiten heute in Form eines gemeinschaftlichen Ablösungsvergleiches zwischen der Republik Österreich und der Gemeinschaft der Nutzungsberechtigten von Gerlos im Wege der Eigentumsübertragung an einer Teilfläche des nutzungsbelasteten Staatseigentums abgelöst, so würden exakt dieselben Rechtsverhältnisse entstehen, wie diese als Konsequenz der Forstregulierung 1847 entstanden sind: Die Ablösefläche, das Gemeinschaftsgut, wäre Eigentum der (ehemaligen) Einforstungsberechtigten von Gerlos, als eine historische „Gemeinde, zusammengesetzt aus Nutzungsberechtigten“.
6. Ergebnis
Die Mitberechtigung an den historischen Gemeinschaftsgütern steht in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der Berufsausübung; die Agrargemeinschaft ist also kein „ständestaatliches Phänomen“.
Vielmehr hat der historische Gesetzgeber im Zuge der Auflösung der feudalen Eigentumsordnung durch die Forstregulierung von 1847 die Mitberechtigung am unverteilten Gemeinschaftsland, dem Gemeinschaftsgut, mit dem damals bestandenen Einzeleigentum verknüpft. Zumindest grundsätzlich wurde jeder Eigentümer von verteiltem Grund und Boden als Mitberechtigter am unverteilten Gemeinschaftsgut anerkannt.
In den Eigentumsverhältnissen am jeweiligen Gemeinschaftsgut spiegeln sich somit die Eigentumsverhältnisse am verteilten Grund und Boden. Die jeweiligen Eigentümer des unverteilten Gemeinschaftsgutes finden sich in der Summe der Eigentümer des verteilten Bodens wieder.
Die Summe der Eigentümer des verteilten Grund und Bodens kann durch den Begriff der „Realgemeinde“ gekennzeichnet werden. Dieser Begriff bietet, weil beim unverteilten Gemeinschaftsgut im Prinzip dieselben Eigentumsverhältnisse wie beim verteilten Grund und Boden herrschen, eine durchaus brauchbare Definition, um die vermutlichen Eigentümer der jeweiligen Gemeinschaftsliegenschaften zu erfassen.
Das Gemeinschaftseigentum an den unverteilten Liegenschaften ist ein offenes System: Mit Erwerb eines Stammsitzes durch Rechtsgeschäft unter Lebenden oder im Erbwege wird der jeweilige neue Eigentümer kraft Eigentums am Stammsitz Mitglied in der „Realgemeinde“ und als solcher Mitberechtigter am betreffenden Gemeinschaftsgut.
Die in ihren Grundzügen 1847 geschaffene Eigentumsordnung an den Tiroler Wäldern unterlag spätestens 1867 mit Inkrafttreten des Staatsgrundgesetzes über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger dem Schutz der Verfassung (Art 5 StGG Eigentumsschutz; Art 7 StGG Verbot der Neubegründung von geteiltem Eigentum). Dies sollte – ungeachtet aller Emotionen, welche mit Besitz und Eigentum verbunden werden – auch künftig Beachtung finden.
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aus:
Gerald Kohl und Bernd Oberhofer
Gemeinschaftsgut und Einzeleigentum
in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler/Raber (Hg) Die Agrargemeinschaften in Westösterreich (2011) 29ff
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MP