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Regulierung der Agrargemeinschaft

„Regulierung einer Agrargemeinschaft“ und „körperschaftliche Einrichtung einer Agrargemeinschaft“ bedeutet ein und dasselbe. Worum geht es bei diesem Vorgang? Diejenige Personengruppe, die gemeinschaftlich an einer bestimmten Liegenschaft nutzungsberechtigt ist, wird in einem gesetzlich anerkannten Organisationsform organisiert. Dieses gesetzlich anerkannte Organisationsmodell ist die Agrargemeinschaft. Anders als bei den juristischen Personen des Unternehmensrechts (früher: „Handelsrecht“) erfolgt die Errichtung einer Agrargemeinschaft nicht durch Vertrag oder Notariatsakt, sondern durch Bescheide. Wegen der Vielzahl an Beteiligten und des öffentlichen Interesses an der Organisierung der Liegenschaftsnutzung hat der Gesetzgeber bereits in den 1880er Jahren entschieden, dass Agrargemeinschaften in amtswegigen Verfahren und unter Einsatz von Bescheiden und des öffentlichen Rechts errichtet werden. Aus diesem Grund ist eine Agrargemeinschaft eine juristische Person nach öffentlichem Recht.

a) Die gesetzlichen Grundlagen im Überblick

„Körperschaftlich eingerichtete Agrargemeinschaften“ sind im Allgemeinen das Ergebnis von „Regulierungsverfahren“. Geregelt ist dieses Verfahren im zweiten Hauptstück des Flurverfassungslandesgesetzes 1996, §§ 33 – 70a TFLG 1996, betreffend die Ordnung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse an agrargemeinschaftlichen Grundstücken. Dieses Hauptstück gliedert sich in zwei Abschnitte, nämlich in einen ersten Allgemeinen Teil (§§ 33 – 40) und einen zweiten Abschnitt betreffend die Ordnung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse durch Teilung oder Regulierung (§§ 41 – 70a). Der zweite Abschnitt des zweiten Hauptstückes gliedert sich wiederum in drei Kapitel, nämlich 1. Hauptteilung (§§ 44 – 49), 2. Einzelteilung (§§ 50 – 61) und 3. Regulierung der gemeinschaftlichen Benützungs- und Verwaltungsrechte (§§ 62 – 70a).

Hervorzuheben ist, dass die Bestimmungen der §§ 33 – 40 TFLG 1996, des Allgemeinen Teiles, „einleitende Bestimmungen“ enthalten, „die im Zuge aller nach diesem Hauptstück durchzuführenden Bodenreformmaßnahmen anzuwenden sind.“ ((LAS Tirol vom 5.8.1969 LAS-104/17 -Gemeindegut Trins, Regulierung) Als Grundlage des Regulierungsverfahrens hat die Agrarbehörde die agrargemeinschaftlichen Liegenschaften festzustellen (§ 38 Abs 1 erster Tatbestand TFLG 1996). Spätestens im Zuge der Entscheidung über den Regulierungsplan hat die Agrarbehörde auch über die Eigentumsverhältnisse am Regulierungsgebiet zu entscheiden (§§ 65 Abs 2 lit b iVm 38 Abs 1 zweiter Tatbestand TFLG 1996 – Vgl LAS Tirol vom 5.8.1969 LAS-104/17 – Gemeindegut Trins, Regulierung; Albert Mair, Probleme der Regulierung des Gemeindegutes (Vortragsmanuskript aus dem Jahr 1958), in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler (Hrsg), Die Agrargemeinschaften in Tirol, 17). Im Fall eines Teilungsverfahrens – sei es Hauptteilung oder Einzelteilung – gilt grundsätzlich nichts anderes: Die Agrarbehörde hat die Aufgabe, im Zuge des Verfahrens festzustellen, wem die agrargemeinschaftliche Liegenschaften gehören (§ 38 Abs 1 zweiter Tatbestand TFLG 1996). Diese Entscheidungspflicht der Agrarbehörde über die wahren Eigentumsverhältnisse darf keinesfalls als Ermächtigung zur Eigentumsübertragung missverstanden werden (Verfehlt VfSlg 9336/1982). Gerade für ein Teilungsverfahren gem §§ 44 ff bzw §§ 50 ff TFLG 1996 ist nach der allgemeinen Gesetzessystematik und schon als Ergebnis einer Interpretation des Begriffes „Teilung“ nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch vorauszusetzen, dass das zu Teilende „gemeinschaftlich“ ist. Eine Behördenentscheidung auf „Teilung“ setzt die Vorfragenbeurteilung über die Eigentumsverhältnisse zwingend in dem Sinn voraus, dass die Parteien überhaupt gemeinschaftlich verfügungsberechtigt sind.

b) Entscheidungsgegenstand des Regulierungsverfahrens

Das Regulierungsverfahren zielt auf die Regelung der „Benutzungs- und Verwaltungsrechte an agrargemeinschaftlichen Grundstücken“ (§ 30 Abs 2 FlVfGG 1951). Die Agrarbehörden sind „von der Einleitung bis zum Abschluss des Verfahrens“ zuständig „für die Verhandlung und Entscheidung über alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse … die zum Zweck der Durchführung der … Regulierung in die agrarische Operation einbezogen werden müssen“ (§ 34 Abs 3 FlVfGG). Die Entscheidungsbefugnis der Agrarbehörde erstreckt sich insbesondere auch auf „Streitigkeiten über Eigentum und Besitz an den in das Verfahren einbezogenen Grundstücken“ (§ 34 Abs 4 FlVfGG; § 72 Abs 5 lit a, b, c TFLG 1996). Dabei hat die Agrarbehörde diejenigen Normen, welche im Allgemeinen für diese Angelegenheiten gelten (zum Beispiel die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, des Wasser- und Forstrechts) anzuwenden (§ 34 Abs 5 FlVfGG; § 72 Abs 6 TFLG 1996). Als Voraussetzung für die Erlassung eines Regulierungsplanes muss die Agrarbehörde klären und entscheiden, wer Eigentümer der agrargemeinschaftlichen Liegenschaften ist (§ 65 Abs 2 lit b iVm § 38 Abs 1 TFLG 1996; LAS Tirol vom 5.8.1969 LAS-104/17 (Gemeindegut Trins, Regulierung); Albert Mair aaO 17).

„Wenn die Agrarbehörde das Eigentum eines Rechtsträgers `feststellt´ und wenn diese Feststellung unangefochten bleibt, dann ist dieser Rechtsträger Eigentümer im Rechtssinn“ (Raschauer aaO 276; vgl VfGH 10.12.2010 B 639/10 ua Pkt II. A) 2.3.6.1 der Begründung; VfSlg 18.446/2008; VfSlg 17.779/2006; VwGH 8.7.2004 2003/07/0087; OGH 11.2.2003, 5 Ob 2/03/k). Ein „Regulierungsplan“ hat ua auch die Entscheidungen gem § 38 Abs 1 TFLG, somit auch die Entscheidung über die Eigentumsverhältnisse, zu enthalten (§ 65 Abs 2 lit b TFLG 1996; Diese Kompetenz der Agrarbehörde zur Entscheidung darüber, wer Eigentümer eines agrargemeinschaftlichen Grundstückes ist, gilt auch außerhalb eines Regulierungsverfahrens (§ 35 Abs 1 FlVfGG; § 73 lit c TFLG 1996). Raschauer erklärt den Regulierungsvorgang treffend als einen gesetzlich eigenständig geregelten Fall einer Umgründung (Raschauer aaO, 278; vgl Pernthaler, Die Rechtsnatur der Agrargemeinschaften, in: Die Agrargemeinschaften in Tirol, 262, der die Regulierung als Sicherung privater Rechte unter veränderten tatsächlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen versteht). Durch den agrarbehördlichen Regulierungsakt wird einer bis zur Regulierung typischerweise unorganisierten Gemeinschaft von Nutzungsberechtigten die Erscheinungsform als „körperschaftlich eingerichtete Agrargemeinschaft“ gegeben. Diese „Umgründung“ impliziert – in Ermangelung einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage – keine Gesamtrechtsnachfolge. Die „vor der Regulierung vorhanden gewesene Agrargemeinschaft der Nutzungsberechtigten“ ist im Verhältnis zur körperschaftlich eingerichteten Agrargemeinschaft „Dritte“ (VwGH 13.12.2001, 98/07/0082; zustimmend Raschauer aaO 267 f).

Die Errichtung einer Agrargemeinschaft umfasst somit die Regelung aller wesentlichen Bereiche dieses speziellen Wirtschaftskörpers, ausgehend von den agrargemeinschaftlichen Liegenschaften („Regulierungsgebiet“), den anteilsberechtigten Stammsitzliegenschaften (bzw Personen) und dem Umfang der Anteilsrechte und Vorschriften über die Verwaltung der Gemeinschaft.. Entsprechend der äußerst komplexen Aufgabenstellung sind in einem solchen Verfahren verschiedene Abschnitte zu unterscheiden, welche von der Agrarbehörde jeweils mit gesondertem Bescheid bewältigt werden können (stufenweiser Verfahrensaufbau): Verfahrenseinleitung hinsichtlich bestimmter Liegenschaften (§ 62 Abs 1 TFLG 1996), Feststellung des konkreten Umfanges „des Regulierungsgebietes“ (§§ 64 iVm 51 TFLG 1996), Feststellung der nutzungsberechtigten Parteien (§§ 64 iVm 52 TFLG 1996), Feststellung ihrer Anteilsrechte an der einzurichtenden Agrargemeinschaft (§§ 64 iVm 53 TFLG 1996), Feststellung der Eigentumsverhältnisse an den einbezogenen Liegenschaften (§§ 65 iVm § 38 Abs 1 TFLG 1996), körperschaftliche Einrichtung der Agrargemeinschaft durch Satzungsverleihung (§§ 65 iVm 36 TFLG 1996). Die Erlassung eines Folgebescheides setzt die Rechtskraft des vorausgegangenen Bescheides voraus. Der Regulierungsplan fasst die Ergebnisse des Regulierungsverfahrens zusammen; er enthält alle wesentlichen Ergebnisse des vorausgegangenen Verfahrens (§ 65 TFLG 1996).

c) Die Zuständigkeitsentscheidung der Agrarbehörde

Regelmäßig nehmen die historischen Behördenbescheide ausdrücklich darauf Bezug, welche Art von agrargemeinschaftlicher Liegenschaft die Behörde unterstellt hat (Generaltatbestand gem § 33 Abs 1 TFLG 1996 oder einen der Spezialtatbestände gem § 33 Abs 2 TFLG 1996). Das Tiroler agrargemeinschaftliche Eigentum ist jedoch weitestgehend aus den Maßnahmen gem Forstregulierungspatent 1847 hervorgegangen und wurden solche Liegenschaften erst mit TFLG-Novelle 1984 LGBl 1984/18 als eigener Tatbestand in § 33 Abs 2 lit a TFLG 1978 erfasst. In den vor Inkrafttreten der TFLG-Novelle abgeschlossenen Verfahren war es üblich solche Liegenschaften irgendeinem anderen Tatbestand zuzuordnen – am häufigsten wurden solche Liegenschaften als „Gemeindegut“ erfasst. Die historischen „Entscheidungen“ der Agrarbehörde betreffend die Zuordnung der agrargemeinschaftlichen Liegenschaft zu einem der Tatbestände gem §§ 36 bzw 32 bzw 33 TFLG (1935, 1952, 1969, 1978 bzw 1996) sind deshalb in dem Licht, dass die Forstregulierung 1847 nach geltendem Recht als eigener Tatbestand ausdifferenziert wurde, objektiv falsch.

Aufgrund der Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes vom 30.6.2011 Leit-Erk 2010/07/0091 (Agrargemeinschaft Obergarten) stehen unvermutet diese historischen „Zuständigkeitsentscheidungen“ der Agrarbehörden im Zentrum des „Tiroler Agrarstreits“. Wie unten ausgeführt kommt den Entscheidungen der Agrarbehörde dazu, bei welchem Tatbestand der agrargemeinschaftlichen Liegenschaft angeknüpft werden sollte, für das weitere Verfahren und die Beurteilung der Verfahrensergebnisse keinerlei Bedeutung zu. Die Agrarbehörde hatte unabhängig von der Art des jeweiligen agrargemeinschaftlichen Grundstückes die gesetzlich vorgeschriebenen Erhebungen zu tätigen und letztlich zu entscheiden, wer in welchem Ausmaß nutzungsberechtigt ist und wem die Liegenschaft gehört.

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aus:
Pernthaler/Oberhofer
Die Agrargemeinschaften und die agrarische Operation
in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler/Raber, Die Agrargemeisnchaften in Westösterreich (2012), Seite 495ff

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MP

Nichtregulierte
Agrargemeinschaft

ALLGEMEINES

Wenn heute von „Agrargemeinschaften“ gesprochen wird, so sind in erster Linie „regulierte Agrargemeinschaften“ gemeint, dh agrarische Eigentums- und/oder Nutzungsgemeinschaften, die durch Behördenakt als Körperschaften des öffentlichen Rechts eingerichtet wurden. So weist das elektronische Grundbuch für das Bundesland Niederösterreich über 550 körperschaftlich eingerichtete Agrargemeinschaften als Eigentumsträger nach, das der Steiermark immerhin über 250. Daneben existieren zahlreiche „unregulierte Agrargemeinschaften“. Als Beispiel hierfür ist auf die „Zweidrittelgericht Landeck“ zu verweisen, eine seit Jahrhunderten bestehende Rechtsgemeinschaft im Tiroler Oberland, welche durch einen „Machthaber“ vertreten wird und mit einem Geschäftsführungsorgan ausgestattet ist. „Zweidrittelgericht Landeck“ ist Eigentümerin von jedenfalls acht Liegenschaften, die sich über vier Katastralgemeinden erstrecken. (Abgesehen von der Liegenschaft in Ezl. 178 GB 84004 Grins sind der „Zweidrittelgericht Landeck“ folgende weitere Liegenschaften zugeschrieben: Liegenschaften in Ezl. 149, 150, 151, 364 GB 84010 St. Anton a. A., Ezl. 46, 47 GB 86020 Kaisers, Ezl. 95 GB 84002 Flirsch)

Nicht regulierte Agrargemeinschaften findet man selbstverständlich auch außerhalb Tirols, zB in Kärnten (Liegenschaft in EZ 162 GB 75001 Egg, ca 48 ha, „Unterdorfergemeinschaft“ bestehend aus diversen „Ortschaften“) oder auch in Niederösterreich (Liegenschaft in EZ 54 GB 22130 Schadendorf, ca 1.300 m2, „Ortschaft Schadendorf). Deren Rechtsnatur wird unten noch ausführlich behandelt. Nur soviel vorweg: Es handelt sich um „moralische Personen“ gem §§ 26f ABGB, welche noch nicht in eine (heute) allgemein anerkannte Organisationsstruktur „umgegründet“ wurden. Der Organisationsvorgang als „agrarische Operation“ („Regulierung“) gründet heute auf dem Flurverfassungs-GrundsatzG 1951 (BGBl 1951/103 idgF)und den entsprechenden Ausführungsgesetzen der Länder dazu.

Die materielle Richtigkeit der agrarbehördlichen Eigentumsentscheidungen ist anhand derjenigen Rechtslage nachzuvollziehen, welche vor dem agrarbehördlichen Einschreiten bestanden hatte. Diese Rechtssituation wird mit dem Begriff der „nicht regulierten Agrargemeinschaft“ umschrieben. Welche konkreten Rechtsverhältnisse in der nicht regulierten Agrargemeinschaft gelten, muss anhand des Einzelfalles im Kontext der jeweiligen historischen Rechtslage geprüft werden.

 

Keinesfalls vertretbar ist der Versuch, die ursprünglichen Rechtsverhältnisse pauschal in der Form zu erklären, dass eine Gesamtheit von bäuerlichen Grundeigentümern „als sog. Realgemeinde“ sich „im Zuge der Schaffung der modernen Gemeindeverfassung zur heutigen politischen Ortsgemeinde“ gewandelt hätte, die Nutzungsrechte bestimmten Höfen „grundbücherlich zugeordnet“ und entweder Miteigentum der Nutzungsberechtigten oder Gemeindegut der Ortsgemeinde einverleibt worden sei (Eccher, FS Barta 213). Eine Gesamtheit von natürlichen Personen kann sich nicht zur heutigen politischen Ortsgemeinde „wandeln“, weil Körperschaften des öffentlichen Rechts keine privatautonomen Gründungen sind.

Auch kann – idente Ausgangslage vorausgesetzt – nicht beides richtig sein: die grundbücherliche Anschreibung von Miteigentum der Nutzungsberechtigten und die alternative Anschreibung von Gemeindeeigentum. Schließlich konnte nach streng pandektistischer Rechtsauffassung ein beschränktes dingliches Recht auf (Mit-)Eigentum des/der Berechtigten nicht existieren (Ehrenzweig, System I/2, 2. Aufl, 306: „Niemandem kann seine eigene Sache dienen“. Siehe D 8, 2, 26: In re communi (!) nemo dominorum iure servitus neque facere quicquam invito altero potest neque prohibere, quo minus alter faciat: nulli enim res sua servit. – Vgl Ogris, Servituten, in: Erler/Kaufmann, Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte IV, Berlin 1990, 1645ff).

Soweit deshalb die Nutzungsrechte bestimmten Höfen zugeordnet wurden, ist die Einverleibung von Miteigentum zu Gunsten der Eigentümer dieser Höfe gerade nicht zu erwarten. Ein „Recht an eigener Sache“ gem historischem Rechtsverständnis, als welches die Mitgliedschaft in der nicht regulierten Agrargemeinschaft häufig erklärt wird, wird sich deshalb in den österreichischen historischen Grundbüchern gar nicht abgebildet finden.

 

Zu kurz greifen auch die Überlegungen des VfGH im Einleitungsbeschluss zum Gesetzesprüfungsverfahren VfSlg 9336/1982, wenn in dieser Entscheidung § 63 Vorarlberger Gemeindeordnung 1864, LGBl 22/1864, „vorläufig“ so verstanden wurde, dass „auch das mit Nutzungen belastete Eigentum der früheren Realgemeinde auf die neue Gemeinde übergegangen“ sei und lediglich mit den bisherigen Nutzungen belastet blieb (So die Wiedergabe dieser Aussage des Einleitungsbeschlusses im Erkenntnis selbst (Pkt I Z 3 Abs 5 der Begründung). Zu Recht hatte der Gerichtshof diese Aussage in das Erk selbst nicht übernommen (worauf schon Öhlinger, Das Gemeindegut in der Judikatur des VfGH, in: Die Agrargemeinschaften in Tirol, 240 f, hingewiesen hat), weil § 63 VGO 1864 – genauso wenig wie die insoweit deckungsgleichen Regelungen der TGO 1866, LGBl 1/1866 (oder anderer Landesausführungsgesetze zum RGG 1862 – keinen Eigentumstitel vermittelt (Ausführlich dazu: Mayer, Politische Ortsgemeinde versus Realgemeinde, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler (Hrsg), Die Agrargemeinschaften in Tirol, 196 ff, sowie Öhlinger, Das Gemeindegut in der Judikatur des VfGH, aaO, 245 ff).

Bevor man überhaupt die Frage prüft, welche Rechtspositionen auf die heutige politische Ortsgemeinde übertragen worden sein könnten, ist zunächst die rechtliche Ausgangslage zu ergründen. Gerade der historische Tiroler Gesetzgeber hatte sich selbst als „Oberstem Landesherrn“ das Eigentum an den Tiroler Forsten reserviert und die behaupteten Eigentumsansprüche der „alten Agrargemeinden“ unter Einem verworfen, weil an „landesfürstlichem Waldeigentum“ grundsätzlich keine Ersitzung möglich sei. (Allerhöchste Entschließung vom 6.2.1847“, Provinzialgesetzsammlung für Tirol und Vorarlberg für das Jahr 1847/XXXVI, 253ff (Forstregulierungspatent 1847 – FRP 1847); zur historischen Tiroler Rechtslage an den „Landesfürstlichen Waldungen“: Kohl, Die Forstservitutenablösung im Rahmen der Tiroler Forstregulierung 1847, in: Die Agrargemeinschaften in Tirol, 105 ff)

Unter solchen Voraussetzungen erübrigt sich jede Spekulation betreffend die „Verwandlung von Realgemeinden“ oder eine „Rechtsüberleitung“ von denselben. Wer selbst kein Eigentum besitzt, kann keines weitergeben!

 

TYPEN AGRARGEMEINSCHAFTLICHEN EIGENTUMS

Eine Agrargemeinschaft definiert sich durch gemeinschaftliche Nutzungsverhältnisse an Liegenschaften (Raschauer, Rechtskraft und agrarische Operation, aaO, 268). Dieser gemeinschaftlichen Nutzung kann gemeinschaftliches Eigentum zu Grunde liegen oder gemeinschaftliche beschränkte Rechte an der betreffenden Liegenschaft. Mit Blick auf die Eigentumsverhältnisse an agrargemeinschaftlichen Liegenschaften sind deshalb drei Grundvarianten zu unterscheiden: Die Summe aller Nutzungsberechtigten könnte gleichzeitig Eigentümer der agrargemeinschaftlichen Liegenschaft sein; die agrargemeinschaftlich genutzte Liegenschaft könnte im Eigentum eines Dritten stehen, der selbst nicht nutzungsberechtigt ist; der Alleineigentümer der agrargemeinschaftlich genutzten Liegenschaft könnte mitnutzungsberechtigt sein.

Miteigentumsgemeinschaften

Ist das Eigentumsrecht der Summe aller Nutzungsberechtigten zuzuordnen, ist das Nutzungsrecht des Einzelnen Ausfluss des Anteilsrechts am Ganzen; das Nutzungsrecht ist „Recht an eigener Sache“. Die Entstehung solcher Rechtsverhältnisse ist leicht nachvollziehbar, wenn man bei der historischen Ausgangslage anknüpft: Die historischen Gemeinschaften der Nachbarn ([Nachbarschafts-] Gemeinden, Nachbarschaften, „Interessentschaften“, „Fraktionen“, „Rotten“, „Degneien“ – wie immer diese Gebilde in der Geschichte genannt wurden – Dazu etwa: August Unterforcher, Wie man in Tirol in früherer Zeit die Theile der Gemeinde oder die Gemeinden selbst benannte, in: Zeitschrift des Ferdinandeums für Tirol und Vorarlberg, 1897, 187ff, oder Josef Egger, Die alten Benennungen der Dörfer, Gemeinden und ihrer Unterabtheilungen sowie die gleichlaufenden Namen von Gerichtsbezirken und Gerichtstheilen in Tirol, ebendort, 217ff) nutzten Gemeinschaftsbesitz, an dem der Tiroler Landesherr ein (sachenrechtliches) Herrschaftsrecht beanspruchte, das sog „Allmendregal“. (Ausführlich dazu: Wopfner, Das Allmendregal des Tiroler Landesfürsten, 1909) Je nach Ausprägung kann dieses Herrschaftsrecht des Landesherrn „kraft Regalität“ mit der bekannten Differenzierung zwischen Obereigentum („dominium directum“) und Unter- bzw Nutzungseigentum („dominium utile“) erklärt werden. Sobald das „feudale Obereigentum“ aufgegeben wird, entsteht bei der Gemeinschaft der „Nutzungseigentümer“ Volleigentum: Es vereinigen sich „Unter- oder Nutzungseigentum“ mit dem „Obereigentum“ und es entsteht (Voll-)Eigentum in den Händen der historischen Nutzungsgemeinschaften. Zu Recht hat Ehrenzweig festgestellt, dass der geschichtlichen Betrachtung das geteilte Eigentum als ein Übergangszustand erscheine (Ehrenzweig, Sachenrecht, System II/1² 157). Untereigentümer wurden mit dem Wegfall des feudalen Obereigentums zu Volleigentümern.

 

Weil die feudalen Eigentumsstrukturen typischer Weise so aufgelöst wurden, dass die „Untereigentümer“ zu „Volleigentümern“ wurden (Vgl nur Ehrenzweig, Sachenrecht, System II/1² 157; H.-R. Hagemann, Eigentum, in: Erler/Kaufmann, Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte I, 1971, 891 ff; mwN; Ogris, Die Rechtsentwicklung in Cisleithanien, in: Wandruszka/Urbanitsch, Der Habsburgermonarchie 1848–1918 II: Verwaltung und Rechtswesen, 1975, insbesondere 594 ff), wäre Gemeinschaftseigentum in Händen der ursprünglichen Nutzungsgemeinschaft für gewöhnlich vorauszusetzen. Dies entspricht schon der modernen, verfassungsrechtlich verankerten Eigentumsordnung gem Art 5 StGG (der „Institutsgarantie des Eigentums“) sowie dem Grundsatz, dass das aus dem Titel des geteilten Eigentums abgeleitete (feudale) „Obereigentum“ in eine „ablösbare Last“ umgewandelt wurde (Art 7 StGG). Im Ergebnis wurden in einem solchen Fall die Mitglieder der historischen Nutzungsgemeinschaften im Verlauf der Geschichte als Eigentümergemeinschaft anerkannt. In Anbetracht einer insbesondere bei den Gemeinschaftsalpen über Jahrhunderte nachweisbaren strengen Nutzungsordnung durch einen genau definierten Personenkreis ist dieser Vorgang als natürliche Konsequenz eines Rechtsprinzips zu sehen, der unser Sachenrecht wesentlich bestimmt: Derjenige, der über lange Zeit alle sachenrechtlichen Herrschaftsrechte unangefochten ausübt, soll auch als zivilrechtlicher Eigentümer anerkannt werden. (Vgl etwa den Sachverhalt, welcher dem Erk VfGH B 984/09 vom 5.3.2010 zugrunde lag: Die für die „Tanzalpe“ geltende Nutzungsordnung wurde auf die „alte Alpordnung vom Jahre 1554“ zurückgeführt)

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Nutzungsgemeinschaften auf fremdem Eigentum

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Ergibt die Prüfung der Rechtsverhältnisse im Einzelfall, dass die Nutzungsberechtigten nicht Eigentümer des agrargemeinschaftlichen Grundstückes sind, kann dies zwei Ursachen haben: Die aus der feudalen Eigentumsordnung resultierende Trennung zwischen Obereigentum und Nutzungseigentum muss sich in irgendeiner Form fortgesetzt haben oder nach Auflösung der feudalen Eigentumsstrukturen wurden von Seiten des neuen Eigentümers (gem § 354 ABGB) Nutzungsrechte auf eigenem Eigentum neu eingeräumt. Die erste Variante ist in Tirol überall dort zu finden, wo die feudalen Eigentumsstrukturen dadurch aufgelöst wurden, dass der historische Landesherr aus dem Titel des Allmendregals das Eigentumsrecht an sich gezogen und die Nutzungseigentümer auf Servitutsberechtigte herabgestuft hat. Der historische Anlass und die Hintergründe dieser Konstellation werden uns noch beschäftigen. Das Resultat aus heutiger Sicht sind bäuerliche Holzbezugsrechte und sonstige „Einforstungsrechte“ auf Bundeseigentum, konkret Eigentum der „Österreichischen Bundesforste“, die in gewissen Tiroler Gemeinden vorkommen. (rightbar Hauptstück „Dorf ohne Gemeindegut“)

 

Die zweite Variante würde insbesondere das (echte) Gemeindegut betreffen, jene Variante agrargemeinschaftlicher Grundstücke, bei der die heutige politische Ortsgemeinde auf eigenem Eigentum kraft „Gemeinderechts“ (öffentlich-rechtliche) Nutzungsrechte zu Gunsten der historischen Gemeindeglieder begründet hat. Voraussetzung ist, dass die heutige Ortsgemeinde im konkreten Einzelfall tatsächlich Eigentum erworben hat. Von Gesetzes wegen kann kein Eigentumserwerb unterstellt werden. Die vielfach unterstellte Rechtsnachfolge der heutigen Ortsgemeinde in Rechtspositionen der historischen Personengemeinschaften („Realgemeinden“, „Realgenossenschaften“) von Gesetzes wegen (These einer „Quasi-Erbschaft“) würde in offenem Widerspruch zur historischen Rechtslage (§§ 26 prov. GemG 1849; 12 TGO 1866) stehen; der VfGH hat dieser Theorie zuletzt eine klare Absage erteilt. (VfGH B 634/10 ua vom 10.12.2010 Pkt II A 2.4.2. Abs 2 der Begründung unter Berufung auf Öhlinger, Das Gemeindegut in der Judikatur des VfGH, aaO, 228 ff)

 

Im Hinblick darauf, dass die Nutzungsrechte heute in beiden Fällen umfangmäßig reguliert bzw auf den Hof- und Gutsbedarf beschränkt sind, verbleibt dem jeweiligen Eigentümer der über die Summe der Nutzungsrechte hinausgehender Ertrag der agrargemeinschaftlichen Liegenschaften. Konsequenter Weise ergibt sich bei einer derartigen Eigentumskonstellation immer eine gemeinschaftliche Nutzung mit dem jeweiligen Eigentümer. Dies war nicht immer so: Wegen der unklaren Rechtsverhältnisse an den Tiroler Wäldern hatten insbesondere die Stammliegenschaftsbesitzer wenig Interesse und auch gar keine Kompetenz, um in den Tiroler Wäldern, welche formal dem Landesfürsten zugeordnet waren, eine nachhaltige Waldwirtschaft zu betreiben. Umgekehrt war die landesfürstliche Forstverwaltung dazu offensichtlich auch außerstande, war diese doch mit den Nutzungsrechten der Stammsitzeigentümer konfrontiert. Jedenfalls hatten sich die Erträge des Fürsten aus den Tiroler Wäldern laut zeitgenössischen Quellen fast auf Null reduziert. (R.S. Bericht zur Forstservitutenablösung in Tirol, Österreichische Vierteljahresschrift für Forstwesen, 1851, Die Forstservitutenablösung in Tirol, 387) Die Forstregulierung des Jahres 1847 war nicht nur wegen zahlloser Eigentumsstreitigkeiten zwischen dem Landesfürsten und den Stammliegenschaftsbesitzern motiviert, sondern auch durch offenkundige Missstände bei der bei der Bewirtschaftung des formal geteilt erscheinenden Eigentums. (R.S., Die Forstservituten-Ablösung in Tirol, in: Vierteljahresschrift für Forstwesen (1851), 382. („Hunderte von Rechtstreiten [!])

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ERKLÄRUNGSVERSUCHE DER AGRARJURISTEN

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Die Tiroler Agrarjuristen verfolgten zur Erklärung der Rechtsverhältnisse an den nicht regulierten Agrargemeinschaften offensichtlich unterschiedliche theoretische Ansätze: Zunächst ist hier die Auffassung Albert Mairs zu erwähnen, der – anknüpfend an die spezielle Tiroler Eigentumsgeschichte – die Agrargemeinschaft nicht nur als Nutzungsgemeinschaft versteht, sondern auch als Eigentumsgemeinschaft: „Eine körperschaftlich rechtsfähige Agrargemeinschaft, deren Existenzvoraussetzung ihrer Rechtsnatur nach die agrargemeinschaftlichen Grundstücke bilden, ist ohne ein tatsächliches Eigentum, an dem für die Agrargemeinschaft essentiellen Substrat, nämlich dem gemeinschaftlichen Grund und Boden, unvorstellbar und praktisch widersinnig. Die Agrargemeinschaft leitet sich historisch von der Wirtschaftsgemeinde ab und ist nicht eine blosse Nutzungsgemeinschaft, sondern auch eine Eigentums- und Sachgemeinschaft öffentlichen Rechts.“ (Mair, Probleme der Regulierung des Gemeindegutes, aaO, 27. Vgl dazu: Raschauer, Rechtskraft und agrarische Operation, aaO, 276.

Eine Gegenposition wird man wohl Eberhard Lang zuordnen müssen, der für denselben Rechtsraum typischer Weise an den agrargemeinschaftlichen Liegenschaften Eigentum der Ortsgemeinden annimmt (vgl zB Lang, Tiroler Agrarrecht II, 25).

Diese unterschiedlichen Vorstellungen resultieren aus einer konträren Deutung der Tiroler Forsteigentumsgeschichte sowie aus einer konträren Deutung der Entwicklung des modernen staatlichen Gemeindewesens. Mair interpretiert die Tiroler Forstregulierung 1847 als Anerkennung des faktischen Besitzstandes der historischen Nutzungsgemeinschaften und versteht die moderne Ortsgemeinde als Neuschöpfung des Staates auf der Grundlage des Reichsgemeindegesetzes 1862, weshalb die heutigen Ortsgemeinden aus der Tiroler Forstregulierung 1847 schon aus rein formalen Gründen kein Eigentum erwerben konnten. Mair, Probleme der Regulierung des Gemeindegutes, in: Die Agrargemeinschaften in Tirol, 20: „Die Bereinigung des Jahres 1847 durch das Waldzuweisungspatent stellte nichts anderes als die rechtliche Sanktionierung des tatsächlich ohne Unterbrechung währenden Besitzstandes der Realgemeinden dar.“ … : „Es ist daher ein rechtsgeschichtlicher und auch sachlicher Irrtum, wenn in Tirol verschiedentlich versucht wird, das heutige bücherliche Eigentum der Gemeinde am Gemeindegut deutschrechtlichen Ursprungs auf die mehr erwähnte Waldzuweisung aufgrund des Waldzuweisungspatentes aus dem Jahr 1847 zu stützen, weil die politische Gemeinde, wie schon ausgeführt, im Zeitpunkt der kaiserlichen Entschließung nach dem heutigen Rechtsbegriff als Rechtsperson es zu dieser Zeit noch nicht gegeben hat.“ (Seite 21) … „Mit Nachdruck festzuhalten ist jedenfalls, dass die Gemeinden bei ihrer Entstehung überhaupt keinen eigenen Grundbesitz hatten und dass derselbe, wie er heute als Gemeindegut vorliegt, fast ausschließlich aus dem von der Realgemeinde übernommenen und daher seit alters her deutschrechtlichen Rechtsverhältnissen unterliegenden Grundvermögen stammt.“ (Seite 23)

Lang dagegen geht davon aus, dass die Tiroler Forstregulierung 1847 den Übergang des landesfürstlichen Obereigentums auf die politischen Gemeinden zur Konsequenz hatte und dass sich die heutigen Ortsgemeinden sukzessive aus den historischen Organisationen der Nachbarn entwickelt hätten und dabei auch in deren privatrechtliche Rechtspositionen ab Wald- und Almeigentum eingerückt wären. (Eberhart Lang, Tiroler Agrarrecht II, 25; Lang, Die Teilwaldrechte in Tirol, 58 ff)

Das Erk VfSlg 18.446/2008 (Mieders-Erkenntnis 2008) setzt Eigentum der Ortsgemeinde im Zeitpunkt vor der Regulierung voraus; der VfGH brauchte sich mit den wahren Eigentumsverhältnissen im konkreten Fall nicht auseinander zu setzen, weil er nach dem unbestrittenen Sachverhalt davon ausgehen konnte und musste, dass das Regulierungsgebiet ursprünglich im Eigentum der Ortsgemeinde gestanden war und dass die Agrargemeinschaftsmitglieder daran öffentlich-rechtliche Nutzungsrechte ausgeübt hätten. Diese Prämissen hat der VfGH auch ausdrücklich offen gelegt. (dazu: Hauptstück TIROLKOLCHOSEN/Falsche Prämissen als Fundament)

Im Erk B 639/10 vom 10.12.2010 VfSlg 19.262/2010 hat der VfGH dazu klargestellt, dass im Zusammenhang mit der Entscheidung über den Restitutionsanspruch der Ortsgemeinde im Einzelfall die Eigentumsverhältnisse im Zeitpunkt der Regulierung von der Agrarbehörde mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu prüfen sind. (dazu: Hauptstück JUDIKATURLINIE/Unterlangkampfen-Erk)

Nachstehend werden die Eigentumsverhältnisse anhand der verschiedenen Tatbestände, die zur Entstehung agrargemeinschaftlicher Liegenschaften führen können – unter besonderer Berücksichtigung der Tiroler Eigentumsgeschichte – erörtert.

BEURTEILUNG GEMEINSCHAFTLICHEN EIGENTUMS

Ehrenzweig definierte die agrargemeinschaftlichen Grundstücke als „landwirtschaftliche Grundstücke, deren Nutzung den Besitzern gewisser behauster Grundstücke gemeinschaftlich für die Zwecke ihrer Einzelwirtschaften“ zustehe und führte dann weiter aus: „Solche Agrargemeinschaften sind zum Teil erst in neuerer Zeit bei der Servitutenablösung dadurch entstanden, dass man einer Gesamtheit von Berechtigten Abfindungsgrundstücke zur gemeinschaftlichen Nutzung abgetreten hat“ (Ehrenzweig, System² System I/1, 1951, 196) Weiters führte Ehrenzweig aus: „Die meisten [Agrargemeinschaften] sind aus den alten Allmenden hervorgegangen. Diese wurden ursprünglich von allen ansässigen Gemeindegenossen genutzt, sie bildeten das „Gemeindegut“ (§ 288 ABGB) der alten Realgemeinde, … Die Einführung der neueren Gemeindeverfassung veranlasste langwierige Streitigkeiten, … Es lag nahe, dass die neue politische Gemeinde, die als Nachfolgerin der Realgemeinde alle Gemeindelasten auf sich nahm, dafür aber auch das Eigentum am Gemeindegut beanspruchte. … Bei der Grundbuchsanlegung musste die Eigentumsfrage gelöst werden. Dies geschah nicht immer in klarer Weise und gab Anlass zu erbitterten Prozessen. In vielen Fällen wurden gem. den neuen Gemeindeordnungen die gemeinschaftlich benützte Liegenschaft als Eigentum der Gemeinde anerkannt … Anderenorts ist es dem geschlossenen Kreis der Nutzungsberechtigten … gelungen, der Gemeinde das Eigentum mit Erfolg streitig zu machen. Im Grundbuche wurde dann entweder Miteigentum als Realrecht oder Alleineigentum einer juristischen Person (Agrargenossenschaft) eingetragen.“ (Ehrenzweig, System² System I/1, 1951, 196)

So oder ähnlich lauten die Erklärungen für die Entstehung von agrargemeinschaftlichen Grundstücken: Kann ein Zusammenhang mit der Servitutenablösung hergestellt werden, sollen die „Agrargemeinschaften“ erst in „jüngerer Zeit“ entstanden sein; andernfalls wird eine Entstehung aus der „Allmende“ vorausgesetzt und es wird ein (noch) älteres Entstehungsdatum angenommen. Ungeachtet der Entstehungsgeschichte agrargemeinschaftlicher Liegenschaften sollen aber die modernen Ortsgemeinden das Eigentum daran „beansprucht“ haben. Bei der Grundbuchsanlegung hätte sich einmal die eine Seite durchgesetzt, einmal die andere. (Vgl etwa Klang in Klang ABGB II² Kommz § 361, 150 ff; Klang in Klang, ABGB II², 608 zur Servitutenablösung durch Übertragung von Ablösungsgrundstücken: „Gewöhnlich sollen Wald- und Weidegrund allen Berechtigten gemeinsam abgetreten werden. Dadurch entstehen Agrargemeinschaften“)

Offensichtlich kann ein solcher historischer Befund keinen Ansatzpunkt für eine verfassungskonforme Interpretation der agrarbehördlichen Regulierungsakte liefern und eine Analyse der wahren Rechtslage nicht ersetzen. Gesicherter Rechtsstandard ist nämlich, dass eine Grundbuchseintragung – und sei diese auch im Zuge der Grundbuchsanlegung vollzogen worden – für sich kein Eigentumsrecht konstituiert. „Dingliche Rechte an Liegenschaften entstehen zwar grundsätzlich durch die Eintragung im Grundbuch, aber nur dann, wenn ihnen ein gültiger Titel zu Grunde liegt. Das Grundbuchsanlegungsverfahren kann einen solchen Titel nicht ersetzen. Das Grundbuchsanlegungsgesetz betrifft nur die inneren Einrichtungen der neu anzulegenden Grundbücher; eine im Richtigstellungsverfahren unterlassene Anfechtung hat nur die formelle Rechtskraft einer bei Anlegung des Grundbuches erfolgten Eintragung zur Folge, kann aber den materiell Berechtigten nicht hindern, sein Recht im ordentlichen Rechtsweg geltend zu machen (E 13.Dezember 2001 98/07/0082; OGH 1. Dezember 1965, 2 Ob 407/65; E 14. Dezember 1995, 93/07/0178).“ VwGH 98/07/0082 vom 13.12.2001.

Gleiches gilt für andere grundbücherlich einverleibte Rechte. Wer sich im Zuge der Grundbuchsanlegung „durchgesetzt“ hatte, ist deshalb für die wahren Eigentumsverhältnisse ohne Relevanz. Die Grundbuchanlegungskommissionen waren gerade nicht mit dem Auftrag versehen, die Eigentumsverhältnisse rechtskräftig und unanfechtbar zu entscheiden. Die mögliche Fehlerhaftigkeit des Vollzugsvorganges im Zuge der Grundbuchanlegung ist vielmehr in Betracht zu ziehen und es bestanden und bestehen entsprechende Korrekturinstrumente. (Ausdrücklich in diesem Sinn VfGH B 639/10 vom 10.12.2010; ZB Löschungsklage gem §§ 61 ff GBG)

Überhaupt ist die Bedeutung der Grundbuchsanlegung vor dem Hintergrund zu relativieren, dass es heute Entscheidungen der Tiroler Agrarbehörden über die Eigentumsverhältnisse an den Gemeinschaftsliegenschaften aus dem Zeitraum von rund 100 Jahren zu beurteilen gilt. Das Tiroler Teilungs- und Regulierungsgesetz stammt vom 19.06.1909 LGBl 61/1909; die Ausführungsverordnung der Ministerien des Ackerbaues, des Inneren, der Justiz und der Finanzen dazu stammt vom 12. März 1910 LGBl 28/1910. Bereits mit Bescheid vom 23.12.1912 Zl 438/9 (damals: k.k. Lokalkommissariat für agrarische Operationen) wurde über die Eigentumsverhältnisse an der Liegenschaft in EZ 69 GB Mieming entschieden. Das Gemeinschaftsgebiet Seebenalpe in EZ 69 GB Mieming war und ist danach ein Eigentum der Agrargemeinschaft „Gemeinschaftsalpe Seeben“ und gerade nicht einer „Fraktion Untermieming“ wie von den Grundbuchanlegungsbeamten angenommen. Diese Entscheidung der Agrarbehörde I. Instanz vom 23.12.1912 wurde bestätigt von der Agrarbehörde II. Instanz, damals k.k. Landeskommission für agrarische Operationen, vom 21. Februar 1917 Zl 105/13aB; es handelt sich dabei um eine sog. „Kommission mit richterlichem Einschlag“, weil diese Kommission – neben den Agrarbeamten und Agrartechnikern auch mit drei Richtern besetzt war.

Offensichtlich hatte sich in den zeitlich nach (!) der Tiroler Grundbuchsanlegung durchgeführten Verfahren vor der Agrarbehörde – jedenfalls soweit die Agrarbehörde dabei das Eigentumsrecht zu Gunsten einer Agrargemeinschaft „festgestellt“ hatte – die Agrargemeinschaft mit einem rechtskräftig beurteilten Eigentumsanspruch durchgesetzt. Es entspracht der gesetzlichen Verpflichtung der Agrarbehörde im Regulierungsverfahren die Eigentumsverhältnisse am Regulierungsgebiet zu prüfen und das Eigentumsrecht zu Gunsten des wahren Berechtigten „festzustellen“ – §§ 34 Abs 4, 35 Abs 1 FlVfGG; §§ 38 Abs 1, 72 Abs 5 lit a, 73 lit c TFLG. Falsche Behördenentscheidungen unterlagen der Kontrolle im Instanzenzug – letztlich derjenigen durch den Verfassungsgerichtshof, später auch Verwaltungsgerichtshof) Eine inhaltlich eindeutige historische Agrarbehördenentscheidung entfaltet Rechtskraftwirkung vergleichbar einem Gerichtsurteil. (§ 14 Agrarverfahrensgesetz; VfGH 10.12.2010 B 639/10 ua Pkt II. A) 2.3.6.1 der Begründung; VfSlg 18.446/2008; VfSlg 17.779/2006; VwGH 8.7.2004 2003/07/0087; OGH 11.2.2003, 5 Ob 2/03/k; vgl auch Raschauer, Rechtskraft und agrarische Operation, aaO, 276: „Wenn die Agrarbehörde das Eigentum eines Rechtsträgers `feststellt´ und wenn diese Feststellung unangefochten bleibt, dann ist dieser Rechtsträger Eigentümer im Rechtssinn.“)

Entsprechend einer eindeutigen Rechtslage wurde im Zuge der Grundbuchanlegung gerade nicht mit konstitutiver Wirkung über Eigentum und dingliche Rechte entschieden. Der mit Ablauf der „Ediktalfristen“ veröffentlichte „Buchstand“ begründete lediglich eine Rechtsvermutung; dagegen konnte jeder besser Berechtigte jederzeit mit Vindikationsklage oder mit Klage aus dem beschränkten dinglichen Recht vorgehen. Der historische Grundbuchstand rechtfertigt für sich alleine gerade bei Gemeinschaftsliegenschaften wegen der bekannten Verständnismängel der beteiligten Verkehrskreise noch kein Urteil über die wahren historischen Eigentumsverhältnisse. (dazu Hauptstück GRUNDBUCH/Gemeinschaftsliegenschaften und das Grundbuch)

SERVITUTENABLÖSUNG ALS EIGENTUMSTITEL

Die Servitutenablösung ist – vereinfacht gesprochen – ein Tauschgeschäft: Nutzungsrechte auf fremdem Grund und Boden werden eingetauscht gegen eine Abfindungsliegenschaft – regelmäßig ein Teilstück aus der Liegenschaft, die nutzungsbelastet war. Alternativ kann die Aufgabe der Nutzungsrechte auch im Tausch mit einer anderen Sache erfolgen oder gegen Geldablöse.

Der Tatbestand der Servitutenablösung ist als Entstehungsgrund für agrargemeinschaftliche Grundstücke allgemein anerkannt. (Vgl Ehrenzweig, System I/2 Sachenrecht (1923), 388; ders, System I/1 (1925), 183; Klang in Klang, ABGB II², 608; Hoegel, Aus der Grundbuchspraxis, JBl 1885, 592; Reich, Die Alpengenossenschaften und das neue Grundbuch, Österreichische Zeitschrift für Notariat und freiwillige Gerichtsbarkeit, 1886, 141 ff; 155 ff uam; vgl auch VfSlg 9336/1982 Pkt III Z 1 Abs 2 der Begründung, wo klargestellt wird, dass aus Servitutenablösung entstandenen Gesellschaften der Nutzungsberechtigten im Bodenreformrecht behandelt würden; dies (auch) unter der Bezeichnung „Gemeinde“. Dieser Auffassung ist der Verwaltungsgerichtshof beigetreten (VwGH VwSlg 18171 A/2011 vom 30.6.2011 Zl 2010/07/0091, 6.3.2), wenn dieser ausführt: Der Verfassungsgerichtshof wies im Erkenntnis VfSlg 9336/1983 darauf hin, dass es im Flurverfassungsrecht die Erscheinung gebe, dass eine „Gemeinde“ die Bezeichnung für die Summe der nutzungsberechtigten Eigentümer sei. Dies gelte insbesondere dann, wenn Grundstücke in Ausführung der Gesetze über die Regulierung und Ablösung der Servituten einer Gemeinde (Ortschaft) oder einer Gesamtheit von Berechtigten zu gemeinsamer Benutzung und gemeinsamem Besitz abgetreten worden sind. In diesen Fällen erfasse der Begriff „Gemeinde“ eine juristische Person, die sich aus Nutzungsberechtigten zusammensetze. Gleiches gilt für die Fälle von Grundstücken gem § 15 Abs. 1 lit. b Flurverfassungs-Grundsatz-Gesetz 1951. „Gemeinde“ bedeutet in dieser Gesetzesbestimmung eine Gemeinschaftsorganisation der Nutzungsberechtigten.)

Dies hat auch einen deutlichen Niederschlag in den Flurverfassungsgesetzen gefunden (§ 15 Abs 2 lit c FlVfGG 1951; § 33 Abs 2 lit b TFLG 1996). Das Wesen des Servitutenablösungsaktes ist als synallagmatischer Rechtsakt juristisch klar fassbar: Die Eigentümer der servitutsberechtigten Liegenschaften verzichten Zug um Zug gegen Einräumung von Eigentum an einem Ablösegrundstück auf ihr Servitutsrecht. Der Verzicht auf die Nutzungsrechte ist veranlasst und bedingt durch die angebotene Gegenleistung, das Eigentum am Abfindungsgrundstück. Mehrere ursprünglich an einer größeren Liegenschaft Servitutsberechtigte rücken als Eigentümer des Abfindungsgrundstückes sozusagen zusammen; durch bessere Bewirtschaftung der nun eigentümlichen Liegenschaft kann die Nutzung auf eine verkleinerte Fläche beschränkt werden. Der Gedanke der Ertragssteigerung durch Privatisierung ist ein wesentlicher Aspekt der Servitutenablösung (Zu diesem Aspekt der Tiroler Forstregulierung 1847: RS, Die Forstservituten-Ablösung in Tirol, in: Vierteljahresschrift für Forstwesen (1851), 387f). Hinzu kommt, dass durch die Schaffung klarer Verhältnisse – hier nutzungsfrei gestelltes Eigentum des Landesfürsten zur planmäßigen Bewirtschaftung durch die fürstliche Forstverwaltung, dort Gemeinschaftseigentum der Stammliegenschaftsbesitzer – der Anlass für unzählige Eigentumsstreitigkeiten entfallen war. Es versteht sich von selbst, dass die Ablöseliegenschaft Eigentum der ursprünglich bloß Servitutsberechtigten wird. Servitutenablösung ist ein Eigentumstitel.

Die Rechtsnatur der„Ablöseliegenschaft“

Unproblematisch ist die Situation, wenn aus Servitutenablösung Einzeleigentum entsteht. Der ehemals Servitutsberechtigte nutzt ab dem Übergang des Eigentums (Titulus und Modus) die eigene Sache. An die Stelle des beschränkten Rechts an einer größeren Liegenschaft ist das umfassende Recht an einer kleineren Liegenschaft getreten. Schon das erste Reichsgesetz zur Servitutenablösung, das Servitutenregulierungspatent 1853 (Kaiserliches Patent vom 5. Juli 1853, RGBl 130/1853), ging jedoch vom Grundsatz aus, dass mehrere Servitutsberechtigte an einer Liegenschaft (bzw einem Liegenschaftskomplex) gemeinschaftlich abgefunden werden sollten. (§ 31 Servitutenregulierungspatentes 1853; Klang in Klang, ABGB II², 608. Hinter diesem Rechtsprinzip stehen Nachhaltigkeitsüberlegungen im Hinblick auf die Vermögenserhaltung und handfeste forstwirtschaftliche Überlegungen: vgl Franz Joseph Schopf, aaO, Anleitung zur praktischen Durchführung der Ablösung und Regulierung der Forst-, Weide- und Feldservituten, 58 ff: „Die Ablösung mittels Abtretung von Grund und Boden“)

Zusätzlich war die „in Grund und Boden ausgemittelte Ablösung“ sowie die Nutzung daran als „Zugehör des bezugsberechtigten Gutes“ definiert (§ 32 Servitutenregulierungspatentes 1853). Dazu entstand in der Folge eine umfangreiche Diskussion in der Zivilrechtsliteratur des ausgehenden 19. Jahrhunderts, deren Gegenstand die Rechtsnatur dieses gemeinschaftlichen Eigentums und die Rechtsnatur der Nutzungsrechte des Einzelnen war. InÖsterreich wurde diese Diskussion durch die Grundbuchsanlegung angespornt, welche es erforderlich machte, die Rechtsverhältnisse an solchen Liegenschaften dem Typenzwang des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches zu unterwerfen. (Paris, Die Gemeinschaften (Gemeinden – Nachbarschaften) und die Anlegung der neuen Grundbücher, Zeitschrift für Notariat und freiwillige Gerichtsbarkeit, 1875, 49 f; Stampfl, Ein Beitrag zur Frage über die Gemeinschaften (Gemeinden-Nachbarschaften) und die Anlegung der neuen Grundbücher, Zeitschrift für Notariat und freiwillige Gerichtsbarkeit, 1875, 97 f; Hoegel, Aus der Grundbuchspraxis, JBl 1885, 391 ff; Reich, Die Alpengenossenschaften und das neue Grundbuch, Zeitschrift für Notariat und freiwillige Gerichtsbarkeit, 1886, 141 ff, 147 ff, 155 ff; Lackenbacher, Über die Rechtsverhältnisse an den für abgelöste Servituten an eine Gesamtheit von Berechtigten abgetretenen Grundstücken, JBl 1886, Nr 29; Dr. S, Über die Realgenossenschaften in Österreich, Zeitschrift für Notariat und freiwillige Gerichtsbarkeit, 1886, Nr 46 – Nr 51; Pitreich, Miteigentum als Realrecht, Allgemeine österreichische Gerichts-Zeitung, 1887, 393 ff, 403 ff, 409 f; Snetiwy, Über den Tabularverkehr bei sogenannten „Nachbarschafts-„ oder „Ortschaftsrealitäten“, Allgemeine österreichische Gerichtszeitung, 1892, 321 f; Amschl, Über die grundbücherliche Behandlung von Wald- und Alpengenossenschaften, Allgemeine österreichische Gerichts-Zeitung, 1893, Nr 7; Pfersche, Die rechtliche Behandlung der bestehenden Agrargemeinschaften, Allgemeine österreichische Gerichts-Zeitung, 1894, 129 ff; Stefan v. Falser, Wald und Weide im Tirolischen Grundbuche (Innsbruck, 1896); Wallner, Wald-, Weide- und Alpengenossenschaften, Allgemeine österreichische Gerichts-Zeitung, 1912, 269 ff. Eine hervorragende Zusammenfassung dieser literarischen Diskussion findet sich bei Hugelmann, Die Theorie der „Agrargemeinschaften“ im österreichischen bürgerlichen Recht, Zeitschrift für Notariat und freiwillige Gerichtsbarkeit in Österreich, 1916, 126ff; 134ff, 144ff, 153f, 159f)

Die jüngere Zivilrechtsliteratur stellte zur Rechtsnatur des aus gemeinschaftlicher Servitutenablösung entstandenen Sachverhaltes fest, dass solcherart „Agrargemeinschaften“ entstanden seien – eine Aussage, die aufgrund des TRRG 1883 und der historischen Ausführungsgesetze dazu sowie aufgrund des modernen Flurverfassungsrechts naheliegend ist. (Vgl Ehrenzweig, System I/2 Sachenrecht (1923), 388; ders, System I/1 (1925), 183: „Es gibt landwirtschaftliche Grundstücke, deren Nutzung den Besitzern gewisser behauster Grundstücke gemeinschaftlich für die Zwecke ihrer Einzelwirtschaften zusteht. Solche Agrargemeinschaften sind zum Teil erst in neuerer Zeit bei der Servitutenablösung dadurch entstanden, dass man einer Gesamtheit von Berechtigten Abfindungsgrundstücke zur gemeinschaftlichen Nutzung abgetreten hat.“ Klang in Klang, ABGB II², 608: „Gewöhnlich sollen Wald- und Weidegrund allen Berechtigten gemeinsam abgetreten werden. Dadurchentstehen Agrargemeinschaften.“ In diesem Sinn schon Hoegel, Aus der Grundbuchspraxis, JBl 1885, 592, oder Reich, Die Alpengenossenschaften und das neue Grundbuch, Österreichische Zeitschrift für Notariat und freiwillige Gerichtsbarkeit, 1886, 141 ff; 155 ff uam. Treffend hebt der VfSlg 9336/1982 Pkt III Z 1 Abs 2 des Erwägungsteiles, hervor, dass solche aus Servitutenablösung entstandenen Gesellschaften der Nutzungsberechtigten unter der Bezeichnung „die Gemeinde“ im Bodenreformrecht Berücksichtigung gefunden hätten

Einen einheitlichen Namen zur Bezeichnung eines Phänomens zu finden, ist das eine; die Zuordnung dieser Rechtsfigur im Rahmen des geschlossenen Kreises der Sachenrechte („Typenzwang im Sachenrecht“) ist das andere. Nicht gerade erleichtert wird die rechtliche Analyse dadurch, dass das Servitutenregulierungspatent 1853 (RGBl 130/1853) nur eine der möglichen Rechtsgrundlagen darstellte, anhand derer „Ablösungsoperationen“ ausgeführt wurden. Dem „Servitutenpatent 1853“ gingen in einzelnen Kronländern ältere Gesetze „nach Landesrecht“ voraus. So berichtet Schiff von Servitutenablösungsmaßnahmen im Erzbistum Salzburg schon ab dem 16. Jhdt (Walter Schiff, Österreichs Agrarpolitik seit der Grundentlastung (1898), 50), in den Jahren 1845 bis 1851 wirkte in der Steiermark eine „Forstregulierungskommission“, welche die Forstservituten zum Teil durch Abtretung von Grund und Boden ablöste (Walter Schiff, Österreichs Agrarpolitik seit der Grundentlastung (1898), 51; Peitler, Zur neuen Forst-Regulirung im Herzogthume Salzburg, 1861). In Tirol wurde mit a.h. Entschließung vom 6.2.1847, Provinzialgesetzsammlung für Tirol und Vorarlberg für das Jahr 1847/XXXVI, 253ff,eine „Kommission zur Ablösung der Servituten in den vorbehaltenen Staatswäldern“ eingesetzt, die im heutigen Nordtirol zahlreiche Ablösungsakte auf privatrechtlicher Grundlage erwirkte. Dazu: Gerald Kohl, Die Forstservitutenablösung im Rahmen der Tiroler Forstregulierung 1847, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler, Die Agrargemeinschaften in Tirol (2010), 105 ff; RS, Die Forstservituten-Ablösung in Tirol, in: Vierteljahresschrift für Forstwesen (1851), 386 ff) Am 6.7.1848 folgte eine vergleichbare Regelung zur Servitutenablösung in Salzburg (Peitler, Zur neuen Forst-Regulierung im Herzogthume Salzburg (1861); Ammerer, Vom Feudalverband zum Reichsnährstand, in: Ammerer/Lemberger/Oberrauch, Vom Feudalverband zur Landwirtschaftskammer (1992) 86 ff).

Schließlich konnte eine Ablösevereinbarung, dh die Aufhebung der Servituten im Abtausch gegen Eigentum an einem Teil der belasteten Liegenschaft, auch ohne spezielle Rechtsgrundlage allein auf privatautonomer Basis vollzogen werden. (Vgl etwa das Erk des Obersten Agrarsenates 139-OAS/1965 vom 6.2.1965, welches einen zwischen dem k.k. Aerar und den Stammliegenschaftsbesitzern von Klösterle/Vlbg im Jahr 1832 vollzogenen Ablösungsakt zum Gegenstand hat (dazu Öhlinger, Gemeindegut, aaO, 252) Für den Vorarlberger Raum scheint diese auf Einzelakte im allgemeinen Privatrecht gegründete Variante der Servitutenablösung in der ersten Hälfte des 19. Jhdts größere Bedeutung zu haben (Vgl Kühne, Zu Agrargemeinschaften in Vorarlberg, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler/Raber, Die Agrargemeinschaften in Westösterreich, 355ff). „Servitutenoperationen“, aus denen Agrargemeinschaften hervorgegangen sind, können deshalb ohne weiteres auch aus der Zeit vor dem Servitutenregulierungspatent 1853 datieren und auf gänzlich anderer Rechtsgrundlage gründen. Dies ist zu berücksichtigen, wenn man in einem konkreten Fall die Rechtsgrundlagen zur Entstehung einer agrarischen Liegenschaft zu prüfen hat.

Welche Rechtsnatur hat nun diese „Gesamtheit von Berechtigten“ (§ 31 Abs 1 Servitutenregulierungspatent 1853; vgl die Formulierung in Art 6 Tiroler Forstregulierungspatent 1847: die „bisher zum Holzbezuge berechtigten Gemeinden als solche“) auf die das Eigentum an einer Ablöseliegenschaften übertragen worden ist? Die Erklärung der Agrarjuristen, wonach die Gesamtheit der Nutzungsberechtigten und die genutzte Liegenschaft heute ex lege eine Agrargemeinschaft bilden würden, welche durch Regulierung und Satzungsverleihung körperschaftlich eingerichtet werden könne, hilft hier nicht weiter. Die Zivilrechtswissenschaft muss auch eine Erklärung dieses Phänomens für jenen Zeitraum bieten, welcher dem modernen Agrarrecht vorangegangen ist; darüber hinaus erscheint es jedenfalls diskussionswürdig, wenn die nicht regulierte Agrargemeinschaft ebenfalls als Körperschaft nach öffentlichem Recht erfasst würde. (So jedoch Gschnitzer, Österreichischen Sachenrecht, 2. Aufl, bearbeitet von Faistenberger ua, 74; die Unterstellung einer Körperschaft öffentlichen Rechts ohne einen konstituierenden, behördlichen Rechtsakt, erscheint aus grundsätzlichen Erwägungen bedenklich. Zweifel an der Rechtsnatur der nicht regulierten Agrargemeinschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts klingen jedenfalls auch bei Raschauer, Rechtskraft und agrarische Operation, aaO, 267, an) Raschauer stellt dies jedenfalls für die Rechtslage gem TFLG 1935 in Frage. Noch viel mehr gilt dies für die Rechtslage nach TRLG 1909 und selbstverständlich für den Zeitraum vor dessen Inkrafttreten. (Raschauer, Rechtskraft und agrarische Operation, aaO, 267f)

Die Eigentümerin der Ablöseliegenschaft ist „Gemeinde nbR“

Weitgehende Einhelligkeit besteht in Literatur und Judikatur darüber, dass die Rechtsverhältnisse in der nicht regulierten Agrargemeinschaft nicht mit denjenigen des „gewöhnlichen“ Quoten-Miteigentums erfasst werden könnten. (Beispielsweise Klang in Klang ABGB², Kommentar zu § 361 ABGB; aus der Judikatur: OGH 1 Ob 196/51; EvBl 1956/65; SZ 48/62; SZ 24/98; ZBl 36, 75; GlUNF 5212; GlUNF 5085; GlUNF 3201; GlUNF 2200; GlUNF 1201; GlU 15534; GlU 14636; GlU 13574; GlU 13347; GlU 11886; GlU 11028; aA GlU 13449; GlU 11886; GlU 3261) In Anbetracht der pandektistischen Reduktion der Vielfalt historischer Miteigentumsformen auf das Quotenmiteigentum steht jedoch in unseren Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch ein anderes Sachenrecht zur Erfassung von gemeinschaftlichem Eigentum nicht zur Verfügung („sachenrechtlicher Typenzwang“). In der Literatur finden sich dementsprechend die widersprüchlichsten Versuche, die aus Servitutenregulierung entstandenen Rechtsverhältnisse zu erklären. Eine „Gesamtübersicht“ zum Stand 1916 samt tiefschürfender Kritik findet sich bei Hugelmann, Die Theorie der „Agrargemeinschaften“ im österreichischen bürgerlichen Recht, Zeitschrift für Notariat und freiwillige Gerichtsbarkeit in Österreich, 1916, 126ff; 134ff, 144ff, 153f, 159f.

Hugelmann beanstandet zu Recht, dass diese Bemühungen darauf verzichten, die größeren Zusammenhänge des Dt. Privatrechts fruchtbar zu machen. Das (historische) Dt. Privatrecht hat nämlich die private Gemeinschaft der Nachbarn seit jeher als rechtsfähige Gemeinschaft anerkannt. (Hugelmann, Die Theorie der „Agrargemeinschaften“, aaO, 153 f. Als lobende Ausnahme hebt Hugelmann zu Recht die Abhandlung des Anonymus „Dr. S.“ hervor: Über die Realgenossenschaften in Österreich, Zeitschrift für Notariat und freiwillige Gerichtsbarkeit, 1886, Nr 46 – Nr 51, eine wohl dem Umfeld von Otto Gierke zuzuordnende Abhandlung von bemerkenswerter Breite und Tiefe; Hugelmann zustimmend: OGH vom 24. Juni 1936 3 Ob 347/35 (Dilisuna Alpinteressentschaft). Vgl auch: Otto Gierke, Dt. Privatrecht Bd I, Allgemeiner Teil und Personenrecht (1895), 576 ff § 71: „Die alte Markgemeinde“ mit zahlreichen weiteren Nachweisen)

Der Tiroler Rechtsraum bildete diesbezüglich keine Ausnahme. Das Tirolische Gubernium hat mit einem „Gutachten“ aus der 2. Hälfte des 18. Jhdts sogar eine „klassische“ Definition der „nachbarschaftlichen Gemeinde“ überliefert, welche im Wesentlichen alle Tatbestandselemente einer „Gemeinde nach bürgerlichem Recht“ enthält. („In Tyroll wird unter der Benambsung Gemeinde eine gewisse, bald größere bald kleinere Anzahl beysammen liegender oder auch einzeln zerstreuter Häuser verstanden, die gewisse Nutzbarkeiten an Weyden, Waldungen und beurbarten Gründen gemeinschaftlich und mit Ausschluß anderer Gemeinden genießen, einen gemeinschaftlichen Beutel oder Cassa führen und also gewisse gemeinschaftliche Schuldigkeiten haben z.B. eine bestimmte Strecke eines Wildbaches oder Stromes zu verarchen.“ (TLA, Gutachten an Hof 1784, Bd 2, Fol 249 – zitiert nach Beimrohr, Die ländliche Gemeinde in Tirol, Tiroler Heimat 2008, 162) Zur Dogmatik der „Gemeinde nbR“: Ogris/Oberhofer, Das Privateigentum an den Tiroler Forsten zum Ende des Vormärz, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler (Hg), Die Agrargemeinschaften in Tirol, 156 ff.)

Es ist auch keinesfalls davon auszugehen ist, dass das ABGB eine derart bedeutsame Anzahl von „Rechtserscheinungen“ gänzlich ungeregelt ließ. Mit den Regelungen betreffend die „moralische Person“ (§§ 26 f ABGB) haben diese „Rechtsverhältnisse“ vielmehr auch im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch 1811 Anerkennung gefunden (Vgl schon: OGH vom 24. Juni 1936 3 Ob 347/35 (Dilisuna Alpinteressentschaft); OGH 11.4.1951 1 Ob 196/51; ORK 2.4.1955, EvBl 1956/65).

In der Tat gibt die Kommentierung Zeillers zu § 27 ABGB wertvolle Aufschlüsse darüber, was sich der historische Gesetzgeber unter der in §§ 26f ABGB definierten moralischen Person „Gemeinde“ vorgestellt hat. „Die unter öffentlicher Autorität zu gemeinnützigen Zwecken verbundenen Gemeinden, wie die[jenigen] der Städte, Märkte, Dörfer, oder der geistlichen Gemeinden, haben ihre besondere, durch politische Gesetze und Statuten bestimmte Verfassung, sie stehen, weil die einzelnen Glieder ihre in dem Gemeindevermögen begriffenen Rechte nicht verwahren können, unter einem besondern Schutze des Staates, sind in der Verwaltung ihres Vermögens eingeschränkt und genießen besondere (auf Sachen) angewandte Personen-Rechte.“ (Franz von Zeiller, Commentar über das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch I, Wien-Triest 1812, Anm zu § 27 ABGB)

Zeiller setzte also offensichtlich diverse verschiedene „Gemeinden“ voraus. Mit der moralischen Person in der Ausprägungsform der „Gemeinde gem § 27 ABGB“ anerkennt unser Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch – in Fortentwicklung der ausufernden Bestimmungen des Codex Theresianus zum Eigentum der „Gemeinden“ – Rechtsverhältnisse wie die unregulierten Agrargemeinschaften: Zeiller setzte in seiner Kommentierung zu § 27 ABGB die (historische) Existenz der „Gemeinde nach bürgerlichem Recht“ nach den jeweiligen „Landesverfassungen und politischen Gesetzen“ voraus. (Harras v Harrasovsky, Der Codex Theresianus und seine Umarbeitungen, Zweiter Teil (Sachenrecht), Caput I, § V n 126 – n 155; dazu Paff, Der Codex Theresianus und seine Umarbeitung, JBl 1884, 185 f. Der Standard an dogmatischer Entwicklung des Rechts der „Gemeinde nach bürgerlichem Recht“ im C.TH. kann an der „Kernstelle“ dazu gut nachvollzogen werden: „Alle anderen zu den Gemeinden gehörige Sachen sind in ihrem Eigentum, welche in dieser Absicht als sittliche Personen betrachtet und hierunter die Gemeinden der Städten, Märkten und anderen Ortschaften wie auch alle und jede weltliche Versammlung mehrerer in größerer oder kleinerer Anzahl bestehender Personen, welche rechtmäßig errichtet und von Uns bestätigt sind, verstanden werden, also, dass wenigstens drei Personen eine Gemeinde oder Versammlung ausmachen können.“ (Harras v Harrasovsky, Der Codex Theresianus und seine Umarbeitungen, II, S 26, Zweiter Teil, Caput I § V n 133). Vgl dazu § 18 II. 7 des Allgemeinen Landrechts für die preußischen Staaten (ALR) aus dem Jahr 1794. Diese Bestimmung definiert eine „Dorfgemeinde“ wie folgt: „Die Besitzer der in einem Dorfe oder in dessen Feldmark gelegenen bäuerlichen Grundstücke machen zusammen die Dorfgemeinde aus“. Vgl auch den Verweis Zeillers auf die jeweiligen „Landesverfassungen und politischen Gesetze“ in der Kommentierung zu § 288 ABGB: Zeiller, aaO, Anm zu § 288 ABGB. Zu den Verweisungen allgemein: Brauneder, Geschlossenheit der Kodifikation? Die Verweisungen im ABGB, in: Caroni / Dezza (Hrsg), L’ABGB e la codificazione asburgica in Italia e in Europa, Padua 2006, 1ff; zur „Dogmatik der Gemeinde nbR“: Ogris/Oberhofer, Das Privateigentum an den Tiroler Forsten, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler (Hrsg), Die Agrargemeinschaften in Tirol, 156 ff)

Diese moralische Person, „Gemeinde nach bürgerlichem Recht“, anerkannt in der Stammfassung des AGBG von 1811, darf nicht mit der modernen politischen Ortsgemeinde verwechselt werden. Vielmehr ist sie weitgehend mit derjenigen Erscheinung zu identifizieren, die Otto Gierke als „Realgenossenschaft“ beschrieb oder mit dem Rechtsgebilde, welches das „Allgemeine Landrecht für die preußischen Staaten“ aus dem Jahr 1794 (ALR 1794) mit dem Rechtsbegriff „Dorfgemeinde“ zu erfassen versuchte. („Die Frage nach dem „Gemeindebegriff des ABGB“ ist schon seit vielen Jahren gründlich untersucht: `Unter dem Begriff Gemeinde versteht das ABGB keineswegs die politische Ortsgemeinde oder ein ähnliches territoriales Gebilde´, sondern es `gilt (…) als Gemeinde eine Moralische Person, die als Gemeinschaft, Körper aus Mitgliedern (§§ 337, 1482), Gliedern (§§ 539, 867) besteht, durch Stellvertreter handelt (§ 867), über ein eigenes Gemeindevermögen bzw. über Gemeindegüter verfügen kann (§ 290) und von weltlichen und (=oder) geistlichen Vorsteher(n) (§ 189) geleitet wird.´ Demnach kennzeichnet der Begriff `Gemeinde´ also jede organisierte Personenmehrheit, insbesondere auf gesetzlicher Grundlage.“Gerald Kohl, Die Forstservitutenablösung, aaO, 123 unter Berufung auf Brauneder, Von der moralischen Person des ABGB zur Juristischen Person der Privatrechtswissenschaft, in: Wilhelm Brauneder, Studien II: Entwicklung des Privatrechts, Frankfurt/Main 1994, 159ff, Zitat 165; zur Entwicklungsgeschichte dieser Regelung: Schnitzer, Die juristische Person in der Kodifikationsgeschichte des ABGB, in FS Walter Wilburg I (1965) 143 ff; grundlegend: Dr. S, Über Realgenossenschaften in Österreich, Zeitschrift für Notariat und freiwillige Gerichtsbarkeit, 1886, 310 f, 315ff. § 18 II. 7 des Allgemeinen Landrechts für die preußischen Staaten (ALR) aus dem Jahr 1794 definiert die „Dorfgemeinde“ wie folgt: „Die Besitzer der in einem Dorfe oder in dessen Feldmark gelegenen bäuerlichen Grundstücke machen zusammen die Dorfgemeinde aus“.)

Der Rechtsbegriff „Gemeinde nbR“ ist freilich umfassender, weil der Begriff der „Realgenossenschaft“ als Zusammenschluss der durch das Eigentum an bestimmten Realitäten definierten natürlichen Personen nicht die ganze Vielfalt der möglichen Rechtsverhältnisse erfassen kann; sinngemäß gleiches gilt für den Rechtsbegriff der „Dorfgemeinde“ gem ALR 1794. Beide Begriffe erweisen sich als zu eng. Zum einen, weil in manchen Rechtsräumen die Mitberechtigung nicht am Stammsitz klebt, sondern kraft allgemeinem Erbrecht geregelt ist, zum anderen, weil sich zahllose Liegenschaften finden, welche nicht einer durch die „Dorfmark“ abgegrenzten Gruppe von Liegenschaftseigentümern zugeordnet werden können. Die natürlichen Gegebenheiten haben gemeinschaftliche Bewirtschaftungsverhältnisse von Personengruppen hervorgebracht, deren Zusammensetzung sich gerade nicht an den Gemeindegrenzen orientierte. Insofern erweist sich die Definition des Begriffs der historischen „Gemeinde nach bürgerlichem Recht“, der aus einer Bestimmung des Codex Theresianus zum Eigentum der Gemeinde „extrahiert“ werden kann, noch am brauchbarsten: Danach gilt, „dass wenigstens drei Personen eine Gemeinde ausmachen können“ (C.TH., Zweiter Teil, Caput I § V n 133).

Richtiger Weise ist jedenfalls auch die aus Servitutenablösung entstandene, unregulierte Agrargemeinschaft als moralische Person gem §§ 26f ABGB aufzufassen. (Ausdrücklich in diesem Sinn: Gerald Kohl, Die Forstservitutenablösung, aaO, 121 ff, zum Gemeindebegriff des Tiroler Forstregulierungspatents 1847, sohin zu einem Rechtsträger, dem nach einem der oben erwähnten Vorläufergesetze des Servitutenregulierungspatents 1853 das Eigentum an der jeweiligen Ablösungsliegenschaft zugeordnet wurde. Zur „Gemeinde als moralische Person nach bürgerlichem Recht“ ausführlich: Ogris/Oberhofer, Das Privateigentum an den Tiroler Forsten zum Ende des Vormärz, in Kohl/Oberhofer/Pernthaler, Die Agrargemeinschaften in Tirol, 154 ff) Dies jedenfalls so lange, als diese Rechtsverhältnisse noch nicht als Körperschaft nach öffentlichem Recht durch das Flurverfassungsrecht erfasst wurden. Spätestens der gemeinschaftliche Erwerbsakt in Form des Servitutenablösungsvergleiches begründet die Rechtspersönlichkeit der moralischen Person. Solange das so erworbene (Gemeinschafts-)Vermögen existiert, bleibt auch die moralische Person bestehen.

Wohl in diesem Sinn ist es zu verstehen, wenn der OGH in der E vom 11.4.1951 1 Ob 196/51 die nicht regulierte Agrargemeinschaft ausdrücklich als juristische Person anerkannt hat. (OGH vom 11.4.1951 1 Ob 196/51 = SZ 24/98 = JBl 1952, 346; dies unter ausdrücklicher Ablehnung der gegenteiligen Ansicht von Klang in Klang, Anm zu § 361 ABGB; in diesem Sinn auch: OGH EvBl 1956/65, OGH vom 24. Juni 1936 3 Ob 347/35 – Dilisuna Alpinteressentschaft; Gschnitzer, Österreichischen Sachenrecht, 2. Aufl, bearbeitet von Faistenberger ua, 74; weitere Nachweise bei Aicher in: Rummel AGBG³ I Rz 11 zu § 26 ABGB) Dieser moralischen Person „Gemeinde nbR“ gem § 26 f ABGB ist das Eigentumsrecht an der Ablöseliegenschaft als Ergebnis der Servitutenoperation zuzuordnen; die Mitglieder nutzen das Eigentum der moralischen Person kraft ihres (privaten) Mitgliedschaftsrechts an derselben. Diese Rechtsverhältnisse waren bis zum Eingreifen des Flurverfassungsrechtes vorauszusetzen.

ALLMENDE ALS URSPRUNG DER AGRARGEMEINSCHAFT

Die Österreichische Zivilrechtslehre – soweit sie sich für die „exotische Einrichtung“ der Agrargemeinschaft überhaupt interessierte – führt die Entstehung von agrargemeinschaftlichen Grundstücken im Grundsätzlichen auf die „Allmende“ zurück, worunter die „altdeutsche und altslawische Gemeinschaft der Dorfgenossen“ an Wald und Weide verstanden wird. (OGH vom 11.4.1951 1 Ob 196/51 = SZ 24/98 = JBl 1952, 346; Klang in Klang, ABGB², Kommentar zu § 361 ABGB, II, 150 ff; Ehrenzweig, System I/1 (1925) § 79 III, 183 f; uam) Die Nutzungsrechte der Markgenossen galten danach als private Rechte, als Ausfluss des Mitgliedschaftsrechtes des Nachbarn, des einzelnen „Markgenossen“. Der Usus modernus pandektorum definierte konsequenter Weise das Nutzungsrecht des „Markgenossen“ als „servitutus iuris Germanici“, jene deutschrechtliche Erscheinung des beschränkten dinglichen Rechtes, für welches verschiedene Grundsätze des römisch rechtlich geprägten Servitutsrechtes, wie die Rechtssätze „nemini res sua servit“ und „servitus in faciendo consistere nequit“, nicht gelten sollten (Wesenberger, Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. Aufl (1985) 126f). Das Eigentum an der Allmende wurde den jeweiligen Markgenossen „als Gemeinschaft“ zugeordnet. Das agrargemeinschaftliche Grundstück soll die Rechtsverhältnisse fortsetzen, welche an den Allmendliegenschaften bestanden.

Dieser Versuch, die agrargemeinschaftlichen Rechtsverhältnisse direkt bei der mittelalterlichen Wirtschaftsform der Allmende anzuknüpfen, schlägt jedoch im Allgemeinen gründlich fehl. Die Rechtspositionen der „Markgenossenschaften“ („Gemeinden“, „Dorfgemeinden“, Nachbarschaften) an den Allmenden wurde nämlich – jedenfalls im hier interessierenden Rechtskreis – im Laufe der Jahrhunderte von grundherrschaftlichen bzw feudalen Rechtspositionen überlagert und letztlich verdrängt (Allgemein zu diesem Entwicklungsprozess: Peyrer, Die Regelung der Grundeigentums-Verhältnisse, Wien 1877, 17 f). So wie es der „Grundherrlichkeit“ schrittweise gelang, die Staatsgewalt an sich zu ziehen, so übernahmen die „Grund- und Gerichtsherrn“ unter Berufung auf die verschiedensten Rechtitel wie königliche Verleihung oder schlicht durch Gewalt und Missbrauch der Gerichtsherrlichkeit die Markgenossenschaftswaldungen entweder als Eigentum oder mit den Rechten eines Schutzherrn (Peyrer, Die Regelung der Grundeigentums-Verhältnisse, 18). Im Zuge dieses Prozesses wurden die Rechtspositionen der Markgenossen als Mitglieder der ehemaligen „Eigentumsträger“ (Markgenossenschaften, Gemeinden, Nachbarschaften usw) herabgedrückt auf Individualrechtspositionen in Form von Servituts- bzw Realrechten (Peyrer, Die Regelung der Grundeigentums-Verhältnisse, 18). Die „Feudalherren“ beanspruchten das Eigentum; eine gemeinschaftliche Rechtsposition der Nutzungsgemeinschaft, welche in Kollision mit diesem „feudalen Obereigentum“ gestanden hätte, wurde bestritten.

Ab welchem Zeitpunk in der Geschichte sich diese Rechtsposition der „Feudalherren“ gegen die lokalen Nutzungsgemeinschaften, die „nachbarschaftlichen Gemeinden“, durchgesetzt hat und ob überhaupt, ist für jeden historischen Rechtsraum gesondert zu beurteilen. Selbst eine bloß überblicksmäßige Beurteilung des ganzen Österreichischen Raumes stößt auf schwer vorstellbare Schwierigkeiten. (Wenn beispielsweise für das historische Tirol darauf verwiesen wird, dass bereits Heinrich III. im Jahr 1330 in dem von ihm „aufgerichteten“ Amtsbuche sämtliche Waldungen des Inn- und Wipptales als sein Eigentum erklärte (vgl R.S., Die Forstservituten-Ablösung in Tirol, in: Vierteljahresschrift für Forstwesen [1851] 377), so bezieht sich dies eben nur auf das heutige Nordtirol; gesondert zu beurteilen wäre jedenfalls der Herrschaftsraum der Bistümer Salzburg, Brixen und Trient sowie die sonstigen historischen Zuerwerbe des Tiroler Landesfürsten.) Nachstehend kann deshalb nur für das historische Kronland Tirol eine einigermaßen generalisierungsfähige Aussage getätigt werden.

Mit aller höchster Entschließung vom 6.2.1847 und den zu diesem Gesetz ergangenen Instruktionen definierte der historische Gesetzgeber „sämtliche Wälder Tirols mit Ausnahme weniger Landesteile“ als „Gegenstand landesfürstlichen Hoheitsrechtes“ (Tiroler Forstregulierungspatent, Provinzialgesetzsammlung für Tirol und Vorarlberg für das Jahr 1847/XXXVI, 253ff). Aus zwei zu diesem Gesetz erlassenen Instruktionen, einer vom 1. Mai 1847 und einer weiteren vom 17. Juni 1947 kann jedenfalls abgeleitet werden, dass dieses Hoheitsrecht für die Kreise Oberinntal einschließlich des Lechtals und den Kreis Unterinntal einschließlich des Wipptals, sohin für das gesamte heutige Nordtirol lückenlos in Anspruch genommen wurde. („Instruction für die Commission zur Ablösung der Servituten in den vorbehaltenen Staatswäldern Tirols“, 1. Mai 1847: TLA Innsbruck, Gub. Präsidium Zl 1709 in Zl 1146/1847; „Instruction für die Commission zur Purifizirung der Privat Eigenthums-Ansprüche auf Wälder in jenen Landestheilen oder Forstgebieten Tirols, in welchen das l.f. Forsthoheits-Recht vorbehalten bleibt“, 17. Juni 1847: AVA Wien, Hofkanzlei, IV G 11 Waldwesen Tirol, 21889/1847)

Gleichzeitig bestätigen diese Rechtsgrundlagen folgenden Befund im Allgemeinen: Die Rechtspositionen der „alten Markgenossenschaften“ bzw der aus diesen allenfalls hervorgegangenen „alten Agrargemeinden“ an den Allmendliegenschaften wurden auf Einzelrechtspositionen bestimmter Liegenschaftseigentümer „reduziert“. Das Eigentum stand dem Landesfürsten zu; die Stammliegenschaftsbesitzer waren am „landesfürstlichen Eigentum“ nutzungsberechtigt. Die „Instruction für die Commission zur Ablösung der Servituten in den vorbehaltenen Staatswäldern Tirols“ vom 1. Mai 1847 regelt im Detail welche Liegenschaftseigentümer unter den historischen Landeseinwohnern konkret welche Servitutsrechte an den als landesfürstlich definierten Wäldern in Anspruch zu nehmen berechtigt waren. Rechtspositionen der historischen Gemeinschaften (Markgenossenschaften, Gemeinden, Nachbarschaften usw) waren nach dieser Rechtsgrundlage nur als Ausnahmsfall vorgesehen.

„Agrargemeinden“ waren nicht Eigentümer

Es versteht sich demnach von selbst, dass jeder historische Rechtsraum gesondert zu beurteilen ist, weshalb sich diese Ausführungen weiterhin beispielhaft auf jenen Teil der ehemaligen Grafschaft Tirol beschränken, der heute das „Zentrum des Agrarstreites“ bildet, nämlich Nordtirol. Für Osttirol ergibt sich aufgrund mehrerer Umstände eine unterschiedliche Rechtslage, welche hier nicht weiter zu problematisieren ist. Zum historischen Hintergrund: Kohl, Die Forstservitutenablösung nach dem Tiroler Forstregulierungspatent 1847, aaO, 108 ff. Setzt man hier im Zeitpunkt des Inkrafttretens unseres heutigen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches an, so kann mit Sicherheit festgestellt werden, dass jede rechtliche Anknüpfung des agrargemeinschaftlichen Forsteigentums bei der mittelalterlichen Einrichtung der Allmendliegenschaften unweigerlich in die Irre führen würde. Aussagen zur Rechtsgrundlage der Agrargemeinschaften wie jene von Morscher, wonach die freien wie die unfreien Gemeinden ihre Allmende im allgemeinen derart nutzten, dass sie ihren Mitgliedern zugestanden, unter bestimmen, von der Gemeinde normierten Voraussetzungen Holz und Streu aus dem Wald zu beziehen, wobei sich diese Nutzungen nicht aus dem Privatrecht, sondern aus der Gemeindeangehörigkeit ergeben hätten (Morscher, Gemeinnutzungsrechte am Gemeindegut, ZfV 1982, 4), sind – jedenfalls für das heutige Nordtirol – schlicht unzutreffend. Nutzungsrechte kann nur einräumen, wer dispositionsbefugt ist. Nach der authentischen Interpretation der historischen Rechtslage durch den Gesetzgeber des Jahres 1847 konnte sich in Tirol niemand auf Waldeigentum berufen, soweit dieser Anspruch nicht durch eine (schriftliche) landesfürstliche Verleihung begründet war. So die Präambel und Art I. „Allerhöchster Entschließung“ vom 6. Februar 1847 betreffend die „Regulirung der Tiroler Forstangelegenheiten ProvGSTirVbg 1847/XXXVI, 253ff; auch in: TLA Innsbruck, Landesregierungsarchiv für Tirol, Gub 1847, Forst 9357. Die „freien wie unfreien Gemeinden“, die laut Morscher über die Nutzungsrechte verfügt haben sollen, haben deshalb kein Eigentum an der „Allmende“ besessen. Diese konnten deshalb an der „Allmende“ mangels Verfügungsbefugnis keine Nutzungsrechte für die Gemeindeglieder begründen.

Nach Tiroler Landesrecht hatten – wie bereits angesprochen – die Landesherren im Verlauf der Jahrhunderte das Eigentum an den Allmenden vollständig an sich gezogen. (Ein prägnanter Überblick zur diesbezüglichen Rechtsentwicklung findet sich bei R.S., Die Forstservituten-Ablösung in Tirol, in: Österreichische Vierteljahresschrift für Forstwesen 1851, 377 ff.) Auf der „Grundlage älterer Vorbilder hatte die Inn- und Wipptaler Waldordnung 1685, die noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts als geltendes Recht angesehen wurde (R.S., Die Forstservituten-Ablösung in Tirol, aaO, 377), eine Ersitzung von Forsteigentum ausgeschlossen. Diese Waldordnung erklärte alle Waldungen als Eigentum des Landesfürsten. Niemand durfte Forsteigentum behaupten, wenn er keinen vom Landesfürsten abgeleiteten Erwerbstitel vorweisen konnte. Sozusagen als Ausgleich für diesen `Eigentumsvorbehalt´ zugunsten des Landesfürsten bestätigten die Waldordnungen zu Gunsten der `landbautreibenden Untertanen´, konkret zugunsten des jeweiligen Besitzers von landwirtschaftlich genutztem Grund und Boden, das Recht der Einforstung in den aus Sicht des Gesetzes `landesfürstlichen Waldungen´ Nicht historische Nachbarschaften („Agrargemeinden“) bestimmten somit Umfang und Art der Nutzung „der Allmenden“, sondern das Landesrecht, streng genommen der Landesherr als „wahrer Eigentümer“ nach dem Buchstaben des Gesetzes. (Insofern bestätigt sich der generelle Befund Peyrers, Die Regelung der Grundeigentums-Verhältnisse, 18, wonach die Rechtspositionen der historischen Markgemeinschaften an den Allmenden im Zuge der Entwicklung des Feudalstaates beseitig wurden. Zurück blieben die an die Person oder – weit häufiger – an des berechtigte Gut gebundenen Waldservituten oder Realrechte) Mit der a.h. Entschließung vom 6.2.1847 (Tiroler Forstregulierungspatent) bestätigte der Gesetzgeber diese Rechtslage (Provinzialgesetzsammlung für Tirol und Vorarlberg für das Jahr 1847/XXXVI, 253ff (Forstregulierungspatent 1847 – FRP 1847). Unter einem wurden die nutzungsberechtigten Stammsitzliegenschaften (neu) definiert und die Art der Nutzungsrechte. Anhand genau definierter Tatbestände wurden auf gesonderter Rechtsgrundlage gewisse Ersitzungstatbestände anerkannt. In ganz Nordtirol blieb es beim „Regalitätsrecht“ des Landesfürsten als Grundsatz; die historischen Nutzungsgemeinschaften haben deshalb typischer Weise kein Forst-Eigentum besessen. (Instruction für die Commission zur Purifizirung der Privat Eigenthums-Ansprüche auf Wälder in jenen Landestheilen oder Forstgebieten Tirols, in welchen das l.f. Forsthoheits-Recht vorbehalten bleibt“, 17. Juni 1847: AVA Wien, Hofkanzlei, IV G 11 Waldwesen Tirol, 21889/1847; im Einzelnen siehe dazu: Ogris/Oberhofer, Das Privateigentum an den Tiroler Forsten, aaO, 164 f)

Nutzungsrechte Stammsitzeigentümer

Die Rechtsposition der „alten Markgenossenschaften“ („Gemeinden“) waren somit im Verlauf der Geschichte auf Einzelrechtspositionen bestimmter Liegenschaftseigentümer „reduziert“ worden. Diese Einzelrechtspositionen (Forstservituten) auf landesfürstlichen Waldungen sollten gem der aller höchsten Entschließung vom 6.2.1847 in Eigentum abgelöst werden (Art 1 – 5 Tiroler Forstregulierungspatent 1847).

Wer hatte nun solche abzulösende Berechtigungen in den (landesfürstlichen) Tiroler Wäldern besessen? Dies wurde im Wege einer „authentischen Interpretation“ des historischen Rechts in der „Instruktion für die „Commission zur Ablösung der Servituten in den vorbehaltenen Staatswäldern Tirols“ deutlich gemacht: Hinsichtlich der uns interessierenden „Beholzungsservitut“, die in der Folge großteils durch Eigentum an Grund und Boden abgelöst werden sollte, wurde insbesondere festgestellt, dass solche Servituten „nur den Bauern, das sind die Besitzer von Grund und Boden“ zustünden, nicht aber den Besitzern von Neubauten und in der Regel nicht den Gewerbetreibenden, schon gar nicht den „Inwohnern“ im Allgemeinen oder dem „Gesinde“. (Zu den Einzelheiten dieser überaus detaillierten Regelungen, welche auf wesentlich ältere Tiroler Landesordnungen zurückgehen: S Gerald Kohl, Die Forstservitutenablösung, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler, Die Agrargemeinschaften in Tirol, 2010, 118 f. Der bei Morscher, Gemeinnutzungsrechte am Gemeindegut, ZfV 1982, 4 vermittelte Eindruck eines rechtsfreien Raumes in den einzelnen Dörfern, in welchem sich ein „Kampf um diese Nutzungsrechte in erbitterter Weise“ zugespitzt hätte und zu einer „nackten politischen Machtfrage“ in den Dörfern geworden sei (Morscher, aaO, 5), ist deshalb in den Bereich der Fantasie zu verweisen. Schon im Jahr 1330 hatte der Tiroler Landesfürst „in dem von ihm aufgerichteten Amtsbuche“ das Eigentum an allen Waldungen des Inn- und Wipptales an sich gezogen; auf dieser Grundlage wurden die Nutzungsberechtigungen 1541 und 1685 in eigenen detailliert Waldordnungen geregelt (R.S. Die Forst-Servitutenablösung in Tirol, Österreichische Vierteljahresschrift für Forstwesen, 1851, 376 ff). Nichts anders ist für die übrigen Kronländer der Österreichischen Reichshälfte vorauszusetzen (F.J. Schopf, Die Forstverfassung, das Forstrecht und Forstpolizei in den Kronländern, Graz 1853)

Diese Gruppe der „Holzbezugsberechtigten“ wurde gemeinschaftlich durch Eigentum an Grund und Boden „als holzbezugsberechtigte Gemeinde“ abgefunden. „Bloße Inwohner, Liegenschaftsbesitzer ohne Feuerrecht sowie die Gutsbesitzer mit ausreichend Eigenwald“ wurden nicht Mitglied der „betreffenden Gemeinde“. (Kohl berichtet einen Rechtsfall, den eine Gruppe von Gewerbetreibenden aus den Gemeinden Ehrwald und Biberwier beim Ministerium anhängig gemacht hatten, weil sie bei der Ablösung der „holzbezugsberechtigten Gemeinde“ übergangen worden waren. Weil diesen das Recht der Einforstung nicht zustand, wurde beschieden, dass sich „diese Gewerbe … wie bisher auch künftig hin mit ihrem nötigen Holzmateriale … im rechtlichen Wege selbst zu versehen“ hätten – Kohl, aaO, 138.)

Die Ablöseflächen wurden der Gemeinschaft der zuvor bloß Nutzungsberechtigten als jeweils „berechtigte Gemeinde“ in das Eigentum übertragen. Hinsichtlich der zurückbehaltenen „landesfürstlichen Wälder“ stellte die Instruktion neuerlich die Unmöglichkeit zur Ersitzung von Privatrechten fest. (Gerald Kohl, Die Forstservitutenablösung, aaO, 120)

Insgesamt wurden im Zuge dieser Servitutenoperation auf Grundlage des Tiroler Forstregulierungspatents 1847 in Nordtirol ca 85.000 ha Waldfläche von den Holzbezugsberechtigten als servitutsfreies Staatseigentum anerkannt- Als Staatseigentum sind diese noch heute Teil der Bundesforste in Tirol, ca 200.000 ha wurden als Ablösefläche in das Privateigentum der ehemals „servitutsberechtigten Gemeinden“, also der jeweiligen Gemeinschaften der Holzbezugsberechtigten als solchen, übertragen. (Gerald Kohl, Die Forstservitutenablösung, aaO, 142 unter Berufung auf R.S. Die Forst-Servitutenablösung in Tirol, Österreichische Vierteljahresschrift für Forstwesen, 1851, 376 ff, der freilich einen „Zwischenstand“ aus der Sicht des Jahres 1850 darstellt, als von 283 für die Stammliegenschaftsbesitzer vorgeschlagenen Vergleichen insgesamt erst 240 definitiv vereinbart waren (R.S., aaO, 391).

Beendigung der „Allmendverhältnisse“

Dieser Überblick über die konkreten historischen Verhältnisse im heutigen Nordtirol zeigt, dass keineswegs ein direkter Weg von den „Allmenden“ zu den heutigen Agrargemeinschaften führte. Vielmehr hatte der Tiroler Landesfürst das Eigentumsrecht an den früheren Allmenden vollständig an sich gebracht, womit deren ursprünglicher Rechtscharakter, gekennzeichnet von gemeinschaftlichen Nutzungsrechten an gemeinschaftlicher Sache, schon früh – möglicher Weise bereits mit einem Rechtsakt des Jahres 1330 – ein Ende gefunden hatte. (R.S. Die Forst-Servitutenablösung in Tirol, Österreichische Vierteljahresschrift für Forstwesen, 1851, 376 ff: „Amtsbuch des Tiroler Landesfürsten“ von 1330)

Nachdem das Tiroler Landesrecht für Forste, Alpen und Auen bis zur grundlegenden Neugestaltung der Rechtslage durch das Tiroler Forstregulierungspatent 1847 eine Ersitzung an den als „landesfürstlich“ definierten Liegenschaften Nordtirols ausgeschlossen hatte, kann heutiges Waldeigentum in Nordtirol nur auf ausdrückliche landesfürstliche Verleihungsurkunde oder auf Rechtsakte in Vollziehung des Forstregulierungspatentes 1847 zurückgehen. Irgendwelche „Allmendverhältnisse“ begründen das heutige Waldeigentum nicht. Die historischen Markgenossenschaften als solche, die Agrar- bzw Realgemeinden, hatte vielmehr ihre Rechtspositionen an den Gemeinschaftsliegenschaften an den Landesherrn verloren.

Daraus erhellt, dass diffuse Theorien zur Entstehung der Gemeinschaftsliegenschaften, wonach sich die Gesamtheit der bäuerlichen Grundeigentümer als sog. Realgemeinde im Zuge der Schaffung der modernen Gemeindeverfassung unter Einschluss der sonstigen (zugezogenen) Gemeindebürger zur politischen Gemeinde „gewandelt“ hätte (Vgl Eccher, FS Barta, 213) – abgesehen von ihrer theoretischen Anfechtbarkeit – für die Erklärung des Phänomens der Agrargemeinschaften gänzlich ungeeignet sind. Auch die Behauptung, dass im Zuge der Grundbuchanlegung das Eigentum an agrargemeinschaftlichen Grundstücken teilweise als Miteigentum der Nutzungsberechtigten, teilweise als Gemeindegut der (politischen) Gemeinden einverleibt wurde (Vgl Eccher, ebendort), hilft nicht weiter. Abgesehen davon, dass die „Gesamtheit der bäuerlichen Grundeigentümer“ nicht einer rechtsgrundlosen „Verwandlung“ unterworfen war, folgt auch der Eigentumserwerb an agrargemeinschaftlichen Liegenschaften den klaren sachenrechtlichen Prinzipien: Auch in Tirol haben seit 1815 die Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches gegolten; auch in Tirol benötigt man für den Erwerb von Eigentum einen Eigentumstitel.

Auf diese Selbstverständlichkeit hinzuweisen sieht man sich deshalb veranlasst, weil Agrarjuristen allzu gerne mit Rechtssätzen operieren, welche sie aus der vermeintlichen Eigenständigkeit des Agrarrechts legitimiert erachten. Aus diesem Grund trifft man im Agrarrecht diametral widersprüchliche Aussagen zu Eigentumsverhältnissen, welche in den seltensten Fällen auf geltendes Recht gegründet werden; vgl Morscher, ZfV 1982, 5: „… wurde in Auslegung des § 63 des Patentes RGBl 1849/110, welcher den Übergang des Eigentums im Allgemeinen regelt […] auch angenommen, dass damit das Eigentum am Gemeindegut auf die neue Gemeinde übertragen wurde“ und im Gegensatz dazu Landesagrarsenat Tirol vom 5.8.1969 LAS-104/17 (Gemeindegut Trins, Regulierung) unter dem Vorsitz des späteren Richters am Verfassungsgerichtshof Andreas Saxer: „Da die Nutzung des Gemeindegutes rechtshistorisch gesehen aus der gemeinschaftlichen Allmendnutzung hervorgegangen ist, ist […] das Eigentum der Rechtsnachfolgerin der auf Gewohnheitsrecht beruhenden Realgemeinde, nämlich der körperschaftlich eingerichteten Agrargemeinschaft, einzuräumen.“

Die Einhaltung des erforderlichen Modus genügt für sich alleine nicht; ohne tauglichen Titel ist insbesondere die Intabulation im Zuge der Grundbuchsanlegung nicht geeignet, ein Eigentumsrecht zu begründen. Der nackte Tabularbesitzer hat dem wahren Berechtigten jederzeit zu weichen.

(„Dingliche Rechte an Liegenschaften entstehen zwar grundsätzlich durch die Eintragung im Grundbuch, aber nur dann, wenn ihnen ein gültiger Titel zu Grunde liegt. Das Grundbuchsanlegungsverfahren kann einen solchen Titel nicht ersetzen. Das Grundbuchsanlegungsgesetz betrifft nur die inneren Einrichtungen der neu anzulegenden Grundbücher; eine im Richtigstellungsverfahren unterlassene Anfechtung hat nur die formelle Rechtskraft einer bei Anlegung des Grundbuches erfolgten Eintragung zur Folge, kann aber den materiell Berechtigten nicht hindern, sein Recht im ordentlichen Rechtsweg geltend zu machen(E 13.Dezember 2001 98/07/0082; OGH 1. Dezember 1965, 2 Ob 407/65; E 14. Dezember 1995, 93/07/0178).“ VwGH, 98/07/0082 vom 13.12.2001)

LANDESFÜRSTLICHE EIGENTUMSVERLEIHUNG

Vom Phänomen der „Allmende“ zu trennen sind diejenigen Fälle, in denen Einzelpersonen oder ganzen Gruppen, eben Nachbarschaften bzw „Gemeinden“ im Sinne des historischen Rechts, Herrschaftsrechte an Grund und Boden „verliehen“ wurden. (In Tirol typischer Weise durch den Landesherrn, viel seltener durch kirchliche Rechtsträger wie Stift Wilten oder Stift Stams)

Ausdrücklich erwähnt die allerhöchste Entschließung vom 6.2.1847 diese Erscheinung und definiert aus der Sicht des Jahres 1847, dass sich nur derjenige auf Waldeigentum berufen könnte, wer auf eine entsprechende „landesfürstliche Verleihungsurkunde“ verweisen könne. (Präambel und Art I. „Allerhöchster Entschließung“ vom 6. Februar 1847 betreffend die „Regulirung der Tiroler Forstangelegenheiten ProvGSTirVbg 1847/XXXVI, 253ff; auch in: TLA Innsbruck, Landesregierungsarchiv für Tirol, Gub 1847, Forst 9357)

Soweit eine Mehrheit von Berechtigten, eine „Gemeinde“, Empfänger einer solchen historischen Verleihung war, ist die Entstehung einer Agrargemeinschaft anzunehmen. (Zur Tradition solcher Verleihungen in Tirol bis zurück in das 14. Jhdt: Ogris/Oberhofer, Die Eigentumsverhältnisse an den Tiroler Forsten, in: Die Agrargemeinschaften in Tirol, 154 ff) Solche „Verleihungen“ konnten mit oder ohne Vorbehalt bestimmter Rechte zu Gunsten des Verleihenden erfolgen; die landesfürstlichen Vorbehalte hinsichtlich des Obereigentums sind spätestens im Zuge der Tiroler Forstregulierung 1847 aufgegeben worden.

Solche „verliehenen Liegenschaften“, egal ob zu Einzel- oder zu gemeinschaftlichem Recht, bildeten einen der Anwendungsbereiche der sog. „Forsteigentums-Purifikation“, eine Maßnahme zur Anerkennung der jeweiligen Inhaber als Volleigentümer (zu „Privateigentum“). (Im Einzelnen siehe dazu: Ogris/Oberhofer, Das Privateigentum an den Tiroler Forsten, in: Die Agrargemeinschaften in Tirol, 151 ff)

TIROLER FORSTREGULIERUNG 1847

Wie bereits ausgeführt wurden im Jahr 1847 zur Behebung der entstandenen Streitigkeiten über die Eigentumsverhältnisse an den Tiroler Forsten, Alpen und Auen für das heutige Nordtirol zwei Maßnahmen angeordnet: a) Sämtliches Privateigentum an Forsten, Alpen und Auen sollte geprüft und erfasst werden. b) Die Nutzungsrechte der Untertanen in den Staatswäldern sollten einer Überprüfung unterzogen und durch Ablösung zum Erlöschen gebracht werden. Dies gegen Übertragung von Teilen der belasteten Grundstücke (vgl § 483 ABGB letzter Satz) in das volle Privateigentum der Abzulösenden.

Zur Erledigung dieser Aufgaben wurden zwei temporäre Kommissionen eingesetzt, nämlich die sog. Privatforsteigentums-Purifikations-Kommission (FEPK) sowie die Waldservituten-Ausgleichskommission (WSAK, auch Forstservituten-Ausgleichskommission FSAK). Betreffend Zusammensetzung und Bestimmung der Kompetenzen dieser Kommissionen wurden weitere Rechtsgrundlagen geschaffen.FRP 1847, Z 4 Abs 3. Dazu ergingen zwei ausführliche Instruktionen, nämlich am 1. Mai 1847 für die hier nicht interessierende Forstservituten-Ablösungskommission (IFSAK) und am 17. Juni 1847 die „Instruction für die Commission zur Purifizierung der Privat Eigenthums-Ansprüche auf Wälder in jenen Landestheilen oder Forstgebieten Tirols, in welchen das l.f. Forsthoheits-Recht vorbehalten bleibt“ (AVA Wien, Hofkanzlei, IV G 11 Waldwesen Tirol, 21889/1847; in der Folge zitiert als IFEPK).

Als Ergebnis der Tätigkeit der FEPK entstanden bei jedem der historischen Landgerichte Tirols sog. Forsteigentums-Purifikations-Tabellen (FEPT); als Ergebnis der Tätigkeit der WSAK entstanden Servituten-Ablösungsvergleiche. Die von den beiden Kommissionen erstellten Rechtsakte, also Forsteigentums-Purifikations-Tabellen (FEPT) und Vergleichsprotokolle, stellten Eigentumstitel dar. Im Fall der FEPT hatten sie überwiegend deklarativen Charakter: Aufgabe der Kommission war es, bereits als Privateigentum feststehende, in § 14 IFEPK definierte Rechtstatsachen zu erfassen und zu bestätigen. Teilweise erfolgte die Anerkennung des Eigentums aber „gnadenhalber“ (Zweifelsreglung gem § 11 IFEPK); dann kam der FEPT konstitutive Bedeutung zu. Die Servitutenablösungsvergleiche besaßen konstitutiven Charakter. Die Bedeutung dieser Rechtsakte als Eigentumstitel wurde später insbesondere durch die praktische Arbeit der Grundbuchanlegungskommissionen in Tirol bestätigt.

Einen informativen Überblick über die Tiroler Forsteigentumsverhältnisse zur Mitte des 19. Jhdts gibt ein Bericht in der Österreichischen Vierteljahresschrift für Forstwesen 1851. Danach bezogen die „Gemeinden“ sorglos ihren Bedarf aus den landesfürstlichen Wäldern, welche für den Staat selbst – wegen einer wenig nachhaltigen Nutzungsweise – praktisch keine Überschüsse mehr abwarfen. Zudem war das Aerar in zahllose Eigentumsstreitigkeiten verwickelt, weil die historischen Nachbarschaften das landesfürstliche Regalitätsrecht an den Forsten in Zweifel zogen. Den Stammliegenschaftsbesitzern musste deshalb das Ablösegeschäft durch die Aussicht auf eine nachhaltige Nutzungsweise von künftigem Privateigentums schmackhaft gemacht werden, welches gegen den status quo offenbar insofern ein Nachteil war, als Verwaltungskosten und Steuern zu kalkulieren waren, deren Ziffer damals niemand kannte. Alternativ zur Aussicht auf Ertragssteigerung infolge besserer Bewirtschaftung nach Privatisierung stand die Aussicht der Zurückführung „auf den streng rechtlichen“ Bestand, sofern die Betreffenden nicht den Eigentumsanspruch erfolgreich vor dem Zivilgericht durchsetzen konnten. (RS, Die Forstservituten-Ablösung in Tirol, in: Vierteljahresschrift für Forstwesen (1851), 377)

Einzelheiten zur Forstservitutenablösung in Nordtirol

Der Bericht aus dem Jahr 1851 schildert die Details wie folgt: „Bei der Forstregulierung im Ober- und Unterinntal in Frage kommende Waldfläche beträgt ungefähr 557.565 Joch; hievon wurden als Privateigentum anerkannt 40.000 Joch [Anm: Maßnahme gem Art 2 FRP 1847], zur Ablösung des Bezugsrechts von beiläufig 217.000 Niederösterreichische Klafter Holz wurden in das Eigentum der [berechtigten] Gemeinden abgetreten: 358.140 Joch [Maßnahme gem Art 3 FRP 1847]. Es verbleiben somit Staatseigentum: 159.425 Joch, mit einem Durchschnittsertrag von beiläufig 75.000 Niederösterreichischen Klafter Holz. Im großen Durchschnitte stellte sich für jede [berechtigte] Familie ein Bedarf von 6 Klafter Holz zu 108 Kubikfuß Raum heraus und dieser wurde durchschnittlich mit einer Waldfläche von 9,9 Joch, wovon im Durchschnitt 10 % unproduktiv sind, abgelöst.“ „Zur vollständigen Bedarfsbedeckung der Bezugsberechtigten muss daher das Niederösterreichische Joch produktiver Waldfläche nahezu 0,67 Klafter Durchschnittsertrag liefern, was zwar immerhin erreichbar ist, jedenfalls aber eine ungleich bessere, als die bestandene und gegenwärtig noch bestehende Waldwirtschaft bedingt.“ (RS, Die Forstservituten-Ablösung in Tirol, in: Vierteljahresschrift für Forstwesen (1851), 391 f)

„Mit allen berechtigten nordtirolischen Gemeinden wurden die Verhandlungen gepflogen, mit 240 Gemeinden Übereinkommen geschlossen und für die nicht abgefundenen 43 Gemeinden die Vergleichsentwürfe verfasst. Aber auch die letzteren Gemeinden haben sich seit dem Jahr 1849, wo die Kommission zu tagen aufhörte, die Überzeugung verschafft, dass der ihnen angebotene Stand ungleich vorteilhafter als der beibehaltene zu werden verspricht, und haben sich daher auch nachträglich zum Abschluss von Vergleichen herbei gelassen. Im gegenwärtigen Momente dürften wenige Gemeinden mehr übrig sein, welche von der ihnen zu Teil gewordenen allerhöchsten Begünstigung keinen erfolgreichen Gebrauch gemacht haben.“

(RS, Die Forstservituten-Ablösung in Tirol, in: Vierteljahresschrift für Forstwesen (1851), 392: „Mit allen berechtigten nordtirolischen Gemeinden wurden die Verhandlungen gepflogen, mit 240 Gemeinden Übereinkommen geschlossen und für die nicht abgefundenen 43 Gemeinden die Vergleichsentwürfe verfasst. Aber auch die letzteren Gemeinden haben sich seit dem Jahr 1849, wo die Kommission zu tagen aufhörte, die Überzeugung verschafft, dass der ihnen angebotene Stand ungleich vorteilhafter als der beibehaltene zu werden verspricht, und haben sich daher auch nachträglich zum Abschluss von Vergleichen herbei gelassen. Im gegenwärtigen Momente dürften wenige Gemeinden mehr übrig sein, welche von der ihnen zu Teil gewordenen allerhöchsten Begünstigung keinen erfolgreichen Gebrauch gemacht haben.“ 391)

Würdigung der Tiroler Forstservitutenablösung 1847

Die Tiroler Forstregulierung 1847 erweist sich als Servituten-Ablösungsmaßnahme, welche mit forstwissenschaftlichen Methoden auf der Grundlage von Bedarfs- und Bonitätsberechnungen abgewickelt wurde. Auf Basis von gemeindeweise durchgeführten Erhebungen zum faktischen Holzbezug in den landesfürstlichen Wäldern, wurde der Kreis der „wahren Berechtigten“ im Einzelfall definiert; es wurde deren Jahresbedarf berechnet, es wurde die jeweilige Bonität der Ablösungsflächen kalkuliert und es wurden gruppenweise Ablösungsvergleiche erarbeitet – typischer Weise für eine ganze „Gemeinde“; teilweise geschah dies für mehrere „Gemeinden“ gemeinsam, oft auch für einzelne Dörfer („Fraktionen“), teilweise wurden einzelne Höfe ausgenommen, welche entweder einer anderen Gemeinschaft zugeschlagen wurden oder diese haben das Einforstungsrecht im Staatsforst beibehalten.

Die Eckpunkte der jeweiligen Ablösungsvergleiche wurden in sog. „Conspecten“ zusammengefasst – jeweils für einen ganzen Landgerichtsbezirk, innerhalb desselben gegliedert nach den Verhandlungsergebnissen in den einzelnen Gemeinden. In diesen wurde gesondert ausgewiesen a) der Umfang des jeweils rechtlich anerkannten Holzbezuges je „Familie“; die Anzahl der berechtigten Familien je Gemeinde, die je Familie vorgesehene Ablösefläche, der Prozentsatz, mit dem der rechtliche Bezug abgedeckt erschien, die erforderliche Ertragssteigerung zur künftigen Bedeckung des rechtlich anerkannten Bezuges aus der jeweiligen Ablösefläche. Sowohl für den Oberinntaler-Kreis als auch für den Unterinntaler Kreis wurde ein „General-Conspect“ erstellt. Zusätzlich existieren Berichte der Kommission zur den abgeschlossenen Vergleichen, typischer Weise für ein gesamtes Gericht gemeinsam. In diesen Berichten der Kommissionsmitglieder hatte sich – entsprechend der Vorgabe gem IFSAK – jedes Kommissionsmitglied gesondert zur Angemessenheit der jeweiligen Ablösungsvergleiche zu äußern. Die Ablöseflächen wurden nach Vorgaben ausgewählt, welche fiskalistischen, forstwirtschaftlichen und nicht zuletzt landschaftsschützenden Überlegungen gerecht werden.

(Vgl dazu Kohl, Die Forstservitutenablösung auf Grundlage der Tiroler Forstregulierung 1847, aaO, 135 ff zum Hauptbericht betreffend die Vergleiche im Landgericht Reutte vom 1. November 1848; Protokoll, welches mit sämtlichen Komissionsgliedern über die Annehmbarkeit der in dem kk Landgerichte abgeschlossenen Vergleiche aufgenommen wurde: zB für Landeck („die Gemeinden des Haupttales Schönwies, Stanz, Zams, Zamserberg, Angedair, Perfuchs, Pians, Grins) am 20.12.1847; Schwaz vom 20. Juni 1849; für Rattenberg vom 20. Juli 1849 usw)

Bereits Stefan v. Falser hatte die Rechtsfolgen der Tiroler Forstregulierung untersucht. Schon Falser, obzwar er für das übrige historische Tirol überall die Idee des „Gemeindeeigentums“ vertrat, hat klar erkannt, dass im heutigen Nordtirol in Folge des FRP 1847 Privatwälder entstanden sind: „Dort wo das ärarische Waldeigentum im Allgemeinen festgehalten worden ist, wie im Inn- und Wipptal, schuf die Forsteigentums-Purifikations-Kommission, teils im Wege der Anerkennung des Privateigentums, teils im Wege der Ablösung bestehender Einforstungen durch Abtretung von Grund und Boden, zahlreiche wirkliche Privateigentumswaldungen; ebenso entstanden solche Waldungen durch anderweitige Ablösungen, welche seitens der als Rechtsnachfolger des Ärars auftretenden Gemeinden oder Nachbarschaften gegenüber den Eingeforsteten verlangt und durchgeführt wurden. Auf diese Weise ist jetzt ein ziemlich umfangreicher Privateigentumswald entstanden, …“ (Stefan v. Falser, Wald und Weide im Tirolischen Grundbuche (Innsbruck, 1896), Seite 35)

Die „Verweigerungsgemeinden“

Insoweit die Stammliegenschaftsbesitzer die angebotenen Servituten-Ablösungs-Vergleiche nicht angenommen haben, definierte der historische Gesetzgeber Staatseigentum (heute Bundeseigentum, gewidmet den „Bundesforsten“). Dies betrifft auch die sog. „landesfürstlichen Freien (öde Gründe), welche sich zerstreut zwischen den Höfen, in und um die Dörfer und Weiler, dann an den Wegen befinden …“. (S den „entwickelten Standardtext“ des Ablösungsvergleiches, Pkt Erstens, abgedruckt bei Kohl, Die Forstservitutenablösung im Rahmen der Tiroler Forstregulierung 1847, aaO, 145)

Das gesamte Liegenschaftseigentum, welches im Fall des Vergleichsabschlusses der Gemeinschaft der nutzungsberechtigten Stammliegenschaftsbesitzer übertragen worden wäre, verblieb im Fall jener Gemeinschaften, welche den Vergleichsabschluss verweigerten, im Eigentum des k.k. Ärar. Das wohl zu unterstellende „Nutzungseigentum“ (Untereigentum) wurde „auf die strenge Rechtslage“ der Einforstungsrechte zurückgeführt, welche in späterer Folge dem Inhalt und Umgang nach reguliert wurden. Kein Nachteil ohne Vorteil: Die Stammliegenschaftsbesitzer wurden diesfalls auch in späterer Folge nicht grundsteuerpflichtig, eine Konsequenz aus dem Vergleichsabschlüssen, deren genaue Rechtsfolgen in den Jahren 1847 und folgend noch nicht kalkulierbar waren.

Eine „berechtigte Gemeinde“, welche sich nicht zum Vergleichsabschluss entscheiden konnte war diejenige der Stammliegenschaftsbesitzer von Gerlos. Die Hintergründe für die Ablehnung des Ablösungs-Geschäfts macht das Protokoll vom 21. Dezember 1849 deutlich, welches mit sämtlichen Kommissionsmitgliedern über die Annehmbarkeit der im Landgerichte Zell abgeschlossenen Vergleiche aufgenommen wurde: „Die Ursache, warum mehrere Gemeinden des Zellerbezirkes zu keiner Abfindung vermacht werden konnten, läßt sich zumeist auf die eigenthümlichen Einforstungs- u. Steuerverhältnisse … zurückführen; so zb. zahlt das Forstärar für die Gerloser Wälder jährlich bei 1200 f Steuer an den Steuerfond, welche Steuer zum großen Theil im Falle einer Abfindung die Gemeinde Gerlos übernehmen müßte, welches wohl nie zu erwarten sein dürfte.“ Johann Gasser, Gubernial Sekretär im genannten Protokoll, TLA, Sammelbestand Forstpurifikation und Waldservitutenablösung 1847. TLA, Aufstellungsort: Stellage 2.5.9 „Forsteigentums-Purifikations-Kommission“, Tiroler Landesarchiv. Karton 1-3: Sämtliche Vergleichsprotokolle der 19 Landgerichte von Nordtirol, Karton 4-6: Erhebungsakten der Waldservituten-Ausgleichskommission einschließlich Beratungsprotokolle über die Angemessenheit der abgeschlossenen Vergleiche; Karton 7: Gericht Nauders speziell, Gericht Landeck speziell.

Hintergrund waren somit Zufälligkeiten des historischen Steuerrechts, welche die Stammliegenschaftsbesitzer von Gerlos unangemessen belastet hätten. Die praktischen Auswirkungen der Ablehnung des „landesfürstlichen Angebots“ zur Servitutenablösung lassen sich in der Katastralgemeinde Gerlos gut nachvollziehen: a) Die Stammliegenschaftsbesitzer besitzen kein Gemeinschaftseigentum an Nutzwäldern; b) natürlich besitzt auch die Ortsgemeinde Gerlos kein solches Eigentum – woher auch? Zusätzlich zu den Forsten verblieben die „landesfürstlichen Freien (öde Gründe), welche sich zerstreut zwischen den Höfen, in und um die Dörfer und Weiler, dann an den Wegen befinden …“ im Eigentum des k.k. Aerars, eine Konsequenz, welche bei Anlegung des Franziszeischer Steuerkataster („Urmappe“) und später bei der Grundbuchanlegung streng beachtet wurde: Alle freien, öden Gründe, „welche sich zerstreut zwischen den Höfen, in und um die Dörfer und Weiler, dann an den Wegen befinden“ wurden dem k.k. Aerar als Eigentum zugeordnet. Heute noch sind deshalb zahllose Flächen im Dorfkern und um den Dorfkern von Gerlos (und selbstverständlich alle Wälder im Gemeindegebiet) Eigentum des Staates, konkret Bundeseigentum (unter der Verwaltung der Österreichischen Bundesforste AG).

Das „Nutzungseigentum“ der Stammliegenschaftsbesitzer wurde auf den förmlichen Rang von Servituten herabgestuft; schon die Forstservituten-Ablösungskommission hat von „Einforstungsrechten“ gesprochen. Damit verbunden war der Vorteil, dass die Berechtigten – ungeachtet der Besteuerung des Waldes in Tirol vermutlich ab dem Jahr 1870 – keine Grundsteuer bezahlen mussten; dies um den Preis, dass die Stammliegenschaftsbesitzer kein Eigentum erworben haben. Im elektroischen Grundbuch von Gerlos kann dies heute noch leicht nachvollzogen werden. Keinem der geschlossenen Höfe sind namhafte Waldungen zugeschrieben; die Ortsgemeinde Gerlos besitzt selbstverständlich ebenfalls keine Wälder. Als „Gegenstück“ existiert Bundeseigentum im Ausmaß von ca 7.500 ha, vorgetragen in EZ 51 Grundbuch Gerlos, auf welcher die berechtigten Güter von Gerlos mit ihrem Holzbezugs- und Weiderechten als Berechtigte „eingeforstet“ sind.

DIE HISTORISCHEN WALDTEILUNGEN

Waldteilungen der historischen Nachbarschaften gründen zum allergrößten Teil auf Rechtsakten des 16. bis 18. Jhdt. Als älteste nachweisbare Urkunde über eine Waldteilung nennt Lang diejenige vom 4. Juli 1510. Lang dokumentiert mehrere „Wellen von Waldaufteilungen“ in Tirol, von denen die erste Mitte des 16. Jhdts abgeschlossen war, die zweite ordnet er der 2. Hälfte des 17. Jhdts zu und eine dritte, „besonders starke Welle“ dem Zeitraum um 1730. Daraus sind – insoweit nicht im Zuge der Tiroler Grundbuchanlegung Einzeleigentum an den Waldteilen einverleibt wurde – jene Erscheinungen hervorgegangen, welche Tiroler Agrarjuristen als „Teilwälder“ identifizieren.

Die Teilwaldliegenschaften

Vorliegende Abhandlungen, welche auch die Geschichte der Tiroler Teilwälder darstellen, gründen auf der Überlegung, dass eine schrittweise Verwandlung der historischen Nachbarschaftsverbände in die heutige Ortsgemeinde stattgefunden hätte (Lang, Die Teilwaldrechte in Tirol (1978), 18; der Text derselben findet sich bei Wopfner, Das Allmendregal des Tiroler Landesfürsten (1905), Nr XXII der Beilagen, 144 ff). Ausgehend von dieser unrichtigen Prämisse werden die Teilwaldflächen fälschlich als Eigentum der heutigen Ortsgemeinden verstanden (Lang, Die Teilwaldrechte in Tirol, 38). Wie bereits Pernthaler festgestellt hat, herrscht beträchtliche Unsicherheit über die dogmatische Einordnung des Phänomens der Teilwaldliegenschaft.

Pernthaler, Die Rechtsnatur der Agrargemeinschaften, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler, Die Agrargemeinschaften in Tirol, 261: „Insofern dürfte der unbegründete Befund von Lang, Tiroler Agrarrecht II, 177, wonach Teilwälder „grundsätzlich zum Gemeindegut“ gehören (Anm: gemeint zum öffentlich-rechtlichen Gemeindegut), unrichtig sein. Er steht in offenem Widerspruch zu den von Lang selbst ausführlich dokumentierten diversen Waldteilungen, welche zum allergrößten Teil auf Rechtsakte des 16. bis 18. Jhdt gründen.“

Diese Unsicherheit betrifft insbesondere die dogmatische Einordnung der „Teilwaldrechte“ vor ihrer Einbeziehung in das Flurverfassungsrecht und vor Inkrafttreten des TRLG 1909 in Tirol, die Auswirkungen der Erfassung dieses Phänomens durch das moderne Flurverfassungsrecht, die Rückschlüsse, welche aus der Existenz von Teilwäldern auf die Eigentumsverhältnisse an der Substanz solcher Liegenschaften zu ziehen seien und die Einordnung der Rechtsverhältnisse nach Eigentumsregulierung in einer Agrargemeinschaft.

Richtiger Weise muss im Fall eines „Teilwaldrechtes“ unterschieden werden: Gründet das Nutzungsrecht des Einzelnen in einer „Konzession“ der heutigen politischen Ortsgemeinde kraft Eigentumsrechts, so handelt es sich beim betreffenden Grundstück um einen Teilwald kraft politischen Gemeinderechts; das Teilwaldrecht ist öffentlich-rechtliche Gemeindegutsnutzung (Pernthaler, Die Rechtsnatur der Agrargemeinschaft, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler, Die Agrargemeinschaften in Tirol, 261). „Wurzeln die Teilwaldrechte in historischen Rechtsakten aus der Zeit vor dem Wirksamwerden der heutigen Gemeindeverfassung, so liegt Gemeingut der Nutzungsberechtigten vor. Die Rechtsverhältnisse vor Regulierung einer solchen Liegenschaft sind mit dem Wohnungseigentum vergleichbar: unteilbares Gemeinschaftsverhältnis verbunden mit einem ausschließlichen Waldnutzungsanteil.“ Die Unterscheidung zwischen beiden Varianten ist in der Praxis leichter zu vollziehen als im Fall bloßen Gemeinguts bzw Gemeindeguts. Anhand des historischen Rechtsaktes, mit dem die „Teilwaldrechte“ begründet wurden, ist zu prüfen, ob „Konzessionen“ der heutigen politischen Ortsgemeinde auf eigenem Eigentum vorliegen oder historische Teilungsakte der Nachbarn, welche die Gemeinschaftsnutzung in der historischen Allmende neu geregelt haben, indem jedem Nutzungsberechtigten am Gemeinschaftseigentum ein räumlich abgegrenzter (Einzel-)Nutzungsbereich zugewiesen wurde. Nur im ersteren Fall ist das Teilwaldrecht öffentlich-rechtliche Gemeindegutsnutzung. (Vgl Pernthaler, Die Rechtsnatur der Agrargemeinschaft, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler, Die Agrargemeinschaften in Tirol, 261)

„Teilwälder“ und Forsteigentumspurifikation 1847

Wie ausgeführt wurden im Jahr 1847 zur Behebung der entstandenen Streitigkeiten über die Eigentumsverhältnisse an den Tiroler Forsten, Alpen und Auen zwei Maßnahmen angeordnet: a) Sämtliches Privateigentum an Forsten, Alpen und Auen sollte geprüft und erfasst werden. b) Die Einforstungsrechte der Untertanen sollten reguliert bzw möglichst vollständig abgelöst werden. Ersessenes Privateigentum an Forsten, Auen und Alpen wurde in den sog. Forsteigentums-Purifikations-Tabellen (FEPT) erfasst. Teilweise erfolgte die Anerkennung des Eigentums „gnadenhalber“.

Man wird davon ausgehen müssen, dass der Großteil der Privatwälder Tirols aus historischen Gemeinheitsteilungen hervorgegangen ist. Ogris/Oberhofer haben versucht, anhand der FEPT der verschiedenen Landgerichte historische Waldteilungen („Gemeinheitsteilungen“) nachzuweisen. Insoweit die FEPT Einzeleigentum in den jeweiligen Gemeinden in einem Ausmaß ausweisen, welches in etwa der Anzahl der jeweiligen Stammliegenschaften entspricht, sind historische Teilungsakte in der Tat vorauszusetzen. (Ogris/Oberhofer, Das Privateigentum an den Tiroler Forsten zum Ende des Vormärz, in Kohl/Oberhofer/Pernthaler, Die Agrargemeinschaften in Tirol, 170 ff)

Die Frage ist, unter welchen Umständen im Zuge der Forsteigentums-Purifikation Einzeleigentum an Wäldern anerkannt wurde und wann – trotz historischer Waldteilung – gerade nicht. Zu verweisen ist beispielsweise auf die völlig unterschiedlichen Forsteigentumsverhältnisse in der Katastralgemeinde Patsch einerseits und in der Katastralgemeinde Ebbs andererseits. Ogris/Oberhofer stellten in Patsch für das Jahr 1847 Null Fälle von Einzeleigentum fest, hingegen in Ebbs 63 Anmeldungen von natürlichen Personen mit insgesamt ca 270 purifizierten Waldstrecken (von drei bis elf Waldstrecken je natürlicher Person). Offensichtlich ist, dass in Patsch keine natürliche Person die Voraussetzungen für die Eigentumspurifikation erfüllte, jedoch sehr wohl die Gesamtheit der Holzbezugsberechtigten, wohingegen in Ebbs historische Teilungsakte auf ein Niveau gebracht waren, dass die einzelnen Glieder der historischen Gemeinde die Kriterien der Ersitzungstatbestände gem Tiroler Forsteigentums-Purifikation erfüllt haben. (§ 14 IFEPK vom 17.6.1847)

Auffällig ist, dass dort, wo heute „Teilwälder“ angenommen werden, im Zuge der Tiroler Forstregulierung zwar Privateigentum purifiziert wurde, dass dieses anerkannte („purifizierte“) Privateigentum jedoch für eine historische Gemeinschaft, in der FEPT entweder „Parzelle“ oder „Gemeinde“ genannt, ausgewiesen wurde. Zudem wurde in der FEPT in jedem derartigen Einzelfall folgender auffälliger Vermerk angebracht: „Werden aus Gnade als Privateigenthum anerkannt, unter der Bedingung der Beanschlagung des Ertrages dieser Wälder bei der Ausmittlung des Haus und Hofbedarfes der Gemeinden, der Fortentrichtung der bisher bezahlten forstpolizeilichen Gebühren und unter Aufrechthaltung der durch die Wäldervertheilungen entstandenen Berechtigungen Einzelner.“ (Zu verweisen ist beispielhaft auf die Beschwerdefälle AGM Köfels – VwGH Zl 2010/07/0099, AGM Östen VwGH Zl 2010/07/0239, AGM Umhausen VwGH Zl 2010/07/0231, AGM Tumpen VwGH Zl 2010/07/0233 sowie AGM Mötz VwGH Zl 2011/07/0002)

Offensichtlich handelte es sich um jenen Anerkennungstatbestand, der in § 11 IFEPK definiert war, die Eigentumsanerkennung „gnadenhalber“. Die IFEPK regelte in § 11 ein eigenständiges Verfahren für „zweifelhafte Ansprüche“. Als zweifelhaft wurden all jene Eigentumstitel eingestuft, hinsichtlich derer volle Einstimmigkeit der Kommissionsmitglieder über die Anerkennung (Purifikation) des privaten Forsteigentums nicht zustande kam. Die Kommission hatte im Fall von Zweifeln auch nur eines Mitgliedes an der vollen Erfüllung eines der Tatbestände des § 14 der Instruktion Erhebungen zu tätigen. Sollte danach trotzdem keine einstimmige Entscheidung zu Stande kommen, war unter Vorbehalt der Genehmigung durch das Hofkammerpräsidium ein Abkommen mit der Partei zu suchen, wobei für den Fall, dass die anmeldende Partei eine Gemeinde war, jedenfalls die Genehmigung des Guberniums „als Kuratelsbehörde“ zu erwirken war. Als Voraussetzung für die Anerkennung zweifelhafter Ansprüche sollte eine (teilweise) Verzichtleistung der Partei auf das ihr allenfalls zustehende Einforstungsrecht in den landesfürstlichen Waldungen als „Ausgleichungs-Moment“ bewirkt werden. Die FEPK (Forst-Eigentums-Purifikations-Kommission) hatte in solchen Fällen mit der FSAK (Forstservituten-Ablösungskommission) Kontakt zu pflegen. (Ogris/Oberhofer, Das Privateigentum an den Tiroler Forsten zum Ende des Vormärz, in Kohl/Oberhofer/Pernthaler, Die Agrargemeinschaften in Tirol, 166)

 Warum gerade in historischer Vergangenheit geteilte Forstkomplexe als Privateigentum „gnadenhalber“ gem § 11 IFEPK anerkennt wurden, kann nur vermutet werden. Offensichtlich ist, dass die primär an Steuerzahlung anknüpfenden Purifikationstatbestände gem § 14 IFEPK nicht erfüllt waren – weder aus der Sicht des einzelnen Stammliegenschaftsbesitzers, noch aus der Sicht der betreffenden „holzbezugsberechtigten Gemeinde“. Nachvollziehbar wäre folgende Überlegung der historischen Entscheidungsträger: Gnadenhalber anerkanntes Forsteigentum war bei der Servituten-Ablösungs-Operation der FSAK als Ablösefläche einzurechnen. Die Vorab-Anerkennung als Privateigentum durch die FEPK „unter Aufrechterhaltung der durch die Wälderzerteilung entstandenen Berechtigungen Einzelner“ bewirkte somit lediglich eine Fixierung der Lage einer Ablösefläche für die Servitutenoperation. Die Zurückbehaltung von in der Natur bereits geteilten Flächen als Staatseigentum hätte wohl keiner der historischen Akteure nachvollzogen. In Summe wurde für die Ablöse der Beholzungsservituten pro „Gemeinde“ jedoch exakt gleich viel Waldfläche übereignet wie ohne diese Vorabmaßnahme, weil der Ertrag der „gnadenhalber“ (gem § 11 IFEPK) purifizierten Wälder bei der Ablösung der Beholzungsservituten anzurechnen war. So wurde im Zuge der Tiroler Forstregulierung in Umhausen – abgesehen von den zu Gunsten der jeweiligen Parzellen „Umhausen“, „Östen“, „Tumpen“, „Niederthai“, „Köfls“, „Farst“ und „Hof Acherbach“ purifizierten Liegenschaften, im Rahmen des Ablösungsvergleiches noch Waldvermögen an die gesamte Gemeinschaft der Stammliegenschaftsbesitzer abgetreten, um alle Beholzungsservituten vollständig zu vergleichen; bezeichnender Weise war dieser unverteilte Wald ursprünglich allen Stammliegenschaftsbesitzern von Umhausen „gemein“; bezeichnender Weise wurde dieser unverteilte Wald „Kirchspielwald“ genannt.

Freilich handelt es sich beim purifizierten Waldeigentum – unabhängig davon, ob dieses als Einzeleigentum oder als Eigentum eines gemeinschaftlichen Rechtsträgers der Nutzungsberechtigten anerkannt wurde, um Privateigentum. (Stefan v. Falser, Wald und Weide im Tirolischen Grundbuche (Innsbruck 1896), Seite 35; Gerald Kohl, Die Forstservitutenablösung im Rahmen der Tiroler Forstregulierung, in: Die Agrargemeinschaften in Tirol, 105 ff; Ogris/Oberhofer, Das Privateigentum an den Tiroler Forsten, ebendort, 151 ff; Öhlinger, Das Gemeindegut in der Judikatur des VfGH, ebendort, 244) Klargestellt wurde dies in der a.h. Entschließung vom 6.2.1847 (Art 2 FRP 1947: „Auch in Ansehung dieser Forste, in Absicht auf welche das landesfürstliche Hoheitsrecht aufrecht bleibt, gestatten seine Majestät die Beurteilung der Eigentumsansprüche von einzelnen Privaten oder von Gemeinden in huldvoller Berücksichtigung der eingetretenen Verhältnisse, für das Vergangene die Anwendung der Bestimmungen des allgemeinen bürgerlichen Rechts, jedoch nur dann und insoferne, als diese Ansprüche entweder derzeit gerichtlich gestellt sind, oder binnen drei Monaten vom Tage, an welchem die zur Purifikation dieser Eigentumsansprüche auszusendende Kommission den beginn ihrer Wirksamkeit bekannt gemacht haben wird, bei eben dieser Kommission angemeldet haben werden.“);

Klargestellt wurde dies in der IFEPK vom 17.6.1847, insbesondere in § 14 derselben: „Die Commission hat also die Bestimmung, in jenen Forstgebieten Tirols, in welchen das lf. Forsthoheitsrecht als Regel aufrecht verbleibt, Namens der obersten Finanzverwaltung – welche dieses Hoheitsrecht zu wahren, und aus demselben jeden Privatforstbesitzer zur Nachweisung seines Besitztitels aufzufordern berechtiget ist – das Privatforsteigenthum im außergerichtlichen Wege zu liquidiren, wodurch dasselbe von künftigen aerarischen Ansprüchen enthoben und gesichert und in diesem besonders für das Land Tirol wichtigen Beziehungen den streitigen Differenzen zwischen den Privaten und dem Aerar ein Ziel gesetzt, und für die Zukunft begegnet werden soll.“ § 14 (Materielle Purifikationsgrundsätze). „Als Privateigentum sind wie sich im Allgemeinen schon von selbst versteht nur solche Forste anzuerkennen, welche entweder nach der Besitz-Urkunde oder nach sonstigen Titeln als wirkliches Eigenthum und nicht bloß zur Nutznießung von Privaten besessen worden sind. Unter solchen Umständen sind insbesondere folgende als Privateigenthum anzuerkennen.“

Auch der Tiroler Landesausschuss hatte im Jahr 1897 nach mehrmonatigen Erhebungen „purifiziertes Eigentum“ als Privateigentum anerkannt. Als Ergebnis eine mehrmonatigen Ermittlungsverfahrens betreffend eine Waldung in Östen, Umhausen, stellte der Landesausschuss am 6. August 1897 in wenigen Zeilen fest: „41 Feuerstättenbesitzer von Oesten Gde. Umhausen haben auf Grund des Gde-Ausschußbeschlusses die Bitte gestellt, es wolle die Auftheilung eines Holzerlöses von 660 fl bewilliget werden. Nach vielseitig gepflogener Erhebung wurde festgestellt. 1. Nach dem Berichte des Forsttechnikers in Silz (…) daß das verkaufte Holz aus dem sogenannten Klammwald herrührt. 2. Daß [dieser] laut Forst- Alpen- und Auen Tabelle Nr 24 (…) Privateigenthum ist, daher die Bittsteller zur Vertheilung des Holzerlöses die h.a. Bewilligung nicht bedürfen.“

Die Teilwaldliegenschaft als Agrargemeinschaft

Wie Pernthaler bereits klargestellt hatte, ist „der unbegründete Befund von Lang, wonach Teilwälder „grundsätzlich zum Gemeindegut“ gehören (gemeint zum öffentlich-rechtlichen Gemeindegut) unrichtig. (Pernthaler, Die Rechtsnatur der Agrargemeinschaften, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler, Die Agrargemeinschaften in Tirol, 261) Insoweit Waldteilungen auf Rechtsakten des 16. bis 18. Jhdt gründen, ist ohnehin offenkundig, dass die heutige Ortsgemeinde nicht diejenige war, welche kraft ihrer Eigentümerstellung den Teilungsakt vollziehen konnte. „Wurzeln die Teilwaldrechte in historischen Rechtsakten aus der Zeit vor dem Wirksamwerden der heutigen Gemeindeverfassung, so liegt Gemeingut der Nutzungsberechtigten vor. Die Rechtsverhältnisse vor Regulierung einer solchen Liegenschaft sind mit dem Wohnungseigentum vergleichbar: unteilbares Gemeinschaftsverhältnis verbunden mit einem ausschließlichen Waldnutzungsanteil.“ Nichts anderes gilt, wenn die Stammliegenschaftsbesitzer aus der Tiroler Forstregulierung stammendes Gemeinschaftseigentum in der Zeit zwischen 1847 und der Grundbuchsanlegung in einer Art und Weise geteilt haben, dass diese Teilung im Zuge der Grundbuchanlegung nicht zu Einzeleigentum geführt hat. Teilwälder auf Eigentum der Ortsgemeinde existieren nur dort, wo die heutige Ortsgemeinde – aufgrund welchen Eigentumstitels auch immer – zivilrechtliches Eigentum erworben hat. Die Tiroler Forstregulierung 1847 ist jedenfalls kein Eigentumstitel der heutigen Ortsgemeinde.

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aus:

Öhlinger/Oberhofer/Kohl,

Das Eigentum der Agrargemeinschaft

in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler/Raber (Hg)

Die Agrargemeinschaften in Westösterreich

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MP

 

 

 

Gemeindegut:
wessen Eigentum?

Die historische Agrarbehörde hat den Begriff Gemeindegut undifferenziert, dh einmal im Sinn von Eigentum einer Agrargemeinschaft, einmal im Sinn von Eigentum einer Ortsgemeinde verwendet. Dies entspricht dem historischen Verständnis des Begriffes in Bodenreformrecht.
Carl Peyrer, Die Regelung der Grundeigentums-Verhältnisse. Nebst einem Gesetzesentwurf über die Zusammenlegung der Grundstücke, die Ablösung und Regulierung der gemeinschaftlichen Nutzungsrechte und die Ablösung von nach dem Patente vom 5. Juli 1853 regulierten Nutzungsrechten samt Durchführungsverordnung, Formularien und Motivenberichten (Wien 1877), 49: „In der älteren Zeit umfasste der Ausdruck Gemeingut, Gemeindegut, ebenso das Vermögen der Nutzungsgemeinde (Realgemeinde, Dorfschaft, Nachbarschaft, Gemeinschaft, Genossenschaft) wie das Vermögen der politischen Gemeinde. In der späteren Zeit, wo die politische Gemeinde als selbständiges Organ in den Vordergrund trat und vom Staate sowie von den höheren autonomen Organen begünstigt wurde, genügte oft schon der bloße Name, um das Vermögen der Nutzungsgenossenschaft ganz der politischen Gemeinde zuzuweisen, sodass auch hier Baco´s Ausspruch wahr wurde: „Der Mensch glaubt mit seinem Verstande den Worten zu gebieten, während öfters die Worte seinen Verstand unterwerfen.“

UNTERSCHIEDLICHE BEGRIFFSVERWENDUNG

Es muss deshalb dem jeweiligen Bescheid entnommen werden, ob Eigentum der Ortsgemeinde gemeint war oder Eigentum der Agrargemeinschaft. Beispielsweise wurde im Fall der Agrargemeinschaft Sölden folgende Eigentumsentscheidung getroffen: „Gem § 37 Abs 1 TFLG 1969 wird festgestellt, dass das gesamte Regulierungsgebiet als Gemeindegut der Gemeinde Sölden gem § 32 Abs 2 lit c TFLG 1969 ein agrargemeinschaftliches Grundstück darstellt und im grundbücherlichen Eigentum der Gemeinde Sölden steht.“ (Amt der Tiroler Landesregierung Akt III b 1 – 724R/106 vom 26.3.1973, Seite 11) Ganz ähnlich lautet diejenige betreffend Agrargemeinschaft Pians: „Das Regulierungsgebiet ist als Gemeindegut der Gemeinde Pians ein agrargemeinschaftliches Grundstück im Sinn des § 32 Abs 2 lit c des Flurverfassungslandesgesetzes vom 15.7.1969, LGBl Nr 34 (TFLG 1969) und steht im grundbücherlichen Eigentum der Gemeinde Pians.“ ((Amt der Tiroler Landesregierung Akt III b 1 – 761 R/34 vom 4.5.1973, Seite 6)

Im Gesetz selbst war der Begriff „Gemeindegut“ gedacht als wahres Eigentum der Agrargemeinschaft. So hat dies jedenfalls der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 10.12.2010, VfSlg 19.262/2010 (Unterlangkampfen-Erk) interpretiert. Der Verfassungsgerichtshof: VfSlg 19.262/2010 Pkt II A 2.3.6.3: „[…] der Bescheid könnte durchaus auch dahin ausgelegt werden, dass die bescheiderlassende Behörde auf den in § 36 Abs 2 lit d des Flurverfassungslandesgesetzes vom 6. Juni 1935, LGBl. Nr. 42, angeführten Begriff „Gemeindegut“ im Sinne von „Eigentum der Agrargemeinschaft“ abstellte (vgl. hiezu Öhlinger, Das Gemeindegut in der Judikatur des VfGH, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler [Hrsg], Die Agrargemeinschaften in Tirol [2010] 223 [250 f.]) […].“

Weil die Praxis der Agrarjuristen den Begriff Gemeindegut einmal im Sinn von Eigentum einer Agrargemeinschaft, einmal im Sinn von Eigentum einer Ortsgemeinde verwendet hat, ist im Einzelfall zu überprüfen, was gemeint war. Allein die Agrarbehörde hatte somit zu entscheiden, ob und inwieweit bestimmte Teile des jeweils der Regulierung unterzogenen „Gemeindeguts“ ein Eigentum einer Agrargemeinschaft oder ein Eigentum der jeweiligen Ortsgemeinde war. Diese Feststellungsentscheidung der Agrarbehörde hat die Rechtswirkung eines Feststellungsurteils (§ 14 Agrarverfahrensgesetz).

1. Zur Verwendung des Begriffes „Gemeindegut“

Der Bescheid der Tiroler Agrarbehörde vom 9.11.2006 gegen Agrargemeinschaft Mieders („Mieders-Bescheid“), dessen Ausführungen der VfGH ungeprüft dem Erk VfSlg 18.446/2008 zu Grunde legte, vermittelt einen völlig verfehlten Eindruck von der Tätigkeit der Agrarbehörde. Es wird unterstellt, dass die Agrarbehörde dann, wenn „Gemeindegut“ als Entscheidungsgegenstand angenommen wurde, von wahrem Eigentum der Ortsgemeinde ausgegangen wäre. Tatsächlich wurde in unzähligen Agrarverfahren das wahre Eigentum der Agrargemeinschaft bezeichnet als „Gemeindegut“ oder als „Fraktionsgut“. Dies entsprechend dem Sprachgebrauch des historischen Flurverfassungsrechts, welches mit dem Begriff „Gemeindegut“ ein Eigentum der Agrargemeinschaft bezeichnete, an welchem die Ortsgemeinde mit einem Anteilsrecht beteiligt war. (vgl dazu VfSlg 19.262/2010 (Unterlangkampfen-Erk) Pkt II A 2.3.6.3: „[…] der Bescheid könnte durchaus auch dahin ausgelegt werden, dass die bescheiderlassende Behörde auf den in § 36 Abs 2 lit d des Flurverfassungslandesgesetzes vom 6. Juni 1935, LGBl. Nr. 42, angeführten Begriff „Gemeindegut“ im Sinne von „Eigentum der Agrargemeinschaft“ abstellte (vgl. hiezu Öhlinger, Das Gemeindegut in der Judikatur des VfGH, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler [Hrsg], Die Agrargemeinschaften in Tirol [2010] 223 [250 f.]) […].“

1.1 Teilgenossenschaft der Gemeinde und „Gemeindegut“

Die Agrarbehörde hat den Begriff „Gemeindegut“ – aus heutiger Sicht – FALSCH verwendet. Insbesondere wurde immer dann RECHTSIRRIG von „Gemeindegut“ gesprochen, wenn die Ortsgemeinde Teilgenosse war. Teilgenossenschaft der Ortsgemeinde bedeutete jedoch noch lange nicht, dass die Ortsgemeinde Eigentümerin des Regulierungsgebietes war; Teilgenossenschaft der Ortsgemeinde bedeutete noch nicht ein mal, dass der Ortsgemeinde auch nur ein Anteil am Regulierungsgebiet zustand. Teilgenossenschaft der Ortsgemeinde wurde insbesondere angenommen, wenn eine „Gemeinde“, eine „Fraktion“, eine „Ortschaft“, eine „Katastralgemeinde“ oder ein anderer, auf die öffentliche Hand verweisender Begriff im öffentlichen Register als Eigentümer einverleibt war (zB „Gerichtsgemeinde“). Trotzdem war ein Anteilsrecht ausgeschlossen, wenn diese Einverleibung „zu Unrecht“ bestand (so die Rechtslage nach TRLG 1909 – § 70 Abs 3 TFLG 1909: Sollte jedoch die Eintragung der Gemeinde im öffentlichen Buche irrtümlicher Weise erfolgt sein, so erhält die Gemeinde aufgrund der Teilgenossenschaft gem § 26 Z 4 kein Anteilsrecht.“) oder wenn die Ortsgemeinde nicht an den Nutzungen beteiligt war (so die Rechtslage seit dem TFLG 1935 und den Nachfolgeregelungen – § 62 Abs 2 lit a 2. Satz TFLG 1935: „Dieses Anteilsrecht gebührt der Gemeinde aber nur dann, wenn sie über die ihr als Eigentümerin einer Stammsitzliegenschaft oder als Inhaberin eines persönlichen Anteils zustehende Berechtigung an der Benutzung teilgenommen hat.“).

Selbstverständlich hatte die Agrarbehörde – trotz anzunehmender Teilgenossenschaft der Ortsgemeinde“ – ihre gesetzliche Aufgabe erfüllt und die wahren Eigentumsverhältnisse am Regulierungsgebiet geklärt (§ 38 Abs 1 TFLG 1935 und folgende). Die „Klassifizierung“ der Liegenschaften wurde deshalb nicht geändert: Die Teilgenossenschaft der Ortsgemeinde bedingte die Beurteilung als „Gemeindegut“; dies sogar unabhängig davon, ob die Ortsgemeinde als (mit-)nutzungsberechtigt und damit als anteilsberechtigt festgestellt wurde. Die Frage, ob die betreffende Liegenschaft tatsächlich in Anwendung der Gemeindeordnung genutzt wurden, wurde ohnehin nie konkret gestellt. Die Ortsgemeinde war jedenfalls als Behörde gem § 63 TGO 18966 zuständig, im Streitfall zwischen den Nutzungsberechtigten zu schlichten und zu entscheiden. Unter Zugrundelegung des gesetzlichen Konzeptes der Tiroler Agrarbehörden von der nicht regulierten Agrargemeinschaft, wonach die Ortsgemeinde die nicht regulierte Agrargemeinschaft zu vertreten und die Nutzung des Gemeinschaftsgebietes zu überwachen habe, war das Kriterium „Nutzung in Anwendung der Gemeindeordnung“ per se in jedem Fall erfüllt. Eine Prüfung im Einzelfall erübrigte sich demnach!

BEISPIEL: AGM HÖFEN
Beispiel: „Nach der Bestimmung des § 34 Abs 1 TFLG 1978 bildet die Gesamtheit der jeweiligen Eigentümer der Liegenschaften, an deren Eigentum ein Anteilsrecht an agrargemeinschaftlichen Grundstücken gebunden ist (Stammsitzliegenschaften) einschließlich jener Personen, denen persönliche walzende Anteilsrechte zustehen, eine Agrargemeinschaft. Nach Abs 3 dieses Paragraphen sind Agrargemeinschaften Körperschaften öffentlichen Rechts. Diese Bestimmungen waren schon im Jahr 1958 inhaltsgleich nach dem damals geltenden Flurverfassungslandesgesetz von 1952 in Geltung. Ebenso bestand schon damals die Rechtslage, dass diese „Kraft-Gesetzes-Agrargemeinschaften“ ohne Satzungsverleihung durch die Agrarbehörde, worin eine anders lautende Regelung erfolgen hätte können, nur die Gemeinde verwaltet, d.h. durch den Gemeinderat handlungsfähig war. Der Gemeinde war und ist auch heute noch bei unregulierten Agrargemeinschaften die Verwaltung dieser Körperschaften übertragen (§ 82 TGO: Die Gemeinde hat die Nutzungsbezüge zu überwachen und für eine reibungslose und zweckmäßige Ausübung der Nutzungen zu sorgen). …“ (LAS Tirol, Bescheid vom 13.6.1979 LAS-115/3-79 (Regulierung des Gemeindegutes von Höfen)

BEISPIEL: AGM VOLDERS
Als hervorragendes Beispiel für den Gebrauch des Begriffes „Gemeindegut“ ist auf die Regulierung des „Gemeindewaldes Volders“ Das Regulierungsgebiet war im Grundbuch auf „Gemeinde Volders“ einverleibt, sodass „Teilgenossenschaft“ der Ortsgemeinde gegeben war. Die Agrarbehörde traf folgende Feststellungen: „Die in der Grundbuchseinlage 37 II KG Großvolderberg einliegenden Grundparzellen 681 Wald, 688 Wald und 682 Wald sind agrargemeinschaftliche Grundstücke iSd § 36 2 d des Flurverfassungslandesgesetzes vom 6. Juni 1935 LGBl 42. Sie stehen im Eigentum der Agrargemeinschaft Volders. Die Verwaltung des agrargemeinschaftlichen Besitzes wird gemäß § 87 FLG mit den beiliegenden Satzungen vorläufig geregelt.“
Zur Begründung führte die Agrarbehörde aus: „Die Gemeinde Volders als grundbücherliche Eigentümerin des Waldes bezog aus den verhandlungsgegenständlichen Parzellen überhaupt kein Holz und bestritt auch den für öffentliche Zwecke erforderlichen Holzbedarf ausschließlich aus den in ihrer Verwaltung stehenden Waldgrundstücken, an denen den heutigen Anteilsberechtigten keinerlei Bezugs- oder Nutzungsrechte zustehen. Der aus den Gp 681, 688 und 682 in EZ 37 II KG Großvolderberg bestehende Waldbesitz wurde seit jeher allein von einem von der Nutzungsgemeinschaft bestellten Ausschuss ohne irgendeine Mitwirkung der Gemeinde verwaltet, des gleichen wurden die Steuern und sonstigen erlaufenden Lasten wie Entlohnung des Waldaufsehers, Instandhaltung der durch den Gemeinschaftsbesitz führenden Wege ausschließlich durch die Nutzungsgemeinschaft bestritten. […] Diese einhelligen Feststellungen der Parteien stellen eindeutig unter Beweis, dass der im Spruch angeführte Grundbesitz in ausschließlicher agrargemeinschaftlicher Nutzung der angeführten beteiligten Liegenschaften stand und es sich daher um Gemeindegut iSd § 36 2 d des FLG handelt. Das Eigentum war iSd § 62 FLG der Agrargemeinschaft zuzusprechen, die aus den nach der bisherigen Übung Nutzungsberechtigten besteht, zu denen die 65 Güter der Gemeinde Volders zählen, denn nur Nutzungsberechtigte können an den Nutzungen gültiger Weise teilnehmen, damit Anteilsrechte am agrargemeinschaftlich genutzten Besitz erwerben und sohin Anspruch auf das Eigentum an dem selben erheben.“ ((Amt der Tiroler Landesregierung, Bescheid vom 21. Oktober 1950 III b -81/3)

Ungeachtet des Tatsache, dass der Ortsgemeinde Volders kein Anteilsrecht an der Agrargemeinschaft zuerkannt wurde, ist die Klassifizierung des Gemeinschaftsgebietes als Liegenschaft gem § 33 Abs 2 lit c TFLG (1969 – „Gemeindegut“) in dem das Regulierungsverfahren abschließenden Bescheid vom 5.5.1972 III B1 -477/R/20 aufrecht erhalten worden. Die Teilgenossenschaft kraft „nacktem Tabularbesitz“ hatte mangels Mitnutzungsberechtigung nicht einmal zu einem Anteilsrecht geführt; trotzdem war die Agrarbehörde von „Gemeindegut“ ausgegangen. Insofern war es auch konsequent, dass die historische Agrarbehörde auch im weiteren Verfahrensverlauf von „Gemeindegut“ spricht, obwohl das Ermittlungsverfahren gerade ergeben hatte, dass die maßgeblichen Parzellen im Eigentum des k.k. Aerars bzw als dessen Nachfolger der Republik Österreich (Österreichische Bundesforste) stehen. (Schlicht verfehlt Morscher, Gemeinnutzungsrechte am Gemeindegut, ZfV 1982, 4 f, der den gemeinde¬rechtlichen Gemeindegutsbegriff undifferenziert in das Agrarrecht projeziert)

1.2 „Gemeindegut“ als Regulierungsgebietes

VfSlg 19.262/2010: „2.3.6.3. Die belangte Behörde leitet aus dem Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 17. Juni 1949, Zl. IIIb-185/3, ab, dass mit diesem das Eigentumsrecht der politischen Ortsgemeinde festgestellt wurde. Diese Folgerung ist zwar nicht zwingend – der Bescheid könnte durchaus auch dahin ausgelegt werden, dass die bescheiderlassende Behörde auf den in §36 Abs2 litd des Flurverfassungslandesgesetzes vom 6. Juni 1935, LGBl. Nr. 42, angeführten Begriff „Gemeindegut“ im Sinne von „Eigentum der Agrargemeinschaft“ abstellte (vgl. hiezu Öhlinger, Das Gemeindegut in der Judikatur des VfGH, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler [Hrsg], Die Agrargemeinschaften in Tirol [2010] 223 [250 f.]) -, sie ist aber auch nicht denkunmöglich.“

Die Verwendung des Begriffes „Gemeindegut“ durch die historische Agrarbehörden sagt in Wahrheit gar nicht nichts über die Eigentumsverhältnisse aus. (Schlicht verfehlt Morscher, Gemeinnutzungsrechte am Gemeindegut, ZfV 1982, 4 f, der den gemeinderechtlichen Gemeindegutsbegriff undifferenziert in das Agrarrecht projeziert) Von „Gemeindegut“ wurde gesprochen, wenn Teilgenossenschaft der Ortsgemeinde anzunehmen war; alles Weitere sollte sich aus den Verfahrensergebnissen ergeben.

Aus den Verfahrensergebnissen konnte sich Eigentum der Agrargemeinschaft genauso ergeben wie Eigentum der Ortsgemeinde. Zu verweisen ist auf die Beispiele der Agrargemeinschaft Sölden (EZ 195 GB 80110 GB Sölden), der Agrargemeinschaft St. Anton (EZ 106 GB 84010 GB St. Anton am Arlberg), der Agrargemeinschaft Weissenbach (EZ 149 GB 86041 GB Weissenbach), der Agrargemeinschaft Nesselwängle (EZ 94 GB 86026 GB Nesselwängle), der Agrargemeinschaft Heiterwang (EZ 258 GB 86031 Reutte [„Gemeinde Heiterwang aufgrund Kaufvertrages vom 31.12.1705“]), und andere mehr.

Als Ergebnis der betreffenden Regulierungsverfahren ergab sich in diesen Fällen beispielsweise folgende Feststellung zu den Eigentumsverhältnissen: „Gem § 37 Abs 1 TFLG 1969 wird festgestellt, dass das gesamte Regulierungsgebiet als Gemeindegut der Gemeinde Sölden gem § 32 Abs 2 lit c TFLG 1969 ein agrargemeinschaftliches Grundstück darstellt und im grundbücherlichen Eigentum der Gemeinde Sölden steht.“ (Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 26.3.1973 III B1 -724R/106) Konsequenter Weise ist deshalb ein agrarrechtliches Verständnis des Begriffes Gemeindeguts von einem gemeinderechtlichen Verständnis zu unterscheiden.

Abgesehen von den wahren Eigentumsverhältnissen waren insbesondere vor der Behörde geschlossenen Parteienübereinkommen wesentlich. Unabhängig von den weiteren Verfahrensergebnissen wurde der Begriff „Gemeindegut“ weiterverwendet und dafür eingesetzt, das agrargemeinschaftliche Vermögen vom unbelasteten, freien Eigentum der Ortsgemeinde zu trennen (Gemeindevermögen).
Ungeachtet dessen, zu wessen Gunsten Eigentum ermittelt wurde, wurde auch im weiteren Verfahrensverlauf von „Gemeindegut“ gesprochen. ((Schlicht verfehlt Morscher, Gemeinnutzungsrechte am Gemeindegut, ZfV 1982, 5, der den gemeinderechtlichen Gemeindegutsbegriff undifferenziert in das Agrarrecht projeziert und den Agrarbehörden vorwirft, nicht einmal vor „dem Nonsense“ zurück zu schrecken, Eigentum an Gemeindegut zu Gunsten einer Agrargemeinschaft festzustellen, in FN 2)

„Gemeindegut“ bezeichnete das agrargemeinschaftlich genutzte Gebiet bei Teigenossenschaft der Ortsgemeinde, losgelöst von der Eigentumsbeurteilung. Die Eigentumsfrage am regulierungsgegenständlichen Gebiet wurde völlig losgelöst von der aus der „Teilgenossenschaft“ der Ortsgemeinde resultierenden Beurteilung „Gemeindegut“ geklärt. War die nicht regulierte Agrargemeinschaft Eigentümerin, wurde zu deren Gunsten Eigentum festgestellt; wäre ein Dritter (zB die Republik als Nachfolger des Aerars) als Eigentümer hervorgekommen, eben zu Gunsten dieses Dritter (zB der Republik Österreich).

Die Agrarbehörde hat deshalb ihre gesetzliche Aufgabe, die Eigentumsverhältnisse an dem „ununterschieden bei der Ortsgemeinde“ verwaltete Vermögen zu klären (vgl § 38 Abs 1 TFLG), unabhängig davon wahrgenommen, ob dieses Liegenschaftsvermögen als „Gemeindegut“ beurteilt wurde oder nicht.

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MP

Gemeindeeigentum

Ortsgemeinde und Nachbarschaftseigentum

Die heutigen Ortsgemeinden verdanken ihre Existenz in der Regel der durch das Vorläufige Gemeindegesetz vom 10.07.1945 (VGemG vom 10.07.1945, StGBl 66/1945) erfolgten Wiedererrichtung auf der Grundlage des Reichsgemeindegesetzes 1862 und der dazu ergangenen Ausführungsgesetze: „Das Gesetz vom 05. März 1862, RGBl Nr 18 (Reichsgemeindegesetz), alle Gemeindeordnungen und Gemeindewahlordnungen sowie die sonstigen auf dem Gebiete der Gemeindeverfassung erlassenen Vorschriften (Gemeindestatute, Stadtrechte) werden in dem Umfange, in dem sie vor Einführung der Deutschen Gemeindeordnung in den österreichischen Ländern in Kraft gestanden sind, (…) wieder in Wirksamkeit gesetzt“. (Art 1 VGemG vom 10.07.1945, StGBl 66/1945) Damit wurde bei Errichtung der 2. Republik jene Rechtsgrundlage wiederhergestellt, zu der Pfaff vor rund 130 Jahren eine enorme Unklarheit betreffend die Abgrenzung des Gemeinschaftsgutes festgestellt hatte (Pfaff, JBl 1884, 185). Es erstaunt daher nicht, dass die Probleme des 19. Jahrhunderts in der Folge wiederauflebten.
Dies zeigen zwei Erkenntnisse, die nur knapp zehn Jahre auseinanderliegen, jedoch diametral entgegengesetzte Rechtsauffassungen zum Ausdruck bringen: Der Oberste Agrarsenat betonte 1958, dass die historischen Realgemeinden, gleichgültig unter welchem Namen sie in den Urkunden aufscheinen, auch nach Entstehung der politischen Gemeinde nicht zu bestehen aufgehört hätten und deshalb Eigentümer der gemeinschaftlich genutzten Liegenschaften blieben. (Oberster Agrarsenat 06.10.1958, 245-OAS/58)
Der VfGH hingegen stellte sich im Jahr 1968 auf den Standpunkt, dass die „frühere Realgemeinde“ verschiedene Lasten zu tragen hatte, die die heutige politische Ortsgemeinde übernommen hätte. Die Ortsgemeinden hätten deshalb im Allgemeinen das Eigentum an den gemeinschaftlich genutzten Liegenschaften beansprucht, das ihnen bei der Grundbuchsanlegung zugestanden worden sei. Unterstellt wurde offensichtlich ein Eigentumstitel ex lege – quasi als Annex zu den gesetzlichen Gemeindekompetenzen. (VfSlg 5666/1968)

„Quasi-Erbschaft“ der Ortsgemeinde?

Vorstellungen von einer Art Kontinuität zwischen den historischen Nachbarschaften („Realgemeinden“) und den modernen politischen Ortsgemeinden tauchten in der Literatur immer wieder auf. (Vgl Cizek, Der Streit um die Gemeindegründe (1979); Pairhuber, Über Classenvermögen in den Gemeinden und Gemeindevermögen, Österreichische Zeitschrift für Verwaltung 1880, Nr 21; Misera, Gemeindegut und Gemeindekommunitäten, JBl 1897, 243 ff; Schiff, Österreichs Agrarpolitik seit der Grundentlastung (1898) 202 ff; Morscher, Gemeinnutzungsrechte am Gemeindegut, ZfV 1982, 1 (5); vgl auch VfGH im Einleitungsbeschluss zum Gesetzesprüfungsverfahren Slg 9336/1982)
Teils wurde tatsächlich ein Kontinuitätsverhältnis behauptet, wonach sich die Nachbarschaften („Realgemeinden“, „Realgenossenschaften“ usw) zur modernen Ortsgemeinde oder zu Teilorganisationen derselben („Ortschaften“, „Fraktionen“ usw) fortentwickelt bzw sich in diese „gewandelt“ hätten (vgl etwa Lang, Die Teilwaldrechte in Tirol (1978) 58 ff, unter Berufung auf eine Entscheidung des Obersten Agrarsenates (02.03.1966, 43-OAS/66); Ausdrücklich in diesem Sinn jüngst Eccher, Das agrargemeinschaftliche Gemeindeeigentum in Tirol, in FS Barta (2009) 211, 213); teils wurde eine Rechtsnachfolge angenommen. (Pairhuber, Österreichische Zeitschrift für Verwaltung 1880, Nr 21; Misera, JBl 1897, 243 ff; Schiff, Österreichs Agrarpolitik seit der Grundentlastung 202 ff; Morscher, ZfV 1982, 5) Beide Auffassungen laufen auf dasselbe Ergebnis hinaus: Eigentümerin des historischen Nachbarschaftsvermögens wäre heute die jeweilige Ortsgemeinde.

Die Vertreter dieser Auffassung können freilich keine Rechtsgrundlage für einen solchen Vermögensübergang angeben. (Vgl schon: Mayer, Politische Ortsgemeinde versus Realgemeinde, in Kohl ea, Agrargemeinschaften Tirol 187 ff) Schon Albert Mair stellte dazu fest, dass die Einverleibung des agrargemeinschaftlichen Realgemeindebesitzes in die politischen Gemeinden hauptsächlich mit dem Argument einer angeblichen [!] gesetzlichen Universalsukzession erfolgt sei. (Mair in Kohl ea, Agrargemeinschaften Tirol 22f) Tatsächlich zeigen aber gerade die gelegentlich begegnenden Vergleiche mit dem Erbrecht die Grenzen einer solchen Sukzessionshypothese auf. So spricht der Bericht des niederösterreichischen Landesausschusses von einem juristisch fragwürdigen „Erbfall ohne Verstorbenen“: „Die ‚Gemeinde‘ erschien in allen Urkunden als Eigenthümerin und so beerbte die moderne Gemeinde ihre Mutter, die Nachbarschaft, ohne daß letztere gestorben wäre“! (Bericht des NÖ Landesausschusses, XXVII BlgLT (Nö) V. GP 8) Wohl deshalb hat die Tiroler Landesregierung Anfang der 1980er Jahre in einer Stellungnahme den geradezu kuriosen Rechtstitel einer „Quasi-Erbschaft“ postuliert, der das angebliche Eigentum der Ortsgemeinde erklären sollte. (Stellungnahme der Tiroler Landesregierung im Gesetzesprüfungsverfahren G 35/81, G 36/81 und G 83/81, G 84/81, zitiert nach VfSlg 9336/1982 Punkt I Z 4 der Begründung; ausführlich dazu: Öhlinger in Kohl ea, Agrargemeinschaften Tirol 228)

Das Reichsgemeindegesetz 1862 und die dazu ergangenen Ausführungsgesetze hatten jedoch gerade keinen Übergang des Gemeinschaftseigentums auf die Ortsgemeinde vorgesehen; eine Rechtsgrundlage, welche die Existenzbeendigung der historischen Nachbarschaften und den Eigentumsübergang rechtfertigen könnte, ist nicht nachweisbar. Ganz im Gegenteil: Das private Gemeinschaftseigentum sollte durch die moderne Gemeindegesetzgebung ausdrücklich unberührt bleiben! (Ausführlich dazu Mayer in Kohl ea, Agrargemeinschaften Tirol 196 ff; Öhlinger in Kohl ea, Agrargemeinschaften Tirol 245 ff; Öhlinger/Oberhofer/Kohl in Kohl ea, Agrargemeinschaften Westösterreich 66ff) Schon § 26 des ProvGemG 1849, RGBl 170/1849, hatte eine derartige Regelung enthalten, die später von den Ausführungsgesetzen zum Reichsgemeindegesetz 1862 übernommen wurde: „Die privatrechtlichen Verhältnisse überhaupt und insbesondere die Eigenthums- und Nutzungsrechte ganzer Classen oder einzelner Glieder der Gemeinde bleiben ungeändert“ (§§ 11 bzw 12 der jeweiligen Gemeindeordnungen aus dem Zeitraum 1863 bis 1866; siehe dazu die Zusammenstellung der Ausführungsgesetze zum RGG 1862 in Das Gemeinde-Gesetz vom 5. März 1862 (MTA IX 1869).
§ 26 ProvGemG 1849 sowie § 11 bzw § 12 der Ausführungsgesetze zum Reichsgemeindegesetz 1862 verankerten somit eine gesetzliche Bestandsgarantie der Privatrechtsverhältnisse. Völlig zu Recht stellte daher das Reichsgericht 1871 fest, dass nicht von Gemeindegut der Ortsgemeinde, sondern von „Klassenvermögen gem §§ 11 resp 12 der Gemeindeordnungen“ auszugehen sei, wenn man „im Wege der privatrechtlichen Erwerbungsart […] Teilhaber an dem Besitz und Genuss“ eines Vermögens werden könne. (k.k. Reichsgericht 29.04.1871, Z 54 Entscheidungssammlung 1871/14)

Das Vermögen der historischen Nachbarschaften („Realgemeinden“, „Realgenossenschaften“ usw) ist also nicht ex lege zum Eigentum der modernen Ortsgemeinde geworden. (Pernthaler, ZfV 2010, 376; Mayer in Kohl ea, Agrargemeinschaften Tirol 196 ff; Öhlinger in Kohl ea, Agrargemeinschaften Tirol 243 ff; Adamovich, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsrechts II5 108; vgl schon: S, Über Realgenossenschaften in Österreich, Zeitschrift für Notariat und freiwillige Gerichtsbarkeit, 1886, Nr 46ff) Gerade deshalb schuf der historische Flurverfassungsgesetzgeber mit dem TRRG 1883 die notwendigen Rechtsgrundlagen für die sogegnannten „agrarischen Operationen“: Das Eigentum der historischen Nachbarschaften sollte zweckentsprechend verwaltet oder in einem geordneten Verfahren unter die mitberechtigten Nachbarn („Teilgenossen“) aufgeteilt werden, wobei aus rechtspolitisch-pragmatischen Überlegungen auch der jeweiligen Ortsgemeinde ein Anteil am Gemeinschaftsvermögen zufallen sollte. (43 BlgHH IX. Session. Erläuterungen zum Gesetzesentwurf für ein Teilungs- und Regulierungs-Reichsgesetz 33: „Die Bestimmung des § 1 Z 2 des Entwurfes haben die Grundstücke zum Gegenstande, welche als Gemeindegut oder Gemeingut jener Körperschaften oder Klassen benützt werden, die sich als Überreste der alten Agrargemeinde innerhalb der modernen politischen Gemeinde erhalten haben“; aus heutiger Sicht würde man von einer „Reorganisationsabgabe“ sprechen; ausführlich dazu: Kühne/Oberhofer in Kohl ea, Agrargemeinschaften Westösterreich 237ff)

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aus:
Kohl/Oberhofer/Pernthaler,
Gemeindeeigentum und Agrargemeinschaft, JBl 2014, 425ff

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MP

Eigentum der Agrargemeinschaft

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Die Agrargemeinschaft als Eigentümerin

Die Rechtsnatur der Agrargemeinschaft

„Eine Agrargemeinschaft ist – unabhängig von der körperschaftlichen Einrichtung – eine Personengemeinschaft, zu deren Begriffselementen agrargemeinschaftliche Grundstücke, Stammsitzliegenschaften und Anteilsrechte zählen.“ (Oberster Agrarsenat, 2.12.1963 323-OAS/63 (Leobner Realgemeinschaft) Anknüpfungspunkt für dieses Organisationsmodell sind die seit den Anfängen der heutigen Besiedlung gebildeten Personengemeinschaften der Nachbarn, denen jedenfalls nach historischem Recht Rechtspersönlichkeit zukam, denen jedoch im modernen Privatrecht „kein allgemein anerkanntes verbandsrechtliches Organisationsmodel mehr entsprochen hat.
(Vgl etwa das „Gutachten“ des Tirolischen Guberniums aus dem Jahr 1784: „In Tyroll wird unter der Benambsung Gemeinde eine gewisse, bald größere bald kleinere Anzahl beysammen liegender oder auch einzeln zerstreuter Häuser verstanden, die gewisse Nutzbarkeiten an Weyden, Waldungen und beurbarten Gründen gemeinschaftlich und mit Ausschluß anderer Gemeinden genießen, einen gemeinschaftlichen Beutel oder Cassa führen und also gewisse gemeinschaftliche Schuldigkeiten haben z.B. eine bestimmte Strecke eines Wildbaches oder Stromes zu verarchen.“ (TLA, Gutachten an Hof 1784, Bd 2, Fol 249 – vgl Beimrohr, Die ländliche Gemeinde in Tirol, Tiroler Heimat 2008, 162). Dazu etwa OGH vom 24. Juni 1936 3 Ob 347/35 (Dilisuna Alpinteressentschaft): „Es liegt somit eine genossenschaftlich organisierte Körperschaft mit eigenen Satzungen und eigenen Organen vor. Einer solchen Körperschaft kommt nach dem § 26 ABGB juristische Persönlichkeit zu (Gierke, Deutsches Privatrecht I § 74; Hugelmann, Die Theorie der Agrargemeinschaft im österreichischen bürgerlichen Recht, Notariats-Zeitung 1916, Nr 16 – 20; Schiff, Österreichische Agrarpolitik, Seite 187; Ehrenzweig, System I § 79; Klang, Kommentar I, Seite 20). Diese juristische Person allein ist die Trägerin des Eigentums am Grundstück.“. “

Die Agrargemeinschaft ist per gesetzlicher Definition eine juristische Person nach öffentlichem Recht (§ 34 Abs 3 TFLG 1996). Ob auch die (noch) nicht körperschaftlich eingerichtete Agrargemeinschaft juristische Person nach öffentlichem Recht sein kann, wird zu Recht bezweifelt. (Raschauer, Rechtskraft und agrarische Operation, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler, Die Agrargemeinschaften in Tirol, 267f) Jedenfalls nach TFLG 1935 konnte davon noch nicht ausgegangen werden. Es stellt sich die Frage, ob nicht generell bis zum Abschluss der körperschaftlichen Einrichtung durch Satzungsverleihung von einem Fortwirken der ursprünglichen Rechtsnatur auszugehen sei. (So jedenfalls Raschauer, Rechtskraft und agrarische Operation, aaO, 268) Der Oberste Gerichtshof hatte in mehreren Entscheidungen eine moralische Person gem § 26 ABGB angenommen: „Geschichtlich gehen derartige agrarische Gemeinschaften auf die Altdeutsche und Altslavische Gemeinschaft der Dorfgenossen an Wald und Weide zurück. Diese Art der Gemeinschaften erscheinen zwar im äußerlichen Gewande des Miteigentums, welche im Grundbuch bald zugunsten individuell bestimmter Personen, bald für die jeweiligen Eigentümer der Anteilsberechtigten Häuser (ohne Namensangabe des Eigentümers) eingetragen worden sind. Wenn auch Klang in seinem Kommentar zu § 361 ABGB derartigen Gemeinschaften die juristische Persönlichkeit abspricht, so ergibt sich aus der ganzen geschichtlichen Entwicklung dieser Kooperationen, das es sich um eine organisierte Gemeinschaft handelt, die durch bestimmte Organe (Vorstand, Aufsichtsrat) ihre Geschäfte zur Verwertung und Verwaltung des Zweckvermögens führt. An der juristischen Persönlichkeit einer solchen Gemeinschaft zu zweifeln besteht daher kein Anlass.“ „Es liegt somit eine genossenschaftlich organisierte Körperschaft mit eigenen Satzungen und eigenen Organen vor. Einer solchen Körperschaft kommt nach dem § 26 ABGB juristische Persönlichkeit zu (Gierke, Deutsches Privatrecht I § 74; Hugelmann, Die Theorie der Agrargemeinschaft im österreichischen bürgerlichen Recht, Notariats-Zeitung 1916, Nr 16 – 20; Schiff, Österreichische Agrarpolitik, Seite 187; Ehrenzweig, System I § 79; Klang, Kommentar I, Seite 20). Diese juristische Person allein ist die Trägerin des Eigentums am Grundstück.“ (OGH 11.4.1951 1 Ob 196/51 = SZ 24/98 = JBl 1952, 346; s weiters: 14.05.1958 EvBl 1958/273; 05.05.1970 EvBl 1970/326 = JBl 1971, 314; 18.11.1982 SZ 55/180; jüngst: 21.12.2011 EvBl 2012/68; zur „Urbarialgemeinde“: 12.11.1979 SZ 52/165; zur „Marktkommune“: ORK 02.04.1955 EvBl 1956/65; vgl schon: OGH vom 24. Juni 1936 3 Ob 347/35 (Dilisuna Alpinteressentschaft)

Zum Wesen der Agrargemeinschaft kann auf die prägnante Darstellung Pernthalers verwiesen werden, der diese als eine Einrichtung sozialautonomer Vermögensverwaltung definierte. „Dies ergibt sich vor allem aus ihren (gesetzlichen) Funktionen und der Rechtsqualität ihrer Akte. Die Aufgaben der Agrargemeinschaften liegen in der Verwaltung, zweckmäßigen Bewirtschaftung, Erhaltung und Verbesserung des Gemeinschaftsvermögens sowie in der Sicherstellung der Erfüllung der Ansprüche und Pflichten ihrer Mitglieder. Dies sind keine Funktionen einer (gemeinwohlgebundenen) öffentlichen Verwaltung, sondern privatautonome Eigentums- und Rechtsnutzungen zugunsten der Agrargemeinschaft und ihrer Mitglieder bzw der privatautonomen Bewirtschaftung ihrer (der Mitglieder!) eigenen Grundstücke (`Stammsitzliegenschaften´) und Betriebe“. Agrargemeinschaften vereinigen Elemente eines Selbstverwaltungskörpers mit Elementen der Wirtschaftskörper nach privatem Recht wie Stiftungen, Genossenschaften, GesmbHs und Aktiengesellschaften. (vgl Pernthaler, Die Rechtsnatur der Agrargemeinschaften, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler, Die Agrargemeinschaften in Tirol, 257 mwN)

Das Vermögen der Agrargemeinschaft

Die „Regulierung“ einer Agrargemeinschaft hat keinesfalls die Entziehung privater Rechte zum Ziel, sondern deren Sicherung unter veränderten tatsächlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen. (Raschauer, Die Rechtsnatur der Agrargemeinschaften, aaO 262) Dem Flurverfassungsrecht kann nicht entnommen werden, dass Rechtsakte der Agrarbehörden darauf abstellen, „Vermögensverschiebungen“ zu bewirken. Vielmehr ist die Bildung einer Agrargemeinschaft eben als ein besonderer Fall einer „Umgründung“ zu verstehen. Nach Einrichtung der Agrargemeinschaft soll deren Vermögen der Summe der (früher bestandenen) Rechtspositionen ihrer Mitglieder am Regulierungsgebiet entsprechen. Dies setzt freilich voraus, dass jeder der verschiedenen Verfahrensabschnitte mit einem materiell richtigen Bescheid abgeschlossen wurde. (Vgl Raschauer, Rechtskraft und agrarische Operation, aaO 262)

Jeder Abschnitt des agrarbehördlichen Regulierungsverfahrens berührt fremde Vermögensrechte: Von der Entscheidung über die in das Verfahren einbezogenen Liegenschaften, über die Feststellung des Regulierungsgebietes, die Feststellung der nutzungsberechtigten Parteien, die Feststellung ihrer Anteilsrechte bis zur Entscheidung über die Eigentumsverhältnisse am Regulierungsbiet. Jeder einzelne diesbezügliche Bescheid könnte – bei Rechtskraft und unter der Annahme der materiellen Unrichtigkeit – eine Vermögensverschiebung bewirken. Materielle Fehler in agrarbehördlichen Entscheidungen sind freilich im jeweiligen Verfahrensabschnitt geltend zu machen; nach Verfahrensabschluss gilt Rechtskraft und Unanfechtbarkeit nach allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsverfahrensrechts – einschließlich Vollstreckbarkeitswirkung vergleichbar dem Gerichtsurteil. (§ 14 Agrarverfahrensgesetz) Die Regulierung ordnet somit die Individualrechtspositionen der Beteiligten in der Agrargemeinschaft und verwandelt diese Rechtspositionen formal in Anteilsrechte an der Agrargemeinschaft. (Öhlinger, Agrargemeinschaftliche Anteilsrechte und der Eigentumsschutz, in: Die Agrargemeinschaften in Tirol, 291; Pernthaler, Eigentum am Gemeindegut, ZfV 2010, 379)

Das Flurverfassungsrecht bezweckt die Klärung und optimierende Gestaltung bestehender Rechtsverhältnisse. Die vor der Regulierung bestehenden Rechtsverhältnisse werden – insbesondere auch unter Anwendung des Zivilrechts – beurteilt und entsprechend dieser Beurteilung wird die Agrargemeinschaft körperschaftlich eingerichtet (§ 34 Abs 5 FlVfGG, § 72 Abs 6 TFLG 1996). Aus einem ungeordneten und unorganisierten Nebeneinander von individuellen Nutzungsrechten entsteht ein Rechtskörper, der die Summe der Einzelrechtspositionen der Anteilsberechtigten in sich vereint und über ein Organisationsrecht verfügt.

Die Beurteilung der Eigentumsverhältnisse

Die Agrarbehörde hat im Zuge der Regulierung einer Agrargemeinschaft zwingend die Eigentumsverhältnisse am Regulierungsgebiet zu klären, dies im Sinne einer „distinktiven Kompetenz“ (§ 38 Abs 1 TFLG 1996; Pernthaler, Eigentum am Gemeindegut, ZfV 2010, 377). Von der Beurteilung der Eigentumsverhältnisse durch die Agrarbehörde hängt es ab, ob das Eigentumsrecht an den in das Verfahren einbezogenen Liegenschaften den Nutzungsberechtigten als Gemeinschaft zuerkannt und dementsprechend das Eigentumsrecht zu Gunsten der Agrargemeinschaft festgestellt wird oder ob die Eigentumsfeststellung zu Gunsten eines anderen Rechtsträgers ausfällt. Die „Eigentumsentscheidung“ der Agrarbehörde ist Ausfluss einer „distinktiven Kompetenz zur Klärung der Eigentumsverhältnisse“ am Regulierungsgebiet. Im Wesentlichen sind drei Grundvarianten zu differenzieren: Die Summe der Nutzungsberechtigten kann gleichzeitig Eigentümer der agrargemeinschaftlichen Liegenschaft sein, die agrargemeinschaftlich genutzte Liegenschaft kann im Eigentum eines Dritten stehen, dieser „Dritte“, der (Allein-)Eigentümer der agrargemeinschaftlich genutzten Liegenschaft, kann gleichzeitig (mit-)nutzungsberechtigt sein; im letzteren Fall zählt der Eigentümer zum Kreis der Nutzungsberechtigten.

Agrargemeinschaft und Eigentum

Die Bildung einer Agrargemeinschaft setzt nach dem gesetzlichen Konzept keinesfalls voraus, dass das Eigentumsrecht am agrargemeinschaftlichen Grundstück auch tatsächlich der jeweiligen Agrargemeinschaft zugeordnet wird. „Das Flurverfassungsgesetz enthält keine prinzipielle Aussage über das Eigentum an agrargemeinschaftlichen Grundstücken, sondern setzt Eigentumsverhältnisse voraus.“ Agrargemeinschaftliche Grundstücke sind durch gemeinschaftliche Nutzung und gemeinschaftlichen Besitz, nicht jedoch durch gemeinschaftliche Eigentumsverhältnisse definiert. (Raschauer, Rechtskraft und agrarische Operation, aaO 267f) Dementsprechend hat die Neuwidmung einer Liegenschaft „als agrargemeinschaftliches Grundstück“ keine Auswirkung auf die Eigentumsverhältnisse. Nichts anderes gilt für entsprechende Widmungsakte in der Vergangenheit, wie diese insbesondere für das (echte) „Gemeindegut“ vorausgesetzt werden. Die Agrargemeinschaft muss nicht, sie kann aber Eigentümerin des Regulierungsgebietes sein. Durch die Feststellung einer Liegenschaft als agrargemeinschaftliches Grundstück sind deshalb die Eigentumsverhältnisse daran keinesfalls präjudiziert.

Umgekehrt existiert keine Vorschrift, welche die „Einbringung des Eigentumsrechtes“ in die Agrargemeinschaft besonderen Beschränkungen unterwerfen würde. Erforderlich ist freilich ein privatautonomer Akt des Eigentümers, wohingegen die Nutzungsberechtigten die Übernahme des Eigentumsrechts nicht verweigern können (§ 483 letzter HS ABGB – Eigentumsaufgabe zu Gunsten der Servitutsberechtigten). Dieses Recht des Eigentümers, die Sache dem Nutzungsberechtigten oder der in einer Agrargemeinschaft organisierten Vielzahl an Nutzungsberechtigten „aufzudrängen“ (gemeinschaftlich Nutzungsberechtigten zu gemeinschaftlichem Eigentum) resultiert aus dem Recht des Eigentümers, seine Sache zu „verlassen“ (§ 483 2. Satz ABGB; § 362 ABGB). Die Entscheidung des Eigentümers wie dieser mit seinem Eigentum verfährt, ist in keiner Weise zivilrechtlich beschränkt.

Die Bildung einer Agrargemeinschaft unter Einschluss eines Dritten, dem das Eigentum an einem agrargemeinschaftlichen Grundstück zusteht, ist der Sache nach das Gegenstück zur Servitutenregulierung: Die gegenläufigen Interessensphären des Eigentümers und der Nutzungsberechtigten werden nicht getrennt, sondern in einer einheitlichen Organisationsform gebündelt. Der bisherige Alleineigentümer des Grundstückes, dem keine bzw eingeschränkte Nutzung zustand, bringt das Eigentum in die Agrargemeinschaft ein und erhält ein Anteilsrecht. Weil das Flurverfassungsrecht für eine solche „Verwandlung von fremdem Eigentum in Anteilsrechte“ keine Grundlage bietet, ist ein entsprechender Konsens aller Beteiligten zwingende Voraussetzung für eine solche Gestaltungsvariante. (Dies wurde im VfGH-Erk VfSlg 18.446/2008, Mieders-Erk, gründlich verkannt.) Insoweit ein entsprechender Konsens zwischen allen Beteiligten besteht, steht der bescheidmäßigen Umsetzung einer solchen Operation jedoch nichts im Wege.

Klärung der Eigentumsverhältnisse im Regulierungsverfahren

Bei Durchführung eines Verfahrens zur Regulierung der Benutzungs- und Verwaltungsrechte an agrargemeinschaftlichen Grundstücken trifft die Agrarbehörde die gesetzliche Verpflichtung, die Eigentumsverhältnisse am Regulierungsgebiet zu klären. Sollten sich die Parteien also nicht zu einer einvernehmlichen Klarstellung durchringen, muss die Behörde die wahren Rechtsverhältnisse ermitteln und anhand der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens entscheiden. Dies gilt gerade auch hinsichtlich des Eigentumsrechts am Regulierungsgebiet. Die Eigentumsverhältnisse am Regulierungsgebiet sind in jedem Fall zu prüfen und „festzustellen“ (§ 38 Abs 1 TFLG 1996). In diesem Sinne spricht das Gesetz richtig von „Feststellung des Eigentumsrechtes“: Am Ende eines Regulierungsverfahrens ist in einer der Rechtskraft fähigen Art und Weise geklärt, wer Eigentümer des agrargemeinschaftlichen Grundstückes ist.

Wie die historische Entwicklung des Flurverfassungsrechtes zeigt, waren gerade die ungeklärten und strittigen Eigentumsverhältnisse an den „Gemeindegründen“ Anlass für die Gesetzgebung betreffend Teilung und Regulierung der Gemeinschaftsliegenschaften und die Begründung der entsprechenden agrarbehördlichen Kompetenz. Hinzu kam der Wunsch der Politik, Streitigkeiten um die Gemeinschaftsliegenschaften nicht zuletzt wegen ihrer politischen Sensibilität in der lokalen Gemeinschaft der Kompetenz der Zivilgerichte zu entziehen. (Ausführlich dazu Oberhofer/Pernthaler, Das Gemeindegut als Regelungsgegenstand der historischen Bodenreformgesetzgebung, aaO 207ff) Eine ausdrückliche gesetzliche Verpflichtung der Agrarbehörde zur Klärung der jeweiligen Eigentumsverhältnisse wurde allerdings erst 1935 in das TFLG aufgenommen; der Aufwand, der mit der Regulierung der Benützungs- und Verwaltungsrechte behördlicherseits verbunden ist, sollte sich schon aus Gründen der Verwaltungsökonomie auch in einer Klärung der Eigentumsfrage niederschlagen.

Hinsichtlich der heute umstrittenen Behördenentscheidungen über die Eigentumsverhältnisse am jeweiligen Regulierungsgebiet ist somit klarzustellen, dass die Möglichkeit einer „rechtsgestaltenden Eigentumszuordnung“ von der Kognitionskompetenz der Agrarbehörde selbstverständlich mit umschlossen ist und war. Das bedeutet: Derjenige der rechtskräftig als Eigentümer festgestellt wurde, ist Eigentümer im Rechtssinn! (§ 34 Abs 4 FlVfGG 1951; VfGH 10.12.2010 B 639/10 ua Pkt II. A) 2.3.6.1 der Begründung; VfSlg 18.446/2008; VfSlg 17.779/2006; VwGH 8.7.2004 2003/07/0087; OGH 11.2.2003, 5 Ob 2/03/k; Raschauer, Rechtskraft und agrarische Operation, aaO, 276)

Die Behörde hatte „distinktiv“ über das Eigentumsrecht zu entscheiden und nicht anders sind diese Entscheidungen nach dem Gesetz zu verstehen. „Wenn die Agrarbehörde das Eigentumsrecht eines Rechtsträgers ‚feststellt’ und wenn diese Entscheidung unangefochten bleibt, dann ist dieser Eigentumsträger Eigentümer im Rechtssinn.“ Eine rechtskräftige Entscheidung der Agrarbehörde, mit der das Eigentumsrecht am Regulierungsbiet als solches der körperschaftlich eingerichteten Agrargemeinschaft, der Ortsgemeinde oder einer beliebigen dritten Rechtsperson erkannt wurde, verdient den Schutz der Rechtsordnung – nicht weniger als jede andere rechtskräftige Entscheidung über Eigentum oder beschränkte dingliche Rechte. (Pernthaler, Eigentum am Gemeindegut, ZfV 2010, 377f; Raschauer, Rechtskraft und agrarische Operation, aaO, 276 f: „Da die Möglichkeit einer rechtsgestaltenden Entscheidung über das Eigentum an den betroffenen Liegenschaften von den Befugnissen der Agrarbehörde mitumschlossen ist, ist es rechtlich ausgeschlossen, eine vermeintlich unrichtige Entscheidung der Agrarbehörde über die Zuordnung von Eigentum an betroffenen Liegenschaften als absolut nichtig zu qualifizieren.“; § 14 Agrarverfahrensgesetz; vgl VfSlg 17.779/2006; 18.446/2008; B 639/10 vom 12.10.2010 – unter ausdrücklicher Klarstellung des Rechts auf Eigentumsschutz)

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aus:
Öhlinger/Oberhofer/Kohl, Das Eigentum der Agrargemeinschaft.
in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler/Raber, Die Agrargemeinschaften in Westösterreich, 41ff

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MP

1883: Gesetz für die Gemeindegründe

Der Österreichische Reichsrat, der ab dem Jahr 1861 als Gesetzgebungsorgan im Kaisertum Österreich zuständig war – ab dem Ausgleich mit Ungarn – für die Österreichischen Reichshälfte, setzte sich aus dem Abgeordnetenhaus und dem Herrenhaus (Zweikammersystem) zusammen.
Die Abgeordneten tagten bis zur Fertigstellung des Parlamentsgebäudes am Ring in diesem Holzbau in der Währinger Straße in Wien, despektierlich als „Schmerlingtheater“ bezeichnet.
Übersiedelt wurde im Jahr 1883. Der Sitzungssaal des Abgeordnetenhauses im neu erbauten Parlamentsgebäude am Ring wurde am 4. Dezember 1883 zum ersten Mal für eine Sitzung genutzt.
Die Debatte und Beschlussfassung über die so genannten drei Agrarischen Reichsgesetze aus 1883 fand noch im Holzbau in der Währinger Straße statt. (Bild: Wikipedia. www.bildarchivaustria.at/ Pages/ ImageDetail.aspx?p_iBildID=1931477)

 

1883: Gesetz für die Gemeindegründe

 

Wer die Motive erfahren will, welche die Abgeordneten zum Österreichischen Reichsrat bewogen haben, im Jahr 1883 ein Gesetz zu schaffen, damit die so genannten „Gemeindegründe“ geteilt oder reguliert werden können, der findet in der Regierungsvorlage zum Teilungs- Regulierungs- Reichsgesetz (TRRG 1883), im Bericht des so genannten „Commassionsausschusses“ und in den Debattenbeiträgen  der Abgeordneten eine reiche Quelle.

Diese Gesetzesmaterialien sind ein schlagender Beweis dafür, dass der Verfassungsgerichtshof in seinem Grundsatzurteil zu den Bodenreformmaßnahmen am Gemeindegut aus dem Jahr 1982, VfSlg 9336/1982, von vollkommen falschen Voraussetzungen ausgegangen ist. 

Der Reichs-Gesetzgeber hat ganz bewusst entschieden, dass die diversen Gemeindeordnungen der Länder keine ausreichende Rechtsgrundlage für das so genannte „Gemeindegut“ darstellen. Es sollte allerdings den jeweiligen Ländern überlassen bleiben, ob und gegebenenfalls wann sie sich dieser Auffassung anschließen oder eben nicht. Dies bedeutete: Solange die jeweiligen Landesgesetzgeber kein Teilungs- Regulierungs- Landesgesetz beschlossen haben, blieben und bleiben die Gemeindeordnungen die einzige, einschlägige Rechtsgrundlage für ein so genanntes „Gemeindegut“. (Eindrucksvoll kann dies anhand diverser Gemeindeordnungen nachvollzogen werden.)

In jenen Ländern jedoch, in denen ein Teilungs- Regulierungs- Landesgesetz in Kraft gesetzt wurde, dort sollten grundsätzlich neue Möglichkeiten für den Umgang mit „Gemeindegut“ eröffnet werden: Die Gemeindeordnung sollte zwar weiter als Rechtsgrundlage  für die Behandlung des Gemeindeguts herangezogen werden; dies aber nur so lange, bis eines der neuen „Bodenreformverfahren“ (Teilung, Regulierung, Zusammenlegung) eingeleitet wurde. Dies bedeutet: Die Gemeindeordnung war so lange Rechtsgrundlage, als kein Bodenreformverfahren eingeleitet wurde. Besonders eindrucksvoll ist das in den Erläuternden Bemerkungen zu den Vorarlberger Gemeindeordnungen von 1935 und 1965 dargestellt!

Dort wo die Berechtigten kein Bodenreformverfahren eingeleitet haben und wo auch amtswegig kein Verfahren eingeleitet wurde, ist die Gemeindeordnung das rechtliche Gerüst für die Behandlung und Beurteilung des Gemeindeguts geblieben. Die Gemeinde verwaltet dieses Gut bis zur allfälligen Einleitung eines solchen Verfahrens als „vermutete Eigentümerin“. Dies mit der Besonderheit, dass die Frage der besseren Berechtigung nur im Bodenreformverfahren entschieden werden sollte – was grundsätzlich bis heute Gültigkeit hat. Der historische Gesetzgeber wollte vermeiden, dass die Gemeinden sich einem Zivilgerichtsverfahren stellen müssen, in dem über die Eigentumsfrage entschieden wird. (ausführlich dazu: Agrarbehörde entscheidet über Eigentum)

Für jene Liegenschaften, für die nie ein Bodenreformverfahren eingeleitet wurde, gilt bis heute unverändert: Die Gemeinde verwaltet dieses Gut als vermutete Eigentümerin; dieses „vermutete Eigentum“ könnte nur widerlegt werden in einem Bodenreformverfahren (= Teilungsverfahren, Regulierungsverfahren usw).

Umgekehrt gilt: Dort wo ein Bodenreformverfahren eingeleitet wurde, dort kommt das vermutete Eigentum der Gemeinde auf den Prüfstand! Anhand allgemeiner Rechtsgrundsätze über den Eigentumserwerb wird geprüft, wer der wahre Eigentümer einer Liegenschaft ist, die als ein Gemeindegut bewirtschaftet wird. Die Agrarbehörde ist der gesetzliche Richter, der zu entscheiden hat, wessen Eigentum ein Gemeindegut ist .

Die „wahren Eigentumsverhältnisse“ werden von der Agrarbehörde in aller Regel differenziert und im Einvernehmen mit allen Beteiligten auf der Grundlage eines „Parteienübereinkommens“ festgestellt.  Ein solches Parteienübereinkommen ist ein Vertrag, der bindende Wirkung hat und nur mit Zustimmung aller Parteien geändert werden kann.

Die Fundstellen zu den Gesetzesmaterialien:

Erläuternde Bemerkungen (EB) zur Regierungsvorlage (RV): 43 der Beilagen zu den sten. Prot. des Herrenhauses, IX. Session;
Ausschussbericht (AB): Bericht des Commassionsausschusses, 582 der Beilagen zu den sten. Prot. des Abgeordnetenhauses, IX. Session;
Debattenbeiträge der Abgeordneten: Sten. Prot. des Abgeordnetenhauses des österreichischen Reichsrates, 268. Sitzung der IX Session am 22. Februar 1883, Seiten 9214 bis 9243.

Zum Ganzen siehe auch: „Agrarbehörde entscheidet über das Eigentumsrecht

Übersicht:
I. Aus den EB zur Regierungsvorlage
II. Aus dem Bericht des „Commassionsausschusses“
III. Aus der Debatte der Abgeordneten
IV. Warum dieses Gesetz?
1. Allgemeines
2. Nachbarschaftsgut und Gemeindegut
3. 1870er: Der erste Streit um die Gemeindegründe
4. Das Reichsrahmengesetz vom 7.6.1883 (TRRG 1883)
5. Säumigkeit beim Tiroler Landesgesetzgeber
6. 1909: Das Bodenreformrecht hält in Tirol Einzug
V. Schlussfolgerungen für den Agrarstreit

I. Aus den EB zur Regierungsvorlage


Beispiel 1:

Nummer 43 der Beilagen zu den stenografischen Protokollen des Herrenhauses – IX. Session. Erläuternde Bemerkungen zu den aufgrund allerhöchster Entschließung vom 12. Februar 1880 eingebrachten Gesetzesentwürfen

Seite 33

„Die Bestimmung des § 1 Z 2 des Entwurfes haben die Grundstücke zum Gegenstande, welche als Gemeindegut oder Gemeingut jener Körperschaften oder Klassen benützt werden, die sich als Überreste der alten Agrargemeinde innerhalb der modernen politischen Gemeinde erhalten haben. In der alten Agrargemeinde stand bekanntlich die Teilnahme an der Nutzung des unverteilten Teiles der Gemeindemark (Allmende, Gemeindemark) den Markgenossen, das ist den Besitzern der markberechtigten Hofstätten, zu; dieser „Gemeindenutzen“ wurde anderen Ortsbewohnern, welche keine berechtigten Hofstätten besaßen, nur im Wege der Gestattung und häufig gegen eine bestimmte jährliche Gebühr eingeräumt. Die Markgenossen waren zugleich die Träger des Gesamtrechtes der Gemeinde, welches sich nicht nur in dem Eigentume und der berechtigten Benützung der gemeinen Mark, sondern auch in der Aufteilung und Handhabung der gemeinschaftlichen Wirtschaftsordnung (Flurzwang), und in der periodischen Weidegemeinschaft auf den unverteilten Feldern der Dorfmark äußerte. Andererseits hatten sie aber auch die Verpflichtung, für die Lasten der Gemeinde durch Beiträge aufzukommen, insoweit diese Lasten nicht unmittelbar aus Erträgnissen der gemeinen Mark überhaupt oder durch die Widmung einzelner Teile derselben zu bestimmten Zwecken gedeckt werden konnten.
Zugleich übte die Markgenossenversammlung, teils selbst, teils durch ihre Beamten, die Gerichtsbarkeit, Verwaltung und Polizei aus. Die alte Markgemeinde war also eine privatwirtschaftliche und zugleich öffentlich-rechtliche Gemeinschaft.“

 

Beispiel 2:
Nummer 43 der Beilagen zu den stenografischen Protokollen des Herrenhauses – IX. Session. Erläuternde Bemerkungen zu den, aufgrund allerhöchster Entschließung vom 12. Februar 1880 eingebrachten Gesetzesentwürfen

Seite 34

„Allmählich und namentlich durch den Einfluss des römischen Rechtes mit seiner scharfen Sonderung des Privatrechtes vom öffentlichen Rechte, ging die öffentlich-rechtliche Seite verloren, während zugleich durch die Vermehrung der Bevölkerung, den Zuzug städtischer Elemente und infolge der Entwicklung von Handel und Gewerbe neben den Elementen der alten privatwirtschaftlichen Gemeinde die weitere, moderne, die Gesamtheit der Ortseinwohner umfassende Gemeinde erblühte.

Von diesem Umwandlungsprozesse konnte selbstverständlich das Verhältnis im Betreff der gemeinen Mark nicht unberührt bleiben, da ja der Anspruch auf die Teilnahme am Eigentume und an den Nutzungen derselben genetisch mit der Voraussetzung verbunden war, dass die Anteilsberechtigten die ausschließlichen Träger der öffentlich-rechtlichen Befugnisse in der Gemeinde und der gemeinschaftlichen Lasten seien, während hingegen tatsächlich die öffentlich-rechtlichen Befugnisse allmählich entfallen waren und die Rechtsnachfolger der markberechtigten Genossen zumeist allerdings den fortdauernden ausschließlichen Bezug des „Gemeinde-Nutzens“ beanspruchten und festhielten, die Fortdauer aber ihren Verpflichtungen bezüglich der Gemeindelasten gar nicht mehr oder nur teilweise anerkannten.

Aus dem sich hieraus naturgemäß ergebenden Zwiespalte zwischen diesen, des ursprünglichen Charakters und ihrer früheren inneren Organisation entkleideten Überresten der alten Agrargemeinde einerseits und den anderen Elementen der modernen Gemeinde andererseits, sind die verschiedensten Resultate erwachsen, je nach der größeren oder geringeren Nachgiebigkeit dieser berechtigten Gemeinschaften gegen die Ansprüche anderer auf Mitbenützung des Gemeingutes, nach dem Maße und der Dauer ihres Einflusses in der Gemeindevertretung und nach der größeren oder geringeren Sorgfalt überhaupt, welche zugunsten der Gemeinschaft oder der erweiterten Gemeinde bei katastral- und grundbücherlichen Eintragungen und bei anderen Anlässen angewandt wurde.

Eine ausführliche und lichtvolle Darstellung der geschichtlichen Entwicklung und der heutigen verschiedenartigen Gestaltung dieser Verhältnisse speziell in Niederösterreich enthält der unterm 21. September 1878 vom Referenten des Landesausschusses, Reichsratsabgeordneten Dr. Josef Kopp, dem Niederösterreichischen Landtage hierüber erstatteten Bericht.“

 

II. Aus dem Bericht des „Commassionsausschusses“

 

Beispiel:
582 der Beilagen zu den sten Prot des Abgeordnetenhauses, IX. Session,
Seite 12

„Gegenstand dieser Vorlage ist die Teilung der im § 1 sub a und b bezeichneten Grundstücke, eventuell die Regulierung der gemeinschaftlichen Benützungs- und Verwaltungsrechte an ungeteilt verbleibenden Grundstücken dieser Art.“ …

„Die im § 1 sub b bezeichneten Grundstücke aber sind solche, welche in allen österreichischen Ländern sich als Überreste der alten Agrargemeinde innerhalb der modernen politischen Gemeinde bald unter der Bezeichnung „Gemeindegut“, bald unter der Bezeichnung „Gemeingut“ erhalten haben, und bei welchen die mannigfaltigsten Eigentums- und Nutzungsverhältnisse sich vorfinden.
Die eigentümliche Natur dieser Verhältnisse bringt es nun mit sich, dass deren Ordnung mit sehr bedeutenden Schwierigkeiten verbunden ist, welche zu bewältigen das XVI Hauptstück des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches weder bestimmt ist noch auch vermag. …
Es wird von gut unterrichteter Seite behauptet, dass es noch mehr als eine Million Hektar sogenannter Gemeindegutweiden und Gemeindewaldungen gibt, bei denen die Eigentums- und Nutzungsverhältnisse unklar und strittig sind und deren Verwaltung eine ungeregelte und wüste ist.
Nach einem dem Niederösterreichischen Landtage im Jahr 1878 erstatteten Berichte des Landesausschussreferenten Herrn Dr. Josef Kopp gibt es in Niederösterreich, und zwar bloß in 482 Katastral-, bzw. 340 Ortsgemeinden nicht weniger als 48.044 Joch solcher Gemeindegrundstücke im Werte von 2,429.507 fl und constatiert der Bericht in denselben das Vorhandensein unklarer und streitiger Besitz- und Benützungsverhältnisse.
Diese Verhältnisse haben jedoch nicht bloß nationalökonomische, sondern auch schwerwiegende soziale Nachteile im Gefolge, welche eine Kräftigung der Gemeinden und einen geregelten Gemeindehaushalt geradezu unmöglich machen.
Es ist oben bereits hervorgehoben worden, dass die Bestimmungen unseres Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches weder bestimmt noch auch geeignet sind, in diese Verhältnisse Ordnung zu bringen. …  Die Gemeindegesetzgebung aber enthält über die hierher gehörigen Fragen so wenige und so unzureichende Bestimmungen, dass sie keinen sicheren Anhaltspunkt bieten. …
In allen Gemeindeordnungen – mit Ausnahme jener für Niederösterreich – findet sich wohl die Bestimmung, dass die privatrechtlichen Verhältnisse überhaupt und insbesondere die Eigentums- und Nutzungsrechte ganzer Klassen oder einzelner Glieder der Gemeinde ungeändert zu bleiben haben; allein mit diesem Satze werden die Streitfragen überhaupt nicht gelöst, noch weniger aber wird das Verhältnis der Genossenschaft zu der Gemeinde richtig gestellt.
Die weiteren Bestimmungen der Gemeindeordnungen, das im Bezug auf die Teilnahme an den Erträgnissen und Nutzungen des Gemeindeeigentums und auf das Maß derselben sich nach der bisherigen unangefochtenen Übung zu benehmen ist, ist eben auch nicht geeignet, in die bekanntlich äußerst verworrenen Eigentums- und Nutzungsverhältnisse Klarheit und Ordnung zu bringen, noch weniger aber geeignet, eine rationelle Verwaltung und die möglichst größte Rentabilität herbeizuführen.
Gemeindehutweiden und Gemeindewaldungen sind in den meisten Gemeinden nicht bloß für die Klassen, sondern auch für die Parteien das Streitobjekt, welches, mag der Sieg dieser oder jener Partei zufallen, immer tiefer einschneidenden Eingriffen ausgesetzt wird.“

 

III. Aus der Debatte der Abgeordneten

 

Beispiel 1:
Abgeordneter Dr. Josef Kopp (Niederösterreich)
Seite 9222:

„Ich kann den Herren versichern, dass im Lande Niederösterreich vielleicht augenblicklich kein Gesetz so notwendig ist und so sehr gewünscht und tagtäglich von den Gemeinden erbeten wird, als das vorliegende [Teilungs- Regulierungs- Reichsgesetz 1883] . Die Verwirrung und der Streit haben bereits eine ganz unerträgliche Höhe erreicht; es mehren sich die Frevel, es mehren sich die Fälle, in denen diejenigen, die sich für berechtigt halten, Eingriffe machen, die dann als Diebstahl bestraft werden; kurz es ist eine geordnete Gemeindewirtschaft bei den bisherigen Zuständen gar nicht möglich.

Wenn das Land Galizien wirklich so glücklich ist, Bestimmungen zu besitzen, welche alle diese Streitigkeiten einer geordneten Regelung zuzuführen geeignet sind, wovon ich allerdings heute zum ersten Mal höre – so kann ich dieses Land nur beneiden. Allein bei uns ist es nicht so und soweit ich die Verhältnisse anderer Kronländer kenne, sind mir von den verschiedensten Seiten, auch von Landesausschüssen anderer Kronländer, Mitteilungen zugekommen, welche das ganz Entgegengesetzte beweisen. Vielleicht ist auch diese Ruhe und dieser stille Friede in Galizien nicht ganz wörtlich zu nehmen und vielleicht könnte er auch dort gestört werden wie bei uns.“

Beispiel 2:
Regierungsvertreter Ministerialrat Ritter von Rinaldini,
Seite 9221:

„Der Grund, warum überhaupt dieses Gesetz auch diese Grundstücke, nebst den so genannten Klassenvermögen also auch das Gemeindegut einbezogen hat, ist einfach der, weil nach den Erfahrungen, welche in einer Reihe von Ländern gemacht worden sind, die sehr wagen Bestimmungen der Gemeindeordnung, welche ja bloß auf die unangefochtene Übung hinweisen und eventuell, wo eine solche unangefochtene Übung nicht besteht, Gemeinderatsbeschlüsse als normierend bezeichnen – nicht hinreichend sind.
Schon die einfache Vorfrage, ob ein solches Grundstück ein Grundstück der Gemeinden oder ein Grundstück einer Klasse von Gemeindeangehörigen sein wird, ist ja eine ungemein schwierig zu lösende Frage, und zwar eine Frage, die nicht bloß merital schwierig zu lösen ist, sondern schon dann Schwierigkeiten bietet, wenn man einfach um die Kompetenz frägt, wenn man sicheren Aufschluss haben will, wer eigentlich kompetent sei, in dieser Frage zu entscheiden? …

Diese Unzulänglichkeit der bestehenden Normen der Gemeindeordnung und auch insbesondere was das Gemeinschaftsvermögen betrifft, die vollständige Unzulänglichkeit der Normen des 16. Hauptstückes des bürgerlichen Gesetzbuchs über die Gemeinschaft des Eigentums haben gerade zu gedrängt, eine solche Vorlage zu entwerfen. Eine solche Vorlage wurde begehrt von den Landtagen in Niederösterreich und Krain, wo die sehr wichtige Hutweidenverteilung bereits durch eine lange Reihe von Jahren ohne Erfolg angestrebt wird, in Kärnten, wo zahlreiche Nachbarschaftsgründe eine sehr wesentliche Rolle in der Landeskultur spielen. Schließlich wurde die Notwendigkeit einer solchen Norm auch bei der Behandlung von Bodenkulturfragen des Küstenlandes wahrgenommen. Ich erlaube mir zu bemerken, dass z. B. Kärnten nicht weniger als 380.000 Joch Weideland hat, wovon 150.000 Joch Hutweiden sich in einem solchen gemeinschaftlichen Besitze von Gemeinden, Ortschaften und Nachbarschaften befinden, ein weites Gebiet von welchem der Landtag anerkannt hat, dass, wenn es möglich wäre, aufgrund gesetzlicher Bestimmungen eine bessere Benützung und Verwaltung zu erzielen, ein weit größerer Ertrag erzielt werden könnte.“

Beispiel 3:
Dr. Johannes Zak, Berichterstatter des Commassionsausschusses, Mitglied des Böhmischen Landesausschusses, Advokat und Notar,
Seite 9226:

„Was die Ausführungen des Herrn Regierungsvertreters betrifft, so stimme ich ihm vollkommen bei. Namentlich bin ich seiner Ansicht, wenn er sagt, es sei eigentlich die Vorfrage, was für ein Vermögen es sei, um das es sich im gegebenen Fall handelt, die schwierigste.

Diese Vorfrage wird von den Landesausschüssen und Gerichten verschieden beurteilt und entschieden, ja man kann sagen, es gibt so viele Ansichten, als Entscheidungen. Man hat sehr oft vollen Grund, sich über die Entscheidungen des Landesausschusses und der Gerichte namentlich darüber zu wundern, wem das strittige Vermögen zugewiesen wurde. Wen wir es bei der bisherigen Judikatur der politischen oder Gerichtsbehörden bewenden lassen, werden wir in diese verworrenen Verhältnisse niemals eine Ordnung bringen. Es muss bezüglich dieser Sachen einmal tabula rasa gemacht werden, und es ist hoch an der Zeit, solche Sachen, welche nur den Zwist in den Gemeinden nähren, sobald als möglich aus der Welt zu schaffen.

Was die Gemeindeordnungen und insbesondere die böhmische Gemeindeordnung betrifft, so kann ich in der Tat sagen, dass ich in derselben fast gar keine Anhaltspunkte für die Entscheidung dieser Frage finde. Wenn man sich auf die bisherige unangefochtene Übung beruft und nach dieser entscheidet, so ist das ganz gewiss eine ganz hinfällige Basis.“

Beispiel 4:
Abgeordneter Dr. Gorg Granitsch (Niederösterreich),
Seite 9217:

„Dasjenige Kronland, welches mich in diesen Vertretungskörper gesendet hat und diejenigen Landgemeinden, welche durch mich vertreten werden, haben seit Jahren das dringende Bedürfnis nach einem Gesetze ausgesprochen, durch welches es ermöglicht wird, die Fragen der Regelung der Nutzungsrechte an den Gemeinschaftsgründen, an dem so genannten Klasseneigentume, und eventuell die Teilung dieser Gemeinschaftsgründe zu normieren. Wir, die wir das Bedürfnis anerkennen und glauben, dass dieses Bedürfnis durch das Gesetz befriedigt werde, stehen aber auch auf dem Standpunkt, dass diese Fragen in zweckmäßiger Weise durch die Landtagsgesetzgebung gelöst werden können.
Es ist in der Tat ein großer Unterschied in jedem einzelnen Kronlande bezüglich der in den Gemeinden obwaltenden Verhältnisse und es ist die genaue Erkenntnis derselben notwendig, um diese Fragen in zweckentsprechender Weise zu lösen.
Es werden [im Teilungs- Regulierungs- Reichsgesetz 1883] nur alle Fragen geregelt, welche Eigentumsverhältnisse betreffen. Das Reichsgesetz hat hier nur ausschließlich jene Fragen geregelt, welche in das Gebiet der Justizgesetzgebung fallen; es hat die Teilung der Grundstücke ermöglicht, weil ja dies das Eigentum der einzelnen Gemeinschaften, der einzelnen Nutzungsberechtigten betrifft, sodass es hier wieder mit einer Expropriation [= Enteignung} und ihren Bedingungen zu tun haben; es hat die Fragen geregelt, welche den Realgläubiger betreffen, den Dritten, welcher Rechte an den Grundstücken hat, welche der Teilung unterzogen werden sollen oder bezüglich welcher eine Regelung der Nutzungsverhältnisse stattfinden soll. Wie sehr dieses Gesetz diese Grenzen innehält, zeigt eine Vergleichung seiner Paragrafen mit den Paragrafen des Commassationsgesetzes.
Sowie bei dem Commassationsgesetze, abgesehen von der Organisation der Behörden, nur Eigentumsfragen nämlich die Exproperationsfragen einer Lösung durch die Reichgesetzgebung zugeführt werden sollten, so ist dies auch hier der Fall. Dieses Gesetz schafft erste Voraussetzungen, unter welchen es der Landesgesetzgebung allein möglich ist, zu der ihr zukommenden Lösung der Landeskulturfragen in zweckentsprechender Weise zu schreiten.“


Beispiel 5:

Abgeordneter Dr. Josef Kopp (Niederösterreich),
Seite 9222f:

„Den selbst wenn man mit Zuhilfenahme der vollständig ungenügenden Bestimmungen der Gemeindeordnungen und der einschlägigen Gesetze sich im Landesausschusse bemüht eine halbwegs erträgliche und befriedigende Ordnung herzustellen, so tritt uns eines immer störend entgegen, dass nämlich die Ingerenz der Gerichte in keiner Wiese ausgeschlossen ist, so dass derjenige, welcher mit dem Zustande nicht zufrieden ist, sich an die Gerichte wendet, die dann lediglich nach den Bestimmungen des bürgerlichen Gesetzbuches über gemeinsames Eigentum und nach dem hier sehr ominösen Bestimmungen über die Verjährung und Ersitzung entscheiden, ohne im Entferntesten bei dem besten Willen nur die realen Verhältnisse verstehen und berücksichtigen zu können, und ohne insbesondere die wirtschaftlichen Rücksichten irgendwie walten lassen zu dürfen.

So kreuzen sich denn in den Gemeinden ältere Verordnungen und Entscheidungen der Landesbehörden, neuere Beschlüsse der Gemeinden, faktische Zustände, Entscheidungen des Landesausschusses und verschiedene gerichtliche Entscheidungen, kurz es wird ein Chaos geschaffen. Diesem Chaos soll hier ein Ende gemacht werden, und darum begrüßen wir in einem Falle, wo staatsrechtliche, politische, nationale, provinziale Eifersüchteleien oder Streitigkeiten gar nicht am Platze sind, dieses Gesetz als eine wahre Erlösung.“

Beispiel 6:
Abgeordneter Dr. Josef Kopp (Niederösterreich)
Seite 9223:

„Man will jenes Gut, welches der Gemeinde oder einer Fraktion der Gemeinde gehört, an welchem alle oder einzelne Mitglieder dieser Gemeinde oder Fraktion gewisse Nutzungsrechte haben, aus dem Gesetz ausscheiden?
Wenn sie das tun wollen, scheiden sie lieber gleich das ganze Gesetz aus. Den da liegt ja eben die Quelle dieser unlösbaren Wirrnisse und Streitigkeiten, und welchen Nutzen soll es haben, wenn es heißt: Auf diese Gründe findet eine Anzahl von Paragraphen sinngemäß Anwendung? Es ist dieses immer ein vom juridischen Standpunkte bedenkliches Flickwerk, welches man nur in der Verzweiflung gebrauchen kann. Mit diesem `Sinngemäß´ werden sie den Streit nicht schlichten, sondern ihm neue Quellen eröffnen. Wollen sie also, dass das Gesetz Wirksamkeit habe, so müssen sie es gerade auf diese Grundstücke anwenden, welche als Gemeindegut bezeichnet werden, denn sonst ist es in der Tat zwecklos.“

Beispiel 7:
Abgeordneter Dr. Ritter von Madeyski
Seite 9228 f:

Hinweis: Dr. Ritter von Madeyski war mit großem Engagement gegen die Verabschiedung eines Teilungs- Regulierungs- Reichsgesetzes (TRRG 1883) aufgetreten. Er und seine Mitstreiter wurden jedoch von der Mehrheit überstimmt und das TRRG 1883 war deshalb in Kraft getreten. Aus seinen Debattenbeiträgen wird trotzdem sehr gut deutlich, was der Gesetzgeber wollte. Die von Madeyski für Galizien geschilderten Verhältnisse „am Gemeindegut“ ähneln jenen in Tirol!

„Es ist weiter hingewiesen worden, sowohl von Seiten des Herrn Regierungsvertreters, als auch von Seiten der Herrn Vorredner, dass die Vorfrage bei der Teilung oder Regulierung, also die Frage über den Besitz und das Eigentum des zu teilenden oder zu regulierenden Grundstückes eine Frage sei, deren Lösung gegenwärtig mit außerordentlichen Schwierigkeiten verbunden ist und dass aus diesem Anlasse schon ein Bedürfnis für das vorliegende Gesetz bestehe.

Nun meine Herren, wir glauben Ihnen, dass in dieser Beziehung die Verhältnisse in der Tat in den einzelnen Ländern sich so darstellen, wie die Herren sie uns geschildert haben. Allein der geehrte Abgeordnete Dr. Kopp sagt uns: Beneidenswert sei Galizien, wenn diese Streitfragen daselbst nicht herrschen. Das meine Herren ist ein wichtiges Wort, das hier gesprochen wurde. In Galizien bestehen die geschilderten Streitigkeiten nicht, nun aber wollen sie ein Gesetz schaffen, welches erst derartige Verhältnisse im Lande hervorzurufen geeignet ist. Entgegen dem tiefethisch- sozialen Gedanken, wie er in der damaligen Einrichtung unseres Gemeindewesens sich entwickelt und verkörpert, wollen sie in den Bau, den ungesunden Kern, den ungesunden Gedanken des Gegensatzes zwischen den Interessen der Genossenschaft und denjenigen der Gemeinde durch das Gesetz hineintragen, einzig und allein um diejenigen Missstände hervorzurufen, welche in anderen Ländern bereits herrschen. Das meine Herren, wollen wir nicht. Lassen Sie uns deswegen unser Land wenigstens in dieser so wichtigen Frage verschont!

Bei uns bestehen diese Verhältnisse wenigstens in der Regel nicht. Ausnahmen mag es bei uns geben, in der Richtung, dass in der Tat diejenigen Gemeindeglieder, welche ein Nutzungsrecht an dem Gemeindegute genießen, aus der Nutzung selbst Rechte ansprechen. Die Regel ist diesbezüglich der bei uns so zahlreichen Gemeindehutweiden, was das Eigentum der Gemeinden an den Hutweiden keinem Widerspruche unterliegt. (Seite 9228) Diese Hutweiden erscheinen im Kataster auf den Namen der Gemeinde eingetragen; die Gemeinde bezahlt zum großen Teile die Steuer; alle Teilgenossen der Benützungsrechte anerkennen tatsächlich das ausschließliche Eigentum der Gemeinde. Bei Anlegung der neuen Grundbücher, die bei uns zu Teile vollzogen, zum Teile im Zuge ist, werden Gemeindehutweiden ohne jede Anfechtung als Eigentum der Gemeinden eingetragen. Ich kenne bereits Fälle, in welchen diese Gemeindehutweiden mit den anderen Bestandteilen des Gemeindevermögens oder Gemeindegutes auch schon zur pfandrechtlichen Sicherstellung der Gemeindedarlehen verwendet wurden.

Es gibt also dabei keine Streitfragen, die bestehenden Fragen sind zu lösen von dem ausschließlichen Gesichtspunkte, welchen uns die Gemeindegesetze in dem § 1, den ich vorzulesen die Ehre hatte, und den übrigen korrespondierenden Paragrafen bieten. Denn, und hiebei handelt es sich in erster Linie um die Kompetenz, die autonomen Organe sind verpflichtet und allein berufen, die Regelung der gemeinschaftlichen Benützungsrechte und die Teilung derartiger Grundstücke in jenen Fällen vorzunehmen, in welchen das Eigentum der Gemeinde an diesen Grundstücken keinen Zweifel, keinem Streite unterliegt. Teilung und Regulierung sind ja die Ausflüsse der den Gemeinden vermöge ihrer Autonomie – als Selbstverwaltung aufgefasst – zukommenden Verwaltung desjenigen Vermögens, welches unstreitig der Gemeinde gehört. Und es kann der Gemeinde gegenüber aus dem Anlasse, dass irgend ein gewisser Kreis von Mitgliedern der Gemeinde gewisse Rechte an dem Eigentume ausübt, nicht ein Recht eingeräumt werden, mit Bezug auf die Verwaltung gegen die Gemeinde in Folge ihrer Separatinteressen in Opposition zu treten. (Seite 9228f) Meine Herren! Diese Einrichtung der Gemeinden, die sich in Galizien eingelebt hat, trägt noch den gesunden Charakter ansich, vermöge dessen eine Überordnung der allgemeinen Gesamtinteressen der Gemeinden über den Seperatinteressen der einzelnen Mitglieder obwaltet. Schonen Sie diese Einrichtung, zerstören Sie nicht dieses gesunde Atom des sozialen Baues unseres Landes durch eine derartige Gesetzgebung?“

Weitere Einzelheiten zu den Debattenbeiträgen der Abgeordneten finden sich im Artikel „Agrarbehörde entscheidet über Eigentum am Gemeindegut„.

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IV. Warum ein Teilungs- Regulierungs- Gesetz?
1. Allgemeines

Als im „Kaiserthum Österreich“ die politischen Ortsgemeinden als unterste Staatsebene ins Leben gerufen wurden (beginnend mit dem prov. Gemeindegesetz von 1849), haben die Juristen und Rechtsgelehrten bei der Einrichtung der modernen, politischen Ortsgemeinden die Terminologie des bürgerlichen Rechts zum Vermögensrecht der historischen Nachbarschaften übernommen. Diese Nachbarschaften wurden seit Jahrhunderten „Gemeinden“ genannt; das gemeinschaftliche Vermögen dieser Nachbarschaften wurde „Gemeindegut“ genannt. Und diese Terminologie hat der politische Gemeindegesetzgeber übernommen. (zur historischen Entwicklung des Gemeinderechts: s http://https://recht.agrar-info.at/blog/prov-gemeindegesetz-1849//)

Die Institution dieses „nachbarschaftlichen Gemeindeguts“, das „Gemeindegut“ genannt wurde, lässt sich beispielsweise im Codex Theresianus nachweisen, dem Entwurf für ein Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch von 1756, der Zeit der Kaiserin Maria Theresia. (ausführlich dazu: http://https://recht.agrar-info.at/blog/dass-wenigstens-drei-personen-eine-gemeinde-ausmachen//)

Dadurch, dass die Gesetzgebungspraxis  die für das nachbarschaftliche Gemeinschaftseigentum geprägten Gesetzesbegriffe in das politische Gemeinderecht übernommen hat, wurden große Unterscheidungsschwierigkeiten ausgelöst. (ausführlich dazu: http://www.agrar-info.at/blog/gemeinde-oder-gemeingut/).  Und es wurde eine Entwicklung in Gang gesetzt, welche die Agrargemeinde nach bürgerlichem Recht in das Abseits drängte – überrollt vom Erfolgsmodell der modernen, politischen Ortsgemeinde. (ausführlich dazu: http://https://recht.agrar-info.at/blog/wie-gemeindegut-entstanden-ist//)

Das moderne, politische Gemeinderecht brachte es mit sich, dass die Verwaltung der Gemeinschaftsgüter oft im allseitigen Konsens den Organen der neuen politischen Gemeinden in die Hände gelegt wurde. Diese neuen Gemeindeorgane waren von den Stammliegenschaftsbesitzern dominiert, weil nur die Grundbesitzer das Wahlrecht besaßen. Die nötige Unterscheidung zwischen dem öffentlichen Zwecken gewidmetem Eigentum (Straßen, Kirche, Widum, Schule, Armenhaus, Gemeindehaus usw) und dem gemeinschaftlichen Privateigentum (Gemeinschaftsalm, gemeinschaftliche Heimweide, Gemeinschaftswald), wurde deshalb oft vernachlässigt. (vgl dazu: https://recht.agrar-info.at/blog/ergaenzung-der-go/)

Die Stammsitzeigentümer identifizierten ihre Gemeinschaft mit der neuen politischen „Gemeinde“. Der potenzielle  Konflikt, der sich aus einem „Wahlrecht für alle“ ergeben würde, wurde (verständlich) nicht vorhergesehen.

2. Nachbarschaftsgut und Gemeindegut

Offensichtlich haben sich gerade auch die Tiroler Stammliegenschaftsbesitzer rechtsirrig als „die Gemeinde“ verstanden, wie dies nach historischem Recht für die „Nachbarschaftsgemeinde“ gegolten hat. Weil sich die Stammliegenschaftsbesitzer mit der „Gemeinde“ identifizierten, hatten sie auch wenig Anlass, ihr Gemeinschaftsvermögen aus der modernen Gemeindeverwaltung herauszuhalten. Die „Gemeindeausschüsse“, die ab dem Jahr 1866 in den Tiroler Dörfern auf der Grundlage des Tiroler Gemeindegesetztes 1866  eingerichtet wurden, haben deshalb in aller Regel auch die Verwaltung des Gemeinschaftseigentums der Nachbarn wahrgenommen. Dieses wurde als „Gemeindegut“ verwaltet; dort wo das Gemeinschaftsvermögen auf kleinere Nachbarschaften aufgeteilt war, hat man ein „Fraktionsgut“ angenommen.

Gemeinschaftsliegenschaften wurden in Tirol typischer Weise nicht als ein „Klassenvermögen“ gem § 26 Prov. GemG 1849 bzw § 12 TGO 1866 erkannt, sondern für „Gemeindegut“ oder „Fraktionsgut“ im Sinn des Gemeindegesetzes. Für die Abtrennung des alten Nachbarschaftsbesitzes vom Eigentum der neuen politische Ortsgemeinde wurde in Tirol kaum eine Veranlassung gesehen.

Anders gesagt: In den Tiroler Landgemeinden wurde die neue Zeit und die schrittweise Demokratisierung der Gemeinden – jedenfalls die Vermögensverwaltung betreffend – nicht nachvollzogen. Man hat schlicht nicht verstanden, dass an einem Vermögen, das der Gemeindeöffentlichkeit gewidmet ist (zB Schule, Armenhaus, Gemeindehaus, Feuerwehrhaus) andere Rechtsverhältnisse bestehen, als an demjenigen Vermögen, welches dem wirtschaftlichen Fortkommen der Stammsitzliegenschaften gewidmet war (Alm, Wald und Heimweide).

Die Archive dieser Nachbarschaften, „Gemeindearchive“ genannt, lassen über Jahrhunderte nachvollziehen, wie das jeweilige Nachbarschaftseigentum entstanden ist: Auf Grund Jahrhunderte langer Nutzung und Verteidigung gegen alle Nachbarn haben sich die faktischen Nutzungs- und Besitzverhältnisse durch staatliche Anerkennung zu Eigentum „verdichtet“. Dh: Irgendwann hatte der Staat keine andere Handlungsoption, als die Anerkennung des jeweiligen Gemeinschaftseigentums – in Tirol hauptsächlich im Zuge der so genannten Tiroler Forstregulierung 1847, die auch das Eigentum an den Almen und Auen einbezogen hat.

Richtiger Weise wäre das Nachbarschaftsvermögen vom Eigentum der neuen Ortsgemeinde zu unterscheiden gewesen, weil es seiner Widmung nach zur Nutzung durch die Stammsitzeigentümer diente (zB ein gemeinschaftliches Sägewerk; eine Gemeinschaftswaage, ein Gemeinschaftswald, die Almeinrichtungen, der Almboden als solcher usw).
Unabhängig davon, ob den „Nichtberechtigten“ in bestimmtem Umfang Mitbenützung erlaubt wurde oder nicht – an derartigen Vermögenschaften gibt niemand seine Rechte zu Gunsten „der Allgemeinheit“ bzw zu Gunsten der Gemeindeöffentlichkeit auf. Dies ist in der Praxis leicht daran erkennbar, dass der Kreis der Nutzungsberechtigten ein geschlossener Kreis war. Die faktischen Nutzungshandlungen sind generell der stärkste Ausdruck des Eigentumsrechts; wer eine Liegenschaft nutzt, übt sein Eigentum aus. Ein stillschweigender Eigentumserwerb durch Ersitzung durch die politische Ortsgemeinde als solche ist da nicht möglich.

3. Der erste Streit um die „Gemeindegründe“


a) Königreich Böhmen

In anderen Kronländern führte eine andere Ausgangslage gleich nach Errichtung der modernen, politischen Ortsgemeinden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu völlig anderen Verhältnissen. Während in Tirol der Gemeinschaftswald, die Gemeinschaftsalm und die gemeinschaftliche Heimweide durch den Ausschuss der neuen politischen Ortsgemeinde nach der TGO 1866 verwaltet wurde, entstanden in anderen Kronländern Rechtsstreitigkeiten um „Gemeindegründe“.

So berichtet Karl Cizek in einer Streitschrift aus dem Jahr 1879 von Praktiken im Kronland Böhmen, wonach die Mitglieder der „alten Gemeinde“ [= die bisherigen Nachbarn; die Stammsitzeigentümer] die Errichtung der neuen politischen Ortsgemeinde zum Anlass genommen hätten, die neue politische Ortsgemeinde auf Anerkennung des Eigentumsrechtes an den „Gemeindegründen“ zu verklagen. In die neue politische Ortsgemeinde hätten nämlich zahlreiche neue Gemeindeglieder Aufnahme gefunden, die an der bisherigen Nachbarschaft (und damit am Nachbarschaftseigentum) nicht beteiligt waren. Diese forderten eine Beteiligung an den „Gemeindegründen“, was die Stammsitzeigentümer typischer Weise verweigert haben. Das Zivilgericht sollte deshalb entscheiden und feststellen, dass kein Eigentum der neuen politischen Ortsgemeinde vorlag.

Karl Cizek stellt sich in dieser Streitschrift aus dem Jahr 1879 aus politischen Gründen auf die Seite der neuen Gemeindeglieder.
Die Glieder der Altgemeinde, in Böhmen „Rustikalisten“ genannt, würden das Eigentumsrecht aufgrund Ersitzung für sich in Anspruch nehmen und sie würden von allen Zivilgerichten in Böhmen als wahre Eigentümer anerkannt. Die neuen politischen Gemeinden würden sämtliche Rechtsstreitigkeiten verlieren. Die „Rustikalisten“ würden in der Folge die als ihr Privatrecht erstrittenen „Gemeindegründe“ unter sich aufteilen, weshalb das Gemeindegut verschwinden würde, was Cizek aus ideologischen Gründen ablehnt. Beschwerden gegen diese Praxis und gegen derartige Urteile bei den politischen Behörden seien jedoch erfolglos geblieben.
(Cizek, Der Streit um die Gemeindegründe. Eine verwaltungsrechtliche Studie (Prag 1879); ausführlich zu diesen Streitigkeiten auch Dr. Johannes Zak in seinem Debattenbeitrag im Reichstag 1883 aus Anlass der Beschlussfassung über das TRRG 1883 – dazu sogleich).

Diese Episode böhmischer Gemeindewirtschaft fand sogar in den Debatten der Abgeordneten bei der Beschlussfassung über die drei Agrargesetze des Jahres 1883 ihren Niederschlag: So schilderte der Abgeordnete Dr. Johannes Zak, Berichterstatter des Commassionsausschusses, folgende Begebenheiten: „Kurz vor Eröffnung dieses Sessionsabschnittes habe ich als Kurator einer Gemeinde – ich muss sagen als wirklich zu beklagender Kurator – derartigen gerichtlichen Einvernahmen beigewohnt und was ist dabei konstatiert worden? Alle Gedenkmänner haben gesagt, die Besitzer von Nr. 1 bis Nr. 10 haben diese Gemeindegründe, welche 900 Metz sehr gute Gründe betragen, besessen, benutzt, verwaltet und sich den Nutzen zugeeignet, die anderen in der Gemeinde lebenden Insassen haben darauf keinen Anspruch. Nun ist es wohl voraussichtlich, welchen Erfolg ich eben als Kurator in dem Prozess haben werde. Das Schicksal des Prozesses ist bereits im Vorhinein entschieden und so, meine Herren, geht es in sehr vielen, ja in den meisten Fällen.“ (Sten. Prot. des Abgeordnetenhauses des Österreichischen Reichsrates, IX. Session, Seite 9234).

b) Erzherzogtum Niederösterreich

Auch in Niederösterreich stellten sich bald nach Einrichtung der neuen politischen Ortsgemeinden Streitigkeiten ein, welche den Abgeordneten Kopp, Mitglied des Commassionsausschusses und Mitglied der NÖ Landesregierung, am 22. Februar 1883 im Abgeordnetenhauses des Österreichischen Reichsrates, als über die neuen Agrargesetze debattiert wurde, zu folgender Äußerung veranlassen:

„Ich kann den Herren versichern, dass im Lande Niederösterreich vielleicht augenblicklich kein Gesetz so notwendig ist und so sehr gewünscht und tagtäglich von den Gemeinden erbeten wird, als das vorliegende. Die Verwirrung und der Streit haben bereits eine ganz unerträgliche Höhe erreicht; … kurz es ist eine geordnete Gemeindewirtschaft bei den bisherigen Zuständen gar nicht möglich. … Denn selbst wenn man … sich im Landesausschusse bemüht eine halbwegs erträgliche und befriedigende Ordnung herzustellen, so tritt uns eines immer störend entgegen, dass nämlich die Ingerenz der Gerichte in keiner Weise ausgeschlossen ist, so dass derjenige, welcher mit dem Zustande nicht zufrieden ist, sich an die Gerichte wendet, die dann lediglich nach den Bestimmungen des bürgerlichen Gesetzbuches über gemeinsames Eigentum und nach dem hier sehr ominösen Bestimmungen über die Verjährung und Ersitzung entscheiden, ohne im Entferntesten bei dem besten Willen nur die realen Verhältnisse verstehen und berücksichtigen zu können, und ohne insbesondere die wirtschaftlichen Rücksichten irgendwie walten lassen zu dürfen. So kreuzen sich denn in den Gemeinden ältere Verordnungen und Entscheidungen der Landesbehörden, neuere Beschlüsse der Gemeinden, faktische Zustände, Entscheidungen des Landesausschusses und verschiedene gerichtliche Entscheidungen, kurz es wird ein Chaos geschaffen. Diesem Chaos soll hier ein Ende gemacht werden, und darum begrüßen wir … dieses Gesetz als eine wahre Erlösung.“ Gemeint war das Reichsrahmengesetz betreffend die Teilung gemeinschaftlicher Grundstücke und die Regulierung der hierauf bezüglichen gemeinschaftlichen Benützungs- und Verwaltungsrechte (TRRG 1883), RGBl 1883/94 vom 7.6.1883, die Grundlage aller Flurverfassungs-Landesgesetze der heutigen Bundesländer. (Sten. Prot. des Abgeordnetenhauses des Österreichischen Reichsrates, IX. Session, Seite 9222)

c) Vordenker Julius Weiske

Genauso wenig wie heute in Tirol hatte man in Niederösterreich und in Böhmen 1883 jene Sätze beherzigt, welche Julius Weiske schon im Jahr 1849 den politischen Akteuren ins Stammbuch schreiben wollte: „So wären denn die Gemeinden darüber aufzuklären, wie diese Güter entstanden sind, wie die jetzt bevorzugt erscheinenden Mitglieder die rechtlichen Nachfolger derer sind, welche, als sie die ganze Flur in Besitz nahmen, die jetzt sog. Gemeindegüter ungeteilt ließen, um sie gemeinschaftlich oder nach bestimmt festgesetzten Anteilen für sich zu benutzen.

Dabei muss man in Erwägung ziehen, dass die, welche jene Einrichtung trafen, ebenso gut, wenn es ihr Interesse erfordert hätte, jene ungeteilt gebliebenen Grundstücke sich hätten zuteilen und zu ihren Äckern oder Privatgütern schlagen können. Wäre dies geschehen, so würde niemand behaupten: Da wir jetzt alle wirkliche Gemeindeglieder, gleichberechtigt und gleich verpflichtet, sind, so darf auch kein Mitglied ein größeres Gut, mehr Wald usw. als ein anderes haben; oder: da Einzelne mehr Grund und Boden als Privatgüter in der Gemeinde besitzen als andere, so müssen jene diesen gewisse Teile abtreten. Obige Beschaffenheit der sog. Gemeindegüter hat sich freilich nur in gewissen Gemeinden erhalten, während andere dieser Güter im Laufe der Jahrhunderte mannigfaltigen Schicksalen unterlagen.“
(Julius Weiske, Über Gemeindegüter und deren Benutzung durch die Mitglieder nach den Bestimmungen der neuen Gemeindegesetze, insbesondere in Württemberg, Hessen und Baden, nebst beurteilender Darstellung des neuen österreichischen Gemeindegesetzes, Leipzig 1849, 10)

4. Das Reichsrahmengesetz vom 7.6.1883 (TRRG 1883)

Das Reichsrahmengesetz betreffend die Teilung und Regulierung gemeinschaftlicher Grundstücke (TRRG 1883), RGBl 1883/94 vom 7.6.1883, wollte einem dringenden Bedürfnis in diversen Kronländern entgegen kommen, die Rechtsverhältnisse an Vermögenschaften, zu klären, welche aus der „alten Agrargemeinde“ stammten. So heißt es in den Erläuternden Bemerkungen zum Gesetzesentwurf betreffend die grundsätzlichen Bestimmungen über die Teilung gemeinschaftlicher Grundstücke und die Regulierung der bezüglichen Benützungs- und Verwaltungsverhältnisse ausdrücklich, dass die Bestimmungen des § 1 Z 2 (in der Endfassung lit b) des Entwurfes diejenigen Grundstücke zum Gegenstande haben, welche als Gemeindegut oder als Gemeingut jener Körperschaften oder Klassen benützt werden, die sich als Überreste der alten Agrargemeinde innerhalb der modernen politischen Gemeinde erhalten haben. (43 der Beilagen zu den sten. Prot. des Herrenhauses, IX. Session, 33)

Entsprechend dem Rechtsverständnis des historischen Gesetzgebers hätten sich demnach die „Überreste der alten Agrargemeinde“ unter den Bezeichnungen „Gemeindegut“ oder „Gemeingut“ bei mannigfaltigsten Eigentums- und Nutzungsverhältnissen innerhalb der modernen (politischen Orts-)Gemeinde erhalten – wobei vorauszusetzen ist, dass der historische Reichsgesetzgeber sich bei dieser Äußerung auf den ganzen Bogen der historischen Kronländer der cisleithanischen Reichshälfte bezog.

a) „Commassionsbehörden“ judizieren über „Gemeindegründe“

Der Bericht des Commassionsausschuss setzte als selbstverständlich voraus, dass die für eine Aufteilungsentscheidung zuständige neue Behörde auch „in Betreff der etwa bestrittenen Vorfrage, ob das Grundstück zu den in § 1 bezeichneten Kategorien gehöre, und wer daran eigentums- und nutzungsberechtigt sei,“ zu entscheiden habe.

Warum diese ausschließliche Kompetenz der neuen „Commassionsbehörden“ zur Entscheidung und Regelung aller diesbezüglichen Rechtsverhältnisse für nötig erachtet wurde, zeigt ein Debattenbeitrag des Berichterstatters des Commassionsausschusses Zak: „Wenn wir es bei der bisherigen Judikatur der politischen oder der Gerichtsbehörden bewenden lassen, werden wir hier in diese verworrenen Verhältnisse niemals eine Ordnung bringen. Es muss bezüglich dieser Sachen einmal tabula rasa gemacht werden, und es ist hoch an der Zeit, solche Sachen, welche nur den Zwist in den Gemeinden nähren, sobald als möglich aus der Welt zu schaffen.“ Der historische Gesetzgeber hat sohin die (politisch) gemeinderechtlichen Regelungen für unzulänglich erachtet, um die Rechtsverhältnisse am Vermögen der „alten Agrargemeinden“ rechtskräftig zu entscheiden. (Sten. Prot. des Abgeordnetenhauses des Österreichischen Reichsrates, IX. Session, Seite 9234)

Das Abgeordnetenhaus des Österreichischen Reichsrates genehmigte das TRRG 1883 nach einer durchaus emotionalen Debatte am 22. Februar 1883 in der vom Commassionsausschuss vorgelegten Fassung. Jene Abgeordnetengruppe, welche das Gemeindeeigentum aus der Entscheidungskompetenz der neuen Commassionsbehörden auszunehmen versucht hatte, konnte sich mit ihrem Anliegen nicht durchsetzen. Genau das Gegenteil war der Fall: Gemäß einer im Commassionsausschuss beschlossenen Erweiterung der Regierungsvorlage wurden ausdrücklich auch nicht agrarisch genutzte Vermögenschaften in die Kompetenz der neuen Behörden einbezogen. Es handelt sich dabei um die Regelung des § 2 lit g TRRG 1883, wonach die Landesgesetzgebung zu regeln hätte, ob sich diese Verfahren betreffend Teilung und Regulierung „nur auf Grundstücke oder auch auf andere unbewegliche oder auch auf bewegliche Vermögenschaften“ zu beziehen hätten. (Der betreffende Zusatzantrag lautete wie folgt: „Ausgenommen von den obigen Bestimmungen sind jene das Eigentum einer Gemeinde oder eines Teils derselben bildenden Grundstücke, bezüglich deren die Bestimmungen über die Teilung und Regulierung gemeinschaftlicher Benützungs- und Verwaltungsrechte in den ausschließlichen Wirkungskreis der Landesgesetzgebung gehören“; sten. Prot. des Abgeordnetenhauses des Österreichischen Reichsrates, IX. Session, Seite 9220).

b) Das Vermögen der alten Agrargemeinde

Gemäß den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage hatte die Bestimmung des § 1 lit b TRRG 1883 jene Grundstücke zum Gegenstande, „welche als Gemeindegut oder als Gemeingut jener Körperschaften oder Klassen benützt werden, die sich als Überreste der alten Agrargemeinde innerhalb der modernen politischen Gemeinde erhalten haben“. (43 der Beilagen zu den sten. Prot. des Herrenhauses, IX. Session, 33)

Gemäß § 2 lit g TRRG 1883 sollten für einen umfassenden Ausgleich und zur Erzielung einer insgesamt angemessenen Lösung nicht nur agrarisch genutzte Liegenschaften, sondern auch „andere unbewegliche oder auch bewegliche Vermögenschaften“ in die Regulierungsverfahren einbezogen werden, weil „dieses andere unbewegliche und das bewegliche Vermögen sehr häufig nichts weiter ist, als ein Ersparnis jener Klassenberechtigter, Nutzungsberechtigter, welche damit unter Umständen das Gemeindehaus, die Schule usw. erbaut haben“. (So ausdrücklich der Abgeordnete Kopp, Mitglied des Commassionsausschusses, in seinem Debattenbeitrag, sten. Prot. des Abgeordnetenhauses des Österreichischen Reichsrates, IX. Session, Seite 9223)

Der Commassationsausschussbericht erläuterte speziell zu § 1 TRRG 1883, dass es bei dieser Tätigkeit der Behörde „nicht sosehr um die Auseinandersetzung unter den Genossen selbst, als vielmehr um die Auseinandersetzung zwischen den Genossen einerseits, und den Gemeinden als solchen andererseits“ gehe. (582 der Beilagen zu den sten. Prot. des Abgeordnetenhauses, IX. Session, 13)

Kurz: Mit dem TRRG 1883 sollte in Form eines Reichsrahmengesetzes die Grundlage dafür geschaffen werden, dass die Landesgesetzgebung eine Behörde einrichten konnte, welche in umfassender Weise alle Rechtsverhältnisse am historischen Vermögen der „alten Agrargemeinden“ klären und rechtskräftig entscheiden, insbesondere über das Eigentum an diesen Vermögenschaften und deren Verwaltung absprechen sollte. Dies geschah als Konsequenz daraus, dass man innerhalb der neuen politischen Gemeinden offensichtlich nicht in der Lage gewesen war, die Bestimmungen der § 26 Prov. GemG 1849 bzw § 11 der Regierungsvorlage zu den Ausführungsgesetzen zum Reichsgemeindegesetz 1862 zu vollziehen.

5. Säumigkeit beim Tiroler Landesgesetzgeber

a) Tirol ist anders

Das TRRG 1883 überließ es ausdrücklich den jeweiligen Landtagen, für das betreffende Kronland ein Ausführungsgesetz zu schaffen. Während Mähren (Gesetz vom 13.2.1884, LGBl 31/1884), Kärnten (Gesetz vom 5.6.1885, LGBl 23/1885), Niederösterreich (Gesetz vom 3.6.1886, LGBl 39/1886), Krain (Gesetz vom 26.10.1887, LGBl 2/1888) und Schlesien (Gesetz vom 28.12.1887, LGBl 12/1888) noch im Zeitraum 1884 – 1887 entsprechende Ausführungsgesetze erließen, sah man in Tirol hierfür bis zum Jahr 1908 keinen entsprechenden Anlass für solche Gesetze.

Jene Konflikte innerhalb der neuen politischen Ortsgemeinde, welche in den Debattenbeiträgen im Abgeordnetenhaus des Österreichischen Reichsrates am 22. Februar 1883 beispielsweise für die Niederösterreichischen Gemeinden geschildert werden, waren in Tirol offensichtlich unbekannt – genauso wie gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen den „Altberechtigten“ und der neuen politischen Gemeinde, wie diese in Böhmen gang und gäbe waren.

Der Hintergrund für diese Konflikte ist leicht nachvollziehbar: Die Grundentlastung hatte die auf Großgrundbesitz angesiedelte Bauernschaft zu Eigentümern von Grund und Boden gemacht, wodurch diese den neuen Status als Steuerzahler und damit wahlberechtigte Gemeindeglieder erlangten. Diesen neuen Gliedern der politischen Ortsgemeinde standen Mitglieder der alten Gemeinden gegenüber, welche bis zu diesem Zeitpunkt unter Ausschluss der auf Herrschaftsgütern angesiedelten Bauernschaften als „alte Agrargemeinde“ organisiert waren. Bis zu den Reformen der Jahre 1848ff waren die Dominicalgüter, das heißt der adelige Großgrundbesitz samt der dort angesiedelten abhängigen Bauernschaft, nicht Teil der „alten Gemeinde“. Die Entstehung einer zahlenmäßig starken neuen Mitgliedergruppe hatte in den betroffenen Gebieten das verständliche Bedürfnis der Altberechtigten geweckt, den Gemeinschaftsbesitz für sich abzugrenzen. Schließlich hatte die auf den Herrschaftsgütern (Dominicalgütern) angesiedelte Bauernschaft daran nie teilgenommen.

Ausführlich schreibt darüber Cizek, Der Streit um die Gemeindegründe, 46 ff, der den Konflikt durch Gesetzesänderung lösen wollte, indem den „Domicalisten“, dh den ehemals abhängigen Bauern auf Herrschaftsgütern, aufgrund Übereinkunft der Einkauf in das „Gemeindevermögen“ (gemeint Klassenvermögen der Altberechtigten) gestattet würde (aaO, 53). Walter Schiff bewältigte knapp 20 Jahre später diesen Konflikt in der Form, dass er – entgegen einer eindeutigen Gesetzeslage – das Klassenvermögen einfach der neuen politischen Gemeinde zuordnete; die Stammsitzeigentümer werden bei Walter Schiff einfach enteignet – freilich ohne dass Schiff das ausspricht (Walter Schiff, Österreichs Agrarpolitik, 202). Schiffs späteres Engangment für die kommunistisch-marxistische Bewegung in den 1920er und 1930er Jahren ist hier bereits vorgezeichnet).

b) Glückliches Tirol?

Die Tiroler Verhältnisse unterschieden sich von denjenigen der anderen Kronländer: Vereinfacht ausgedrückt muss man sich sämtliche Tiroler Landgemeinden als „Adelsgut“ des Landesfürsten vorstellen, der aus der Sicht des Jahres 1883 bereits seit Jahrhunderten im fernen Wien ansässig war. Die Tiroler Landesfürsten hatten über Jahrhunderte in Tirol ihre wesentlichen Einnahmen aus den Bergwerken und der Saline bezogen; zur Sicherung dieses Reichtums hatte man einflussreiche Hochadelsgeschlechter als mögliche Konkurrenten um die Landesherrschaft frühzeitig verdrängt. Der Bauernschaft wurde unter dem Gedanken eines „Gleichgewichtes der Macht“ – neben dem Adel, der hohen Geistlichkeit und den Bürgern die Landstandschaft zugestanden.

In Ermangelung großer Adelsgüter mit einer dort lebenden, außerhalb der Gemeinde stehenden Bevölkerung mit landwirtschaftlichem Hintergrund sind Konflikte wie in Niederösterreich oder Böhmen erst gar nicht entstanden. Die nicht landwirtschaftlich orientierten Gemeindeglieder hatten sich mit ihrer Nichtbeteiligung an den Gemeinschaftsliegenschaften der Bauernschaft abgefunden; anderenfalls hätte man beispielsweise 1956 in Lermoos nicht feststellen können, dass die „alte Wagnerwerkstätte“, welche 1799 errichtet worden war, nie mit einem Holzbezugsrecht aus dem „Gemeindewald“ ausgestattet gewesen war.
In Ermangelung neuer Mitglieder in der Gemeinde, welche der angestammten Bauernschaft die Benützung der Gemeinschaftsliegenschaften streitig gemacht hätten, wurden die Gemeinschaftsliegenschaften – unberührt von den Vorgängen im Osten des heutigen österreichischen Bundesgebiets – „innerhalb der Gemeinde“ verwaltet wie in den Jahrhunderten zuvor. Wegen weitestgehender Identität der handelnden Personen und der Nutzungsberechtigten, war diese unter den damaligen Verhältnissen völlig unproblematisch.

Eine Rolle könnte auch der Umstand gespielt haben, dass in Tirol das moderne Grundbuch erst mit bedeutender Verzögerung eingeführt wurde: Kohl, Territoriale Rechtsvielfalt und gesamtstaatliche Rechtsvereinheitlichung in der Habsburgermonarchie: Die Einführung des Grundbuchs in Tirol, in: Christoph Haidacher / Richard Schober (Red), Bericht über den 24. Österreichischen Historikertag in Innsbruck, Innsbruck 2006, 248ff).

6. 1909: Das Bodenreformrecht hält in Tirol Einzug

Am 19. Juni 1909 wurde – 23(!) Jahre nach Erlassung des Reichsrahmengesetzes TRRG 1883 – das Tiroler Gesetz betreffend die Teilung gemeinschaftlicher Grundstücke und die Regulierung der hierauf bezüglichen Benützungs- und Verwaltungsrechte verabschiedet – LGBl 1909/61 (TRLG 1909). Bezeichnend ist, dass nicht etwa eine Initiative des Tiroler Landtages Anlass dafür war. Vielmehr hatte der landwirtschaftliche Ausschuss des Abgeordnetenhaus des Reichsrates am 15. Jänner 1908 die Regierung aufgefordert, die Gesetzesvorlagen über agrarische Operationen in jenen Ländern, in welchen dieselben noch nicht eingeführt waren, den betreffenden Landtagen zu unterbreiten. Irgendwelche Konflikte wegen des gemeinschaftlichen Privatbesitzes der Stammliegenschaftsbesitzer waren in den Tiroler Gemeinden nach wie vor nicht zu Tage getreten. Die Stammliegenschaftsbesitzer, welche die politischen Landgemeinden vollständig dominierten, hatten in vielen Fällen zwischenzeitlich ihren gemeinschaftlichen Privatbesitz in „bester Eintracht“ gemeinsam mit dem öffentlichen Eigentum der politischen Ortsgemeinde den Grundbuchanlegungskommissionen zur Registrierung gemeldet. Ein besonderes Erfordernis, gemeinschaftlichen Privatbesitz von öffentlichem Eigentum zu unterscheiden, wurde in der Regel nicht erkannt.

Bemerkenswert ist, dass weder im Bericht des Agrarausschusses vom 20.10.1908 zu den drei agrarischen Gesetzesvorlagen an den Tiroler Landtag, noch in den Debattenbeiträgen der Abgeordneten zum Tiroler Landtag am 29. Oktober 1908 mit einem Wort davon die Rede ist, dass die neu einzurichtenden Agrarkommissariate auch die Aufgabe haben würden, historisches Eigentum der alten Agrargemeinden vom Eigentum der politischen Ortsgemeinden abzugrenzen.
(Teilungs- und Regulierungs-Landesgesetz, Zusammenlegungs-Gesetz und Gesetz über die Bereinigung des Waldlandes von fremden Enklaven; 404 der Beilagen zu den sten. Berichten des Tiroler Landtages X. Periode, I. Session 1908; Sten. Berichte des Tiroler Landtages, 20. Sitzung der 1. Session der X. Periode, am 29. Okt. 1908)

Die Regulierung des Gemeinschaftseigentums war im Jahr 1908 nur insofern ein aktuelles Thema, als der Zustand der Almweiden beklagt und die Regelung der Verwaltung derselben als besondere vordringlich bezeichnet wurde. Der Ausschussbericht präsentierte darüber hinaus statistische Daten zu den Gemeinschaftsliegenschaften, welche allerdings ausdrücklich als ungenau deklariert wurden, weil die Verhältnisse an den Gemeinschaftsliegenschaften als unsicher erkannt waren. Der Ausschussbericht dazu: „Durch das Teilungsregulierungslandesgesetz wird zweifelsohne eine große Anzahl von Agrargemeinschaften aufgedeckt werden, welche bisher selbst von den hiebei Beanteiligten nicht als solche Rechtsgebilde erkannt worden sind.“ Im Übrigen erwähnte der Ausschussbericht nur am Rande, dass auch das einer gemeinschaftlichen Benützung nach Maßgabe des § 63 der Gemeindeordnung vom 9. Jänner 1866, LGBl Nr 1/1866 unterliegende Gemeindegut einer Regelung bedürftig sei, wofür das neue Gesetz die Grundlage biete.
(Debattenbeitrag des Berichterstatters des Agrarausschusses Schöpfer, Sten. Berichte des Tiroler Landtages, 20. Sitzung der 1. Session der X. Periode, am 29. Okt. 1908, 454 ff; 404 der Beilagen zu den sten. Berichten des Tiroler Landtages X. Periode, I. Session 1908, 4)

§ 3 Abs 2 TRLG 1909 anerkennt ausdrücklich, dass Gemeinschaftsliegenschaften bis zur Regulierung der Verwaltung in körperschaftlich eingerichteten Agrargemeinschaften auch durch die politische Gemeinde verwaltet werden können. Der Landesgesetzgeber genehmigte diese Praxis nicht nur ausdrücklich, er schien vielmehr vorauszusetzen, dass die Verwaltung der Gemeinschaftsliegenschaften zumindest teilweise nach der TGO 1866 zu erfolgen habe bzw in der TGO 1866 geregelt sei: „Die Regulierung der Verwaltungsrechte bezüglich gemeinschaftlicher Grundstücke findet … nur insofern statt, als die Verwaltung … nicht schon durch die Gemeindeordnung … geregelt ist, oder insofern … noch besondere Vorkehrungen zur angemessenen Verwaltung … notwendig erkannt werden.“ Wo die Gemeinschaftsliegenschaften innerhalb der politischen Ortsgemeinde verwaltet wurden, sollte dies auch so bleiben, es sei denn, besondere Vorkehrungen zur angemessenen Verwaltung würden für notwendig erkannt. (§ 3 Abs 2 letzter HS TRLG 1909)

Solange die Stammliegenschaftsbesitzer die politische Gemeinde dominierten, war eben nicht ersichtlich, warum deren gemeinschaftliches Privateigentum in eine anderweitige Organisationsstruktur überführt werden sollte. Bemerkenswert ist darüber hinaus, dass die Regierungsvorlage aus dem Jahr 1908 und der beschlossene Gesetzestext vom 19.07.1909 ausdrücklich auf die Möglichkeit von rechtsirrigen Eigentumseinverleibungen zu Gunsten der (politischen) Gemeinden einging und anordnete, dass diesfalls bei Regulierung der Verwaltung in einer körperschaftlich eingerichteten Agrargemeinschaft die politische Ortsgemeinde nicht mit einem (walzenden) Anteilsrecht zu bedenken sei. (§ 70 Abs 3 letzter TRLG 1909).

V. Schlussfolgerungen  für den Agrarstreit

Als ein wesentliches Ergebnis der Auseinandersetzung mit den Wurzeln des heutigen Agrarrechts ist festzuhalten, dass der Reichsgesetzgeber des Jahres 1883 die Begriffe „Gemeindegut“ und „Gemeingut“ gleichbedeutend für Liegenschaftsvermögen verwendete, welches sich als Überrest der alten Agrargemeinde innerhalb der modernen politischen Gemeinde erhalten habe. (43 der Beilagen zu den sten. Prot. des Herrenhauses, IX. Session, 33)

Das Agrarrecht definierte damit ein Verständnis des  Begriffes „Gemeindegut“, welches ein ganz anderes ist, als der Verfassungsgerichtshof im Jahr 1982 glauben machen wollte. „Gemeindegut“ sei im Gemeinderecht zwingend als das Eigentum einer politischen Ortsgemeinde definiert – so die gesetzesfremde Behauptung des Verfassungsgerichts. Tatsächlich wurde darunter jenes Vermögen verstanden, welches sich auf die „alten Agrargemeinden“ zurückführte, somit – aus der Sicht des politischen Gemeinderechts – „Klassenvermögen“ (§ 26 Prov. GemG, § 12 TGO 1866) darstellte.

Konsequenter Weise hat die Vbg. Landesregierung in ihrer Äußerung im Gesetzesprüfungsverfahren VfSlg 9336/1982 einleitend auf ein unterschiedliches Bild des „Gemeindegutes“ in den Bodenreformgesetzen einerseits und den politischen Gemeindeordnungen andererseits, hingewiesen: Betrachte man die maßgebliche Bestimmung des § 1 Abs. 1 lit. b des Reichsrahmengesetzes vom 7.6.1883 (TRRG 1883), so folge daraus, dass die Bodenreformgesetzgebung offenbar davon ausging, dass die zur Verwaltung des Gemeindegutes berufene Gemeinde nichts anderes sei als die Gemeinschaft der Nutzungsberechtigten, dass das Gemeindegut somit gemeinschaftliches Eigentum der Nutzungsberechtigten und die Nutzungsrechte Ausfluss der Mitgliedschaft an dieser Agrargemeinschaft wären. Dieses Bild von der Rechtsnatur des Gemeindegutes würde sich auch aus der Rechtsprechung des Obersten Agrarsenates ergeben, wenn dieser meine, dass die Gemeindegutnutzungen Rechte an eigener Sache wären. (Beispielsweise Oberster Agrarsenat, 139-OAS/65; Äußerung der Vlbg. Landesregierung im Gesetzesprüfungsverfahren VfSlg 9336/1982, wiedergegeben im Erkenntnis Zu 35, 36 Pkt I Z 4 Abs. 3 und 4)

In dieselbe Richtung ging die Äußerung der Sbg. Landesregierung in diesem Verfahren, wonach in Sbg. im Zuge der Servitutenablösung Waldgrundstücke nicht an einzelne, sondern (formell) nur an ganze „Gemeinden“ abgetreten wurden. Es handle sich aber nicht um Gemeinde-, sondern um Gemeinschaftswälder, sodass später das Eigentum den aus den Nutzungsberechtigten gebildeten Agrargemeinschaften zugesprochen worden sei. Dies sei rechtmäßig erfolgt, weil die Grundflächen als Ablösung für alte Nutzungsrechte aus dem Staatswald übertragen wurden. (Äußerung der Sbg. Landesregierung, wiedergegeben im Erkenntnisteil Zu 35, 36 Punkt I Z 4 Abs. 11 VfSlg 9336/1982)

Sowohl die Vbg. Landesregierung als auch die Sbg. Landesregierung bezogen sich mit diesen Äußerungen klar auf das Eigentum der alten Agrargemeinde, welches streng von demjenigen der politischen Ortsgemeinde zu unterscheiden ist.

Im Begründungsteil des Erk Slg 9336/1982 Punkt III Z 1 Abs. 2 des Erk Slg 9336/1982 setzte sich der VfGH mit diesen Einwänden der Landesregierungen von Vorarlberg und Salzburg auseinander. Der VfGH stellte sich auf den Standpunkt, dass die von der Sbg. Landesregierung beschriebene Erscheinung „der Gemeinde“ als Bezeichnung für die Summe der nutzungsberechtigten Eigentümer im Flurverfassungsrecht ihren Niederschlag gefunden hätte. Diese Erscheinung einer „Agrargemeinde“, die im Flurverfassungsrecht anerkannt sei, wäre jedoch für das Gesetzesprüfungsverfahren betreffend das Gemeindegut als Gegenstand der agrarischen Operation (angeblich) nicht relevant. (VfGH Punkt III Z 1 Abs. 2 Erwägungsteil, VfSlg 9336)

Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. Der Gemeinde als Summe von Nutzungsberechtigten, die in den Flurverfassungsgesetzen ihren Niederschlag gefunden hat, ist selbstverständlich auch ein Gemeindegut zuzuordnen, so wie dies beispielsweise im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch von 1811 vorausgesetzt wird. Dem entsprechend war es grundfalsch, wenn der VfGH sich auf den Standpunkt stellte, ein von der Ortsgemeinde verwaltetes Gemeindegut müsse zwingend ein Eigentum dieser Ortsgemeinde sein.  Wie definierte die Regierung unter Kaiser Franz Josef: „Gemeindegut oder Gemeingut jener Körperschaften oder Klassen benützt werden, die sich als Überreste der alten Agrargemeinde innerhalb der modernen politischen Gemeinde erhalten haben„. (43 der Beilagen zu den stenografischen Protokollen des Herrenhauses – IX. Session. Erläuternde Bemerkungen zu den, aufgrund allerhöchster Entschließung vom 12. Februar 1880 eingebrachten Gesetzesentwürfen, Seite 33)

Der VfGH hat sich im Erkenntnis VfSlg 9336/1982 mit der historischen Entwicklung des Flurverfassungsrechts nicht näher auseinander gesetzt. Dies  ist skandalös, weil grundlegende Methodenvorschriften zur Rechtsanwendung einfach ignoriert wurden (ausführlich dazu: http://www.agrar-info.at/blog/verkenntnis-vfslg-93361982/). Dadurch wurde eine Kette von Rechtsirrtümern befeuert, welche die „Mutter der Verkenntnis“ (Josef Kühne) , das VfGH-Erkenntnis  VfSlg 9336/1982, kennzeichnet.  Wie Theo Öhlinger ausführlich begründete, gibt es den Begriff des „Gemeindeguts“ in mehreren Erscheinungsformen. Eine Variante ist diejenige als Eigentum einer Agrargemeinde. (Ausführlich dazu Öhlinger, Das Gemeindegut in der Judikatur des VfGH, 223 ff; in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler, Die Agrargemeinschaften in Tirol)

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MP

Gemeindegut war kein Gemeindeeigentum

 

 

Gemeinde- oder
Gemeinschaftsgut

Abstract

„Die Unklarheit, ob Gemeindeeigentum und Gemeindelast, ob Gemeinschaft des Eigentums oder Gesellschaftsverhältnis zu Grunde liege […], ist kaum zu lichten, die anzuwendenden Rechtssätze bilden daher ein Hauptobjekt des Streits, und nur allzu oft sprechen in der Brust des Juristen, der den Fall unbefangen prüft, zwei Seelen – für und gegen den Kläger! Für wahr ein arger Mangel der bestehenden Gesetzgebung!“ (Pfaff, Der Codex Theresianus und seine Umarbeitungen, JBl 1884, 186)

Mit diesen Worten beklagte Leopold Pfaff vor rund 130 Jahren – übrigens in dieser Zeitschrift – ein Grundsatzproblem der österreichischen Rechtsordnung. Trotz deren Weiterentwicklung in vielen Jahrzehnten scheint die Verwirrung um das Verhältnis der modernen Ortsgemeinde zu den älteren Gemeinschaftsstrukturen ungebrochen, wie der aktuell in Westösterreich – vor allem in Tirol, aber auch in Vorarlberg – tobende „Agrarstreit“ deutlich macht. (Ausführlich dazu die beiden Sammelbände Kohl ea, Agrargemeinschaften Tirol und Kohl ea, Agrargemeinschaften Westösterreich; Pernthaler, Eigentum am Gemeindegut, ZfV 2010, 375; aus der Judikatur: VfSlg 18.446/2008; 18.933/2009; 19.018/2010; 19.262/2010; jüngst: VfGH 02.10.2013, B 550/2012 ua sowie VwGH 2010/07/0091; 2010/07/0075; 2010/07/0092; 2011/07/0039; 2011/07/0050, alle vom 30.06.2011, uam; siehe ferner Bürgerinitiative 63/BI XXIV. GP; IA 1717/A BlgNR XXIV GP, jeweils samt Begründung und Erläuterungen)

I. Allgemeines

1. Eine uralte Problematik

Das heute in Westösterreich auftretende Problem ist keineswegs neu. Schon 1849 hatte Julius Weiske festgestellt, man wäre „häufig den geschichtlich wohlbegründet gedachten Rechten einer besonderen Klasse der Gemeindemitglieder oder einer sog. Altgemeinde in der politischen Gemeinde nicht günstig gestimmt, und dies großenteils deshalb, weil die Kenntnis der geschichtlichen Entwicklung fehlte, und man von der einmal vorgefassten Meinung ausging: Was den Namen Gemeindegut oder einen gleich viel sagenden führe, müsse auch der ganzen politischen Gemeinde zugehören“. (Weiske, Über Gemeindegüter und deren Benutzung durch die Mitglieder nach den Bestimmungen der neuen Gemeindegesetze, insbesondere in Württemberg, Hessen und Baden, nebst beurteilender Darstellung des neuen österreichischen Gemeindegesetzes, 1849, 14) Dieser Befund lenkt den Blick zunächst auf das historische Nachbarschaftseigentum (die „Altgemeinde“), sodann auf die heutige politische Ortsgemeinde.

Das moderne Privatrecht des 19. Jahrhunderts hat Gemeinschaften der Nachbarn als historische Erscheinungen und rechtliche Akteure vorgefunden. Nach dem ABGB waren sie als „moralische Personen“ gemäß §§ 26 f ABGB zu qualifizieren. (OGH 11.04.1951, 1 Ob 196/51 = JBl 1952, 346 = SZ 24/98; 14.05.1958, 5 Ob 147 = EvBl 1958/273; 05.05.1970, 8 Ob 101/70 = EvBl 1970/326 = JBl 1971, 314; jüngst: 21.12.2011, 9 Ob 35/11d = EvBl 2012/68 = SZ 2011/154; zur „Urbarialgemeinde“: 12.11.1979, 1 Ob 32/79= JBl 1981,148 = SZ 52/165; zur „Marktkommune“: ORK 02.04.1955, Rkv 38 = EvBl 1956/65; vgl schon: OGH 24.06.1936, 3 Ob 347/35, Dilisuna Alpinteressentschaft)

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ging offensichtlich das allgemeine Verständnis für dieses verbandsrechtliche Organisationsmodell verloren. (Raschauer, Rechtskraft und agrarische Operation nach TFLG, in Kohl ea, Agrargemeinschaften Tirol 265 (266 f); vgl Ogris/Oberhofer in Kohl ea, Agrargemeinschaften Tirol 154 ff; Öhlinger/Oberhofer/Kohl in Kohl ea, Agrargemeinschaften Westösterreich 60 ff) „Nachbarschaften“ und andere derartige Phänomene gerieten in den Strudel der Auseinandersetzungen um die Rechtsnatur der juristischen Person: Während die Germanistik von einer Gesamtperson ausging, die als sozialer Organismus (vergleichbar dem Staat) unabhängig von ihrer staatlichen Anerkennung real existierte (Theorie der realen Verbandspersönlichkeit), war die juristische Person für die Pandektistik eine Erscheinung, deren Rechtspersönlichkeit erst durch einen entsprechenden Entschluss der jeweiligen Rechtsordnung fingiert werden musste (Fiktionstheorie). In diesem Sinne entschied sich der Gesetzgeber für eine Anerkennung derartiger Rechtsverhältnisse als Agrargemeinschaft bzw als juristische Person nach öffentlichem Recht. (Öhlinger/Oberhofer/Kohl in Kohl ea, Agrargemeinschaften Westösterreich 60 f; Oberster Agrarsenat 06.10.1958, 245-OAS/58; vgl schon: Hugelmann, Die Theorie der „Agrargemeinschaften“ im österreichischen bürgerlichen Recht, Zeitschrift für Notariat und freiwillige Gerichtsbarkeit 1916, 126ff, 134ff, 144ff, 153f, 159f)

Dessen ungeachtet wurde die Frage, welche Rechtsnatur den „Besitzgemeinschaften der Nachbarn“ zukomme, solange die „körperschaftliche Einrichtung“ der Agrargemeinschaft durch Behördenbescheid (und Satzungsverleihung) nicht stattgefunden hätte, vom OGH noch in mehreren Entscheidungen des 20. Jahrhunderts durch Rückgriff auf die moralische Person gemäß § 26 ABGB beantwortet. (OGH 11.04.1951, 1 Ob 196/51 = JBl 1952, 346 = SZ 24/98; 14.05.1958, 5 Ob 147 = EvBl 1958/273; 05.05.1970, 8 Ob 101/70 = EvBl 1970/326 = JBl 1971, 314; jüngst: 21.12.2011, 9 Ob 35/11d = EvBl 2012/68 = SZ 2011/154; zur „Urbarialgemeinde“: 12.11.1979, 1 Ob 32/79= JBl 1981,148 = SZ 52/165; zur „Marktkommune“: ORK 02.04.1955, Rkv 38 = EvBl 1956/65; vgl schon: OGH 24.06.1936, 3 Ob 347/35, Dilisuna Alpinteressentschaft)

In der Rechtspraxis verzichteten viele Nachbarschaften offensichtlich darauf, neben den Organisationsstrukturen der politischen Ortsgemeinden zusätzlich eine zweite Gemeinschaftsstruktur zu erhalten. Carl Peyrer, seinerzeit k.k. Ministerialrat im Ackerbauministerium, beschrieb dies 1877 als einen „Erosionsprozess“, dem das nachbarschaftliche Gemeinschaftseigentum ausgesetzt sei. (Peyrer, Die Regelung der Grundeigentums-Verhältnisse. Nebst einem Gesetzesentwurf über die Zusammenlegung der Grundstücke, die Ablösung und Regulierung der gemeinschaftlichen Nutzungsrechte und die Ablösung von nach dem Patente vom 5. Juli 1853 regulierten Nutzungsrechten samt Durchführungsverordnung, Formularien und Motivenberichten (1877) 43 ff mit ausführlicher Erörterung der Ursachen hierfür)

Es vollziehe sich in allen österreichischen Ländern der Vorgang, dass das früher allein herrschende Gemeingut, das Gesamteigentum, verschwinde, um dem aus Teilung hervorgegangenen Einzeleigentum oder dem Gemeindevermögen Platz zu machen. (Peyrer, Die Regelung der Grundeigentums-Verhältnisse 51) Einen wesentlichen Grund für diesen Erosionsprozess erblickte Peyrer in einer „kaum glaublichen Sorglosigkeit und einer völligen Unklarheit und Verwirrung in den Bezeichnungen wie in den Begriffen“. (Peyrer, Die Regelung der Grundeigentums-Verhältnisse 46) Sorglosigkeit und mangelndes dogmatisches Differenzierungsvermögen sind angesichts der damaligen sozio-ökonomischen Bedingungen allerdings leicht nachzuvollziehen, wie Albert Mair 1958 betonte. Ein Unterschied zwischen der Realgemeinde, der „Nachbarschaft“, und der politischen Gemeinde hätte sich nicht bemerkbar gemacht, weil sich der Kreis der Gemeindebewohner mit dem Kreis der Nutzungsberechtigten im Wesentlichen deckte. (Mair, Probleme der Regulierung des Gemeindegutes, in Kohl ea, Agrargemeinschaften Tirol 22 f)

Die Unkenntnis von diesen Verhältnissen reichte auch in die Juristenkreise, wie Pfaff schon im Jahr 1884 konstatierte: „Mancher österreichische Civilist, dem die Landpraxis fremd ist, mag nicht wenig erstaunt gewesen sein, aus den niederösterreichischen Landtagsacten zu erfahren, daß ‚die Besitz- und Nutzungsverhältnisse des Gemeindeeigenthumes in zahlreichen Gemeinden ganz unglaublich verworren und unklar‘ sind, daß die uralten Genossenschaften (‚Nachbarschaften‘) noch immer existiren, seit geraumer Zeit aber mit der ‚Gemeinde‘ identificirt werden, daß die Nachbarn, wenn es sich um Gemeindelasten handelt, darauf hinweisen, es seien alle Steuerzahler der Gemeinde die Gemeinde“, gleichzeitig jedoch im Zusammenhang mit den Rechten am „Gemeindevermögen“ behaupten würden: „Die Gemeinde sind wir, die Nachbarn“. (Pfaff, JBl 1884, 185)

Pfaff nahm hier Bezug auf einen Bericht des niederösterreichischen Landesausschusses an den Landtag, worin 1878 das Ergebnis mehrjähriger Ermittlungen in allen niederösterreichischen Gemeinden folgendermaßen festgehalten wurde: „Die alte Organisation der Nachbarschaft ist zertrümmert. Zu einer Zeit entstanden, da Privatrecht und öffentliches Recht noch nicht so begrifflich geschieden waren wie heute, verlor sie im modernen Staate den öffentlichen Character, ohne daß man daran dachte, ihre genossenschaftliche Organisation in Bezug auf ihre Privatrechte zu erhalten. […] Thatsächlich waren die Besitzer gewisser Häuser im Mitgenusse gewisser Grundstücke. […]. Ein Recht […], dessen Ursprung in Vergessenheit gerathen, dessen Titel unauffindbar, dessen juristische Qualität undefinirbar, dessen Grenzen unsicher sind, ein solches Recht musste den Verdacht der Usurpation erwecken, […] das gute alte Recht der Nachbarn erschien als ein Raub an der Gemeinde“. (Bericht des NÖ Landesausschusses, XXVII BlgLT (Nö) V. GP 8)

Dramatisch zeigten sich die Auswirkungen dieser „Unklarheit und Verwirrung in den Bezeichnungen wie in den Begriffen“ bei der Grundbuchsanlegung. (Vgl aus der zeitgenössischen Literatur zB: Amschl, Über die grundbücherliche Behandlung von Wald- und Alpengenossenschaften, Allgemeine Österreichische Gerichts-Zeitung 1893, 49 f; Hoegel, Aus der Grundbuchpraxis, JBl 1885, 592 f; Paris, Die Gemeinschaften (Gemeinden – Nachbarschaften) und die Anlegung der neuen Grundbücher, Zeitschrift für Notariat und freiwillige Gerichtsbarkeit in Österreich 1875/7, 449 f; Pfersche, Die rechtliche Behandlung der bestehenden Agrargemeinschaften, Allgemeine österreichische Gerichts-Zeitung (1894) 129)

Anfang der 1980er Jahre setzte sich die Tiroler Landesregierung mit der dortigen Grundbuchsanlegung auseinander und kam zum Ergebnis: „Bei der Grundbuchsanlegung wurde einmal die Gemeinde, dann wieder eine Nachbarschaft, eine Fraktion, eine Interessentschaft, die Katastralgemeinde oder die Berechtigten als Miteigentümer eingetragen. Es lag allein im Gutdünken des zuständigen Grundbuchsbeamten, welchen Ausdruck er verwendete“. (Stellungnahme der Tiroler Landesregierung im Gesetzesprüfungsverfahren G 35/81, G 36/81 und G 83/81, G 84/81, zitiert nach VfSlg 9336/1982 Punkt I Z 4 der Begründung) Die Ursache für die historischen Missverständnisse brachte der Oberste Agrarsenat in einem Erkenntnis vom 02.06.1951 (66-OAS-1951) auf den Punkt: „Die irrige Eintragung der Gemeinde als Eigentümerin des Gutes ist darauf zurückzuführen, dass zur Zeit der Grundbuchanlegung die alte Agrargemeinde mit der politischen Gemeinde irrtümlicherweise gleichgesetzt wurde“. In Anbetracht eines Wahlrechts zur politischen Gemeindevertretung, das sich teils bis 1918 de facto auf die Grundbesitzer beschränkte, waren die verschiedenen Gemeinden im 19. Jahrhundert auch nicht ohne weiteres als eigenständige rechtliche Konstrukte erkennbar.

2. Die Reaktion des Gesetzgebers

Streitigkeiten in den Gemeinden, ob Eigentum der Ortsgemeinde oder Eigentum der Nachbarschaft vorliege, hatten mehrjährige Erhebungen in allen niederösterreichischen Gemeinden und den erwähnten Bericht des Landesausschusses von 1878 veranlasst. (Bericht des NÖ Landesausschusses, XXVII BlgLT (Nö) V. GP; Referent Dr. Josef Kopp)

Aus dem Befund resultierte die Forderung nach Schaffung eines Reichsgesetzes. Der offenkundigen Notwendigkeit wurde 1883 mit dem Teilungs- und Regulierungs-Reichsgesetz (TRRG 1883) entsprochen. (Gesetz vom 07.06.1883 betreffend die Teilung gemeinschaftlicher Grundstücke und die Regulierung der hierauf bezüglichen gemeinschaftlichen Benützungs- und Verwaltungsrechte (TRRG 1883), RGBl 94/1883) Die überwiegende Anzahl der Kronländer erließ dazu später Ausführungsgesetze. (Markgrafschaft Mähren: 13.02.1884, LGBl 31/1884; Herzogtum Kärnten: 05.06.1885, LGBl 23/1885; Erzherzogtum Österreich unter der Enns: 03.06.1886, LGBl 39/1886; Herzogtum Krain: 26.10.1887, LGBl 2/1888, Herzogtum Schlesien: 28.12.1887, LGBl 13/1888; Herzogtum Salzburg: 11.10.1892, LGBl 32/1892; Herzogtum Steiermark: 26.05.1909, LGBl 44/1909; gefürstete Grafschaft Tirol: 19.06.1909, LGBl 61/1909; Erzherzogtum Österreich ob der Enns: 28.06.1909, LGBl 36/1909 sowie Land Vorarlberg: 11.07.1921, LGBl 115/1921)

Die Bundesverfassung 1920 regelte die Kompetenzen für das „Bodenreformrecht, insbesondere agrarische Operationen und Wiederbesiedelung“ in Art 12 Abs 1 Z 6 B-VG als Bundeskompetenz in den Grundsätzen. 1932 wurde das TRRG 1883 durch das Bundesgesetz vom 02.08.1932 betreffend Grundsätze für die Flurverfassung abgelöst (Bundesgesetz vom 02.08.1932, BGBl 256/1932; wiederverlautbart mit BGBl 103/1951 – FlVerfGG 1951). Dies war Grundlage neuer Ausführungsgesetze in den Ländern. (ZB Niederösterreich: Landesgesetz vom 24.10.1934, LGBl 208/1934; Tirol: Gesetz vom 06.06.1935, LGBl 42/1935)

Mit diesen Normen unterwarf der Gesetzgeber das agrargemeinschaftlich genutzte Eigentum einem speziellen Regelungsinstrumentarium nach öffentlichem Recht. (Pernthaler, Die Rechtsnatur der Agrargemeinschaften, in Kohl ea, Agrargemeinschaften Tirol 257 ff; Pernthaler/Oberhofer,Die Agrargemeinschaften und die „agrarische Operation“, in Kohl ea, Agrargemeinschaften Westösterreich 429 ff) Die Eigentumsverhältnisse sollten nicht nur entschieden werden; es sollte darüber hinaus auch eine reformatorische Gestaltung der Eigentumsverhältnisse unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten erfolgen (Vgl Dr. Josef Kopp, Sten Prot des AH des Österreichischen Reichsrates, IX. Session, Seite 9221 f), wobei man annahm, dass im Zuge dieses Prozesses auch die politischen Ortsgemeinden nicht zu kurz kommen würden. (In diesem Sinn etwa Johann Zak, Berichterstatter des Commassionsausschusses, der davon ausging, dass unter Anleitung der neuen Agrarbehörden im Laufe der Verhandlungen in den meisten Fällen zwischen den Berechtigten und der Gemeinde als solcher ein akzeptabler Vergleich geschlossen würde (Sten Prot des AH des Österreichischen Reichsrates, IX. Session, Seite 9225 f)

II.  Der Streit um die Unterscheidung

1. Politischer Befund

Der aktuelle „Agrarstreit“ in Westösterreich hat keineswegs nur für Tirol und Vorarlberg Bedeutung; das ADV-Grundbuch weist nur für das Land Niederösterreich über 550 Agrargemeinschaften als Eigentümer ehemaliger Gemeinschaftsgüter aus. Diese Erkenntnis lenkt den Blick über die Tiroler und Vorarlberger Landesgrenzen hinaus, wo man bemerkenswerte Bausteine zu einer Rechtsgeschichte der Agrargemeinschaften finden kann.
Eine der Wurzeln des agrargemeinschaftlichen Organisationsrechts in Österreich liegt im eben erwähnten Land Niederösterreich, konkret in Petitionen mehrerer Gemeindebürger von Schrattenberg und Reinthal an den Niederösterreichischen Landtag in der ersten Hälfte der 1870er Jahre. In seiner Sitzung vom 17. Oktober 1874 fasste der Landtag den Beschluss, den Landesausschuss mit eingehenden Erhebungen über die Besitz- und Nutzungsverhältnisse an den Gemeinde- oder Fraktionsgütern zu beauftragen und zu erwägen, ob in dieser Frage besondere gesetzliche Bestimmungen notwendig wären. Als der Landesausschuss dazu nach knapp vier Jahren, im September 1878, schließlich einen Gesetzesentwurf samt erläuternden Bemerkungen vorlegte, beschrieb er „eine Aufgabe von solchem Umfange und solcher Schwierigkeit (…), wie sie ihm bis dahin (…) nie gestellt worden“ sei. Die „glückliche Lösung“ der gestellten Aufgabe würde jedoch „für zahlreiche Gemeinden des Landes eine außerordentliche Wohlthat sein“. (Bericht des NÖ Landesausschusses betreffend die Regelung der Besitz- und Nutzungsverhältnisse des Gemeindeeigentums vom 21. September 1878, XXVII der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des niederösterreichischen Landtages, 5. Wahlperiode)

Dem Landesausschuss war nach eigenem Bekunden bekannt gewesen, dass „die Besitz- und Nutzungsverhältnisse des Gemeindeeigenthums in zahlreichen Gemeinden ganz unglaublich verworren und unklar“ seien. Es wäre „keine Woche“ vergangen, „ohne daß in dieser Beziehung Streitigkeiten an den Landesausschuß gebracht“ worden seien. Trotz dieses vorhandenen Wissenstandes hatte man mittels eines an alle Gemeindevertretungen abgeschickten „Circulars“ umfangreiche Erhebungen gepflogen. Dabei wurden diverse Fragen formuliert: ob und welche Liegenschaften sich in der Gemeinde befänden, die entweder laut Grundbuch der Gemeinde gehörten oder ihr nach dem Kataster zur Besteuerung zugewiesen seien, hinsichtlich derer jedoch die Eigentumsverhältnisse in der Gemeinde strittig wären; wenn ja, von wem diese Vermögenschaften verwaltet würden; wer die Steuern bezahle; von wem die Liegenschaften genützt würden und ob diejenigen, welche die Nutzungen beziehen, dafür etwas Besonderes leisten würden. Schließlich war anzugeben, ob Prozesse hierüber geführt wurden; bejahendenfalls waren die ergangenen Erkenntnisse beizuschließen und schließlich der Wert dieser Vermögenschaften anzugeben. Zu diesem Fragenkatalog sollte der jeweilige Gemeindevorstand im Einverständnis mit dem Gemeindeausschuss Bericht erstatten und – über die Beantwortung der angegebenen Fragen hinausgehend – alles mitteilen, was sonst zur Beurteilung der bestehenden Verhältnisse dienlich wäre. (Bericht des NÖ Landesausschusses vom 21. September 1878, aaO, 1 f )

Die Ergebnisse dieser Umfrage schilderte der Landesausschuss als wenig befriedigend, jedoch keineswegs überraschend, weil „die in Frage stehenden Verhältnisse (…) so verwickelter Natur und so unglaublich unklar“ seien, „daß es den Gemeindevorständen nicht zuzumuthen ist, ohne sehr sachkundige Beihilfe vollständige und klare Berichte zu verfassen“. Das Konfliktpotential, welches mit dem Untersuchungsgegenstand verbunden war (und ist), leuchtete dennoch aus den Berichten hervor: Je nachdem, ob die Besitzenden oder die Nichtbesitzenden den Gemeindevorstand stellten, wären diese Berichte „entweder zurückhaltend oder tendenziös gefärbt“ gewesen; zuweilen hätte der Landesausschuss auch zwei Berichte aus ein und derselben Gemeinde erhalten, wobei einer von der „in dem Gemeindeausschusse dominierenden begünstigten Classe“ stammte, der andere von den Vertretern der Minorität – beide Berichte hätten sich dann vollständig widersprochen. (Bericht des NÖ Landesausschusses vom 21. September 1878, aaO, 3)

Was der niederösterreichische Landesausschuss 1878 für seinen Zuständigkeitsbereich als Erhebungsergebnis festhielt – daraus resultierende gesetzgeberische Konsequenzen scheiterten an der dem Landtag mangelnden Kompetenz im Zivilrecht –, ist rückblickend, wie letztlich auch der aktuelle Tiroler Agrarstreit illustriert, als ein repräsentatives Entwicklungsstadium der Rechtsverhältnisse an den Gemeinde- bzw Gemeinschaftsliegenschaften zu verstehen. Als generelles Phänomen fand es auch Niederschlag in der rechtswissenschaftlichen Literatur.

2. Rechtswissenschaftlicher Befund

Gerade ein Jahr vor dem Bericht des Niederösterreichischen Landesausschusses war eine grundlegende Arbeit von Carl Peyrer v. Heimstätt, k.k. Ministerialrat im Ackerbau-Ministerium, über die Regelung der Grundeigentums-Verhältnisse erschienen, die einen Überblick über die Behandlung des Gemeinschaftseigentums in Preußen und Hessen-Kassel enthielt. (Peyrer, Die Regelung der Grundeigentums-Verhältnisse. Nebst einem Gesetzesentwurf über die Zusammenlegung der Grundstücke, die Ablösung und Regulierung der gemeinschaftlichen Nutzungsrechte und die Ablösung von nach dem Patente vom 5. Juli 1853 regulierten Nutzungsrechten samt Durchführungsverordnung, Formularien und Motivenberichten, 1877)

Peyrer verwies auf große Erfolge in der praktischen Umsetzung der Bodenreform in Norddeutschland, die vor allem mit dem Namen des großen Agrarökonomen Albrecht Daniel Thaer (gest 1826), dem geistigen Vater der preußischen Gemeinheitsteilungsordnung von 1821, verbunden waren. Auch Peyrer selbst legte einen Gesetzesentwurf betreffend die Zusammenlegung der Grundstücke und die Ablösung und Regulierung der Nutzungsrechte samt Motivenbericht vor. Die darin enthaltenen Feststellungen, wonach Genossenschafts- und Gemeindebesitz so durcheinander geworfen würden, dass in den österreichischen Ländern mehr als eine Million Hektar mit völlig unklaren und ungeregelten Eigentumsverhältnissen bestanden, wurden im Bericht des NÖ Landesausschusses als Argument für den dringenden Handlungsbedarf des Gesetzgebers ausdrücklich zitiert. (Bericht des NÖ Landesausschusses vom 21. September 1878, aaO, 12)

Carl Peyrer, der aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit tiefgehende Einblicke in die damaligen agrarischen Verhältnisse in den diversen österreichischen Ländern besaß, berichtete vor allem von Unklarheit und Verwirrung, verbunden mit Sorglosigkeit, wenn es sich darum handelte, „die Eigenthumsverhältnisse bei gemeinschaftlich benutzten Grundstücken anzugeben, selbe in statistische Nachweisungen, in den Steuerkataster, in Gemeinde-Inventare, ja selbst in Erkenntnisse der Behörden, in die Grundbücher, einzutragen, Verfügungen darüber vom Standpunkte des Verwaltungsrechtes zu treffen, Theilungsverhandlungen einzuleiten oder zu genehmigen, die Verwaltung zu regeln oder andere öffentliche Acte darüber vorzunehmen.“

Dafür nannte Peyrer verschiedene Beispiele: Die „Tabellen zur Land- und Forstwirthschaft des Königreiches Böhmen“ etwa würden „den so wichtigen Unterschied zwischen Gemeinde- und Gemeinschaftsvermögen gar nicht“ kennen und beide Kategorien gemeinsam unter der Bezeichnung „Gemeindegründe“ führen. Selbst das „Statistische Jahrbuch des Ackerbauministeriums“ 1874 lasse im zweiten Heft über Forststatistik den Unterschied zwischen Gemeinde- und Gemeinschaftswaldungen kaum erkennen: Nach seinem Inhalt würden in Kärnten nur „Reichsforste“ oder „Privatwälder“ existieren. „Gemeindewälder“ seien dort als Kategorie gar nicht vorgesehen, alle „Nachbarschaftswaldungen“ in Kärnten demnach „den Privatwaldungen gleichgestellt“. Im „Küstenlande und in Dalmatien“ würden dagegen alle gemeinschaftlich benutzten Gründe als „Gemeinde-Eigentum“ ausgewiesen, selbst die gemeinschaftlichen Weiden als „Gemeindeweiden“ eingetragen. Dies stünde in krassem Gegensatz zu den Verhältnissen in Krain, wo man aufgrund von Erhebungen in den Jahren 1869 und 1870 die Überzeugung gewonnen hatte, dass die gemeinschaftlich benutzten Hutweiden kein Gemeindevermögen, sondern ein Gemeinschaftsvermögen bilden. Für die Bukowina konstatierte Peyrer Servituten-Ablösungs-Vorgänge, bei denen die Ablösungsflächen als Ergebnis von Grundlasten-Verhandlungen „nominell an die Gemeinden“ zugeschrieben worden wären. Dazu bemerkte er, dass die Berechtigten nicht die Absicht gehabt haben konnten, „ihre privativen Nutzungsrechte zugunsten der [Orts-]Gemeinde aufzugeben“, was schon daraus ersichtlich sei, dass die einzelnen Berechtigten in den jeweiligen Waldungen ihre Holznutzungsrechte ausübten. Auch hätten die Gemeindevorsteher nicht den mindesten Versuch unternommen, das Ablösungs-Äquivalent der Servitutsberechtigten als ein Gemeinde-Eigentum zu behandeln, somit „andere Gemeindeglieder [als die ursprünglich abgelösten] zum Genusse zuzulassen“. Als aber neue Ansiedler gleiche Rechte am „Gemeindevermögen“ verlangt hatten, wäre Streit darüber entstanden, „ob der Wald nach dem Wortlaut der Urkunden den Gemeinden oder nach der offenbaren Willensmeinung aller Servitutsberechtigten den Gemeinschaften der Letzteren gehöre“. Schließlich wandte sich Peyrer auch Salzburg und Tirol zu und verglich diese mit den Problemfällen in der Bukowina: Wie dort seien auch in anderen Ländern wie eben z.B. in Salzburg und Tirol bei Forstregulierungen und Servitutenverhandlungen, „um das Geschäft leichter abzuwickeln“, die Ablösungs-Äquivalente nicht den Servitutsberechtigten, sondern „der Gemeinde als ein Gemeindevermögen“ zugewiesen worden, „ohne dass diese Rechtsverhältnisse weiter klargestellt wurden“. Die „Äquivalente“ waren jedoch „nach der Summe der privatrechtlichen Nutzungsrechte der einzelnen servitutsberechtigten Güter berechnet“ und hätten daher selbstverständlich weder einen Überschuss für die Gemeinde, noch für andere, bisher nicht servitutsberechtigte Gemeindeglieder abgegeben. (Peyrer, Die Regelung der Grundeigentums-Verhältnisse, 46ff)

Zusammenfassend stellte Peyrer fest: „Wenn nun, wie diese Beispiele zeigen, selbst solche Grundstücke, bei welchen der Rechtstitel zugunsten der Gemeinschaft der Nutzungsberechtigten aus Verhandlungen der neuesten Zeit offen vorlag, mit Verdrängung der Privatrechte zu einem Gemeindevermögen gemacht wurden, so kann es umso weniger befremden, dass die aus der alten Dorfverfassung abgeleiteten Nutzungsrechte der Bauernschaften am Gesamtvermögen ignorirt wurden und daß man jedes Gemeinschaftsvermögen als Gemeindevermögen zu behandeln suchte.“ Nicht minder zahlreich seien aber auch die Beispiele einer entgegengesetzten Behandlung, wo das Streben nach privatem Grundbesitz wirkliches Gemeindevermögen oder Gemeindegut der Ortsgemeinden erfasst hätte und mit Verkennung der Rechte und Bedürfnisse der Gemeinde zu einer vollständigen Verteilung desselben unter die Teilgenossen geführt habe. (Peyrer, Die Regelung der Grundeigentums-Verhältnisse, 47 f )

Die „verwickelte Natur“ und unglaubliche Unklarheit der Rechtsverhältnisse an jenen Liegenschaften, die damals als „Gemeindegüter“ verstanden wurden, war somit, wie Peyrers Überblick belegt, eine generelle Erscheinung in den „österreichischen Erbländern“ – und nicht nur das: Eine schon 1849 erschienene Untersuchung von Julius Weiske zu den historischen Gemeindegütern beweist vergleichbare Probleme im gesamten deutschen Rechtskreis; Weiske legte mit dieser Abhandlung eine dogmatisch tiefgehende, auf rechtsvergleichenden Betrachtungen fußende Auseinandersetzung mit dem Recht der Gemeindegüter vor. Schon einleitend kritisierte er Strömungen, die das Recht auf Nutzung der Gemeindegüter generell als ein politisches, als einen Ausfluss des Gemeindebürgerrechtes und damit als Ausfluss aus dem Eigentumsrecht der politischen Ortsgemeinde ansahen – „obschon ersteres bestand, ehe man vom letzteren etwas wußte“. Die Ableitung des Nutzungsrechtes an den Gemeindegütern aus dem Recht der neuen politischen Ortsgemeinde würde die geschichtliche Entwicklung des Gemeindelebens ignorieren. Es sei deshalb zu beachten, ob die fraglichen Nutzungsrechte „die Natur von wohl erworbenen Privatrechten (…) hätten oder ob sie als bloße Konzessionen der Gemeinde erscheinen.“ (Weiske, Über Gemeindegüter und deren Benutzung durch die Mitglieder nach den Bestimmungen der neuen Gemeindegesetze, insbesondere in Württemberg, Hessen und Baden, nebst beurteilender Darstellung des neuen österreichischen Gemeindegesetzes, Leipzig 1849, 8)

In weiterer Folge erarbeitete Weiske die Anforderungen an den Gesetzgeber und die Gemeinden selbst: „…so erachten wir, dass zuvörderst die Gemeinden selbst über die Natur und Beschaffenheit ihrer Gemeindegüter aufgeklärt werden müssen. Gegenwärtig [1849!] faßt in der Regel jedes Mitglied diese Güter von dem Gesichtspunkte aus auf, der ihm der vortheilhafteste ist. Die z.B., welche kein Vieh halten, sagen, die Gemeindeweide, von der wir keinen Vortheil haben, ist auf andere Weise zu benutzen, sei es zum Besten der Gemeindekasse oder zu dem aller Mitglieder. Sie meinen überhaupt, was einmal Gemeindegut sei, könne, da sie alle Gemeindeglieder seien, nicht zu dem Privatvortheil einer bloßen Classe von Gemeindegliedern verwendet werden. Die Altberechtigten dagegen betrachten die Gemeindegüter, deren Nutzungen sie zeither allein gezogen haben, nicht als Vermögenstheil der neu geschaffenen politischen Gemeinde; sie halten dieselben im Gefühle ihres historischen Rechtes für Güter, die ihnen, den Berechtigten, gemeinsam zustehen, und zwar selbst dann, wenn sie einen gewissen Antheil des Ertrages der Gemeindekasse zufließen lassen.“ Für Weiske stand also schon 1849 außer Zweifel, dass hinsichtlich der Rechtsverhältnisse an den Gemeindegütern umfassender Klarstellungsbedarf bestehen würde: „Häufig sind aber auch die den Gemeinden vorgesetzten Behörden hinsichtlich der Natur der Gemeindegüter mit sich selbst nicht im Klaren. Sie gehen von den römisch-rechtlichen Lehren aus und kennen die historische Bedeutung der Gemeindegüter bei uns nicht.“

Wer nun glaubt, in Österreich hätte die Grundbuchsanlegung hinsichtlich dieser unglaublich verwickelten Problematik Klarheit geschaffen, irrt. Ehrenzweig analysierte die Ergebnisse der Grundbuchanlegung im Zusammenhang mit der Unterscheidung von Gemeinde- und Gemeinschaftseigentum aus der Sicht des Jahres 1923 wie folgt: „Die Einführung der neueren Gemeindeverfassung veranlaßte langwierige Streitigkeiten (…). Es lag nahe, daß die neue politische Gemeinde als Nachfolgerin der Realgemeinde alle Gemeindelasten auf sich nahm, dafür aber auch das Eigentum am Gemeindegut beanspruchte. (…) Bei der Grundbuchsanlegung musste die Eigentumsfrage gelöst werden. Dies geschah nicht immer in klarer Weise und gab Anlaß zu erbitterten Prozessen. In vielen Fällen wurde gemäß den neuen Gemeindeordnungen die gemeinschaftlich benützte Liegenschaft als Eigentum der Gemeinde anerkannt (…). Anderwärts ist es dem geschlossenen Kreise der Nutzungsberechtigten (…) gelungen, der Gemeinde das Eigentum mit Erfolg streitig zu machen. Im Grundbuche wurde dann entweder Miteigentum als Realrecht (…) oder Alleineigentum einer juristischen Person (Agrargenossenschaft) eingetragen.“ (Ehrenzweig, System I/1 (1923), 183 f )

Diese rechtstatsächlichen Feststellungen Ehrenzweigs belegen abermals, dass die Rechtsverhältnisse an den Gemeinschaftsliegenschaften unklar und strittig waren. Bezeichnender Weise gibt allerdings auch Ehrenzweig selbst keinerlei Anhaltspunkte dafür, wie sich die Rechtslage als solche darstellte, wie sie also richtig zu beurteilen gewesen wäre. Seine Ausführungen bestätigen nur ein weiteres Mal den Befund, den schon Pfaff im Jahr 1884 formuliert hatte, dass nämlich die Zivilrechtsliteratur diese Rechtsverhältnisse weitgehend ignoriert hätte: „Mancher österreichische Civilist, dem die Landpraxis fremd ist, mag nicht wenig erstaunt gewesen sein, aus den niederösterreichischen Landtagsakten zu erfahren, daß ‚die Besitz- und Nutzungsverhältnisse des Gemeindeeigenthumes in zahlreichen Gemeinden ganz unglaublich verworren und unklar’ sind, daß die uralten Genossenschaften (‚Nachbarschaften’) noch immer existiren, seit geraumer Zeit aber mit der ‚Gemeinde’ identificirt werden, daß die Nachbarn, wenn es sich um Gemeindelasten handelt, darauf hinweisen, es seien alle Steuerzahler der Gemeinde die Gemeinde“, gleichzeitig jedoch im Zusammenhang mit den Rechten am „Gemeindevermögen“ behaupten würden: „Die Gemeinde sind wir, die Nachbarn.“ (Pfaff, Der Codex Theresianus und seine Umarbeitungen, JBl 1884, 185f )

In diesem Zusammenhang hätte darauf hingewiesen werden können, dass eine Grundbuchseintragung – und sei sie auch im Zuge der Grundbuchsanlegung vollzogen worden – kein Eigentumsrecht konstituiert. „Dingliche Rechte an Liegenschaften entstehen zwar grundsätzlich durch die Eintragung im Grundbuch, aber nur dann, wenn ihnen ein gültiger Titel zu Grunde liegt. Das Grundbuchsanlegungsverfahren kann einen solchen Titel nicht ersetzen. Das Grundbuchsanlegungsgesetz betrifft nur die inneren Einrichtungen der neu anzulegenden Grundbücher; eine im Richtigstellungsverfahren unterlassene Anfechtung hat nur die formelle Rechtskraft einer bei Anlegung des Grundbuches erfolgten Eintragung zur Folge, kann aber den materiell Berechtigten nicht hindern, sein Recht im ordentlichen Rechtsweg geltend zu machen (E 13.Dezember 2001 98/07/0082; OGH 1. Dezember 1965, 2 Ob 407/65; E 14. Dezember 1995, 93/07/0178).“ VwGH 98/07/0082 vom 13.12.2001. – Dieser Grundsatz ist natürlich immer seltener von praktischer Relevanz; die Wahrscheinlichkeit des Erwerbs durch auf den Grundbuchsstand vertrauen dürfende Dritte steigt mit jedem Tag. Doch im aktuellen Agrarstreit gibt es in aller Regel keinen Rechtserwerb durch Dritte.

Wer sich im Zuge der Grundbuchsanlegung faktisch „durchgesetzt“ hatte, ist deshalb für die wahren Eigentumsverhältnisse ohne Bedeutung. Aufgabe der Grundbuchanlegungsbeamten war es gerade nicht, die Eigentumsverhältnisse rechtskräftig, unanfechtbar und endgültig zu klären. Die mögliche Fehlerhaftigkeit des Vollzugsvorganges wurde vielmehr vorausgesetzt und es bestanden und bestehen entsprechende Korrekturinstrumente. (ZB Löschungsklage gem §§ 61 ff GBG) Dass die Grundbuchsanlegung – gerade in Tirol – keine Klarheit hinsichtlich der Rechtsverhältnisse an Gemeinschaftsliegenschaften geschaffen hatte, zeigt nicht nur die eindeutige Äußerung eines langjährigen Leiters der Tiroler Agrarbehörde, sondern auch die amtliche Stellungnahme der Tiroler Landesregierung im Gesetzesprüfungsverfahren VfSlg 9336/1982. (Mair, Probleme der Regulierung des Gemeindegutes, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler (Hg), Die Agrargemeinschaften in Tirol (2010), 23 f: „Dem römischen Recht war der Begriff des gemeinschaftlichen Obereigentums, wie es sich in der Realgemeinde und in der Nutzungsberechtigung der Teilhaber am Gemeinschaftsgebiet darstellt, völlig fremd. … Bei … den mangelnden agrarrechtlichen Kenntnissen der Grundbuchsanlegungskommissäre liegt es auf der Hand, dass die Grundbücher hinsichtlich des Eigentums am Gemeinschaftsbesitz und am Gemeindegut vielfach objektiv völlig unrichtige Eintragungen enthalten.“ Stellungnahme der Tiroler Landesregierung im Gesetzesprüfungsverfahren G 35/81, G 36/81 und G 83/81, G 84/81, zitiert nach VfGH Slg 9336/2982 Pkt I Z 4 der Begründung: „Bei der Grundbuchsanlegung wurde einmal die Gemeinde, dann wieder eine Nachbarschaft, eine Fraktion, eine Interessentschaft, die Katastralgemeinde oder die Berechtigten als Miteigentümer eingetragen. Es lag allein im Gutdünken des zuständigen Grundbuchsbeamten, welchen Ausdruck er verwendete.“)

Immerhin löste die Anlegung der neuen Grundbücher aber eine umfangreiche literarische Diskussion darüber aus, wie denn derartige Gemeinschaftsgüter in den Grundbüchern einzuverleiben seien – sie kann hier nur erwähnt, jedoch keineswegs erschöpfend aufgearbeitet werden. (Paris, Die Gemeinschaften (Gemeinden – Nachbarschaften) und die Anlegung der neuen Grundbücher, Zeitschrift für Notariat und freiwillige Gerichtsbarkeit, 1875, 49 f; Stampfl, Ein Beitrag zur Frage über die Gemeinschaften (Gemeinden-Nachbarschaften) und die Anlegung der neuen Grundbücher, Zeitschrift für Notariat und freiwillige Gerichtsbarkeit, 1875, 97 f; Hoegel, Aus der Grundbuchspraxis, JBl 1885, 591 ff; Reich, Die Alpengenossenschaften und das neue Grundbuch, Zeitschrift für Notariat und freiwillige Gerichtsbarkeit, 1886, 141 ff, 147 ff, 155 ff; Lackenbacher, Über die Rechtsverhältnisse an den für abgelöste Servituten an eine Gesamtheit von Berechtigten abgetretenen Grundstücken, JBl 1886, Nr 29; Dr. S, Über die Realgenossenschaften in Österreich, Zeitschrift für Notariat und freiwillige Gerichtsbarkeit, 1886, Nr 46 – Nr 51; Pitreich, Miteigentum als Realrecht, Allgemeine österreichische Gerichts-Zeitung, 1887, 393 ff, 403 ff, 409 f; Snetiwy, Über den Tabularverkehr bei sogenannten „Nachbarschafts-“ oder „Ortschaftsrealitäten“, Allgemeine österreichische Gerichtszeitung, 1892, 321 f; Amschl, Über die grundbücherliche Behandlung von Wald- und Alpengenossenschaften, Allgemeine österreichische Gerichts-Zeitung, 1893, Nr 7; Pfersche, Die rechtliche Behandlung der bestehenden Agrargemeinschaften, Allgemeine österreichische Gerichts-Zeitung, 1894, 129 ff; Stefan v. Falser, Wald und Weide im Tirolischen Grundbuche (Innsbruck, 1896); Wallner, Wald-, Weide- und Alpengenossenschaften, Allgemeine österreichische Gerichts-Zeitung, 1912, 269 ff. Eine hervorragende Zusammenfassung dieser literarischen Diskussion findet sich bei Hugelmann, Die Theorie der „Agrargemeinschaften“ im österreichischen bürgerlichen Recht, Zeitschrift für Notariat und freiwillige Gerichtsbarkeit in Österreich, 1916, 126 ff; 134 ff, 144 ff, 153 f, 159 f)

Exemplarisch sei ein (für die gegenwärtigen Auseinandersetzungen bemerkenswerter) Befund von Hoegel aus dem Jahr 1885 wiedergegeben, für den sich die Sachlage wie folgt darstellte: „Zu den schon von altersher bestandenen Gemeindeweiden und Waldungen, den einstigen Allmendgütern, kamen später noch Güter gleicher Art, als anläßlich der Servitutenablösung (…) ziemlich allgemein den Servitutsberechtigten als Abfindung (…) das freie Eigenthum an Weide und Wald gegeben wurde (…). Es lag in der Natur der Sache, daß diese Gründe (…) eine physische Auftheilung unter die Berechtigten nicht vertrugen, weil sie zwar als Ganzes, nicht aber in Theile aufgelöst sämtlichen Einzelbedürfnissen genügten (…). In der Mehrzahl der Fälle wurde die Gemeinsamkeit dieser Grundstücke aufrecht erhalten und de facto Weide- und Waldgenossenschaften errichtet und organisirt, indem in der Regel im Wege der Gemeindevorstehung das Maß des den einzelnen Wirthschaften zustehenden Weiderechtes (…), des Beholzungs- und Streurechtes, sowie der allfälligen Pflichten festgesetzt wurde. (…) befremdend muß es erscheinen, daß diese Genossenschaften regelmäßig des Stempels der Legitimität entbehren, daß sie nicht gesetzlich organisirt wurden und wir in ihnen ein Stück Gewohnheitsrecht erblicken (…). So klar diese factische Regelung gegeben war, so unklar waren sich die Juristen darüber, wie dieselbe mit unserem jus scriptum und insbesondere dem Tabularwesen in Einklang zu bringen wäre, eine Unklarheit, aus welcher in aller Stille eine juristische Monstrosität heranwächst.“ (Hoegel, JBl 1885, 592 f)

War man sich in der zivilrechtlichen Literatur im Unklaren, wie denn diese Gemeinschaftsgüter aus der Sicht des neuen Grundbuchswesens zu erfassen wären, so bestand schon gar keine Klarheit darüber, anhand welcher Kriterien die Gemeinschaftsgüter von den Gemeindegütern zu unterscheiden seien. Wissenschaftliche Auseinandersetzungen dazu lassen sich in verschiedenen Ländern bis an die Anfänge des heutigen modernen Gemeindewesens nachweisen. Liest man etwa die Replik Pairhubers aus dem Jahr 1880 auf Hermans Abhandlung aus dem Jahr 1879, so wird deutlich, dass die Auseinandersetzung zwischen der heutigen modernen Ortsgemeinde und der Klasse der „Urhausbesitzer“, wie sie beispielsweise in der Steiermark (Beispiele bei Herman, Das Genossenschaftsvermögen in den Gemeinden, Österreichische Zeitschrift für Verwaltung 1879, 217 ff, 222 ff) und in Niederösterreich in der zweiten Hälfte des 19. Jhdts ausgefochten wurde, im heutigen „Tiroler Agrarstreit“ eine nahezu idente, geradezu kopierte Neuauflage findet. (Grundlegend Weiske, Über Gemeindegüter und deren Benutzung; Bericht des Niederösterreichischen Landesausschusses vom 21. September 1878, aaO; Cizek, Der Streit um die Gemeinde-Gründe, Prag 1879; Herman, Das Genossenschaftsvermögen in den Gemeinden, Österreichische Zeitschrift für Verwaltung 1879, 217 ff, 222 ff; Pairhuber, Über Klassenvermögen in den Gemeinden und Gemeindevermögen, Österreichische Zeitschrift für Verwaltung 1880, Nr 21; S, Über Realgenossenschaften in Österreich, Zeitschrift für Notariat und freiwillige Gerichtsbarkeit in Österreich, 1886, 310 f. Misera, Gemeindegut und Gemeindecommunitäten, JBl 1897, 243 ff; Vgl den Bericht des Niederösterreichischen Landesausschusses vom 21. September 1878, aaO)

Die Argumente, die vorgebracht wurden, um entweder Gemeinschaftseigentum oder Eigentum der neuen Ortsgemeinden zu begründen, scheinen in erster Linie politisch motiviert. Eine juristisch-stringente Argumentation anhand der anerkannten Grundsätze über Eigentumserwerb und Eigentumsverlust fand sich nur in der Abhandlung eines anonymen „Dr. S“ über die Realgenossenschaften in Österreich, publiziert in der Zeitschrift für Notariat und freiwillige Gerichtsbarkeit 1886. Er sprach sich klar gegen die These aus, dass die neue politische Ortsgemeinde in irgendeiner Form von Gesetzes wegen die Rechtsnachfolge in Sachenrechte der historischen „Realgenossenschaften“ angetreten hätte. (S, Über Realgenossenschaften in Österreich, Zeitschrift für Notariat und freiwillige Gerichtsbarkeit in Österreich, 1886, 310 f)

Vermutlich die wichtigste Ursache der Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Gemeinschaftsgüter ist der Umstand, dass die Ausdrücke „Gemeingut“ und „Gemeindegut“ sowohl das Vermögen von (privaten) Nutzungsgemeinden (Realgemeinde, Dorfschaft, Nachbarschaft, Gemeinschaft, Genossenschaft) als auch das Vermögen von politischen Gemeinden bezeichnen konnten. (Peyrer, Die Regelung der Grundeigentums-Verhältnisse, 49) Diese Mehrfachbedeutung der Begriffe war auch schon unmittelbar nach dem Inkrafttreten des Provisorischen Gemeindegesetzes 1849 von Fernand Stamm als besondere Schwierigkeit bei der Verwaltung des Eigentums der neuen Ortsgemeinden hervorgehoben worden. (Stamm, Die wichtigsten Angelegenheiten der Gemeinde (1850) 23 ff: „Die meiste Schwierigkeit wird hier die Trennung des Gemeindevermögens von dem Vermögen einzelner Classen der Gemeindeglieder bieten, weil man es auch Gemeindevermögen nannte (!), ohne daß es diesen Namen im Sinne des G[emeinde-]Gesetzes verdient“. Vgl dazu: Mayer, Politische Ortsgemeinde versus Agrargemeinde, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler (Hg), Die Agrargemeinschaften in Tirol, 195) In diesem Sinne setzte der historische Gesetzgeber des TRRG 1883 (Reichsrahmengesetz vom 7. Juni 1883, betreffend die Teilung gemeinschaftlicher Grundstücke und die Regulierung der hierauf bezüglichen gemeinschaftlichen Benützungs- und Verwaltungsrechte (TRRG 1883) RGBl 1883/94) eine synonyme Verwendung der Begriffe „Gemeindegut“ und „Gemeingut“ durch die Praxis voraus. (582 der Beilagen zu den sten. Prot. des Abgeordnetenhauses, IX. Session, 12) Dennoch ist dogmatisch die zivil-, agrar- und gemeinderechtliche Begriffsbildung streng zu unterscheiden. Dabei zeigt sich jedoch ein bemerkenswerter Verdrängungsprozeß: An die Stelle der unterschiedlich alten, nebeneinander bestehenden Gemeindevorstellungen trat zunehmend eine Dominanz des gemeinderechtlichen (politischen) Gemeindebegriffs, der insbesondere den zivilrechtlichen vergessen ließ. Ursachen und Mechanismen dieser begrifflichen Verengung sind vielfältig, noch nicht umfassend erforscht und können im Folgenden nur exemplarisch gezeigt werden. (Zum zivilrechtlichen Gemeindebegriff Brauneder, Von der moralischen Person des ABGB zur Juristischen Person der Privatrechtswissenschaft, in: Brauneder, Studien II: Entwicklung des Privatrechts, Frankfurt/Main 1994, 159ff, 165; jüngst Kohl, Überlegungen zur „Gemeinde“ der Tiroler Forstregulierung, in: Olechowski / Neschwara / Lengauer (Hg), Grundlagen der österreichischen Rechtskultur. FS für Werner Ogris, Wien-Köln-Weimar 2010. – Mangels Differenzierung zwischen den verschiedenen Gemeindebegriffen (sowie aufgrund mangelnder Analyse des Forstregulierungspatents von 1847) verfehlt Brugger, Die Beseitigung des Gemeindeguts, in: Reinalter (Hg), Anno Neun 1809–2009. Kritische Studien und Essays, Innsbruck-Wien-Bozen 2009, 301 ff)

Die Bevorzugung des politischen Gemeindebegriffs und, damit einhergehend, die Bevorzugung der Annahme eines derartigen Gemeindeeigentums hatte schon Peyrer festgestellt. Aus zeitgenössischer Sicht erklärte er sie wie folgt: Mit Einrichtung der modernen Ortsgemeinde, wodurch diese als selbständige Staatseinrichtung in den Vordergrund trat „und vom Staate sowie von den höheren autonomen Organen begünstigt wurde, genügte oft schon der bloße Name, um das Vermögen der Nutzungsgenossenschaft ganz der politischen Gemeinde zuzuweisen“. (Peyrer, Die Regelung der Grundeigentums-Verhältnisse, 49) Dazu kam, soweit Wälder betroffen waren, eine forstrechtliche Sonderstellung der „Gemeindewaldungen“: Das historische Forstgesetz hätte die Teilung von Gemeindewaldungen verboten, während bei Gemeinschaftswaldungen ein solches Verbot nur dann bestanden hätte, wenn sie aus Servitutenablösung gemäß Patent vom 5. Juli 1853 entstanden waren. (§ 31 Servitutenregulierungspatent 1853) Wegen der Schädlichkeit von Naturalteilungen hätten die Behörden lieber „Gemeindewaldungen“ angenommen, um mit dem dadurch auferlegten Teilungsverbot das Interesse der Forstkultur zu wahren. Einen weiteren Grund für die Behandlung von Gemeinschaftswaldungen als „Gemeindewaldungen“ erblickte Peyrer in den Gemeindeordnungen: Sie hätten Regeln über die Verwaltung des Gemeindevermögens und damit über die Behandlung der Gemeindewaldungen enthalten, während es anderenfalls an jeder gesetzlichen Normierung mangelte. Es schien daher begreiflich, dass die Landesausschüsse solche Liegenschaften im Zweifel lieber als Gemeindegründe behandelten, um durch die Anwendung des Gemeinderechts Ordnung herzustellen. Auch die Katasterämter hätten die Gemeinde vor der Genossenschaft begünstigt, „da es leichter und bequemer ist, die Steuern von der Gemeinde einzuheben“. Dies schlage auf die Grundbücher durch, da man bei deren Anlegung den Steuerkataster zur Richtschnur nehmen würde. All dies erschien „begreiflich“, weil „die Gemeinde wohlorganisirt, begünstigt von der Staatsgewalt (…), der äußerlich kaum mehr erkennbaren, jeder gesunden Organisation und Vertretung baren Nutzungsgenossenschaft“ entgegentreten sei. (Peyrer, Die Regelung der Grundeigentums-Verhältnisse, 49ff)

Das treffende Resümee Peyrers ist es wert, zitiert zu werden: „So vollzieht sich in allen österreichischen Ländern, von der Wissenschaft und im Leben kaum beachtet, einer der merkwürdigsten socialen Processe, durch welchen fast das gesamte Grundeigenthum eine Umgestaltung erleidet. Von zwei Seiten angegriffen, verschwindet nach und nach das alte, früher alleinherrschende, noch vor einem Jahrhundert weitaus überwiegende Gemeingut, das Gesammteigenthum, um auf der einen Seite durch vollständige Auftheilung unter die einzelnen Gemeindeglieder dem Privateigenthum, auf der anderen Seite dem Gemeindevermögen Platz zu machen.“ (Peyrer, Die Regelung der Grundeigentums-Verhältnisse, 51)

Der eingangs zitierte Bericht des niederösterreichischen Landesausschusses von 1878 brachte diese Entwicklung noch dramatischer zum Ausdruck, wenn er feststellte, dass „die alte Organisation der Nachbarschaft (…) zertrümmert“ war, weil die Nachbarschaft im „modernen Staate“ ihren „öffentlichen Charakter“ verloren hätte, „ohne daß man daran dachte, ihre genossenschaftliche Organisation in Bezug auf ihre Privatrechte zu erhalten“. Die „Gemeinde“ erschien jedoch „in allen Urkunden als Eigenthümerin und „so beerbte die moderne Gemeinde ihre Mutter, die Nachbarschaft, ohne daß letztere gestorben wäre.“ (Bericht des NÖ Landesausschusses vom 21. September 1878, 8)

In den hier skizzierten Überlegungen wird erkennbar, wie der vermeintliche Siegeszug der politischen Ortsgemeinde, ihres Gemeindegutes und ihres Gemeindebegriffes in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus dem Zusammenwirken vieler unterschiedlicher Faktoren resultierte. Ein weiterer, von den Zeitgenossen nicht erwähnter Grund liegt vermutlich darin, dass die Theorie der juristischen Person in Österreich erst durch die pandektistische Rechtswissenschaft der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelt wurde. Vor diesem Hintergrund erklärt sich Raschauers Befund, dass dem Institut der „Realgemeinde“, der Realgenossenschaft, der „Nachbarschaft“, der „Interessentschaft“ – wie auch immer die „moralische Person“ im Sinn §§ 26 f ABGB im konkreten Fall bezeichnet wurde – heute „kein allgemein anerkanntes verbandsrechtliches Organisationsmodell“ entspricht. Die Grundlage dafür wurde bereits in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts gelegt, indem die vom ABGB zur Verfügung gestellte moralische Person verdrängt wurde.

 3. Praktischer Befund

a. Allgemeines

Angesichts der Zweifel und Unklarheiten, vor die sich die Rechtswissenschaft gestellt sah, erstaunt es nicht, dass die unmittelbar Betroffenen das Problem der Unterscheidung ihres gemeinschaftlichen Privateigentums vom Gemeindegut als dem Eigentum der neuen Ortsgemeinde vielfach gar nicht erkannten. Doch selbst wenn sie dies taten, so wurde doch die Organisation dieses Vermögens in einem „anerkannten Verbandsmodell“ zum Problem. So konstituierte sich die „Leobener Wald- und Wirtschafts-Realgemeinschaft“ aufgrund des Vereinspatens 1852 als „Verein“, im Außerfern wurden zur Verwaltung der überörtlichen Realgemeinden „Pfarrausschüsse“ geschaffen, in Rattenberg organisierte sich eine solche Gemeinschaft unter der Bezeichnung „Lehensassengenossenschaft“. Häufiger war die Konstituierung von „Wald-Interessentschaften“ wie etwa in Volders, in Igls, in Lans oder in Mutters.
(E Oberster Agrarsenat vom 2.10.1963, 323-OAS/63; beispielsweise für die Großpfarre Praytenwang (Breitenwang) oder die „Fünförtliche Pfarrgemeinde Wängle-Aschau“; vgl Oberhofer, Von der Gemeinde zur Agrargemeinschaft, aaO, 71; Grass, Die alte Großpfarre Breitenwang in Tirol und ihre Aufteilung, FS Karl Haff (1950), 79; dazu auch Wörle, Die mittelalterlichen Großpfarren im Raum des heutigen Außerfern, Außerferner-Buch, Schlernschriften 111 (1955), 77 ff. Das Grundbuchanlegungsprotokoll Nr 1 KG Radfeld, Ez 1 II, vom 9. November 1920, bemerkt lapidar: „Eigentümer ist aufgrund Ersitzung die Lehensassengenossenschaft Rattenberg und Radfeld, bestehend aus folgenden Mitgliedern …“; es folgt eine Aufzählung von 66 Mitberechtigten zu unterschiedlichen Anteilen. Vgl den Antrag der 66 Haus- und Gutsbesitzer von Volders vom 24. März 1950 auf Errichtung einer Agrargemeinschaft, Akt III b1 -01/1 des Amtes der Tiroler Landesregierung und weitere Feststellungen im Akt dazu. Die „Igler Waldinteressentschaft“ wurde im Jahr 1885 zur Verwaltung des Gemeinschaftsvermögens gegründet und deren Statuten am 14.10.1885 vom Gemeindeausschuss der damaligen politischen Ortsgemeinde Igls anerkannt; im Zuge der Grundbuchanlegung wurde zu deren Gunsten „Nutzungseigentum“ am Gemeinschaftsgebiet vorgetragen in EZ 215 II KG Igls einverleibt; dies bei gleichzeitiger Einverleibung von „Obereigentum“ zu Gunsten einer „Gemeinde Igls“. Mit Eingabe an das Bezirksgericht Innsbruck, eingelangt am 21. Oktober 1900, TZ 2056, beanspruchte eine „Wald-Interessentschaft Lans – allerdings vergeblich – nach dem Vorbild der Igler Waldinteressentschaft die Einverleibung von Nutzungseigentum zu ihren Gunsten ob der Liegenschaft in Ezl 35 II KG Lans. Eine Mutterer Wald- und Alpinteressentschaft beantragte ua Anfang des Jahres 1920 beim Agrarkommissariat in Innsbruck die Rodung der Gp 297 KG Mutters unterhalb des Gärberbaches; dies in der Absicht dort Schrebergärten anzulegen; zu Zl 231/7 wurde der Interessentschaft seitens des Agrarkommissariats unter dem 12. April 1920 beschieden, dass eine Rodung nur zur Anlage von Wiesen bewilligt würde)

Der grundsätzliche Mangel einer „anerkannten“ Organisation wurde in den meisten dieser Fälle freilich nicht behoben. Es kann daher nicht verwundern, dass die historischen Akteure für „nicht regulierte Agrargemeinschaften“ lieber nicht bloß als „Stellvertreter“ (im Sinne des § 867 ABGB) für eine private „moralische Person“ (§ 26f ABGB) auftraten (die von der Rechtswissenschaft gerade zugunsten einer straffer organisierten juristischen Person aufgegeben worden war), sondern sich in allen amtlichen Vorgängen eher als Träger politischer Ämter in der jeweiligen politischen Ortsgemeinde legitimierten: So trat beispielsweise ein Einschreiter für die Wald-Interessentschaft Volders 1871/1872 gegenüber der Servitutenregulierungsbehörde als Gemeindevorsteher von Volders auf. (LAS Tirol vom 19.08.2010, LAS -1025/5-10) Noch häufiger scheint jedoch das gänzliche Fehlen einer eigenständigen Organisation der „alten Nachbarschaft“ und die Verwaltung der Gemeinschaftsliegenschaften durch die Organe der Ortsgemeinde, wie dies Albert Mair für die Tiroler Verhältnisse und der Bericht des niederösterreichischen Landesausschusses jedenfalls für Niederösterreich generell voraussetzten. Eine „Art“ historischer „Verwaltungsgemeinschaft“ der „alten Agrargemeinde“ und der neuen Ortsgemeinde wurde auch im Erkenntnis des Obersten Agrarsenates zur Marktgemeinde Ysper (Niederösterreich) angenommen und mit der weitgehenden Deckungsgleichheit des Mitgliederkreises erklärt. (Oberster Agrarsenat vom 6. Oktober 1956, 245-OAS/58: „Es mag angenommen werden, dass es für gewisse Zeit für die politische Gemeinde und die Realgemeinde eine Art Verwaltungsgemeinschaft gegeben hat. Dies ist verständlich, da der Mitgliederkreis dieser beiden rechtlich verschiedenen Körperschaften sich damals noch weitgehend gedeckt haben dürfte.“) Dogmatisch richtiger wird es sein, für die historische Vergangenheit von einer stillschweigenden Beauftragung auf privatrechtlicher Grundlage auszugehen; die Gemeindeordnung wäre als lex contractus dieser Beauftragung zu Grunde gelegt.

Die Tiroler Praxis unterstellte also eine gesetzliche Vertretungskompetenz der politischen Ortsgemeinde für die nicht regulierte Agrargemeinschaft (LAS Tirol, Erkenntnis LAS-115/3-79 vom 13.6.1979 (Regulierung des „Gemeindegutes“ von Höfen): „Nach der Bestimmung des § 34 Abs 1 TFLG 1978 bildet die Gesamtheit der jeweiligen Eigentümer der Liegenschaften, an deren Eigentum ein Anteilsrecht an agrargemeinschaftlichen Grundstücken gebunden ist (Stammsitzliegenschaften) einschließlich jener Personen, denen persönliche walzende Anteilsrechte zustehen, eine Agrargemeinschaft. Nach Abs 3 dieses Paragraphen sind Agrargemeinschaften Körperschaften öffentlichen Rechts. Diese Bestimmungen waren schon im Jahr 1958 inhaltsgleich nach dem damals geltenden Flurverfassungslandesgesetz von 1952 in Geltung. Ebenso bestand schon damals die Rechtslage, dass diese ‚Kraft-Gesetzes-Agrargemeinschaften’ ohne Satzungsverleihung durch die Agrarbehörde, worin eine anderslautende Regelung erfolgen hätte können, nur die Gemeinde verwaltet, d.h. durch den Gemeinderat handlungsfähig war. Der Gemeinde war und ist auch heute noch bei unregulierten Agrargemeinschaften die Verwaltung dieser Körperschaften übertragen (§ 82 TGO: Die Gemeinde hat die Nutzungsbezüge zu überwachen und für eine reibungslose und zweckmäßige Ausübung der Nutzungen zu sorgen).“

Dies freilich nicht bloß in jenen Fällen, in denen eine Agrargemeinschaft auf Liegenschaftseigentum der politischen Ortsgemeinde bestand, sondern gerade auch dann, wenn Eigentum der Agrargemeinschaft angenommen wurde, das missverständlich als „Gemeinde-“ bzw „Fraktionsgut“ erfasst worden war. Bezeichnend ist etwa das Regulierungsverfahren der Agrargemeinschaft Gaicht: Während des laufenden Regulierungsverfahrens, das unter anderem mit der rechtskräftigen Feststellung des Eigentumsrechts zu Gunsten der Agrargemeinschaft Gaicht abgeschlossen wurde, ergab sich hier das Erfordernis rechtsgeschäftlicher Vertretung für die Gemeinschaftsliegenschaften in einem Bauverfahren. Dazu erklärte die Agrarbehörde 1. Instanz, dass „die Verwaltung des Gemeinschaftsgebietes weiterhin der Gemeinde Weissenbach“ obliege, und zwar bis zur Rechtskraft des Regulierungsplans. (AGM Gaicht mit Liegenschaften in Ez 137, 143 und 146, jeweils II KG Weissenbach, Amt der Tiroler Landesregierung AgrB-R625)

An diesem Beispiel zeigt sich, wie naheliegend es für die Rechtspraxis war, alle „bei der Ortsgemeinde verwalteten Gemeinschaftsliegenschaften“ unter dem Begriff „Gemeinde-“ bzw „Fraktionsgut“ zu erfassen; andernfalls wäre die Legitimität jahrzehntelanger Vertretungs- und Verwaltungshandlungen in Frage gestellt gewesen. Die historischen Tiroler Agrarjuristen haben – und das sollte bei der Analyse ihrer Bescheide beachtet werden – den Begriff „Gemeinde-“ und „Fraktionsgut“ nicht (bzw nicht nur) zur Bezeichnung von Eigentum der Ortsgemeinde verwendet, sondern auch zur Erfassung der unregulierten Agrargemeinschaft: „Quasi-Erbschaft“ der Ortsgemeinde im Verhältnis zur „alten Agrargemeinde“ hätte zur Agrargemeinschaft geführt, die körperschaftlich einzurichten und zu reorganisieren sei. Mit dieser Theorie wurde das Faktum einer fehlenden Vertretungsstruktur kompensiert: Die Subsumtion der unregulierten Agrargemeinschaft unter den Begriff des „Gemeindegutes“ bzw des „Fraktionsgutes“ schien die historisch gewachsenen Verhältnisse zu erklären, in deren Rahmen Organe der Ortsgemeinde als Vertretungs- und Aufsichtseinrichtung aufgetreten waren.

b. Aufgabe der Agrarbehörde und Gemeindebegriff im Agrarrecht

Die Agrarbehörden waren unter anderem dazu geschaffen worden, die diffizilen Unterscheidungen zwischen Gemeinde- und Gemeinschaftseigentum nachzuvollziehen und festzustellen, wer wahrer Eigentümer einer agrarisch genutzten Liegenschaft war oder heute ist. (§ 38 Abs 1 TFLG 1996; vgl bereits die gleichlautende Regelung in § 38 Abs 1 TFLG 1935) Diese Kompetenz sollte unabhängig davon gelten, wie die betreffende Liegenschaft zuvor behandelt worden war, ob also die Beteiligten Gemeinschaftsgut oder Gemeinde- bzw Fraktionsgut angenommen hatten. Die Entscheidungskompetenz der Agrarbehörde ist und war also eine „distinktive“ (Pernthaler, Eigentum am Gemeindegut – Ein verfassungsrechtliches Feststellungs- und Restitutionsprojekt, ZfV 2010, 377), dh die Agrarbehörde hatte zu prüfen, ob die agrargemeinschaftlich genutzte Liegenschaft im Eigentum der politischen Ortsgemeinde, der Summe der Nutzungsberechtigten oder eines Dritten steht. Unter Ausschluss der Zuständigkeit von Gerichten und anderen Behörden entschied die Agrarbehörde über strittige Eigentumsrechte an agrargemeinschaftlichen Grundstücken. Mit der rechtskräftigen Entscheidung der Behörde über die Eigentumsfrage war bzw ist der jeweils festgestellte Eigentümer zivilrechtlicher Eigentümer im Rechtssinn (Raschauer, Rechtskraft und agrarische Operation nach TFLG, aaO, 276). Soweit die zu regulierende Agrargemeinschaft Eigentümerin des Regulierungsgebietes war, wurde das Eigentum in der körperschaftlich eingerichteten Agrargemeinschaft reguliert – also nur, modern formuliert, „umgegründet“.

Die Agrarbehörden waren demnach mit unterschiedlichen Gemeindegütern konfrontiert. Im Gesetzesprüfungsverfahren VfSlg 9336/1982 hatte die Salzburger Landesregierung den Versuch unternommen, den Bedenken des VfGH gegen die undifferenzierte Behandlung des „Gemeindegutes“ als agrargemeinschaftliche Liegenschaft entgegen zu treten. Sie verwies darauf, dass in Salzburg im Zuge der Servitutenablösung Waldgrundstücke nicht an einzelne Gemeindeinsassen, sondern (formell) nur an ganze Gemeinden abgetreten worden waren. Es hätte sich dabei aber nicht um Gemeinde-, sondern um Gemeinschaftswälder gehandelt (Vgl schon die zeitgenössische Analyse Peyrers zur Regulierung der Forstangelegenheiten für das Herzogtum Salzburg vom 6. September 1849, oben, vor FN 17), sodass das Eigentum später den aus Nutzungsberechtigten gebildeten Agrargemeinschaften zugesprochen wurde. Das sei nicht gleichheitswidrig, weil die Grundflächen als Ablösung für alte Nutzungsrechte aus dem Staatswald an die Gemeinden abgetreten worden wären. ((Äußerung der Salzburger Landesregierung, Pkt I Z 4 der Entscheidungsbegründung. Die Salzburger Landesregierung nahm mit dieser Äußerung auf das Gesetz betreffend die Regulierung der Forstangelegenheiten für das Herzogtum Salzburg vom 6. September 1849 Bezug; dazu: Ammerer, Vom Feudalverband zum Reichsnährstand, in: Ammerer/Lemberger/Oberrauch, Vom Feudalverband zur Landwirtschaftskammer (1992), 88 f )

Der VfGH ging über diese Bedenken zu Recht hinweg, weil dadurch die Unterscheidung zwischen Agrargemeinschaften, die aus Servitutenablösung entstanden waren, und solchen, die auf wahrem Eigentum der politischen Ortsgemeinde bestehen, verwischt würde. Wörtlich führte er aus: „Das Gemeindegut wird in beiden zu prüfenden Bestimmungen neben den … Grundstücken genannt, die in Ausführung der Gesetze über die Regulierung und Ablösung der Servituten (statt den Servitutsberechtigten als Einzeleigentümer) einer Gemeinde (Ortschaft) oder einer Gesamtheit von Berechtigten zu gemeinsamer Nutzung und gemeinsamen Besitz abgetreten worden sind. Entgegen der Auffassung der Sbg. Landesregierung ist daher die von ihr beschriebene … Erscheinung, dass „die Gemeinde“ nur die Bezeichnung für die Summe der nutzungsberechtigten Eigentümer ist, nicht von den in Prüfung stehenden, sondern von anderen Bestimmungen des Flurverfassungsrechts erfasst, so dass sich aus der Eigenart jener Erscheinung nichts für den Inhalt dieser Gesetzesbestimmungen ergibt.“ (VfGH Slg 9336/1982 Pkt III Z 1 Abs 2 der Begründung)

Damit anerkannte der VfGH die Tatsache, dass neben den politischen Ortsgemeinden Erscheinungen existieren konnten und können, die ebenfalls als „Gemeinde“ bezeichnet wurden, jedoch keine Ortsgemeinden waren, sondern Agrargemeinschaften. Eine derartige „Gemeinde“ sei jedenfalls dann anzunehmen, wenn sie im Zusammenhang mit Servitutenablösungsmaßnahmen konstituiert wurde. Soweit deshalb im Grundbuch das Eigentum einer „Gemeinde“ in Verbindung mit dem Eigentumstitel „Servitutenablösungsvergleich“ verbüchert wurde, handelt es sich bei der betreffenden Liegenschaft nicht um „Gemeindegut“ der politischen Ortsgemeinde; vielmehr definiert der Begriff „Gemeinde“ in diesen Fällen – wie VfSlg 9336/1982 treffend formulierte – „die Summe der nutzungsberechtigten Eigentümer“, eben eine Agrargemeinschaft. Der Servitutenablösungsvergleich gem Servitutenregulierungspatent 1853 ist demnach ein Eigentumstitel, der auf eine „Gemeinschaft der Nutzungsberechtigten“ verweist. Servitutenablösungsmaßnahmen konnten freilich auch auf anderer Rechtsgrundlage vollzogen worden sein, beispielsweise aufgrund älterer landesgesetzlicher Maßnahmen. (Schiff, Österreichs Agrarpolitik seit der Grundentlastung (1898), 50 ff nennt diverse „ältere Versuche zur Lösung der Servitutenfrage“) Eine solche spezielle Norm ist die Tiroler Forstregulierung 1847. (A.h. Entschließung vom 6. Februar 1747 betreffend die Regulierung der Tiroler Forstangelegenheiten, Provinzialgesetzsammlung für Tirol und Vorarlberg für das Jahr 1847/XXXVI, 253 ff; dazu R.S., Die Forstservituten-Ablösung in Tirol, Österreichische Vierteljahresschrift für Forstwesen 1851, 376; Kohl, Die Forstservitutenablösung im Rahmen der Tiroler Forstregulierung, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler (Hg), Die Agrargemeinschaften in Tirol, 105 ff)

-.-.-.-

aus
Gerald Kohl
Gemeinde- oder Gemeinschaftsgut?
in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler (Hg),
Die Agrargemeinschaften in Westösterreich (2011) 1ff

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MP

Gemeingut und
Einzelgut

1. Beholzungsservituten der „Besitzer von Grund und Boden“

Die von Seiten der Agrargemeinschaften aufgestellte Behauptung, wonach die ehemals Landwirtschaft treibenden Bevölkerungsteile Eigentümer des unverteilten Gemeinschaftslandes seien, mutet zwar heute, betrachtet vom Standpunkt der Gleichheit aller Staatsbürger, willkürlich an, doch sind Eigentumsrechte – von revolutionär begründeten sozialromantischen Experimenten abgesehen – stets historisch bedingt ungleich. (So gab es zum Beispiel in Thomas Morus’ Utopia überhaupt kein Privateigentum (Thomas Morus, Utopia – Reclam-Ausgabe, Stuttgart 1983, 53ff, 142ff); in der russischen Revolution 1917 wurde das Liegenschafts¬eigentum aufgehoben durch Gesetz über den Landbesitz vom 28.10.1917 (Hermann Klibanski, Die Gesetzgebung der Bolschewiki, Ndr der Ausgabe von 1920, Berlin 2009, 143ff)
Eine nähere Betrachtung historischer Umstände kann daher Licht auf heute unerklärlich und unbegründet erscheinende Zusammenhänge werfen.

In der Eigentumsgeschichte der Tiroler Gemeinschaftsliegenschaften fällt besonders ein Ereignis in die Augen, das an der Schnittstelle zwischen feudaler und moderner Eigentumsordnung liegt, die Tiroler Forstregulierung von 1847. Der in den vorangegangenen Jahren eskalierte Streit um das behauptete Obereigentum des Landesfürsten an den Tiroler Wäldern wurde dabei zwar im Sinne einer Anerkennung des strittigen landesfürstlichen Rechts entschieden, doch zugleich jener Weg vorgezeichnet, auf dem die Abwicklung der feudalen Eigentumsordnung vorgenommen werden sollte. Die Rechtsgrundlage dieses politischen Kompromisses ist das Tiroler Forstregulierungspatent 1847. (A.h. Entschließung zur Regulirung der Tiroler Forstangelegenheiten vom 6.2.1847, Provinzialgesetzsammlung für Tirol und Vorarlberg für das Jahr 1847/XXXVI, 253ff)
Ergänzt wurde diese Norm durch „Instruktionen“ für die zur Forstregulierung eingesetzten Kommissionen. In diesen – nach modernen Maßstäben als „Ausführungserlässen“ zu charakterisierenden – Regelwerken wurden unter anderem die Rechtspositionen der Landeseinwohner näher definiert. („Instruction für die Commission zur Ablösung der Servituten in den vorbehaltenen Staatswäldern Tirols“, 1. Mai 1847: TLA Innsbruck, Gub. Präsidium Zl 1709 in Zl 1146/1847; „Instruction für die Commission zur Purifizirung der Privat Eigenthums-Ansprüche auf Wälder in jenen Landestheilen oder Forstgebieten Tirols, in welchen das l.f. Forsthoheits-Recht vorbehalten bleibt“, 17. Juni 1847: AVA Wien, Hofkanzlei, IV G 11 Waldwesen Tirol, 21889/1847).

Von diesen detailliert festgehaltenen Rechtspositionen an den als landesfürstlich definierten Wäldern ist vor allem das „Holzbezugsrecht“ von Interesse, weil dieses Recht der zentrale Gegenstand der Forstservitutenablösung war. Die Instruktion für die Forstservitutenablösungskommission (IFSAK vom 1. Mai 1847) stellte dazu folgendes fest:
Die Beholzungsservitut. Sie besteht in dem Befugniße, aus den gemeinen Waldungen das zum Haus- und Gutsbedarf erforderliche Brenn- und Bauholz (auf Auszeigung des gemeinen Waldmeisters) unentgeldlich zu beziehen.
Die Ablösungskommißion hat sich gegenwärtig zu halten, daß dieses Befugniß nur dem Bauernstande, d: i: den Besitzern von Grund und Boden zusteht; dem Gewerbstande kann es im Allgemeinen nach Analogie mit Titel II. Buch IV der Tiroler-Landesordnung nicht zugestanden werden. Es ist somit bei der Ablösung auf den Bedarf des Gewerbstandes in der Regel keine Rücksicht zu nehmen.
Das Hofkammerpraesidium findet sich jedoch bestimt, bei den radizirten Gewerben eine Ausnahme zu gestatten und zu bewilligen, daß bei denselben auf einen über die Verjährungszeit hinausreichenden Besitzstand, auf den Inhalt des ursprünglichen Steuerkatasters, auf allenfalls bestehende, an ein landesfürstliches Urbarium zu entrichtende Feuerstattzinse, oder auf sonst den eben angeführten ähnliche, besonders beachtenswerthe Verhältniße in der Art Rücksicht genommen werden dürfe, daß ihr auf das Genaueste zu erhebender, bisheriger Bedarf, nicht aber auch die Möglichkeit einer Steigerung desselben, in den Gesamtbestand der in einer Gemeinde abzulösenden Beholzungsbefugnisse einbezogen werde. Bei Vorlage der Ablösungsoperate zur Genehmigung des Hofkammerpraesidiums ist die Einbeziehung solcher Gewerbsholzbedarfe in die Ablösung besonders anzugeben und zu begründen. Überhaupt ist bei der, jeder Ablösungsverhandlung vorausgehenden, näheren Constatirung der Beholzungsbefugniß der einzelnen Gemeinden auf landesfürstliche, oder auf Verleihungen einer competenten Behörde, auf das Steuerkataster, auf allfällige Theillibelle, alte Kontrakte oder Vergleiche zwischen einzelnen Gemeinden, dann auf einen über die Verjährungszeit hinausreichenden Besitzstand Rücksicht zu nehmen.
Hinsichtlich der Neubauten und der Vergrößerung bestehender Bauten kann das Recht der Einforstung nicht zugestanden werden; auf die Herhaltung der mit Feuerstattzinsen belegten Häuser ist jedoch gebührende Rücksicht zu nehmen. In Bezug auf den subsidiarisch (wenn nähmlich die gemeinen Waldungen ungeachtet der waldordnungsmäßigen Verwendung derselben zur Deckung des Haus- und Gutsbedarfes nicht hinreichten) den Insaßen aus Amtswaldungen verabfolgten Holzes, welche Verabfolgung theils gegen, theils ohne Entrichtung eines Stockgeldes geschah, ist sich in Ansehung dieses letzteren Umstandes an den dermaligen Stand der Dinge zu halten, und der Kapitalswerth des einjährigen Stockzinserträgnisses bei Ausmittlung des künftigen Gemeinde-Forsteigenthumes entweder in angemessenen Abschlag zu bringen, oder dießfalls mit der betreffenden Gemeinde über die Fortdauer eines fixen jährlichen Zinsbetrag-Aequivalentes, das sofort von der Gemeinde, und nicht von einzelnen Insaßen abzuführen sein würde, oder über einen andern, dießfalls angemessenen Vergleichspunkt zu unterhandeln.
„Instruction für die Commission zur Ablösung der Servituten in den vorbehaltenen Staatswäldern Tirols“, 1. Mai 1847: TLA Innsbruck, Gub. Präsidium Zl 1709 in Zl 1146/1847

Von diesen ziemlich detaillierten Regeln soll hier nun nicht der Umfang des Rechts in den Blick genommen werden, also seine Begrenzung in quantitativer oder qualitativer Hinsicht (ob also etwa auch eine Berechtigung zum Verkauf von Holz bestehen sollte oder nicht), sondern die Definition des Anspruches seinem Grunde nach: Wen anerkannte der historische Gesetzgeber als „holzbezugsberechtigt“?
Die zitierte Instruktion vom 1. Mai 1847 stellte dazu klar, dass diese Befugnis grundsätzlich nur „dem Bauernstande, d. i. den Besitzern von Grund und Boden“ zukam. Von diesem Grundsatz gab es nur wenige Ausnahmen, insbesondere zu Gunsten der „radizirten Gewerbe“ und für solche „Neubauten“ und „Vergrößerung[en] bestehender Bauten“, die mit „Feuerstattzinsen“ belegt waren. Bei aller im Interesse einer sachgerechten Lösung im Einzelfall angestrebten Flexibilität blieb aber doch der Grundsatz gewahrt und wurde der FSAK nachdrücklich eingeschärft.

Mit anderen Worten: Nicht jeder Hauseigentümer – und schon gar nicht jeder Landeseinwohner – des Jahres 1847 wurde als holzbezugsberechtigt anerkannt; Einwohner, die keine Liegenschaftseigentümer waren, somit auch keine eigene „Feuerstatt“ besaßen, waren offensichtlich von den Holzbezugsrechten am landesfürstlich dominierten „Gemeinschaftsland“ ausgeschlossen.

Der Gesetzgeber sah somit offenbar einen Zusammenhang zwischen dem „alten“ Einzeleigentum an Liegenschaften, also den „Stammsitzen“ (samt den verteilten Äckern und Feldern), sowie weiters „radizierten Gewerbeliegenschaften“ und mit Feuerstattzins belegten Neubauten einerseits und den Berechtigungen an den unverteilten Liegenschaften, deren Eigentum der Landesfürst bis 1847 aufgrund eines Regals beanspruchte, andererseits. Dieser „Verknüpfung“ ist im Folgenden weiter nachzugehen.

2. Trennung von Eigentumssphären: hier Staat, dort Privat

Die in den „landesfürstlichen“ Wäldern bestehenden „Beholzungsrechte“ jenes Personenkreises, den die IFSAK in der skizzierten Weise definierte, sollten im Zuge der Forstregulierung 1847 abgelöst werden – dies soweit wie möglich und soweit von den Betroffenen gewünscht, also auf freiwilliger Basis, und zwar in Grund und Boden. In diesem Zusammenhang sollte nicht eine Unzahl von Einzeleigentumsparzellen geschaffen werden, sondern – wohl im Interesse der rascheren Abwicklung und der angestrebten Nachhaltigkeit in der Waldbewirtschaftung – Gemeinschaftseigentum, „fraktionsweise“ oder „gemeindeweise“ jeweils für Gruppen von Holzbezugsberechtigten, die räumlich abgegrenzte Nutzungsrechte besaßen („holzbezugsberechtigte Gemeinden als solche“).

Aus diesen Servitutenablösungsgeschäften gingen die meisten Nordtiroler Gemeinschaftsliegenschaften im heutigen Umfang hervor: 283 Ablösungsvergleiche wurden im Zeitraum September 1847 bis Dezember 1849 in ganz Nordtirol durch die FSAK ausverhandelt, die meisten davon von den „holzbezugsberechtigten Gemeinden“ sogleich angenommen. (R.S., Die Forstservituten-Ablösung in Tirol, in: Österreichische Vierteljahresschrift für Forstwesen 1851, 376 ff)

Doch damit nicht genug: Als Ergebnis der Ablösungsverhandlungen 1847–1849 entstanden nicht nur die Gemeinschaftsliegenschaften idR im heutigen Umfang, sondern auch (weitgehend) holzbezugsfrei gestellter Staatsforst, heute im Eigentum der Bundesforste. Die jahrzehntelange Streitfrage der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, ob die Tiroler Wälder landesfürstliches Eigentum oder Privateigentum der Landesbewohner wären, wurde vom historischen Gesetzgeber durch einen politisch klugen juristischen Kompromiss, nämlich durch eine Aufteilung der Flächen gelöst: Einerseits entstand (im Prinzip) servitutsfrei gestellter Staatsforst, andererseits Privateigentum der Landesbewohner. Das Instrument zur Abgrenzung der beiden Eigentumssphären war der – individuell mit jeder Gruppe, „gemeindeweise“ – verhandelte und abgeschlossene Vergleich. (Der vollständige Text eines solchen Forstservituten-Ablösungsvergleiches, errichtet im Zuge der Tiroler Forstregulierung 1847, findet sich bei Kohl, Die Forstservitutenablösung im Rahmen der Tiroler Forstregulierung 1847, in: Kohl/Oberthofer/Pernthaler, Die Agrargemeinschaften in Tirol, 2010, 133 ff.)

Die Forstservitutenablösung stand in enger Verbindung mit der „Forsteigentumspurifikation“, in deren Rahmen eine andere Kommission, die Forsteigentumspurifikationskommission, bestehende Privateigentumsrechte anzuerkennen oder zu bestreiten hatte. (Dazu Ogris/Oberhofer, Das Privateigentum an den Tiroler Forsten zum Ende des Vormärz und die „Forsteigentumspurifikation“ von 1847, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler, Die Agrargemeinschaften in Tirol, 151ff.) Auch hier war der Wille des Gesetzgebers auf eine Trennung von Eigentumssphären gerichtet. In der Instruktion für diese Forsteigentumspurifikationskommission (IFEPK vom 17.6.1847) ist dazu unter anderem folgende programmatische Passage enthalten:
Die Commißion hat also die Bestimmung, in jenen Forstgebieten Tirols, in welchem das lf. Forsthoheits-Recht als Regel aufrecht verbleibt, Namens der obersten Finanzverwaltung – welche dieses Hoheitsrecht zu wahren, und aus demselben jeden Privat-Forstbesitzer zur Nachweisung seines Besitztitels aufzufordern berechtiget ist – das Privatforsteigenthum im außergerichtlichen Wege zu liquidiren, wodurch dasselbe von künftigen aerarischen Ansprüchen enthoben und gesichert, und in dieser, besonders für das Land Tirol wichtigen Beziehung den streitigen Differenzen zwischen den Privaten und dem Aerar ein Ziel gesetzt, und für die Zukunft begegnet werden soll. Als gleichzeitige Folge der Lösung dieser Aufgabe der Kommißion ergibt sich die Erreichung des Zweckes: daß auch das dem Staate, als Ausfluss des lf. Hoheitsrechtes zustehende Forsteigenthum von Besitz-Ansprüchen der Privaten, und zwar auf immerwährende Zeiten reingestellt wird, weil – nachdem die ah: Entschließung vom 6. Februar d. J. das landesf. Hoheitsrecht in den aerarischen Forstgebieten nach Ablauf der Amtshandlung dieser Purifikationskommission unbedingt, d. i. mit Ausschluß der Giltigkeit jedes anderen Privatbesitztitels als den einer landesfürstlichen Eigenthums-Verleihung, aufrecht erhält – Privatoccupationen landesfürstlicher Forste mit einer, für das Eigenthum des Aerars nachtheiligen Folge nicht mehr Statt finden können.
„Instruction für die Commission zur Purifizirung der Privat Eigenthums-Ansprüche auf Wälder in jenen Landestheilen oder Forstgebieten Tirols, in welchen das l.f. Forsthoheits-Recht vorbehalten bleibt“, 17. Juni 1847: AVA Wien, Hofkanzlei, IV G 11 Waldwesen Tirol, 21889/1847

Es ging somit bei den Maßnahmen der Tiroler Forstregulierung 1847 einerseits darum, „das Privatforsteigenthum im außergerichtlichen Wege zu liquidiren, wodurch dasselbe von künftigen aerarischen Ansprüchen enthoben und gesichert“ war, andererseits darum, „daß auch das dem Staate, als Ausfluss des lf. Hoheitsrechtes zustehende Forsteigenthum von Besitz-Ansprüchen der Privaten, und zwar auf immerwährende Zeiten reingestellt“ werden sollte. Damit wurde die Staatssphäre (der heutigen Bundesforste) von privaten Rechten abgegrenzt. Weitere Ersitzungshandlungen zu Lasten der (verbleibenden) Staatswälder – „Privatoccupationen landesfürstlicher Forste mit einer, für das Eigenthum des Aerars nachtheiligen Folge“ – sollten ausgeschlossen sein.

3. Gemeinschaftsgut der „holzbezugsberechtigten Gemeinde“

Wie sieht es nun auf der „Gegenseite“ jener historischen Landeseinwohner aus, deren Rechtspositionen im Staatsforst abgelöst wurden durch Privateigentum an Liegenschaften, das „von künftigen aerarischen Ansprüchen enthoben und gesichert“ sein sollte?
Hier fällt vor allem zweierlei auf: Einerseits, wie eingangs thematisiert, dass der Gesetzgeber die abzulösenden Rechte an den Besitz von „Grund und Boden“ knüpfte ((Argumentum: „Die Beholzungsservitut. … Die Ablösungskommission hat sich gegenwärtig zu halten, dass dieses Befugniß nur dem Bauernstande, d. i. den Besitzern von Grund und Boden zusteht.“), andererseits, dass auch bei der Gruppe der „haushäblichen“ Landeseinwohner unterschieden wurde:
Die Deckung des Haus- und Guts-Beholzungs-Bedürfnißes der Unterthanen ist vollständig, jedoch nur in so fern, als es rechtlich und wirklich besteht, im Auge zu behalten, jeder Bezug der Unterthanen aber überhaupt nur mit jenen Modalitäten, unter welchen ihnen die einzelnen Genußrechte nach den verschiedenen Forstgebiethen bisher zugestanden haben. Es muß daher, wenn die Ablösungsverhandlung in einer Gemeinde begonnen wird, das erste Geschäft der Commißion sein, diese Modalitäten genau zu constatiren, und findet die Einbeziehung solcher Gutsbesitzer, welche bereits eine ihrem Bedarf entsprechende Waldfläche in Folge Auftheilung oder Verleihung, oder die überhaupt aus einem stichhältigen Grunde gegenwärtig keine Bezüge in Staatsforsten besitzen, in die Zahl der Gemeindeglieder, für deren Bedürfniß durch die Abtretung von Aerarialforsttheilen zu sorgen ist, nicht Statt.
„Instruction für die Commission zur Ablösung der Servituten in den vorbehaltenen Staatswäldern Tirols“, 1. Mai 1847: TLA Innsbruck, Gub. Präsidium Zl 1709 in Zl 1146/1847

Soweit also 1847 Einzeleigentum an Wäldern bestand, aus dem der jeweilige „Haus- und Gutsbedarf“ an Forstprodukten abgedeckt werden konnte, nahmen die Betreffenden an dem gemeinschaftlichen Ablösungsgeschäft nicht mehr teil. Dies bedeutet, dass keineswegs nur die „Besitzlosen“ von einer Mitberechtigung am entstehenden gemeinschaftlichen Privateigentum ausgeschlossen waren, sondern auch jene Personen, zu deren „Haus und Hof“ aufgrund historischer Teilungen oder „landesfürstlicher Verleihung“ bereits soviel Waldfläche zugeschlagen war, dass der Bedarf an Forstprodukten gedeckt war.

Ob eine bestimmte Liegenschaft und damit deren Eigentümer am jeweiligen Servitutenablösungsvergleich beteiligt wurde oder nicht, war somit im Einzelfall zu beurteilen. Bekannt ist unter anderem die Beschwerde diverser Gewerbetreibender von Ehrwald und Biberwier, denen keine Holzbezugsrechte und damit keine Anteile an den Ablöseflächen zuerkannt worden waren, beim Minister für Landeskultur und Bergwesen, die jedoch erfolglos blieb. (Gerald Kohl, Die Forstservitutenablösung im Rahmen der Tiroler Forstregulierung 1847, aaO, 138) Daraus erklärt sich auch, dass die Ablöseflächen unterschiedlich groß ausfielen, je nachdem, welche Anzahl an Stammsitzen an einem Ablösungsvergleich beteiligt war. (RS, Die Forstservituten-Ablösung in Tirol, in: Vierteljahresschrift für Forstwesen (1851), 391 f: „Im großen Durchschnitte stellte sich für jede Familie ein Bedarf von 6 Klafter Holz zu 108 Kubikfuß Raum heraus und dieser [Bedarf] wurde durchschnittlich mit einer Waldfläche von 9,9 Joch, wovon im Durchschnitt 10 % unproduktiv sind, abgelöst.“)

Diese Umstände erleichtern es auch, die Rechtsnatur der „holzbezugsberechtigten Gemeinde“ zu qualifizieren. Es ist nämlich allgemein anerkannt, dass aus Forstservitutenablösung Agrargemeinschaften entstehen, die sich aus der geschlossenen Anzahl jener Nutzungsberechtigten zusammensetzen, deren Rechtspositionen Zug um Zug gegen Übertragung von Eigentum abgelöst wurden. (Vgl Klang in Klang, ABGB II², 608 (zur Servitutenablösung): „Gewöhnlich sollen Wald- und Weidegrund allen Berechtigten gemeinsam abgetreten werden. Dadurch entstehen Agrargemeinschaften.“ Ehrenzweig, System I/1 (1925), 183: „Es gibt landwirtschaftliche Grundstücke, deren Nutzung den Besitzern gewisser behauster Grundstücke gemeinschaftlich für die Zwecke ihrer Einzelwirtschaften zusteht. Solche Agrargemeinschaften sind zum Teil erst in neuerer Zeit bei der Servitutenablösung […]entstanden“; s auch VfGH, VfSlg 9336/1982 Pkt III Z 1 Abs 2 der Begründung)

Für die Tiroler Forstregulierung 1847 lässt sich anhand des Quellenmaterials nachweisen, dass ortschafts- oder gemeindeweise die Anzahl der berechtigten Liegenschaften erhoben wurde und dass dieser geschlossenen Anzahl von Berechtigten – der „holzbezugsberechtigte[n] Gemeinde als solcher“ – Gemeinschaftseigentum übertragen wurde. Die Servitutenablösung konnte schon aus Praktikabilitätsgründen nur „gruppenweise“ erfolgen; dies entsprechend den jeweiligen Nutzungsverhältnissen. Art 3 FRP 1847 definiert diese Vorgabe wie folgt: „Seine Majestät geruhen allergnädigst zu bewilligen, dass in den künftig vorbehaltenen Staatswäldern die Holzbezugsrechte oder Gnadenholzbezüge der Untertanen, insoferne ihnen solche nach den alten Waldordnungen zukommen, durch Ausscheidung und Überweisung einzelner Forstteile in das volle Eigentum, und zwar nicht der einzelnen Untertanen, sondern der betreffenden Gemeinden, soweit es nur immer zulässig ist, abgelöst werden.“

In den betreffenden Ablösungsvergleichen werden die Berechtigten als Gruppe mit dem (zivilrechtlichen) Begriff „Gemeinde“ oder „Fraktion“ bezeichnet. (Beispielsweise weisen folgende Forstservitutenablösungsvergleiche (FSAV) „Fraktionen, gebildet aus Servitutsberechtigten Hausbesitzern“ entweder direkt Eigentum (E) zu oder grenzen zumindest Nutzungsgebiete (N) von „Fraktionen“ ab: FSAV Gries/Brenner 19.5.1848, verfacht am 20.11.1849 fol 328 (N); FSAV Häselgehr 31.8.1848 verfacht 13.9.1852 fol 913 (E); FSAV Haiming 2.12.1848 verfacht fol 689 (N); FSAV Holzgau 30.8.1848 verfacht 13.9.1852 fol 915 (E); FSAV Lech, Höfen, Weisenbach und Wängle 19.10.1848 verfacht 13.11.1852 fol 924 (E); FSAV Imst 18.1.1848 verfacht 1850 fol 3705 (N, E); FSAV Imsterberg 12.1.1848 verfacht 12.12.1851 fol 437 (E); FSAV Jerzens 7.1.1848 verfacht 1850 fol 3713; FSAV Stanz, Angedair, Perfuchs 17.12.1847 verfacht 5.8.1852 fol 2363 (E); FSAV Lermoos 20.10.1848 verfacht 13.11.1852 fol 909 (N); FSAV Mieming 14.11.1848 verfacht 25.6.1851 fol 528 (Teilungsanordnung bezogen auf Fraktionen); FSAV Mühlbachl 15.12.1849 verfacht 13.3.1853 fol 434 (E); FSAV Matrei/Brenner Vergleichsprotokoll 19.12.1849 verfacht 11.3.1851 fol 435 (E: Dieser Vergleich weist sogar die Besonderheit auf, dass er mit der Gemeinde Matrei und den zur Gemeinde Mühlbachl gehörigen Fraktionen Mühlbachl, Zieglstadl, Mutzens und Alpenstadt errichtet wurde); FSAV Musau 14.9.1848 verfacht 13.11.1852 fol 930 (E – „volles und unbeschränktes Eigentum die Gemeinde Musau mit Ausschluss der Fraktion Unterletzen“; E – Fraktion Unterletzen, E – Fraktion Oberletzen); FSAV Nassereith 18.1.1848 verfacht fol 3695 (N); Nesselwängle 12.9.1848 verfacht 13.11.1852 fol 927 (E). Dies kann zu Missverständnissen führen und bildet heute ein Verständnisproblem im Tiroler Agrarstreit.

Der Oberste Agrarsenat hat diese spezifischen Tiroler Verhältnisse aber schon Anfang der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts treffend analysiert: „Auf Grund zahlreicher, bis in die älteste Zeit zurückgehender Waldordnungen, die die Forstverfassung Tirols regelten, standen die Wälder im Eigentum des Landesfürsten und konnte niemand anderer ein Waldeigentum behaupten, außer er war in der Lage, sich über den Besitz desselben durch landesfürstliche Verleihungsurkunde auszuweisen. (…) Gleichzeitig war aber den Bewohnern des Landes der Rechtsanspruch eingeräumt bzw bestätigt, ihren Bedarf an Holz aus diesen Wäldern nachhaltig zu decken. Die Holzrechte standen teils einzelnen Gütern, teil aber auch ganzen Gemeinden zu. Hinsichtlich der Gemeinden ist jedoch festzuhalten, dass es sich hier in diesen vergangenen Jahrhunderten nicht um politische Verwaltungskörper, um Ortsgemeinden (politische Gemeinden) im heutigen Rechtssinn gehandelt hat. Diese Gemeinden waren vielmehr nichts anderes als Nutzungsgemeinschaften, d.h. wirtschaftsorganisatorische Zusammenfassungen der einzelnen, in einem bestimmten örtlichen Bereich gelegenen, holzbezugsberechtigten Güter“. Der OAS weiter: „Im vorliegenden Fall steht (…) fest, dass die streitverfangenen Waldgrundstücke mit der Waldzuweisungsurkunde vom 9.11.1853 aufgrund der a.h. Entschließung vom 6.2. und 6.11.1847 in das Eigentum der Gemeinde als agrarisch-wirtschaftliche Vereinigung übertragen worden sind. (…) Der Landesfürst hatte nicht die geringste Veranlassung, Personen, Gütern oder Gemeinden, denen nach den alten Waldordnungen keine Einforstungsrechte zustanden, Wälder aus seinem Besitz zuzuteilen. Dies ergibt sich eindeutig aus der damaligen historischen Situation und dem Inhalt der Allerhöchsten Entschließung.“ (234-OAS/60 vom 5.9.1960, 7)

Damit ist klar, dass die „holzbezugsberechtigte Gemeinde“ der Tiroler Forstregulierung 1847 eine private war, nämlich ein geschlossener Personenkreis, „moralische Person“ gem §§ 26f ABGB. (Vgl schon: Gerald Kohl, Die Forstservitutenablösung im Rahmen der Tiroler Forstregulierung 1847, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler, Die Agrargemeinschaften in Tirol, 130f: „Im Zuge der FSA aufgrund des FRP 1847 tritt uns als „Gemeinde“ – allenfalls, jedoch nicht zwingend, auch unter dem Etikett „Gemeinde“ – also die Gemeinschaft der (zuvor) Bezugsberechtigten gegenüber, die – ähnlich wie bei der Regulierungsgesetzgebung des ausgehenden 19. Jahrhunderts – im Gegenzug für den Verlust ihrer bisherigen (individuellen) beschränkten privatrechtlichen Ansprüche ein (gemeinschaftliches) moderneres Eigentumsrecht erhielten. In diesem Sinne sprechen die zitierten archivalischen Quellen ausdrücklich von „Servitutenablösung“ bzw von Abfindung der bisher Servitutsberechtigten. Dieses Eigentumsrecht sollte allerdings im Sinne einer Nachhaltigkeit der Forstbewirtschaftung „nur unter den Beschränkungen genossen werden dürfen, welche die zum Behufe der Erhaltung der Kultur und Bestände der Forste Tirols sobald als möglich zu erlassende Forstpolizei (…) feststellen“ würde.“)

Die „holzbezugsberechtigte Gemeinde“ der Tiroler Forstregulierung 1847 war also keine öffentlich-rechtliche „Staatseinrichtung“, insbesondere nicht eine Rechtsvorgängerin der heutigen politischen Ortsgemeinde. Der Oberste Agrarsenat hat dies schon in den 1960er-Jahren deutlich zum Ausdruck gebracht. Das gemeinschaftliche Eigentum war die Gegenleistung für die Aufhebung einer begrenzten Anzahl an Nutzungsrechten genau bestimmter Güter bzw „Feuerstätten“. Wer dieses Gemeinschaftseigentum heute einem anderen Personenkreis zuordnen möchte als den heutigen Eigentümern der 1847 als „bezugsberechtigt“ anerkannten Güter, unterstellt eine entschädigungslose Enteignung – entweder sogleich 1847 oder im Verlauf der weiteren Entwicklung. Eine solche Deutung stünde nicht nur im Gegensatz zu grundrechtlichen Positionen seit dem Staatsgrundgesetz 1867, sondern auch zum ABGB 1812. (§ 365 ABGB: „Wenn es das allgemeine Beste erheischt, muß ein Mitglied des Staates gegen eine angemessene Schadloshaltung selbst das vollständige Eigenthum einer Sache abtreten.“)
Es widerspricht jedoch den Regeln juristischer Auslegung, einer Norm gerade jene Bedeutung zu unterstellen, die mit (in diesem Fall sogar besonders grundlegenden) anderen Normen in Widerspruch stünde.

4. Einzeleigentum und Gemeinschaftsgut

Die vom Gesetzgeber 1847 als Verhandlungs- und Vertragspartner anerkannten Landeseinwohner erscheinen aus heutiger Sicht in erster Linie als „Bauern“. Erst bei näherer Betrachtung wird deutlich, dass hier nicht bei einem Berufsstand angeknüpft werden sollte; für den historischen Gesetzgeber war der „Bauernstand“ nämlich nur ein Synonym für die „Besitzer von Grund und Boden“. ((Arg. „dass dieses Befugniß nur dem Bauernstande, d. i. den Besitzern von Grund und Boden zusteht“: „Instruction für die Commission zur Ablösung der Servituten in den vorbehaltenen Staatswäldern Tirols“, 1. Mai 1847: TLA Innsbruck, Gub. Präsidium Zl 1709 in Zl 1146/1847)

Mit diesem Begriffsverständnis näherte er sich den etymologischen Wurzeln der „Nachbarschaft“ an: „Nachbar“ leitet sich nämlich von „Nachbauer“ her, dem „Mitglied eines Personenverbandes, einer rechtstragenden Personengruppe in der Einwohnerschaft eines Dorfes“. (Heino Speer (Bearb), Deutsches Rechtswörterbuch IX, Weimar 1996, Sp. 1123f; Grimm, Deutsches Wörterbuch VII, 1889, 22ff) In diesem Sinne erweist sich die „holzbezugsberechtigte Gemeinde“ der Tiroler Forstregulierung 1847 schon durch die von der IFSAK vorgenommene Definition des dazu verbundenen Kreises an Berechtigten als Summe von „Besitzern von Grund und Boden“.

Im Ergebnis bedeutet dies freilich, dass der historische Gesetzgeber auf das unverteilte Land – soweit dieses nicht für die Zukunft dem Staat reserviert wurde – die damalige, nach den Tiroler Landesverhältnissen bestehende und anerkannte Eigentumsordnung anwendete, sie geradezu spiegelbildlich wiedergab. Wer verteiltes Land (Haus und Hof, Äcker und verteilte Weiden) besaß, wurde – zumindest grundsätzlich – am unverteilten Land, den Gemeinschaftsliegenschaften, beteiligt; wer kein verteiltes Land besaß, wurde auch am unverteilten Land nicht beteiligt. Der Anteil am unverteilten Land war also mit dem Eigentum am verteilten Land verknüpft. Mit anderen Worten: Individuelles Liegenschaftseigentum war Voraussetzung für einen Anteil am gemeinschaftlichen Liegenschaftseigentum. Der so begründete Beteiligungsanspruch am unverteilten Land erscheint heute als agrargemeinschaftliches Anteilsrecht.

Die nun als Agrargemeinschaft definierte Gemeinschaft der einstigen Eigentümer von Grund und Boden wurde somit als Eigentümer des unverteilten Landes anerkannt; insofern bildeten sie eine „Gemeinde der Eigentümer“. Diese „Realgemeinde“ ist aber ein offenes System: Wer immer Eigentum an einem berechtigten Stammsitz erwirbt, wird damit auch Mitglied der (heute idR als Agrargemeinschaft definierten) „Realgemeinde“. Ihr ist das Eigentumsrecht an der jeweiligen Gemeinschaftsliegenschaft zuzuordnen.

5. Rechtsverhältnisse bei Scheitern der Servitutenablösung

Da die Trennung des Staatseigentums einerseits und der Privatrechtspositionen der Landeseinwohner andererseits auf freiwilliger Basis erfolgen musste (die Tiroler Forstregulierung kannte keine Zwangsablösung), ist diese nicht überall gelungen. Ein Beispiel einer Gemeinschaft von Holzbezugsberechtigten, welche die angebotene Ablösung ihrer „Beholzungsservituten“ ablehnte, findet man in Gerlos. (Lang, Die Teilwaldrechte in Tirol, Wien 1978, 70) In der Katastralgemeinde Gerlos lassen sich die praktischen Auswirkungen einer solchen Ablehnung des „landesfürstlichen Angebots“ zur Servitutenablösung auch heute noch gut nachvollziehen.

Die Stammliegenschaftsbesitzer von Gerlos besitzen kein gemeinschaftliches Eigentum an Nutzwäldern und natürlich besitzt auch die politische Ortsgemeinde Gerlos kein solches Eigentum – woher sollte sie dieses auch haben? Weil die Holzbezugsberechtigten von Gerlos (als „holzbezugsberechtigte Gemeinde Gerlos“) keinen Servituten-Ablösungsvergleich errichtet haben, ist kein Eigentumstitel entstanden, den man im Zuge der Grundbuchanlegung als Eigentumstitel der heutigen politischen Ortsgemeinde Gerlos missverstehen hätte können.

Nicht eine einzige Waldparzelle wurde deshalb im Zuge der Grundbuchanlegung auf die Eigentümerbezeichnung „Gemeinde Gerlos“ einverleibt. Sämtliches Waldeigentum in der Katastralgemeinde Gerlos wurde vielmehr als Staatseigentum zu Gunsten des k.k. Aerars in EZ 51 II KG Gerlos vorgetragen (einschließlich des kahlen Hochgebirges ca 7400 ha). Auf „Gemeinde Gerlos“ wurden in EZ 52 II KG Gerlos vornehmlich „Gemeindewege“ vorgetragen, heute ca 5.700 m² (!) (fünftausendsiebenhundert Quadratmeter) insgesamt.

Im Rahmen der standardisierten Vergleichstexte vorgesehen und damit Teil des Ablösungsgeschäftes waren zusätzlich zu jeweils individuell genannten Forsten auch die „landesfürstlichen Freien (öde Gründe), welche sich zerstreut zwischen den Höfen, in und um die Dörfer u. Weiler, dann an den Wegen befinden“ (S dazu der Text des Ablösungsvergleiches, der „standardmäßig“ verwendet wurde, Pkt Erstens, abgedruckt bei Kohl, Die Forstservitutenablösung im Rahmen der Tiroler Forstregulierung 1847, aaO, 145). Diese heute vielfach besonders wertvollen Liegenschaften wurden den jeweiligen holzbezugsberechtigten Gemeinden als Teil des Ablösungsgeschäftes zusätzlich zum berechneten Ablösungsäquivalent in Form von Waldflächen, in das Privateigentum übertragen. Weil die Holzbezugsberechtigten von Gerlos das „landesfürstliche Angebot“ ausgeschlagen haben, kam es in Gerlos auch nicht zu einer solchen Eigentumsübertragung an den „landesfürstlichen Freien“, den damals öden Gründen zwischen den Höfen, in und um die Dörfer und an den Wegen. Diese Gründe verblieben vielmehr „landesfürstlich“.

Dieses landesfürstliche Eigentum an den damals (1847) öden Gründen zwischen den Höfen, in und um die Dörfer und an den Wegen wurde bei der Anlegung des „Franziszeischen Steuerkatasters“ und später bei der Grundbuchsanlegung streng beachtet. Die „holzbezugsberechtigte Gemeinde“ besaß keinen Eigentumstitel für diese Grundstücke, weshalb alle derartigen Grundstücke zu Recht dem Staat, dem k.k. Aerar, heute Republik Österreich „Bundesforste“, eigentümlich zugeschrieben wurden. Noch heute sind daher zahllose Flächen im und um den Dorfkern von Gerlos Eigentum des Staates, konkret Bundeseigentum unter der Verwaltung der Österreichischen Bundesforste AG. Dies gilt selbstverständlich auch für alle Wälder im Gemeindegebiet; diese sind allerdings mit forstlichen Servituten zu Gunsten der Rechtsnachfolger jener „Besitzer von Grund und Boden“ in Gerlos belastet, welche im Zuge der Forstregulierung 1847 die Ablösung ihrer Beholzungsservituten im Staatsforst verweigert haben. Die Agrarjuristen sprechen von „Einforstungsrechten“.

Diese heutigen „Einforstungsrechte“ der Stammliegenschaftsbesitzer von Gerlos im Staatsforst sind nichts anderes als die rechtliche Fortentwicklung jener Rechtspositionen, welche der historische Gesetzgeber 1847 in der Instruktion vom 1. Mai 1847 definiert hatte („Instruction für die Commission zur Ablösung der Servituten in den vorbehaltenen Staatswäldern Tirols“, 1. Mai 1847: TLA Innsbruck, Gub. Präsidium Zl 1709 in Zl 1146/1847).

Wem „Beholzugsservituten“ nach der Rechtslage des Jahres 1847 zustanden und wem nicht, lässt sich deshalb noch heute anhand der im Lastenblatt der Liegenschaft in EZ 51 Grundbuch 87107 Gerlos einverleibten „Dienstbarkeiten des Bezuges von Nutz- und Brennholz sowie Streu“ nachvollziehen. Dies Gesamtheit der solcherart Berechtigten hatte die „holzbezugsberechtigte Gemeinde Gerlos“ gebildet. Würden diese Dienstbarkeiten heute in Form eines gemeinschaftlichen Ablösungsvergleiches zwischen der Republik Österreich und der Gemeinschaft der Nutzungsberechtigten von Gerlos im Wege der Eigentumsübertragung an einer Teilfläche des nutzungsbelasteten Staatseigentums abgelöst, so würden exakt dieselben Rechtsverhältnisse entstehen, wie diese als Konsequenz der Forstregulierung 1847 entstanden sind: Die Ablösefläche, das Gemeinschaftsgut, wäre Eigentum der (ehemaligen) Einforstungsberechtigten von Gerlos, als eine historische „Gemeinde, zusammengesetzt aus Nutzungsberechtigten“.

6. Ergebnis

Die Mitberechtigung an den historischen Gemeinschaftsgütern steht in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der Berufsausübung; die Agrargemeinschaft ist also kein „ständestaatliches Phänomen“.

Vielmehr hat der historische Gesetzgeber im Zuge der Auflösung der feudalen Eigentumsordnung durch die Forstregulierung von 1847 die Mitberechtigung am unverteilten Gemeinschaftsland, dem Gemeinschaftsgut, mit dem damals bestandenen Einzeleigentum verknüpft. Zumindest grundsätzlich wurde jeder Eigentümer von verteiltem Grund und Boden als Mitberechtigter am unverteilten Gemeinschaftsgut anerkannt.

In den Eigentumsverhältnissen am jeweiligen Gemeinschaftsgut spiegeln sich somit die Eigentumsverhältnisse am verteilten Grund und Boden. Die jeweiligen Eigentümer des unverteilten Gemeinschaftsgutes finden sich in der Summe der Eigentümer des verteilten Bodens wieder.

Die Summe der Eigentümer des verteilten Grund und Bodens kann durch den Begriff der „Realgemeinde“ gekennzeichnet werden. Dieser Begriff bietet, weil beim unverteilten Gemeinschaftsgut im Prinzip dieselben Eigentumsverhältnisse wie beim verteilten Grund und Boden herrschen, eine durchaus brauchbare Definition, um die vermutlichen Eigentümer der jeweiligen Gemeinschaftsliegenschaften zu erfassen.

Das Gemeinschaftseigentum an den unverteilten Liegenschaften ist ein offenes System: Mit Erwerb eines Stammsitzes durch Rechtsgeschäft unter Lebenden oder im Erbwege wird der jeweilige neue Eigentümer kraft Eigentums am Stammsitz Mitglied in der „Realgemeinde“ und als solcher Mitberechtigter am betreffenden Gemeinschaftsgut.

Die in ihren Grundzügen 1847 geschaffene Eigentumsordnung an den Tiroler Wäldern unterlag spätestens 1867 mit Inkrafttreten des Staatsgrundgesetzes über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger dem Schutz der Verfassung (Art 5 StGG Eigentumsschutz; Art 7 StGG Verbot der Neubegründung von geteiltem Eigentum). Dies sollte – ungeachtet aller Emotionen, welche mit Besitz und Eigentum verbunden werden – auch künftig Beachtung finden.

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aus:

Gerald Kohl und Bernd Oberhofer

Gemeinschaftsgut und Einzeleigentum
in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler/Raber (Hg) Die Agrargemeinschaften in Westösterreich (2011) 29ff

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MP

Allmendwirtschaft

  1. Die Rechte der historischen Hofbesitzer und die Agrargemeinde

Das Nutzungsrecht der Hofbesitzer

Von der ältesten Zeit wird berichtet, dass nicht das Vollrecht der Agrargemeinde an der Gemain im Vordergrund stand, sondern die als Zubehör der einzelnen Höfe verstandenen Nutzungsrechte, welche sich auf das Gemeinschaftsland (die Gemain) bezogen haben. Das Eigentum am einzelnen Hof und das Nutzungsrecht an der Allmende waren von Anfang an verknüpft; das Nutzungsrecht war im Wege der sog. „Pertinenzformel“ dem Hof zugeschrieben.[1]) Die älteste Urkunde aus dem Tiroler Raum, wo Gemainnutzungen einer Hofstelle als Zubehör zugeschrieben und damit als Privatrecht des jeweiligen Hofeigentümers verstanden werden müssen, soll aus dem 10. Jhdt stammen.[2]) Die Bezeichnung „Gemain“ als Umschreibung für die Gemeinschaftsnutzungen, die Gemeinschaftsliegenschaften, soll sich das erste Mal in einem Tauschvertrag aus der Zeit von 1050/1065 finden.[3]) Diese individuell verstandenen Nutzungsrechte des einzelnen Hofbesitzers laufen parallel mit den vergleichbaren Berechtigungen der weiteren Hofbesitzer des Siedlungsverbandes. Die Tatsache solcher parallel laufender, gemeinsamer Nutzung setzt das Bestehen einer „Gemeinschaftsordnung“ für die jeweilige Agrargemeinde voraus. Diese sind bis in das 12 Jhdt nachweisbar.[4]) Teilweise wird auch von abgestuften Nutzungsberechtigungen berichtet. Eigentümer einer „Sölde“, das war ein Haus mit wenig oder gar keinem Eigengrund, konnten danach zumindest ein eingeschränktes Allmendnutzungsrecht besitzen.[5])

 

  1. Das landesfürstliche Allmendregal

Die Rechte, welche der Landesfürst hinsichtlich der Gemaindliegenschaften für sich durchsetzen konnte, werden unter dem Begriff „Allmendregal“ zusammengefasst. Wopfner[6]) erbringt den Nachweis, dass dieses in Tirol jedenfalls nicht Ausfluss grundherrschaftlicher Rechte des Landesfürsten war, weil eine Grundherrschaft sich für die Allmende nicht nachweisen lasse. Vielmehr wird ein Zusammenhang mit der gerichtsherrlichen Gewalt des Landesherren angenommen, kraft derer der Landesfürst bestimmte Maßnahmen in der Allmende sukzessive seiner Zustimmungspflicht unterworfen hat. Unmittelbar aus der Königsgewalt, welche auf die Grafen delegiert war, wird das Recht des Grafen abgeleitet, die Aufnahme neuer Genossen in die Allmende einseitig anordnen zu dürfen.[7] Besondere Bedeutung erlangte das Allmendregal auch im Zusammenhang mit dem Neubruchrecht, dem Recht, Land auf der Gemain zu roden und zu siedeln. Der Landesherr konnte Rodungen (gegen den Willen der Berechtigten) bewilligen und dem Neusiedler durch landesfürstliche Schenkung oder Leihe einen Besitztitel verschaffen. Anfang des 15. Jhdts verfügte Friedrich, Landesfürst von Tirol, dass nunmehr jede Rodung in der Gemain – egal ob durch einzelne oder durch die Gesamtheit der Berechtigten, der landesfürstlichen Genehmigung bedürfe.[8]) Weitere landesherrliche Rechte wurden insbesondere im Bereich der Jagd durchgesetzt. Ende des 15. Jhdts scheint das landesherrliche Regal am Höhepunkt; Anfang des 16 Jhdts zeigen sich bereits Abschwächungstendenzen,[9]) welche im Laufe der Jahrhunderte in die förmliche Anerkennung des uneingeschränkten Privateigentums der Agrargemeinde münden.[10])

 

  1. Schrittweise Anerkennung einer Sachherrschaft der Agrargemeinde

Unter Kaiser Maximilian I. wurde das Allmendregal zwar hinsichtlich des Jagdrechts weiter ausgedehnt; im Bereich des Neubruchrechts, des Rechts Neusiedlungen zuzulassen, wurde aber eine bedeutsame Einschränkung akzeptiert: Im Tiroler Landlibell von 1511 verfügte Kaiser Maximilian I. mit den Tiroler Landständen folgende Regelung: „Von wegen der gemain, …, die sollen in kainem weg eingefanngen werden on der gerichtsherrn oder phfegers an dem ennd, … , auch der unnderthanen, denen dieselb gemaind zugehoeret, wissen und willen, welcher das darueber teattten, der oder dieselben sollen darumb gestrafft werden.“ Mit dieser Gesetzesregelung wurde klargestellt, dass von der Gemain nichts in Einzeleigentum umgewandelt werden dürfe[11]) ohne Zustimmung des Gerichtsherren, des Pflegers und ohne Wissen und Willen der Untertanen, denen die betreffende Gemaind gehörte. Somit war für die gefürstete Grafschaft Tirol verbrieft, dass ohne Wissen und Willen der berechtigten Mitglieder der jeweiligen Land-Gemeinde niemand Fremder auf den Gemeinschaftsliegenschaften angesiedelt werden durfte. Die Zustimmung der Nutzungsberechtigten war somit ab dem Jahr 1511 in Tirol (wieder) Voraussetzung dafür, dass Zuzügler sich aus den Gemeinschaftsliegenschaften Grund zur Errichtung von Haus und Hof, Garten und Acker „einfangen“ (dh. abzäunen) durften und damit nutzungsberechtigte Mitglieder der Agrargemeinde wurden. Damit beginnt eine Entwicklung, welche 1847 im Tiroler Forstregulierungspatent durch die förmliche Anerkennung des unbeschränkten Privateigentums (mit allen Nebenrechten) ihren Abschluss fand.

 [1])             Wopfner, Allmendregal, 3, nennt Weide, Beholzung, Jagd- und Fischerei als Beispiele der üblichen Nutzungs-rechte an der Gemaind, welche mit dem Eigentum an den Höfen verbunden waren. Vgl Schiff, Grundriss, 9.

[2])             Wopfner, Allmendregal, 6. Baron, Pandekten, 7. Aufl 1890, § 44, definiert „Pertinenz“ wie folgt: „Die Pertinenz ist eine an sich selbständige Sache, welche mit einer anderen in eine dauernde Verbindung gesetzt worden, um ihre Benutzung zu ermöglichen oder zu befördern, und welche deshalb nach der Verkehrsauffassung als ein Teil jener anderen gilt.“ Dernburg, Pandekten, 7. Aufl 1900, Bd I/1, § 77, nennt ausdrücklich Anteile an Brunnen oder Weiden als Pertinenz einer landwirtschaftlichen Liegenschaft.

[3])             Wopfner, Allmendregal, 6: Bischof Altwin von Brixen verschafft darin dem Edlen Berchtold „ … illum usum, qui vulgo dicitur gimeineda …“; im Innsbrucker Stadtrecht von 1239 – zur Gänze in Latein abgefasst – werden die gemeinsam genutzten Weideplätze wie folgt beschrieben: „quod gemeinde dicitur“ (Wopfner, ebendort, 6).

[4])             Wopfner, Allmendregal, 6 nennt ein Bozner Weistum von 1190, welches die Nutzung der Almendwiesen und des gemeinsamen Waldes regelt.

[5])             Wopfner, Allmendregal, 18.

[6])             Wopfner, Allmendregal, 23.

[7])             So ist erweislich, dass solches angeordnet hat 1197 Bischof Konrad von Trient zu Gunsten St. Hilars Hospital oder Vogt Egeno II. von Matsch 1201 zugunsten italienischer Gewerken, welche er ins Land geholt hatte, damit sie die Bergwerke bei Puschlav betreiben (Wopfner, Allmendregal, 24 f). Ein Weistum von Pfunds, welches in der Fassung von 1303 vorliegt, erklärt: „Item alle gemaind der herrschaft, damit das arm und reich nießen söllen, das sei der herrschaft dester baß dienen künet“ (Wopfner, Allmendregal, 25).

[8])             Wopfner, Allmendregal, 67.

[9])             Vgl den vorletzten Absatz des Tiroler Landlibells 1511 – dazu sogleich.

[10])            Anfang des 19. Jhdt wird in einem Gutachten des Guberniums von ersessenem Eigentum der Gemeindeglieder gesprochen. Gleiches ist aus § 3 des Gemeinderegulierungspatentes von 1819 abzuleiten. Die a.h. Entschließung vom 6.2.1847 setzt wieder die volle Geltung des Landesfürstlichen Hoheitsrechtes an den Forsten voraus; drei unter einem angeordnete Maßnahmen des Gesetzgebers führen jedoch zu staatlich anerkanntem Privateigentum der Agrargemeinden; dazu unten Kapitel VI; Kohl, Die Forstservitutenablösung im Rahmen der Tiroler Forstregulierung 1847, 105 ff.

[11])            Hinweis: „Einfangen“ bedeutet roden und in Individualnutzen zur Ansiedlung neuer Höfe umwandeln, für welche der Landesherr im Wege zinspflichtiger Schenkungen, zB zur Erbleihe, einen unanfechtbaren Besitztitel verschafft hat. Rodungen wurden mit dem Begriff: „Einfänge“ umschrieben.