Ischgl den 4ten Dezember 1847
Protokoll (13)
welches mit sämtlichen Gliedern der Komission über die Annehmbarkeit der mit den Gemeinden des Landgerichtes Ischgl, nemlich: Ischgl, Mathon, und Galtür unterm 2ten und 3ten Dezember 1847 geschlossenen Vergleiche aufgenommen wurde.
Hl Joseph Auer kk
Landrichter zu Ischgl
Mich bewogen zur Zustimmung in der Zutheilung der Waldungen an die Gemeinden /Ischgl, Mathon u. Galtür/ nach Inhalt der Servituten Ablösungs-Protokolle dtto 2ten und 3ten d. M.
A. Der grosse Bedarf an Holz, und gegenüber
B. die geringe Vegetation.
ad A. 1. die ganze Gegend ist Hochgebirg, daher sie zum größten Theil aus Bergmähdern und Alpen besteht. Die Gebäude hiezu: Städl, Ställe, Höge, Hütten,
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fordern viel Holz.
2. Die Wohnzimmer müssen durchschnittlich ¾ Jahre geheizt werden.
Ad B. Die Gemeinden liegen beinahe am Ende der Vegetationslinie, daher das Holz nicht mehr gedeiht, als wie in den niedern Gegenden.
Ein Überschuß kann sich dagegen nicht ergeben, sondern es ist nöthig ökonomisch vorzugehen.
Rücksichtlich der Alles Waldung hat das Aerar durch die vorbehaltene Mitte den holzreichsten Strich, aus welchem Selbes mehr Nutzen zieht, als aus der gesammten, jedoch bestlasteten Waldung.
Auer k.k. Landrichter
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Hl Dor Anton Janickek
Aushilfsreferent der
tirol. Kammerprokuratur
Die der Gemeinde Ischgl zugedachten Waldungen sind nach dem Urtheile der Sachverständigen und nach den vorliegenden Ausweisen des Lokalförsters kaum hinreichend um den bisherigen rechtlichen Holzbezug der eingeforsteten Gemeindeglieder nachhaltig zu decken, worüber der Gefertigte durchaus keinen Zweifel hegen kann, da er sich die Überzeugung verschafft hat, daß diese Wälder zwar einen ausgedehnten Flächenraum einnehmen, jedoch wegen der darin befindlichen vielen Lawinenstriche und der hohen Lage des ganzen Thales nur eine geringe Ertragsfähigkeit haben können. Es konnten somit für das Aerar nicht bedeutende Waldkomplexe reservirt werden, und auch in diesen war die
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Ablösung der Weideservitute nicht möglich, weil die Gemeinde, deren Erwerb größtentheils in der Viehzucht besteht, durchaus keine Weide entbehren kann. Indessen ist es auch hier der Komission gelungen, die Ausübung der Weide in reservirten Waldungen möglichst zu beschränken, und insbesondere davon die den Wäldern so schädlichen Gaise und Schafe auszuschließen.
Die Eigenthumsansprüche der Besitzer des Ales- und Waldhofes auf die Alleswaldung stellen sich zwar mit Rücksicht auf die vorgebrachten Behelfe als ganz ungegründet dar, immerhin aber muß diesen Besitzern auf Grundlage der Ersitzung das Einforstungsrecht zugestanden werden, dessen Ablösung in der Aufgabe der Komission liegt. Da sich jedoch
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die Hofbesitzer durchaus und mittels Zutheilung einer ober ihren Höfen liegenden und zugleich zur Sicherheit derselben dienenden Waldstrecke abfinden lassen wollten, so blieb bei dem Umstande als die Komission instruktionsmäßig nicht ermächtigt ist, einzelnen Privaten ein Waldeigenthum einzugeben Nichts anderes übrig, als bestimmte Waldstrecken der Gemeinde Ischgl, zu welcher die erwähnten Hofbesitzer gehören, ins Eigenthum zu überlassen, jedoch mit der Beschränkung, daß die ausschließliche Benützung derselben den Hofbesitzern vorbehalten sein solle. Nur schien dem Gefertigten die den Hofbesitzern zugedachte Waldfläche zu ausgedehnt zu sein, und ein größeres Holzerträgnis abzuwerfen als zur Deckung ihres
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Haus u. Gutsbedarfes erforderlich ist. Indessen kann er sich hierüber als Laie in Forstsachen kein kompetentes Urtheil anmassen, und da der Hl Komissionsleiter in Übereinstimmung mit dem Hl Landrichter von Ischgl, welcher die Aleswaldung gelegentlich vorgenommenen ämtlichen Augenschein wiederholt begangen, und nach ihrer Ertragsfähigkeit genau kennen gelernt hatte, versichert, daß das Aerar keinen größeren Vortheil hätte, wenn es sich den ganzen Aleswald vorbehielte, und dagegen die beiden Hofbesitzer mit dem nöthigen Holz versehen müßte, so findet der Gefertigte in dieser Beziehung kein Bedenken mehr und glaubt daher auf die hochortige Genehmigung des Vergleiches
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mit Ischgl einrathen zu sollen.
Auch die mit den Gemeinden Mathon und Galtür abgeschlossenen Vergleiche dürften sich zur hohen Ratifikation eignen, weil die der erstern Gemeinde überlassenen Wälder unspärlich, die an Galtür überzugehenden Waldungen aber nach der forstämtl. Ausweise, bei Weitem nicht den rechtlichen Holzbezug der Gemeindeglieder decken, somit keine Wälder für das Aerar reservirt werden konnten.
Galtür hat insbesondere eine sehr hohe Lage, und ein sehr rauhes Klima, wodurch eine grosse Holzkonsumation zur Beheizung veranlasst wird, die bisher nur auf Kosten des Waldkapitals statt gefunden zu haben scheint.
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Schließlich wird nur noch zu dem fünften Punkt der beiden letztern Vergleiche bemerkt, daß in den Gemeindewaldungen von Mathon und Galtür Alpenhütten u. Heupillen liegen, die mitunter fremden Gemeindegliedern gehören, deßhalb der Holzbezug hiezu aus den Waldungen, in welchen sie liegen, insoweit es nothwendig war, ausdrücklich vorbehalten werden mußte, um in dieser Beziehung Streitigkeiten vorzubeugen.
Dr Janiczek
Hl Anton Ebner, kk
Berg u. Sal. Dions Sekretär
Da bei Durchgehung dieses hochgelegenen Alpenthales selbst dem Auge eines Laien auffällt, daß der einem so rauhen Klima ausgesetzte
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und durch zahllose Erdabsetzungen, Lawinen u. Bergbrüche beschädigte Waldstand hier sehr herabgekommen sei, und da aus den gepflogenen Erhebungen und nach dem Erklären der sachkundigen Lokal Forstbeamten hervorgeht, daß die noch bestehenden Waldungen selbst bei guter forstwirthschaftlicher Behandlung die Holzbedürfnisse der Gemeinden nur kümmerlich zu decken vermögen, und wegen der sehr ungünstigen klimatischen Verhältnisse und wegen den nicht abzustellen möglichen Weidenei-Rechten nicht leicht in einen ergiebigeren Zustand gebracht werden können, so erübrigte der Komission wohl Nichts Anderes, als die in dem Vergleiche benannten Waldungen behufs der Ablösung der Beholzungsrechte oder Waldservituten
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hintanzugeben.
Nachdem jedoch zur Deckung allfälliger Aerarial Bedürfnisse (Bauholz für das Landgerichtsgebäude und für das Zoll- und Finanzwach-Haus) eine künftig mit keiner Servitut belastete Waldparzelle vorbehalten wurde, nachdem ferners in der ganzen Gegend keinerlei montanistische Unternehmungen, noch Strassen etc. bestehen, welche Holz in Anspruch nehmen würden, so bin ich der Meinung, daß die mit den drei Gemeinden dieses Landgerichtes abgeschlossenen Vergleiche zu ratificiren sein dürften, ungeachtet pro Aerario in der Hauptsache hier sehr wenig Waldungen vorbehalten werden konnten.
Was die in den mit der Gemeinde Ischgl geschlossenen Vergleiche
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berührten Verhältnisse des Wald- und des Aleshofbesitzern und die diesen im Vergleiche zugestandene ausschließliche Benützung der ober ihren Wohnhäusern gelegenen Waldparzellen betrifft, so bin ich der Meinung, daß es pro Aerario sehr gut ist, auf die bereits angemeldeten Eigenthumsansprüche derselben und sohin den bevorstehenden Proceß zu beseitigen, denn
erstens kann man bei derlei streitigen Eigenthumsansprüchen, wenn sie vor den Civilrichter gelangen, und bevor dieser sein Urtheil gefällt hat, nie mit Bestimmtheit behaupten, daß der Anspruch ganz gewiß werde zurückgewiesen werden.
Zweitens wurde den Hofbesitzern gegen gänz-
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liche Verzichtung auf alle ihre vermeintlichen Rechte, nur jene Theile des angesprochenen Alles Waldes überlassen, welche wegen ihrer Ortslage und Bringungsweise pro Aerario entweder keinen, oder jedenfalls nur einen unbedeutenden Werth hätten.
Es dürften sohin auch in dieser Beziehung keinen Anstand haben, den mit der Gemeinde Ischgl abgeschlossenen Vergleich, sowie die mit den Gemeinden Galtür u. Mathon zu Stande gebrachten Vergleiche zu ratificiren.
Ebner
H Jakob Gasser
kk Gubernial Sekretär
Der phisikalische und forstliche Zustand der
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Waldungen im Landgerichtsbezirke Ischgl, welche von häufigen Lahnstreifen und Felsenparthien durchzogen, und wegen ihrer hohen Lage und klimatischen Beschaffenheit sich keines so ergiebigen Nachwuchses wie in niedereren Lagen zu erfreuen haben, ist der Art, daß man der vollständigen und nachhaltigen Deckung des rechtlichen Bezuges der Gemeinden Ischgl, Mathon u. Galtür im eigentlichen Sinne nicht die Rede sein kann, zumal auch der lange Winter, die Nothdurft für die vielen in diesem Bezirk gelegenen Alpen u. Heupillen, ein bedeutendes Holzquantum absorbirt, welches nicht allenthalben im gleichen Maße der Fall ist.
Insbesondere konnte
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die Gemeinde Galtür nur kärglich und nicht nach Maßgabe ihres rechtlichen Bezuges mit Waldzutheilungen bedacht werden, weil der Mangel an Waldungen und deren Lage und Bringbarkeit es nicht gestattet, dieser Gemeinde eine zureichende Aushilfe durch Zutheilung von Waldungen zuzuwenden ohne der Nachbar. Gemeinde Mathon in ihrem rechtlichen Bezuge noch mehr zu schmälern.
Aus dieser Rücksicht und in der Überzeugung von der Unmöglichkeit einer weiteren Aushilfe hat sich auch die Gemeinde Galtür mit den ihr zugetheilten Waldungen zufrieden gestellt, daher auch der mit dieser und den übrigen Gemeinden
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dieses Landgerichtes abgeschlossenen Vergleiche sich der höhern Genehmigung umsomehr zu erfreuen haben dürften, als hiemit auch die von mehreren Partheien auf Grund der bezüglichen Vergleichsbriefe erhobenen Ansprüche auf das Eigenthum der Alles Waldung vollständig ausgeglichen sind.
Herr Gottlieb Zötl
kk Bergrath
Das kk Landgericht Ischgl besteht aus den Gemeinden Ischgl, Galtür und Mathon
A. Die Waldungen der Gemeinde Ischgl sind im ganzen sehr durch Lawinen durchzogen, und durch Steinschläge und Muhrbrüche belastet, so daß wohl die halbe Fläche als ertragslos erscheint, und selbst die zwischen liegenden Waldriesen sind oft
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wenig geschlossen, jung, und nur zum geringen Theile haubar. Die sonnseitig gelegenen Wälder sind noch schlimmeren Zustandes, weil sich zwischen selben noch häufige Weidelichten befinden, da die Weide zu großen Werth in dieser Gemeinde hat, indem die Viehzucht den Hauptnahrungszweig der Unterthanen bildet, und Feldfrüchte nur höchst sparsam gezogen werden können
Es rechtfertigt sich daher die Überlassung der reservirten Waldungen Patznaunerthei-Partatsch- und Felli-Wald umsomehr, als diese Waldungen einmal als engadinisches Lehen angesprochen sind, und als das Alpnothdurftholz, welches unter allen Umständen auf dieser Waldung lastet und sowol Brennholz u. Bauholz in grosser Menge zu den
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bestehenden Alpütten, Heupillen und Brücken erfordert, den Waldertrag schon größtentheils konsumirt, und daher eine Besteuerung schon aus diesem Grunde wenig Zweck gehabt hätte, da diese Bedürfnisse doch als Anforstung hätte bedeckt werden müssen.
In der Alleswaldung wurde in früherer Zeit ein Hackstreif durch das Aerar geführt, und zwar durch die Mitte derselben hinauf, während die beiden Seiten der Waldung für die darunter liegenden Höfe Waldhof und Alleshof übergehalten wurden. – Gegenwärtig wurde nun auch die Mitte dieses Waldes, und zwar in ausgedehnterem Maße als früher, pro aerario reservirt, die beiden Seiten aber und zwar in verminderter Ausdehnung als früher den beiden Höfen bestimmt.
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Diese Höfe glaubten nicht nur die Einforstung sondern den ganzen Wald auf Grund eines in Handen habenden Lehensbriefes als Eigenthum ansprechen zu dürfen, und schritten daher auch schon im politischen Wege ein.
Der Hl. Rechtskonsulenten der Komission Dr. Janiczek hält diesen Rechtsanspruch als gänzlich ungegründet, und es konnte daher auf selben auch keine Rücksicht genommen werden. Nichts destoweniger erschien die Ablösung der Einforstung nicht nur dem Sinne der Instruktion entsprechend, sondern auch zur Behebung aller weiteren Differenzen als wünschenswerth.
Da nun aber an einzelne keine Waldtheile zu überlassen sind, so glaubt die Komission dadurch ihren Vorschriften nachzukommen,
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wenn sie die Waldparzellen zwar der Gemeinde ins Eigenthum übergab, die ausschließliche Benützung derselben aber den 2 Höfen vorbehielt. Dieser Vorbehalt liegt jedoch auch schon in der Lage der Waldungen und der Höfe, da jene für andere nicht leicht beziehbar ist, und diese wieder nicht leicht aus anderen Waldungen der Gemeinde sich beholzen könnten; zudem müssen die Höfe auch von den gerade ober ihnen gelegenen Waldparzellen den nothwendigen Schutz erhalten. Übrigens sind die Höfe mit Rücksicht auf den letztern Umstand mit ihrer Einforstung durchaus nicht überflüssig gedeckt.
B. Mathon Da diese Gemeinde bloß zwei belastete Waldungen hat, die wegen Lawinen und Steinschlägen nur sehr vorsichtig benützt werden können, und schon deßhalb den rechtlichen Holzbezug
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gewähren, so ist ihr eine Aushilfe aus reservirten Staatswaldungen dringend nothwendig. Die vorhandenen reservirten Staatswaldungen, als der Neder- und Burd- Wald, dann die Urbeles und Richteramtswald sind solche, welche auf Grund engadinischer Lehen als Eigenthum von der Gemeinde oder den in selber wohnenden Lehenträgern angesprochen sind, und von welchen keine bisher vom Aerar abgeholzt wurde. Es rechtfertigt sich aus diesem Grunde, und weil aus selben bisher immer der Gemeinde Aushilfen gewährt werden mußten, die Übergabe derselben an die Gemeinde.
C. Galtür. Die hinterste und zuhöchst gelegene Gemeinde des Patznaunerthales, wo der Holzwuchs im natürlichen Gange
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der Natur allmälig sein Ende nimmt, ist so sparsam mit Holz bedeckt, daß sie schon Ankauf eines solchen aus dem Montafonthale im Vorarlbergischen schritt. Zu ihrer vollständigen Bedeckung hätte derselben eine weit bedeutendere Waldfläche als die Barninthal und Bergles Matmais – die vor 175 Jahren zum Theil vom Aerar abgetrieben wurde, – bei ihrem unvollständigen Bestande darbietet, – eingegeben werden sollen, was aber wegen Abgang eines solchen nicht geschehen konnte. Sparsamkeit und gute Wirthschaft allein können hier das Unvermeidliche ausgleichen.
Wenn übrigens auch im Landgerichtsbezirk Ischgl, wo die meisten Waldungen von Lawinenstrichen durchzogen sind, und häufig gegen diese die darunter liegenden Güter und
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und Ortschaften zu schützen, im Volksglauben berufen sind, nicht pro aerario vorbehalten wurden, so geschah dieses, weil dann gar keine Ablösung der Waldservituten möglich gewesen wäre, weil die darunter liegenden Haus- und Gutsinhaber wohl zu ihrer eigenen vorsichtigen Behandlung derselben durch die Gefahr, die ihnen droht, sich womöglich berufen glauben, weil diese den an sich verschieden qualifizierten Forstorganen nicht immer in einer für sie so wichtigen Sache das erforderliche Vertrauen schenken, und weil insbesondere zu einer so ausgedehnten, detaillirten forstlichen Bewirthschaftung ein eigenes zahlreiches und wohlgebildetes Forstpersonale aufgestellt werden müßte, dem aber auch unter allen Umständen, wo ein Elementar
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Fall stattfindet, alle Schuld von den Berührten beigemessen würde.
Zötl k.k. Bergrath
Ischgl den 4ten Dezember 1847
Aktuirt
v. Kempelen
Transkript: Hofinger