11.12.1850: Anleitung zur Verwaltung des Gemeindeeigentums

Der Grund, warum der “ Ministerialerlaß vom 11. Dezember 1850 (Z. 13353)“, enthaltend eine „Anleitung zur Verwaltung des Gemeinde-Eigenthums“, hier veröffentlich wird, ist dessen § 8, der hier an die Spietze gestellt werden soll:

§ 8. Zum Gemeinde-Eigenthume können nicht jene Sachen gerechnet werden, welche gewissen Classen von Gemeindegliedern angehören. So haben in manchen Gemeinden bloß die Bauern mit Ausschluß der Häusler den Genuß gewisser Waldungen, Weiden etc, so haben an anderen Orten Zünfte, Innungen, die Besitzer gewisser Häuser, wie z.B. die brauberechtigten Bürger, ein eigenes Vermögen oder besondere Rechte. Hierauf bezieht sich der § 26 des Gemeindegesetzes, der verfügt, daß die privatrechtlichen Verhältnisse überhaupt und insbesondere die Eigenthums- und Nutzungsrechte ganzer

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Der Ministerialerlaß vom 11. Dezember 1850 (Z. 13353): „Anleitung zur Verwaltung des Gemeinde-Eigenthums“. In: Das Gemeinde-Gesetz vom 5. März 1862 (MTA IX), Wien 1869, 224ff

§ 1 Begriff des Gemeindeeigentums. Alles, was der Gemeinde zugehört, alle ihre körperlichen und unkörperlichen Sachen, heißen das Gemeindeeigentum.

§ 2 Einteilung des Gemeindeeigentums. Das Gemeindeeigentum ist entweder Gemeindevermögen oder Gemeindegut.

§ 3 Gemeindevermögen. Unter Gemeindevermögen begreift man alle der Gemeinde eigentümlichen Sachen, deren Einkünfte zur Bestreitung der Gemeindeauslagen bestimmt sind.
Kein Mitglied der Gemeinde kann für sich den Gebrauch oder Genuss dieser Sachen ansprechen; jeder Nutzen, den sie abwerfen, geht der Gemeinde als moralische Person zuguten, und ist bestimmt, die Bedürfnisse und Auslagen derselben, zB die Besoldung des Schreibers, des Wächters, die Erhaltung der Feuerlöschrequisiten und dergleichen zu bedecken.
Es ändert übrigens nichts im Begriffe des Gemeindevermögens, ob der Ertrag aus der Sache unmittelbar in die Gemeindekasse fließt oder ob sich der Nutzen der Sache für die Gesamtheit dadurch ergibt, dass durch ihre Verwendung eine Auslage in Ersparung gebracht wird, die sonst von der Kommune bestritten werden müsste. So zB gehört das zur Wohnung des Wächters bestimmte Gemeindehaus zum Gemeindevermögen, weil durch dessen Verwendung für die Wohnung des Wächters die Gemeinde den Mietzins erspart, den sie sonst bezahlen müsste.

§ 4 Gemeindegut im weiteren Sinn. Dagegen bilden alle der Gemeinde eigentümlichen Sachen, die entweder zum Gebrauch eines jeden in der Gemeinde oder ausschließlich zum Gebrauch der Gemeindeglieder dienen, das Gemeindegut im weiteren Sinn.

§ 5 Zu dem Gemeindegut der ersten Art gehören Gemeindewege, Gemeindebrücken, Brunnen, Spaziergänge etc., kurz alle Objekte, deren Natur und Zweck einen ausschließenden Gebrauch im Interesse der Gemeinde oder selbst nur der einzelnen Gemeindeglieder nicht zulassen.
Sie gehören zu den eigentlichen Gemeindeanstalten, wovon der § 21 Abs 2 des Gemeindegesetzes vom 17.März 1849 spricht und auf deren Benützung jedermann in der Gemeinde ohne Unterschied, ob er Mitglied derselben ist oder nicht, nach Maß der bestehenden Einrichtungen, zB gegen die Einrichtung des Brückengeldes etc. und namentlich mit Beobachtung der polizeilichen Vorschriften, zB dass auf den Wegen keine Last geschleift, über Brücken nicht schnell gefahren werden darf, etc., Anspruch hat.

§ 6 Gemeindegut im engeren Sinn. Jede der gemeindeeigentümlichen Sachen, welche bloß zum Gebrauche der Gemeindeglieder (Gemeindebürger oder Gemeindeangehörige) dienen, bilden das Gemeindegut im engeren Sinn.
Dahin gehören zB Viehweiden, insofern jedes Gemeindeglied berechtigt ist, sein Vieh darauf zu treiben.
Ebenso sind die der Gemeinde gehörigen Wälder, Auen, Wiesen usw. Gemeindegut, wenn deren Nutzen unter die einzelnen Gemeindeglieder verteilt wird.
Diese Nutzungen mancher Gemeindegüter bedecken nicht nur den Bedarf aller Gemeindeglieder, sondern es bleibt noch ein Erträgnis, das sohin für die Bedürfnisse der Gemeinde verwendet werden und daher in die Gemeindekasse fließen muss.
Dies ändert aber nichts in der Natur der Sache, sie bleibt Gemeindegut, weil ihre erste Bestimmung die ist, zum Gebrauch der Gemeindeglieder zu dienen.

§ 7 Gewidmetes oder gestiftetes Gemeindevermögen. Gewisse Objekte des Gemeindevermögens haben eine bestimmte Widmung, der sie nicht entzogen werden dürfen. Sie sind zur Erhaltung von gemeinnützigen Anstalten oder für besondere gemeinsame Zwecke, zB für Kranken-, Waisen-, Armen-, Versorgungshäuser, Sparkassen, Gemeindespeicher usw. bestimmt.
Diese Objekte bieten das gewidmete oder gestiftete Gemeindevermögen.

§ 8. Zum Gemeinde-Eigenthume können nicht jene Sachen gerechnet werden, welche gewissen Classen von Gemeindegliedern angehören. So haben in manchen Gemeinden bloß die Bauern mit Ausschluß der Häusler den Genuß gewisser Waldungen, Weiden etc, so haben an anderen Orten Zünfte, Innungen, die Besitzer gewisser Häuser, wie z.B. die brauberechtigten Bürger, ein eigenes Vermögen oder besondere Rechte. Hierauf bezieht sich der § 26 des Gemeindegesetzes, der verfügt, daß die privatrechtlichen Verhältnisse überhaupt und insbesondere die Eigenthums- und Nutzungsrechte ganzer Classen, oder einzelner Glieder der Gemeinde ungeändert bleiben.

§ 9 Verwaltungsorgan. Die Verwaltung des Gemeindeeigentums teilt sich zwischen dem Gemeindeausschuss und dem Gemeindevorsteher (Bürgermeister, Gemeinderichter).

Der Gemeindeausschuss schreibt zB vor, dass ein Kapital zum Ankauf von öffentlichen Obligationen verwendet oder unter diesen oder jenen Bedingungen an Private dargeliehen werden soll.

§ 10 Inventarium. Jeder ordentliche Hausvater erhebt vorerst den Stand seines Vermögens, bevor er über dasselbe verfügt.
Ohne seine Vermögenskräfte genau zu kennen, läuft man leicht Gefahr, entweder durch Nichtbenützung derselben jene Vorteile nicht zu kennen, die man selbst hätte erzielen können, oder aber über diese Kräfte hinaus sich in Auslagen einzulassen, die man zu tilgen dann außerstande ist.
Die Gemeinde befindet sich in ganz gleicher Lage, sie muss vorerst wissen, was sie besitzt, um hiernach ihren Haushalt ordnen zu können.

§ 11 Grundsätze der Verwaltung. Die Gemeinde hat selbständig ihr Eigentum zu verwalten, sie legt diese Verwaltung in die Hände des durch ihr Vertrauen berufenen Gemeindeausschusses.
Diese Selbständigkeit in der Vermögensverwaltung darf jedoch mit Willkür und Ungebundenheit in der Gebarung nicht verwechselt werden.

§ 12. Die Beschränkungen, welche das Gemeindegesetz hinsichtlich der Verwaltung des Gemeindeeigentums ausspricht, fließen aus der Natur der Sache.
Die Gemeinde ist eine unsterbliche Person, die sich immer wieder verjüngt.
Ihr Eigentum gehört nicht den jetzigen Gliedern der Gemeinde allein, sondern auch jenen, aus denen künftige die Gemeinde bestehen wird.

§ 13. Aus der Natur der Gemeinde fließt die weitere Beschränkung des § 80 des Gemeindegesetzes hinsichtlich der Aufnahme von Darlehen und der Vornahme von Kreditsoperationen.
Ob den Nachkommen in der Gemeinde kein oder ein ganz verschuldetes Vermögen hinterlassen werde, läuft auf dasselbe hinaus.

§ 14. Innerhalb der durch das Gesetz und die Privatrechte gezogenen Grenzen hat der Gemeindeausschuss das Eigentum der Gemeinde als redlicher und sorgfältiger Hausvater zu verwalten und das Interesse der Gemeinde zu den seinen zu machen.

§ 15 Benützung des Gemeindevermögens. Nach § 73 des Gemeindegesetzes ist der Gemeindeausschuss verpflichtet, darüber zu wachen, dass das gesamte erträgnisfähige Vermögen der Gemeinde derart verwaltet werde, dass die tunlichst größte nachhaltige Rente daraus erzielt werde.

§ 16. In der Regel wird wohl die Verpachtung von Äckern, Wiesen, Wein- und Obstgärten der eigenen Bewirtschaftung vorzuziehen sein.
Im Fall der Verpachtung dürfte auf dem Wege der öffentlichen Versteigerung der größtmögliche Pachtschilling erzielt werden.

§ 17 Benützung des Gemeindegutes. Nach § 75 des Gemeindegesetzes ist der Gemeindeausschuss verpflichtet, darauf zu sehen, dass kein berechtigtes Gemeindeglied aus dem Gemeindegut einen größeren Nutzen ziehe, als zur Deckung seines ganzen Bedarfs notwendig ist.
Jede nach der Deckung dieses Bedarfs erübrigende Nutzung hat eine Rente für die Gemeindekasse zu bilden.

§ 18 Gemeindewaldungen. Gemeindewaldungen können in keinem Fall verpachtet werden.

§ 19 Jagdrecht. Nach § 7 des allerhöchsten Patentes vom 7. März 1849 ist die Gemeinde verpflichtet, die ihr zugewiesene Jagd entweder ungeteilt zu verpachten oder selbe durch einen bestellten Sachverständigen (Jäger) ausüben zu lassen.

§ 20 Verwendung der Überschüsse. Nach § 76 des Gemeindegesetzes hat der Ausschuss zu wachen, dass jene Gemeindeüberschüsse, welche die gewöhnlichen Kassebedürfnisse übersteigen, sogleich mit gesetzlicher Sicherheit fruchtbringend angelegt werden und insofern sie nicht für bestimmte Gemeindezwecke gewidmet sind, zum Kommunvermögen geschlagen werden.

§ 21 …