Wahnsinn mit Methode

Agrargemeinschaften in Tirol. Entschädigungslose Enteignung der Tiroler Bauern im 21. Jhdt
Ing. Wilhelm Schlögl, Jahrgang 1954, technischer Betriebsleiter im (Un-)Ruhestand, verheiratet, Vater von zwei Kindern, Altbauer am Weberhof in Mieders, war rund 25 Jahre Kassier der Agrargemeinschaft Mieders. Foto: Peter Parker (2014).

 

Wahnsinn mit Methode

Seit 1. Juli 2014 soll der gesamte Agrargemeinschaftsbesitz ein Substanzrecht der Ortsgemeinde Mieders sein. Dies trifft Ing. Wilhelm Schlögl besonders. Als technischer Betriebsleiter eines international agierenden Unternehmens hatte er auch in einem ehemals kommunitischen Land Leitungsfunktionen. Die verherenden Auswirkungen eines politisch geführten Staatsbesitzes waren ihm viele Jahre unmittelbar vor Augen. Umgekehrt konnte er als Kassier der Agrargemeinschaft Mieders über viele Jahre miterleben, wie hart das letztlich bescheidene agrargemeinschaftliche Vermögen der ursprünglich 66 Miederer Grundbesitzer erarbeitet worden war.

Intensiv hat sich Ing. Schlögl mit den Details der Rechtsverhältnisse am Miederer Grund und Boden beschäftigt. Wahres Eigentum der Ortsgemeinde hat er keines gefunden, sondern vorallem ungeteiltes Gemeinschaftsgut der 66 Miederer Haus- und Hofbesitzer. Und eine Besonderheit: Jedenfalls der wertvollste Grund und Boden der Miederer Agrargemeinschaft, die gesamte Waldstrecke im Gschnalls, stammt sogar aus aufgeteiltem Einzeleigentum der Agrargemeinschaftsmitglieder! Von einem Gemeindeeigentum somit keine Spur.

Waldteilung 1804

Im Jahr 1804 war die gesamte Waldstrecke im Gschnalls mit staatlicher Genehmigung in 66 Teile aufgeteilt worden; jedem der 66 Haus- und Hofbesitzer von Mieders ist ein bestimmter Waldteil zugelost  worden. Im Jahr 1856 wurde jede dieser insgesamt 66 Waldparzellen als Privateigentum jedes einzelnen Haus- und Hofbesitzers erfasst und im Franziszeischen Kataster als Teil des betreffenden Hofes angeschrieben. Spätestens nach weiteren 40 Jahren, sohin im Jahr 1894, war jede dieser Parzellen ein Privateigentum des betreffenden  Hofbesitzers in Mieders; dies aus dem Eigentumstitel der Ersitzung.

Die Grundbuchanleger ignorieren Privateigentum

Ungeachtet dieser klaren Rechtslage wurde im Jahr 1913, als in Mieders das Grundbuch angelegt wurde, ein „Gemeindegut“ angenommen; die 66 Grundparzellen der Miederer Hof- und Gutsbesitzer wurden als „Gemeindegutsnutzungen“ hingestellt.
Das war offenkundig falsch. Die Parzellen waren Privateigentum der einzelnen Hof- und Gutsbesitzer. Die Agrarbehörde hätte deshalb Anfang der 1960er Jahre bei den Waldparzellen im Gschnalls ein Privateigentum der einzelnen Hof- und Gutsbesitzer feststellen müssen. Dort wurde von der Agrargemeinschaft Mieders später der Gewerbepark Mieders eingerichtet. Seit dem Jahr 2014 kassiert die Ortsgemeinde Mieders die Erlöse aus den Grundverkäufen, die eigentlich einzelnen Mitgliedern zustehen..

 

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Interview mit Ing. Wilhelm Schlögl

Warum soll der „Gschnallswald“ Eigentum der Agrarier sein?

Schlögl: Die gesamte Waldstrecke im Gschnalls, wo sich heute der Gewerbepark Mieders entwickelt, wurde im Jahr 1804 von den zuständigen Staatsbehörden unter den damals 66 Haus- und Hofbesitzern von Mieders aufgeteilt. Mein Rechtsvorgänger am Weberhof war damals ein gewisser Anton Auer vulgo Weber. Ihm wurde die Parzelle mit der Nummer 15 zugewiesen; im Ausmaß von vier Klafter und 2 ½ Schuh. Fünfzig Jahre später, im Jahr 1856, als der Franziszeische Kataster erstellt wurde, bekam diese Waldparzelle „im Gschnalls“ die laufende Parzellennummer 1134. Das Grundparzellenprotokoll und das Eigentümerverzeichnis weisen Andre Auer, vulgo Weber, als Eigentümer aus. Die Waldparzelle 1134 „im Gschnalls“ wurde somit im Jahr 1856 ganz offiziell als Teil des Weberhofes anerkannt. Ganz gleich wurde bei den anderen im Jahr 1804 gebildeten Waldparzellen im Gschnalls vorgegangen. Im Grundkataster sind alle 66 Gschnallser Waldparzellen ein Eigentum der Miederer Haus- und Hofbesitzer. Wo heute sich der Gewerbepark entwickelt, war Einzeleigentum. Selbst wenn diese Eintragungen falsch gewesen wären – wofür kein Anhaltspunkt besteht – die Bauern haben diese Waldparzellen immer als ihr Eigentum genutzt. Sie waren Eigentümer laut Kataster und sie haben diese Waldparzellen bewirtschaftet. Spätestens nach 40 Jahren war ein unanfechtbares Privateigentum entstanden. Trotzdem wurde im Jahr 1913 bei der Grundbuchanlegung eine bloße Gemeindegutsnutzung angenommen. Das war ein glatter Rechtsbruch.

Hat die Agrarbehörde zu Recht ein Eigentum der Agrargemeinschaft festgestellt?
Schlögl: Bei den Waldparzellen im Gschnalls hätte eigentlich ein Einzeleigentum der Agrargemeinschaftsmitglieder festgestellt werden müssen. Aber die Einzelbewirtschaftung so kleiner Waldparzellen war nicht mehr zeitgemäß. Insofern war es richtig in den 1960er Jahren agrargemeinschaftliches Eigentum festzustellen. Ein Gemeindeeigentum, wie 1913 im Grundbuch ausgewiesen, hatte jedenfalls nie existiert.

Wird heute auch im Gschnalls ein „atypisches Gemeindegut“ angenommen?
Schlögl: Ja, aus einem einfachen Grund: Schon im Jahr 2006 wurde Agrargemeinschaft Mieders durch den berüchtigten Bescheid des Dr. Guggenberger von der Agrarbehörde Innsbruck vorverurteilt. Die Ortsgemeinde sei enteignet worden! Dieses Vorurteil bestimmte das VfGH-Erkenntnis 2008. So nahm der Irrweg der jüngsten Tiroler Agrargeschichte seinen Lauf. Erst wie das Mieders-Verkenntnis da war, sind die Agrarier und ihre Standesvertreter aufgewacht. Da waren die Messer aber schon gewetzt; das Schwein sollte schnellstmöglich geschlachtet werden. Der Einwand, dass die Grundbucheintragungen auf „Gemeinde“ schlicht falsch waren, wurden nicht mehr gehört.

Wie ist das erklärbar?
Schlögl: Die Agrarbehörde und der VfGH haben im ersten Verfahrensgang 2006 bis 2008 nur ins historische Grundbuch geschaut; die falschen Eintragungen auf Ortsgemeinde wurden für bare Münze genommen. Das Märchen von der „verfassungswidrigen Enteignung der Gemeinde“ war geboren. Daraus leitet sich ab, dass die Bescheide der Agrarbehörde „verfassungskonform“ verbogen werden müssten, um aus einem Eigentum einer Agrargemeinschaft eine „Substanz der Ortsgemeinde“ zu machen. Das Mieders-Verkenntnis des VfGH vom Juni 2008 fiel zeitlich mit der Landtagswahl 2008 zusammen, wo einer arger Agrargegner einen Erdrusch-Erfolg eingefahren hat. Bei der ÖVP hat man dann wohl geglaubt, die Agrargemeinschaftsmitglieder schnellstmöglich enteignen zu müssen. Die Agrarbehörde hat dann offensichtlich eine politische Vorgabe umgesetzt. Die falsche Idee vom ehemaligen Gemeindeeigentum wurde nirgendwo ernsthaft in Frage gestellt – schon gar nicht in Mieders. Rechtlich hat man dann nur mehr geprüft, ob die Agrarbehörde ursprünglich von einem „Gemeindegut“ ausgegangen sei. Dieses sei unwiderlegbar ein Eigentum der Gemeinde. Der Einwand der Agrargemeinschaft, wonach es ein Eigentum der Haus- und Hofbesitzer war, wurde zurückgewiesen. Alle Bemühungen, das wahre Eigentum der Haus- und Hofbesitzer zu beweisen, wurden als irrelevant erklärt. Und der VfGH und der VwGH haben diese Methode gedeckt. Erklärbar ist somit die Vorgehensweise der Agrarjuristen, wie das „atypische Gemeindegut“ gefunden wurde – nämlich durch ein beharrliches Ignorieren der historischen Fakten. Gerecht ist eine solche Vorgehensweise nicht. Es gilt vielmehr der berühmte Satz von William Shakespeare: Ist es auch Wahnsinn, so hat es zumindest Methode!

Sie nehmen Ihre Enteignung zumindest mit Humor?
Schlögl: Der Schein trügt. Es handelt sich um den „Humor der Verzweiflung“. Ich habe mittlerweile die Rechtsvorgänger am Weberhof über mehrere Jahrhunderte zurückverfolgt. Das Eigentum zu erwerben und zu kultivieren war die Arbeit von Generationen. Wenn dann heute die Juristen das Märchen verbreiten, unsere Vorgänger hätten die Ortsgemeinde bestohlen, so ist das einfach nur bitter.

Der Agrarstreit ist erledigt und beendet. Was nützt die historische Forschung?
Schlögl: Die öffentlichen Meinungskundgebungen der Beamten und Politiker sind mir natürlich bekannt. Jeder von uns hat seine eigene Meinung über die Nachhaltigkeit der Politikermeinungen. Es ist schon fast sprichwörtlich, dass meist alles anders kommt, als vorher in den Medien verbreitet wird. Wirklich bedeutende Politiker wie Konrad Adenauer haben es deshalb gar als ein Menschenrecht bezeichnet, dass Politiker auch klüger werden – sprich ihre Meinung ändern dürfen. Dieser Prozess wird früher oder später auch in Tirol einsetzen.

Sehen Sie schon irgendwelche Anzeichen für einen öffentlichen Meinungswandel?
Schlögl: Die Erfindung einer „Gemeindesubstanz“ trifft nicht nur Mieders, wo die Ortsgemeinde jetzt einen als Gewerbegrund umgewidmeten Bauernwald im Gschnalls verhökern und mit fremdem Gut „big spender“ spielen kann. Fälle, wo hier und jetzt mit dem Eigentum der Bürgerinnen und Bürger schnelle Gewinne der Ortsgemeinde herausspringen, sind der krasse Ausnahmefall – das Atypische. Die typische „Gemeindesubstanz“ in Tirol ist Schutzwald und ein Schutzwald, der will gepflegt und klug bewirtschaftet werden! Das kann man erfolgreich mit Eigentümern machen, die bereit sind, ihre Freizeit der Waldarbeit zu widmen statt dem Golfspiel. Mit bezahlten Gemeindedienstnehmern, die in der Arbeitszeit den Wald aufräumen oder die Alm putzen sollen, ist das hingegen weit schwieriger. Jetzt schimpfen die Bürgermeister noch hinter vorgehaltener Hand über ein „Danaergeschenk“ – wie das berühmte Trojanische Pferd, an dem die Stadt Troja zu Grunde gegangen ist. Nach der Gemeinderatswahl im Februar 2016 werden vermutlich die ersten Bürgermeister offen auftreten und fordern, dass ihre Gemeinde den neuen Klotz am Bein wieder los wird.

Wie soll es in Mieders weitergehen?
Schlögl: In der Ortsgemeinde Mieders freut man sich vorerst natürlich über den neu gewonnenen finanziellen Spielraum. Dieser kommt aber hauptsächlich aus der Möglichkeit, „im Gnalls“ bisherigen Waldgrund als Gewerbegrund zu verkaufen. Das sind jedoch gerade die Flächen, die im Jahr 1804 als „Gschnalsteile“ auf die 66 Grundbesitzer aufgeteilt und im Jahr 1856 als deren Eigentum staatlich bestätigt wurden. Wenn im Jahr 1913, sohin 58 Jahre nach der Bestätigung des Eigentums der Haus- und Hofbesitzer, diese Waldparzellen sang- und klanglos als Eigentum der Ortsgemeinde Mieders deklariert wurden, dann war diese Entscheidung der Grundbuchsbeamten – in den Worten des Verfassungsgerichtshofs – „offenkundig verfassungswidrig“. Die Agrarbehördenentscheidung aus den 1960er Jahren, wonach auch die sogenannten „Gschnalsteile“ ein Eigentum der Agrargemeinschaft Mieders seien, so war deshalb kein Eingriff in das Eigentumsrecht der Ortsgemeinde. Allenfalls wurde in das Eigentum der Haus- und Hofbesitzer von Mieders eingegriffen! Die historische Rechtslage ist vollkommen eindeutig. Vor den historischen Fakten kann man jedoch nur gewisse Zeit die Augen verschließen. Er ist nur eine Frage der Zeit, bis der wahre Sachverhalt allgemein anerkannt wird.

Wie gehen Sie mit der derzeitigen Situation um?
Schlögl: Die Höfe von Mieders existieren seit vielen hundert Jahren. Und diese Höfe werden in der ganz großen Mehrzahl die weiteren Jahrhunderte überdauern. Rückblickend hatten die Besitzer viel schlimmere Zeiten zu überstehen als den heutigen „Agrarsturm“! Auch die Zeit dieses Agrarsturms wird vorübergehen! Aus diesem Grund blicke ich auch mit einer gewissen Gelassenheit auf die heutigen Enteignungen. Und ich bin der festen Überzeugung, dass sich früher oder später die öffentliche Hand für die Fehlentscheidungen der Gerichte und Behörden entschuldigen und die Betroffenen entschädigen wird!


„Scheineigentum“ der Ortsgemeinde
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Unter Einbeziehung des Rechtsinstituts der Ersitzung war es jedenfalls richtig, den Franziszeischen Kataster als Grundlage für die Eigentümerfeststellung bei der Grundbuchanlegung heran zu ziehen. War der Rechtsvorgänger bereits im Grundstückskataster als Eigentümer erfasst und stand der Rechtsnachfolger mehr als vierzig Jahre später immer noch in ungestörtem Besitz, so konnte nur dieser Besitzer der wahre Eigentümer sein. Wegen Ablaufes der langen Ersitzungszeit hatte jeder andere (ursprüngliche) Eigentümer gegen den „redlichen Besitzer“ alle Rechte verloren. Der Vergleich des ursprünglichen Katasterstands mit dem Grundbuchstand ist deshalb eine Methode, anhand der Fehler bei der Grundbuchanlegung aufgedeckt werden können.

Die Katastralgemeinde Mieders, wo der Streit um das „agrargemeinschaftliche Gemeindeeigentum“ seinen Ausgang nahm, liefert eindrucksvolle Beispiele dafür, wonach bei der Grundbuchanlegung lediglich ein „Scheineigentum“ kraft unrichtiger Grundbuchseintragungen erfasst wurde. Waldparzellen, an denen die Haus- und Hofbesitzer von Mieders jedenfalls Kraft Ersitzung Eigentum besessen hatten, wurden ohne nachvollziehbare Begründung der Gemeinde Mieders zugeschrieben.


FRANZISZEISCHER KATASTER UND GRUNDBUCH
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In der Katastralgemeinde Mieders lassen sich jedenfalls zwei historische Waldteilungen nachweisen, einmal im Jahr 1757, einmal im Jahr 1804. Im Jahr 1757 wurde über wiederholte Bitte der Miederer „auf Gulla“ der Bannwald nach dem Steuerfuß aufgeteilt. Vollzugsbehörden waren das „Salzamt Hall“ als „Waldoberbehörde“ sowie der Richter zu Mieders, Josef Pixner. Die Urkunde stammt vom 18. Juni 1757; sie ist unterschrieben vom „Miederer Gemeindeausschuss“ und besiegelt vom Landrichter Josef von Stolz. Diese Urkunde wird im Tiroler Landesarchiv verwahrt; sie ist auf Mikrofilm erschlossen („Feuerstätenprotokoll“). Gebildet wurden damals 65 Waldparzellen, die nach dem gezogenen Los auf die damals 65 Miederer Hofbesitzer aufgeteilt wurden, die sämtlich in der Urkunde mit Namen angeführt sind. Die Miederer sprechen heute von den „eigenen Teilen“; die Riedbezeichnung der Waldparzellen lautet „Gulla“; gelegentlich wird auch die Bezeichnung „Lehnerwald“ verwendet.

Eine weitere Waldaufteilung wurde im Jahr 1804 vollzogen. Gegenstand der Waldaufteilung war die sogenannte „Gschnalls Waldstrecke“. Die Teilung gründete auf die „Hohe Gubernial Bewilligung dato 03. März 1804, Forst Nr 3821“; Vollzugsorgan war der eigens nach Mieders gekommene „salzoberämtliche Herr Kommissär und Oberwaldmeister, k.k. Salzoberamtsrat zu Hall, Peter Paul Strele, der auch den k.k. Distrikts-Waldmeister, Johann Seybold von Matrei, und den k.k. Waldhüter Blasius Diechtl beigezogen hat. Die „Gschnalls Waldstrecke“ wurde in 66 Waldparzellen aufgeteilt. Wiederum wurde der Steuerschlüssel zugrunde gelegt. Die Miederer Haus- und Hofbesitzer wurden entsprechend ihrer „Steuergibigkeit“ in fünf Klassen eingeteilt und dementsprechend bekam jede Klasse einen „größeren, mittleren oder kleineren Einfangswald“. Innerhalb der Klassen wurden die gebildeten Parzellen nach dem Los zugewiesen. Die Urkunde wird im Miederer Gemeindearchiv verwahrt und trägt die laufende Nummer acht.

Einer der ursprünglich 65 bzw. später 66 Hofstellen in Mieders ist der Weberhof. Im Jahr 1757 wurde dem Weberhof, damals im Besitz des Antoni Brugger, die Waldparzelle mit der laufenden Nummer 16 im Ausmaß von 300 Klafter zuerkannt. Im Jahr 1856 bei Erstellung des Franziszeischen Katasters wurde diese Waldparzelle mit der laufenden Parzellennummer 1204 erfasst. Das Grundparzellenprotokoll des Katasters für die Gemeinde Mieders weist die Waldparzelle als Eigentum des Andre Auer, vulgo Weber, aus. Im Jahr 1804, als die Waldstrecke im Gschnalls unter den Haus- und Hofbesitzern von Mieders aufgeteilt wurde, war der Weberhof im Eigentum des Anton Auer. Gebildet wurden 66 Teile; dem Eigentümer des Weberhofs, Anton Auer, wurde der Teil 15 zugewiesen. Das Teilungsprotokoll beschreibt die Größe der Waldparzelle mit vier Klafter sowie 2 ½ Schuh. Bei Erstellung des Franziszeischen Katasters wurde diese Waldparzelle „im Gschnalls“ unter der laufenden Parzellennummer 1134 erfasst; das Grundparzellenprotokoll und das Eigentümerverzeichnis weisen Andre Auer, vulgo Weber, als Eigentümer aus. Sowohl die Waldparzelle 1204 „auf Gulla“, als auch die Waldparzelle 1134 „im Gschnalls“, wurden somit im Jahr 1856 ganz offiziell als Teil des Eigentumsbestandes des Weberhofes anerkannt.

Im Jahr 1913 im Zuge der Grundbuchanlegung wurde unter laufende Postnummer 26 für den geschlossenen Hof „Weber“ ein Grundbuchanlegungsprotokoll eröffnet. Die Grundparzelle 1204, Riedbezeichnung „Gullen“, wurde dem Gutsbestand der Liegenschaft „Weber“, EZ 19 I, zugeschrieben. Nachträglich wurde die Grundparzelle 1204 vom Grundbuchanlegungsprotokoll Postnummer 26, geschlossener Hof Weber, mit roter Tinte abgestrichen und dem Grundbuchanlegungsprotokoll Postnummer 79 „Gemeinde Mieders“ zugeschrieben. Eine nähere Begründung für diese nachträgliche Abstreichung der Waldparzelle mit roter Tinte findet sich im Grundbuchanlegungsprotokoll nicht. Nur auf der letzten Seite des Grundbuchanlegungsprotokolls findet sich der Vermerk, dass ein Holzbezugsrecht auf Waldparzelle 1204 in laufender Postnummer 79, bestehe; das Eigentum an der Waldparzelle 1204 wurde somit in eine „Gemeindegutsnutzung“ umfunktioniert; eine Begründung für diesen „offenkundig verfassungswidrigen Vorgang“ lässt sich dem Grundbuchanlegungsprotokollen (GAP) Nummer 26 (geschlossener Hof Weber) und Nummer 79 (Gemeinde Mieders) nicht entnehmen.

Die Waldparzelle 1134 „im Gschnalls“ betreffend, findet sich im Grundbuchanlegungsprotokoll Nr 26 „Weberhof“ überhaupt kein Hinweis auf ein Eigentum des Weberhofbesitzers. Sucht man die 66 Waldparzellen der Miederer Haus- und Hofbesitzer „im Gschnalls“, so muss man das Grundbuchanlegungsprotokoll Nr 79 „Gemeinde Mieders“ heranziehen. Ohne irgendwelche nachvollziehbaren Hinweise auf die Veranlassung werden dort alle 66 Waldparzellen „im Gschnalls“ der Gemeinde Mieders als Eigentum zugeordnet. Nicht einmal ein Servitut wurde für die wahren Eigentümer einverleibt.

Die 65 Waldparzellen „Gullen“ betreffend, wurde hingegen für die Hofbesitzer, die an der Teilung im Jahr 1757 beteiligt waren, ein Servitut des Holz-und Streubezuges mit der Berechtigung zum Verkauf, einverleibt. Als Grundlage für dieses Servitut nennt das Grundbuchanlegungsprotokoll die Urkunden aus den 1750er Jahren, so als ob die Ortsgemeinde Mieders des Jahres 1913 in den 1750er Jahren bereits als Staatsgebilde existiert hätte.

EIGENTUM AN WALDPARZELLEN

Wessen Eigentum waren die Waldparzelle 1134 „im Gschnalls“ sowie die Waldparzelle 1204 „auf Gulla“ im Jahr 1913, als das Grundbuch in Mieders angelegt wurde?
Auszugehen ist davon, dass die Teilungsakte in den Jahren 1757 und 1804 von offiziellen Stellen des Staates vollzogen wurden. In beiden Fällen war der jeweilige Richter von Mieders beteiligt; hinzu kamen übergeordnete Staatsorgane. Aus heutiger Sicht ist die Annahme unbedenklich, dass jeder Haus-und Hofbesitzer in Mieders im Jahr 1757 bzw. im Jahr 1804 die betreffende Waldparzelle in dem guten Glauben in Besitz nehmen durfte, dass diese Waldparzelle in Hinkunft alleine seine Waldparzelle sein werde. Blickt man auf die Rechtslage, wie diese im Jahr 1815 mit Inkrafttreten des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs geschaffen wurde, so muss man die Hausbesitzer von Mieders jedenfalls als „Ersitzungsbesitzer“ anerkennen. Ersitzungsbesitzer deshalb, weil historisch der Tiroler Landesfürst ein Obereigentum über die Tiroler Wälder in Anspruch genommen hat. Mit dem Wegfall des landesfürstlichen Obereigentums und Auflösung der feudalen Eigentumsstruktur im Verlauf des 19. Jahrhunderts („Tiroler Forstregulierung 1847“) wurden diese Ersitzungsbesitzer jedenfalls Eigentümer. Völlig zu Recht wurden deshalb sowohl die Waldparzellen „auf Gulla“, als auch die „Gschnallsparzellen“ im Jahr 1856 gemäß Grundparzellenprotokoll des Franziszeischen Katasters als Eigentum der Haus- und Hofbesitzer von Mieders registriert.

Legt man die für die Anlegung des Franziszeischen Katasters geltende Instruktion zugrunde, so waren die Haus-und Hofbesitzer im Jahr 1856 jedenfalls im Besitz und Nutzung dieser Waldteile; darüber hinaus waren sie als verfügungsberechtigt anerkannt. Bedenkt man, dass zwischen dem Jahr 1856 und der Grundbuchsanlegung in Mieders im Jahr 1913 noch einmal mehr als 50 (!) Jahre verstrichen sind, kann mit Fug und Recht behauptet werden, dass es offenkundig rechtswidrig war, im Jahr 1913 die Ortsgemeinde Mieders als Eigentümerin dieser Waldparzellen zu deklarieren.

Vor diesem Hintergrund relativiert sich der Standpunkt des Verfassungsgerichtshofs, wonach die Entscheidung der Agrarbehörde im Jahr 1965 offenkundig verfassungswidrig gewesen wäre, wonach eine Agrargemeinschaft Mieders Eigentümerin dieser Waldparzellen sei. Richtiger Weise wären die 66 (65) Haus- und Hofbesitzer von Mieders als Eigentümer festzustellen gewesen, weil die Waldparzellen ihr geteiltes Einzeleigentum waren. Zweifellos war es jedoch deren gutes Recht, das Eigentum an den Waldparzellen zusammen zu legen und in einer Agrargemeinschaft gemeinschaftlich zu verwalten. Verfassungswidrig war somit gar nichts an der Entscheidung der Agrarbehörde in den 1969er Jahren, wonach die Waldparzellen „auf Gulla“ und die „Gschnallsteile“ Eigentum der Agrargemeinschaft Mieders seien. Verfassungswidrig sind vielmehr die Rechtsvorgänge seit dem Jahr 2008, mit denen der Ortsgemeinde und damit dem Staat ein Substanzrecht zuerkannt wurde.

MP

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