Agrargemeinschaft-
liches Gemeindegut

ZEHN FRAGEN UND ZEHN ANTWORTEN DAZU

 

Abstract
Im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Gesetzesbeschluss über das neue Flurverfassungs-Landesrecht im Jahr 1935 wurde auch die Tiroler Gemeindeordnung durchgreifend novelliert. Der erste Gesetzesbeschluss dazu stammte vom 26. April 1935.
Bei dieser ersten Fassung der Tiroler Gemeindeordnung von 1935 war übersehen worden, dass das Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung – insoweit die Belange „Bodenreform, insbesondere agrarische Operation“ betroffen sind, nur mehr dem Flurverfassungsrecht unterliegt.
Das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft mit Note vom 29. Mai 1935, Zl 23675/4 (Zl 144.471/6-1935 des Bundeskanzleramtes) Einwendungen gegen diesen Gesetzesbeschluss erhoben, weil der Gesetzesbeschluss in seinen das Gemeindegut betreffenden Vorschriften Bestimmungen enthielt, die mit dem Flurverfassungs-Grundsatzgesetz (Bundesgesetz vom 2. August 1932 B 256) nicht in Einklang stünden, weshalb sich das Bundeskanzleramt Verfassungsdienst an die Tiroler Landesregierung wandte.
Der Tiroler Landesgesetzgeber hat in der Sitzung des Tiroler Landtages am 10. Juli 1935, vormittags, als zuständiger Gesetzgeber für das Tiroler Gemeinderecht, den klaren gesetzgeberischen Willen umgesetzt, dass das „Gemeindegut/Fraktionsgut in agrargemeinschaftlicher Nutzung“, weil dieses Eigentum einer Agrargemeinschaft ist, gerade nicht länger im Tiroler Gemeinderecht, sondern im Tiroler-Landes-Flurverfassungsrecht geregelt wird.
Alle späteren Neufassungen der Tiroler Gemeindeordnung haben den absolute Vorrang des Flurverfassungsrechts in Bezug auf das Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung respektiert und gesetzlich umgesetzt: § 82 TGO 1949: „Durch die Bestimmungen dieses Gesetzes werden die gesetzlichen Vorschriften über die Flurverfassung nicht berührt“. An diesem Normwortlaut hat sich bis zur TGO 2001 LGBl 2001/36 nichts Wesentliches geändert. § 74 TGO 2001: „Verhältnis zu den Vorschriften in den Angelegenheiten der Bodenreform. Im Übrigen werden durch dieses Gesetz die Vorschriften in den Angelegenheiten der Bodenreform nicht berührt.“
Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung war nach Tiroler Landesrecht somit seit dem Jahr 1935 ausdrücklich aus dem allgemeinen gemeinderechtlichen Gemeindegutsbegriff der Gemeindeordnung ausgeschieden und dem Anwendungsbereich des Flurverfassungsrechts unterworfen worden. Seit dem Jahr 1935 verlangt die TGO beim Gemeindegut eine gesetzliche Differenzierung: Bodenreformmaßnahmen, insbesondere agrarische Operationen an agrargemeinschaftlich genutztes Gemeindegut sind nach Flurverfassungs-Landesrecht zu behandeln; insbesondere gibt es im Gemeinderecht keinerlei Kompetenz, die Eigentumsverhältnisse am Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung zu regeln.
Wenn der Verfassungsgerichtshof somit im Jahr 1982, Erkenntnis VfSlg 9336/1982, die Rechtsbehauptung aufstellte, dass das Gemeindegut, auch dann, wenn dieses agrargemeinschaftlich genutzt würde, nach den Gemeindeordnungen zwingend als ein Gut im Eigentum der Gemeinde gestempelt wäre, dann war das schlicht FALSCH – gar verfassungswidrig, weil a) unvereinbar mit Art 12 BVG; b) unvereinbar mit dem seit 1935 geltenden Gemeinderecht!
.

1. Warum muss ein „Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung“ vom „sonstigen Gemeindegut“ unterschieden werden?

Die Unterscheidung ist erforderlich, weil der Gesetzgeber eindeutig klar gestellt hat, dass „Gemeindegut, welches eine Agrargemeinschaft darstellt“ (= Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung) vom sonstigen Gemeindegut und insbesondere vom Eigentum der Ortsgemeinde zu unterscheiden ist.

2. Gab es einen besonderen Anlass für die Klarstellung?

JA. Anlass für die Klarstellung gab die gründliche Auseinandersetzung des modernen Gesetzgebers mit dem Flurverfassungsrecht in den 1930er Jahren, als das historische Teilungs- Regulierungs- bzw das Zusammenlegungsrecht übergeführt wurde in das moderne Flurverfassungsrecht.

3. Was hat das (Bundes-) Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1932 dazu geregelt?

Das Bundesgesetz vom 2.8.1932 betreffend Grundsätze für die Flurverfassung, BGBl 1932/256, löste das Teilungs- Regulierungs- Reichsgesetz aus dem Jahr 1883 ab. Nach den Grundsätzen der Bundesverfassung hatte das Inkrafttreten dieses Gesetzes zur Folge, dass die Länder ihre Teilungs- Regulierungs- Landesgesetzes, die Ausführungsgesetze zum Teilungs- Regulierungs- Reichsgesetz 1883 waren, umstellen mussten.
Weil die Sachmaterie „Bodenreform, insbesondere agrarische Operationen“ gem Art 12 B-VG in den Grundsätzen Bundeskompetenz war, konnte das Gemeinderecht schon aus Gründen der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung für den Sachbereich „Bodenreform, insbesondere agrarische Operationen“ (= insbesondere Flurverfassung) keinerlei gesetzliche Vorgaben mehr machen. Diese verfassungsrechtliche Vorgabe hat der VfGH im Jahr 1982 ignoriert!

4. Welche Maßnahmen am Gemeindegut sind dem Kompetenzbereich „Bodenreform, insbesondere agrarische Operationen“ (Art 12 B-VG = Grundsatzgesetzgebung des Bundes) zuzuordnen?

Kernmaterien der „Bodenreform, insbesondere agrarischen Operationen“ sind unter anderem zwei Aufgabenbereiche der Agrarbehörden: a) Prüfung und Entscheidung über die Eigentumsverhältnisse an agrargemeinschaftlich genutztem Gemeindegut; b) Regulierung der Nutzungsrechte daran.
Insoweit Maßnahmen am Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung nicht dem historischen Begriffsverständnis von „Bodenreformrecht, insbesondere agrarische Operationen“ zugeordnet werden können, besteht eine „Restkompetenz“ des Landesgesetzgebers als Gemeindegesetzgeber.
Die unbegründeten Behauptungen des Verfassungsgerichtshofes in VfSlg 9336/1982, wonach die Eigentumsverhältnisse am Gemeindegut in den Landesgemeindeordnungen geregelt seien, sind dementsprechend aus zivilrechtlicher Sicht ein Unfug; und diese Behauptungen stehen in offenem Widerspruch zu Bundesverfassung selbst, weil der Landes-Gemeindegesetzgeber noch regeln darf, was „Bodenreform, insbesondere agrarische Operation“ ist!
Tatsächlich haben die Landes-Gemeindeordnungen die Klarstellung getroffen, dass die Rechtsverhältnisse am Gemeindegut, insoweit es eine Agrargemeinschaft bildet, nicht durch die Landes-Gemeindegesetze geregelt werden.

5. Wie ist dieser Prozess der Klarstellung durch die Landes-Gemeindegesetzgeber von Statten gegangen?

Diese Klarstellung von Seiten der Landes-Gemeindegesetzgeber war kein friktionsfreier Prozess, sondern musste – im Blick auf die Komplexität der Materie – von der Bundesregierung im Detail instruiert werden. Anlass war zufällig das Land Tirol, wo im Jahr 1935 einerseits das neue Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1932 in ein entsprechende Landes- Flurverfassungsgesetz umgesetzt und andererseits die Gemeindeordnung novelliert wurde.

6. Welche Maßnahmen wurden seitens der Bundesregierung gesetzt?

Die historischen Abläufe lassen sich aus dem Akt des Bundeskanzleramtes, GZ 156.486-6/1935 (Einwendungen zu den Gesetzesbeschlüssen des Tiroler und Vorarlberger Landtages betreffend die Gemeindeordnungen 1935); Note des Bundeskanzleramtes, Zl 156.486-6 (ex 1935), rekonstruieren:

a) Gegen den Gesetzesbeschluss des Tiroler Landtages vom 26. April 1935 betreffend eine neue Gemeinde-Ordnung für das Land Tirol, wurden vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft mit Note vom 29. Mai 1935, Zl 23675/4 (Zl 144.471/6-1935 des Bundeskanzleramtes) Einwendungen erhoben, weil der Gesetzesbeschluss in seinen das Gemeindegut betreffenden Vorschriften Bestimmungen enthielt, die mit dem Flurverfassungs-Grundsatzgesetz (Bundesgesetz vom 2. August 1932 B 256) nicht in Einklang stünden.
Die gem. § 15 Abs 2 Pkt d Flurverfassungsgesetz einer gemeinschaftlichen Benützung nach den Bestimmungen der Gemeindeordnung unterliegenden Teile des Gemeindegutes (Ortschaft-Fraktions-Gutes) seinen als agrargemeinschaftliche Grundstücke anzusehen, welche den Bestimmungen der Bundes- und Landesflurverfassungsgesetze über die Ordnung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse an agrargemeinschaftlichen Grundstücken unterliegen, die von den Bestimmungen der Gemeindeordnungen über das Gemeindeeigentum vielfach abweichen.
So stünde die Entscheidung, ob eine Liegenschaft eine agrargemeinschaftliche Liegenschaft sei (§ 17 BGG), wie auch, ob agrargemeinschaftliches Gemeindegut oder Gemeindevermögen vorliege (§ 35 BGG), dann über den Bestand und Umfang von Anteilsrechten (§ 35 BGG), schließlich die Genehmigung der Veräußerung, Belastung und Teilung agrargemeinschaftlichen Grundstücken (§ 18 BGG) jederzeit bei den Agrarbehörden. Weiters obliege den Agrarbehörden ausschließlich die Teilung und Regulierung agrargemeinschaftlicher Grundstücke, zu welch letzteren auch die Aufstellung von Wirtschaftsplänen und Verwaltungssatzungen gehört (§ 33 BGG). In der Tat stünden diese agrargesetzlichen Bestimmungen mit den Bestimmungen der Gemeinde-Ordnungen über die Gemeinde-Finanzverwaltung, welchen bisher als Teil des Gemeindeeigentums auch der agrargemeinschaftlichen Nutzung stehende Teile des Gemeindegutes unterlag, in Widerspruch.

b) Zwecks Abgrenzung der Zuständigkeiten insbesondere der Gemeindeaufsichtsbehörden und der Agrarbehörden fand in der Abt 6 des Bundeskanzleramtes (Ministerialrat Dr. Kramer) eine Besprechung mit Vertretern des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft (Ministerialrat Dr. Strictius), des Bundesministeriums für Finanzen (Ministerialrat Dr. Weinzierl) und der Abteilung 1 des Bundeskanzleramtes (Min.Oberkom. Dr. Petz) statt. Man einigte sich wie folgt:

aa) Der Vorschlag, demgemäß den Flurverfassungsgesetzen als Gegenstand einer Agrargemeinschaft geltenden Teil des Gemeindegutes nicht mehr in den Gemeindeordnungen, sondern ausschließlich in den Landesflurverfassungsgesetzen zu behandeln, da ja dieser Teil des Gemeindegutes für den Gemeindehaushalt ohnehin nahezu gar keine Rolle spielt, wurde abgelehnt, vor allem mit der Begründung, dass die Agrarbehörden derzeit nicht in der Lage wären, die ihnen in diesem Fall notwendig zufallenden Aufgaben zu erfüllen. Auch legte der Vertreter des Landwirtschaftsministeriums großen Wert darauf, die bisherigen materiellrechtlichen Bestimmungen über das Recht und das Maß der Teilnahme an den Nutzungen dieses agrargemeinschaftlichen Teiles des Gemeindegutes auch weiterhin in der Gemeindeordnung zu belassen und zwar einerseits wegen des Hinweises auf die Gemeindeordnungen im § 15 Abs 2 Pkt d Flurverfassungs-Grundsatzgesetz, vor allem aber um eine längere vacatio legis zu vermeiden, da nicht abzusehen ist, wann die Landesflurverfassungsgesetze in Kraft treten werden.
bb) Nach eingehender Erörterung einigte man sich auf folgende gesetzliche Regelung: „1. Der nach dem Flurverfassungs-Grundsatzgesetz als Agrargemeinschaft geltende Teil des Gemeindegutes ist von der Gemeindefinanzverwaltung auszunehmen; am einfachsten wohl dadurch, dass man bei der Definition des Gemeindeeigentums bzw. des Gemeindevermögens und Gemeindegutes diese gem. § 15 Abs 2 Pkt d Flurverfassungs-Grundsatzgesetz agrargemeinschaftlichen Liegenschaften ausdrücklich ausnimmt. 2. Die materiellrechtlichen Bestimmungen über das Recht und das Maß der Teilnahme an den Nutzungen dieser nunmehr gem. § 15 Abs 2 Pkt d Flurverfassungs-Grundsatzgesetz als agrargemeinschaftliche Grundstücke geltenden ehemaligen Teile des Gemeindegutes wären als eigener Abschnitt (Hauptstück) in der Gemeindeordnung zu belassen. Es wäre aber zu beachten, dass künftig hinsichtlich dieser Agrargemeinschaft die Gemeinde nicht nur die Stellung einer Behörde, sondern lediglich eines Beteiligten hat. 3. In dem Abschnitt der Gemeindeordnungen über Recht und Maß der Teilnahme an den Nutzungen der gem. § 15 Abs 2 Pkt d Flurverfassungs-Grundsatzgesetz agrargemeinschaftlichen Liegenschaften wäre am Schluss folgender Paragraph anzufügen: „Die Bestimmungen dieses Gesetzes über das Gemeindeeigentum oder über das Gemeindevermögen und Gemeindegut finden auf die gem. § 15 Abs 2 Pkt d Flurverfassungs-Grundsatzgesetz als agrargemeinschaftliche Grundstücke geltenden einstigen Teile des Gemeindegutes nur insoweit Anwendung, als sie mit dem Flurverfassungs-Grundsatzgesetz BGBl Nr 256/1932 und dem … Flurverfassungs-Landesgesetz LGBl Nr … nicht in Widerspruch stehen.“
(Aus: Akt des Bundeskanzleramtes, GZ 156.486-6/1935 (Einwendungen zu den Gesetzesbeschlüssen des Tiroler und Vorarlberger Landtages betreffend die Gemeindeordnungen 1935); Note des Bundeskanzleramtes, Zl 156.486-6 ex 1935)

c) Das Bundeskanzleramt Verfassungsdienst hat in der Folge entsprechende Einwendungen gegen den Gesetzesbeschluss des Tiroler Landtages vom 26. April 1935 betreffend eine neue Gemeinde-Ordnung für das Land Tirol, erhoben. Zusammengefasst forderte das Bundeskanzleramt vom Tiroler Gemeindegesetzgeber, dass jene „Teile des Gemeindegutes, die gem Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1932 eine Agrargemeinschaft darstellen“, aus der Vermögensverwaltung der Ortsgemeinde ausgeschieden werden. Bei der Definition des Gemeindeeigentums in der Gemeindeordnung (bzw des Gemeindevermögens und Gemeindegutes) seien diese Liegenschaften, wie gemäß § 15 Abs 2 Pkt d Flurverfassungs-Grundsatzgesetz (B 256/1932) als agrargemeinschaftliche Liegenschaften definiert, ausdrücklich auszunehmen. Es sei darüber hinaus im Tiroler Gemeindegesetz klar zu stellen, dass die Bestimmungen des Tiroler Gemeindegesetzes über das Gemeindeeigentum (oder „über das Gemeindevermögen und Gemeindegut“) auf die gemäß § 15 Abs 2 Pkt d Flurverfassungs-Grundsatz-Gesetz BGBl Nr 256/1932, als agrargemeinschaftliche Grundstücke geltenden einstigen Teile des Gemeindegutes nur insoweit Anwendung finden, als sie mit dem Flurverfassungs-Grundsatz-Gesetz BGBl Nr 256/1932 und dem Flurverfassungs-Landes-Gesetz nicht im Widerspruch stehen.

7. Wie hat der Tiroler Gemeindegesetzgeber diese Vorgaben umgesetzt?

Der Tiroler Landesgesetzgeber hat in der Sitzung des Tiroler Landtages am 10. Juli 1935, vormittags, als zuständiger Gesetzgeber für das Tiroler Gemeinderecht, den klaren gesetzgeberischen Willen umgesetzt, dass das „Gemeindegut/Fraktionsgut in agrargemeinschaftlicher Nutzung“, weil dieses Eigentum einer Agrargemeinschaft ist, gerade nicht länger im Tiroler Gemeinderecht, sondern im Tiroler-Landes-Flurverfassungsrecht geregelt wird. Der Tiroler Gemeindegesetzgeber hatte den ausdrücklichen Willen, folgende Vorgabe aus dem Bundeskanzleramt umzusetzen: „1. Der nach dem Flurverfassungs-Grundsatzgesetz als Agrargemeinschaft geltende Teil des Gemeindegutes ist von der Gemeindefinanzverwaltung auszunehmen; am einfachsten wohl dadurch, dass man bei der Definition des Gemeindeeigentums (bzw des Gemeindevermögens und Gemeindegutes) diese gemäß § 15 Abs 2 Pkt d Flurverfassungs-Grundsatzgesetz (B 256/1932) agrargemeinschaftliche Liegenschaften ausdrücklich ausnimmt. 2.) Die materiellrechtlichen Bestimmungen über das Recht und Maß der Teilnahme an den Nutzungen dieser nunmehr gemäß § 15 Abs 2 Pkt d Flurverfassungs-Grundsatz-Gesetz als agrargemeinschaftliche Grundstücke geltenden ehemaligen Teile des Gemeindegutes wären als eigener Abschnitt (Hauptstück) in der Gemeindeordnung zu belassen. Es wäre aber zu beachten, dass künftig hinsichtlich dieser Agrargemeinschaft die Gemeinde nicht mehr die Stellung einer Behörde, sondern lediglich eines Beteiligten hat. 3.) In dem Abschnitt der Gemeindeordnungen über Recht und Maß der Teilnahme an den Nutzungen der gemäß § 15 Abs 2 Pkt d Flurverfassungs-Grundsatz-Gesetz agrargemeinschaftlichen Liegenschaften wäre am Schluss folgender Paragraph anzufügen: „Die Bestimmungen dieses Gesetzes über das Gemeindeeigentum (oder „über das Gemeindevermögen und Gemeindegut“) finden auf die gemäß § 15 Abs 2 Pkt d Flurverfassungs-Grundsatz-Gesetz BGBl Nr 256/1932, als agrargemeinschaftliche Grundstücke geltenden einstigen Teile des Gemeindegutes nur insoweit Anwendung, als sie mit dem Flurverfassungs-Grundsatz-Gesetz BGBl Nr 256/1932 und dem Flurverfassungs-Landes-Gesetz nicht im Widerspruch stehen.“

8. Was hat der Tiroler Gemeindegesetzgeber gegenüber den ersten Gesetzesbeschluss am Gesetzestext der Tiroler Gemeindeordnung 1935 geändert?

In Konsequenz dieser Interventionen des Bundeskanzleramtes, wurde der am 26. April 1935 gefasste Gesetzesbeschluss des Tiroler Landtages entsprechend überarbeitet und das Tiroler Gemeinderecht in der Sitzung des Tiroler Landtages vom 10. Juli 1935 neu gefasst. Geändert wurden die §§ 79 Tiroler Gemeindeordnung 1935 („Die Verteilung des Gemeindevermögens und Gemeindeguts oder eines Teiles davon unter die Gemeindemitglieder ist in der Regel unzulässig. Ausnahmen bewilligt die Landesregierung, wenn besonders triftige Gründe vorliegen. Insoweit es sich beim Gemeindegut um agrargemeinschaftliche Grundstücke handelt, ist die Teilung im Flurverfassungslandesgesetz geregelt.“), 114 (3) Tiroler Gemeindeordnung 1935, 117 Tiroler Gemeindeordnung 1935 („Über Ansprüche auf Nutzungen des Gemeindeguts beschließt der Gemeindetag. Bei agrargemeinschaftlichen Grundstücken iSd Flurverfassungslandesgesetzes entscheiden im Streitfalle die Agrarbehörden.“), 120 (2) Tiroler Gemeindeordnung 1935 („Über Ansprüche auf Nutzungen des Gemeindeguts beschließt der Gemeindetag. Bei agrargemeinschaftlichen Grundstücken iSd Flurverfassungslandesgesetzes entscheiden im Streitfalle die Agrarbehörden.“), 140 TGO 1935 (Das zum Gemeindegut Gesagte, gelte auch für Fraktionsgut.), 164 letzter Satz TGO 1935 („Insoweit es sich um agrargemeinschaftliche Grundstücke handelt, wird die Veräußerung, Belastung und Verteilung des Gemeinde-(Fraktions)Guts im Flurverfassungslandesgesetz geregelt.“), Artikel III (Tiroler) LGBl 1935/36 („Artikel III. LGBl 1935/36. Bis zum Inkrafttreten des Flurverfassungs-Landesgesetzes gelten für das Gemeindegut, insoweit es aus agrargemeinschaftlichen Grundstücken besteht, folgende Bestimmungen: 1. Über Ansprüche auf Nutzungen des Gemeindegutes entscheidet in I. Instanz der Gemeindetag. 2. Die Verteilung des Gemeinde-(Fraktions)Gutes oder eines Teiles davon unter die Gemeindemitglieder ist in der Regel unzulässig. Ausnahmen bewilligt die Landesregierung, wenn besonders triftige Gründe vorliegen. 3. Wenn und insoweit die Teilnahme an den Nutzungen des Gemeindegutes nicht schon erschöpfend durch die Übung geregelt ist, kann der Gemeindetag die Teilnahme an den Nutzungen des Gemeindegutes durch die Gemeindeglieder (§ 15) mit Beachtung der beschränkenden Vorschriften des § 119 regeln. Hiebei hat als Grundsatz zu dienen, dass jede Beeinträchtigung bestehender Rechte vermieden werden muss. Jede solche Regelung bedarf der Genehmigung durch die Landesregierung. 4. Ausnahmsweise kann die Landesregierung auf Antrag des Gemeindetags die gänzliche oder teilweise Übertragung von Nutzungsrechten auf eine andere Liegenschaft innerhalb der Gemeinde bewilligen. Die Bewilligung kann von der Erfüllung bestimmter, in Wahrung der Interessen der Gemeinde gebotener Bedingungen abhängig gemacht werden. 5. Beschlüsse des Gemeindetages über die Veräußerung, Verteilung oder Belastung von Gemeinde-(Fraktions)Gut sowie über die Regelung der Teilnahme an der Nutzung des Gemeindeguts bedürfen der Genehmigung der Landesregierung.“).

9. Was ergibt sich zu dieser Anpassung der Tiroler aus den Gesetzesmaterialien?

Aus den Verhandlungsschriften des „Ständischen, verfassungsgebender Tiroler Landtags, Verhandlungsschrift über die 35. (öffentliche) Sitzung des Tiroler Landtages am 10. Juli 1935, vormittags, ergibt sich dazu das Folgende: Zu Pkt 1 der Tagesordnung: Beilage 5. Beschlussfassung über die Regierungsvorlage betreffend die Gemeindeordnung für das Land Tirol. Berichterstatter Dr. Adolf Platzgummer:

„Ich kann mich nach der ausführlichen Darlegung in der gestrigen begutachtenden Sitzung zu diesem Gegenstand heute in der beschließenden Sitzung jedenfalls kurz fassen. Das Bundeskanzleramt hat gegen die von uns beschlossene Vorlage Einspruch erhoben, und zwar wegen einiger angeblicher, zum Teil auch wirklicher Verfassungswidrigkeiten. Wir sind selbstverständlich nicht angestanden, diese Änderungen vorzunehmen.“ Bei dieser Gelegenheit hat das Bundeskanzleramt auch betont, dass es nach seiner Auffassung gut wäre, wenn das Flurverfassungs-Landesgesetz in der Gemeindeordnung eingebaut und außerdem noch einige andere kleinere Änderungen vorgenommen würden. Was das Flurverfassungsgesetz betrifft, so ist das Grundsatzgesetz schon im Jahr 1932 erschienen, die Ausführungsgesetze lassen aber auf sich warten. Wir haben unser Ausführungsgesetz am 6. Juni hier beschlossen, es ist derzeit in Wien und es läuft noch die Einspruchsfrist. Das Flurverfassungsgrundsatzgesetz enthält noch die Bestimmung, dass das Ausführungsgesetz erst mit diesem in Kraft zu treten habe, daher ist die Situation derzeit so, dass beide Gesetze noch nicht in Kraft getreten sind. Deshalb war es uns bei der Verabschiedung der Gemeindeordnung nicht möglich, das Flurverfassungs-Landesgesetz zu berücksichtigen, weil es noch nicht existiert. Wir haben aber die Bestimmungen in die Gemeindeordnung so aufgenommen, als ob diese beiden Gesetze bereits in Kraft wären, und damit dem Verlangen des Bundeskanzleramtes und des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft Rechnung getragen. Die übrigen Änderungen sind, insoweit sie sich als Empfehlungen der Bundesregierung darstellen, bis auf 3 ganz unwesentliche Punkte berücksichtigt worden. …“
Die Landesregierung hat diese Gelegenheit genützt, um auch noch ihrerseits einige kleinere Änderungen in der Vorlage vorzunehmen, denen der Landtag vollinhaltlich zugestimmt hat.
Somit haben wir eine Gemeindeordnung, die wirklich nach allem gesichtet ist, und ich kann nur den Antrag stellen, der Hohe Landtag möge die Vorlage zum Gesetzesbeschluss erheben.“

10. Ist diese Gesetzesänderung in der Gemeindeordnung aus dem Jahr 1935 heute noch von Relevanz?

JA. Alle späteren Neufassungen der Tiroler Gemeindeordnung haben den absolute Vorrang des Flurverfassungsrechts in Bezug auf das Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung respektiert und gesetzlich umgesetzt: § 82 TGO 1949: „Durch die Bestimmungen dieses Gesetzes werden die gesetzlichen Vorschriften über die Flurverfassung nicht berührt“. An diesem Normwortlaut hat sich bis zur TGO 2001 LGBl 2001/36 nichts Wesentliches geändert. § 74 TGO 2001: „Verhältnis zu den Vorschriften in den Angelegenheiten der Bodenreform. Im Übrigen werden durch dieses Gesetz die Vorschriften in den Angelegenheiten der Bodenreform nicht berührt.“
Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung war nach Tiroler Landesrecht somit seit dem Jahr 1935 ausdrücklich aus dem allgemeinen gemeinderechtlichen Gemeindegutsbegriff der Gemeindeordnung ausgeschieden und dem Anwendungsbereich des Flurverfassungsrechts unterworfen worden. Seit dem Jahr 1935 verlangt die TGO beim Gemeindegut eine gesetzliche Differenzierung: Bodenreformmaßnahmen, insbesondere agrarische Operationen an agrargemeinschaftlich genutztes Gemeindegut sind nach Flurverfassungs-Landesrecht zu behandeln; insbesondere gibt es im Gemeinderecht keinerlei Kompetenz, die Eigentumsverhältnisse am Gemeindegut in agrargemeisnchaftlicher Nutzung zu regeln.
Bereits Albert Mair hat darauf hingewiesen, dass mit Blick auf das Gemeinderecht ein agrargemeinschaftlich genutztes Gemeindegut und ein Gemeindegut im Allgemeinen zu unterscheiden sei. (Mair, Probleme der Regulierung des Gemeindegutes, in: Die Agrargemeinschaften in Tirol, 9f: „Es muss diesbezüglich angenommen werden, dass der Gesetzgeber von der Annahme ausging, dass ein zweifacher Gemeindegutsbegriff möglich ist, einerseits der des agrargemeinschaftlichen Gemeindegutes, bestehend aus Grundstücken, die einer land- und forstwirtschaftlichen Nutzung fähig sind und andererseits der des nicht zu den agrargemeinschaftlichen Grundstücken zu zählenden Gemeindegutes, das aus im Gemeindeeigentum stehenden Sachen und Rechten nicht agrargemeinschaftlichen Charakters besteht wie z.B. von allen Gemeindebürgern benützte Schottergruben, gemeinschaftliche Bibliotheken und dergleichen.“)

.
Schlussfolgerung:

Somit wurde das Tiroler Gemeinderecht am 10. Juli 1935 so umgestaltet, dass das „Gemeindegut, insoweit es eine Agrargemeinschaft bildete„, hinsichtlich aller Belange der „Bodenreform, insbesondere agrarische Operation, aus dem Gemeinderecht ausgeschieden.

Mit den Gesetzesbeschlüssen des Tiroler Landtages aus dem Jahr 1935, nämlich das Flurverfassungs- Landesgesetz und die Tiroler Gemeindeordnung 1935 betreffend, war auch für den Bereich des Tiroler Landesrechts das „Gemeindegut im allgemeinen“ vom „Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung“ zu unterscheiden.

Der Kernsatz des Erk VfGH Slg 9336/1982, wonach die Eigentumsverhältnisse am „Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung“ in den Gemeindeordnungen der Länder als ein notwendiges Eigentum der Ortsgemeinde definiert wären, ist somit ein klarer Gesetzesbruch.

Es steht dem Verfassungsgericht nicht zu, sich über die Gesetze der Republik Österreich zu erheben. Der Gesetzgeber hätte den Missgriff des Verfassungsgerichts aus dem Jahr 1982 längst korrigieren müssen!

-.-.-.-

..

MP