1. Gemeindegut als komplexe Zuständigkeit
Die kompetenzrechtliche Komplexität des Regelungsgegenstandes „Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung“ hat historische und rechtssystematische Gründe.
Historisch war das Gemeindegut im umfassenden Sinn ursprünglich einheitlich in den Gemeindeordnungen der Länder geregelt, die in Ausführung des Reichsgemeindegesetzes RGBl 1862/18 – nach einem einheitlichen zentralen Mustergesetz – in den Jahren 1864 – 1866 erlassen wurden. Vorläufer dieser Regelungen war das „Provisorische Gemeindegesetz“, RGBl 1849/170 (§§ 74 und 75), das allerdings nur teilweise und vorübergehend wirksam wurde. In den Landes-Gemeindeordnungen wurde das Gemeindegut „in Bezug auf das Recht und das Maß der Teilnahme an den Nutzungen“ geregelt und eine allgemeine Regelungs- und Verwaltungsbefugnis der Gemeinde begründet, wobei die Aufteilung des Gemeindegutes dem Landesgesetzgeber vorbehalten blieb. Aus diesem umfassenden Regelungsbereich hat das TRRG 1883 eine sachlich klar begrenzte Verwaltungsmaterie herausgelöst, die einer besonderen Verwaltungsorganisation mit richterlichem Einschlag – den Agrarbehörden – vorbehalten sein sollte. (Pernthaler/Oberhofer, Die Agrargemeinschaft und die „agrarische Operation“, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler/Raber, Die Agrargemeinschaften in Westösterreich, 429ff)
Diese schwerpunktmäßig reformatorische Verwaltungsaufgabe, die später unter dem Begriff „agrarische Operationen“ (Bodenreform) zusammengefasst wurde, ist im TRRG 1883 unter dem Doppeltitel „Teilung und Regulierung der gemeinschaftlichen Benützungs- und Verwaltungsrechte an agrargemeinschaftlichen Grundstücken“ formuliert. Die Landes-Ausführungsgesetze zu diesem Rahmengesetz von 1884 – 1921 führten die neue behördliche Zuständigkeit bezüglich des Gemeindegutes die Regulierung der Verwaltung betreffend nur sehr begrenzt aus – was dem damaligen Verständnis des „Reichsrahmengesetzes“ entsprach – und beließen den Gemeindeordnungen weitgehend die bisherigen Regelungen der Verwaltungsbefugnisse hinsichtlich des Gemeindegutes.
Erst mit dem Inkrafttreten des FlVerfGG 1932 wurde die kompetenzrechtliche Problematik der neuen Bundeskompetenz „Bodenreform“ neben der weiter bestehenden Gemeinderechtskompetenz der Länder als kumulative Regelungszuständigkeiten beider Gebietskörperschaften in der Sachmaterie „Gemeindegut“ erkennbar. (Kühne/Oberhofer, Gemeindegut und Anteilsrecht der Ortsgemeinde, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler/Raber, Die Agrargemeinschaften in Westösterreich, 298 ff) Diese Zuständigkeitskumulation ist seit dem Inkrafttreten der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung am 1. 10. 1925 nicht mehr historisch, sondern rechtssystematisch nach den in Betracht kommenden kompetenzrechtlichen „Gesichtspunkten“ zu differenzieren. ((Zur „Gesichtspunktetheorie“ siehe Funk, Das System der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung im Lichte der Verfassungsrechtsprechung, 1980, 48 ff) Das bedeutet, dass die historischen Regelungsbefugnisse des Gemeindegesetzgebers in Angelegenheiten des Gemeindegutes nicht mehr in der sachlich umfassenden Allgemeinzuständigkeit weiter gelten, sondern im Einzelnen darauf hin zu prüfen sind, ob sie der neuen Bundeskompetenz „Bodenreform“ widersprechen, mit ihr vereinbar sind oder sogar von ihr vorausgesetzt werden. Dies soll im III. Abschnitt dieser Untersuchung auf der Grundlage der vorangehenden Klärung des Umfanges der Bundeskompetenz „Bodenreform“ untersucht werden.
2. Teilung und Regulierung als „Bodenreform“
Nach Art 12 Abs 1 Z 3 B-VG ist die „Bodenreform, insbesondere agrarische Operationen und Wiederbesiedelung“ Bundessache hinsichtlich der Gesetzgebung über die Grundsätze und Landessache, was die Erlassung von Ausführungsgesetzen und die Vollziehung betrifft.
Was unter den Kompetenzbegriffen „Bodenreform“ (dies ist der Oberbegriff) und „agrarische Operationen“ (die „Wiederbesiedlung“ kann in diesem Zusammenhang außer Betracht bleiben) im Einzelnen zu verstehen ist, muss – da der Inhalt dieser Begriffe in der Verfassung selbst nicht näher umschrieben ist – im Sinne der ständigen Rechtsprechung danach beurteilt werden, „in welcher rechtlichen Prägung die Rechtsordnung die Begriffe im Zeitpunkt ihrer Schaffung verwendet hat“ (VfSlg 4349/1963 ua). Der Inhalt der Kompetenzvorschriften wird somit nach dem Prinzip der historischen Auslegung ermittelt. Die Kompetenzbegriffe sind in jener Bedeutung zu verstehen, die sie beim Wirksamwerden der betreffenden Zuständigkeitsvorschriften (hier: 1. 10. 1925) in der Rechtsordnung hatten. Diese – als „Versteinerungstheorie“ bezeichnete – Auslegungsmethode baut auf der rechtlichen Begriffsbildung in der einfachgesetzlichen Rechtslage im Versteinerungszeitpunkt auf. Es müssen daher die am 1. 10. 1925 in Geltung gestandenen Rechtsvorschriften betreffend die Bodenreform (agrarische Operationen) festgestellt und als Auslegungshilfe zur Ermittlung der angeführten Kompetenzbegriffe herangezogen werden.
Hinsichtlich des Begriffs der „agrarischen Operationen“ (dieser Begriff steht hier im Vordergrund – auf den umfassenderen Begriff der „Bodenreform“ soll unter Pkt 3 eingegangen werden) – ist nach Lehre und Rechtsprechung auf die drei „Reichsrahmengesetze“ von 1883, RGBl Nr 92 bis 94, abzustellen: Als agrarische Operationen werden vom Verfassungsgerichtshof stets „nur die in den drei sogenannten ‚Reichsrahmengesetzen‘ vom 7. Juni 1883, RGBl 92 bis 94, geregelten Aktionen der Zusammenlegung, der Bereinigung des Waldlandes von fremden Enklaven und der Teilung und Regulierung von Agrargemeinschaften verstanden“. (Vgl VfSlg 1390/1931; Zessner-Spitzenberg, Bodenreform im Sinne der Bundesverfassung, ÖVBl 1931, 93 f; Melichar, Verfassungsrechtliche Probleme des Agrarrechtes, JBl 1968, 287; Lang, Tiroler Agrarrecht I, Wien 1989, 14; Gatterbauer/Kaiser/Welan, Aspekte des österreichischen Flurverfassungsrechts, Linz 1972, 39; Morscher (FN 2) 6)
Die Prüfung der Frage, ob es sich bei der Teilung und Regulierung von Gemeindegut um agrarische Operationen im Sinne des Art 12 Abs 1 Z 3 B-VG handelt, ist anhand des – zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Kompetenzbestimmungen (1. 10. 1925) geltenden – Gesetzes vom 7. Juni 1883, RGBl 94, betreffend die Teilung gemeinschaftlicher Grundstücke und die Regulierung der hierauf bezüglichen gemeinschaftlichen Benützungs- und Verwaltungsrechte und der zu diesem „Reichsrahmengesetz“ erlassenen Landes-Ausführungsgesetze von 1884 (Mähren) bis 1921 (Vorarlberg) vorzunehmen.
Nach seinem § 1 bezieht sich dieses Gesetz auf Grundstücke, bezüglich derer entweder „a) zwischen gewesenen Obrigkeiten und Gemeinden oder ehemaligen Unterthanen, sowie zwischen zwei oder mehreren Gemeinden gemeinschaftliche Besitz- und Benützungsrechte bestehen, oder b) welche von allen oder von gewissen Mitgliedern einer Gemeinde, einer oder mehrerer Gemeindeabtheilungen, Nachbarschaften oder ähnlicher agrarischer Gemeinschaften (Klassen der Bauern, Bestifteten, Singularisten udgl) kraft ihrer persönlichen oder mit einem Besitze verbunden Mitgliedschaft, oder von den Mitberechtigten an den in einzelnen Ländern bestehenden Wechsel- oder Wandelgründen gemeinschaftlich oder wechselweise benützt werden.“
Dieser seinerzeitigen Formulierung entsprechen heute § 15 Abs 1 lit a und b Flurverfassungs-Grundsatzgesetz, BGBl 1951/103 idgF und die korrespondierenden Bestimmungen der Flurverfassungs-Landesgesetze (zB § 33 Abs 1 und 2 Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1996, LGBl 74 idF 2009/7; § 31 Abs 1 lit a und b Vbg Flurverfassungsgesetz, LGBl 1979/2 idgF). Schon nach dem Wortlaut des § 1 lit b des zitierten Gesetzes aus 1883 fällt auch das sog Gemeindegut ganz offenkundig unter diese Bestimmung. Die Reglungen betreffend die Teilung und Regulierung der gemeinschaftlichen Grundstücke, deren genauere Ausführung gemäß § 2 der Landesgesetzgebung vorbehalten blieb, galten daher auch für das Gemeindegut.
Die Einziehung des Gemeindegutes in die Reglungen über die Teilung und Regulierung gemeinschaftlicher Grundstücke war auch die erklärte Absicht des historischen Gesetzebers. So heißt es in den „Erläuternden Bemerkungen zu den auf Grund Allerhöchster Entschließung vom 12. Februar 1880 eingebrachten Gesetzesentwürfen hinsichtlich des Gesetzesentwurfes betreffend die grundsätzlichen Bestimmungen über die Theilung gemeinschaftlicher Grundstücke und die Regulierung der bezüglichen Benützungs- und Verwaltungsverhältnisse“ (43 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Herrenhauses, IX. Session): „Die Bestimmungen des § 1 Z 2 (in der Endfassung lit b) des Entwurfes haben die Grundstücke zum Gegenstande, welche als Gemeindegut oder als Gemeingut jener Körperschaften oder Klassen benützt werden, die sich als Überreste der alten Agrargemeinde innerhalb der modernen politischen Gemeinde erhalten haben“.
Auch im „Bericht des Commassationsausschusses über die von dem Hohen Herrenhause am 7. und 17. November 1881 in dritter Lesung gefaßten Beschlüsse auf Erlassung von Gesetzen: a) betreffend die Zusammenlegung landwirtschaftlicher Grundstücke; b) betreffend die Bereinigung des Waldlandes von fremden Enclaven und die Arrondirung der Waldgrenzen; c) betreffend die Theilung gemeinschaftlicher Grundstücke und die Regulirung der hierauf bezüglichen gemeinschaftlichen Benützungs- und Verwaltungsrechte“ wird bezüglich des letztgenannten Gesetzesentwurfes angeführt: „Die im § 1 sub b bezeichneten Grundstücke aber sind solche, welche – abgesehen von Dalmatien, woselbst durch die historischen Ereignisse und namentlich durch den Einfluß der türkischen und venetianischen Herrschaft sich ganz besondere Verhältnisse herausgebildet haben – in allen österreichischen Ländern sich als Überreste der alten Agrargemeinde innerhalb der modernen politischen Gemeinde bald unter der Bezeichnung ‚Gemeindegut‘, bald unter der Bezeichnung ‚Gemeingut‘ erhalten haben, und bei welchen die mannigfaltigsten Eigentums- und Nutzungsverhältnisse sich vorfinden“. (528 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Abgeordnetenhauses, IX. Session, 12)
In gleicher Weise lassen sich die Debattenbeiträge der verschiedenen Abgeordneten in der 268. Sitzung der IX. Session des Abgeordnetenhauses als Beleg anführen. (Vgl insbesondere die Beiträge der Abgeordneten v Grocholski und Kopp sowie des Regierungsvertreters v Rinaldini, Stenographische Protokolle des Abgeordnetenhauses des österreichischen Reichsrathes, IX. Session, 268. Sitzung, 9214 ff) Bezeichnenderweise ging es in der Debatte vorwiegend um die Frage der Einbeziehung des Gemeindegutes. Dieses Thema nahm die meiste Zeit der Sitzung in Anspruch. Manche Abgeordneten sahen in dem betreffenden Gesetz einen massiven Eingriff in die Autonomie der Gemeinden und die Gesetzgebungskompetenzen der Länder, wobei sie darauf hinwiesen, dass die Gemeindeordnungen der Länder bereits Regelungen über das Gemeindegut enthielten. So sagte beispielsweise der Abgeordnete v Grocholski:
„Der § 1 bestimmt, welche Grundstücke den Gegenstand des Gesetzes zu bilden haben. Unter diesen Gründen sind aber unstreitig jene Gründe gemeint, welche heutzutage Eigenthum der Gemeinde sind und welche den Namen ‚Gemeindegut‘ haben – ich weiß nicht, ob ich richtig verdolmetsche, im Polnischen heißt es ‚dobro gminne‘ – also ‚Gemeindegut‘. Das sind jene Gründe, welche das Eigenthum entweder der ganzen Gemeinde oder eines Theiles der Gemeinde bilden, nachdem ja die politische Gemeinde aus Ansässigkeiten bestehen kann, welche besonderes Eigenthum haben und wo die einzelnen Mitglieder dieser Gemeinde, beziehungsweise dieses Theiles der Gemeinde das Benützungsrecht auf diese Gründe haben. Diese Gründe fallen unbestreitbar nach dem Wortlaute des § 1 unter dieses Gesetz. Nun, meine Herren, die Verwaltung dieser Gründe, die Benützung, die Theilung dieser Gründe ist aber, wenn ich nicht irre, bereits in allen durch Landesgesetze gegebenen Gemeindeordnungen normirt, besonders in Galizien. Ich kann die Paragraphe citiren, durch die sie normiert ist“. (Stenographische Protokolle des Abgeordnetenhauses des österreichischen Reichsrathes, IX. Session, 9219) Trotz dieser und ähnlicher Einwände wurde das Gesetz beschlossen, nicht zuletzt deshalb, weil die diesbezüglichen Bestimmungen der Gemeindeordnungen für unzulänglich gehalten wurden.
Der Regierungsvertreter Ministerialrat v Rinaldini führte dazu aus: „Der Grund, warum überhaupt dieses Gesetz auch diese Grundstücke, nebst den sogenannten Klassenvermögen, also auch das Gemeindegut einbezogen hat, ist einfach der, weil nach den Erfahrungen, welche in einer Reihe von Ländern gemacht worden sind, die sehr vagen Bestimmungen der Gemeindeordnung, welche ja bloß auf die unangefochtene Uebung hinweisen und eventuell, wo eine solche unangefochtene Uebung nicht besteht, Gemeinderathsbeschlüsse als normirend bezeichnen, nicht hinreichend sind. Schon die einfache Vorfrage, ob ein solches Grundstück ein Grundstück der Gemeinden oder ein Grundstück einer Klasse von Gemeindeangehörigen sein wird, ist ja eine ungemein schwierig zu lösende Frage, und zwar eine Frage, die nicht bloß merital schwierig zu lösen ist, sondern schon dann Schwierigkeiten bietet, wenn man einfach um die Comeptenz frägt, wenn man sicheren Aufschluß haben will, wer eigentlich competent sei, in dieser Frage zu entscheiden? Diese Unzulänglichkeit der bestehenden Normen der Gemeindeordnung und auch insbesondere, was das Gemeinschaftsvermögen betrifft, die vollständige Unzulänglichkeit der Normen des 16. Hauptstückes des bügerlichen Gesetzbuches über die Gemeinschaft des Eigenthums haben geradezu dazu gedrängt, eine solche Vorlage zu entwerfen“. (Stenographische Protokolle des Abgeordnetenhauses des österreichischen Reichsrathes, IX. Session, S 9221; vgl auch den Debattenbeitrag des Abgeordneten Granitsch, 9230 ff)
Nach der Erlassung des Reichsrahmengesetzes, RGBl 1883/94 durfte der Landesgesetzgeber die Fragen der Teilung und Regulierung des Gemeindegutes nur mehr „nach Maßgabe dieses Gesetzes“ (§ 2 leg cit) regeln, dh als Ausführungsgesetzgeber. Die Reichsgesetzgebung nahm die Zuständigkeit zur Rahmengesetzgebung auf diesem Gebiet mit diesem Gesetz aus 1883 einfach für sich in Anspruch. Die Teilung und Regulierung gemeinschaftlicher Grundstücke war damit auch hinsichtlich des Gemeindegutes eine „agrarische Operation“ im Zuständigkeitsbereich der Reichsrahmengesetzgebung. (Vgl dazu die Kritik von Weyr, Rahmengesetze. Studie aus dem österreichischen Verfassungsrechte, Leipzig/Wien 1913, 60 ff; Gatterbauer/Kaiser/Welan 48)
Für die kompetenzrechtliche Zuordnung des Gemeindegutes, wie sie in dieser Untersuchung vorzunehmen ist, ist die damalige Zuständigkeit des Reichsgesetzgebers – und damit auch die Frage, ob dieses Reichsgesetz (damals) überhaupt verfassungsgemäß war – unmaßgeblich (Vgl §§ 11 und 12 des Gesetzes, wodurch das Grundgesetz über die Reichsvertretung vom 26. Februar 1861 abgeändert wird, RGBl 1867/141). Wesentlich ist im vorliegenden Zusammenhang nur, dass unter dem Kompetenzbegriff „agrarische Operationen“ im Sinne des Art 12 Abs 1 Z 3 B-VG nach der Versteinerungstheorie auch die Teilung und Regulierung von Gemeindegut zu verstehen ist. Bestätigt wird dieses Ergebnis auch dadurch, dass sämtliche Landes-Ausführungsgesetze zum Reichsrahmengesetz von 1884 bis zum Jahre 1921 agrargemeinschaftliche Grundstücke des Gemeindegutes ausdrücklich der Teilung und Regulierung unterwarfen, wobei sie für die Regulierung allerdings eine Allgemeinzuständigkeit der Gemeinde festlegten, weshalb die Regulierung darauf hinauslief, dass die Gemeindeordnung um notwendige Regelungen ergänzt werden sollte. (Kühne/Oberhofer 263 f)
Regelungen betreffend die Teilung und Regulierung von Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung sind daher in der Grundsatzgesetzgebung Bundessache und in der Ausführungsgesetzgebung Landessache. Da sich der Reichsgesetzgeber 1883 die Rahmengesetzgebung auf diesem Gebiete arrogiert hatte, hat das B-VG für die noch vor seinem Inkrafttreten in die republikanische Rechtsordnung übernommene Bodenreformgesetzgebung (Vgl die Neuordnung der Organisation der Agrarbehörden durch das Gesetz StGBl 1920/195) eine eigene Bundeskompetenz (Art 12 Abs 1 Z 3 B-VG) und eine besondere Verfassungsgrundlage für die gleichfalls übernommene traditionelle Organisationsform der Agrarbehörden geschaffen (Art 12 Abs 2 B-VG). Auf die am 1. 10. 1925 in Kraft getretene – Kompetenz des Art 12 Abs 1 Z 3 B-VG hat sich nicht nur die Regierungsvorlage des FlVerfGG 1931 berufen (78 der Beilagen Nationalrat IV GP, 9), sondern auch die Landesausführungsgesetze – bis zum Tiroler FlVLG LGBl 2010/7 – bei der Regelung des Gemeindegutes in agrargemeinschaftlicher Nutzung gestützt. (Bericht und Antrag des Ausschusses für Rechts-, Gemeinde- und Raumordnungsangelegenheiten zur Regierungsvorlage der TFLG-Novelle, Zl 574/09 der Beilagen zu den Sten Prot des LT XV GP)
3. Ablösung von Gemeindegut-Nutzungsrechten
Unter der Ablösung von Nutzungsrechten am Gemeindegut sind Entschädigungen für die (zwangsweise) Aufhebung dieser Nutzungsrechte zu verstehen. Bei „echtem Gemeindegut“ – bei dem die agrargemeinschaftlichen Grundstücke im Eigentum der Gemeinde stehen – wird die Ablösung in der Gemeindeordnung geregelt (Vgl § 73 Tiroler Gemeindeordnung, LGBl 2001/36 „Aufhebung von Nutzungsrechten“). Für das „atypische Gemeindegut“ – das im Eigentum der Agrargemeinschaft steht – sieht das TFLG idF der Novelle LGBl 2010/7 eine analog formulierte Enteignungsbestimmung des agrargemeinschaftlichen Grundstückes zugunsten der Gemeinde vor (§ 40 Abs 3 TFlG idF TFLG-Nov 2010).
Schiff sieht in der Ablösung – wie bei der Teilung gemeinschaftlicher Grundstücke – eine Form der Beseitigung der agrarischen Gemeinschaft (des Gemeindegutes). „Die Ablösung kann dort, wo die gemeinsamen öffentlich-rechtlichen Nutzungen solche Realitäten betreffen, die im Eigentum einer oder mehrerer Gemeinden stehen, an die Stelle der bloßen Teilung treten. Mit der Aufhebung der Nutzungsrechte gegen Entschädigung verwandelt sich das Gemeindegut in Gemeindevermögen“ (Vgl Schiff, Agrarpolitik seit der Grundentlastung, Bd I, Tübingen 1898, 234). „Die Ablösung ermöglicht die Aufhebung der Gemeinschaft auch dort, wo die Teilung des Gemeindegutes aus ökonomischen Gründen nicht angebracht wäre. Dort, wo die Naturalnutzungen für die Wirtschaft der Berechtigten nicht (mehr) notwendig sind, wird deren Ablösung in Geld leicht möglich sein“ (Schiff, Agrarpolitik, 244).
Das Reichsrahmengesetz von 1883, RGBl 94, regelte nur die Teilung und Regulierung von agrargemeinschaftlichen Grundstücken (Gemeindegut); Bestimmunen über die Ablöse von Gemeindegut-Nutzungsrechten finden sich in diesem Gesetz keine (Vgl Schiff, Agrarpolitik, 257, der darin einen bedeutenden Mangel dieses Gesetzes erblickte). Da aber nicht die im Versteinerungszeitpunkt vorhandenen konkreten Regelungen versteinert werden, „sondern der im Versteinerungszeitpunkt durch die jeweils geltende Rechtslage vorgezeichnete institutionelle Rahmen“, sind auch Neuregelungen zulässig, sofern sie nur nach ihrem Inhalt systematisch dem Kompetenzgrund angehören“. So hat etwa der Verfassungsgerichtshof die Regelung des § 10 Abs 1 Sbg Einforstungsrechtegesetz, LGBl 1986/74 über die Umrechnung von seinerzeitigen Kreuzer-Beträgen in heutige Währung nicht dem Kompetenztatbestand „Geldwesen“ (Art 10 Abs 1 Z 5 B-VG), sondern – weil sie im Zusammenhang mit Einforstungsrechten steht – dem Kompetenztatbestand „Bodenreform“ (Art 12 Abs 1 Z 3 B-VG) zugeordnet (VfGH Erk Slg 11.856/1988). Es ist also nicht ausgeschlossen, dass auch die Ablöse von Gemeindegut-Nutzungsrechten eine Angelegenheit der Bodenreform im Sinne des Art 12 Abs 1 Z 3 B-VG darstellt. Bei der Ermittlung des „Systems“, das durch die im Versteinerungszeitpunkt bestehenden Einzelregelungen konstituiert wird, ist auf das Typische der Bodenreform abzustellen; dabei kommt auch dem Regelungszweck eine wesentliche Rolle zu.
Nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes sind die „agrarischen Operationen und die Wiederbesiedelung“ für die Bodenreform typisch. Andere Aktionen sind nur dann als solche der Bodenreform anzusehen, „wenn sie den beiden beispielsweise angeführten Aktionen artähnlich sind, das heißt, die diese Aktionen typischerweise kennzeichnenden Merkmale aufweisen“. Die typischen Merkmale dieser Aktionen wiederum „können nur nach dem Gegenstand, nach den Motiven und nach den Mitteln der Reform verläßlich festgestellt werden“.
Gegenstand der Bodenreform sind nach Meinung des Verfassungsgerichtshofes Bodenbesitz-, Benützungs- oder Bewirtschaftungsverhältnisse bestimmter Art, wobei entweder eine Neuordnung der Eigentumsverhältnisse (Wiederbesiedelung, Bereinigung des Waldlandes, Zusammenlegung, Gemeinschaftsteilung) oder auch nur eine Abgrenzung von Benützungs- oder Verwaltungsrechten bestimmter Art (Gemeinschaftsregulierungen) stattfindet. Das Motiv für die Einleitung solcher Aktionen sieht der Verfassungsgerichtshof darin, dass gewisse, in einem bestimmten Zeitpunkt gegebene Bodenbesitz-, Benützungs- oder Bewirtschaftungsverhältnisse im Hinblick auf die Änderung der sozial- oder wirtschaftspolitischen Anschauungen oder Verhältnisse nicht mehr gerechtfertigt oder nicht mehr zweckmäßig erscheinen.
Das Mittel der Bodenreform bestehe in der planmäßigen Neuordnung oder Regulierung. Dem Betrachter solle sich nach Durchführung der Neuordnung oder Regulierung ein verändertes und in seinem Bestand gesichertes Bild in den der Reform unterzogenen Beziehungen darbieten. Es müsse sich dabei nicht unbedingt um umfassende Maßnahmen und auch nicht um Zwangsmaßnahmen handeln. Aktionen, die diese drei, die Maßnahmen der Wiederbesiedelung und der agrarischen Operationen kennzeichnenden Merkmale aufweisen, sind – wie aus der beispielgebenden Aufzählung dieser Aktionen in Art 12 Abs 1 Z 3 B-VG gefolgert wird – als Maßnahmen der Bodenreform anzusehen. (Zur Abgrenzung des Kompetenztatbestandes „Bodenreform“ von sonstiger landwirtschaftlicher Wirtschaftsplanung und –lenkung siehe auch: Pernthaler, Raumordnung und Verfassung, Bd 1 (1975) 96 f) Es sind somit nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes unter Maßnahmen der Bodenreform alle jene – nicht unter Art 10 B-VG fallenden – Aktionen auf dem Gebiet der Landeskultur zu verstehen, welche die gegebenen Bodenbesitz-, Benützungs- oder Bewirtschaftungsverhältnisse den geänderten sozialen oder wirtschaftlichen Anschauungen oder Bedürfnissen entsprechend einer planmäßigen Neuordnung oder Regulierung unterziehen wollen. Vgl VfSlg 1390/1931; wiederholt bestätigt, zB durch VfSlg 2452/1952, 3649/1959, 4027/1961, 6508/1971, 7974/1977, 9336/1982; Zessner-Spitzenberg, ÖVBl 1931, 89 ff; Melichar, JBl 1968, 286 f; Gatterbauer/Kaiser/Welan (FN 15) 37 ff; Schwamberger, JBl 1985, 281; Lang, Tiroler Agrarrecht I (1989) 13 f; Eichler, Dimensionen des Agrarrechts (1987) 142 f; Kühne, Agrarstruktur-Raumordnung (1975) 19 und 30 f; derselbe, Das Bodenrecht, die wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung des Bodens (1970) 113 f)
Regelungen über die Ablöse von Gemeindegut-Nutzungsrechten entsprechen offenkundig diesen, vom Verfassungsgerichtshof aufgestellten, Kriterien des Kompetenzbegriffes „Bodenreform“. Gleich den agrarischen Operationen haben sie die Bodenbesitz-, Benützungs- oder Bewirtschaftungsverhältnisse zum Gegenstand.
Das „Motiv“ (der Regelungszweck) liegt darin, dass die überkommenen Bodenbesitz-, Benützungs- oder Wirtschaftsverhältnisse angesichts geänderter sozial- und wirtschaftspolitischer Anschauungen oder Bedürfnisse den neuen Verhältnissen entsprechend geordnet werden sollen. Neben der „Verbesserung der Agrarstruktur“ – die eindeutig der Bodenreform zuzuordnen ist – soll die Aufhebung von Nutzungsrechten auch nichtagrarischen Zielsetzungen wie infrastrukturellen Vorhaben, Anlagen im öffentlichen Interesse oder Zielen der örtlichen Raumordnung dienen. Auch diese nichtagrarischen Zielsetzungen sind aber „Bodenreform“ im oben angeführten kompetenzrechtlichen Sinn, weil dadurch das Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung aufgehoben wird und die betreffenden Grundstücke anderer Verwendung zugeführt werden.
Die Ablöse von Gemeindegut-Nutzungsrechten ist daher als eine planmäßige Neuordnung der gegebenen Bodenbesitz-, Benützungs- oder Bewirtschaftungsverhältnisse im Sinne der oben angeführten Verfassungsrechtsprechung anzusehen, sodass auch das dritte Merkmal erfüllt ist. Sie führt ebenso wie die Teilung des Gemeindegutes zu klaren, neuen Bodenbesitzverhältnissen: Aus „Gemeindegut“ wird „Gemeindevermögen“. Es geht hier also wie bei der Teilung des Gemeindegutes letztlich um die Beseitigung des Gemeindegutes, verbunden mit einer Neuordnung der Bodenbenützungsverhältnisse. Diese Konsequenz der Aufhebung agrargemeinschaftlicher Nutzungsrechte des Gemeindegutes übersieht das Erkenntnis des VwGH Slg Nr 3560 (A)/1954, das – ohne nähere kompetenzrechtliche Untersuchung – die (richtiger Weise) als Enteignungsbestimmung der Gemeindeordnung qualifizierte Maßnahme in keinem Zusammenhang „mit dem Rechtsgebiet der Bodenreform (Art 12 Abs 1 Z 3 BVG)“ sieht. Selbst wenn es im FlVerfGG des Bundes oder in den Landesausführungsgesetzen keine vergleichbaren Regelungen gäbe, ändert dies nichts an der kompetenzrechtlichen Einordnung der angeführten Enteignungsbestimmungen der Gemeindeordnungen als „Bodenreform“.
Hinzu kommt, dass die Ablösung von Wald- und Weidenutzungsrechten – als Mittel „zur Liquidierung der Bindungen der alten gesprengten Agrarverfassung“ und damit der planmäßigen Neuordnung – dem Bodenreformrecht im Versteinerungszeitpunkt nicht fremd war. Das Motiv für diese Regelungen bestand ua in der „Entlastung des dienenden Gutes von als überholt empfundenen wirtschaftlichen Fesseln“. (Zessner-Spitzenberg, ÖVBl 1931, 123; Vgl das kaiserliche Patent vom 5. Juli 1853, RGBl 130; dazu Lang, Teilwaldrechte in Tirol (1978) 55 ff; Junk, Die Wald- und Weidenutzungsrechte im geschichtlichen Ablauf, in: 100 Jahre Agrarische Operationen in Österreich. Der Förderungsdienst 1/1983, 26 ff)
Vorschriften über die Ablöse von Gemeindegut-Nutzungsrechten sind also nach Inhalt und Zweck den Regelungen über die Teilung und Regulierung von gemeinschaftlichen Grundstücken (Gemeindegut) ähnlich; sie bleiben daher innerhalb des durch die historische Rechtslage vorgezeichneten institutionellen Rahmens. Da sie dieses System nicht sprengen, sondern nur als eine intrasystematische Fortentwicklung der am 1. 10. 1925 in Kraft stehenden Regelungen über „agrarische Operationen“ anzusehen sind, fallen sie ebenfalls unter den Kompetenztatbestand „Bodenreform“ des Art 12 Abs 1 Z 3 B-VG.
4. „Gemeindegut“ und „Bodenreform“
Der VfGH (VfSlg 9336/1982 und alle, diese Entscheidung konkretisierenden Folgeerkenntnisse) hat zur Grundlage seiner Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit des § 15 Abs 2 FlVerfGG 1951 und der diese Bestimmung ausführenden Landesgesetze folgende These genommen:
„Unter dem Gemeindegut (Ortschaftsgut, Fraktionsgut), das § 15 Abs 2 lit d FlVerfGG und § 31 Abs 2 lit d VFLG zu den agrargemeinschaftlichen Grundstücken zählen und der Ordnung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach Maßgabe des Gesetzes unterwerfen, ist jene Erscheinung zu verstehen, die in den früheren Gemeindeordnungen im Rahmen des Reichsgemeindegesetzes 1862 und den nachfolgenden Gemeindegesetzen geregelt war (vgl. dazu für Vbg. VfSlg. 384/1925 und VfSlg. 2308/1952) und im geltenden Vbg. Gemeinderecht noch als bestehend festgehalten wird. Das ergibt sich nicht nur aus dem durch die Gemeindeordnungen geprägten Ausdruck „Gemeindegut“, sondern auch aus dem Hinweis auf die Bestimmungen der Gemeindeordnungen im Grundsatzgesetz der im Ausführungsgesetz offenkundig nur deshalb unterblieben ist, weil die Vbg. Gemeindeordnung zur Zeit seiner Erlassung im Hinblick auf eben diese flurverfassungsrechtliche Regelung besondere Bestimmungen nicht mehr enthielt. Demgemäß hat der VfGH bereits in den Erk. VfSlg. 4229/1962 und 5666/1968 klargestellt, dass unter Gemeindegut iS des Flurverfassungsrechts jenes zu verstehen ist, dessen Rechtsgrundlage ausschließlich die Gemeindeordnungen waren“.
Diese These ist schon aus kompetenzrechtlichen Erwägungen offenkundig unrichtig. Die Grundsatzkompetenz Bodenreform ermächtigt nämlich gerade nicht zur Regelung des Gemeindegutes „als Erscheinung der Gemeindeordnung“ – diese Zuständigkeit gehört nämlich in der komplexen Kompetenzmaterie „Gemeindegut“ zur Landeskompetenz „Gemeindeordnung“. Sehr treffend formuliert daher § 33 Abs 6 TFLG: „Ob ein Grundstück ein agrargemeinschaftliches Grundstück ist, hat im Zweifel die Agrarbehörde zu entscheiden. Die gemeinderechtlichen Bestimmungen bleiben unberührt.“ Weder die Agrarbehörde noch das Flurverfassungsrecht haben daher die Zuständigkeit zu entscheiden, ob ein agrargemeinschaftliches Grundstück „Gemeindegut im Sinne der Gemeindeordnung ist“. Das Bodenreformrecht bezieht sich nämlich ausschließlich auf die Agrargemeinschaft Gemeindegut als gemeinschaftliche Nutzungsordnung, die neu geordnet werden soll.
Der Verweis des VfGH auf das Reichsgemeindegesetz 1862 und die dieses Grundsatzgesetz ausführenden Gemeindeordnungen von 1866 ist deshalb irreführend, weil zu dieser Zeit kein Bodenreformrecht bestand und die neue politische Gemeinde in liberaler Selbstordnung die bäuerlichen Nutzungsrechte nach der Aufhebung der Grundherrschaft und des geteilten Eigentums „frei“ selbst verwalten und regulieren sollte. (Art V Reichsgemeindegesetz: Im selbständigen Wirkungskreis kann die Gemeinde „nach freier Selbstbestimmung anordnen und verfügen“; zum Scheitern dieses frühdemokratisch-liberalen Ordnungskonzeptes als Reformmodell der Land- und Forstwirtschaft, das zum Konzept der staatlichen Bodenreform 1883 führte: Pernthaler, Eigentum am Gemeindegut, ZfV 2010, 376)
Dazu kommt, dass selbst die Landesausführungsgesetze zum Reichsrahmengesetz von 1883, RGBl 94 „die Regulierung der Verwaltungsrechte jener gemeinschaftlichen Grundstücke, die durch die Gemeindeordnung oder andere das Gemeindegut betreffende Vorschriften geregelt ist“ in der Form geregelt haben, dass die Gemeinde weiterhin Trägerin der Verwaltungsrechte der Agrargemeinschaft sein sollte. Eine bereits als Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung organisierte Agrargemeinschaft konnte geteilt werden; im Fall der Regulierung sollte jedoch kein neuer Rechtsträger eingerichtet werden, sondern lediglich eine Ergänzung der Gemeindeordnung im erforderlichen Ausmaß stattfinden. Dieser Rechtszustand galt infolge der Rechtsüberleitung der betreffenden reichs- und landesgesetzlichen Vorschriften auch in der Republik zunächst weiter. (Vgl zuletzt das Vorarlberger Teilungs- und Regulierungslandesgesetz, LGBl 1921/115 und das darauf beruhende Gesetz über die Teilung des Gemeindegutes Fußach, LGBl 1929/41)
Erst das Inkrafttreten des FlVerfGG 1932 hat das Problem der Abgrenzung der Bodenreformkompetenz des Bundes von der Gemeinderechtskompetenz der Länder bewusst werden lassen und – aus Anlass der Neuordnung des Gemeinderechtes im Jahre 1935 und später – zu einer Intervention des Bundes und einer darauf Bedacht nehmenden Anpassung der Gemeindeordnungen geführt (Kühne/Oberhofer , 298 ff). Seit dem grenzen die Gemeindeordnungen ihre Vorschriften über das Gemeindegut eindeutig von „den Vorschriften in den Angelegenheiten der Bodenreform“ ab, die „unberührt bleiben“ (Vgl etwa § 74 Tiroler Gemeindeordnung LGBl 2001/36). Allerdings stellt eine Stellungnahme des Bundeskanzleramtes vom 1. 8. 1935 zur geplanten Novelle der Tiroler Gemeindeordnung klar, dass der Bund „großen Wert darauf legt, die bisherigen materiellrechtlichen Bestimmungen über das Recht und das Maß der Teilnahme an den Nutzungen dieses agrargemeinschaftlichen Teiles des Gemeindegutes auch weiterhin in der Gemeindeordnung zu belassen“, worauf sich auch der Hinweis auf die Gemeindeordnungen in § 15 Abs 2 lit d FlVerfGG beziehe. (Stellungnahme des Bundeskanzleramtes (Inneres) „Gemeindegut und Flurverfassungsgrundsatzgesetz BGBl 256/1932“, Zl 156.486-6 vom 1. August 1935)
Es kann also nach der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern das FlVerfGG des Bundes den Begriff „Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Benutzung“ autonom als Nutzungsordnung unabhängig von der Eigentumszuordnung rechtlich definieren, wenn der Bundesgesetzgeber dies für die Zwecke des Regulierungsverfahrens – in dem ja erst über die Rechtsfrage der Eigentumszuordnung (auf Grund der Erhebungen dieses Verfahrens) von der Agrarbehörde entschieden werden soll – für sinnvoll hält. In gleicher Weise kann aber der Gemeindegesetzgeber es bei seiner bisherigen Regelung belassen, dass das Gemeindegut im gemeinderechtlichen Sinn als ein besonders qualifizierter Teil des Gemeindevermögens im Eigentum der Gemeinde steht, weil auch diese Regelung zur Kompetenz „Gemeinderecht“ im Sinne des Art 115 Abs 2 und 118 Abs 2 B-VG gehört. (Siehe Art 116 Abs 2 B-VG, der von Art 118 Abs 2 B-VG rezipiert wird)
Ausgeschlossen durch die Kompetenzverteilung ist nur die Annahme des VfGH, dass Gemeindeordnung und Flurverfassungsrecht denselben Rechtsbegriff „Gemeindegut“ verwenden müssen, weil die – aus der Landeskompetenz herausgehobene – Teilkompetenz „Bodenreform“ sich auf einen konkreten Teilbereich der Regelung des Gemeindegutes, nämlich die Teilung und Regulierung der agrargemeinschaftlichen Nutzungsrechte am Gemeindegut in einem eigentumsrechtlich undifferenzierten Sinn, bezieht. Dass es dem Bodenreformrecht gerade auf diese eigentumsrechtlich undifferenzierte Ausgangssituation seines Verfahrens ankommt, zeigen die – für die Kompetenz Bodenreform ausschlaggebenden – Reformgesetze 1883, deren gesetzgeberische Zielsetzung – wie oben erläutert wurde – in der Klärung der verworrenen Eigentumsverhältnisse am Gemeindegut ihren Regelungsschwerpunkt hatten.
Der Hinweis auf die Gemeindeordnung im § 15 Abs 2 lit d FlVerfGG bezieht sich daher nach dem klaren Wortlaut der Bestimmung gerade nicht auf die vermögensrechtliche Zuordnung des Gemeindegutes (als Eigentum der Gemeinde), sondern ganz eindeutig auf die „gemeinschaftliche Benutzung, die der Bestimmung der Gemeindeordnung unterliegt“. Das entspricht einerseits dem Anknüpfungspunkt „gemeinschaftliche Nutzungsordnung“ des Flurverfassungsrechts und anderseits der kompetenzrechtlichen Zuordnung der „bisherigen materiellrechtlichen Bestimmungen über das Recht und das Maß der Teilnahme an den Nutzungen des agrargemeinschaftlich genutzten Gemeindegutes“ zur Landeskompetenz „Gemeindeordnung“, die das FlVerfGG eindeutig vorausgesetzt hat.
Dass in der rechtlich undifferenzierten Begriffsbildung „Gemeindegut“ – die ja nur die Zuständigkeit der Agrarbehörden im Sinne des Kompetenztatbestandes „Bodenreform“ begründet – eine rechtliche Diskriminierung des Eigentums der Gemeinde gelegen sei, wie der VfGH im Erk Slg 9336/1982 angenommen hat, ist nach den zwingenden Vorschriften des Flurverfassungsrechts über den Ablauf des Teilungs- und Regulierungsverfahrens ausgeschlossen, weil die Agrarbehörde in jedem Fall das Eigentum an agrargemeinschaftlichen Liegenschaften festzustellen hat und erst auf Grund dieser – zivilrechtlichen – Feststellung ihre weiteren Entscheidungen der Teilung oder Regulierung treffen kann.
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aus:
Peter Pernthaler
Gesetzgebungskompetenz für Gemeindegut
in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler/Raber (Hg)
Die Agrargemeinschaften in Westösterreich (2011)
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MP