Das Erkenntnis VfSlg 9336/1982 des Verfassungsgerichtshofes gründet auf der Fiktion, dass das agrargemeinschaftliche Gemeindegut in den (Landes-)Gemeindeordnungen als ein Eigentum der politischen Ortsgemeinden definiert sei. Diese Rechtseigenschaft, die in den Landegemeindegesetzen geregelt sei, müsse – so das Verfassungsgericht – auch für das Bundes-Flurverfassungs-grundsatzgesetz gelten.
Was sich so überzeugend anhört, nämlich: „Ein Gemeindegut muss ein Eigentum der Ortsgemeinde sein“, ist in Wahrheit falsch. Der Satz ist falsch für das Flurverfassungsrecht; und der Satz ist falsch für das Gemeinderecht der Länder.
Mit dem Kernsatz, dass die Eigentumsverhältnisse am Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung in den Gemeindeordnungen der Länder als ein notwendiges Eigentum der Ortsgemeinde definiert seien, wird auch das Gemeinderecht verletzt. Der Rechtssatz ist in jeder Hinsicht falsch.
Dies kann am Beispiel des Steirischen Gemeinderecht nachvollzogen werden.
ZUR STEIRISCHEN GEMEINDEORDNUNG 1948
Die Steirische Gemeindeordnung wurde erst 1948 an das Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1932 angepasst. Umso klarer ist die Klarstellung, dass das Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung gerade nicht in der Gemeindeordnung geregelt wird. Umso klarer ist die Klarstellung, dass das Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung gerade nicht in der Gemeindeordnung als Eigentum der Ortsgemeinde definiert ist. Umso klarer ist die Klarstellung, dass über die Eigentumsverhältnisse am Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung ausschließlich die Agrarbehörde entscheidet.
§ 61 Abs 3 des Steirischen Gesetzes vom 6. Juli 1948 über die Änderung der Gemeindeordnung, LGBl 52/1948:
„§ 61. Gemeindegut. (1) Sachen, welche zum Gebrauche eines jeden Gemeindemitgliedes einer Gemeinde dienen, bilden das Gemeindegut. Insbesonders gehören zum Gemeindegut Grundstücke, welche von allen oder nur von gewissen Gemeindemitgliedern einer Gemeinde oder einer Ortschaft zur Deckung ihres Guts- und Hausbedarfes gemeinschaftlich oder wechselseitig benützt werden.
(2) …
(3) Nach den aufgrund des Artikels 12, Abs (1), Punkt 5, der Bundesverfassung 1929 erlassenen Gesetzen unterliegt das in Abs (1) bezeichnete Gemeindegut den Bestimmungen dieser Gesetze. Die Entscheidung über den Bestand des Gemeindegutes als agrarische Gemeinschaft im Sinne dieser Gesetze, über den Verkauf des Gemeindegutes oder von Teilen desselben, ferner über die Übertragung von Nutzungsrechten an andere Gemeindemitglieder und die Höhe der einzelnen Nutzungen steht den Agrarbehörden zu.
(4) Die Gemeindebehörde hat darauf zu achten, dass die Nutzungen der Gemeindemitglieder nicht über den notwendigen Guts- und Hausbedarf hinaus in Anspruch genommen werden und diese Nutzungen der nachhaltigen Bewirtschaftung des Grundstückes, insbesondere bei Waldungen, entsprechen. Nötigenfalls ist die Entscheidung der Agrarbehörde einzuholen.“
Dass der Verfassungsgerichtshof im Erk VfSlg 9336/1982 solche Gesetzesstellen ignoriert und stattdessen die Gemeindegesetze von Vorarlberg von 1864 und von Tirol von 1866 als angeblich repräsentativ präsentiert, ist skandalös.
-.-.-.-
MP