Stephan von Falser: „Geschenkt!“

abs. iur. Stephan Ritter von Falser (*30.08.1855 in Innsbruck; † 19.03.1944 in Innsbruck) war um die Jahrhundertwende einer der einflussreichsten Tiroler Juristen. Beruflicher Werdegang: Tätigkeit bei Zivilgerichten in Tirol und Vorarlberg 1878–1900, Mitglied des Verwaltungsgerichtshofes 1902, zuletzt Senatspräsident 1912–1918, Mitglied des Staatsgerichtshofes 1917–1920, Mitglied des Verfassungsgerichtshofes 1922–1930, juridischer Beirat der Landeshauptmannschaft in Innsbruck. Bildungsweg: Volksschule, Gymnasium (Matura 1874), Studium der Rechte an der Universität Innsbruck (abs. iur. 1878). Politische Mandate: Mitglied des Bundesrates, CSP 01.12.1920 – 25.06.1926. Stephan Ritter von Falser beeinflusste mit seiner 1896 veröffentlichten Schrift „Wald und Weide im Tirolischen Grundbuch“ und durch seine Expertise als ausgewiesener Fachmann und (damals) Richter des Oberlandesgerichts Innsbruck maßgeblich die Tiroler Grundbuchanlegung bzw die gesetzliche Grundlagen dazu (Gesetz vom 17. März 1897, L.-G.-Bl. Nr. 9, betreffend die Anlegung von Grundbüchern und die innere Einrichtung derselben, als G.-A.-L.-G. (Grundbuchsanlegungslandesgesetz) sowie DurchführungsVO zur Grundbuchanlegung LGuVOBl Tirol 1898/9 vom 10. April 1898 , Tiroler DVO-GBA 10.4.1898 samt zahlreichen Zirkularen und Anweisungen des Oberlandesgerichts Innsbruck).
abs. iur. Stephan Ritter von Falser (*30.08.1855 in Innsbruck; † 19.03.1944 in Innsbruck) war um die Jahrhundertwende einer der einflussreichsten Tiroler Juristen.
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Beruflicher Werdegang: Tätigkeit bei Zivilgerichten in Tirol und Vorarlberg 1878–1900, Mitglied des Verwaltungsgerichtshofes 1902, zuletzt Senatspräsident 1912–1918, Mitglied des Staatsgerichtshofes 1917–1920, Mitglied des Verfassungsgerichtshofes 1922–1930, juridischer Beirat der Landeshauptmannschaft in Innsbruck. Bildungsweg: Volksschule, Gymnasium (Matura 1874), Studium der Rechte an der Universität Innsbruck (abs. iur. 1878). Politische Mandate: Mitglied des Bundesrates, CSP 01.12.1920 – 25.06.1926.
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Stephan Ritter von Falser beeinflusste mit seiner 1896 veröffentlichten Schrift „Wald und Weide im Tirolischen Grundbuch“ und durch seine Expertise als ausgewiesener Fachmann und (damals) Richter des Oberlandesgerichts Innsbruck maßgeblich die Tiroler Grundbuchanlegung bzw die gesetzliche Grundlagen dazu (Gesetz vom 17. März 1897, L.-G.-Bl. Nr. 9, betreffend die Anlegung von Grundbüchern und die innere Einrichtung derselben, als G.-A.-L.-G. (Grundbuchsanlegungslandesgesetz) sowie DurchführungsVO zur Grundbuchanlegung LGuVOBl Tirol 1898/9 vom 10. April 1898 , Tiroler DVO-GBA 10.4.1898 samt zahlreichen Zirkularen und Anweisungen des Oberlandesgerichts Innsbruck).


In Tirol hatte sich eine eigenständige Legende herausgebildet, wie die politischen Ortsgemeinden Eigentümer der Gemeinschaftsliegenschaften geworden seien: Der Landesfürst hätte die politischen Ortsgemeinden mit dem Eigentum beschenkt! Urheber dieser Legende war ein Mitglieed des niederen Tiroler Adels, Stephan Ritter von Falser, ein angesehener Richter des Oberlandesgerichts Innsbruck.

Stephan von Falser hat das absehbare Ende des Tiroler Verfachbuchsystems (mehr dazu), für eine juristische Pionierarbeit genutzt: Er hat die verworrenen Rechtsverhältnisse an Wald und Weide in Tirol in einem eigenen Büchlein erörtert. (Stephan von Falser, Wald und Weide im tirolischen Grundbuch, Innsbruck 1896, 48 Seiten). Pech für die bäuerlichen Hofbesitzer: Als verarmter Adeliger mit Jus-Studium im Richterstand hatte Stefan Ritter von Falser nichts übrig für ein Bauerneigentum. (siehe auch: Der Gemeindeliebhaber)

Möglicher Weise erschien Stefan Ritter von Falser die Grundentlastung als ein historischer Fehler! Die Tiroler „Almendentlastung“, wo die Hofbesitzer sich mit dem Landesfürsten verglichen hatten und ihre Nutzungsrechte gegen Eigentumsrecht abgetauscht haben (mehr dazu), wollte Stephan Ritter von Falser jedenfalls gründlich korrigieren. In seinem Büchlein „Wald und Weide im tirolischen Grundbuch, Innsbruck 1896“ stellte Stephan von Falser die These auf, dass der Tiroler Landesfürst im Zuge der Tiroler Forstregulierung 1947 sein Obereigentum an den Tiroler Allmenden, an den Gemeinschaftsforsten und Gemeinschaftsweiden, wenn schon nicht dem Tiroler Adel, so doch den neuen politischen Ortsgemeinden geschenkt hätte. Hunderte Rechtsakte, insbesondere rund 250 Servitutenablösungsvergleiche, die aus der Tiroler Forstregulierung 1847 hervor gegangen waren (ausführlich dazu), wurden von ihm schlicht ignoriert.

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Die Tiroler hatten sich bekanntlich sehr lange dagegen gesträubt, das nötige Landesgesetz zur Einführung des modernen Grundbuchsystems zu beschließen. Bereits mit 15. 2. 1872 war das Allgemeinen Grundbuchgesetz (RGBl 1871/95) in Kraft getreten; erst 25 Jahre später, nämlich am 24. März 1897 trat das Landesgesetz zur Tiroler Grundbuchanlegung in Kraft (mehr dazu). Diese lange Übergangszeit hatte Stephan Ritter von Falser, damals Richter am Oberlandesgericht Innsbruck, genutzt, um eine Abhandlung zur grundbücherlichen Behandlung von Wald und Weide im Tirolischen Grundbuch zu verfassen, die 1896 veröffentlicht wurde.

Darin stellte Stephan von Falser unter anderem die These auf, dass der Tiroler Landesfürst im Zuge der Tiroler Forstregulierung 1947 sein Obereigentum an den Tiroler Allmenden, an den Gemeinschaftsforsten und Gemeinschaftsweiden, den neuen politischen Ortsgemeinden geschenkt hätte. Falser wörtlich: „Ein weiser Entschluss des Landesfürsten war es wieder, welcher das ihm von seinen Räten aufgenötigte allgemeine Waldeigentum an die natürlichste und ursprünglichste öffentlich-rechtliche Vereinigung der Volksgenossen, an die Gemeinde, zurückgab.“ (zum Gemeindebegriff in der Tiroler Forstregulierung)

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Diese offenkundig unrichtige Beurteilung der Tiroler Forstregulierung 1847 kombinierte Falser mit der falschen Behauptung, dass ein Eigentum an einem Wald- oder Weidestück nur ersessen werden können, wenn selbiges für die Dauer der Ersitzungszeit allseitig eingezäunt war. Dabei hatte Falser nicht übersehen, dass nur (!) die Hofbesitzer die Gemeinschaftsliegenschaften genutzt hatten. Eine Nutzung ausschließlich durch einen bestimmten Personenkreis im guten Glauben hätte jedenfalls Ersitzung durch diesen Personenkreis als Nachbarschaft (= „Agrargemeinschaft“) zur Folge. Falser verweigert jedoch den Hofbesitzern das Recht auf Ersitzung ausdrücklich; dies mit krauser Begründung.

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Natürlich ist Falsers These, dass eine Liegenschaft allseitig umzäunt sein müsse, damit eine Ersitzung Platz greifen könne, unrichtig. Maßgeblich ist vielmehr die tatsächliche Nutzung im guten Glauben. Falser behauptete jedoch selbst für aufgeteiltes Waldvermögen, das bereits in den 1850er Jahren im Franziszeischen Grundstückkataster als Eigentum einzelner Hofbesitzer registriert worden war, ein Gemeindeeigentum.

Die Eintragung der einzelnen Waldparzellen im so genannten Franziszeischen Grundstückkataster als Einzeleigentum des jeweiligen Hofbesitzers wurde von Falser für irrelevant hingestellt. Falser: „Bei diesen Waldungen werden sich die meisten Schwierigkeiten ergeben, auf welche schon früher hingewiesen worden ist. Entschieden unrichtig und zu nicht wünschenswerten Ergebnissen führend wäre die Behandlung aller dieser Wälder als Eigentumsliegenschaften derjenigen Personen, die welche darin auf Grund alter Theillibelle oder alten Herkommens das ausschließliche Einforstungsrecht genießen und denen diese Waldungen größtenteils, ja fast ausnahmslos im Besitzbogen [als Eigentum] zugeschrieben sind.“ Falser weiter: „Als Grundeigentümer solcher verteilter Gemeindewaldungen wird regelmäßig die Gemeinde selbst nach Maßgabe der Waldzuweisungsurkunde (Forsteigentumspurifikationsurkunde) zu betrachten und einzutragen sein, …“.

Dabei hatte Falser nicht übersehen, dass nur (!) die Hofbesitzer die Gemeinschaftsliegenschaften genutzt hatten. Vielmehr verweigert Falser den Hofbesitzern das Recht auf Ersitzung ausdrücklich mit krauser Begründung : Falsers Lösung für den Ausschluss des Rechts auf Ersitzung: Es „dürfen die Nutzungen geschlossener Höfe an unverteilten Gemeindewaldungen nicht in das Grundbuch eingetragen werden, weil sich dieselben, solange der Wald unverteilt ist, nicht als dingliche Rechte am Waldboden darstellen, sondern lediglich als ein zeitweilig und bis auf Widerruf geübtes ausdrückliches oder stillschweigendes Übereinkommen der Gemeindemitglieder aufgefasst werden müssen, ihr Gemeindevermögen in der Weise zur Nutzung zu bringen, dass jedes Gemeindemitglied nach Anweisung der Gemeinde den/dasselbe betreffende Theil des Bodenertrages selbst bezieht und vor allem durch eigene Arbeite gewinnt.“

Richtiger Weise hätte Falser in all diesen Fällen ein ersessenes Waldeigentum erkennen müssen. Wer in den 1850er Jahren bereits im Grundstückskataster als Eigentümer erfasst worden war, hatte jedenfalls durch die hinzugetretene ausschließliche Nutzung während der folgenden 40 Jahre aus dem Rechtstitel der Ersitzung ein wahres Eigentum erworben!

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Die Irrlehren des Stephan Ritter von Falser fanden Eingang in die Tiroler Durchführungsverordnung zum Grundbuchanlegungsgesetz vom 10.4.1898 (Tiroler DVOGBA). Von zwei Paragrafen zur Marginalrubik „Erhebung der Eigentumsrechte“ §§ 33f, widmet sich § 34 DVOGBA ausschließlich dem Gemeinschaftseigentum. An prominenter Stelle wird dort betont, dass zwischen „bloßen Nutzungsrechten am Gemeindegute und Eigentumsrechten“ sorgsam (!) zu unterscheiden sei. In allen Zweifelsfällen haben die Grundbuchjuristen deshalb ein Eigentum der Ortsgemeinde angenommen. Dies umso mehr, als ein Flurverfassungsrecht, nach welchem Agrargemeinschaften konstituiert werden hätten können, damals in Tirol nicht existiert hatte. (mehr dazu)

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All das ist vor dem Hintergrund der „Hauptthese“ des Stephan von Falser zu lesen, wonach die Tiroler Forstregulierung 1847 der Sache nach eine Schenkung an die jeweilige Ortsgemeinde war. Die Ortsgemeinde sei demnach Eigentümerin der ehemals landesfürstlichen Wälder geworden; die historischen Holzbezugsrechte der Hofbesitzer auf landesfürstlichem Eigentum seien dadurch in „Gemeindegutsnutzungen“ verwandelt worden.

Wenn deshalb die Durchführungsverordnung zum Grundbuchanlegungsgesetz in der nächstfolgenden Marginalrubrik, die von der Erhebung der „Rechte an fremden Liegenschaften“ handelt (§§ 35 bis 37 DVOGBA) gleich drei Absätze der „Gemeindegutsnutzung“ widmet (§ 37 Abs 1 bis 3 DVOGBA), dann wird nachvollziehbar, warum in zahllosen Fällen die Unkenntnis der Hofbesitzer und ihr Selbstverständnis als „Gemeinde“ in eine Registrierung der „Gemeinde“ als Eigentümerin mündeten, obwohl der Sache nach eine Nachbarschaft (= Agrargemeinschaft) vorgelegen hat.

Gleich einleitend wird in § 37 Abs 1 DVOGBA das „Gemeindegut“ dadurch besonders motiviert, dass Rechte daran dem Grundsatz nach nicht im öffentlichen Buch vermerkt werden müssten, weil diese im öffentlichen Recht gründen würden. „Nur wenn das Nutzungsrecht eines Hofes soweit entwickelt ist, dass es nicht mehr durch eine einseitige Verfügung der Gemeinde abgeändert werden“ könne, sei es „als ein Privatrecht und daher als eine Servitut zu beurteilen.“ Die DVOGBA weiter: „Hierher gehören insbesondere jene Fälle, in welchen ein Gemeindegrundstück der Nutzung nach dauernd an einzelne Höfe verteilt worden ist (zB die sogenannten Teilwälder). Solche Grundstücke seien im Kataster häufig als Eigentum der Nutzungsberechtigten eingetragen, müssten aber selbstverständlich (!) bei der Grundbuchsanlegung als Eigentum der Gemeinde bzw. der Teilgemeinde behandelt werden und ist für die nutzungsberechtigten Höfe lediglich die entsprechende Dienstbarkeit zu erheben und einzutragen.“

Wen wundert es, dass bei solchen Vorgaben für die Grundbuchbeamten zahllose Nachbarschaftsgründe als ein Gemeindeeigentum angeschrieben wurden. Wer will schon im Dutzend und mehr Servituten der Nachbarn einverleiben? Wer will schon im Dutzend und mehr die Nachbarn als Miteigentümer im Grundbuch eintragen? Wenn der Grundbuchjurist dir Agrargemeinschaft als solche nicht als anerkannte juristische Organisationsform wahrgenommen hatte, waren die Alternativen „mühsam“: Hätte er auf Miteigentum erkannt, hätte er Miteigentumsquoten erheben müssen; hätte er auf Servituten auf Gemeindeeigentum erkannt, hätte er immerhin den Inhalt und den Umfang des Rechts und die jeweils herrschende Liegenschaft erfassen müssen.

Was lag näher, als ein Gemeindeeigentum und Gemeindegutsnutzungen zu unterstellen. Stephan von Falser, Richter des Oberlandesgerichts, sei für die Arbeitserleichterung für die Grundbuchanlegungskommissare herzlich gedankt!

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Falser hat in den wesentlichen Fragen der Gemeinschaftsliegenschaften gegen das bäuerliche Gemeinschaftseigentum argumentiert. Zweifelsohne hatte er mit seiner Expertise auch die Durchführungsverordnung zum Grundbuchanlegungsgesetz vom 10.4.1898 (Tiroler DVOGBA) gravierend zum Nachteil des bäuerlichen Gemeinschaftseigentums beeinflusst. Schließlich darf sein faktischer Einfluss kraft seines Amtes als Richter der Oberlandesgerichts Innsbruck nicht unterschätzt werden.

Im Blick auf die Komplexität der Sach- und Rechtslage bei den Tiroler Gemeinschaftsliegenschaften und eine Rechtsentwicklung, die sich über Jahrhunderte erstreckte, darf es nicht verwundern, dass die von Falser behauptete Rechtslage von der Richterschaft, welche die Grundbuchanlegung vollzogen und überwacht hat, widerspruchslos übernommen wurde.

Korrigiert wurde Stefan Ritter von Falser am Ende des Tages von der Landespolitik (mehr dazu): Bereits im Jahr 1900 entschied der Tiroler Landtag, dass die Nutzungsrechte der Hofbesitzer auch als Servituten auf „Gemeindeeigentum“ eingetragen werden können. Im Jahr 1910  wurde vom Tiroler Landtag ein Gesetz geschaffen, welches den politischen Ortsgemeinden erlaubte, von sich aus das Invidualeigentum der Hofbesitzer anzuerkennen (mehr dazu). Ab dem Jahr 1911 haben schließlich die Agrarbehörden die Rechtsverhältnise in Einzelfallentscheidungen aufgearbeitet und Agrargemeinschaften oder Einzeleigentum festgestellt. (mehr dazu)

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Stephan von Falser: „Wenn beim Sondereigentum das gerichtliche Verfachbuch – abgesehen von den Urkunden der siegelmäßigen Parteien – ein wenn auch unvollkommenes öffentliches, das heißt für jedermann zugängliches Buch war, versagte dieses Buch regelmäßig jede Auskunft, wenn es jemandem in den Sinn kam, daraus Belehrung über das Gemeinschaftseigentum von bäuerlichen Nachbarschaften, Alpgenossenschaften oder Weiden zu suchen. Dieser Zustand hat sich bis in die Gegenwart erhalten, erst die zweite Hälfte des laufenden Jahrhunderts brachte diesbezüglich eine Besserung, indem infolge der Errichtung von Waldzuweisungsurkunden (in den Jahren 1848 bis 1854) und infolge der Grundlasten-Ablösung und Regulierung ausgedehnter Gemeinschaftsbesitz (vielfach zum ersten Mal) in das Verfachbuch gekommen ist (Falser, Seite 5).

Immerhin weist das tirolische Verfachbuch in dieser Richtung auch jetzt noch große Lücken auf. Das Grundbuch verträgt eine solche Lückenhaftigkeit nicht: Seine Grundlage ist das Grundsteuerkataster, sodass der ganze Grund und Boden in seiner gegenwärtigen Parzellierung in das Grundbuch kommen soll. Auf diese Weise wird bei Einführung des Grundbuchs in Tirol für zahlreichen, weit ausgedehnten und wertvollen Gemeinschaftsbesitz eine Grundbuchseinlage eröffnet werden müssen, ohne dass man von demselben im bisherigen Verfachbuche eine Spur entdecken könnte; es hatte sich eben noch nie der Anlass ergeben oder – falls ein solcher vorgelegen hatte – war er nicht benützt worden, um über die an solchem Gemeinschaftsbesitze bestehenden Rechtsverhältnisse verfachbücherliche Urkunden zu errichten (Falser, Seite 5).

Es ist schon mehrmals die Frage untersucht worden, wie die vielfach bestehenden agrarischen Gemeinschaften (Altgenossenschaften, Waldgenossenschaften, Nachbarschaftsweiden und Ähnliches) bei der Grundbuchsanlegung und –führung zu behandeln seien, um einerseits den Vorschriften des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches und des Grundbuchsgesetzes gerecht zu werden, andererseits aber auch Gebilde zu schaffen, welche dem Bewusstsein der Bevölkerung und den Bedürfnissen der Landwirtschaft entgegenkommen (Falser, Seite 5f).

In Tirol hindert kein falscher Bucheintrag die richtige rechtliche Behandlung der in das Wirtschaftsleben der bäuerlichen Bevölkerung tief eingreifenden, verschiedenartigen Nutzungsrechte an Weide und Wald, insbesondere die mancherlei gemeinschaftlichen Besitz- und Benützungsrechte daran, weil mit der Einführung des Grundbuches ein ganz neues öffentliches Buch geschaffen wird, ohne Zusammenhang mit dem alten Verfachbuche (Seite 6).

Falser stellte an die Spitze seines geschichtlichen Rückblicks die zweifellos richtige Feststellung, dass die gefürstete Grafschaft Tirol bis zur Einführung des ABGB ein eigenes Rechtsgebiet bildete, in welches die römisch-rechtliche Auffassungsweise nur unvollständig eindringen konnte. Als Besonderheit hob Falser hervor, dass sich in Tirol immer ein fast freier Bauerstand gehalten hatte, welcher seine Rechte gegenüber dem Adel und der grundbesitzenden Geistlichkeit zu wahren verstand (Falser, aaO, 7).

Für den Zeitraum vor Inkrafttreten des ABGB in Tirol trifft Falser hinsichtlich der Rechtsverhältnisse an den „agrarrechtlichen Gemeinschaften“ (Falser, aaO, 8) folgende Unterscheidungen: Alpweiden und Heimweiden, Wälder die „ungeteilt der Gesamtheit“ gehörten und sog. Teilwälder; bei letzteren wäre Grund und Boden der Gesamtheit der Nutzungsberechtigten zuzuordnen „oder der Gemeinde“ (Falser, aaO, 8), wobei die Weidenutzung innerhalb der Grenzen des einzelnen Teilwaldes entweder der „ganzen Gemeinde“, also auch dem Teilwaldberechtigten als Gemeindeangehörigen zustehe, oder sie gebühre bestimmten Nachbarschaften innerhalb oder außerhalb der eigenen Gemeinde (Falser, aaO, 9). Grundeigentümer sei regelmäßig eine Gesamtheit, sei sie eine aus bestimmten Höfen gebildete Nachbarschaft, sei es die ganze Gemeinde als solche, in seltenen Fällen auch mehrere Gemeinden oder eine Mehrheit von Nachbarschaften aus verschiedenen Gemeinden.

In der Folge stellt Falser seine Sichtweise der Tirolischen Forstpurifikation des Jahres 1847 dar, wobei undifferenziert die Übertragung der Wälder in das Eigentum „der Gemeinden“ unterstellt wird, insofern sie weder ausdrücklich als Staatswaldung in Vorbehalt noch unter Anerkennung der Eigentumsansprüche von Privaten „als Privatwaldungen“ erklärt worden seien. Stillschweigend wird dabei fingiert, dass die Tirolische Forsteigentumspurifikation öffentliches Eigentum der politischen Ortsgemeinden geschaffen hätte. Dies ungeachtet des Gesetzestextes sowie der durch die Purifikationskommissionen geschaffenen Eigentumstitel, welche plakativ das Generalthema dieser staatlichen Maßnahme auf jeder einzelnen Urkunde hervorheben, nämlich „Anerkennung des Privateigentums“.

„Anerkennung des Privateigentums“. Diese Formulierung wird auf den lithographierten Amtsformularien auf jeder einzelnen Urkunde im Kopf, rechts oben, geführt. Dass die eingesetzte Staatskommission in diesen lithographierten Formularien die Bezeichnung „Privatforsteigentums-Purifikations-Kommission“ trägt, sei nur am Rande erwähnt. Auch die, im Gesetz selbst direkt zum Ausdruck gebrachte historische Motivlage des Gesetzgebers, nämlich die im Verlauf der Zeit eingetretenen Verhältnisse zur gründlichen Behebung aller Verwirrung im Forstbesitze zu berücksichtigen, spricht keinesfalls dafür, dass Privateigentum zu Gunsten der erst aufgrund des prov. GemG 1849 eingerichteten heutigen politischen Ortsgemeinde anerkannt worden wäre.

Eine Eigentumszuweisung an die politische Ortsgemeinde, wie dies Falser offensichtlich unterstellt, bliebe zudem nach der historischen Rechtslage eine rein theoretische: Ausdrücklich wird zur Umsetzung des Gesetzes die „Purifikations-Kommission der Eigentumsrechte“ eingesetzt, welche die Rechtsansprüche nach den Grundsätzen des Bürgerlichen Rechtes sohin unter Einbeziehung des Eigentumstitels der Ersitzung, zu beurteilen hatte. Das bereits im sog. Gemeinderegulierungspatent von 1819 anerkannte, ersessene Privateigentum der Gemeindeglieder an den Gemeinschaftsrealitäten (§ 3 GRB 1819) hätte sohin gegen eine allfällige pauschale Zuweisung des Eigentumsrechtes an die politischen Ortsgemeinden durchgeschlagen. Die politischen Ortsgemeinden hätten aufgrund der Tatsache, dass diese sich im Jahr 1847 gerade nicht auf den Titel der Ersitzung berufen konnten, vor den Purifikationskommissionen selbst kein Eigentum purifiziert erhalten.

Unberücksichtigt dieser Umstände versteht Falser die Forstpurifikation rechtsirrig in dem Sinn, dass das Eigentum jener politischen Ortsgemeinde abgetreten wurde, „deren Angehörige bisher dort mit ihrem Bedarf eingeforstet gewesen waren“ (Falser aaO, 23). In diesem Kontext kann es nicht verwundern, wenn Falser im weiteren Verlauf seiner Abhandlung die „Holz- und Streunutzung der einzelnen als Ausfluss der Gemeindezugehörigkeit identifiziert und diese Nutzungsrechte auf § 63 TGO 1866 zurückführt. Gerade so als ob die Jahre 1849 bzw. 1866 rechtlich die Anfangspunkte der agrarischen Nutzungsrechte auf fremden Grund und Boden darstellen würden und sämtlicher forstwirtschaftlich genutzter Grund und Boden öffentliches Eigentum wäre, sei es in der Hand des Gesamtstaates in Form des Arars, sei es in der Hand der politischen Ortsgemeinden und dies, obwohl auch Falser erkennt, dass der historische Gesetzgeber die Aufgabe der Forsteigentumspurifikationskommission darin gesehen hat „die Privateigentumsansprüche“ auf Wälder, Alpen und Auen zu purifizieren“ (Falser, aaO, 26).

Dementsprechend unrichtig ist auch Falsers weitere Behauptung, dass die Forstbehörden Übergabsverhandlungen mit den politischen Ortsgemeinden gepflogen hätten. Alle im Zuge der Forstpurifikation geschlossenen Vergleichsprotokolle lassen im Gegenteil erkennen, dass „ausgeschossene Gemeindeglieder“ aufgrund von Vollmachten, erstellt auf privatrechtlicher Ebene, die Verhandlungen für die Summe der holzbezugsberechtigten Gemeindeglieder, organisiwet als „holzbezugsberechtigte Gemeinde“ geführt haben. Jene juristische Person, welcher das Privateigentum letztlich zugewiesen wurde, war deshalb eine holzbezugsberechtigte Privatfraktion bzw eine holzbezugsberechtigte Privatgemeinde – kurz eine Agrargemeinde gem § 27 ABGB.

Irgendeine strukturierte rechtliche Auseinandersetzung mit einem allfälligen Eigentumsübergang vom Eigentumsadressaten der Tirolischen Forstpurifikation des Jahres 1847 auf die politische Ortsgemeinde, gegründet auf das prov. GemG 1849 bzw. das Tirolische Ausführungsgesetz zum RGG 1862, TGO 1866, findet sich bei Falser nicht. Insbesondere verschwendet Falser keinen Gedanken an die gemäß § 26 prov. GemG 1849 bzw. § 12 TGO 1866 sowie dem Ministerialerlass vom 11.12.1850 zur Verwaltung des Gemeindeeigentums, geforderte Abgrenzung zwischen öffentlichen Gemeindezwecken gewidmetem Vermögen und solchen Vermögenschaften, welche einzelnen Gemeindegliedern oder ganzen Klassen derselben gewidmet sind. Vor diesem Hintergrund vermögen die Ausführungen von Falser – so interessant sie aus rechtshistorischer Sicht auch sein mögen – zur Lösung der heutigen Auseinandersetzung zwischen den Agrargemeinschaften und den politischen Ortsgemeinden nichts von Relevanz beizutragen.

 

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Max Paua