Category Archives: Raub am Gemeindegut

Walter Schiff: „Enteignet!“

Univ.-Prof. Dr. Walter Schiff (* 2. Juni 1866 in Wien; † 1. Juni 1950 ebenda) war ein österreichischer Statistiker, Soziologe und Politischer Ökonom. Walter Schiff besuchte die Volksschule und das Gymnasium (Staatsgymnasium IX.) in Wien und legte 1884 die Matura mit Auszeichnung ab. Er studierte im Anschluss Rechtswissenschaften an der Universität Wien und promovierte 1889 sub auspiciis Imperatoris zum Dr. jur. Zwischen 1891 und 1892 bildete er sich am Staatswissenschaftlichen Seminar der Universität Straßburg weiter. 1899 habilitierte sich Schiff in Politischer Ökonomie und Statistik an der Universität Wien, 1900 folgte die Umhabilitierung für Verwaltungs- und Rechtslehre an der Hochschule für Bodenkultur Wien. An dieser Universität habilitierte er sich 1901 für Volkswirtschaftslehre und Statistik. 1910 wurde Schiff außerordentlicher Universitätsprofessor und 1914 ordentlicher Universitätsprofessor der Politischen Ökonomie an der Universität Wien.
Univ.-Prof. Dr. Walter Schiff (* 2. Juni 1866 in Wien; † 1. Juni 1950 ebenda) war ein österreichischer Statistiker, Soziologe und Politischer Ökonom. Walter Schiff besuchte die Volksschule und das Gymnasium (Staatsgymnasium IX.) in Wien und legte 1884 die Matura mit Auszeichnung ab. Er studierte im Anschluss Rechtswissenschaften an der Universität Wien und promovierte 1889 sub auspiciis Imperatoris zum Dr. jur. Zwischen 1891 und 1892 bildete er sich am Staatswissenschaftlichen Seminar der Universität Straßburg weiter. 1899 habilitierte sich Schiff in Politischer Ökonomie und Statistik an der Universität Wien, 1900 folgte die Umhabilitierung für Verwaltungs- und Rechtslehre an der Hochschule für Bodenkultur Wien. An dieser Universität habilitierte er sich 1901 für Volkswirtschaftslehre und Statistik. 1910 wurde Schiff außerordentlicher Universitätsprofessor und 1914 ordentlicher Universitätsprofessor der Politischen Ökonomie an der Universität Wien. Er initiierte zudem 1914 öffentliche Ausspeisungen für arme Menschen, die 1918 als Wiener öffentliche Küchen fortgeführt wurden. 1928 trat er der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs bei und war ab 1934 Mitglied der zu diesem Zeitpunkt illegalen Kommunistischen Partei Österreichs. Zudem wirkte Schiff von 1930 bis 1934 als Vorsitzender des „Antikriegskomitees“ und war Zweiter Präsident des „Bundes der Freunde der Sowjetunion“. Schiff war 1933 führend im „Dimitroff-Komitee“ und für die „Rote Hilfe“ der Kommunistischen Partei aktiv. Nach der Niederschlagung des Februaraufstandes wurde Schiff 1934 aus allen beruflichen Ämtern entlassen. Schiff stellte jedoch in der Folge seine Wohnung als Treffpunkt der illegalen Kommunisten und Revolutionären Sozialisten zur Verfügung.

 

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Abstract

Walter Schiff: „Enteignet!“

Walter Schiff hat um die Wende vom 19. zum 20. Jhdt eine umfangreiche Abhandlung zum Thema „Österreichs Agrarpolitik seit der Grundentlastung“ vorgelegt. Durch diese und diverse weitere Abhandlungen zum Agrarrecht erarbeitete er sich den Ruf eines Experten auf diesem Rechtsgebiet.

Seine Thesen, wonach das Gemeinschaftseigentum der historischen „Nachbarschaften“ der modernen Ortsgemeinde zugefallen wäre, gründen jedoch nicht im Gesetzesrecht, sondern in seiner politischen Einstellung, aufgrund derer er in späteren Jahren als ein Exponent marxistischen Gedankenguts begegnet.

Walter Schiffs Thesen gründen auf politischen Wunschvorstellungen vom angeblichen Inhalt der modernen Gemeindegesetze und diese stehen im klaren Widerspruch zu den wahren Anordnungen des historischen Gemeinderechts.

Die Thesen des Walter Schiff vom Gemeinderecht als Norm zur Legalenteignung (Enteignung von Gesetzes wegen) haben später vor allem den Austromarxisten Otto Bauer und Siegberg Morscher inspiriert.

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Walter Schiff plädiert in einer agrarpolitischen Abhandlung (Österreichs Agrarpolitik seit der Grundentlastung, 1898) dafür, Eigentum, welches auch nach Schiffs Verständnis bis zur Entstehung der modernen politischen Ortsgemeinde eindeutig den Mitgliedern von Privatgemeinden, den Nachbarschaften, zustand, mit Einrichtung der neuen politischen Ortsgemeinden in deren Verfügungsbefugnis zu überstellen.

a) Den Abschnitt über die rechtliche Behandlung der agrarischen Gemeinschaften in Gesetzgebung und Praxis leitet Schiff mit der Forderung ein, das die Bereiche des Privatrechts und derjenige des öffentlichen Rechts klarer geregelt werden müssten. (Schiff, Österreichs Agrarpolitik, 186 ff). In die Sphäre des Zivilrechts würde bei allen Arten von agrarischen Gemeinschaften die Eigentumsfrage fallen; bei den genossenschaftlichen Gemeinschaften und den sog. „Gemeingründen“ zudem die Frage nach den Nutzungsrechten und diejenige nach der Verwaltung. Bei der dritte Arten der agrarischen Gemeinschaften, den „Gemeinde- und Fraktionsgütern“, sei es Sache des öffentlichen Rechts die Nutzungen und die Verwaltung zu regeln. (Schiff, aaO, 186) Schiff erörtert verschiedene Möglichkeiten der rechtlichen Einordnung, schließt jedoch mit einem resignierenden Befund: „So stößt schon die Beantwortung der primitivsten Frage, wer als Eigentümer der Gemeingründe anzusehen ist, auf große, bisher noch nicht überwundene Schwierigkeiten. Von diesem Kardinalpunkt hängt wieder die Entscheidung über eine ganze Reihe rechtlich und wirtschaftlich wichtiger Momente ab, wie: Umfang der Nutzungsrechte, Teilbarkeit, Veräußerlichkeit, Bewirtschaftung und Verwaltung des Grundstückes usw.“ Angesichts dieses von Schiff gewonnen Befundes zu den Rechtsverhältnissen an den von ihm so bezeichneten „Gemeingründen“ für die Rechtslage in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts verwundert es nicht, dass Schiff nach einem Ausweg sucht, den er nur in den „öffentlich-rechtlichen Normen über das Gemeindegut“ zu finden glaubt. (Schiff, Österreichs Agrarpolitik, 190ff)

b) Schiff kritisiert in der Folge die politischen Gemeindegesetzgebung, von der er sich eingehende Normen über die Benützung und Verwaltung der „Gemeingründe“ erwartet hätte. Einleitend formuliert er den zusammenfassenden Befund, dass weder das prov. GemG 1849, noch das RGG 1862, noch die für die einzelnen Länder in den Jahren 1863 bis 1866 erlassenen Gemeindegesetze die erwünschte Ordnung gebracht hätte. Schiff bedauert dies ausdrücklich, weil eine derartige Gelegenheit für „ein entschiedeneres Eingreifen“ des Gesetzgebers kaum je wiederkehren würde.

aa) Für Schiff erscheint die politische Gemeindegesetzgebung der Jahre 1849 – 1866 als wichtige agrarpolitische Maßnahme! Argumentativen Ansatz dazu bietet die Thematik „Aufrechterhaltung der privilegierten Nutzungen“. (Schiff, Österreichs Agrarpolitik, 191f) Ohne zu hinterfragen, ob die agrarischen Gemeinschaftsliegenschaften jemals ein wahres Eigentum der politischen Ortsgemeinden wurden, problematisiert Schiff wegen der (angeblich) radikalen Änderung der Lastenverteilung in der politischen Ortsgemeinde aufgrund des prov. GemG 1849, die Tatsache, dass bei der Benützung von Gemeindegut keine radikale Änderung vorgenommen wurde und dass die privilegierten Nutzungsrechte der größeren Besitzer perpetuiert worden seien. (Schiff, aaO, 193)
Es sei eine „Klasse von wirklich privilegierten Gemeindemitgliedern“ geschaffen worden, welche besondere Rechte ohne entsprechende Pflichten genießen würde – so Schiff. Er führt dies darauf zurück, dass das prov. GemG 1849 den Stempel der Revolution des Jahres 1848 trage, welche „keine proletarische, sondern eine bürgerliche“ Revolution gewesen wäre. Die Petitionen der Häusler, Parzellenbesitzer, Inleute auf Teilung der Gemeindegründe und ihre Forderungen auf Beteiligung am Gemeindevermögen seien ignoriert worden; ihre ökonomische Lage hätte sich durch die Verallgemeinerung der Beitragspflicht zu den Gemeindelasten „bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der privilegierten Gemeindenutzungen“ noch verschlechtert. (Schiff, Österreichs Agrarpolitik, 193) Zusammenfassend konstatiert Schiff auf Basis des prov. GemG 1849 „eine Reform des Gemeindewesens im antisozialen Sinn“.

bb) Den aufgrund des Reichsgemeindegesetzes 1862 erlassenen Gemeindeordnungen widmet Schiff besonders breiten Raum. (Schiff, Österreichs Agrarpolitik, 194) Der Anschein unmittelbarer agrarrechtlicher Relevanz wird durch die Anknüpfung bei der Nutzung des Gemeindeguts hergestellt; die Aufrechterhaltung bestehender Nutzungsberechtigungen nach der bisherigen Übung wird von Schiff kritisiert, weil im neuen Gemeinderecht alle Gemeindeglieder zur Deckung der Gemeindebedürfnisse beizutragen hätten. Erst nach einer breiten Darstellung der Rechtsverhältnisse am öffentlichen Eigentum der neuen politischen Ortsgemeinde (Schiff, aaO, 194 – 200) kommt Schiff zum Kernpunkt, nämlich der Frage „des Eigentums an den Gemeinschaftsgütern“ und der „Grenze zwischen Gemeinde- und Gemeingut“. (Schiff, aaO, 200ff) Er vertritt die These, dass zu dieser Frage sowohl im Reichsgemeindegesetze 1862 als auch in den Gemeindeordnungen der einzelnen Länder jede Bestimmung fehle: Der „Unterschied zwischen dem öffentlich-rechtlich gebundenen Gemeindeeigentum und dem rein privatrechtlichen Eigentum einer größeren Zahl von Gemeindemitgliedern (Rustikalisten u. dergl.)“ sei „zwar begrifflich scharf zu ziehen“; in der Praxis würden beide Kategorien jedoch leicht ineinander fließen. Für den Zeitraum vor dem Jahr 1849, „als die Rustikalisten mit der Gemeinde noch identisch waren“, könne nicht bezweifelt werden, dass die „gemeine Weide, der gemeine Wald wirkliches Gemeindeeigentum“ gewesen sei, nicht etwa Miteigentum der „Rustikalisten“. (Schiff, aaO 201)
Was unter „Gemeinde“ in der Zeit vor dem Jahr 1849 allerdings zu verstehen war, dazu vermeidet Schiff jede Vertiefung, auch wenn er einleitenden noch festgestellt hatte, dass in früherer Zeit „die Rustikalisten mit der Gemeinde noch identisch waren“ (Schiff, aaO, 201), womit Schiff die historische Eigentümergesellschaft für agrarische Grundstücke beschreibt, die „Gemeinde gem § 27 ABGB 1811“ – eine Erscheinung die aus heutiger Sicht am besten mit dem Begriff der „privaten Nachbarschaft“ erklärt ist.

In weiterer Folge behauptet Schiff eine Änderung der Eigentumsverhältnisse am ehemaligen Nachbarschaftsgut will folgt: Die durch das prov. GemG 1849 geschaffene und durch die späteren Gemeindeordnungen ausgestaltete politische Ortsgemeinde sei etwas wesentlich anderes, als die bis dahin vorhandenen Wirtschaftsgemeinden gewesen waren; der Personenkreis sei bedeutend erweitert, die Agenden großteils andere, ebenso die Organisation sowie die Art, in der die Bedürfnisse gedeckt worden waren. Davon ausgehend stellt sich Schiff die (rethorischen) Fragen, ob die „neue Ortsgemeinde eine Fortsetzung der privatrechtlichen Persönlichkeit der alten Gemeinde“ bilde; ob „das, was früher Eigentum der („alten“) Gemeinde, dh der Bauernschaft war, ipso iure gleichsam kraft einer gesetzlichen Universalsukzession auf die neue Gemeine“ übergehe; wenn ja, ob dies immer zutreffe oder nur unter bestimmten Voraussetzungen; wenn nicht, ob die alte, ihrer öffentlich-rechtlichen Funktionen und ihrer Organisationen entkleidete Gemeinde als eine Korporation des Zivilrechts fortlebe oder das Eigentum an dem früheren Gemeindegut den vollberechtigten Genossen zu ideellen Anteilen zustehe? (Schiff, aaO, 202)
Das prov. GemG 1849 und die späteren Gemeindegesetze hätten diese Fragen – so Schiff´s Auffassung – nicht beantwortet: Zwar lege § 63 der Ausführungsgesetze zum Reichsgemeindegesetz 1862 die Vermutung nahe, dass der Gesetzgeber die neue Gemeinde nicht nur in öffentlich-, sondern auch in zivilrechtlicher Beziehung als die Nachfolgerin der alten Gemeinde betrachtet habe. Andererseits würden §§ 11 resp. 10 bzw. 12 der Gemeindeordnungen von 1863 – 1866 ausdrücklich bestimmen, dass die privatrechtlichen Verhältnisse überhaupt und insbesondere die Eigentumsverhältnisse ganzer Klassen oder einzelner Glieder der Gemeinden ungeändert zu bleiben hätten. Schiff unterstellt in der Folge einen gesetzlichen Widerspruch zwischen § 63 der Gemeindeordnungen einerseits und den Bestimmungen der §§ 11 resp. 10 bzw. 12, der „doch wohl zugunsten der politischen Gemeinde zu entscheiden“ sei.
Schiff anerkennt deshalb die „alte Allmende“ nur dort als Privateigentum der Nachbarn, wo ein freies, uneingeschränkte Miteigentum der Nachbarn schon im Jahr 1849 bestanden hätte. Wo dagegen früher die Nachbarschaft, die Gemeindegenossenschaft usw. Eigentümerin gewesen sei, seien bereits damals die Nutzungen der einzelnen Genossen nicht Ausfluss ihres Privateigentums gewesen, sondern Folge ihrer Genosseneigenschaft, weshalb nunmehr das betreffende Gut eine Ausstattung der neuen politischen Gemeinde bilde. Lediglich die Nutzungen hätten sich nach der bisherigen Übung zu richten und würden dementsprechend in vielen Fällen ausschließlich den Stammsitzeigentümern zustehen. (Schiff, aaO, 203)

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Kritik der Thesen des Walter Schiff zur Enteignung der historischen Nachbarschaften, die auch „Gemeinde“ genannt wurden

aus:
Heinz Mayer, Politische Ortsgemeinde versus Realgemeinde: Zur Frage des Überganges des historischen Gemeindevermögens, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler, Die Agrargemeinschaften in Tirol, 187ff

Der Beginn der konstitutionellen Ära war auch die Geburtsstunde der modernen „politischen“ Gemeinde. Mit dem kaiserlichen Patent vom 17. März 1849, RGBl 170 wurde ein provisorisches Gemeinde-Gesetz erlassen. Mit diesem Gesetz wurde die Gemeinde als Schöpfung des Staatsrechtes neu geschaffen. Neuhofer schreibt zutreffend, dass mit diesem Gesetz die „Ortsgemeinde“ konstituiert wurde. Neuhofer, Handbuch 4. Brauneder, Österreichische Verfassungsgeschichte, 10. Auflage Wien 2005, 130, bezeichnet die „Gemeinden als einheitliche Lokalgewalten“ für das Land als „etwas völlig Neues“; mit „der Errichtung der Gemeinden im heutigen Österreich wird 1850 (…) begonnen“. Lehner, Österreichische Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, 4. Auflage Linz 2007, 196f; Hellbling, Österreichische Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, 2. Auflage Wien-New York 1974, 367f; Ogris, Die Entwicklung des österreichischen Gemeinderechts im 19. Jahrhundert, in: Wilhelm Rausch (Hrsg), Die Städte Mitteleuropas im 19. Jahrhundert, Linz 1983, 83ff; Rudolf Hoke, Gemeinde, in: Adalbert Erler / Ekkehard Kaufmann, Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte I, Berlin 1971, 1494ff)

Mit anderen Worten: Mit diesem Gesetz wurde nicht eine bereits bestehende juristische Person neu benannt oder umorganisiert, sondern es wurde eine neue, bis dahin noch nicht existente juristische Person geschaffen. Zutreffend schreibt Schiff, „das die moderne, durch das provisorische Gemeindegesetz geschaffene und durch die späteren Gemeindeordnungen ausgestaltete politische Ortsgemeinde etwas wesentlich anderes ist, als die bis dahin vorhandene Wirtschaftsgemeinde gewesen war“. (Schiff, Agrarpolitik 202; vgl auch Schiff, ÖstW2, 1905, 75) Schiff erkennt freilich auch sehr klar, dass damit eine entscheidende Weichenstellung verbunden ist; er formuliert im Anschluss die entscheidenden Fragen mit alternativen Antworten und sei daher wörtlich wiedergegeben: „Bildet nun die neue Ortsgemeinde eine Fortsetzung der privatrechtlichen Persönlichkeiten der alten Gemeinde? Geht das, was früher Eigentum der »Gemeinde«, d. h. der Bauernschaft, war, ipso jure, gleichsam kraft einer gesetzlichen Universalsuccession, auf die neue Gemeinde Über? Wenn ja, tritt dies immer ein oder nur unter bestimmten Voraussetzungen? Wenn nicht, lebt die alte, ihrer öffentlich-rechtlichen Funktionen und ihrer Organisation entkleidete Gemeinde als eine Korporation des Zivilrechtes fort, oder steht das Eigentum an dem früheren Gemeindegute den vollberechtigten Genossen zu ideellen Anteilen zu? Diese Fragen haben weder in dem Patente des Jahres 1849 noch in den späteren Gemeindegesetzen eine Beantwortung erfahren.“

Schiff erkennt klar, dass die historische Nachbarschaft, die sich „Gemeinde“ nannte, und die neue politische Ortsgemeinde verschiedene Rechtssubjekte darstellen. Und er erkennt, dass sich aus dieser Verschiedenheit der Rechtssubjekte die Frage der Rechtsnachfolge stellt und formuliert dies so: „Da erhebt sich denn die wichtige Frage, ob diese neue Ortsgemeinde die privatrechtl. Persönlichkeit der alten Gemeinde fortsetzt, ob das frühere Eigentum der ‚Gemeinde’, dh der Bauernschaft, ispo jure, gleichsam kraft einer gesetzl. Universalsuccession, auf die neue Gemeinde übergeht?“ (Schiff, ÖStW2, 1905 75)
So klar Schiff die entscheidenden Fragen erfasst und formuliert, so unsicher erfolgt ihre Beantwortung; hier scheinen die Auseinandersetzungen der damaligen Zeit, die man grob als Machtkämpfe zwischen der Bauernschaft und der Obrigkeit definieren kann, Spuren im rechtlichen Denken hinterlassen zu haben. Wenn Schiff meint, dass weder das provisorische Gemeindegesetz 1849 noch die späteren Gemeindegesetze die aufgeworfenen Fragen „direkt“ beantworten und eine Gesetzeswidersprüchlichkeit behauptet (Schiff, ÖStW2 (1905) 75), so ist dies – betrachtet man die einschlägigen Vorschriften nüchtern und mit der gebotenen Distanz – unzutreffend.

Zunächst muss man davon ausgehen, dass eine Rechtsnachfolge nur dann angenommen werden kann, wenn es eine positivrechtliche Anordnung gibt, die diese Rechtsnachfolge anordnet. Rechte gehen nicht „schleichend“ oder „stillschweigend“ von einem Rechtssubjekt auf ein anderes über sondern nur dann und nur insoweit, als dies positivrechtlich bestimmt ist. Dies erkennt auch Schiff, wenn er die Möglichkeit „einer gesetzl. Universalsuccession“ in Erwägung zieht (Schiff, ÖStW2 (1905) 75). Eine solche positivrechtliche Anordnung, die einen Eigentumsübergang normiert, existiert jedoch nicht; das Gegenteil ist der Fall: § 26 der provisorischen Gemeindeordnung 1849 bestimmt klar und deutlich: „Die privatrechtlichen Verhältnisse überhaupt und insbesondere die Eigenthums- und Nutzungsrechte ganzer Classen oder einzelner Glieder der Gemeinde bleiben ungeändert.“
Die Bestimmung ist eindeutig: Eine Änderung privatrechtlicher Verhältnisse wird durch das Inkrafttreten der provisorischen Gemeindeordnung nicht bewirkt und war vom Gesetzgeber auch nicht beabsichtigt. Dies bedeutet aber, dass es auch keine Rechtsnachfolge gibt. Dazu kommt, dass eine solche Rechtsnachfolge eine Enteignung bedeuten würde,) weil ja die juristische Person der Gemeinde nach bürgerlichem Recht fortbesteht. (Zu Recht spricht bereits Swieceny, aaO, Österreichische Zeitschrift für Innere Verwaltung, 1858, 348, im Zusammenhang mit der Beseitigung des Eigentums „der Altberechtigten“, davon, dass dies einer Expropriation gleichkommen würde, „die sich nur dann rechtfertigen ließe, wenn derselben eine Entschädigung der Altberechtigten zur Seite ginge“; Vgl bereits Adamovich, Handbuch des Österr. Verwaltungsrechts II5 (1953), 108, wonach die aufgrund des RGG 1862 ergangenen Landes-Gemeindeordnungen das sog. „Gemeindesondergut“ überall bestehen ließen. Dieses sei historisch auf die Allmende zurückzuführen, deren Boden im Gesamteigentum der Markgenossen stand; so auch Veiter, Die Rechtsstellung der Ortschaft (Gemeindefraktion), ZÖR NF, 1957/1958, 488).
Es ist keine Norm ersichtlich, die eine Existenzbeendigung der historischen Nachbarschaften anordnet oder die in diesem Sinn deutbar wäre. Für Enteignung bestimmt aber schon damals § 365 ABGB nicht nur das Erfordernis des „allgemeinen Besten“ sondern auch „angemessene Schadloshaltung“. Nach dem klaren Wortlaut des § 26 der provisorischen Gemeindeordnung ist daher ein Eigentumsübergang von den Gemeinden nach bürgerlichem Recht auf die neu geschaffene politische Ortsgemeinde moderner Prägung auszuschließen. Aufrecht blieben freilich auch alle Nutzungsbefugnisse, Bezugsrechte etc.

Gegen diese Auffassung wird eingewendet, dass das provisorische Gemeindegesetz auch anordne, dass die Gemeindeangehörigen ein Recht „auf die Benützung des Gemeindegutes nach den bestehenden Einrichtungen“ haben (§ 22 Z 2 prov GemG 1849). Schiff sieht darin eine „Antinomie“ und äußert Zweifel, ob dem Gesetzgeber bewusst gewesen ist, welches Schicksal das Eigentum der früheren Gemeindegenossenschaft erfährt. (Schiff, ÖStW2 (1905) 75f)

Letzteres kann hier offen bleiben, weil Nachforschungen über das „Bewusstsein“ des Gesetzgebers des provisorischen Gemeindegesetzes 1849 letztlich wohl nur zu spekulativen Einsichten führen können. Eine solche Nachforschung ist aber auch deshalb entbehrlich, weil eine „Antinomie“ – dh: ein Widerspruch – nicht besteht. Denn die Anordnung des § 26, der eine Änderung privatrechtlicher Verhältnisse durch das provisorische Gemeindegesetz dezidiert ausschließt, bedeutet nicht, dass es kein Gemeindegut geben könne. Selbstverständlich ist es der Gemeinde gestattet, Vermögen zu erwerben und über dieses zu verfügen. Durch § 26 ist lediglich eine enteignungsgleiche Rechtsnachfolge unmittelbar durch das provisorische Gemeindegesetz ausgeschlossen.
Für eine Auffassung, nach der das provisorische Gemeindegesetz – gleichsam stillschweigend „mitbedacht“ – eine Enteignung anordne, findet sich im Gesetz kein Anhaltspunkt; eine solche Auffassung ist auch deshalb als verfehlt abzulehnen, weil Enteignungen schon durch § 365 ABGB als eine gewisse Besonderheit und als Ausnahme qualifiziert werden. („Äußerster Grenzfall“: Spielbüchler in Rummel3, § 365 Rz 1) Dass der Gesetzgeber des provisorischen Gemeindegesetzes 1849 eine so wichtige und bedeutende Frage nur implizit oder stillschweigend geregelt hätte, ist auszuschließen.

An dieser Situation hat auch die nachfolgende Gemeindegesetzgebung nichts geändert. Das, nach mehreren Anläufen zu einer Reform, schließlich im Jahre 1862 erlassene Gesetz vom 5. März 1862, RGBl 1862/18, brachte „grundsätzliche Bestimmungen zur Regelung des Gemeindewesens“; diese Grundsatzbestimmungen wurden in den folgenden Jahren durch Landesgesetze ausgeführt. Das Gesetz für die „gefürstete Grafschaft Tirol“ vom 9. Jänner 1866 enthielt im § 12 eine, dem § 26 provisorischen Gemeindegesetz gleichlautende Regelung und schloss damit ebenfalls einen ex lege Wechsel des Eigentümers aus.

Dass das prov GemG 1849 jede Äußerung zu Vorgängereinrichtungen der politischen Ortsgemeinden schuldig bleibt, darf bei der Vielzahl von theoretisch möglichen Rechtsverhältnissen in den lokalen Siedlungsverbänden des gesamten Kaisertums Österreich nicht verwundern. (Zur Vielfalt an öffentlichen und privaten „Gemeindeverhältnissen“ in der Zeit vor Inkraftsetzung provisorischen Gemeindegesetz: Swieceny, aaO, 194, welcher für Niederösterreich („Erzherzogthum Österreich unter der Enns) landesfürstliche Gemeinden, freie Gemeinden und untertänige Gemeinden unterscheidet, die neben Pfarrgemeinden, Schulgemeinden und Katastralgemeinden bestanden haben; vgl auch Beimrohr, Die ländliche Gemeinde in Tirol aus rechtsgeschichtlicher Perspektive, Tiroler Heimat 2008, 161 ff). „Gemeinden“ als Zusammenschlüsse der Mitglieder des lokalen Siedlungsverbandes existierten auch in der ersten Hälfte des 19. Jhdts in unterschiedlichsten Varianten und verschiedener Ausprägung, teilweise nach wie vor ausschließlich als Privatgesellschaft der jeweiligen Nachbarn. Eine Auseinandersetzung mit diesen Einrichtungen erschien dem Gesetzgeber des prov GemG 1849 offensichtlich nicht notwendig, was der Neuartigkeit der 1849 geschaffenen politischen Ortsgemeinde durchaus gerecht wird. Dies gilt auch für das Verhältnis zu den in Tirol seit 1819 bestehenden Gemeinden auf Grundlage des GRP 1819.

Was für die politische Ortsgemeinde als Ganzes gilt, gilt auch für allfällige Bestandteile derselben, Fraktionen gem § 5 prov GemG 1849. Ein Übergang von Privatvermögen auf politische Ortsfraktionen hat von Gesetzes wegen nicht stattgefunden.

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MP

Stephan von Falser: „Geschenkt!“

abs. iur. Stephan Ritter von Falser (*30.08.1855 in Innsbruck; † 19.03.1944 in Innsbruck) war um die Jahrhundertwende einer der einflussreichsten Tiroler Juristen. Beruflicher Werdegang: Tätigkeit bei Zivilgerichten in Tirol und Vorarlberg 1878–1900, Mitglied des Verwaltungsgerichtshofes 1902, zuletzt Senatspräsident 1912–1918, Mitglied des Staatsgerichtshofes 1917–1920, Mitglied des Verfassungsgerichtshofes 1922–1930, juridischer Beirat der Landeshauptmannschaft in Innsbruck. Bildungsweg: Volksschule, Gymnasium (Matura 1874), Studium der Rechte an der Universität Innsbruck (abs. iur. 1878). Politische Mandate: Mitglied des Bundesrates, CSP 01.12.1920 – 25.06.1926. Stephan Ritter von Falser beeinflusste mit seiner 1896 veröffentlichten Schrift „Wald und Weide im Tirolischen Grundbuch“ und durch seine Expertise als ausgewiesener Fachmann und (damals) Richter des Oberlandesgerichts Innsbruck maßgeblich die Tiroler Grundbuchanlegung bzw die gesetzliche Grundlagen dazu (Gesetz vom 17. März 1897, L.-G.-Bl. Nr. 9, betreffend die Anlegung von Grundbüchern und die innere Einrichtung derselben, als G.-A.-L.-G. (Grundbuchsanlegungslandesgesetz) sowie DurchführungsVO zur Grundbuchanlegung LGuVOBl Tirol 1898/9 vom 10. April 1898 , Tiroler DVO-GBA 10.4.1898 samt zahlreichen Zirkularen und Anweisungen des Oberlandesgerichts Innsbruck).
abs. iur. Stephan Ritter von Falser (*30.08.1855 in Innsbruck; † 19.03.1944 in Innsbruck) war um die Jahrhundertwende einer der einflussreichsten Tiroler Juristen.
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Beruflicher Werdegang: Tätigkeit bei Zivilgerichten in Tirol und Vorarlberg 1878–1900, Mitglied des Verwaltungsgerichtshofes 1902, zuletzt Senatspräsident 1912–1918, Mitglied des Staatsgerichtshofes 1917–1920, Mitglied des Verfassungsgerichtshofes 1922–1930, juridischer Beirat der Landeshauptmannschaft in Innsbruck. Bildungsweg: Volksschule, Gymnasium (Matura 1874), Studium der Rechte an der Universität Innsbruck (abs. iur. 1878). Politische Mandate: Mitglied des Bundesrates, CSP 01.12.1920 – 25.06.1926.
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Stephan Ritter von Falser beeinflusste mit seiner 1896 veröffentlichten Schrift „Wald und Weide im Tirolischen Grundbuch“ und durch seine Expertise als ausgewiesener Fachmann und (damals) Richter des Oberlandesgerichts Innsbruck maßgeblich die Tiroler Grundbuchanlegung bzw die gesetzliche Grundlagen dazu (Gesetz vom 17. März 1897, L.-G.-Bl. Nr. 9, betreffend die Anlegung von Grundbüchern und die innere Einrichtung derselben, als G.-A.-L.-G. (Grundbuchsanlegungslandesgesetz) sowie DurchführungsVO zur Grundbuchanlegung LGuVOBl Tirol 1898/9 vom 10. April 1898 , Tiroler DVO-GBA 10.4.1898 samt zahlreichen Zirkularen und Anweisungen des Oberlandesgerichts Innsbruck).


In Tirol hatte sich eine eigenständige Legende herausgebildet, wie die politischen Ortsgemeinden Eigentümer der Gemeinschaftsliegenschaften geworden seien: Der Landesfürst hätte die politischen Ortsgemeinden mit dem Eigentum beschenkt! Urheber dieser Legende war ein Mitglieed des niederen Tiroler Adels, Stephan Ritter von Falser, ein angesehener Richter des Oberlandesgerichts Innsbruck.

Stephan von Falser hat das absehbare Ende des Tiroler Verfachbuchsystems (mehr dazu), für eine juristische Pionierarbeit genutzt: Er hat die verworrenen Rechtsverhältnisse an Wald und Weide in Tirol in einem eigenen Büchlein erörtert. (Stephan von Falser, Wald und Weide im tirolischen Grundbuch, Innsbruck 1896, 48 Seiten). Pech für die bäuerlichen Hofbesitzer: Als verarmter Adeliger mit Jus-Studium im Richterstand hatte Stefan Ritter von Falser nichts übrig für ein Bauerneigentum. (siehe auch: Der Gemeindeliebhaber)

Möglicher Weise erschien Stefan Ritter von Falser die Grundentlastung als ein historischer Fehler! Die Tiroler „Almendentlastung“, wo die Hofbesitzer sich mit dem Landesfürsten verglichen hatten und ihre Nutzungsrechte gegen Eigentumsrecht abgetauscht haben (mehr dazu), wollte Stephan Ritter von Falser jedenfalls gründlich korrigieren. In seinem Büchlein „Wald und Weide im tirolischen Grundbuch, Innsbruck 1896“ stellte Stephan von Falser die These auf, dass der Tiroler Landesfürst im Zuge der Tiroler Forstregulierung 1947 sein Obereigentum an den Tiroler Allmenden, an den Gemeinschaftsforsten und Gemeinschaftsweiden, wenn schon nicht dem Tiroler Adel, so doch den neuen politischen Ortsgemeinden geschenkt hätte. Hunderte Rechtsakte, insbesondere rund 250 Servitutenablösungsvergleiche, die aus der Tiroler Forstregulierung 1847 hervor gegangen waren (ausführlich dazu), wurden von ihm schlicht ignoriert.

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Die Tiroler hatten sich bekanntlich sehr lange dagegen gesträubt, das nötige Landesgesetz zur Einführung des modernen Grundbuchsystems zu beschließen. Bereits mit 15. 2. 1872 war das Allgemeinen Grundbuchgesetz (RGBl 1871/95) in Kraft getreten; erst 25 Jahre später, nämlich am 24. März 1897 trat das Landesgesetz zur Tiroler Grundbuchanlegung in Kraft (mehr dazu). Diese lange Übergangszeit hatte Stephan Ritter von Falser, damals Richter am Oberlandesgericht Innsbruck, genutzt, um eine Abhandlung zur grundbücherlichen Behandlung von Wald und Weide im Tirolischen Grundbuch zu verfassen, die 1896 veröffentlicht wurde.

Darin stellte Stephan von Falser unter anderem die These auf, dass der Tiroler Landesfürst im Zuge der Tiroler Forstregulierung 1947 sein Obereigentum an den Tiroler Allmenden, an den Gemeinschaftsforsten und Gemeinschaftsweiden, den neuen politischen Ortsgemeinden geschenkt hätte. Falser wörtlich: „Ein weiser Entschluss des Landesfürsten war es wieder, welcher das ihm von seinen Räten aufgenötigte allgemeine Waldeigentum an die natürlichste und ursprünglichste öffentlich-rechtliche Vereinigung der Volksgenossen, an die Gemeinde, zurückgab.“ (zum Gemeindebegriff in der Tiroler Forstregulierung)

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Diese offenkundig unrichtige Beurteilung der Tiroler Forstregulierung 1847 kombinierte Falser mit der falschen Behauptung, dass ein Eigentum an einem Wald- oder Weidestück nur ersessen werden können, wenn selbiges für die Dauer der Ersitzungszeit allseitig eingezäunt war. Dabei hatte Falser nicht übersehen, dass nur (!) die Hofbesitzer die Gemeinschaftsliegenschaften genutzt hatten. Eine Nutzung ausschließlich durch einen bestimmten Personenkreis im guten Glauben hätte jedenfalls Ersitzung durch diesen Personenkreis als Nachbarschaft (= „Agrargemeinschaft“) zur Folge. Falser verweigert jedoch den Hofbesitzern das Recht auf Ersitzung ausdrücklich; dies mit krauser Begründung.

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Natürlich ist Falsers These, dass eine Liegenschaft allseitig umzäunt sein müsse, damit eine Ersitzung Platz greifen könne, unrichtig. Maßgeblich ist vielmehr die tatsächliche Nutzung im guten Glauben. Falser behauptete jedoch selbst für aufgeteiltes Waldvermögen, das bereits in den 1850er Jahren im Franziszeischen Grundstückkataster als Eigentum einzelner Hofbesitzer registriert worden war, ein Gemeindeeigentum.

Die Eintragung der einzelnen Waldparzellen im so genannten Franziszeischen Grundstückkataster als Einzeleigentum des jeweiligen Hofbesitzers wurde von Falser für irrelevant hingestellt. Falser: „Bei diesen Waldungen werden sich die meisten Schwierigkeiten ergeben, auf welche schon früher hingewiesen worden ist. Entschieden unrichtig und zu nicht wünschenswerten Ergebnissen führend wäre die Behandlung aller dieser Wälder als Eigentumsliegenschaften derjenigen Personen, die welche darin auf Grund alter Theillibelle oder alten Herkommens das ausschließliche Einforstungsrecht genießen und denen diese Waldungen größtenteils, ja fast ausnahmslos im Besitzbogen [als Eigentum] zugeschrieben sind.“ Falser weiter: „Als Grundeigentümer solcher verteilter Gemeindewaldungen wird regelmäßig die Gemeinde selbst nach Maßgabe der Waldzuweisungsurkunde (Forsteigentumspurifikationsurkunde) zu betrachten und einzutragen sein, …“.

Dabei hatte Falser nicht übersehen, dass nur (!) die Hofbesitzer die Gemeinschaftsliegenschaften genutzt hatten. Vielmehr verweigert Falser den Hofbesitzern das Recht auf Ersitzung ausdrücklich mit krauser Begründung : Falsers Lösung für den Ausschluss des Rechts auf Ersitzung: Es „dürfen die Nutzungen geschlossener Höfe an unverteilten Gemeindewaldungen nicht in das Grundbuch eingetragen werden, weil sich dieselben, solange der Wald unverteilt ist, nicht als dingliche Rechte am Waldboden darstellen, sondern lediglich als ein zeitweilig und bis auf Widerruf geübtes ausdrückliches oder stillschweigendes Übereinkommen der Gemeindemitglieder aufgefasst werden müssen, ihr Gemeindevermögen in der Weise zur Nutzung zu bringen, dass jedes Gemeindemitglied nach Anweisung der Gemeinde den/dasselbe betreffende Theil des Bodenertrages selbst bezieht und vor allem durch eigene Arbeite gewinnt.“

Richtiger Weise hätte Falser in all diesen Fällen ein ersessenes Waldeigentum erkennen müssen. Wer in den 1850er Jahren bereits im Grundstückskataster als Eigentümer erfasst worden war, hatte jedenfalls durch die hinzugetretene ausschließliche Nutzung während der folgenden 40 Jahre aus dem Rechtstitel der Ersitzung ein wahres Eigentum erworben!

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Die Irrlehren des Stephan Ritter von Falser fanden Eingang in die Tiroler Durchführungsverordnung zum Grundbuchanlegungsgesetz vom 10.4.1898 (Tiroler DVOGBA). Von zwei Paragrafen zur Marginalrubik „Erhebung der Eigentumsrechte“ §§ 33f, widmet sich § 34 DVOGBA ausschließlich dem Gemeinschaftseigentum. An prominenter Stelle wird dort betont, dass zwischen „bloßen Nutzungsrechten am Gemeindegute und Eigentumsrechten“ sorgsam (!) zu unterscheiden sei. In allen Zweifelsfällen haben die Grundbuchjuristen deshalb ein Eigentum der Ortsgemeinde angenommen. Dies umso mehr, als ein Flurverfassungsrecht, nach welchem Agrargemeinschaften konstituiert werden hätten können, damals in Tirol nicht existiert hatte. (mehr dazu)

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All das ist vor dem Hintergrund der „Hauptthese“ des Stephan von Falser zu lesen, wonach die Tiroler Forstregulierung 1847 der Sache nach eine Schenkung an die jeweilige Ortsgemeinde war. Die Ortsgemeinde sei demnach Eigentümerin der ehemals landesfürstlichen Wälder geworden; die historischen Holzbezugsrechte der Hofbesitzer auf landesfürstlichem Eigentum seien dadurch in „Gemeindegutsnutzungen“ verwandelt worden.

Wenn deshalb die Durchführungsverordnung zum Grundbuchanlegungsgesetz in der nächstfolgenden Marginalrubrik, die von der Erhebung der „Rechte an fremden Liegenschaften“ handelt (§§ 35 bis 37 DVOGBA) gleich drei Absätze der „Gemeindegutsnutzung“ widmet (§ 37 Abs 1 bis 3 DVOGBA), dann wird nachvollziehbar, warum in zahllosen Fällen die Unkenntnis der Hofbesitzer und ihr Selbstverständnis als „Gemeinde“ in eine Registrierung der „Gemeinde“ als Eigentümerin mündeten, obwohl der Sache nach eine Nachbarschaft (= Agrargemeinschaft) vorgelegen hat.

Gleich einleitend wird in § 37 Abs 1 DVOGBA das „Gemeindegut“ dadurch besonders motiviert, dass Rechte daran dem Grundsatz nach nicht im öffentlichen Buch vermerkt werden müssten, weil diese im öffentlichen Recht gründen würden. „Nur wenn das Nutzungsrecht eines Hofes soweit entwickelt ist, dass es nicht mehr durch eine einseitige Verfügung der Gemeinde abgeändert werden“ könne, sei es „als ein Privatrecht und daher als eine Servitut zu beurteilen.“ Die DVOGBA weiter: „Hierher gehören insbesondere jene Fälle, in welchen ein Gemeindegrundstück der Nutzung nach dauernd an einzelne Höfe verteilt worden ist (zB die sogenannten Teilwälder). Solche Grundstücke seien im Kataster häufig als Eigentum der Nutzungsberechtigten eingetragen, müssten aber selbstverständlich (!) bei der Grundbuchsanlegung als Eigentum der Gemeinde bzw. der Teilgemeinde behandelt werden und ist für die nutzungsberechtigten Höfe lediglich die entsprechende Dienstbarkeit zu erheben und einzutragen.“

Wen wundert es, dass bei solchen Vorgaben für die Grundbuchbeamten zahllose Nachbarschaftsgründe als ein Gemeindeeigentum angeschrieben wurden. Wer will schon im Dutzend und mehr Servituten der Nachbarn einverleiben? Wer will schon im Dutzend und mehr die Nachbarn als Miteigentümer im Grundbuch eintragen? Wenn der Grundbuchjurist dir Agrargemeinschaft als solche nicht als anerkannte juristische Organisationsform wahrgenommen hatte, waren die Alternativen „mühsam“: Hätte er auf Miteigentum erkannt, hätte er Miteigentumsquoten erheben müssen; hätte er auf Servituten auf Gemeindeeigentum erkannt, hätte er immerhin den Inhalt und den Umfang des Rechts und die jeweils herrschende Liegenschaft erfassen müssen.

Was lag näher, als ein Gemeindeeigentum und Gemeindegutsnutzungen zu unterstellen. Stephan von Falser, Richter des Oberlandesgerichts, sei für die Arbeitserleichterung für die Grundbuchanlegungskommissare herzlich gedankt!

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Falser hat in den wesentlichen Fragen der Gemeinschaftsliegenschaften gegen das bäuerliche Gemeinschaftseigentum argumentiert. Zweifelsohne hatte er mit seiner Expertise auch die Durchführungsverordnung zum Grundbuchanlegungsgesetz vom 10.4.1898 (Tiroler DVOGBA) gravierend zum Nachteil des bäuerlichen Gemeinschaftseigentums beeinflusst. Schließlich darf sein faktischer Einfluss kraft seines Amtes als Richter der Oberlandesgerichts Innsbruck nicht unterschätzt werden.

Im Blick auf die Komplexität der Sach- und Rechtslage bei den Tiroler Gemeinschaftsliegenschaften und eine Rechtsentwicklung, die sich über Jahrhunderte erstreckte, darf es nicht verwundern, dass die von Falser behauptete Rechtslage von der Richterschaft, welche die Grundbuchanlegung vollzogen und überwacht hat, widerspruchslos übernommen wurde.

Korrigiert wurde Stefan Ritter von Falser am Ende des Tages von der Landespolitik (mehr dazu): Bereits im Jahr 1900 entschied der Tiroler Landtag, dass die Nutzungsrechte der Hofbesitzer auch als Servituten auf „Gemeindeeigentum“ eingetragen werden können. Im Jahr 1910  wurde vom Tiroler Landtag ein Gesetz geschaffen, welches den politischen Ortsgemeinden erlaubte, von sich aus das Invidualeigentum der Hofbesitzer anzuerkennen (mehr dazu). Ab dem Jahr 1911 haben schließlich die Agrarbehörden die Rechtsverhältnise in Einzelfallentscheidungen aufgearbeitet und Agrargemeinschaften oder Einzeleigentum festgestellt. (mehr dazu)

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Stephan von Falser: „Wenn beim Sondereigentum das gerichtliche Verfachbuch – abgesehen von den Urkunden der siegelmäßigen Parteien – ein wenn auch unvollkommenes öffentliches, das heißt für jedermann zugängliches Buch war, versagte dieses Buch regelmäßig jede Auskunft, wenn es jemandem in den Sinn kam, daraus Belehrung über das Gemeinschaftseigentum von bäuerlichen Nachbarschaften, Alpgenossenschaften oder Weiden zu suchen. Dieser Zustand hat sich bis in die Gegenwart erhalten, erst die zweite Hälfte des laufenden Jahrhunderts brachte diesbezüglich eine Besserung, indem infolge der Errichtung von Waldzuweisungsurkunden (in den Jahren 1848 bis 1854) und infolge der Grundlasten-Ablösung und Regulierung ausgedehnter Gemeinschaftsbesitz (vielfach zum ersten Mal) in das Verfachbuch gekommen ist (Falser, Seite 5).

Immerhin weist das tirolische Verfachbuch in dieser Richtung auch jetzt noch große Lücken auf. Das Grundbuch verträgt eine solche Lückenhaftigkeit nicht: Seine Grundlage ist das Grundsteuerkataster, sodass der ganze Grund und Boden in seiner gegenwärtigen Parzellierung in das Grundbuch kommen soll. Auf diese Weise wird bei Einführung des Grundbuchs in Tirol für zahlreichen, weit ausgedehnten und wertvollen Gemeinschaftsbesitz eine Grundbuchseinlage eröffnet werden müssen, ohne dass man von demselben im bisherigen Verfachbuche eine Spur entdecken könnte; es hatte sich eben noch nie der Anlass ergeben oder – falls ein solcher vorgelegen hatte – war er nicht benützt worden, um über die an solchem Gemeinschaftsbesitze bestehenden Rechtsverhältnisse verfachbücherliche Urkunden zu errichten (Falser, Seite 5).

Es ist schon mehrmals die Frage untersucht worden, wie die vielfach bestehenden agrarischen Gemeinschaften (Altgenossenschaften, Waldgenossenschaften, Nachbarschaftsweiden und Ähnliches) bei der Grundbuchsanlegung und –führung zu behandeln seien, um einerseits den Vorschriften des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches und des Grundbuchsgesetzes gerecht zu werden, andererseits aber auch Gebilde zu schaffen, welche dem Bewusstsein der Bevölkerung und den Bedürfnissen der Landwirtschaft entgegenkommen (Falser, Seite 5f).

In Tirol hindert kein falscher Bucheintrag die richtige rechtliche Behandlung der in das Wirtschaftsleben der bäuerlichen Bevölkerung tief eingreifenden, verschiedenartigen Nutzungsrechte an Weide und Wald, insbesondere die mancherlei gemeinschaftlichen Besitz- und Benützungsrechte daran, weil mit der Einführung des Grundbuches ein ganz neues öffentliches Buch geschaffen wird, ohne Zusammenhang mit dem alten Verfachbuche (Seite 6).

Falser stellte an die Spitze seines geschichtlichen Rückblicks die zweifellos richtige Feststellung, dass die gefürstete Grafschaft Tirol bis zur Einführung des ABGB ein eigenes Rechtsgebiet bildete, in welches die römisch-rechtliche Auffassungsweise nur unvollständig eindringen konnte. Als Besonderheit hob Falser hervor, dass sich in Tirol immer ein fast freier Bauerstand gehalten hatte, welcher seine Rechte gegenüber dem Adel und der grundbesitzenden Geistlichkeit zu wahren verstand (Falser, aaO, 7).

Für den Zeitraum vor Inkrafttreten des ABGB in Tirol trifft Falser hinsichtlich der Rechtsverhältnisse an den „agrarrechtlichen Gemeinschaften“ (Falser, aaO, 8) folgende Unterscheidungen: Alpweiden und Heimweiden, Wälder die „ungeteilt der Gesamtheit“ gehörten und sog. Teilwälder; bei letzteren wäre Grund und Boden der Gesamtheit der Nutzungsberechtigten zuzuordnen „oder der Gemeinde“ (Falser, aaO, 8), wobei die Weidenutzung innerhalb der Grenzen des einzelnen Teilwaldes entweder der „ganzen Gemeinde“, also auch dem Teilwaldberechtigten als Gemeindeangehörigen zustehe, oder sie gebühre bestimmten Nachbarschaften innerhalb oder außerhalb der eigenen Gemeinde (Falser, aaO, 9). Grundeigentümer sei regelmäßig eine Gesamtheit, sei sie eine aus bestimmten Höfen gebildete Nachbarschaft, sei es die ganze Gemeinde als solche, in seltenen Fällen auch mehrere Gemeinden oder eine Mehrheit von Nachbarschaften aus verschiedenen Gemeinden.

In der Folge stellt Falser seine Sichtweise der Tirolischen Forstpurifikation des Jahres 1847 dar, wobei undifferenziert die Übertragung der Wälder in das Eigentum „der Gemeinden“ unterstellt wird, insofern sie weder ausdrücklich als Staatswaldung in Vorbehalt noch unter Anerkennung der Eigentumsansprüche von Privaten „als Privatwaldungen“ erklärt worden seien. Stillschweigend wird dabei fingiert, dass die Tirolische Forsteigentumspurifikation öffentliches Eigentum der politischen Ortsgemeinden geschaffen hätte. Dies ungeachtet des Gesetzestextes sowie der durch die Purifikationskommissionen geschaffenen Eigentumstitel, welche plakativ das Generalthema dieser staatlichen Maßnahme auf jeder einzelnen Urkunde hervorheben, nämlich „Anerkennung des Privateigentums“.

„Anerkennung des Privateigentums“. Diese Formulierung wird auf den lithographierten Amtsformularien auf jeder einzelnen Urkunde im Kopf, rechts oben, geführt. Dass die eingesetzte Staatskommission in diesen lithographierten Formularien die Bezeichnung „Privatforsteigentums-Purifikations-Kommission“ trägt, sei nur am Rande erwähnt. Auch die, im Gesetz selbst direkt zum Ausdruck gebrachte historische Motivlage des Gesetzgebers, nämlich die im Verlauf der Zeit eingetretenen Verhältnisse zur gründlichen Behebung aller Verwirrung im Forstbesitze zu berücksichtigen, spricht keinesfalls dafür, dass Privateigentum zu Gunsten der erst aufgrund des prov. GemG 1849 eingerichteten heutigen politischen Ortsgemeinde anerkannt worden wäre.

Eine Eigentumszuweisung an die politische Ortsgemeinde, wie dies Falser offensichtlich unterstellt, bliebe zudem nach der historischen Rechtslage eine rein theoretische: Ausdrücklich wird zur Umsetzung des Gesetzes die „Purifikations-Kommission der Eigentumsrechte“ eingesetzt, welche die Rechtsansprüche nach den Grundsätzen des Bürgerlichen Rechtes sohin unter Einbeziehung des Eigentumstitels der Ersitzung, zu beurteilen hatte. Das bereits im sog. Gemeinderegulierungspatent von 1819 anerkannte, ersessene Privateigentum der Gemeindeglieder an den Gemeinschaftsrealitäten (§ 3 GRB 1819) hätte sohin gegen eine allfällige pauschale Zuweisung des Eigentumsrechtes an die politischen Ortsgemeinden durchgeschlagen. Die politischen Ortsgemeinden hätten aufgrund der Tatsache, dass diese sich im Jahr 1847 gerade nicht auf den Titel der Ersitzung berufen konnten, vor den Purifikationskommissionen selbst kein Eigentum purifiziert erhalten.

Unberücksichtigt dieser Umstände versteht Falser die Forstpurifikation rechtsirrig in dem Sinn, dass das Eigentum jener politischen Ortsgemeinde abgetreten wurde, „deren Angehörige bisher dort mit ihrem Bedarf eingeforstet gewesen waren“ (Falser aaO, 23). In diesem Kontext kann es nicht verwundern, wenn Falser im weiteren Verlauf seiner Abhandlung die „Holz- und Streunutzung der einzelnen als Ausfluss der Gemeindezugehörigkeit identifiziert und diese Nutzungsrechte auf § 63 TGO 1866 zurückführt. Gerade so als ob die Jahre 1849 bzw. 1866 rechtlich die Anfangspunkte der agrarischen Nutzungsrechte auf fremden Grund und Boden darstellen würden und sämtlicher forstwirtschaftlich genutzter Grund und Boden öffentliches Eigentum wäre, sei es in der Hand des Gesamtstaates in Form des Arars, sei es in der Hand der politischen Ortsgemeinden und dies, obwohl auch Falser erkennt, dass der historische Gesetzgeber die Aufgabe der Forsteigentumspurifikationskommission darin gesehen hat „die Privateigentumsansprüche“ auf Wälder, Alpen und Auen zu purifizieren“ (Falser, aaO, 26).

Dementsprechend unrichtig ist auch Falsers weitere Behauptung, dass die Forstbehörden Übergabsverhandlungen mit den politischen Ortsgemeinden gepflogen hätten. Alle im Zuge der Forstpurifikation geschlossenen Vergleichsprotokolle lassen im Gegenteil erkennen, dass „ausgeschossene Gemeindeglieder“ aufgrund von Vollmachten, erstellt auf privatrechtlicher Ebene, die Verhandlungen für die Summe der holzbezugsberechtigten Gemeindeglieder, organisiwet als „holzbezugsberechtigte Gemeinde“ geführt haben. Jene juristische Person, welcher das Privateigentum letztlich zugewiesen wurde, war deshalb eine holzbezugsberechtigte Privatfraktion bzw eine holzbezugsberechtigte Privatgemeinde – kurz eine Agrargemeinde gem § 27 ABGB.

Irgendeine strukturierte rechtliche Auseinandersetzung mit einem allfälligen Eigentumsübergang vom Eigentumsadressaten der Tirolischen Forstpurifikation des Jahres 1847 auf die politische Ortsgemeinde, gegründet auf das prov. GemG 1849 bzw. das Tirolische Ausführungsgesetz zum RGG 1862, TGO 1866, findet sich bei Falser nicht. Insbesondere verschwendet Falser keinen Gedanken an die gemäß § 26 prov. GemG 1849 bzw. § 12 TGO 1866 sowie dem Ministerialerlass vom 11.12.1850 zur Verwaltung des Gemeindeeigentums, geforderte Abgrenzung zwischen öffentlichen Gemeindezwecken gewidmetem Vermögen und solchen Vermögenschaften, welche einzelnen Gemeindegliedern oder ganzen Klassen derselben gewidmet sind. Vor diesem Hintergrund vermögen die Ausführungen von Falser – so interessant sie aus rechtshistorischer Sicht auch sein mögen – zur Lösung der heutigen Auseinandersetzung zwischen den Agrargemeinschaften und den politischen Ortsgemeinden nichts von Relevanz beizutragen.

 

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Max Paua

 

Otto Bauer: „Geraubt!“

Dr. Otto Bauer (geboren am 5. September 1881 in Wien; gestorben am 5. Juli 1938 in Paris) war österreichischer Politiker, führender Theoretiker der Sozialdemokratie seines Heimatlandes und Begründer des Austromarxismus. Er war von 1918 bis 1934 stellvertretender Parteivorsitzender der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) und 1918 bis 1919 Außenminister der Republik Deutschösterreich. Otto Bauer war der Sohn des wohlhabenden jüdischen Textilfabrikanten Philipp Bauer, der sich zum Liberalismus bekannte. Er absolvierte die Volksschule in Wien und das Gymnasium in Wien, Meran und Reichenberg. Bauer studierte an der Universität Wien Rechtswissenschaften und promovierte 1906. Bauer sprach Englisch und Französisch und nach seiner Kriegsgefangenschaft auch Russisch. 
Otto Bauer begann 1900 sich in der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) politisch zu betätigen. Seine politischen Interessen spiegelten sich auch in seinen Studien. Neben Rechtswissenschaften, Geschichte, Sprachen und Philosophie inskribierte er auch Nationalökonomie und Soziologie. Aufmerksam wurde man auf ihn, als er 1907, erst 26 Jahre alt, das 600 Seiten starke Werk Nationalitätenfrage und Sozialdemokratie vorlegte. 
1907 errang Otto Bauer bei den Reichsratswahlen ein Mandant für die SDAP und er wurde auf Wunsch von Parteichef Victor Adler Sekretär des Klubs sozialdemokratischer Abgeordneter im Reichsrat. Daneben war er 1907 Mitgründer und bis 1914 Redaktionsleiter der sozialdemokratischen Monatsschrift Der Kampf; von 1912–1914 fungierte er auch als Redaktionsmitglied der Arbeiter-Zeitung, des Zentralorgans der Partei. Otto Bauer verfasste an die 4.000 Zeitungsartikel! 
Im November 1914 geriet Dr. Otto Bauer in russische Kriegsgefangenschaft. Im September 1917 konnte als „Austauschinvalide“ nach Wien zurückkehren. In Russland war er zum überzeugten Anhänger des „marxistischen Zentrums“ geworden. Nach dem Ableben Victor Adlers im November 1918 holte man Bauer ins Führungsgremium der SDAP. Otto Bauer wurde im November 1918 Nachfolger des ersten Ministers im Außenamt Viktor Adler. Im März 1919 wurde er wurde von der Nationalversammlung zum Leiter des Außenamtes der Staatsregierung Renner II gewählt. Wegen der Unmöglichkeit „Deutschösterreich“ an Deutschland anzuschließen, beendete Otto Bauer am 26. Juli 1919 seine Karriere als Regierungsmitglied. 
Bauer war (bis 1934) als Abgeordneter und von März bis Oktober 1919 mit Ignaz Seipel in der vom Parlament eingesetzten „Sozialisierungskommission“ tätig. Gemeinsam mit den Führern der Arbeiter- und Soldatenräte, Friedrich Adler und Julius Deutsch, gelang es Bauer, die Arbeiterschaft auf Parteilinie zu halten und die beiden Putschversuche der Kommunisten (12. November 1918 und 14. Juni 1919) im Keim zu ersticken. 
1926 beschloss die SDAP ihr Linzer Programm, das die Handschrift Otto Bauers zeigte. Bauer lehnte mit Zustimmung von Seitz und Renner 1931 und 1932 Koalitionsangebote der Bundeskanzler Ignaz Seipel und Engelbert Dollfuß (CS) ab. Im Mai 1933 erklärte Bauer bei einer Parteiversammlung, die Gefahr Habsburg sei keineswegs geringer als die Gefahr Hitler. 
Die Februarkämpfe 1934 trieben Bauer in das Exil nach Brünn; er gab bekannt, nur mehr als Berater, Publizist und Verwalter der geretteten Parteigelder zur Verfügung stehen, ohne Führungspositionen zu übernehmen. Im Jahr 1938 emigrierte Bauer nach Brüssel bzw Paris. Otto Bauer war prominentes Mitglied und Herausgeber der Zeitung Der sozialistische Kampf. Bauer, der der Entwicklung seit Bismarck zum Trotz von Deutschland als Hort des Geistes und des Fortschritts schwärmte, sprach sich in seinem 1938 in Paris verfassten politischen Testament neuerlich für die gesamtdeutsche Revolution (inklusive Österreich) aus, weil er die sozialistische Revolution in Österreich allein nicht für durchsetzbar hielt. Die Erklärung Renners für den Anschluss 1938 hielt er für richtig. Bauer hat sich immer als Deutscher betrachtet und gefühlt. 
Am 5. Juli 1938 erlag Otto Bauer in Paris einem Herzinfarkt. Er wurde auf dem Friedhof Père Lachaise gegenüber dem Denkmal für die Kämpfer der Pariser Kommune von 1871 beigesetzt. 1948 wurde seine Urne nach Wien gebracht und am 12. November 1950 schließlich in ein ehrenhalber gewidmetes Grab auf dem Wiener Zentralfriedhof (Gruppe 24, Reihe 5, Nummer 3) umgebettet, das sich neben jenen von Victor Adler und Karl Seitz befindet. Im Jahr 1949 wurde in Wien Mariahilf (6. Bezirk) die Otto-Bauer-Gasse nach ihm benannt.
Dr. Otto Bauer (geboren am 5. September 1881 in Wien; gestorben am 5. Juli 1938 in Paris) war österreichischer Politiker, führender Theoretiker der Sozialdemokratie seines Heimatlandes und Begründer des Austromarxismus. Er war von 1918 bis 1934 stellvertretender Parteivorsitzender der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) und 1918 bis 1919 Außenminister der Republik Deutschösterreich
Otto Bauer war der Sohn des wohlhabenden jüdischen Textilfabrikanten Philipp Bauer, der sich zum Liberalismus bekannte. Er absolvierte die Volksschule in Wien und das Gymnasium in Wien, Meran und Reichenberg. Bauer studierte an der Universität Wien Rechtswissenschaften und promovierte 1906. Bauer sprach Englisch und Französisch und nach seiner Kriegsgefangenschaft auch Russisch.
Otto Bauer begann 1900 sich in der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) politisch zu betätigen. Seine politischen Interessen spiegelten sich auch in seinen Studien. Neben Rechtswissenschaften, Geschichte, Sprachen und Philosophie inskribierte er auch Nationalökonomie und Soziologie. Aufmerksam wurde man auf ihn, als er 1907, erst 26 Jahre alt, das 600 Seiten starke Werk Nationalitätenfrage und Sozialdemokratie vorlegte.
1907 errang Otto Bauer bei den Reichsratswahlen ein Mandant für die SDAP und er wurde auf Wunsch von Parteichef Victor Adler Sekretär des Klubs sozialdemokratischer Abgeordneter im Reichsrat. Daneben war er 1907 Mitgründer und bis 1914 Redaktionsleiter der sozialdemokratischen Monatsschrift Der Kampf; von 1912–1914 fungierte er auch als Redaktionsmitglied der Arbeiter-Zeitung, des Zentralorgans der Partei. Otto Bauer verfasste an die 4.000 Zeitungsartikel!
Im November 1914 geriet Dr. Otto Bauer in russische Kriegsgefangenschaft. Im September 1917 konnte als „Austauschinvalide“ nach Wien zurückkehren. In Russland war er zum überzeugten Anhänger des „marxistischen Zentrums“ geworden. Nach dem Ableben Victor Adlers im November 1918 holte man Bauer ins Führungsgremium der SDAP. Otto Bauer wurde im November 1918 Nachfolger des ersten Ministers im Außenamt Viktor Adler. Im März 1919 wurde er wurde von der Nationalversammlung zum Leiter des Außenamtes der Staatsregierung Renner II gewählt. Wegen der Unmöglichkeit „Deutschösterreich“ an Deutschland anzuschließen, beendete Otto Bauer am 26. Juli 1919 seine Karriere als Regierungsmitglied.
Bauer war (bis 1934) als Abgeordneter und von März bis Oktober 1919 mit Ignaz Seipel in der vom Parlament eingesetzten „Sozialisierungskommission“ tätig. Gemeinsam mit den Führern der Arbeiter- und Soldatenräte, Friedrich Adler und Julius Deutsch, gelang es Bauer, die Arbeiterschaft auf Parteilinie zu halten und die beiden Putschversuche der Kommunisten (12. November 1918 und 14. Juni 1919) im Keim zu ersticken.
1926 beschloss die SDAP ihr Linzer Programm, das die Handschrift Otto Bauers zeigte. Bauer lehnte mit Zustimmung von Seitz und Renner 1931 und 1932 Koalitionsangebote der Bundeskanzler Ignaz Seipel und Engelbert Dollfuß (CS) ab. Im Mai 1933 erklärte Bauer bei einer Parteiversammlung, die Gefahr Habsburg sei keineswegs geringer als die Gefahr Hitler.
Die Februarkämpfe 1934 trieben Bauer in das Exil nach Brünn; er gab bekannt, nur mehr als Berater, Publizist und Verwalter der geretteten Parteigelder zur Verfügung stehen, ohne Führungspositionen zu übernehmen. Im Jahr 1938 emigrierte Bauer nach Brüssel bzw Paris. Otto Bauer war prominentes Mitglied und Herausgeber der Zeitung Der sozialistische Kampf. Bauer, der der Entwicklung seit Bismarck zum Trotz von Deutschland als Hort des Geistes und des Fortschritts schwärmte, sprach sich in seinem 1938 in Paris verfassten politischen Testament neuerlich für die gesamtdeutsche Revolution (inklusive Österreich) aus, weil er die sozialistische Revolution in Österreich allein nicht für durchsetzbar hielt. Die Erklärung Renners für den Anschluss 1938 hielt er für richtig. Bauer hat sich immer als Deutscher betrachtet und gefühlt.
Am 5. Juli 1938 erlag Otto Bauer in Paris einem Herzinfarkt. Er wurde auf dem Friedhof Père Lachaise gegenüber dem Denkmal für die Kämpfer der Pariser Kommune von 1871 beigesetzt. 1948 wurde seine Urne nach Wien gebracht und am 12. November 1950 schließlich in ein ehrenhalber gewidmetes Grab auf dem Wiener Zentralfriedhof (Gruppe 24, Reihe 5, Nummer 3) umgebettet, das sich neben jenen von Victor Adler und Karl Seitz befindet. Im Jahr 1949 wurde in Wien Mariahilf (6. Bezirk) die Otto-Bauer-Gasse nach ihm benannt.
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Als führender Theoretiker der Österreichischen Sozialdemokratie und Begründer des Austromarxismus agierte Dr. Otto Bauer viele Jahre am äußerst linken Spektrum der Österreichischen Sozialdemokratie. Bauers revolutionsaffine Rhetorik propagierte im Sinn der Thesen von Karl Marx den Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus; dies als historische Notwendigkeit. Kreisky sprach im Blick auf Otto Bauers marxistisch beeinflusste Kampfrethorik von furchtbaren verbalen Fehlern. Andererseits, betont Kreisky, habe der Verbalradikalismus des Otto Bauer sehr dazu beigetragen habe, die Spaltung der österreichischen Sozialdemokratie zu verhindern.

Otto Bauers vielschichtige Ideenwelt entsprach einer Mischung von objektivierter Analyse und Wunschdenken, Marxismus und anderen zeitbedingten Einflüssen. Aus der Erkenntnis, dass eine sozialistische Revolution alleine mit der Arbeiterschaft in den Städten nicht zu erreichen sei, resultierten seine umfangreichen Kampfschriften zur sozialistischen Agrarpolitik: „Der Kampf um Wald und Weide“ (1925); „Sozialdemokratische Agrarpolitik“ (1926) und „Das sozialdemokratische Agrarprogramm“ vom 16.11.1925. Im Ergebnis ging es Otto Bauer darum, auch dem „ländlichen Proletariat“ ein Revolutionsziel vor Augen zu führen; dies in Erscheinung der Allmenden, an denen in der Zeit nach einer sozialistischen Revolution allen Gemeindebewohnern und nicht nur den eingesessenen Bauern ein gleicher Anteil zuerkannt werden sollte.

RÄUBER IN DEN GEMEINDEVERTRETUNGEN

Anknüpfend an die Thesen des Walter Schiff, wonach in Wahrheit die moderne politische Ortsgemeinde Eigentümerin aller Allmendgründe sei, erklärt Otto Bauer die realen Eigentumsverhältnisse als Ergebnis von Willkür und Machtmissbrauch. Otto Bauer dazu in seiner Kampfschrift „Der Kampf um Wald und Weide“: Der Ausgang des Kampfes wurde vor allem durch die Machtverhältnisse innerhalb der Dörfer bestimmt. Die Gemeindevertretungen wurden aufgrund von Wahlordnungen gewählt, die das Dorfproletariat vom Wahlrecht ausschlossen. Die privilegierte Schicht verfügte daher über die Mehrheit in der Gemeindevertretung. Die Gemeindevertretungen, deren Aufgabe es gewesen wäre, das Gemeindegut, das die Privilegierten rauben wollten, zu verteidigen, waren selbst Organe der privilegierten Räuber.“ (Otto Bauer, Der Kampf um Wald und Weide, Werksausgabe Bd 3, 135)

Kritik:

Es versteht sich von selbst, dass Otto Bauer der Frage, ob und inwieweit die modernen, politischen Ortsgemeinden tatsächlich ein Eigentum an den historischen Nachbarschaftsliegenschaften erworben hätten, wenig Beachtung schenkte. Sein Interesse war es vielmehr, wahre Eigentümer als Privilegienritter und „Räuber“ darzustellen, deren Treiben durch die sozialistische Revolution ein Ende zu setzen sei.
Auf dem Niveau solcher politischer Agitation kann freilich eine juristische Auseinandersetzung nicht mehr geführt werden!

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MP