Category Archives: Agrarische Operation

Was die Agrarbehörde
mit dem Begriff
„Gemeindegut“
bezeichnet hat

Amt der Tiroler Landesregierung
Bescheid vom 12.12.1962 III B1-1768/9
Gemeindegut von Fügen.
Bescheidverfasser:
Dr. Albert Mair, Leiter der Tiroler Agrarbehörde 

„In diesem Zusammenhang scheint im Interesse der Information der am Regulierungsverfahren Beteiligten eine kurze Darlegung der geschichtlichen Entwicklung des Gemeindegutes von Nöten, womit der Nachweis erbracht wird, dass den Gemeinden, die bislang die Stellung einer treuhändischen Verwaltung des Gemeindegutes zur Sicherung der Nutzungsansprüche der Beteiligten hatten, nichts entzogen wird, was sie bisher unbeschränkt in ihrem Eigentum besessen hätten.

Nach Erlass XXXVI `Regulierung der Tiroler Forstangelegenheiten´, kundgemacht in der Provinzialgesetzessammlung für Tirol und Vorarlberg vom Jahr 1847, Seite 253, wurde bewilligt, dass die künftig den Untertanen vorbehaltenen, in den landesfürstlichen Staatswaldungen zustehenden Holzbezugsrechte durch Ausscheidung und Überweisung einzelner Forstteile in das Eigentum der betreffenden Gemeinden, denen sie angehören, abgelöst werden.

Hierbei ist von Bedeutung, dass sich der heutige Gemeindebegriff von dem damaligen wesentlich unterscheidet. Die Gemeinden, die im Jahre 1847 noch nicht körperschaftlich eingerichtet waren, wurden als Wirtschaftsgemeinden, als die Gesamtheit der Nutzungsberechtigten verstanden.“

Bescheid vom 12.12.1962 III B1-1768/9 (Regulierung des Gemeindegutes von Fügen

WEITERLESEN

Mit Bescheid vom 12.12.1962 III B1-1768/9 entschied das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz bescheidmäßig dahingehend, dass das Verfahren betreffend Regulierung der gemeinschaftlichen Benützungs- und Verwaltungsrechte für das Gemeindegut der Gemeinden Fügen und Fügenberg bestehend aus den Liegenschaften in EZ 51 II KG Pill und EZ 109 II KG Fügenberg auf Antrag eingeleitet werde. Das Amt der Tiroler Landesregierung begründete diesen Bescheid insbesondere wie folgt:

Mit Bescheid vom 12.12.1962 III B1-1768/9 entschied das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz bescheidmäßig dahingehend, dass das Verfahren betreffend Regulierung der gemeinschaftlichen Benützungs- und Verwaltungsrechte für das Gemeindegut der Gemeinden Fügen und Fügenberg bestehend aus den Liegenschaften in EZ 51 II KG Pill und EZ 109 II KG Fügenberg auf Antrag eingeleitet werde. Das Amt der Tiroler Landesregierung begründete diesen Bescheid insbesondere wie folgt:

Gemäß § 36 Abs 2 lit d FLG stellt das einer gemeinschaftlichen Nutzung nach den Bestimmungen der Gemeindeordnung unterliegende Gemeindegut ein agrargemeinschaftliches Grundstück dar. Da gemäß § 37 dieses Gesetzes die Gesamtheit der jeweiligen Eigentümer der Liegenschaften, an deren Eigentum ein Anteilsrecht an agrargemeinschaftlichen Grundstücken gebunden ist (Stammsitzliegenschaften) kraft Gesetzes – einschließlich jener Personen, denen walzende Anteilsrechte zustehen – eine Agrargemeinschaft bildet, ergibt sich im Zusammenhang mit dem im Flurverfassungslandesgesetz festgelegten Rechtsvorschriften, die die Regulierung betreffen, das Recht der Anteilsberechtigten, ihre bislang nicht verbücherten und daher ungesicherten und teilweise unklaren Benützungs- und Verwaltungsrechte im Wege der Rechtswohltat des kostenlosen agrarischen Verfahrens in Form eines im Grundbuch verbücherungsfähigen Regulierungsplans feststellen und für alle Zukunft sichern zu lassen.

Das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz hatte sich nach der Feststellung, dass die Antragsvoraussetzungen im Sinn des § 37 Abs 3 FLG vorliegen, mit der Frage zu befassen, ob die beiden im Spruch angeführten Einlagezahlen mit deren Gutsbestand überhaupt Gemeindegut und damit agrargemeinschaftliche Grundstücke darstellen.

Für die Klärung dieser Frage ist im Sinn des § 36 Abs 2 lit d FLG maßgebend, ob feststeht, dass die in den EZl vorgetragenen Grundparzellen bisher einer gemeinschaftlichen Nutzung nach den Bestimmungen der Gemeindeordnung unterlagen. Gemäß § 38 der Tiroler Gemeindeordnung liegt Gemeindegut dann vor, wenn die daraus entsprechenden Nutzungen in erster Linie Nutzungsberechtigten zur Deckung ihres Haus- und Gutsbedarfs und in zweiter Linie den Bedürfnissen der Gemeinde zukommen. Berücksichtigt man aufgrund der in den Gemeinden Fügen und Fügenberg bestehenden herrschenden Übung, wie sie anlässlich der eigens zu dieser Frage einberufenen Sitzung des gewählten und bestellten Parteienausschusses am 6. November 1962 einhellig dargelegt wurde, die Tatsache, dass die der Gemeinde Fügen und Fügenberg je zur Hälfte im Jahre 1853 grundbücherlich zugewiesenen Wälder zur Deckung des Haus- und Gutsbedarfes der in den seinerzeitigen landesfürstlichen Wäldern eingeforsteten Gemeindemitgliedern bestimmt waren, so steht zweifelsfrei fest, dass diese unverteilten Gemeindewälder als Gemeindegut im Sinn der Gemeindeordnung und damit als agrargemeinschaftliches Grundstück im Sinn des Flurverfassungslandesgesetzes anzusehen sind.

In diesem Zusammenhang scheint im Interesse der Information der am Regulierungsverfahren Beteiligten eine kurze Darlegung der geschichtlichen Entwicklung des Gemeindegutes von Nöten, womit der Nachweis erbracht wird, dass den Gemeinden, die bislang die Stellung einer treuhändischen Verwaltung des Gemeindegutes zur Sicherung der Nutzungsansprüche der Beteiligten hatten, nichts entzogen wird, was sie bisher unbeschränkt in ihrem Eigentum besessen hätten.“

„Nach Erlass XXXVI `Regulierung der Tiroler Forstangelegenheiten´, kundgemacht in der Provinzialgesetzessammlung für Tirol und Vorarlberg vom Jahr 1847, Seite 253, wurde bewilligt, dass die künftig den Untertanen vorbehaltenen, in den landesfürstlichen Staatswaldungen zustehenden Holzbezugsrechte durch Ausscheidung und Überweisung einzelner Forstteile in das Eigentum der betreffenden Gemeinden, denen sie angehören, abgelöst werden. Hierbei ist von Bedeutung, dass sich der heutige Gemeindebegriff von dem damaligen wesentlich unterscheidet. Die Gemeinden, die im Jahre 1847 noch nicht körperschaftlich eingerichtet waren, wurden als Wirtschaftsgemeinden, als die Gesamtheit der Nutzungsberechtigten verstanden.“

Man wollte durch die Abtretung der landesfürstlichen Wälder an diese Gesamtheit, den Bestand großer Waldkomplexe sichern, Aufsplitterung auf die einzelnen Berechtigten vermeiden, die Lawine der Gerichtsprozesse zwischen Eingeforsteten und dem Landesfürsten mindern und über diese dem Fürsten die Grundsteuer für die übertragenden Waldkomplexe sichern.“

Der Wortlaut der kaiserlichen Entschließung lässt keinen Zweifel aufkommen, dass die Nutzungsrechte der einzelnen Bezugsberechtigten voll anerkannt wurden. Aus diesem Grund bestand weder die Möglichkeit noch die Absicht diesen die Nutzungsrechte zu nehmen und das Waldeigentum einer damals rechtlich noch gar nicht bestehenden, mit der Gesamtheit der Nutzungsberechtigten nicht identischen politischen Gemeinde geschenksweise zu überlassen. Der oberste Agrarsenat hat in mehrfacher Entscheidung diese historischen Darlegungen bekräftigt und ausgesprochen, dass das Grundvermögen im Eigentum der Gemeinde, auf dem Nutzungsrechte bestimmter Realitäten lasten, dieses Grundeigentum zum Gemeindegut stempeln und die Agrarbehörden verpflichten, über Antrag eines Viertels der Anteilsberechtigten solche gemeinschaftlichen Benutzungsrechte einem Regulierungsverfahren zu unterziehen. Aus den erwähnten Gründen war antragsgemäß die Einleitung des Verfahrens zu verfügen.“

Die Landesregierung, 12.12.1962 III B1-1768/9. Dr. Albert Mair“

TEXT VERBERGEN

 

 

Dezeniumsbericht
der Agrarbehörde
1949 bis 1959

„Die tiefere Wurzel der auf dem Gebiet der Tirolischen bäuerlichen Nutzungsrechte an den Gemeinde- und Fraktionswäldern in Österreich einzigartigen kritischen und komplizierten Situation ist auf die falsche Auslegung der Waldzuweisung aus dem Jahr 1847 zurückzuführen. Die kaiserliche Waldzuweisung wollte eindeutig den bäuerlichen Alpenwirtschafts- und Realgemeinden die Waldungen zum Besitz und Nutzung zuweisen und man hat trotz dieses klaren Gesetzeswillens durch die spätere Gemeindegesetzgebung in einer völlig falschen rechtlichen Beurteilung und Auslegung des Waldzuweisungspatentes diese Wirtschaftsgemeinden mit den erst nach der Waldzuweisung 1847 entstandenen politischen Ortsgemeinden gleichgesetzt und diesen politischen Gemeinden grundsätzlich dann auch in den meisten Fällen das Eigentum am agrargemeinschaftlichen Gut einverleibt.“

 

Dezeniumsbericht der Tiroler Agrarbehörde 1949 bis 1958“, III b1 vom 28. Juli 1959, „Tätigkeitsbericht der Agrarbehörde

Abteilung III b1
Innsbruck, am 28. Juli 1959

Betrifft: Tätigkeitsbericht der Agrarbehörde.

Herrn
Landesrat Eduard Wallnöfer
im Hause

In Entsprechung des Erlasses vom 21.04.1959 wird von der gefertigten Abteilung für die Jahre 1949 bis 1958 folgender Tätigkeitsbericht erstattet:

Eingangs wäre darauf zu verweisen, dass die Erstellung eines Tätigkeitsberichtes für den geforderten langen Zeitraum hinsichtlich der rein statistischen Darstellung der erledigten oder in Bearbeitung genommenen Rechtssachen für eine Rechtsabteilung der Agrarbehörde deshalb besonders schwierig und außerordentlich zeitraubend ist, weil einerseits bisher im Gegensatz zu den technischen Abteilungen eine jährliche Zusammenstellung der geleisteten Arbeiten bei den Rechtsabteilungen nicht üblich war und andererseits die abgeschlossenen Akten und die Protokollbücher, soweit sie mehr als drei Jahre zurückliegen, sämtliche bereits an das Landesarchiv abgegeben wurden. Durch den enormen Anfall agrarischer Rechtssachen wäre die Unterbringung der Akten und Protokollbücher bei der Abteilung schon räumlich einfach unmöglich. Trotz dieser Hemmnisse wurde versucht, durch Einschau in die Protokollbücher und in die Akten selbst die Tätigkeit einigermaßen schlüssig zu erfassen.

In die Kompetenz der Abteilung fallen nach der Geschäftsordnung mit Ausnahme der Grundzusammenlegungen, Flurbereinigungen und Arrondierungen praktisch die gesamten nach den Verwaltungsvorschriften der Bodenreform zu behandelnden agrarischen Rechtssachen und die Führung der ehemaligen Landesstelle (Bauernentschuldung) im Wege der mittelbaren Bundesverwaltung.

Im Konkreten handelt es sich um folgende Rechtsgebiete:

A) Die Verfahren nach den Bestimmungen des Flurverfassungslandesgesetzes, die sich wieder unterteilen in die Regulierungen agrargemeinschaftlicher Grundstücke als Basis der körperschaftlichen Zusammenfassung der Nutzungsberechtigten in rechtsfähige Agrargemeinschaften; die Teilungen agrargemeinschaftlicher Grundstücke in Form von Hauptteilungen (Auseinandersetzungen zwischen Gemeinden, Agrargemeinschaften), Einzelteilungen (Auflösung des agrargemeinschaftlichen Besitzes in Einzeleigentum) oder Sonderteilungen (Ausscheidung einzelner Mitglieder aus der Agrargemeinschaft durch Abfindung in Grund und Boden) und die Entscheidung über sämtliche, den agrargemeinschaftlichen Besitz und die Nutzung betreffenden Streitigkeiten außerhalb des Verfahrens.

B) Die Verfahren nach dem Wald- und Weideservitutengesetz vom 17.03.1952, LGBL Nr 21, und zwar als a) Servitutenregulierungen und Neuregulierungen b) Ablösungen in Grund und Boden, Geld- oder Anteilrechten c) Entscheidungen außerhalb des Verfahrens hinsichtliches des Umfanges und Bestandes von Servitutsrechten sowie zur Sicherung der Servitutsrechte gegen unbefugte Eingriffe seitens des Belasteten in Form von übermäßigen Schlägerungen, Aufforstungen oder Verzäunungen sowie hinsichtlich der Elementar- und Gewerbeholzbezüge und dergleichen.

C) Verfahren nach dem Alpenschutzgesetz vom 29.01.1920 durch: a) Erstellung von Wirtschaftsplänen b) Entscheidungen zur Sicherung des Bestandes der Alpen, der Bestoßung durch Zwangsverpachtung oder zwangsweise Aufnahme von Alpenvieh.

D) Verfahren nach dem Güterseilwegelandesgesetz 1933, LGBl Nr 56 zur Einräumung von Bringungsrechten im Zwangswege oder auf freiwilliger Basis als Grundlage der Errichtung von a) Güterwegen bei gleichzeitiger Bildung von Genossenschaften b) Seilbahnen als Genossenschaftseigentum oder als Einzelanlagen c) Erschließung landwirtschaftlicher Grundstücke oder Liegenschaften, die von fremdem Boden ohne Rechtsweg umschlossen sind, durch Einräumung von Wegerechten.

E) Agenden der Landesstelle nach der Entschuldungsverordnung: a) Regelung und Kontrolle des Rückflusses der Ratenzahlungen aus den seinerzeit aus Reichsmitteln gewährten Darlehen b) Aufsichtsbehördliche Überwachungstätigkeit zur Verhinderung einer planlosen Wiederverschuldung und Neubelastung ehemals entschuldeter Betriebe.

Die Tätigkeit der Rechtsabteilung war im Berichtszeitraum im Allgemeinen durch ein geradezu rapides Ansteigen der anfallenden Rechtssachen, insbesondere auf dem Sektor der Regulierung der Gemeindeguts- und Fraktionswälder charakteristisch. Hinsichtlich der geleisteten Arbeit selbst ergibt sich folgendes Bild:

I. Verfahren nach den Bestimmungen des Flurverfassungslandesgesetzes vom 16.07.1952, LGBl Nr 32:

A. Regulierungen:

a) für das Gemeindegut und Fraktionsgut:

Für das Gemeindegut und Fraktionsgut, und zwar in der Hauptsache die Gemeinde- und Fraktionswälder, wurden im Berichtszeitraum 53 ordentliche Regulierungsverfahren mit ca. 2600 Beteiligten und einer Regulierungsfläche von 16.000 bis 17.000 ha durchgeführt und mit der Einrichtung von körperschaftlichen Agrargemeinschaften für das Regulierungsgebiet und der grundbücherlichen Einverleibung des Eigentums für diese abgeschlossen.

Für 42 Gemeinde- und Fraktionswälder wurden im Wege einer vorläufigen Regelung körperschaftliche Agrargemeinschaften eingerichtet und ist diesen das Eigentum am agrargemeinschaftlichen Gebiet zugeschrieben worden. Für diese vorläufig regulierten Agrargemeinschaften ist inzwischen das ordentliche Regulierungsverfahren eingeleitet worden und steht zum größten Teil bereits vor dem Abschluss. Die Einleitung des Verfahrens für die übrigen vorläufig regulierten Agrargemeinschaften ist im Gange.

Die Regulierung von 57 Gemeindeguts- und Fraktionswäldern mit den zugehörigen Weiden und Alpen ist im Berichtszeitraum in Bearbeitung genommen und das Verfahren eingeleitet worden. Es handelt sich dabei durchwegs um größere Gemeindewälder mit bis zu 100 und mehr Nutzungsberechtigten. Eine nicht geringe Zahl dieser Gemeindegutsregulierungen hat bereits ein Verfahrensstadium erreicht, das die grundsätzliche Verordnung der Rechtsverhältnisse und insbesondere die Auseinandersetzung zwischen den Nutzungsberichtigten und der Gemeinde als erledigt betrachtet werden kann.

b) für nicht zum Gemeinde- und Fraktionsgut zählende Waldgemeinschaften und Interessentschaften sind 9 Regulierungsverfahren anhängig geworden und stehen zum Teil ebenfalls vor dem Abschluss.

c) 37 Alp- und Weideinteressentschaften sind im Berichtszeitraum endgültig reguliert und ist hiefür ebenfalls eine körperschaftliche Agrargemeinschaft mit gleichzeitiger grundbücherlicher Eigentumseintragung eingerichtet worden, während 82 Regulierungsverfahren für Alp- und Weideinteressentschaften in Bearbeitung standen.

Es kamen sohin im Berichtszeitraum insgesamt 90 Regulierungsverfahren für agrargemeinschaftlichen Besitz zum Abschluss und zur Verbücherung im Grundbuch. 42 Agrargemeinschaften wurden aufgrund einer vorläufigen Regulierung grundbücherlich als Eigentümer des agrargemeinschaftlichen Besitzes intabuliert, während 148 Regulierungsverfahren anhängig wurden und in verschiedenen Verfahrensstadien von der Einleitung bis knapp vor dem Abschluss in Bearbeitung stehen.

B. Teilungen:

a) Hauptteilungen sind im Berichtszeitraum 4 durchgeführt, abgeschlossen und grundbücherlich verankert worden
b) Sonderteilungen kamen insgesamt 3 zur Durchführung und zum Abschluss und 6 sind eingeleitet worden und befinden sich noch in Bearbeitung.
c) 13 Einzelteilungen sind endgültig durchgeführt worden, während 39 in Bearbeitung und teilweise auch schon knapp vor dem Abschluss stehen.

C. Entscheidungen außerhalb des Verfahrens:

Außerhalb der Regulierungsverfahren wurden auf der Grundlage des Flurverfassungslandesgesetzes von der Abteilung hinsichtlich Streitigkeiten über den Bestand und Umfang an Nutzungsrechten am agrargemeinschaftlichen Grund, ferner Auseinandersetzungen aus dem Mitgliedschaftsverhältnis innerhalb der Agrargemeinschaften, Differenzen hinsichtlich der Grenzen des agrargemeinschaftlichen Gebietes sowie zur vorläufigen Verwaltung der Benützungs- und Verwaltungsrechte 830 endgültige rechtskräftige Entscheidungen getroffen und über 6.000 aufsichtsbehördlich genehmigungspflichtige Rechtsgeschäfte behandelt und nach dem Gesetz erledigt.

120 Verwaltungsübertretungen sind mit rechtskräftigen Straferkenntnissen geahndet worden.

II. Verfahren nach den Bestimmungen des Wald-Weideservitutengesetzes vom 17.03.1952, LGBl Nr 21:

a) Die Servitutsrechtsverhältnisse wurden in Servitutenregulierungsverfahren oder Servitutenneuregulierungsverfahren für 15 Servitutsgemeinschaften endgültig geregelt, mit einer Servitutenregulierungsurkunde abgeschlossen und ins Grundbuch eingetragen, während 29 Servitutenverfahren im Berichtszeitraum anhängig wurden und noch in Bearbeitung stehen.
b) In 362 Rechtsstreitigkeiten aus Wald- und Weideservitutsverhältnissen wurden von der Agrarbehörde rechtskräftige Entscheidungen getroffen, während 212 Rechtsgeschäfte über die Ausübung oder Ablösung von Servitutsrechten agrarbehördlich genehmigt wurden.

III. Verfahren nach dem Güter-Seilwegelandesgesetz vom 13.06.1933, LGBl Nr 56:

IV. Agenden der Landesstelle:

Hinsichtlich der allgemeinen Tätigkeit der Abteilung darf auf Folgendes verwiesen werden:

Die Anträge der Nutzungsberechtigen an Gemeinde- und Fraktionsgut, insbesondere an den Waldungen auf Durchführung von Regulierungsverfahren und auf Sicherung der althergebrachten, für die Hof- und bäuerliche Wirtschaft unentbehrlichen Rechte durch Feststellung der Rechte nach Bestand und Umfang und Einrichtung von körperschaftlichen Agrargemeinschaften nahmen im Berichtszeitraum in einem bisher noch nicht gekannten und auch nicht erwarteten Ausmaß zu. Der Zeitpunkt wird nicht mehr fern sein, in dem praktisch für alle Gemeinde- und Fraktionswälder Tirols Regulierungsanträge vorliegen. Es ist geradezu ein revolutionierender Aufbruch und Umbruch in der überkommenen Flurverfassung festzustellen. Die Nutzungsberechtigten fordern mit Nachdruck die eheste endgültige Sicherung ihrer bisherigen Rechte durch das Einschreiten der Agrarbehörde. Der Grund dieser spontanen Forderungen der Bauernschaft auf eine durchgreifende Ordnung insbesondere der Flurverfassung an Gemeindegut (Wälder, Alpen und Weiden) liegt im rapide fortschreitenden Prozess der Verschiebung der Bevölkerungsschichtung zu Ungunsten des Bauernstandes. Der Gemeinderat der Gemeinde als treuhändischer Verwalter des Gemeindegutes setzt sich vielerorts nicht mehr in der Mehrheit aus Nutzungsberechtigten zusammen und es macht sich mit aller Kraft und unablässig überall das Bestreben geltend, die althergebrachten, auf die Übung aufgebauten und eben leider nicht urkundlich niedergelegten Rechte der Bauern einzuschränken und die Nutzungen am Wald allen Gemeindebürgern zugänglich zu machen.

Die tiefere Wurzel der auf dem Gebiet der Tirolischen bäuerlichen Nutzungsrechte an den Gemeinde- und Fraktionswäldern in Österreich einzigartigen kritischen und komplizierten Situation ist auf zurückzuführen. Die kaiserliche Waldzuweisung wollte eindeutig den bäuerlichen Alpenwirtschafts- und Realgemeinden die Waldungen zum Besitz und Nutzung zuweisen und man hat trotz dieses klaren Gesetzeswillens durch die spätere Gemeindegesetzgebung in einer völlig falschen rechtlichen Beurteilung und Auslegung des Waldzuweisungspatentes diese Wirtschaftsgemeinden mit den erst nach der Waldzuweisung 1847 entstandenen politischen Ortsgemeinden gleichgesetzt und diesen politischen Gemeinden grundsätzlich dann auch in den meisten Fällen das Eigentum am agrargemeinschaftlichen Gut einverleibt.

Mit Ausnahme von Vorarlberg kennt man in ganz Österreich die Gemeindegut- und Fraktionswälder Tirolischer Rechtskonstruktion mit den nur auf die Übung aufgebauten, nirgends urkundlich verankerten und daher äußerst unsicheren Nutzungsansprüchen entweder überhaupt nicht oder nur kaum und sind die bäuerlichen Nutzungsrechte entweder in Form von Servituten oder durch den gemeinsamen agrargemeinschaftlichen Besitz der Wälder bereits endgültig gesichert.

Es braucht nicht besonders betont zu werden, dass die Gemeinde- und Fraktionswälder, und zwar auch die kleineren in Tirol einschließlich der den Bauern daran zustehenden Nutzungsrechten ausnahmslos Millionenwerte darstellen und dass die größeren Waldungen wie Reutte und dergleichen den 50-Millionenwert bedeutend überschreiten. Die Schaffung endgültiger, aus den Streitigkeiten und Differenzen der Politik und der Interessentengruppen herausgehobener, objektiver Rechtsverhältnisse ist daher unaufschiebbar geboten und sind demgemäß auch die Aufgaben der Abteilung von besonderer Bedeutung.

Das heutige Aufgabengebiet überschreitet, das kann objektiv behauptet werden, den Agendenkomplex der seinerzeitigen Waldzuweisungen in Tirol bei weitem, nachdem sich durch die Verschärfung der Interessengegensätze und die immer wieder hineinspielenden politischen Aspekte sowie den durch Ablauf der Zeit und die teilweise bewusste Verwässerung der alten Übung die Rechtsverhältnisse hinsichtlich der Nutzung am unverteilten Wald, an den Weiden und Alpen, viel schwieriger und komplizierter gestaltet haben. Eine von den nutzungsberechtigten Parteien mit Recht erwartete rasche Bewältigung der sich immer mehr steigernden Aufgaben wird durch die Abteilung beim heutigen Personalstand auch bei größtem Einsatz nicht mehr möglich sein.

Es kann mit besonderer Befriedigung festgestellt werden, dass sich die Agrargemeinschaften als Eigentümer und Verwalter des Gemeinschaftsgutes im Großen und Ganzen bewährt haben. Die gefertigte Abteilung ist gegenwärtig gerade dabei, die bisher gültigen Satzungen der Agrargemeinschaften durch neue Satzungen zu ersetzen. In den neuen Satzungen wurde dem Ausschuss eine viel größere und weitgehendere Kompetenz in der Verwaltung eingeräumt und sind die Befugnisse der Vollversammlung nur mehr auf wesentliche Entscheidungen, insbesondere hinsichtlich der Verfügung über die Substanz, beschränkt worden.

Dabei wurde organisatorisch ein der Gemeindeverwaltung in der Organisationsform des Gemeinderats ähnlicher Verwaltungskörper in Form des Ausschusses geschaffen, der zu einer bedeutend ungehemmteren, elastischeren und insbesondere auch unbeeinflussteren Verwaltung des Gemeindeguts in der Lage ist. Die bisherigen Erfahrungen mit den alten Satzungsbestimmungen, die der Vollversammlung praktische die gesamte Verwaltung in die Hände legten, waren durchwegs schlecht, weil ein derart großes, von allen möglichen differenzierten Interessengruppen beeinflusstes Forum zu einer exakten reibungslosen Verwaltung des Gemeindeguts logischerweise niemals in der Lage sein kann.

In Erkenntnis der Tatsache, dass sich die heutige Praxis der Ordnung der Flurverfassung durch Einrichtung körperschaftlicher Agrargemeinschaften unter Übertragung des Eigentums an den Gemeinschaftswäldern und Alpen an diese auf Dauer nur dann halten lassen wird, wenn die Agrargemeinschaften zu einer sauberen wirtschaftlich fortschrittlichen Verwaltung des Gemeinschaftsgutes in der Lage sind, wurde die Überwachung der Agrargemeinschaften mit besonderem Nachdruck und in verhältnismäßig kurzer Zeit aufgebaut. Durch die Bestellung der Bezirksforsttechniker als Organe der Agrarbehörde im Rahmen der agrarbehördlichen Überwachungsfunktion sind nunmehr praktisch sämtliche Agrargemeinschaften überwachungsmäßig erfasst und wird jährlich die finanzielle Gebarung und auch insbesondere die Wirtschaftsführung überprüft. Dabei werden laufend Mängel abgestellt und wirtschaftshemmende Tatbestände beseitigt. Beim Aufbau der Überwachung, die heute praktisch abgeschlossen ist und gut funktioniert, hat sich Hofrat iR DI Ing. Mederer besonders bewährt und sich bleibende Verdienste erworben.

Die Ausschüsse der Agrargemeinschaften, die sich ausschließlich aus Nutzungsberechtigten zusammensetzen, sind nach fast übereinstimmender Ansicht der Bezirksforsttechniker in der Verwaltung dem Gemeinderat vorzuziehen, weil im Gemeinderat ausnahmslos in allen Gemeinden Tirols eine mehr oder weniger große Zahl von nicht Nutzungsberechtigten sitzt, denen das Interesse an einer ertragssteigernden, modernen und rationellen Bewirtschaftung jedoch verschiedentlich mangelt. Dies ist bei den nur aus Nutzungsberechtigten gebildeten Ausschüssen nicht der Fall.

Was die Auswirkungen der im Berichtszeitraum ergangenen einschlägigen Agrargesetze betrifft, wäre Folgendes zu sagen:

Die Neufassung des Flurverfassungslandesgesetzes im Jahr 1952 brachte lediglich auf dem Sektor der Grundzusammenlegung die Wiederherstellung der österreichischen und die Beseitigung der deutschen Rechtsvorschriften, während der II. Abschnitt des Flurverfassungslandesgesetzes, der die Regulierungen und Teilungen betrifft und daher für die gefertigte Abteilung einschlägig ist, auch während der NS-Zeit in Gültigkeit gestanden hat.

Das Flurverfassungslandesgesetz 1952 brachte im II. Abschnitt als einzige Neuerung die Bestimmung des § 41 Abs 7 über die Umwandlungsmöglichkeit der Teilwaldrechte in Anteilrechte am agrargemeinschaftlichen Wald, die keinen Anspruch auf die ausschließliche Nutzung bestimmter Flächen geben, soweit die Inhaber zustimmen. In der Praxis ist diese Gesetzesbestimmung, nachdem hier eine zwangsweise Durchsetzungsmöglichkeit fehlt, praktisch ohne jede Bedeutung geblieben. Nur in der einzigen Gemeinde Silz konnten die Güterwaldteile in agrargemeinschaftliche Nutzungen mit Zustimmung der Inhaber umgewandelt werden, ansonsten ist keine einzige Umwandlung eines Teilwaldrechtes in eine agrargemeinschaftliche Anteilsberechtigung in Tirol bisher gelungen. Es ist dies vom Standpunkt des Teilwaldberechtigten auch durchaus verständlich, wenn man den umfassenden, fast uneingeschränkten Rechtsumfang einer Teilwaldnutzung berücksichtigt, der gegenüber die in vielen Fällen unregulierte Anteilsberechtigung schon im Hinblick auf die zumeist grundbücherliche eindeutige Verankerung den Bauern weit sicherer erscheint. Zudem ist auch technisch die Zusammenlegung der Teilwälder durch die Unterschiedlichkeit der Bestockung, der Bonität und der Lage ausnehmend schwierig. Bei der heutigen gemeinderechtlichen Lage wird ein Teilwaldberechtigter nicht bereit sein, seinen agrargemeinschaftlichen Nutzungsanspruch in eine Gemeindegutsnutzung umwandeln zu lassen, weil er damit automatisch durch die Enteignungsbestimmung des § 80 der Tiroler Gemeindeordnung bedroht ist. Die Abteilung hält trotz der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, die in ihren materiell-rechtlichen Ausführungen agrarrechtspolitisch völlig an den Grundproblemen vorbei ging, an der Rechtsauffassung fest, dass ein Teilwald nach der eindeutigen Formulierung des Flurverfassungslandesgesetzes niemals Gemeindegut sein kann und dass daher auch eine Enteignung von Teilwaldrechten auf gemeindrechtlicher Basis gesetzwidrig ist. Ansonsten erfolgten im Flurverfassungslandesgesetz 1952 im II. Abschnitt nur einige textliche Verbesserungen.

Zu außerordentlichen Schwierigkeiten gibt immer wieder die Vorschrift des § 51 FLG Anlass, die den Gemeinden auch bei minimaler Nutzungsteilnahme ein Mindestanteilrecht von 20 % garantiert. In nicht wenigen Gemeinden Tirols stellt sich die bisherige durchschnittliche Nutzung der Gemeinde an den Gemeindegutswäldern bedeutend unter 10 % dar und es müsste die Gemeinde in allen diesen Fällen trotz dieser klaren Übungsgrundlage unbilligerweise ein Anteilrecht von 20 % zuerkannt werden. Dies bedeutet aber gleichzeitig, dass der Prozentsatz, den die Gemeinde bisher nicht genutzt hat, den nutzungsberechtigten Bauern, denen dieser Prozentsatz bislang rechtmäßig zukam, ungerechtfertigt in Abzug gebracht werden muss, und es ergibt sich daraus eine schwerere, in vielen Fällen fast unüberbrückbare Härte. Der Anspruch der Gemeinde müsste rechtmäßig so festgelegt sein, dass ihr nur ein ihrer tatsächlichen durchschnittlichen Nutzung entsprechender Anteil und nicht mehr zukommt. Im Fall einer Novellierung des Gesetzes, die im gegenwärtigen Zeitpunkt aus ja bekannten mehrfachen Erwägungen nicht diskutabel erscheint, müsste die Frage des Gemeindeanteils unbedingt einer gerechten Lösung zugeführt werden. Der Rechtsabteilung ist es bisher in den allermeisten Fällen gelungen, im Übereinkommenswege diese Härte auszugleichen. Die Schwierigkeiten bei Bestellung der Gemeindevertreter, die in der Hauptsache vom Gemeindeverband und vom AABB ausgingen, sind inzwischen in einer einvernehmlichen Absprache mit dem Gemeindeverband und den Vertretern der Gemeinden weitgehend beseitigt worden.

Ein vollkommen modernes und einheitliches Servitutenrecht wurde durch das Wald- und Weideservitutengesetz vom 17.03.1952, LGBl 21, geschaffen und ist damit ein entscheidender Schritt auf dem Weg der Modernisierung der Agrargesetzgebung nach vorne gemacht worden. Die bis 1952 gültigen Rechtsbestimmungen waren kompliziert, unübersichtlich, in mehreren Gesetzen niedergelegt und für die heutige Zeit zum größten Teil nicht mehr brauchbar. Die besonderen Vorteile und Errungenschaften des neuen Servitutengesetzes liegen in der Schaffung völlig einfacher, klarer und dem Flurverfassungslandesgesetz angeglichener Verfahrensbestimmungen, die eine rasche Durchführung der Servitutenverfahren ermöglichen und nicht zuletzt in der Zusammenfassung der alten vorläufigen, in verschiedenen Gesetzen und Verordnungen verstreuten und unübersichtlichen Bestimmungen in ein kurzes Gesetzeswerk.

In materieller Hinsicht brachte besonders der schon bei den Beratungen und Ausschüssen umkämpfte § 4 Abs 4 für die freie Weiterverwendungsmöglichkeit der bezogenen Servitutsholzmengen vollkommen neues Recht. Die bisherige Erfahrung hat klar gezeigt, dass die prophezeiten schlechten Auswirkungen dieser Gesetzesvorschrift kaum eingetreten sind. Die Hauptvorteile des freien Verfügungsrechtes der Bauern über das bezogene Servitutsholz bestehen darin, dass man sich eine Kontrolle über die Verwendung des Holzes erspart und den Eingeforsteten die Möglichkeit offen lässt, das Holz bestmöglich zu verwerten und ihm damit zugleich einen Anreiz gibt, in seinem Haus und auf seinem Hof holzsparende Einrichtungen zu treffen. Eine gewisse Gefahr beinhaltet das freie Verfügungsrecht dadurch, dass der Berechtigte zur Vernachlässigung der Instandhaltung der Gebäude verleitet werden kann. Das Gesetz hat dieser Vernachlässigung insofern einen Riegel vorgeschoben, als die freie Weiterverwendung des bezogenen Holzes nur bei Instandhaltung der Wohn- und Wirtschaftsgebäude in wirtschaftsfähigem Zustand gestattet.

Im Übrigen soll nicht unerwähnt bleiben, dass heute auch schon bei den Regulierungen nach dem Flurverfassungslandesgesetz für Gemeinde- und Fraktionswälder der Haus- und Gutsbedarf zunehmend eine unbrauchbare Grundlage wird, weil durch den steigenden Fremdenverkehr und die forcierten Meliorierungen und Modernisierungen laufende Vergrößerungen der eingeforsteten Objekte und damit das Fehlen jeder Kontrollmöglichkeit einfach nicht mehr abzuwenden ist. Es bleibt daher auch bei Anwendung des Flurverfassungslandesgesetzes nichts mehr anderes übrig, als die Bezugsrechte vom Bedarf loszulösen, in jährlich beziehbare feste Anteile des Gesamtertrages zu fixieren und die freie Weiterverwendungsmöglichkeit zu gestatten.

Das Alpenschutzgesetz kommt praktisch nur mehr in Ausnahmsfällen zur Anwendung, weil auch die Alpnutzungsrechte an Wert ganz bedeutend zugenommen haben und als Folge davon die Ordnung der Rechtsverhältnisse nicht selten auf streitigem Weg behördlich erfolgen muss. Hiezu bietet das Alpenschutzgesetz, das nur wirtschaftliche Dinge regelt, keine Handhabung.

Wie aus dem statistischen Teil des Tätigkeitsberichtes hervorgeht, sind in den vergangenen zehn Jahren an Rückzahlungen aus während der NS-Zeit gewährten Darlehen fast 4 Mio. Schilling rückgeflossen und wurden dem Ministerium überwiesen. In Anbetracht der bedeutenden Höhe dieses Betrages und des auch für die Zukunft sicher nicht geringen Rückflusses, der ausschließlich aus Mitteln der Landwirtschaftsförderung stammt, lohnt sich der Versuch, über den Weg der Prüfung der Frage der verfassungsrechtlichen Grundlage der seinerzeitigen Entschuldung eine Entscheidung oder Einigung mit dem Finanz- und Landwirtschaftsministerium allenfalls dahingehend zu erreichen, dass die Entschuldungsmittel über das Landwirtschaftsministerium den Ländern oder direkt den Ländern selbst ohne der Zwischenschaltung des Ministeriums zufließen.

Wenn die Entschuldung verfassungsrechtlich vielleicht schon nicht als reine Landessache erklärt werden kann, so bestehen doch gewichtige juristische Argumente dafür, sie zumindest als Angelegenheit der Bodenreform durchzubringen. In näherer Zukunft wird sich auf Anregung Tirols und Vorarlbergs eine Länderkonferenz mit dem Vorgang befassen und dann die weiteren Schritte einleiten.

Der Abteilungsleiter: Dr. Albert Mair

Die Bescheide der Agrarbehörde

MYSTERIUM AGRARBEHÖRDENBESCHEID?

Die Bescheide der Agrarbehörde erscheinen im Licht des Tiroler Agrarstreits als „Papiere ohne Wert“. Jahrzehnte alte Erkenntnisse, mit denen rechtskräftig über die Eigentumsverhältnisse am agrargemeinschaftlichen Gut entschieden wurde, werden auf den Kopf gestellt. Der Einwand einer rechtskräftigen Entscheidung scheint keine Geltung zu haben.

Dem ist jedoch in Wahrheit nicht so. Ausdrücklich bestimmen die einschlägigen Gesetze, dass Bescheide und protokollierte Vergleiche der Agrarbehörde exakt dieselbe Wirkung entfalten wie gerichtliche Urteile und vom Gericht protokollierte Vergleiche: Sie unterliegen der Rechtskraftwirkung und sie sind vollstreckbar.

Bereits im Jahr 1883 als die Agrargesetzgebung mit den so genannten „drei agrarischen Reichs-Grundsatzgesetze“ ihren Ausgang nahm, hat der Gesetzgeber die „Commassionsbehörden“ (= heute „Agrarbehörden“) als Alternative zu den Zivilgerichten geschaffen. Diese Behörden sollten eine ausschließliche Zuständigkeit besitzen für besondere Verfahren, die zur reformatorischen Umgestaltung historisch gewachsener Strukturen an land- und forstwirtschaftlich genutzten Liegenschaften geschaffen wurden.

Eine Beseitigung der Rechtskraftwirkung solcher Erkenntnisse, Bescheide und Vergleiche mit der Behauptung, die Behörde hätte falsch entschieden, nämlich wegen Eigentumsverletzung verfassungswidrig, ist gesetzlich genau so wenig vorgesehen wie im Gerichtsverfahren. Gerade im Gerichtsverfahren gibt es bekanntlich gar oft einen Verlierer, der glaubt, das Gericht hätte durch ein „Falschurteil“ in sein Eigentum eingegriffen!

-.-.-.-.-

.
Rechtskraftwirkung

Im Verfahren in den Angelegenheiten der Bodenreform vor den Agrarbehörden gilt gemäß § 1 Abs 1 AgrVG, soweit im AgrVG nichts anderes bestimmt ist, das AVG mit Ausnahme dessen – Verwaltungsabgaben betreffenden – § 78. Zu den Angelegenheiten der Bodenreform gehören auch die Angelegenheiten des Flurverfassungsrechts.

Das AgrVG enthält keine Bestimmungen, die als Sonderregelungen auf dem Gebiet der Rechtskraft verstanden werden können. Vielmehr bestimmt § 14 AgrVG, dass die Bescheide der Agrarbehörden und die von ihnen genehmigten Vergleiche insbesondere auch hinsichtlich der Vollstreckbarkeit die Rechtswirkungen gerichtlicher Urteile und Vergleiche, soweit es sich aber um Bescheide in Angelegenheiten handelt, zu deren Entscheidung außerhalb eines Agrarverfahrens die Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung zuständig wären, die Rechtswirkungen verwaltungsbehördlicher Bescheide haben. Insgesamt liegt daher dem AgrVG dasselbe Konzept der „Rechtskraft“ von agrarbehördlichen Bescheiden zugrunde, wie es sich auch nach dem AVG ergibt, also die Verbindlichkeit, die grundsätzliche Unwiderrufbarkeit und Unabänderlichkeit und die Unanfechtbarkeit (nach dem Verstreichen der in § 7 AgrVG geregelten Fristen). Darauf nimmt das TFLG auch mehrfach Bezug (vgl zB zum Rechtskräftig-Werden von Regulierungsplänen § 68 TFLG). (Vgl dazu Raschauer in Holoubek/Lang, Hrsg, Rechtskraft im Verwaltungs- und Abgabenverfahren, 2008, 288 mwN; Vgl zB VwGH 25. 2. 2009, 2007/07/0122, 26. 6. 2008, 2008/07/0106, 9. 11. 2006, 2005/07/0213)
Im Speziellen sind die §§ 68 und 69 AVG in gleicher Weise anwendbar wie im Bereich der allgemeinen Verwaltungsverfahren. Was die Zulässigkeit einer Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen agrarbehördlichen Verfahrens betrifft, hat der Verwaltungsgerichtshof dies zuletzt in VwGH 26. 6. 2008, 2008/07/0106, vorbehaltslos nach den allgemeinen Regeln beurteilt.

Freilich finden sich verfahrensrechtliche Regelungen immer wieder auch in den besonderen Verwaltungsvorschriften. (Vgl schon Lang, Tiroler Agrarrecht, Bd II (1991) 13) Unter anderem ergeben sich aus des Bestimmungen des TFLG „Verfahrensgliederungen“, die zu einer Mehrzahl von selbständigen Verfahren im selben Gegenstand führen können, etwa die bescheidmäßige Einleitung des Regulierungsverfahrens (§ 62 Abs 1 TFLG), die Entscheidung über die Eigenschaft als agrargemeinschaftliches Grundstück (§ 33 Abs 5 TFLG), die Einrichtung von Agrargemeinschaften als Körperschaften öffentlichen Rechts (§ 34 Abs 2 TFLG), die Feststellung der Eigentumsverhältnisse (§ 38 Abs 1 TFLG), die Feststellung der Anteilsverhältnisse (§ 65 Abs 1 TFLG), die vorläufige Regulierung (§ 70 TFLG) und die Erlassung des Regulierungsplans (§ 65 Abs 2 TFLG).

Bezüglich der Fragen der Rechtskraft ist unter diesen Bestimmungen der besonderen Verwaltungsvorschriften § 69 TFLG von Bedeutung. Diese Bestimmung regelt ein Abänderungsrecht, nämlich die Befugnis der Behörde, Regulierungspläne unter bestimmten Voraussetzungen abzuändern. Erwähnt sei weiters § 70 Abs 2 TFLG, wonach Bescheide über die vorläufige Regulierung, die eine Entscheidung über den Bestand oder das Ausmaß von Parteienrechten nicht zu enthalten haben, von der Agrarbehörde jederzeit abgeändert werden können. Diese Bestimmungen finden ihre Entsprechung in § 68 Abs 6 AVG, wonach die der Behörde in den Verwaltungsvorschriften eingeräumten Befugnisse zur Zurücknahme oder Einschränkung einer Berechtigung außerhalb eines Berufungsverfahrens unberührt bleiben.

Umgekehrt betrachtet, ist bei der großen Zahl der anderen von Agrarbehörden zu erlassenden Bescheide festzuhalten, dass solche besondere Bestimmungen nicht bestehen, sodass, wie erwähnt, allein die allgemeinen Regeln der §§ 68 und 69 AVG maßgeblich sind.

Insgesamt scheint die Thematik der Rechtskraft von agrarbehördlichen Entscheidungen somit keine besonderen Fragen aufzuwerfen. Eine vertiefende Betrachtung ist allerdings angebracht, wenn man sich die große Bedeutung agrarbehördlicher Entscheidungen für die Zuordnung von Sachherrschafts- und Sachnutzungsbefugnissen vor Augen hält. Aus diesem Grund soll in der Folge das Recht der Agrargemeinschaften rekapituliert werden ebenso wie – hinweisartig – die möglichen Eigentums- und Nutzungstitel, mit denen Agrarbehörden konfrontiert sein können.

.
Eigentumskonstellationen

Wenn die Agrarbehörde die Eigentumsverhältnisse an agrargemeinschaftlichen Grundstücken zu ermitteln hat, hat sie sich in erster Linie am aktuellen Grundbuchsstand zu orientieren.
Dabei kann sich ergeben, dass an einer bestimmten Liegenschaft das individuelle Eigentum einer Person besteht oder dass an bestimmten Grundstücken das Eigentum einer „Agrargemeinschaft“ oder das Eigentum einer „Gemeinde“ eingetragen ist. Es kann sich auch ergeben, dass das Eigentum einer „Nachbarschaft“, „Interessentschaft“, „Fraktion“ oder dgl verbüchert ist.

In diesem Zusammenhang können sich Berichtigungsfragen und Auslegungsfragen stellen. Auf Berichtigungsfragen – wenn etwa Grundbuchsführer in Anbetracht der vielschichtigen historischen Entwicklungen im Bereich der agrarischen Nutzungen Rechtsverhältnisse unrichtig gedeutet haben und deshalb zu einer unrichtigen Verbücherung gekommen sind – kann hier nicht eingegangen werden.

Auslegungsfragen stellen sich in Anbetracht der verschiedenen verwendeten Bezeichnungen. Eine „Alm“ kann sich bei näherem Studium der Unterlagen unproblematisch als Bezeichnung für eine bestimmte – schlichte oder schon körperschaftlich eingerichtete – „Agrargemeinschaft“ erweisen. Eine „Interessentschaft“ kann sich bei näherer Analyse als eine nie untergegangene und deshalb auch heute noch fortbestehende Rechtsperson im Sinn von § 27 ABGB, als eine, wie gezeigt, (noch) nicht körperschaftlich eingerichtete Agrargemeinschaft im Sinn von § 34 Abs 1 TFLG erweisen.

Aus diesem Grund kann auch die Bezeichnung „Gemeinde X“ als Eigentümerin interpretationsbedürftig sein, da sie nicht notwendig gleichbedeutend mit einer heute bestehenden „politischen Gemeinde“ im Sinn von Art 115 B-VG gleichen Namens sein muss. Wurden doch in den historischen Urkunden auch „Kirchengemeinden“, „Fraktionen“ und andere Nutzergemeinschaften als „Gemeinden“ bezeichnet. Auch der Verfassungsgerichtshof hat in VfSlg 9336/1982 (unter III. 1.) anerkannt, dass es Fälle gibt, in denen der Begriff „Gemeinde“ in Wahrheit eine Summe von Nutzungsberechtigten, nicht jedoch die politische Gemeinde meint. (Jüngst in diesem Sinn auch der Verwaltungsgerichtshof VwSlg 18171 A/2011 vom 30.6.2011 Zl 2010/07/0091, 6.3.2: Der Verfassungsgerichtshof wies im Erkenntnis VfSlg 9336/1983 darauf hin, dass es im Flurverfassungsrecht die Erscheinung gebe, dass eine „Gemeinde“ die Bezeichnung für die Summe der nutzungsberechtigten Eigentümer sei. Dies gelte insbesondere dann, wenn Grundstücke in Ausführung der Gesetze über die Regulierung und Ablösung der Servituten einer Gemeinde (Ortschaft) oder einer Gesamtheit von Berechtigten zu gemeinsamer Benutzung und gemeinsamem Besitz abgetreten worden sind. In diesen Fällen erfasse der Begriff „Gemeinde“ eine juristische Person, die sich aus Nutzungsberechtigten zusammensetze. Gleiches gilt für die Fälle von Grundstücken gem § 15 Abs. 1 lit. b Flurverfassungs-Grundsatz-Gesetz 1951. „Gemeinde“ bedeutet in dieser Gesetzesbestimmung eine Gemeinschaftsorganisation der Nutzungsberechtigten.)

Andererseits gibt es auch Fälle, in denen etwa das zugunsten einer „Ortschaft“ einverleibte Eigentum heute als Eigentum einer politischen Gemeinde zu sehen ist. So hat der Verfassungsgerichtshof in VfSlg 9336/1982 angenommen, dass mit dem Wirksamwerden der Deutschen Gemeindeordnung in Österreich im Jahr 1938 das Vermögen von „Ortschaften“ und „Fraktionen“ kraft Gesetzes auf die politische Gemeinde übergegangen sei. Näher betrachtet, trifft dies – wie in VfSlg 4229/1962 präziser zitiert wurde – jedoch nur auf „Ortschaften, Fraktionen und ähnliche innerhalb einer Gemeinde bestehende Verbände, Körperschaften und Einrichtungen gemeinderechtlicher Art“ zu (Art II Abs 1 der Einführungsverordnung GBlÖ 408/1938). „Nachbarschaften“, „Kirchsprengel“ uam, wohl auch manche „Fraktionen“, bildeten jedoch keine Einrichtungen gemeinderechtlicher Art, sondern Eigentümergemeinschaften.
(Vgl als Ausdruck des zeitgenössischen Verständnisses: „Mit Bescheid vom 9. Jänner 1939, Zl. 96112-2/J/39 hat die [damals für Osttirol zuständige] Landeshauptmannschaft Kärnten in Klagenfurt entschieden, daß die Interessentschaft Innere und äußere Grossrotte keine Einrichtung gemeinderechtlicher Art ist, da sie nur aus agrargemeinschaftlichen Grundstücken besteht und sonach die Bestimmung des Art. 11 § 1 Abs 1, G.Bl.f.d.L.Österreich Nr. 408 keine Anwendung zu finden hat“)

Ebenso wenig konnten gemeindeüberschreitende Eigentümergemeinschaften als Einrichtungen gemeinderechtlicher Art qualifiziert werden. Der historische Übergang von Liegenschaftseigentum von einer Nutzergemeinschaft auf eine politische Gemeinde ist daher nur eine der möglichen Fallkonstellationen, aber kein allgemeingültiger Grundtatbestand.
Dies ist vor folgendem Hintergrund von Bedeutung: Liegenschaften, die im Eigentum einer Gemeinde stehen, bilden „Gemeindevermögen“ im weiteren Sinn. Solches Gemeindevermögen kann Gemeindevermögen im engeren Sinn sein, wenn es Verwaltungs- oder Finanzzwecken der Gemeinde dient. Es kann „öffentliches Gut“ bilden, wenn es der gemeinverträglichen Nutzung der Allgemeinheit (Gemeingebrauch) dient. Und es kann „Gemeindegut“ sein, wenn es vor allem der gemeinschaftlichen Nutzung durch die an bestimmten Liegenschaften Nutzungsberechtigten gewidmet ist. In allen diesen Fällen ist allerdings ein Erwerbstitel erforderlich. Das heißt, dass Gemeindevermögen – in der Ausprägung von Gemeindegut – nicht allein dadurch entstanden ist, dass bestimmte Gemeindebürger an bestimmten Liegenschaften auf Grund alter Übung nutzungsberechtigt sind.

.
Eigentumsfeststellung

Im Zentrum der aktuellen Auseinandersetzungen stehen Fälle, in denen die Agrarbehörde rechtskräftig entschieden hat, dass Grundeigentum einer Agrargemeinschaft gegeben ist. Dies kann im Einzelfall ganz unterschiedliche rechtliche „Hintergründe“ haben:

– Die Entscheidung kann Liegenschaften betreffen, die bislang im nicht näher bestimmten schlichten Miteigentum der Nutzergemeinschaft oder im Eigentum einer „Nachbarschaft“, „Interessentschaft“ o dgl standen, sodass mit der körperschaftlichen Verfassung der Agrargemeinschaft auch die Eigentumsübertragung an diese Körperschaft verbunden wurde. Da solche „Nachbarschaften“ oder „Interessentschaften“ keine Körperschaften öffentlichen Rechts waren, liegt eine konstitutive Eigentumsübertragung vor.

– Die Entscheidung kann Liegenschaften betreffen, die von der Agrargemeinschaft im Rahmen einer „normalen“ zivilrechtlichen Transaktion erworben worden sind, so dass die Entscheidung rein deklarative Bedeutung hat.

– Grundsätzlich ist es auch denkbar, dass die Entscheidung ein Grundstück betrifft, das bislang im verbücherten individuellen Eigentum einer bestimmten natürlichen oder juristischen Person lag, sodass die Entscheidung – wenn sie rechtskräftig wird – konstitutiv einen Eigentumgsübergang bewirkt.
Den in der Praxis heikelsten Fall bildet die Konstellation, dass die Entscheidung – auch oder nur – Liegenschaften betrifft, die Gemeindevermögen, näherhin Gemeindegut, bildeten, wenn also eine politische Gemeinde unter welchem Titel immer zuvor Eigentum an Grundstücken erworben hatte, die von allen oder mehreren Mitgliedern der Gemeinde gemeinschaftlich unmittelbar für land- und forstwirtschaftliche Zwecke genutzt werden und in Anwendung der Gemeindeordnung geregelt sind. Es geht also ausschließlich um Fälle, in denen eine politische Gemeinde vor der agrarbehördlichen Entscheidung im zivilrechtlichen Sinn Eigentum erworben hatte. Der Umstand, dass in einer politischen Gemeinde Grundstücke gemeinschaftlich genutzt wurden und werden, begründet als solcher nicht die rechtliche Qualifikation als Gemeindegut im gemeinderechtlichen Sinn und verschafft als solcher der politischen Gemeinde nicht Eigentum. In solchen Fällen hat die Einbeziehung von Grundstücken in das Eigentum einer Agrargemeinschaft konstitutive, rechtsverändernde Bedeutung.
Auf die Motivationen, die agrarbehördlichen Entscheidungen, mit denen im Eigentum von politischen Gemeinden stehendes Gemeindevermögen, insb Gemeindegut, in das Eigentum einer Agrargemeinschaft einbezogen wurde, zugrunde lagen, ist im übernächsten Abschnitt gesondert einzugehen.

Von der Konstellation, dass Eigentum einer politischen Gemeinde durch agrarbehördliche Entscheidung in das Eigentum einer Agrargemeinschaft einbezogen wurden, zu unterscheiden sind weiters Fälle, in denen die Agrargemeinschaft schon zuvor auf zivilrechtlichem Weg von der politischen Gemeinde das Eigentum an den betreffenden Grundstücken erworben hatte, sodass die Entscheidung der Agrarbehörde bloß deklarative Bedeutung hat. Von dieser Konstellation sind schließlich Fälle zu unterscheiden, in denen bisher das Eigentum einer „Gemeinde“ verbüchert gewesen war, ohne dass dem jedoch das nachgewiesene Eigentum einer „politischen Gemeinde“ zugrundelag, da sich möglicher Weise aus den bezüglichen Urkunden ergeben kann, dass das Eigentum einer liegenschaftsbezogenen „Realgemeinde“ gemeint war.

.
Interpretation agrarbehördlicher Entscheidungen

Nicht nur die Bezeichnung des Eigentümers im Grundbuch, auch der bescheidförmige Abspruch der Agrarbehörde im Zusammenhang mit Fragen des Eigentums kann interpretationsbedürftig sein. So hat der Verfassungsgerichtshof in VfSlg 17.779/2006 entschieden, dass eine Übertragung des Eigentums von einer Gemeinde an eine Agrargemeinschaft jedenfalls anzunehmen ist, wenn das Eigentum der Agrargemeinschaft im Bescheid „wörtlich ausgesprochen“ wurde.
Von einer Übertragung des Eigentums von einer politischen Gemeinde auf eine Agrargemeinschaft kann, wie erwähnt, nur dann gesprochen werden, wenn Eigentum der politischen Gemeinde schon vor der agrarbehördlichen Entscheidung gegeben war. Dies ist im Hinblick auf spezielle Konstellationen in älteren Bescheiden von Bedeutung. Wie ist es etwa zu verstehen, wenn sich in einem Bescheid die Wendung findet „Das Regulierungsgebiet ist als Gemeindegut der Gemeinde W ein agrargemeinschaftliches Grundstück im Sinne des § 36 Abs 2 lit d TFLG 1952 und steht im Eigentum der Agrargemeinschaft W“? Ein solcher Bescheidspruch scheint aus heutiger Sicht in widersinniger Weise doppeltes Eigentum – der Gemeinde und der Agrargemeinschaft – zu begründen.

Ein adäquates Verständnis ergibt sich nur, wenn man berücksichtigt, dass erstens der flurverfassungsrechtliche Begriff des Gemeindeguts nicht gleichbedeutend ist mit dem gemeinderechtlichen Begriff des Gemeindeguts und dass Bescheide aus der zum Zeitpunkt ihrer Erlassung maßgeblichen Rechtslage heraus zu interpretieren sind. Der gemeinderechtliche Begriff des Gemeindeguts hat, wie erläutert, das Eigentum der politischen Gemeinde zur Voraussetzung; das Flurverfassungsrecht regelt dagegen in erster Linie kollektive Nutzungsformen. Das TFLG 1935 und das TFLG 1952 unterschieden – wie allein der jeweilige § 36 zeigt – im Hinblick auf Gemeinden zwischen „Besitz“ und grundbücherlicher Zuschreibung (Eigentum).
Nach den genannten Gesetzen hatte die Agrarbehörde dann, wenn sie die Eigenschaft von Grundstücken als agrargemeinschaftliche Grundstücke feststellte, diese einer der gesetzlich vorgegebenen Kategorien von agrargemeinschaftlichen Grundstücken zuzuordnen. Wenn nicht ein in den anderen Absätzen und literae geregelter spezieller Tatbestand gegeben war, blieb oft nur der Auffangtatbestand des Abs 2 lit d übrig: „das einer gemeinschaftlichen Benutzung nach den Bestimmungen der Gemeindeordnung unterliegende Gemeindegut, bzw Ortschafts-, Fraktionsgut“.

Daher ist ein solcher Bescheidspruch nicht als widersprüchlich zu sehen, er bringt nur zum Ausdruck, dass sich nach Auffassung der Behörde sämtliche Stammsitzliegenschaften im Gebiet der bezogenen politischen Gemeinde befinden. Vor allem aber begründet ein solcher Bescheidspruch nicht ein – vorher nicht bestehendes – Eigentum der Gemeinde. Die kategoriale Qualifikation als Gemeindegut im flurverfassungsrechtlichen Sinn impliziert dann nicht Gemeindegut im gemeinderechtlichen Sinn, wenn die politische Gemeinde nicht Eigentümerin der betreffenden Liegenschaften war.
Zumeist wurde in den von mir eingesehenen Bescheiden jedoch korrekt formuliert: „… sind agrargemeinschaftliche Grundstücke in der Ausprägung des/im Sinn von § 36 Abs 2 lit d TFLG 1935 … sie stehen im Eigentum der Agrargemeinschaft X“. Bei Vorliegen einer solchen Formulierung entsteht nicht einmal der Anschein von Eigentum der politischen Gemeinde, da die bloße Bezeichnung von Grundstücken als „Gemeindegut“ – durch Bezugnahme auf § 36 Abs 2 lit d TFLG 1935 – selbstverständlich kein Eigentumserwerbstitel für die politische Gemeinde ist.

.
Entscheidungsbefugnisse der Agrarbehörde

Dass eine Entscheidung der Agrarbehörde, welche die Zuordnung von Grundstücken zum Eigentum einer Agrargemeinschaft zum Inhalt hat, trotz Eintretens der Rechtskraft nicht verbindlich bzw unbeachtlich sein könnte, ließe sich nur vertreten, wenn man annehmen wollte, dass die Entscheidung absolut nichtig ist. Dies lässt sich indes nicht begründen.
Gemäß § 38 Abs 1 TFLG hat die Agrarbehörde festzustellen, welche Liegenschaften agrargemeinschaftliche Grundstücke sind und wem sie gehören, insbesondere, ob das Eigentum daran mehreren Parteien als Miteigentümern oder einer körperschaftlich eingerichteten Agrargemeinschaft zusteht.

Gemäß § 65 Abs 2 lit b TFLG hat der Regulierungsplan ua die „Entscheidung“ nach § 38 Abs 1 – also über die Eigentumsverhältnisse – zu enthalten. Gemäß § 71 TFLG sind Zusammenlegungen, Flurbereinigungen und die Ordnung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse an agrargemeinschaftlichen Grundstücken durch Regulierungen oder Teilungen unter Ausschluss des Rechtsweges von der Agrarbehörde durchzuführen.
Während eines Verfahrens – von der Einleitung bis zum Abschluss – erstreckt sich die Zuständigkeit der Agrarbehörde gemäß § 72 TFLG unter Ausschluss der Zuständigkeiten anderer Behörden – auf alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die einbezogen werden müssen, insbesondere auch in Bezug auf Streitigkeiten über Eigentum und Besitz an den in das Verfahren einbezogenen Grundstücken.

Schließlich steht der Agrarbehörde auch außerhalb eines Verfahrens gemäß § 73 TFLG ua die Entscheidung über die Frage zu, wer Eigentümer der agrargemeinschaftlichen Grundstücke ist.

Der Gesetzeslage kann unzweideutig entnommen werden, dass die Möglichkeit einer rechtsgestaltenden Eigentumszuordnung von den Befugnissen der Agrarbehörde mitumschlossen ist. Selbst ein Interpret, der unter Außerachtlassung der gebotenen systematischen Auslegung allein den Begriff „Feststellung“ in § 38 TLFG herausgreifen wollte, wäre mit der Frage konfrontiert, ob eine bloß das Ergebnis eines Ermittlungsverfahrens dokumentierende „deklarative“ Feststellung oder aber eine auch auf Rechtsgestaltung abzielende „konstitutive“ Feststellung gemeint ist. (Vgl Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl, 2009, Rz 901). Die Bezeichnung desselben Akts als „Entscheidung“ knüpft an die früher maßgebliche Unterscheidung von „Entscheidung und Verfügung“ an (vgl die frühere Fassung des § 56 AVG): Als Entscheidungen sind demnach insbesondere auch der Rechtskraft fähige streitentscheidende individuelle Verwaltungsakte gemeint; als solche können sie rechtsgestaltende Wirkung haben. Eben darauf nimmt § 72 TLFG Bezug: Danach erstreckt sich die Zuständigkeit der Agrarbehörde – unter Ausschluss der Zuständigkeit anderer Behörden – insbesondere auf Streitigkeiten über das Eigentum an den in das Verfahren einbezogenen Grundstücken.

Insgesamt ist die Agrarbehörde daher nicht auf die Vornahme einer Grundbuchabfrage o dgl beschränkt, mit der Konsequenz, sich allenfalls auf ein non liquet beschränken zu müssen. Ihr obliegt in diesen Fällen auch nicht die Beurteilung einer Vorfrage, vielmehr ist sie dann – grundsätzlich unter Ausschluss einer gerichtlichen Entscheidungsbefugnis – selbst die in der Hauptsache zur Entscheidung berufene Behörde. Die Agrarbehörde hat im Sinn der Rechtssicherheit klare Verhältnisse zu schaffen, also erforderlichenfalls rechtsgestaltend „festzustellen“. Wenn die Agrarbehörde das Eigentum eines Rechtsträgers „feststellt“ und wenn diese Feststellung unangefochten bleibt, dann ist dieser Rechtsträger Eigentümer im Rechtssinn.

Da die Möglichkeit einer rechtsgestaltenden Entscheidung über das Eigentum an den betroffenen Liegenschaften von den Befugnissen der Agrarbehörde mitumschlossen ist, ist es rechtlich ausgeschlossen, eine vermeintlich unrichtige Entscheidung der Agrarbehörde über die Zuordnung von Eigentum an betroffenen Liegenschaften als absolut nichtig zu qualifizieren.

Als ein Ergebnis ist daher festzuhalten, dass die rechtskräftig gewordene Entscheidung der Agrarbehörde über das Eigentum an Liegenschaften verbindlich ist. Eine Änderung gemäß § 69 AVG – insb wenn unverschuldet nachträglich Tatsachen und Beweismittel hervorkommen, die zu einer anders lautenden Entscheidung hätten führen können – ist nur unter den gesetzlichen Voraussetzungen und in diesen – nicht zuletzt zeitlichen – Grenzen möglich. Im Übrigen ist eine nachträgliche Änderung einer solchen Entscheidung im Gesetz nicht vorgesehen; in diese Richtung gehenden Überlegungen hat der Verfassungsgerichtshof in VfSlg 17.779/2006 zu Recht eine klare Absage erteilt.

.
Zusammenfassung

Das Flurverfassungsrecht ist durch eine historisch vielschichtig gewachsene bunte Vielfalt von Lebenssachverhalten charakterisiert. Sie zu ordnen ist die Aufgabe der Agrarbehörden. Da die agrarbehördlichen Entscheidung über Sachherrschafts- und Sachnutzungsbefugnisse von grundlegende Bedeutung für die beteiligten Wirtschaftskreise sind, ist die Stabilität und Berechenbarkeit der einmal getroffenen und immerhin von den Betroffenen einer rechtsstaatlichen Kontrolle zuführbaren Entscheidungen der Agrarbehörde von entsprechender Relevanz.

Ganz allgemein ist festzuhalten, dass für agrarbehördliche Entscheidungen grundsätzlich dieselben Regeln der Rechtskraft maßgeblich sind, wie sie auch sonst im Verwaltungsrecht anzuwenden sind. Wenn die entschieden hat, dass eine Agrargemeinschaft Eigentümerin einer bestimmten Liegenschaft ist und wenn ein solcher Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist, dann ist diese Agrargemeinschaft Eigentümerin im Rechtssinn.

..

nach:
Bernhard Raschauer,
Rechtskraft und agrarischer Operation,
in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler, Die Agrargemeinschaften in Tirol, 265ff

..

MP

Agrarverfahren

Auf Grund des Erk VfSlg 18.446/2008 ist hinsichtlich der Tätigkeit und Kompetenz der Agrarbehörde zur rechtskräftigen Entscheidung über die Eigentumsverhältnisse an agrargemeinschaftlichen Grundstücken Verwirrung entstanden. In einer ganzen Serie von Entscheidungen aus den Jahren 2010 und 2011 hat der Tiroler Landesagrarsenat die Auffassung vertreten, dass historische agrarbehördliche Entscheidungen, mit denen festgestellt wurde, dass die (nicht regulierte) Agrargemeinschaft Eigentümerin der agrargemeinschaftlich genutzten Grundstücke sei, „Gemeinschaftseigentum der Ortsgemeinde und der Nutzungsberechtigten“ entstehen ließen. Als „atypisches Gemeindegut“ würden solche Rechtsverhältnisse ein Anteilrecht der Ortsgemeinde auf den Substanzwert der Liegenschaften begründen.

Diese Entscheidungen knüpfen formal an das VfGH Erk Slg 18.446/2008 und die TFLG-Novelle 2010 an. Übersehen wird dabei jedoch, dass beide Rechtsgrundlagen insbesondere historisches Eigentum der Ortsgemeinde voraussetzen, dessen Existenz einen gültigen Eigentumstitel erfordert. Weil die Agrarbehörde distinktiv entschieden hat, wer Eigentümer ist, steht in all diesen Fällen jedoch fest, dass die Ortsgemeinde gerade keinen Eigentumstitel besaß und dementsprechend nie Eigentümerin war.

Die ewige Suche nach dem Recht, der Kampf für die Gerechtigkeit, sind ein Wesenselement des Rechtsstaates, der Grundsatz der Beachtlichkeit rechtskräftiger Staatsakte ist ein anderes nicht minder bedeutsames. § 14 Agrarverfahrensgesetz 1950, BGBl 173/1950 (AgrVG) lässt keinen Zweifel an den Rechtswirkungen der historischen Verfahrensergebnisse: Die Bescheide (Erkenntnisse) der Agrarbehörden und die von ihnen genehmigten Vergleiche (Übereinkommen) haben die Rechtswirkung gerichtlicher Urteile und gerichtlicher Vergleiche.

In einer Serie von gut einem Dutzend Erkenntnissen vom 30.6.2011 hat der Verwaltungsgerichtshof in dieser Streitfrage Position bezogen. Darin wurde die Rechtsposition der Agrargemeinschaften als zivilrechtliche Eigentümerinnen des Regulierungsgebietes klargestellt. Insoweit die historische Agrarbehörde bei der Entscheidung über Rechtsverhältnisse beim Zuständigkeitstatbestand für „Gemeindegut/Fraktionsgut“ angeknüpft haben, wurde dies jedoch als bescheidmäßige Feststellung ehemaligen Eigentums der Ortsgemeinde missverstanden. Für eine solche – im wahrsten Sinn des Wortes – „Unterstellung“ fehlt jedoch jede Rechtsgrundlage.

..

Sonderbehörden im Rahmen der Bodenreform

Die Behörden in der Monarchie

Die Durchführung der drei Reichsrahmengesetze 1883, RGBl 92-94, wurde von Anfang an Besonderen Verwaltungsbehörden übertragen (§§ 6 ff des Gesetzes RGBl 1883/92; § 1 RGB l 1883/93; § 1 RGBl 1883/94), weil die bisherige Kompetenz der Zivilgerichte endlose Prozesse zur Folge hatte, aber keine sinnvolle Neuordnung der unsicheren Rechtsverhältnisse und agrarischen Bewirtschaftungsprobleme agrargemeinschaftlicher Grundstücke herbeiführen konnte. Als neue Behörden wurden in erster Instanz „Lokalkommissäre“, in zweiter Instanz „Landeskommissionen“ und in oberster Instanz eine „Ministerialkommission“ für agrarische Operationen eingerichtet, die organisatorisch mit den politischen Landesbehörden (Statthalterei bzw Landesregierung) und dem Ackerbauministerium verbunden waren. (Siehe dazu Oberhofer/Pernthaler, Das Gemeindegut als Regelungsgegenstand der historischen Bodenreformgesetzgebung, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler (Hg), Die Agrargemeinschaften von Tirol (2010) 207ff, 211ff, 221; Adamovich sen, Handbuch des österreichischen Verwaltungsrechts. Erster Band: Allgemeiner und formalrechtlicher Teil, 1954, 162)

Die neuen Sonderbehörden sollten auf Grund ihrer besonderen Organisationsstruktur Kenntnis der lokalen und regionalen Besonderheiten mit rechtlicher und fachlicher Sachkunde, aber auch Entscheidungsautorität einer „politischen Behörde“ verbinden. Auf Grund ihrer Unabhängigkeit und richterlichen Mitglieder waren die Entscheidungen der Landes- und Ministerialkommissionen von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 3 lit b des Gesetzes RGBl 36/1876 ausgeschlossen. Dafür kam den Entscheidungen („Erkenntnissen“) dieser Behörden und den von ihnen genehmigten Vergleichen die Rechtswirkungen richterlicher Erkenntnisse bzw Vergleiche zu, die unmittelbar vollstreckbar waren. (Pernthaler, Die Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag (1977) 18; diese Beschränkung der Verwaltungsgerichtskontrolle wurde erst durch § 8 der Agrarbehördengesetznovelle 1974, BGBl 476 beseitigt; § 7 RGBl 1883/92)

Die sehr begrenzten Ausnahmen von der Allzuständigkeit der Agrarbehörden in besonderen Eigentums- und Besitzstreitigkeiten zugunsten der ordentlichen Gerichtsbarkeit (§ 7 Abs 2 RGBl 1883/92; ebenso noch jetzt § 72 Abs 7 TFLG 1996) machen deutlich, dass die Kognitionsbefugnis der Agrarbehörden sich von Anfang an auch auf die zivilrechtlichen Feststellungen und Entscheidungen in Eigentumsfragen der agrargemeinschaftlichen Grundstücke bezogen, die außerhalb der Verfahren der Bodenreform in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit fielen.

Organisatorische Neuregelung in der Republik

Schon vor dem Inkrafttreten der Bundesverfassung wurde die Organisation der Agrarbehörden neu geordnet; dies durch das Gesetz StGBl 1920/195. An die Stelle der „beeideten Lokalkommissäre“ traten „Agrarbezirksbehörden“, in den Ländern wurden „Agrarlandesbehörden“ und die „Agraroberbehörde“ beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft eingerichtet. Durch das Bundesgesetz, BGBl 1925/281, wurde diese Organisation der durch die B-VG-Novelle 1925 neu geordneten allgemeinen staatlichen Verwaltungen in den Ländern angepasst und durch das Bundesgesetz, BGBl 1937/133, in die noch heute geltende Organisation der Agrarbehörden umgewandelt: In erster Instanz ist die monokratisch organisierte Agrarbezirksbehörde als Sonder-Landesbehörde tätig, soweit die Landesgesetzgebung auf Grund der Ermächtigung des § 3 Abs 2 des Agrarbehördengesetzes 1950 nicht von der Einrichtung eigener Agrarbezirksbehörden absieht und ihre Aufgaben dem Amt der Landesregierung zuweist, was nach der Judikatur des VfGH verfassungsrechtlich unbedenklich sei, obwohl die Bundesverfassung dieses Amt eindeutig als unselbständiges Hilfsorgan der Landesbehörden konstruiert. (Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht³ (2009) Rz 294; VfGH Erk Slg 3681/1960 und Folgejudikatur; Koja, Das Verfassungsrecht der österreichischen Bundesländer² (1988) 369 ff hält diese Judikatur für unrichtig und daher die bundes- und landesgesetzlichen Regelungen über das Amt der Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz für verfassungswidrig. Vgl dazu auch die Literaturhinweise bei Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht³, 1996, 434)

Während der deutschen Besetzung traten an die Stelle der österreichischen Vorschriften die Bestimmungen der Verordnung vom 16.2.1940, RGBl I, 367; durch die Kundmachung BGBl 1946/85 auf Grund des § 1 Abs 2 Rechts-Überleitungsgesetzes, StGBl 1945/6, wurden diese deutschen Rechtsvorschriften als aufgehoben erklärt und die ehemaligen österreichischen Vorschriften gemäß § 1 Abs 3 R-ÜG neuerlich in Geltung gesetzt. Dies, weil sie gemäß § 1 Abs 1 R-ÜG „mit den Grundsätzlichen einer echten Demokratie unvereinbar sind und dem Rechtsempfinden des österreichischen Volkes widersprechen“; vgl dazu VfGH Erk Slg 4320/1962 über den Unterschied zwischen Polizeistaat und (dem österreichischen) Rechtsstaat. In der Fassung der Novelle BGBl 1947/179 wurden die ehemaligen österreichischen Vorschriften als „Agrarbehördengesetz 1950“, BGBl 1951/1 wiederverlautbart und novelliert (BGBl I 1999/191 und BGBl I 2006/113). (Die Landesausführungsgesetze – für Tirol: LGBl 1948/32 – zitiert H. Mayer, Das österreichische Bundesverfassungsrecht. Kurzkommentar4 (2007), Anhang B 9. (1039)

Die Einrichtungsvorschriften der republikanischen Verwaltungsorganisation hielten an der oben dargestellten kommissionellen Behördenstruktur mit quasi-richterlichen Unabhängigkeit der Senate fest, wie sie seit 1883 die Agrarbehörden auf Landesebene und bei der Zentralbehörde kennzeichnete. Das war schon deshalb erforderlich, weil sich weder am sachlichen Wirkungsbereich der „Bodenreform“ noch an der Kombination von zivilrechtlicher und verwaltungsbehördlicher Entscheidungsbefugnis – unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges – der Agrarbehörden irgendetwas änderte. Wie in der Folge noch ausführlich begründet wird, erfasste diese umfassende Kognitionsbefugnis der Agrarbehörden seit den oben angeführten Reichsrahmengesetzen von 1883 unverändert bis heute als Kernkompetenz die Eigentumsfeststellung an agrargemeinschaftlichen Grundstücken sowohl bei Agrargemeinschaften im privaten Eigentum als auch beim Gemeindegut im Eigentum der Gemeinde. (Pernthaler, Eigentum am Gemeindegut, ZfV 2010, 376 f)

Verfassungsrechtliche Organisationsvorgaben

Die besondere Organisationsform der Agrarsenate war und ist die verfassungsrechtliche Voraussetzung für die volle zivilrechtliche Kognitionsbefugnis der Agrarbehörden im Rahmen ihrer behördlichen Funktionen der Bodenreform. Dies galt für ihre ursprüngliche Einrichtung durch die Reformgesetze von 1883 und gilt in verstärktem Maße – für die derzeitige komplexe, europarechtlich geprägte Verfassungsrechtslage.

Agrarsenate als „eingreifende Verwaltungsjustiz“

Die Agrarsenate nach den Reformgesetzen von 1883 waren von Anfang an als „Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag“ von der Jurisdiktion des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 3 lit b des Gesetzes, RGBl 1873/36, ausgenommen. (VfSlg 1390/1931; 5741/1968; 6508/1971; Melichar, Verfassungsrechtliche Probleme des Agrarrechtes, JBl 1968, 287; Gatterbauer/Kaiser/Welan, Aspekte des österreichischen Flurverfassungsrechtes 1972, 39) Die Gründe für diese Sonderstellung lagen einerseits in der zivilrechtlichen Kognitionsbefugnis der Agrarbehörden und die damit verbundene Ausnahme von der Allzuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit von diesen speziellen „bürgerlichen Rechtssachen“. Andererseits schien mit dem Wesen der Verwaltungsaufgabe „Bodenreform“ nur die Form der „eingreifenden Verwaltungsjustiz“ vereinbar zu sein, die dem Verwaltungsgerichtshof als Kassationsgericht verwehrt war, hier aber wegen der komplexen verwaltungsrechtlichen und zivilrechtlichen Elemente der Bodenreform eine unabdingbare Entscheidungsvoraussetzung war.
Gleichzeitig gingen sowohl die parlamentarischen Materialien des Errichtungsgesetzes (RGBl 1876/36) des Verwaltungsgerichtshofes als auch die zeitgenössische Rechtslehre davon aus, dass vom Verfahren und der Zusammensetzung der entscheidenden Organe gewährleistet sei, dass diese „Tribunale außer dem Verwaltungsgerichtshof und dem Reichsgericht eine Art verwaltungsgerichtlicher Jurisdiktion auszuüben berechtigt sind.“ (Vgl dazu die Regierungsvorlage und den Bericht der Kommission des Herrenhauses 148 und 197 der Blg zu den sten Prot d Herrenhauses VII. Session; Pann, Die Verwaltungs-Justiz in Österreich mit Bedachtnahme auf die auswärtige Gesetzgebung (1876) 19 und 70 f; Ulbrich, Lehrbuch des Österreichischen Staatsrechts (1883) 715; Lemayer, Österreichisches Staatswörterbuch, IV. Band (1909) 34)

Die Betrauung derartiger unabhängiger Kollegialbehörden mit einer „judiziellen Ingerenz auf dem Gebiet der Administration“ hatte im Bodenreformrecht auch eine lange Tradition. In den parlamentarischen Materialien zum Einrichtungsgesetz des Verwaltungsgerichtshofes von 1875 werden als bereits bestehende Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag die „Kommissionen zur Servitutenregulierung“ gemäß Kais. Patent vom 3.7.1853, RGBl 130, und in Rahmen der Lehensaufhebung gemäß RGBl 1862/103, 1868/8-10 und 1869/103-112 erwähnt.
„Eingreifende Verwaltungsjustiz“ im Sinne der Funktionen der Agrarbehörden in der Bodenreform setzt aber volle zivilrechtliche Kognitionsbefugnis der entscheidenden Senate voraus, weil anders die Ausschaltung der Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes und der Entscheidungsbefugnis der Zivilgerichte („ordentlicher Rechtsweg“) schon nach dem rechtsstaatlichen Standard der österreichischen Monarchie nicht erklärbar wäre. (Lemayer, Der Begriff des Rechtsschutzes im öffentlichen Rechte (Verwaltungsgerichtsbarkeit) im Zusammenhang der Wandlungen der Staatsauffassung betrachtet, Grünhuts Zeitschrift für das Privat- und öffentliche Recht der Gegenwart 29 (1902) 109 f unter Hinweis auf die Zusammenhänge und Unterschiede der Kollegialbehörden gegenüber der „landesfürstlichen Verwaltungsrechtspflege“)

Kassatorische Rechtskontrolle über die Agrarsenate

In einigen sehr frühen Entscheidungen des VfGH (Erk Slg 214, 633 und 637/1926; vgl auch VfSlg 10.080/1984) wurde klargestellt, dass die Agrarsenate zwar die Kriterien der Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag erfüllen – Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit ihrer Mitglieder, Unaufhebbarkeit der Erkenntnisse im Verwaltungsweg, Beteiligung richterlicher Organe – aber keine Gerichte im Sinne der Bundesverfassung („spezielle Verwaltungsgerichte“), sondern Verwaltungsbehörden im Sinne des Art 144 B-VG sind. Im Besonderen wurde in diesen Erkenntnissen auch der organisatorische Einfluss der maßgebenden Organe der Verwaltung oberster und mittlerer Instanz (Landeshauptmann und zuständiger Bundesminister) als Kriterium der Verwaltungsbehörde hervorgehoben.
Diese organisatorische Qualifikation der Agrarsenate hatte – in Verbindung mit der allgemeinen Kritik an den Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag – schließlich auch die Anordnung der Anfechtbarkeit ihrer Entscheidungen vor dem Verwaltungsgerichtshof zur Konsequenz und sollte im Zusammenhang damit zu den merkwürdigen politischen Vorgängen rund um die Beibehaltung des Art 133 Z 4 B-VG und die Novellierung der Art 12 Abs 2 und 20 Abs 2 B-VG in der B-VG-Novelle 1975 führen. (§ 8 AgrarbehördenG in der Fassung der Agrarbehördengesetznovelle 1974, BGBl 476)

An der vollen zivilrechtlichen Kognitionsbefugnis der Agrarbehörden hat sich durch die (nur kassatorische) Rechtskontrolle durch den Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf die Erkenntnisse der Agrarsenate nichts geändert. Im Gegenteil! Wie sich im Folgenden erweisen wird, entspricht nur die Kombination der meritorischen zivilrechtlichen Entscheidungen der quasi-richterlichen Agrarsenate (als „eingreifende Verwaltungsjustiz“) mit der kassatorischen richterlichen Prüfung durch die Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit den heute geltenden verfassungs- und europarechtlichen Voraussetzungen einer Sachentscheidung in zivilrechtlichen Angelegenheiten („bürgerlichen Rechtssachen“) durch Verwaltungsbehörden.

Agrarsenate als Tribunale gemäß Art 6 MRK

Die Auseinandersetzung um den Begriff „zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen“ („civil rights and obligations“) und die daran geknüpften Garantien einer gerichtlichen Entscheidung in einem fairen Verfahren gemäß Art 6 EMRK beherrschten – vor allem seit dem Urteil des EGMR vom 16.7.1911 – die Auseinandersetzung zwischen der Judikatur des EuGH und der des VfGH und den unterschiedlichen Auffassungen der österreichischen Lehre. (Fall Ringeisen; Entscheidung: Yearbook of the European Convention on Human Rights 1971, 838ff; Vgl dazu Schäffer, Der Zivilrechtsbegriff der Menschenrechtskonvention, ÖJZ 1965, 511 ff; derselbe, Privatrecht und Gerichtsbarkeit, JBl 1965, 502 ff; H. Mayer, Zivilrechtsbegriff und Gerichtszuständigkeit, ZfV 1988, 473 ff; Berka, Die Grundrechte (1999) Rz 794 ff)

Während der VfGH ursprünglich einen sehr engen, an § 1 ABGB orientierten „strukturellen Zivilrechtsbegriff“ vertrat und etwa entschied, dass das Grundverkehrsrecht nicht unter Art 6 EMRK falle, weil hier öffentlichrechtliche Beschränkungen und keine „bürgerliche Rechtssache“ vorliege, prägte der EGMR einen sehr weiten Begriff der Garantie der „civil rights“ gemäß Art 6 EMRK, der auch alle öffentlichrechtlichen Auswirkungen auf vermögenswerte Rechte privater umfasste. (VfGH Erk Slg 6134/1970 ua; Zur Judikatur der europäischen Instanzen vgl die Hinweise bei Mayer (aaO) 474; Okresek, Die Organe der europäischen Menschenrechtskonvention vor neuen Herausforderungen, ÖJZ 1993, 329 ff; Mayer (aaO) 661 ff)
Der VfGH ist dieser weiten Begriffsbildung der „civil rights“ nicht gefolgt und hat in einer grundlegenden Entscheidung einen „gespaltenen Zivilrechtsbegriff“ in Österreich begründet: Das „traditionelle Zivilrecht im kontinental-europäischen Sinn“ stellt den „Kernbereich des Zivilrechts“ dar, der sowohl in Tatsachen- als auch in Rechtsfragen in die Entscheidungskompetenz der Gerichte fällt (volle richterliche Kognitionsbefugnis) Werden Verwaltungsbehörden in diesem zivilrechtlichen Kernbereich tätig, müssen diese den Garantien des Art 6 EMRK entsprechend organisiert sein und die dort gewährleisteten Verfahrensgarantien anwenden. (VfSlg 11.500/1986; dazu Pernthaler, Der Verfassungskern (1998) 56 f; Grabenwarter, Verfahrensgarantien in der Verwaltungsgerichtsbarkeit (1997) 73 ff; seitdem ständige Rechtsprechung: VfSlg 11.591/1987; 11.937/1988; 12.470/1990; 17.686/2003 ua; Berka (aaO) Rz 803; VfSlg 11.646/1988; 12.003/1989; 13.379/1994; VfGH Erk Slg 16.402/2001 ua)

Außerhalb des „zivilrechtlichen Kernbereiches“ genügt eine wirksame nachprüfende Kontrolle des verwaltungsbehördlichen Handelns durch ein Gericht, insbesondere durch den VwGH. In jüngster Zeit hat der VwGH die Auffassung vertreten, dass in bestimmten Fällen eine volle richterliche Kognitionsbefugnis gemäß Art 6 EMRK auch europarechtlich begründet sein kann und entgegenstehende nationale Beschränkungen auf eine bloß nachprüfende verwaltungsgerichtliche Kontrolle (beschränkte richterliche Kognitionsbefugnis) im Sinne des europarechtlichen Anwendungsvorranges verdrängt werden. (V. Madner, Effektiver gerichtlicher Rechtsschutz, Anwendungsvorrang und zuständige gerichtliche Kontrollinstanz, ZfV 1/2011, 1ff).

Für die hier zu prüfende Frage der vollen zivilrechtlichen Kognitionsbefugnis der Agrarbehörden hat diese neuere Judikatur des VfGH über den zivilrechtlichen Kernbereich folgende Konsequenzen: Da auch nach der neueren Rechtsprechung des VfGH klar ist, dass die mit Aufgaben der Bodenreform betrauten Behörden über zivilrechtliche Fragen zu befinden haben (VfSlg 5741/1968; 7284/1974; dies entspricht auch der Judikatur des EGMR, siehe Mayer (aaO) 663), muss – im Sinne der oben dargestellten „Kernbereichs-Judikatur“ – ein „Tribunal“ entsprechend den Garantien des Art 6 EMRK entscheiden, weil die ordentliche Gerichtsbarkeit im Bodenreformrecht ja ausdrücklich gesetzlich ausgeschlossen wird (§§ 72 und 73 TFLG 1996). Die Agrarsenate der Länder und des Bundes sind auf Grund der verfassungsrechtlichen Vorgaben in Art 20 Abs 2, 133 Z 4 und 12 Abs 2 B-VG und der gesetzlichen Einrichtungsnormen sicher als „Tribunale“ gemäß den Garantien des Art 6 MRK eingerichtet und damit als „Gerichte“ im Sinne dieser Norm und des Art 267 (Vorabentscheidungen) des AEUV (Vertrag von Lissabon) zu qualifizieren. (AgrarbehördenG 1950 und Landes-Ausführungsgesetze; VfGH Erk Slg 14.390/1995; 15.657/1999; Walter/Mayer/Kucsko-Stadelmayer, Bundes-Verfassungsrecht10 (2007) Rz 1534 ff)

Damit haben jedenfalls die Agrarsenate kraft Verfassungsrecht die volle richterliche Kognitionsbefugnis – wie die sonst zuständigen Zivilgerichte – in allen Rechtsfragen des Bodenreformrechts, welche materiell „bürgerliche Rechtssachen“ im Sinne des ABGB darstellen. Ein Ausschluss von dieser umfassenden zivilrechtlichen Kognitionsbefugnis – oder auch nur ihre sachliche und rechtliche Beschränkung – in Rechtsfragen, die das Gemeindegut betreffen, ist nirgends rechtlich festgelegt und wäre auch im Sinne der verstehenden Ausführungen verfassungswidrig und europarechtlich unzulässig. Soweit die Agrarbehörden erster Instanz als monokratisch organisierte Verwaltungsbehörden über Fragen des „zivilrechtlichen Kernbereiches“ entscheiden, ist dies mit Art 6 MRK deshalb vereinbar, weil gemäß Art 11 Abs 2 B-VG, letzter Halbsatz jedenfalls eine Berufung an den Landes-Agrarsenat zulässig sein muss. (Zur „vollen Kognitionsbefugnis sowohl in Tatsachen- als auch in Rechtsfragen“ der Tribunale nach Art 6 MRK siehe die Hinweise bei Walter/Mayer/Kucsko-Stadelmayer (aaO) Rz 1542, insbes die Entscheidungen des EGMR v 22.10.1984, Sramek, EuGRZ 1985, 336; v 23.10.1995 Gradinger, LÖJZ 1995, 954; v 20.12.2001 Baischer, ÖJZ 2002, 394; Neufassung durch die B-VG-Novelle 1975)

Zivilrechtlichen Kognition und Enteignung

Die den Agrarbehörden im Rahmen der Funktionen der Bodenreform übertragenen zivilrechtlichen Kognitionsbefugnisse stehen zwar im Rahmen einer Klärung und Neuordnung der agrarischen Rechtsverhältnisse und können im Rahmen dieser Entscheidungen auch zu Eigentumseingriffen führen, die verfassungsrechtlich zu beurteilen sind. (VfGH Erk v 10.12.2010, B 639/10 unter Hinweis auf frühere) Ausgeschlossen ist aber, dass der Gesetzgeber durch diese Eigentumseingriffe zu „Enteignungen“ im Sinne des Art 5 StGG und der ständigen Rechtsprechung des VfGH ermächtigt habe. Denn zum Wesen der Enteignung gehört, dass „eine Sache durch Verwaltungsakt oder unmittelbar durch Gesetz dem Eigentümer zwangsweise entzogen und auf den Staat, eine öffentliche Körperschaft oder eine gemeinnützige Unternehmung übertragen wird oder dass daran auf gleiche Weise fremde Rechte begründet werden“. (VfGH 1123/1928; 2934/1955 und Folgejudikatur; ebenso die herrschende Lehre, Berka (aaO) Rz 723 ff)

Im Rahmen der Bodenreform findet aber grundsätzlich keine Eigentumsübertragung oder Rechtsbegründung zur Erfüllung öffentlicher Verwaltungsaufgaben statt, weil das Ziel der Bodenreform die Neuordnung der Bodenbesitz-, Benützungs- und Bewirtschaftungsverhältnisse zur Verbesserung der privatnützigen Bewirtschaftung von agrargemeinschaftlichen Grundstücken ist. Entscheidungen der Agrarbehörde sollen daher primär die bestehenden Rechtsverhältnisse – einschließlich des Eigentums – wie ein Zivilgericht klären („feststellen“) und sodann eine planmäßige Neuordnung vornehmen, soweit dies zweckmäßig und erforderlich ist.

Auch diese Neuordnung soll die Rechte der Beteiligten wahren und soweit als möglich auf Grund von Parteienvereinbarungen erfolgen. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des VfGH und VwGH über das Erfordernis der Verhältnismäßigkeit von Eigentumseingriffen. (VfSlg 12.415/1990; § 75 Abs 4 TFLG; Berka (aaO) Rz 731 f) Denn: „Dieser Judikatur liegt der Gedanke zugrunde, dass ein Eigentumseingriff nur dann im öffentlichen Interesse erforderlich sein kann, wenn eine privatrechtliche Einigung nicht möglich ist“. (VfGH Erk Slg 13.579/1993)

Wenn die Agrarbehörde also eine (konstitutive) Eigentumsfeststellung trifft, entzieht sie dadurch nicht Eigentum wie eine Enteignung – selbst wenn sie dieses Eigentum auf eine andere Rechtsperson überträgt –, sondern reguliert Eigentumsverhältnisse als eine Maßnahme der Bodenreform. Das bedeutet: Nur im Zusammenhang mit dem vorangegangenen Regulierungsverfahren kann geklärt werden, ob eine Eigentumsübertragung überhaupt vorliegt und – wenn dies der Fall ist – ob der Eigentümerwechsel lediglich eine „Umgründung“ in eine Agrargemeinschaft als Körperschaft öffentlichen Rechts war oder der Übertragung des Eigentums eine Parteienvereinbarung zugrunde liegt, die der Regulierungsplan der Agrarbehörde berücksichtigte. (Zum konstitutiven Charakter der agrarbehördlichen Eigentumsfeststellung vgl VfSlg 17.779/2006 und besonders klar v 10.12.2010, B 639/10; vgl Raschauer, Rechtskraft und agrarische Operationen nach TFLG, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler, Die Agrargemeinschaften in Tirol, 2010, 265 ff, 278)
Diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben für eine umfassende zivilrechtliche Kognitionsbefugnis der Agrarbehörden im Rahmen der Aufgaben der Bodenreform entspricht die einfachgesetzliche Regelung der Eigentumsfeststellung bei agrargemeinschaftlichen Grundstücken seit den historischen „Reichsrahmengesetzen“ von 1893 über alle Gesetzesänderungen hinweg bis zur geltenden Rechtslage.

-.-.-.-.-.-

aus:
Pernthaler/Oberhofer,
Die Agrargemeinschaften und die „agrarische Operation“

in: KOhl/Oberhofer/Pernthaler/Raber (Hg),
Die Agrargemeinschaften in Westösterreich, 429ff

..

MP

Agrarbehörde statt
Zivilgericht

Bereits im Jahr 1883 als die Agrargesetzgebung mit den so genannten „drei agrarischen Reichs-Grundsatzgesetzen“ ihren Ausgang nahm, hat der Gesetzgeber die „Commassionsbehörden“ (= heute „Agrarbehörden“) als Alternative zu den Zivilgerichten geschaffen. Diese Behörden sollten eine ausschließliche Zuständigkeit besitzen für besondere Verfahren zur reformatorischen Umgestaltung historisch gewachsener Strukturen an land- und forstwirtschaftlich genutzten Liegenschaften. Alle Erkenntnisse und Bescheide, die in diesen Verfahren gefällt wurden, hatten und haben die Wirkung von gerichtlichen Urteilen.

Wer in Erfahrung bringen will, welche Motive die Abgeordneten im Österreichischen Reichsrat im Jahr 1883 dazu bewogen haben, spezielle Behörden einzusetzen, damit diese in die als verwirrend empfundenen Verhältnisse an den „Gemeindegründen“ und anderen Liegenschaften in agrargemeinschaftlicher Nutzung Klarheit bringen, findet in den Debattenbeiträgen der Abgeordneten im Österreichischen Reichsrat des Jahres 1883 eine reiche Erkenntnisquelle. (Sten. Prot. des Abgeordnetenhauses des österreichischen Reichsrates, 268. Sitzung der IX Session am 22. Februar 1883, Seiten 9214 bis 9243)

.
Beispiel:
Abgeordneter Dr. Johannes Zak, Advokat und Notar, Mitglied im Böhmischen Landesausschuss, Berichterstatter des Commassionsausschusses,
Seite 9225:

„Ich muss konstatieren, dass die Streitigkeiten zwischen den Klassen in den Gemeinden, oder, wenn sie wollen, zwischen der Gemeinde als solcher einerseits und zwischen den gewissen Singularristen auf der anderen Seite, auf der Tagesordnung sind. Wer einmal Gelegenheit hatte, die Agenda des Landesausschusses im Kronlande Böhmen – und ich glaube es wird in anderen Kronländer auch nicht anders sein – einzusehen, wird finden, dass das größte Perzent derselben Streitigkeiten um die so genannten Gemeindegründe sind.

Ich selbst habe einen Fall beim böhmischen Landesausschuss anhängig, der sich schon fünf bis sechs Jahre hinzieht und der böhmische Landesausschuss ist nicht in der Lage – ich kann ihm dies nicht verdenken – die Sache zu entscheiden, denn dieselbe ist so verworren und so schwierig, dass der Landesausschuss immer und immer wieder Erhebungen und Einvernehmungen von Gedenkmännern verfügt und dennoch immer nicht vorwärts kommt. Und wenn der Landesausschuss endlich einmal die Entscheidung gefällt haben wird, dann geht derjenige Teil, der mit der Entscheidung nicht zufrieden ist an den Verwaltungsgerichtshof und wenn er auch hier Sachfällig wird, betritt er den gerichtlichen Rechtsweg.

Gestatten Sie mir, dass ich als praktischer Mann mich in diesen Fragen absolut gegen die Judikatur der Gerichte ausspreche. Einerseits ist die Bestimmung des 16. Hauptstückes des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches eine derartige, dass sie auf diese Verhältnisse überhaupt nicht passt. Der Zivilrichter hat aber eine andere Bestimmung nicht. Auch sind die Bestimmungen unserer Zivilprozessordnung derart, dass es in der Tat sehr schwer fällt, dieselben auch auf solche Fälle anzuwenden und schließlich: Um was handelt es sich denn in den meisten gerichtlich anhängig gemachten Prozessen? Derjenige Teil, der mit der Klage auftritt, behauptet gewöhnlich, er habe das Eigentum der so genannten Gemeindegründe ersessen. Zu diesem Behufe findet er fast immer die Gedenkmänner, durch welche bewiesen wird, dass die altangesessenen das so genannte Gemeindegut von Alters her wirklich besessen, genutzt, verwaltet und daraus die Nutzungen gezogen haben und die Gerichte müssen selbstverständlich der Klage stattgeben. Das Gemeindegut wird sofort dem Einzelnen als ihr Privateigentum zuerkannt, die Gemeinde zahlt die Gerichtskosten und verliert ihr Vermögen.

Und doch hat man gemeint, es wären aus diesem Gesetze alle diejenigen Fälle auszuscheiden, wo es sich um das so genannte Gemeindegut handelt. Mit dem Gemeindegut hat es auch seine eigene Bewandtnis. Ich kenne sehr viele Fälle, wo das so genannte Gemeindegut überhaupt das Gemeindevermögen entweder im Kataster oder selbst im Grundbuch der Gemeinde zugeschrieben ist. Aber was kauft sich die Gemeinde dafür? Dieses Gemeindevermögen benützen einzelne wenige und wenn sie von diesem Vermögen die Steuer zahlen, so sind sie noch – ich möchte sagen – sehr gute Leute; gewöhnlich lassen sie noch die Gemeinde die Steuer zahlen. So stehen die Verhältnisse.

Kurz vor Eröffnung dieses Sessionsabschnittes habe ich als Kurator einer Gemeinde – ich muss sagen als wirklich zu beklagender Kurator – derartigen gerichtlichen Einvernahmen beigewohnt und was ist dabei konstatiert worden? Alle Gedenkmänner haben gesagt, die Besitzer von Nr. 1 bis Nr. 10 haben diese Gemeindegründe, welche 900 Metz sehr gute Gründe betragen, besessen, benutzt, verwaltet und sich den Nutzen zugeeignet, die anderen in der Gemeinde lebenden Insassen haben darauf keinen Anspruch. Nun ist es wohl voraussichtlich, welchen Erfolg ich eben als Kurator in dem anhängig zu machenden Prozesse haben werde. Das Schicksal des Prozesses ist bereits im Vorhinein entschieden und so, meine Herren, geht es in sehr vielen, ja in den meisten Fällen.

Ja meine Herren, man wird vielleicht einwenden, dass das Gesetz, wenn es sich um ein wirkliches Gemeindegut handelt, wirklich wohltätige Wirkungen haben könnte, weil denn doch vorauszusetzen ist, dass im Laufe der Verhandlungen in den meisten Fällen zwischen den Berechtigten und der Gemeinde als solcher ein akzeptabler Vergleich werde geschlossen werden. Und ich gebe mich dieser Hoffnung hin, weil ich glaube, dass diejenigen, welche jetzt im Besitze der Nutzungen sind, höchstwahrscheinlich es verschmerzen werden, wenn sie einen gewissen Teil desjenigen Vermögens zu Handen der Gemeinde herauszugeben haben werden, welches sie bisher ausschließlich benutzt und besessen haben. (Seite 9225f)

Allein, wenn wir hier auch von dem Gemeindegut als solchem absehen, und uns nur mit dem unbestrittenen bloßen Klassenvermögen beschäftigen, so sind auch auf diesen Fall die Bestimmungen des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches ganz und gar unanwendbar. Sehen wir nun, wie es mit der Verwaltung solcher Grundstücke, seien dieselben ein Gemeinde- oder ein Gemeingut, bestellt ist. Erfahrungsgemäß ist diese Verwaltung eine so schlechte, dass es in der Tat nicht mehr zu begreifen ist, wie in unserem Jahrhunderte etwas derartiges noch Platz greifen kann, und ich glaube, die Regierung hat nicht bloß das Recht, sonder auch die Pflicht, nicht bloß die unglaublich schlechte Bewirtschaftung solcher Grundstücke, sondern auch den Gegenstand selbst zu amoviren, welcher letzterer in den Gemeinden nur dazu zu seien scheint, um einen ewigen Zankapfel zu bilden, bei jeder Gemeindewahl als Kampfobjekt hingestellt zu werden, um nach vollzogener Gemeindewahl abermals wieder der Devastation zu verfallen, nicht anders, als es vorher der Fall gewesen ist.“ (Seite 9226)

.
Beispiel:
Abgeordneter Dr. Josef Kopp: Mitglied im Commassionsausschuss, Mitglied im Niederösterreichischen Landesausschuss,
Seite 9221f

„Es ist nicht möglich, dass die Gerichte eine verständliche, den Verhältnissen entsprechende Entscheidung treffen. Diese Möglichkeit muss vor allem anderen entfernt werden, und das […] kann die Landesgesetzgebung nicht tun. Darum ist ein Reichsgesetz notwendig […]“.

ders, Seite 9222f: „Den selbst wenn man mit Zuhilfenahme der vollständig ungenügenden Bestimmungen der Gemeindeordnungen und der einschlägigen Gesetze sich im Landesausschusse bemüht eine halbwegs erträgliche und befriedigende Ordnung herzustellen, so tritt uns eines immer störend entgegen, dass nämlich die Ingerenz der Gerichte in keiner Wiese ausgeschlossen ist, so dass derjenige, welcher mit dem Zustande nicht zufrieden ist, sich an die Gerichte wendet, die dann lediglich nach den Bestimmungen des bürgerlichen Gesetzbuches über gemeinsames Eigentum und nach dem hier sehr ominösen Bestimmungen über die Verjährung und Ersitzung entscheiden, ohne im Entferntesten bei dem besten Willen nur die realen Verhältnisse verstehen und berücksichtigen zu können, und ohne insbesondere die wirtschaftlichen Rücksichten irgendwie walten lassen zu dürfen. So kreuzen sich denn in den Gemeinden ältere Verordnungen und Entscheidungen der Landesbehörden, neuere Beschlüsse der Gemeinden, faktische Zustände, Entscheidungen des Landesausschusses und verschiedene gerichtliche Entscheidungen, kurz es wird ein Chaos geschaffen. Diesem Chaos soll hier ein Ende gemacht werden, und darum begrüßen wir in einem Falle, wo staatsrechtliche, politische, nationale, provinziale Eifersüchteleien oder Streitigkeiten gar nicht am Platze sind, dieses Gesetz als eine wahre Erlösung.“

ders, Seite 9234: „Aber eines kann das Land nicht, […] das Land kann niemals hindern, dass die Gerichte angerufen werden, und dass die Regulierungen, welche die autonomen Behörden und auch der Landesausschuss treffen, durchkreuzt und eludiert werden, durch ein richterliches Urteil, und das ist das Schlimmste, weil die Gerichte gar nicht in der Lage sind, diese Verhältnisse in ihrem eigentlichen Wesen zu begreifen, weil diese eigentümlichen Besitz- und Nutzungsverhältnisse ihren Ursprung haben in einem alten Volksrechte, in einem germanischen oder slavischen Volksrechte, welches durch das hineingeschneite römische Recht und die demselben nachgebildeten Gesetze mit Ignorierung der alten Volksanschauungen in Verwirrung gebracht worden sind.“

-.-.-.-.-.-

.
Sonderorganisation in der Monarchie

Die Durchführung der drei Reichsrahmengesetze 1883, RGBl 92-94, wurde von Anfang an Besonderen Verwaltungsbehörden übertragen (§§ 6 ff des Gesetzes RGBl 1883/92; § 1 RGB l 1883/93; § 1 RGBl 1883/94), weil die bisherige Kompetenz der Zivilgerichte endlose Prozesse zur Folge hatte, aber keine sinnvolle Neuordnung der unsicheren Rechtsverhältnisse und agrarischen Bewirtschaftungsprobleme agrargemeinschaftlicher Grundstücke herbeiführen konnte. Als neue Behörden wurden in erster Instanz „Lokalkommissäre“, in zweiter Instanz „Landeskommissionen“ und in oberster Instanz eine „Ministerialkommission“ für agrarische Operationen eingerichtet, die organisatorisch mit den politischen Landesbehörden (Statthalterei bzw Landesregierung) und dem Ackerbauministerium verbunden waren. (Adamovich sen, Handbuch des österreichischen Verwaltungsrechts. Erster Band: Allgemeiner und formalrechtlicher Teil (1954) 162)

Die neuen Sonderbehörden sollten auf Grund ihrer besonderen Organisationsstruktur Kenntnis der lokalen und regionalen Besonderheiten mit rechtlicher und fachlicher Sachkunde, aber auch Entscheidungsautorität einer „politischen Behörde“ verbinden. Auf Grund ihrer Unabhängigkeit und richterlichen Mitglieder waren die Entscheidungen der Landes- und Ministerialkommissionen von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 3 lit b des Gesetzes RGBl 36/1876 ausgeschlossen. (Pernthaler, Die Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag (1977) 18; diese Beschränkung der Verwaltungsgerichtskontrolle wurde erst durch § 8 der Agrarbehördengesetznovelle 1974, BGBl 476 beseitigt).
Dafür kam den Entscheidungen („Erkenntnissen“) dieser Behörden und den von ihnen genehmigten Vergleichen die Rechtswirkungen richterlicher Erkenntnisse bzw Vergleiche zu, die unmittelbar vollstreckbar waren. (§ 7 RGBl 1883/92)

Die sehr begrenzten Ausnahmen von der Allzuständigkeit der Agrarbehörden in besonderen Eigentums- und Besitzstreitigkeiten zugunsten der ordentlichen Gerichtsbarkeit (§ 7 Abs 2 RGBl 1883/92; ebenso noch jetzt § 72 Abs 7 TFLG 1996) machen deutlich, dass die Kognitionsbefugnis der Agrarbehörden sich von Anfang an auch auf die zivilrechtlichen Feststellungen und Entscheidungen in Eigentumsfragen der agrargemeinschaftlichen Grundstücke bezogen, die außerhalb der Verfahren der Bodenreform in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit fielen.

.
Organisatorische Neuregelung in der Republik

Schon vor dem Inkrafttreten der Bundesverfassung wurde die Organisation der Agrarbehörden neu geordnet. (Gesetz StGBl 1920/195) An die Stelle der „beeideten Lokalkommissäre“ traten „Agrarbezirksbehörden“, in den Ländern wurden „Agrarlandesbehörden“ und die „Agraroberbehörde“ beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft eingerichtet.
Durch das Bundesgesetz, BGBl 1925/281, wurde diese Organisation der durch die B-VG-Novelle 1925 neu geordneten allgemeinen staatlichen Verwaltungen in den Ländern angepasst und durch das Bundesgesetz, BGBl 1937/133, in die bis in die jüngste Zeit geltende Organisation der Agrarbehörden umgewandelt: In erster Instanz ist die monokratisch organisierte Agrarbezirksbehörde als Sonder-Landesbehörde tätig, soweit die Landesgesetzgebung auf Grund der Ermächtigung des § 3 Abs 2 des Agrarbehördengesetzes 1950 nicht von der Einrichtung eigener Agrarbezirksbehörden absieht und ihre Aufgaben dem Amt der Landesregierung zuweist.

Während der deutschen Besetzung traten an die Stelle der österreichischen Vorschriften die Bestimmungen der Verordnung vom 16.2.1940, RGBl I, 367; durch die Kundmachung BGBl 1946/85 auf Grund des § 1 Abs 2 Rechts-Überleitungsgesetzes, StGBl 1945/6, wurden diese deutschen Rechtsvorschriften als aufgehoben erklärt. (Weil sie gemäß § 1 Abs 1 R-ÜG „mit den Grundsätzlichen einer echten Demokratie unvereinbar sind und dem Rechtsempfinden des österreichischen Volkes widersprechen“; vgl dazu VfGH Erk Slg 4320/1962 über den Unterschied zwischen Polizeistaat und (dem österreichischen) Rechtsstaat)

Die ehemaligen österreichischen Vorschriften gemäß § 1 Abs 3 R-ÜG wurden neuerlich in Geltung gesetzt. In der Fassung der Novelle BGBl 1947/179 wurden sie als „Agrarbehördengesetz 1950“, BGBl 1951/1 wiederverlautbart und stehen als solche – in der Fassung BGBl I 1999/191 und BGBl I 2006/113 – noch heute in Geltung.
Die Einrichtungsvorschriften der republikanischen Verwaltungsorganisation hielten an der oben dargestellten kommissionellen Behördenstruktur mit quasi-richterlichen Unabhängigkeit der Senate fest, wie sie seit 1883 die Agrarbehörden auf Landesebene und bei der Zentralbehörde kennzeichnete. Das war schon deshalb erforderlich, weil sich weder am sachlichen Wirkungsbereich der „Bodenreform“ noch an der Kombination von zivilrechtlicher und verwaltungsbehördlicher Entscheidungsbefugnis – unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges – der Agrarbehörden irgendetwas änderte.

Die Kognitionsbefugnis der Agrarbehörden umfasst seit den oben angeführten Reichsrahmengesetzen von 1883 unverändert bis heute als Kernkompetenz die Entscheidung über die Eigentumsverhältnisse an agrargemeinschaftlichen Grundstücken, unabhängig davon, wem diese bücherlich zugeschrieben sind, insbesondere auch an agrargemeinschaftlichen Liegenschaften im Bucheigentum einer Ortsgemeinde.

..

MP

Gesetzesentwicklung

Coming soon…

Zur gesetzlichen Regelungstechnik des FlVerfGG 1932

Das FlVerfGG 1932, das eine umfassende Neuordnung der Bodenreform vornahm und gleichzeitig alle „Reichsrahmengesetze“ 1883 außer Kraft setzte (§ 54 Abs 2), regelte die „Ordnung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse an agrargemeinschaftlichen Grundstücken“ (Teilung und Regelung). Die Legaldefinition dieser „agrargemeinschaftlichen Grundstücke“ war in einer Generalklausel (§ 15 Abs 1) enthalten, die mit jener des TRRG 1883 (§ 1 Abs 1) wörtlich übereinstimmte. Aus den Landes-Ausführungsgesetzen zum TRRG 1883 übernahm das FlVerfGG 1932 auch die Rechtstechnik, diese Generalklausel mit speziellen Anwendungsfällen zu kombinieren, wodurch „das einer gemeinschaftlichen Benutzung nach den Bestimmungen der Gemeindeordnungen unterliegende Gemeindegut (Ortschafts-, Fraktionsgut)“ ausdrücklich im Grundsatzgesetz verankert wurde (§ 15 Abs 2 lit d FlVerfGG).
Dieser in der Legaldefinition des Gemeindegutes enthaltene Verweis auf die Gemeindeordnungen hatte eine doppelte Bedeutung: Er sollte einerseits die Vollzugskompetenz der Agrarbehörden gemäß §§ 34 und 35 FlVerfGG 1932, andererseits die Vollzugskompetenz der Gemeindeorgane klarstellen, welche erhalten bleiben sollte, soweit dies mit den flurverfassungsrechtlichen Vorschriften auf der Grundlage des Art 12 B-VG vereinbar war. (Zur Abgrenzung der Kompetenzen der Agrarbehörden und der Gemeindeorgane betreffend Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung: Pernthaler in Kohl ea, Agrargemeinschaften Westösterreich 409ff)

Diese Teilung der Vollzugskompetenz bezüglich des „Gemeindegutes in gemeinschaftlicher Benutzung“ hatte vor allem verwaltungstechnische Gründe: Weil die Formulierung der Gemeindeordnung über „das Recht und die Nutzung nach der bisher gültigen Übung“ und die institutionelle Ausgestaltung des „Gemeindegutes“ dies begünstigte, verwalteten die Ortsgemeinden zur Zeit der Erlassung des FlVerfGG 1932 nicht nur alle tatsächlich in ihrem Eigentum stehenden agrargemeinschaftlichen Liegenschaften, sondern auch den größten Teil der agrargemeinschaftlichen Liegenschaften des ehemaligen Klassenvermögens (§ 11 bzw 12 der Ausführungsgesetze zum Reichsgemeindegesetz 1862), in Wahrheit also Eigentum von (noch nicht regulierten) Agrargemeinschaften. (Vgl Öhlinger in Kohl ea, Agrargemeinschaften Tirol 239 ff sowie Kühne/Oberhofer in Kohl ea, Agrargemeinschaften Westösterreich 316ff) Die Agrarbehörden wären vollkommen überfordert gewesen, schlagartig die Verwaltung aller dieser Liegenschaften zu regulieren und die „bisher gültige Übung“ ebenso wie die ungeklärte Eigentumssituation rechtlich verbindlich festzulegen.

Es kann also keine Rede davon sein, dass das FlVerfGG „mit dem Hinweis auf die Gemeindeordnungen und durch die Übernahme des durch die Gemeindeordnungen geprägten Begriffes Gemeindegut“ bereits das „Eigentum der Gemeinde“ an diesen Agrargemeinschaften vorausgesetzt habe. Dies ist schon deshalb auszuschließen, weil das FlVerfGG 1932 eine neue Zuständigkeit der Agrarbehörden begründete, über Eigentum und Besitz an agrargemeinschaftlichen Grundstücken (einschließlich des Gemeindeguts in agrargemeinschaftlicher Nutzung) auch außerhalb eines „klassischen“ Teilungs- oder Regulierungsverfahrens (§ 34 FlVerfGG 1932) zu entscheiden (§ 35 Abs 1 FlVerfGG – Die ErlRV 78 BlgNR IV. GP 13, weisen auf diese Erweiterung der Zuständigkeiten der Agrarbehörden besonders hin und begründen sie damit, dass die Agrargemeinschaften einschließlich des Gemeindegutes „nach innen und nach außen ungeklärte Verhältnisse aufweisen, was einer zeitgemäßen Wirtschaftsführung im Wege steht und nur durch die Mitwirkung der Staatsgewalt beseitigt werden könne“).

Die ausdrückliche Übernahme des Gemeindegutes in agrargemeinschaftlicher Nutzung in das FlVerfGG sollte also gerade nicht „Eigentum der Gemeinde“ rechtlich undifferenziert in die Agrarverfahren einbeziehen und damit gleichheitswidrig den anderen Agrargemeinschaften gleichstellen. (Verfehlt VfSlg 9336/1982 III.2. der Begründung) Vielmehr sollte damit deutlich gemacht werden, dass das agrargemeinschaftlich genutzte Gemeindegut dem Flurverfassungsrecht untersteht und die zunächst noch „ungeklärte“ Eigentumsfrage in allen diesen rechtlich sehr unterschiedlich strukturierten Verhältnissen im Verfahren vor der Agrarbehörde – an Stelle der sonst zuständigen Zivilgerichte – zu klären ist.

Fortsetzung folgt!

Ackerbauministerium:
Erste agrarische
Operationen

Einleitung:

Tirol hielt in Sachen Teilung und Regulierung von Agrargemeinschaften im wahrsten Sinn Dornröschenschlaf, während andere Bundesländer („Kronländer“) noch in den 1880 Jahren damit begangen, die Rechtsverhältnisse an den agrarischen Gemeinschaftsliegenschaften in die richtige rechtliche Ordnung zu bringen.

Das k.k. Ackerbauministerium für Cisleithanien (Österreichische Länder: Habsburgische Erblande und Böhmische Krone) wurde im Jahr 1867 eingerichtet. Neben den landwirtschaftlichen Angelegenheiten waren diesem neuen Ministerium von Anfang an auch die forstlichen unterstellt, sowie Jagd und Fischerei sowie der Wasserbau (soweit es sich nicht um Angelegenheiten des Verkehrs oder militärische Interessen handelte). Die frühen Aktivitäten des Ministeriums sind in Berichten dokumentiert.

 Diese Berichte des k.k. Ackerbau-Ministeriums dokumentieren insbesondere alle Aktivitäten die Amtszeit des langjährigen Ackerbauministers Julius Graf von Falkenhayn betreffend. In seiner Ära wurden die ersten Teilungs- Regulierungsgesetze geschaffen und die ersten agrarischen Operationen ausgeführt. Julius Graf von Falkenhayn (* 20. Februar 1829 in Wien; † 12. Jänner 1899 ebenda) war vor seiner Ernennung zum Minister als Politiker in Oberösterreich aktiv; im Verlauf des Jahres 1871 war er kurzzeitig Vorsitzender des Oberösterreichischen Landtages. Ackerbauminister war er vom 12. Aug. 1879 bis 19. Juni 1895, sohin knapp 16 Jahre lang.

 

WEITER LESEN

Folgende Berichte über die Tätigkeit des Ackerbauministeriums sind digital verfügbar:
Tätigkeitsbericht 1869 bis 1874
1875 und 1876: fehlt
Tätigkeitsbericht 1877 bis 1880
Tätigkeitsbericht 1881 bis 1886
Tätigkeitsbericht 1887 bis 1893
Tätigkeitsbericht 1894 bis 1897

Aufgrund dieser Berichte verfügen wir über eine leicht zugängliche Dokumentation aller behördlichen Aktivitäten auf dem Gebiet der agrarischen Operationen aus dem Zeitraum der ersten 15 Jahre nach Inkrafttreten des Teilungs- Regulierungs- Reichsgesetzes (TRRG 1883). Diese Aktivitäten sind nach den verschiedenen Kronländern gegliedert.

 

Inhalt:
Agrarische Operationen 1869 bis 31.12.1874
Agrarische Operationen 1877 bis 31.12.1880
Agrarische Operationen 1881 bis 31.12.1886
Drei Reichsgesetze über agrarische Operationen
Mähren
Kärnten
Niederösterreich
Agrarische Operationen 1887 bis 31.12.1893 
Mähren
Kärnten
Niederösterreich
Krain
Salzburg
Böhmen
Galizien
Agrarische Operationen 1894 bis 31.12.1897
Mähren
Kärnten
Niederösterreich
Krain
Salzburg
Böhmen
Galizien

 

Bericht über die Tätigkeit des K.K. Ackerbau-Ministeriums in der Zeit vom 01. Jänner 1869 bis 31.12.1874. Department IV, Zusammenlegung, Zerstückelung und Entlastung des Grundbesitzes, 187ff.

Die legislativen Verhandlungen über die Zusammenlegung und Zerstückelung von Grundstücken gehörten früher in den Wirkungskreis des Ministeriums des Inneren. Mit Rücksicht auf die vorwiegend landwirtschaftliche Ausrichtung des Gegenstandes wurden dieselben zufolge allerhöchster Entschließung vom 13. August 1869 (Kundmachung des Ackerbau-Ministeriums vom 27. August 1869, RGBl 144) über Anregung des Ackerbau-Ministeriums dem Wirkungskreis dieses Ministeriums zugewiesen.

So sehr auch die großen Vorteile der Arrondierung des Grundbesitzes in den einzelnen landwirtschaftlichen Kreisen längst erkannt worden waren, so fehlte es doch noch vielfach an der Einsicht über die Mittel, durch welche die große agrarische Reform einer durchgreifenden Arrondierung des Grundbesitzes zu erreichen ist. Noch im Jahr 1867 war im Niederösterreichischen Landtag das Bedürfnis nach einem Arrondierungsgesetz in Abrede gestellt worden. Die Aufgabe des Ackerbau-Ministeriums war es daher, nicht bloß einen Gesetzentwurf zusammenzustellen, sondern auch das Bedürfnis nach einem solchen zum allgemeinen Bewusstsein zu bringen und für denselben und seine wichtigen Prinzipien die öffentliche Meinung zu gewinnen und vorzubereiten.

Schon im Jahr 1869 wurde im Auftrag des Ackerbau-Ministeriums vom damaligen Ministerialsekretär Karl Peyrer als Vorbereitung für die weitere legislative Behandlung eine Schrift verfasst und unter dem Titel „Die Arrondierung des Grundbesitzes und die Anlegung gemeinschaftlicher Feldweg“, Wien, Hof- und Staatsdruckerei, in deutscher, später über Auftrag der Landes-Organe in Dalmatien und im Küstenland auch in italienischer Sprache veröffentlicht. Derselben ist auch ein auf Grundlage des damals vorgelegten, noch sehr mangelhaften Materials zusammengestellter Gesetzesentwurf beigegeben.

Die erwähnte Druckschrift und der Gesetzentwurf wurden den beteiligten Ministerien und den Länderstellen, den Landwirtschaftsgesellschaften und Landesausschüssen, einzelnen Fachmännern und auch mehreren deutschen Regierungen mitgeteilt; auch sind in den einzelnen österreichischen Ländern sowohl durch die Katastralorgane als auch durch andere Fachkreise Erhebungen über die Lage und die Zerstückelung des Grundbesitzes, über die durchschnittlichen Größen der Parzellen, über sonstige in den Besitzverhältnissen liegende Übelstände usw. eingeleitet worden. In den Ländern wurden unter Beiziehung von Fachmännern Beratungen abgehalten, an denen sich in einzelnen Fällen über Wunsch der Landesorgane auch das Ackerbauministerium durch einen Vertreter beteiligt hat. Zugleich wurden verschiedene Gelegenheiten, wie zB die Wanderversammlung der österreichischen Land- und Forstwirte in Linz, jene der deutschen Landwirte in München im Jahr 1872, der agrarische Kongress in Wien im Jahr 1873 – ferner wiederholte Besprechungen im landwirtschaftlichen Wochenblatt und in den Mitteilungen des Ackerbauministeriums dazu benützt, um den Gegenstand möglichst klarzustellen, die Entwürfe zu verbessern und in solcher Weise die legislative Behandlung vorzubereiten. …

Mit der Zusammenlegung der Grundstücke steht auch die Ablösung gemeinschaftlicher Nutzungsrechte mittels Teilung der gemeinschaftlich benützten Gründe (Teilung der Hutweiden) oder Regulierung der Nutzungsrechte und Herstellung genossenschaftlicher Einrichtungen (Bildung von Waldgenossenschaften und dergleichen) sowie die Ablösung von Servituten in innigster Verbindung. Ein vom Landtag in Krain wiederholt beschlossener Gesetzesentwurf über die Teilung der Hutweiden konnte der allerhöchsten Sanktion nicht empfohlen werden, weil derselbe, abgesehen von einzelnen formellen Gebrechen der notwendigen Arrondierung des Grundbesitzes und auch den Rücksichten für die Waldkultur nicht Rechnung getragen hat. Die Prinzipien des Gesetzesentwurfes, sowie die Gründe der Ablehnung nach den an die Krainerische Landesvertretung gemachten Mitteilungen des Ackerbau-Ministeriums vom 11. Jänner 1871 sind dargestellt im Märzheft der österreichischen Monatszeitschrift für Forstwesen, Jahrgang 1871, unter der Überschrift „Die Gesetzentwürfe über die Teilung der Gemeingründe in Krain“.

Auch einzelne andere in verschiedenen Landtagen beschlossene Gesetzesentwürfe über Teilung von Gemeingründen und ein im Mährischen Landtag im Jahr 1868 beschlossener Gesetzentwurf über die Arrondierung des Grundbesitzes konnten der allerhöchsten Sanktion nicht empfohlen werden, weil die zwischen den beteiligten Ministerien in eingehender Weise gepflogenen Verhandlungen die Mängel der Entwürfe klargestellt hatten.

Um die Zielpunkte der im Ackerbau-Ministerium weiter vorbereiteten legislativen Arbeiten zur klaren Anschauung zu bringen, ist es notwendig, die Ergebnisse der vom Ministerium eingeleiteten Erhebungen über die in den Besitzverhältnissen liegenden Übelstände und die Wirkungen der bisher zu ihrer Beseitigung getroffenen Maßregeln mit wenigen Worten hervorzuheben.

Nach den nunmehr aus allen österreichischen Ländern an das Ackerbau-Ministerium eingelegten Berichten und Gutachten sind die vorzüglichsten jener Übelstände die folgenden:

  1. die Zersplitterung des zu einer Wirtschaft gehörigen Grundbesitzes in zahlreiche zerstreute Parzellen mit unwirtschaftlicher Lage und Form (Gemengelage des Grundbesitzes);
  2. die ungeregelte oder unwirtschaftliche Benützung der Gemeingründe zur gemeinschaftlichen Holzung, zur Weide und zum Streubezug;
  3. die auf fremden Grundstücken derzeit noch haftenden Holzungs-, Weide- und Streubezugsrechte;
  4. der Mangel oder die unzweckmäßige Beschaffenheit der zur wirtschaftlichen Benützung notwendigen gemeinschaftlichen Einrichtungen in der Feldmark, namentlich der Feldwege und Wasseranlagen.

Es lässt sich nicht verkennen, dass die bisher besprochenen Erleichterungen und Begünstigungen mancherlei Verbesserungen in den agrarischen Besitzverhältnissen hervorgerufen haben. In allen österreichischen Ländern, insbesondere in jenen, in welchen der Verkehr mit unbeweglichen Gütern überhaupt ein lebhafter ist, kommen zahlreiche Täusche zur Verbesserung der Wirtschaft und Arrondierung des Grundbesitzes vor; in einzelnen Ländern, insbesondere in Mähren, Krain und im Küstenland werden durch Teilung der Hutweiden große, bisher nur zur Weide benützte Landstrecken einer besseren Kultur als Acker- und Wiesenland zugeführt; in den Gemeinwaldungen wurden hie und da teilweise durch die Einwirkung der Forstinspektoren und Forstkommissäre einzelne Verbesserungen eingeführt; durch die Verhandlungen nach dem Patent vom 5. Juli 1853 werden auch jetzt noch fortwährend Servitutsrechte geregelt und teilweise abgelöst.

Jene durchgreifenden Verbesserungen in den landwirtschaftlichen Besitzverhältnissen aber, welche durch die unter der Bezeichnung „Auseinandersetzungs-Verfahren“ bekannte agrarische Maßregel der Zusammenlegung der Grundstücke, Regelung der Gemeingründe und Ablösung der Forstservituten in den meisten deutschen Länder herbeigeführt worden sind, konnten durch obige Maßregeln nicht bewirkt werden.

Die Gemengelage des Grundbesitzes kommt in allen österreichischen Ländern noch in zahlreichen Gemeinden vor. Sie wurde veranschaulicht durch zahlreiche vom Ackerbau-Ministerium gesammelte Karten und ist das wesentliche Hindernis landwirtschaftlichen Fortschritts. Unter den derzeitigen landwirtschaftlichen Verhältnissen wird dieselbe umso schwerer empfunden, als sie den Bemühungen des Ackerbau-Ministeriums und der landwirtschaftlichen Vereine zur Verwaltung landwirtschaftlicher Maschinen unter den Kleinbesitzern wesentlich hinderlich ist und eine Verminderung des Bedarfs an landwirtschaftlichen Arbeitern trotz der steigenden Not an solchen, der sich stets mehrenden Kosten derselben nicht zulässt. Übereinstimmend ist die Anschauung, dass diesem Übelstand die bisherigen Erleichterungen der Arrondierung nicht abzuhelfen vermochten.

Die Zerteilung der Hutweiden hatte neben der durch dieselbe bewirkten Kulturverbesserung doch auch den nicht zu verkennenden Nachteil, dass sie die Zersplitterung und die Gemengelage des Grundbesitzes durch das Hinzutreten zahlreicher kleiner, mit dem übrigen Grundbesitz nicht regelmäßig verbundener Parzellen vermehrte. So hatte, um aus den vielfachen hierüber vorliegenden Erhebungen nur einzelne Beispiele hervorzuheben, wären bei einer Gesamtbodenfläche von 3,800.000 Joch bei Errichtung des Katasters rund 5 Mio. Grundparzellen, während die Zahl derselben in der Zwischenzeit über 6 Mio. gestiegen ist. Im Küstenland erfolgte die Hutweidenteilung nicht selten in so kleine Parzellen, dass dieselben auf den Katastralmappen im Maßstab 1:2880 nicht mehr sichtbar dargestellt werden können.

So erfreuliche Erfolge auch in Einzelfällen das neue Wasserrechtsgesetz gebracht hat, so sind doch dieselben, soweit es sich um landwirtschaftliche Verbesserungen handelt, unter den gepflogenen Erwartungen geblieben, weil die Zersplitterung des Grundbesitzes in zahlreiche Parzellen die Bildung von Wassergenossenschaften wesentlich erschwert, und weil die ohne Zusammenhang mit der Zusammenlegung ausgeführten neuen Wasseranlagen entweder auf Kosten der Zweckmäßigkeit sich den bestehenden Eigentumsgrenzen anschließen müssen oder, wo dies nicht zufällig oder gezwungen an einzelnen Stellen geschehen kann, die ohnehin kleinen Parzellen abermals zerschneidet und neue Unregelmäßigkeiten schaffen. Dasselbe gilt auch von den ohne Verbindung mit der Zusammenlegung ausgeführten Weganlagen. …

Am geringsten sind die Erfolge, welche bisher in Bezug auf die Gemeinbenützung der Waldungen erzielt werden konnten. Es konnte weder eine Regulierung der ungeregelten Gemeinrechte durch Fixierung derselben nach Art der Regulierung der Forstservituten erreicht werden, noch die Umbildung derselben in Genossenschaftsrechte und auch nur in seltenen Fällen die Einführung eines geregelten Verwaltungsorganismus. …. Dagegen ist, um solchen ungeregelten Besitzverhältnissen abzuhelfen, allzu häufig das Mittel der Verteilung der Gemeinwaldungen unter die Teilhaber zur Anwendung gebracht worden. In Tirol sind allein in solcher Art 304.000 Joch solcher Gemeinwaldungen aufgeteilt worden, während 970.000 Joch noch ungeteilt sind, aber nur zum Teil geregelte Besitz- und Verwaltungsverhältnisse haben. Die Verteilung fällt wohl zu einem großen Teil schon in eine frühere Zeit zurück und ist nicht immer mit Nachteil für die Wälder verbunden gewesen, zeigt aber auch nach den vom Ackerbau-Ministerium angestellten Erhebungen zahlreiche Fälle aus neuerer Zeit, welche geradezu zum Verderben der Waldkultur ausgefallen sind. …

Zur Beseitigung der aufgezeigten Übelstände wurden insbesondere auch die in Deutschland gemachten Erfahrungen verwertet. Das Ackerbau-Ministerium hat zunächst im Wege der Gesandtschaft die Behelfe bei den verschiedenen deutschen Regierungen sammeln lassen; auch sind insbesondere von der Preußischen Regierung sehr instruktive Berichte und Gutachten über den mitgeteilten Gesetzesentwurf eingesendet worden. Um das Material zu ergänzen, die bestehenden Einrichtungen, das Verfahren und seine Erfolge an Ort und Stelle zu studieren und sowohl für die weitere legislative Behandlung als auch für die Ausführung der Maßregeln die nötigen Erfahrungen zu sammeln, wurde von Seiten des Ackerbau-Ministeriums im Juli 1871 der K.K. Sektionsrat Karl Peyrer nach Deutschland entsandt.

Die Resultate sowohl der bisherigen Erhebungen in den österreichischen Ländern als auch jener in den meisten deutschen Ländern sind zusammengestellt in einer im Auftrag des Ackerbau-Ministeriums vom Genannten verfassten Druckschrift „Die Zusammenlegung der Grundstücke, die Regelung der Gemeingründe und die Ablösung der Forstservituten in Österreich und in Deutschland“ (Wien, 1873). Dieselbe hat nebst zahlreichen, im Ackerbau-Ministerium gesammelten Karten über die Teilung und Zusammenlegung der Grundstücke aus den österreichischen Ländern und aus Deutschland im Pavillon des Ackerbau-Ministeriums einen Gegenstand für die Wiener Weltausstellung vom Jahr 1873 gebildet.

Unter Benützung aller bisher besprochenen Materialien wurden im Auftrag des Ackerbau-Ministeriums neue Entwürfe eines Gesetzes über die Zusammenlegung der Grundstücke, die Ablösung und Regulierung gemeinschaftlicher Nutzungsrechte und die Ablösung der Forstservituten, dann der Motive und einer ausführlichen Durchführungsverordnung samt Formularien ausgearbeitet. Da diese Arbeit das Stadium des Referentenentwurfs noch nicht überschritten hat, so bildet dieselbe derzeit noch keinen Gegenstand der weiteren Darstellung in diesem Jahresbericht.

Für Dalmatien wurde wegen der speziellen Verhältnisse des Landes ein besonderer Gesetzentwurf „in Betreff der Aufteilung der kulturfähigen Gemeingründe“ ausgearbeitet und dem Landtag in Dalmatien vorgelegt. …

 

1877 – 1880
Bericht über die Tätigkeit des k.k. Ackerbau-Ministeriums in der Zeit vom 1. Jänner 1877 bis 31. Dezember 1880,
Department IV., Zusammenlegung, Zerstückelung und Entlastung des Grundbesitzes

Auf der Grundlage der Allerhöchsten Entschließung vom 12. Februar 1880 sind im Herrenhaus des Reichsrates drei Gesetzesentwürfe mit den bezüglichen erläuternden Bemerkungen eingebracht worden, wovon der eine grundsätzlich die Bestimmungen über die Commassation landwirtschaftlicher Grundstücke, der zweite die grundsätzlichen Bestimmungen über die Bereinigung des Waldlandes von fremden Enklaven, der dritte die grundsätzlichen Bestimmungen über die Teilung gemeinschaftlicher Grundstücke und die Regulierung der bezüglichen Benützungs- und Verwaltungsverhältnisse enthält. Die insbesonders über die Commassationsfrage aus den einzelnen Sendern eingegangenen Äußerungen, von deren Einholung bereits im letzten Tätigkeitsbericht (Seite 241, 242) die Rede war, sind in den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage in ihren wesentlichsten Teilen mitgeteilt worden.

Die volkswirtschaftliche Kommission des Herrenhauses unterzog diese Gesetzesentwürfe zunächst einer längeren Generaldebatte und gelangte sodann in der Spezialdebatte über die Commassationsvorlage bis zum § 10 desselben, worauf die Verhandlungen durch die Vertagung des Reichsrates (25. Mai 1880) eine längere Unterbrechung erlitt. Diese Zwischenzeit wurde benützt, um anhand der von der Kommission gefassten Beschlüsse und ausgesprochenen Wünsche eine Revision des Gesetzesentwurfs über die Commassation vorzunehmen. Der revidierte Entwurf wurde sodann beim neuerlichen Zusammentritt des Reichsrates der Kommission als Behelf für ihre weiteren Arbeiten mitgeteilt und von derselben zur Grundlage der förderen Beratung genommen.

Als die Kommission nach Durchberatung aller drei Gesetzesentwürfe in der Sitzung vom 18. Februar 1881 ein Komitee mit der Aufgabe betraute, die Commassationsbeschlüsse rücksichtlich ihrer Übereinstimmung untereinander und ihrer Fassung zu prüfen und hiebei auch die Einwendungen, welche im Verlauf der Beratung von mehreren Seiten gegen gewisse Prinzipien der Commassationsvorlage wiederholt erhoben worden waren, in Erwägung zu ziehen, auch für das Ackerbau-Ministerium im Interesse des Zustandekommens des von vielen Seiten ersehnten und für die Hebung der Bewirtschaftung des Rusticalbesitzes so wichtigen Gesetzes zu handeln, indem es dem Komitee aus eigener Initiative andeutete, auf welche Weise und bis zu welchem Punkt den vorgebrachten Einwendungen Rechnung getragen und doch noch ein Gesetz erzielt werden könne, welches nützlich wirken und den Boden für jenen späteren Zeitpunkt vorbereiten kann, in welchem die Commassationen eine der Landbevölkerung bekannte Operation geworden sein wird und die inzwischen gesammelten Erfahrungen zu einer weiteren Ausbildung der Gesetzgebung verwertet werden können. Mit Berücksichtigung dieser Andeutungen, von denen die wesentlichen die Zustimmung des Komitees erlangten, wurden nun die Entwürfe im Einvernehmen mit dem Regierungsvertreter nochmals revidiert, kurz vor dem Ende des Sessionsabschnittes in der Kommission angenommen und harren nunmehr (siehe 151 der Beilagen zu den stenografischen Protokollen des Herrenhauses, IX. Session) der Plenarberatung im Herrenhause.

In Ausführung des im letzten Tätigkeitsberichte des Ackerbauministeriums erwähnten dalmatinischen Landesgesetzes vom 27. Mai 1876 betreffend die Aufteilung der kulturfähigen Gemeindegründe in Dalmatien und des über denselben Gegenstand erlassenen Reichsgesetzes vom gleichen Datum (RGBl Nr 115/1876) und zum Zweck der Vervollständigung der gesetzlichen Grundlage für die Operation der Aufteilung dieser kulturfähigen Gründe, hat das Ackerbauministerium dem dalmatinischen Landtag eine Regierungsvorlage über die Aufforstung der aufgrund der vorgenannten Gesetze zur Waldkultur bestimmten Grundstücke zur verfassungsmäßigen Behandlung vorgelegt.

Der dalmatinische Landtag hat diese Regierungsvorlage in seiner Session 1880 zum Beschluss erhoben, worauf dieser Gesetzesentwurf betreffend die Aufforstung der aufgrund des Reichsgesetzes vom 27. Mai 1876 zur Waldkultur bestimmten Grundstücke, unter dem 09. November 1880 die allerhöchste Sanktion erhielt.

Gleichzeitig hat das Ackerbauministerium im Einvernehmen mit dem Ministerium des Inneren auch eine Verordnung erlassen, mit welcher die näheren Bestimmungen im Betreff der Aufteilung der kulturfähigen Gemeindegründe in Dalmatien, mit Ausschluss jener im Narental, welche in Ausführung des Reichsgesetzes vom 22. März 1875 (RGBl Nr. 35/1875) zur Entsumpfung bestimmt sind, geregelt werden.

Das Ackerbauministerium hat ferner zu dem Zustandekommen mehrerer Landesgesetze für Görz-Gradisca mitgewirkt, welche die Teilung von Gemeindegründen unter die Gemeinde-Insassen einiger Gemeinden zum Gegenstand hatten, bei welchen Anlässen das Ackerbau-Ministerium vorzugsweise dahin zu wirken bestrebt war, dass in die betreffenden Teilungspläne solche Bestimmungen, welche eine zweckmäßige Arrondierung der aufgeteilten Parzellen mit dem übrigen Grundbesitz der Gemeindegenossen ermöglichen, Aufnahme fänden. Besonders erwähnenswert sind in dieser Beziehung die vom Landtag der gefürsteten Grafschaft Görz und Gradisca beschlossenen Gesetze betreffend die Verteilung der Gemeindegründe von St. Daniel, von Sablagrande, Heiligenkreuz, Verh, Malidol und Kodedil.

Endlich wird vermerkt, dass das Ackerbauministerium gegen Ende der Berichtsperiode bei den Länderstellen eine Erhebung einleitete über die zu Tage getretenen Folgen der verschiedenen Landesgesetze betreffend die Aufhebung der früher bestandenen Beschränkungen in der Freiteilbarkeit der Bauerngüter.

 

1881 bis 1886
Bericht über die Tätigkeit des k.k. Ackerbau-Ministeriums in der Zeit vom 1. Jänner 1881 bis 31. Dezember 1886,
Department IV. Zusammenlegung, Zerstückelung und Entlastung des Grundbesitzes

Auszüge:

Reichsgesetze über agrarische Operationen

Die Gesetzesentwürfe über die Zusammenlegung landwirtschaftlicher Grundstücke, über die Bereinigung des Waldlandes von fremden Enklaven und die Arrondierung der Waldgrenzen, über die Teilung gemeinschaftlicher Grundstücke und die Regulierung der hierauf bezüglichen Benützungs- und Verwaltungsrechte – agrarische Operationen – wurden in jener Gestalt, in der sie aus den Beratungen der volkswirtschaftlichen Kommission des Herrenhauses hervorgegangen waren, von dem Herrenhause selbst in der Sitzung vom 17. November 1881 zum Beschlusse erhoben. An das Abgeordnetenhaus gelangt, wurden diese Gesetzesentwürfe einem Commassionsausschuss zugewiesen, welcher dem Abgeordnetenhause, abgesehen von Änderungen minderer Bedeutung an allen 3 Entwürfen, bezüglich des Entwurfs über Zusammenlegung und Gemeinteilung 2 Änderungen von prinzipieller Tragweite in Vorschlag brachte.

Nach den Beschlüssen des Herrenhauses sollten nämlich Angelegenheiten, welche in die Zuständigkeit der zur Durchführung agrarischer Operationen berufenen Behörden – Agrarbehörden – fallen würden, jedoch vor Beginn dieser Zuständigkeit beim ordentlichen Richter anhängig geworden sind, auch nach Beginn der Zuständigkeit der Agrarbehörden von dem ordentlichen Richter ausgetragen werden. Diesem Grundsatze entsprechend beschloss der Commassionsausschuss des Abgeordnetenhauses, dass die erwähnten anhängigen Sachen mit dem Beginn der Zuständigkeit der Agrarbehörden an diese abgetreten werden sollten. Während ferner nach den Beschlüssen des Herrenhauses im Teilungs- und Regulierungsverfahren die Entscheidung über Gemeinschaftsrechte, welche bloß angesprochen werden, ohne auch ausgeübt worden zu sein, nicht zur Zuständigkeit der Agrarbehörden gehören sollten, beantragte der Commassionsausschuss des Abgeordnetenhauses die Erstreckung der Zuständigkeit der Agrarbehörden auch auf derartige Ansprüche.

In den Sitzungen vom 22. und 26. Februar 1883 nahm das Abgeordnetenhaus die 3 Gesetzesentwürfe in den vom Commassionsausschuss gestellten Anträgen und einigen weiteren unwesentlicheren Änderungen an. Das Herrenhaus war in Folge dieser Nichtübereinstimmung beider Häuser des Reichsrates genötigt, sich mit den Gesetzesentwürfen neuerlich zu befassen. Den Anträgen seiner volkswirtschaftlichen Kommission entsprechend trag das Herrenhaus in der Sitzung vom 14. April 1883 den Beschlüssen des Abgeordnetenhauses nur zum Teil bei und hielt insbesondere hinsichtlich der Nichtzuständigkeit der Agrarbehörden für bereits anhängige Sachen und für bloß angesprochene Gemeinschaftsrechte an seinen ursprünglichen Beschlüssen in der Hauptsache fest, sodass die Gesetzesentwürfe einer nochmaligen Beratung und Beschlussfassung im Abgeordnetenhaus unterzogen werden mussten, welche sie in der Sitzung vom 8. Mai 1883 die Gesetzesentwürfe in der vom Herrenhaus beschlossenen Form endgültig annahm.

Die Gesetzesentwürfe konnten sodann der allerhöchsten Sanktion unterbreitet werden, welche denselben am 7. Juni 1883 zuteil wurde. Die Kundmachung der Gesetze erfolgte in Nr 92-94 des Reichsgesetzblattes.

In der Folge wurden aufgrund der Reichsgesetze über Zusammenlegung und über Waldbereinigung 2 Ministerialverordnungen vom 5. Juli 1886, RGBl 108 und 109, erlassen, wovon die eine die Zusammensetzung und die Geschäftsordnung der Ministerialkommission für agrarische Operationen im Ackerbauministerium regelt, die andere aber die erforderlichen Durchführungsbestimmungen zu dem Waldbereinigungsgesetze enthält.

Die Reichsgesetze beschränken sich auf wenige grundsätzliche Anordnungen, welche der Hauptsache nach teils privatrechtlicher Natur sind, teils die Leistungen des Staatsschatzes für agrarische Operationen betreffen, und behalten die sonstigen Bestimmungen der Landesgesetzgebung vor. Die Reichsgesetze verfügen daher auch, dass sie in den einzelnen Königreichen und Ländern erst gleichzeitig mit den bezüglichen Landesgesetzen in Wirksamkeit treten. Hiermit war die Richtung, in welcher sich die mit Erlassung der Reichsgesetze in Angriff genommene Aktion weiterzubewegen hatte, von selbst gegeben – es handelte sich nunmehr zunächst darum, das Zustandekommen der erforderlichen Landesgesetze ins Auge zu fassen.

 

Landesgesetze über agrarische Operationen in Mähren

Im mährischen Landtage war schon im Jahre 1868 der Entwurf eines Zusammenlegungsgesetzes beschlossen worden, dem allerdings mit allerhöchster Entschließung vom 8. Juni 1869 die Sanktion versagt werden musste. In der Folge wurde im Schoße der mährischen Landesvertretung zu wiederholten Malen die Dringlichkeit der Erlassung von Gesetzen über agrarische Operationen betont, ja es kam sogar im Wege freier Übereinkunft zur Durchführung einiger Zusammenlegungen in Mähren. Es war daher in diesem Lande nicht bloß das Bedürfnis nach Beseitigung der wirtschaftlichen Übelstände der Gemengelage durch agrarische Operationen zum unzweideutigsten Ausdruck gekommen, sondern es konnte auch auf ein gewisses Maß von Geneigtheit der Interessenten für derartige Operationen gerechnet werden. Dies waren die Gründe, aus denen zunächst im Landtage Mährens aufgrund der allerhöchsten Entschließung vom 7. September 1883 Gesetzesentwürfe über Zusammenlegung und Gemeinteilung – Regulierung, welche auf den beiden bezüglichen Reichsgesetzen vom 2. Juni 1883 fußten, eingebracht wurden.

Der volkswirtschaftliche Ausschuss des Landtages, dem diese Vorlagen zugewiesen worden waren, unterzog dieselben nur geringfügigen Änderungen, beschloss aber dem Landtage nicht nur die Annahme dieser Entwürfe, sondern auch des im Ausschuss selbst festgestellten Entwurfs eines Gesetzes über die Zusammensetzung der Landeskommission für Angelegenheiten der Waldbereinigung zu empfehlen, damit auch das Reichsgesetz über Waldbereinigung für Mähren in Wirksamkeit treten könne. Der Landtag nahm alle 3 Gesetzesentwürfe in der Sitzung vom 18. Oktober 1883 an. Dieselben erhielten die allerhöchste Sanktion am 13. Februar 1884, LGBl 30-32. Von diesen Gesetzen stellt sich das Zusammenlegungsgesetz als vollständiges Gesetz dar, während das Gemeinteilungs-Regulierungsgesetz insofern unselbstständiger erscheint, als dasselbe im Wesentlichen nur die der Teilung und Regulierung, bzw dem betreffenden Verfahren eigentümlichen Bestimmungen enthält, im Übrigen aber sich auf das Zusammenlegungsgesetz beruft.

Landesgesetz über agrarische Operationen in Kärnten

In Kärnten, wo selbst in erster Linie die Regelung der Nachbarschaftsverhältnisse als dringlich empfunden wurde, war bereits in der Sitzung vom 3. Oktober 1883 durch Landtagsbeschluss dem Landesausschuss der Auftrag erteilt worden, den Entwurf eines Teilungs-Regulierungsgesetzes aufgrund des Reichsgesetzes vom 7. Juni 1883 auszuarbeiten und dem Landtage in der nächsten Session vorzulegen. In der Erfüllung dieses Auftrages kam das reichhaltige Material wesentlich zu statten, welches über die Verhältnisse der Nachbarschaften in Kärnten gesammelt worden war. An dem vom Landesausschuss dem Landtage vorgelegten Entwurfe nahm der Ausschuss nur geringfügige Änderungen vor, mit welchen der Landtag den Gesetzentwurf in der Sitzung vom 24. Oktober 1884 zum Beschluss erhob. Demselben wurde im allerhöchster Entschließung vom 5. Juli 1885, LGBl 23 die Sanktion zu Teil. Dieses Gesetz ist, was die meritalen Bestimmungen betrifft, dem mährischen Gemeinteilungs-Regulierungsgesetz nachgebildet, unterscheidet sich von demselben aber hauptsächlich hinsichtlich der Voraussetzungen für die Einleitung des Teilungs- und namentlich des Regulierungsverfahrens.

 

Landesgesetz über agrarische Operationen in NÖ

In Niederösterreich wurde, nachdem schon im Jahr 1883 seitens des Ackerbau-Ministeriums die Abgabe von Gutachten des Landesausschusses, der Landwirtschaftsgesellschaft und des Reichsforstvereines über die Zweckmäßigkeit von Landesgesetzen für Niederösterreich betreffend die agrarische Operation angeregt worden war, die Regierung durch den in der Sitzung des Landtages vom 27. September 1884 gefassten Beschluss aufgefordert, für Niederösterreich ehestens ein Zusammenlegungsgesetz vorzulegen. In der Folge wurden aufgrund der allerhöchsten Entschließung vom 22. September 1885 den mährischen Gesetzen entsprechende Entwürfe von Landesgesetzen über Zusammenlegung, Gemeinteilung-Regulierung und Waldbereinigung im Landtage eingebracht. Von diesen Entwürfen wurde jener über Gemeinteilung-Regulierung dem Gemeinde- und Verfassungsausschuss, die beiden anderen dem Landeskulturausschusse zur Vorbereitung zugewiesen. An dem Entwurf über Gemeinteilung-Regulierung nahm der Ausschuss, abgesehen von einigen meritalen Änderungen, die nur zum Teil als Verbesserung anerkannt werden müssen, eine durchgreifende formale Änderung vor, indem derselbe aus Gründen der Zweckmäßigkeit jene Bestimmungen des Entwurfes über Zusammenlegung, welche, ähnlich wie im mährischen Gemeinteilungsgesetze, im Gemeinteilungsgesetzentwurfe bloß berufen waren, in letzteren unmittelbar einstellte und so diesen Entwurf vom Zusammenlegungsentwurf ganz unabhängig machte. Der Entwurf über Zusammenlegung blieb nahezu, jener über Waldbereinigung vollständig unverändert. In der Sitzung vom 11. Jänner 1886 nahm der Landtag alle 3 Entwürfe den Anträgen seiner Ausschüsse entsprechend, den Gemeinteilungsentwurf allerdings mit einigen weiteren Abweichungen vor, und wurden dieselben mit allerhöchster Entschließung vom 3. Juni 1886, LGBl 39-41, sanktioniert.

 

1887 bis 1893
Bericht über die Tätigkeit des K.K. Ackerbau-Ministeriums in der Zeit vom 01. Jänner 1887 bis 31.12.1893,
Department IV, Zusammenlegung, Zerstückelung und Entlastung des Grundbesitzes, 247ff

Auszüge:

Mähren:

Mähren. Die Mährischen Landesgesetze vom 13. Februar 1884 über Zusammenlegung landwirtschaftlicher Grundstücke, Gemeintheilung und Regulierung und Waldbereinigung wurden mittels Kundmachung vom 9. Dezember 1887, LGBl Nr 99, am 1. März 1888 in Wirksamkeit gesetzt.

Trotzdem mit Sicherheit zu erwarten war, dass die beteiligten Grundbesitzer in Mähren sich den agrarischen Operationen gegenüber sympathisch verhalten würden, verging eine geraume Zeit, bis die erste Operation eingeleitet werden konnte. Es war dieses die Zusammenlegung eines Riedes in Moritz im politischen Bezirk Prerau, für welche der Beginn der Amtswirksamkeit des Lokalkommissärs auf den 10. November 1889 festgesetzt wurde.

Die erste größere Zusammenlegung wurde in der Gemeinde Bochor im politischen Bezirk Prerau durchgeführt. Der Beginn der Amtswirksamkeit des Lokalkommissärs wurde für diese Operation auf den 15. Juni 1890 anberaumt. Die Zusammenlegung betrifft eine Fläche von 482 ha 56 a, an welcher 248 Grundbesitzer unmittelbar beteiligt sind. Mit Rücksicht auf diese verhältnismäßig sehr große Zahl von Beteiligten, den außerordentlich hohen Bodenwert (die 1. Klasse Acker wurde mit 1456 fl Kapitalwert pro Hektar eingeschätzt) und die anlässlich der Zusammenlegung durchzuführenden sehr bedeutenden Entwässerungs- und Wegeanlagen muss diese Operation als eine besonders schwierige bezeichnet werden. Die Arbeiten konnten mangels eines geeigneten geometrischen Personals im ersten Jahr nur sehr wenig gefördert werden; erst im Herbst 1891 wurden dieselben energisch in Angriff genommen und konnten bis zum Herbst 1892 so weit gebracht werden, dass die Beteiligten in den faktischen Besitz ihrer Abfindungsgrundstücke gelangten.

Eine andere Zusammenlegung betrifft die Grundstücke in der Gemeinde Nemcic im politischen Bezirk Kremsier im Ausmaß von 270,2 ha mit 53 unmittelbar Beteiligten, welche am 10. Mai 1892 eingeleitet wurde. Hierbei konnte mit den geometrischen Arbeiten am 26. September 1892 begonnen werden und wurden dieselben so rasch gefördert, dass bereits am 7. September 1893 die Abfindungsgrundstücke der Beteiligten, welche gegen den Plan keinerlei Einwendungen erhoben hatten, übergeben werden konnten. …

Mit Schluss der Berichtsperiode waren überhaupt eingeleitet: 18 Operationen (7 Zusammenlegungen, 3 General- und Spezialteilungen und 8 Regulierungen) mit einem Gesamtflächeninhalt von 4098,8 ha und 1318 unmittelbar Beteiligten, wovon 4 Operationen mit 808,6 ha und 387 unmittelbar Beteiligten faktisch zur Durchführung gelangt sind.

 

Kärnten

Der Beginn der Wirksamkeit des Landesgesetzes vom 5. Juli 1885, LGBl Nr 23, über Gemeinteilung und Regulierung wurde auf den 1. März 1888 festgesetzt und mit Kundmachung des Landespräsidenten vom 22. Dezember 1887, Z. 14079 LGBl Nr 40, verlautbart.

In § 16 des vorerwähnten Landesgesetzes ist die Bestimmung enthalten, dass die Regulierung der auf gemeinschaftlichen Grundstücken bestehenden Benützungsrechte von Amts wegen in Behandlung zu nehmen ist, wenn innerhalb sechs Monate von dem nach § 110 festgesetzten und kundgemachten Zeitpunkte angefangen nicht um Teilung angesucht worden ist oder wenn dem Teilungsbegehren nicht stattgegeben wurde. In Kärnten bestanden nun zur Zeit des Beginns der Wirksamkeit des Gesetzes 3013 agrarische Gemeinschaften, bezüglich welcher die Teilung bzw. Regulierung in Aussicht zu nehmen war. Da bei dem Mangel an verfügbarem geeigneten Personale in absehbarer Zeit an eine Erledigung der diese Gemeinschaften betreffenden umfangreichen und teilweise sehr verwickelten Operationen nicht zu denken war, so wurde mittels Erlasses des Ackerbau-Ministeriums vom 17. Mai 1888, Z. 6974, der in § 101 des genannten Gesetzes erwähnte Zeitpunkt, von welchem die in § 16 desselben Gesetzes bestimmte Frist für die Einleitung der Regulierungen von Amts wegen zu laufen beginnt, zunächst nur für die politischen Bezirke Villach (mit 607 Gemeinschaften) und Völkermarkt (mit 211 Gemeinschaften) auf den 1. Juli 1888 anberaumt und vom Landtagspräsidenten unter dem 8. Juni 1888, LGBl Nr 17, kundgemacht.

Im Lauf der Berichtsperiode stellte sich die Notwendigkeit heraus, das Reichsgesetz vom 7. Juni 1883, betreffend die Bereinigung des Waldlandes von fremden Enklaven und die Regulierung der Waldgrenzen, auch für Kärnten wirksam zu machen. Dies erfolgte, nachdem das Gesetz vom 22. Februar 1890, LGBl Nr 10, zustande gekommen war, welches laut Kundmachung des Landespräsidenten vom 28. März 1890, LGBl Nr 11, mit dem 31. März 1890 in Wirksamkeit getreten ist.

Bei der großen Anzahl von agrarischen Gemeinschaften, hinsichtlich welcher die Teilung bzw. Regulierung erst in späteren Jahren in Angriff genommen werden kann, musste mit Grund befürchtet werden, dass durch übermäßige Ausnutzung einzelner gemeinschaftlicher Grundstücke die nachhaltige Ertragsfähigkeit derselben gefährdet oder gar Devastationen herbeigeführt werden würden. Es wurde daher seitens des Landtages ein Gesetzesentwurf, betreffend die provisorische Regelung der Verwaltung und Benützung gemeinschaftlicher Grundstücke, beschlossen, welcher unter dem 14. Februar 1891 die allerhöchste Sanktion erhalten hat und im LGBl Nr 11 (1891) kundgemacht wurde. Nach den Bestimmungen dieses Gesetzes kann die Landeskommission hinsichtlich solcher gemeinschaftlicher Grundstücke, welche dem Teilungs-Regulierungsgesetze unterliegen und rücksichtlich welcher das Verfahren behufs Teilung oder behufs Regulierung der Benützungs- und Verwaltungsrechte gem. § 55 des Gesetzes noch nicht eingeleitet wurde, die Verwaltung der Gemeinschaft sowie die Ausübung der Nutzungsrechte mittels Erkenntnis provisorisch regeln, wenn diese Regelung behufs Wahrung der nachhaltigen Ertragsfähigkeit oder behufs der pfleglichen Behandlung und der zweckmäßigen Bewirtschaftung der gemeinschaftlichen Grundstücke geboten erscheint.

Mit Ende der Berichtsperiode waren in Kärnten eingeleitet 248 Operationen mit einem Gesamtflächeninhalt von 21.032,2 ha und 4234 unmittelbar Beteiligten. Außerdem befanden sich noch 63 Fälle im Instruierungsverfahren. Von den eingeleiteten Operationen war 107 mit einem Gesamtflächeninhalt von 3154,3 ha und 1386 Beteiligten teils formell (91) und teils faktisch (16) durchgeführt.

Unter den faktisch zum Abschluss gebrachten Operationen verdient besonders die Teilung und Regulierung der Techma-Waldung im Gerichtsbezirk Bleiburg mit 1396,3 ha und 197 Beteiligten (wovon 674,5 ha der Teilung unterzogen sind) wegen der mit derselben verbundenen besonderen Schwierigkeiten hervorgehoben zu werden.

Niederösterreich.

Die unter dem 3. Juni 1886 sanktionierten Landesgesetze wurden laut Kundmachung des Statthalters vom 14. Dezember 1887, LGBl 62, am 1. März 1888 in Wirksamkeit gesetzt.

Nachdem die vorbereitenden Arbeiten beendet und die eingelangten Anträge auf Einleitung agrarischer Operationen instruiert waren, wurden im Jahr 1889 mit der Bestellung von geometrischem Personale vorgegangen, sodass im Juli 1889 die einzelnen Operationen, allerdings zunächst mit ungenügenden geometrischen Kräften – tatsächlich in Angriff genommen werden konnten. …

Am Schluss der Berichtsperiode waren in Niederösterreich eingeleitet: 118 Operationen mit einem Gesamtflächeninhalt von 26.192,0 ha und 4873 unmittelbar Beteiligten, und zwar 10 Zusammenlegungen mit 18.153,2 ha und 1026 Beteiligten und 108 Teilungen und Regulierungen mit 7.975,8 ha und 3847 Beteiligten. Hievon sind faktisch zur Durchführung gelangt: 58 Operationen (unter welche 5 Zusammenlegungen mit 10.038,1 ha und 643 Beteiligten sich befinden).

Krain.

Am Schluss der Berichtsperiode waren eingeleitet: 107 Operationen mit einem Gesamtflächeninhalt von 14.312,7 ha und 3712 unmittelbar Beteiligten, wovon 94 General- und Spezialteilungen, 4 Generalteilungen und Regulierungen und 9 Regulierungen betreffen.

… Dennoch war es möglich, bis zum Ende der Berichtsperiode 37 Operationen mit einem Gesamtflächeninhalt von 2871,9 ha und 1072 unmittelbar Beteiligten formell abzuschließen, bzw. faktisch durchzuführen.

Schlesien.

Am Schluss der Berichtsperiode waren 14 General- und Spezialteilungen mit einem Gesamtflächeninhalt von 1444,8 ha und 316 unmittelbar Beteiligten eingeleitet. Obgleich ein Lokalkommissar bestellt war, konnte doch von den eingeleiteten Teilungen im Lauf der Berichtsperiode nur eine in Angriff genommen werden, da vom Landesausschuss nur ein Techniker auf kurze Zeit beigestellt worden ist. …

 

Salzburg.

Wie bereits im vorigen Berichte bemerkt, hat der Landtag in der Sitzung vom 8. Jänner 1887 beschlossen, auf die Beratung der drei Regierungsvorlagen betreffend die Gesetze über Zusammenlegung, Gemeinteilung und Waldbereinigung, in jener Session nicht einzugehen. Seit dieser Zeit hat die Angelegenheit geruht, bis der Landtag aus eigener Initiative auf diese Regierungsvorlagen zurückgekommen ist, welche sodann in der Sitzung vom 7. April 1892 in unveränderter Form zur Annahme gelangten. Diese drei Gesetze erhielten unter dem 11. Oktober 1892 die allerhöchste Sanktion und wurden in Nr. 31, 32 und 33 des Landesgesetzblattes verlautbart.

 

Böhmen und Gallizien.

Wie schon im letzten Tätigkeitsbericht bemerkt, wurden im Landtage Böhmens Gesetzesentwürfe über Zusammenlegung, Gemeinteilung und Waldbereinigung eingebracht. Bis zum Abschluss der Berichtsperiode haben die Verhandlungen im Landtage zu keinem endgültigen Ergebnis geführt. Auch in Gallizien ist die Erlassung von Gesetzen über agrarische Operationen über das  im letzten Tätigkeitsbericht ausgedehnte Stadium nicht hinausgediehen.

Gesamtübersicht betreffend die agrarischen Operationen. Wie aus dem Vorerwähnten ersichtlich, fungiert am Ende der Berichtsperiode aus der Ministerialkommission im Ackerbau-Ministerium 5 Landeskommissionen und zwar in Mähren, Kärnten, Niederösterreich, Krein und Schlesien, dann 9 Lokalkommissäre, 1 Lokalkommissär-Assistent, 8 Obergeometer, 10 Geometer, 23 Geometer-Adjunkt und Assistenten und 8 technische Gehilfen. Es waren im Ganzen 505 Operationen mit einem Gesamtflächeninhalt von 67.009,5 ha und 14453 unmittelbar Beteiligten eingeleitet, wovon 206 Operationen mit einem Gesamtflächeninhalt von 19.671,5 ha und 5196 unmittelbar Beteiligten faktisch durchgeführt und zum Teil auch formell abgeschlossen waren.

 

Bericht über die Tätigkeit des k.k. Ackerbau-Ministeriums in der Zeit vom 1. Jänner 1894 bis 31. Dezember 1897 (Wien. 1899) Department IV. Zusammenlegung, Zerstückelung und Entlastung des Grundbesitzes.

Auszüge:

Mähren.

Mit Schluss der Berichtsperiode waren eingeleitet: 33 Operationen mit 9347,3 ha und 3178 unmittelbar Beteiligten (darunter 17 Zusammenlegungen mit 8583,2 ha und 2477 unmittelbar Beteiligten). Es sind somit im Laufe der der Berichtsperiode zugewachsen: 15 Operationen mit 5306, 5 ha und 1869 unmittelbar Beteiligten. Von den eingeleiteten Operationen waren am Schluss der Berichtsperiode faktisch durchgeführt (und teilweise auch formell abgeschlossen): 15 Operationen mit 5407,7 ha und 2011 unmittelbar Beteiligten, und zwar 13 Zusammenlegungen, 1 General- und Spezialteilung und 1 Generalteilung und Regulierung.

Die Durchführung der sämtlichen Operationen ist einem Lokalkommissar übertragen. Die demselben beigegebene technische Abteilung bestand am Schluss der Berichtsperiode aus 1 Inspektor, 1 Evidenzhaltungs-Obergeometer II. Klasse, 3 Evidenzhaltungsgeometern I. Klasse, 3 Evidenzhaltungseleven, 1 Assistent und 3 technische Gehilfen, somit aus 12 Personen.

Zu bemerken ist, dass die in mehreren der Malen bearbeiteten Zusammenlegungen als schwierige bezeichnet werden müssen, da im Durchschnitt auf ein Operationsgebiet nur 452 ha und auf einen unmittelbar Beteiligten nur 3,47 ha entfallen.

In Verbindung mit den Zusammenlegungen wurden neben deren Herstellung der gemeinsamen Anlagen mehrere auch größere Meliorationen durchgeführt. In dieser Hinsicht sind besonders hervorzuheben Bachregulierungen, Entwässerungen, End-und Bewässerungen und Drenagierungen.

 

Niederösterreich.

Bis zum Schluss der Berichtsperiode waren überhaupt eingeleitet: 251 Operationen mit 47.225,00 ha und 9224 unmittelbar Beteiligten (darunter 24 Zusammenlegungen mit 31.732,5 ha und 1960 unmittelbar Beteiligten). Es sind somit im Lauf der Berichtsperiode zugewachsen: 133 Operationen mit 21.06096.00 ha und 4351 unmittelbar Beteiligten. Am Schluss der Berichtsperiode waren faktisch durchgeführt: 127 Operationen mit 28.401,2 ha und 5185 unmittelbar Beteiligten, und zwar 14 Zusammenlegungen, 7 neuen General-und Spezialteilungen und 44 Generalteilungen und Regulierungen.

Mit der Durchführung der Operationen sind zwei Lokalkommissare, deren Amtssitz sich in Wien und Allentsteig befinden, betraut; bei dem Lokalkommissar in Wien standen zwei lokalkommissarische Assistenten in Verwendung. (20 Personen Personal)

Im Betreff der Zusammenlegungen in Niederösterreich ist zu bemerken, dass im Durchschnitt auf ein Operationsgebiet 1322 ha und auf einen unmittelbar Beteiligten 16,18 ha entfallen. Auch in Niederösterreich wurden größere Meliorationen durchgeführt.

 

Kärnten.

In Kärnten waren am Schluss der Berichtsperiode eingeleitet 388 Operationen mit 31.301,6 ha und 6704 unmittelbar Beteiligten. Es hat sich somit im Lauf der Berichtsperiode ein Zuwachs von 104 Operationen mit 10.269,4 ha und 2470 unmittelbar Beteiligten ergeben.

Am Schluss der Berichtsperiode waren faktisch durchgeführt: 256 Operationen mit 15672,9 ha und 3846 Beteiligten und zwar 73 Teilungen, 77 Teilungen und Regulierungen und 106 Regulierungen, wovon 150 Operationen (20 Teilungen, 37 Teilungen und Regulierungen und 93 Regulierungen) bereits formell abgeschlossen sind. Unter den formell zum Abschluss gelangten Operationen befinden sich auch die bereits im vorigen Tätigkeitsbericht erwähnte Teilung und Regulierung der Techmawaldung. Beschäftigt waren 15 Personen insgesamt. Auch in Kärnten wurden Meliorationen durchgeführt.

 

Krein.

Für dieses Land wurde unter dem 03. September 1894, LGBl 27, eine Novelle zum Teilungs-Regulierungslandesgesetz erlassen. Hiedurch wird festgestellt, dass die Provokation auf Teilung und Regulierung gemäß §§ 50 und 51 des Gesetzes vom 26.10.1887, LGBl Nr. 2 ex 1888, statt wie bisher von mindestens der Hälfte der Gesamtheit der zur gemeinschaftlichen Benützung Berechtigten, nunmehr von mindestens dem Drittanteil derselben auszugehen hat. Außerdem enthält diese Novelle eine Reihe von Bestimmungen, welche in einfachen Fällen eine Abkürzung des Verfahrens durch Zusammenziehung mehrerer Stadien desselben in eines bezwecken.

Am Schluss der Berichtsperiode waren überhaupt eingeleitet: 247 Operationen mit 26.043,4 ha und 7609 unmittelbar Beteiligten. Es sind somit im Lauf der Berichtsperiode zugewachsen: 140 Operationen mit 11.730,7 ha und 3897 unmittelbar Beteiligten. Von den eingeleiteten Operationen sind 173 mit 11.047,4 ha und 4094 unmittelbar Beteiligten am Schluss der Berichtsperiode faktisch durchgeführt und zwar: 169 General-und Spezialteilungen, drei Generalteilungen und Regulierungen und eine Regulierung, wobei 92 Operationen auch bereits zum formellen Abschluss gelangt sind.

Beschäftigte sind in diesem Bereich zehn Personen.

 

Schlesien.

Die agrarischen Operationen in Schlesien beschränken sich der Hauptsache nach auf Spezialteilungen. Am Schluss der Berichtsperiode waren 29 Operationen mit 3.365,9 ha und 568 unmittelbar Beteiligten eingeleitet, wovon 20 mit 1.797,6 ha und 387 unmittelbar Beteiligten zur faktischen Durchführung und teilweise auch zum formellen Abschluss gelangten. Es hat sich somit während der Berichtsperiode ein Zuwachs von 15 Operationen mit 1.921,1 ha und 252 unmittelbar Beteiligten ergeben.

 

Salzburg.

Mit dem Erlass der Durchführungs-Verordnungen zu den einschlägigen Landesgesetzen wurde aus dem Grund im Lauf der Berichtsperiode noch nicht vorgegangen, weil es sich als zweckmäßig erwies, vorerst die Schaffung und Durchführung der neuen Organisation des technischen Dienstes in den übrigen in Betracht kommenden Ländern abzuwarten, um sodann diese Organisation auch für Salzburg ins Leben treten lassen zu können.

 

Böhmen.

Im Laufe des Jahres 1897 fanden über Veranlassung des Ackerbau-Ministeriums bei der Stadthalterei in Prag wiederholte Beratungen statt, welche die Feststellung neuer Gesetzesentwürfe über agrarische Operationen für Böhmen bezweckten. An diesen Beratungen nahmen außer einem Delegierten des Ackerbauministeriums und den Vertretern der Stadthalterei auch der Landesausschuss, die beiden Sektionen des Landeskulturrates, mehrere andere fachliche Vereine durch Vertreter per Landtagsabgeordnete teil. Die Ergebnisse der Beratungen konnten als günstige bezeichnet werden. Aufgrund derselben wurden im Ackerbau-Ministerium für Böhmen neue Gesetzesentwürfe über agrarische Operationen ausgearbeitet und zunächst dem Landesausschuss übermittelt. Auch bis zum Schluss dieser Berichtsperiode haben die Verhandlungen über die vorgelegten Gesetzesentwürfe zu keinem endgültigen Ergebnis geführt.

 

Galizien.

In dem Bericht für die Zeit vom 01. Jänner 1881 bis 31. Dezember 1886 wurde schon bemerkt, dass das Ackerbau-Ministerium für Galizien Entwürfe von Gesetzen über agrarische Operationen festgestellt hatte, um diese Entwürfe zunächst zum Gegenstand von Erhebungen und von kommissionellen Beratungen zu machen. Innerhalb der Berichtsperiode vom 01. Jänner 1887 bis 31. Dezember 1893 ist die Angelegenheit in kein wesentlich fortgeschritteneres Stadium getreten. Gegen Ende der gegenwärtigen Berichtsperiode sind jedoch die erwähnten, in Galizien durchgeführten Erhebungen und Beratungen zum Abschluss gediehen. Die Resultate dieser Vorarbeiten ermöglichten die Ausarbeitung neuer Gesetzesentwürfe im Ackerbau-Ministerium und deren Übermittlung an den Landesausschuss.

(In den Sitzungen vom 12. bzw. vom 18. Februar 1989 hat der galizische Landtag diese Entwürfe, und zwar über die Zusammenlegung landwirtschaftlicher Grundstücke, ferner über die Teilung gemeinschaftlicher Grundstücke und die Regulierung der hierauf bezüglichen Benützungs-und Verwaltungsrechte und schließlich über die Zusammensetzung der Landeskommission für die Angelegenheiten der Bereinigung des Waldlandes von fremden Enklaven und der Arrondierung der Waldgrenzen, zum Beschluss erhoben.

-.-.-.-.-

 

 

Teilungs-Regulierungs-Landesgesetze

Das moderne „Flurverfassungsrecht“ geht auf ein Gesetz mit dem sperrigen Titel „Gesetz betreffend die Teilung gemeinschaftlicher Grundstücke und die Regulierung der hierauf bezüglichen gemeinschaftlichen Benützungs- und Verwaltungsrechte“ (kurz: TRRG) aus dem Jahr 1883 zurück. Die Ursprünge dieser Regelungsmaterie in Österreich bildete das Patent vom 5. November 1768, wonach alle „gemeinen Weiden“ in Böhmen und in Österreich zu teilen seien. (Politische Gesetzessammlung Nr 1064, 388; S auch die weiteren Patente vom 24. März 1770 PGS Nr 1184, 179; 23. August 1770 PGS Seite 264; 14. März 1771, PGS Seite 503; 4. Jänner 1780, PGS Nr 2136; 17. April 1784, PGS Seite 506; 8. Juni 1785, Josefinische Gesetzessammlung 1786, Band 10, Seite 51)

Weil das TRRG 1883 nicht nur die Teilung von Gemeinschaftsliegenschaften regelt, sondern auch die „Reorganisation“ derselben, hätte man es auch einfach „Gemeinschaftsliegenschaften-Gesetz“ nennen können.

Die Bildung einer Agrargemeinschaft ist nach den Vorstellungen des historischen Gesetzgebers insbesondere auch als Reorganisationsmaßnahme für allfällige „Überreste der alten Agrargemeinden“ zu verstehen, worunter man sich die in den historischen Wirtschaftsgenossenschaften gemeinschaftlichen bewirtschafteten agrarischen Grundflächen vorzustellen hat. Das dringende Bedürfnis danach hatte die Praxis bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jhdts hervorgebracht[1];

582 der Beilagen zu den sten. Prot. des Abgeordnetenhauses, IX. Session, 2: „Bezüglich der gemeinschaftlichen Grundstücke sind die Eigentums- und Nutzungsverhältnisse nicht bloß von Land zu Land, sondern von Fall zu Fall so verschieden und unklar und ihre Verwaltung so ungeregelt und wüst, dass es schon die höchste Zeit ist, diesen Missständen ein Ziel zu setzen.“

Das vorhandene legislative Instrumentarium wurde für ungeeignet erachtet.

582 der Beilagen zu den sten. Prot. des Abgeordnetenhauses, IX. Session, 12: „In allen [historischen] Gemeindeordnungen – mit Ausnahme derjenigen für Niederösterreich – findet sich wohl die Bestimmung, dass die privatrechtlichen Verhältnisse und insbesondere die Eigentums- und Nutzungsrechte ganzer Klassen oder einzelner Glieder der Gemeinde ungeändert zu bleiben haben; allein mit diesem Satze werden die Streitigfragen nicht gelöst, noch weniger wird das Verhältnis der Genossenschaft zur Gemeinde richtig gestellt. Die weiteren Bestimmungen der Gemeindeordnungen, dass in Bezug auf die Teilnahme an den Erträgnissen und Nutzungen des Gemeindeeigentums und auf das Maß derselben sich nach der bisherigen unangefochtenen Übung zu benehmen ist, ist eben auch nicht geeignet in die bekanntlich äußerst verworrenen Eigentums- und Nutzungsverhältnisse, Klarheit und Ordnung zu bringen, noch weniger aber geeignet, eine rationelle Verwaltung und die möglichst große Rentabilität herbeizuführen.“

Ein Inkrafttreten setzte für das betreffende Kronland voraus, dass ein entsprechendes Landesgesetz im Landtag verabschiedet wurde. Dies haben folgende Landtage mit folgenden Gesetzen unternommen:

Mähren: Gesetz für die Markgrafschaft Mähren vom 13.2.1884, LGBl 31/1884 (Mähr-TRLG);

Kärnten: Gesetz für das Herzogtum Kärnten vom 5.6.1885, LGBl 23/1885 (K-TRLG);

Niederösterreich: Gesetz für das Erzherzogtum Österreich unter der Enns vom 3.6.1886, LGBl 39/1886 (NÖ-TRLG 1886);

Krain: Gesetz für das Herzogtum Krain vom 26.10.1887, LGBl 2/1888 (Krain-TRLG),

Schlesien: Gesetz für das Herzogtum Schlesien vom 28.12.1887, LGBl 13/1888 (Schles-TRLG);

Salzburg: Gesetz für das Herzogtum Salzburg vom 11.10.1892, LGBl 32/1892 (Slbg-TRLG);

Steiermark: Gesetz für das Herzogtum Steiermark vom 26. Mai 1909 LGBl 44/1909 (St-TRLG 1909);

Tirol: Gesetz für die gefürstete Grafschaft vom 19. Juni 1909 LGBl 61/1909 (T-TRLG 1909);

Oberösterreich: Gesetz für das Erzherzogtum Österreich ob der Enns vom 28. Juni 1909 LGBl 36/1909 (OÖ-TRLG 1909)

Nachzügler Vorarlberg: Gesetz für das Land Vorarlberg vom 11. Juli 1921 LGBl 1921/115 (V-TRLG 1921)

Alle diese Teilungs- und Regulierungs-Landesgesetze (im folgenden kurz: „TRLGs“ waren von den Wiener Zentralstellen in die jeweiligen Landtage eingebracht worden; auch sind die maßgeblichen Gesetzesstellen in den verschiedenen TRLGs aus den Jahren 1884 – 1909 zur Einbeziehung des (gemeinderechtlichen) Gemeindeguts weitgehend deckungsgleich formuliert worden.

§ 2 Abs 3 Mähr-TRLG 1884: „nach Maßgabe des § 63 der Gemeindeordnung vom 15. März 1864“; § 2 Abs 1 K-TRLG 1885: „nach Maßgabe des § 63 der Gemeindeordnung vom 15. März 1864“; § 2 Abs 4 NÖ-TRLG 1886: „nach Maßgabe des § 64 der Gemeindeordnung vom 31. März 1864“; § 2 Abs 4 Krain-TRLG 1887: „nach Maßgabe der geltenden Gemeindeordnung“; § 2 Abs 4 Schles-TRLG 1888: „nach Maßgabe des § 63 der Gemeindeordnung vom 15. November 1863“; § 2 Abs 3 Slbg-TRLG 1892: „nach Maßgabe des § 64 der Gemeinde-Ordnung vom 2. Mai 1864“, § 5 Abs 4 St-TRLG 1909: „nach Maßgabe des § 60 der Gemeindeordnung vom 2. Mai 1864“; § 5 Abs 4 T-TRLG 1909: „nach Maßgabe des § 63 der Gemeindeordnung vom 9. Jänner 1866“; § 5 Abs 5 OÖ-TRLG 1909: „nach Maßgabe des § 61 der Gemeindeordnung vom 28. April 1864“; § 5 Abs 3 V-TRLG 1921: „nach Maßgabe des § 63 der Gemeindeordnung vom 21. September 1904“.

Der aus den Gesetzesmaterialien zum TRRG 1883 hervorleuchtende Wortsinn des Begriffes „Gemeindegut“ muss deshalb grundsätzlich auch den Ausführungsgesetzen unterstellt werden.

 

 

Verfahren im
Abgeordnetenhaus

Bericht des Commassionsausschusses

582 der Beilagen zu den sten Prot des Abgeordnetenhauses, IX. Session, Seite 12folgende (Auszug)

III. Zum Entwurfe eines Gesetzes, betreffend die Teilung gemeinschaftlicher Grundstücke und die Regulierung der hierauf bezüglichen gemeinschaftlichen Benützungs- und Verwaltungsrechte.

Gegenstand dieser Vorlage ist die Teilung der im § 1 sub a und b bezeichneten Grundstücke, eventuell die Regulierung der gemeinschaftlichen Benützungs- und Verwaltungsrechte an ungeteilt verbleibenden Grundstücken dieser Art.

Für die im § 1a bezeichneten Grundstücke gelten allerdings bisher die Bestimmungen des kaiserlichen Patentes vom 5. Juli 1883, RGBl Nr 130, allein nachdem in Gemäßheit dieses Gesetzes die Ablösung, bzw. Regulierung nur über Provokation vorzunehmen ist, letztere aber bekanntlich in sehr vielen Fällen unterlassen wurde, so ist bis jetzt eine bedeutende Anzahl solcher Verhältnisse ungeregelt geblieben.

Die im § 1 sub b bezeichneten Grundstücke aber sind solche, welche – abgesehen von Dalmatien, wo selbst durch die historischen Ereignisse und namentlich durch den Einfluss der türkischen und venezianischen Herrschaft sich ganz besondere Verhältnisse herausgebildet haben – in allen österreichischen Ländern sich als Überreste der alten Agrargemeinde innerhalb der modernen politischen Gemeinde bald unter der Bezeichnung „Gemeindegut“, bald unter der Bezeichnung „Gemeingut“ erhalten haben, und bei welchen die mannigfaltigsten Eigentums- und Nutzungsverhältnisse sich vorfinden.

Die eigentümliche Natur dieser Verhältnisse bringt es nun mit sich, dass deren Ordnung mit sehr bedeutenden Schwierigkeiten verbunden ist, welche zu bewältigen das XVI Hauptstück des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches weder bestimmt ist noch auch vermag.

Und doch ist eine sachgemäße Normierung dieser Verhältnisse ein Postulat der eigenen wirtschaftlichen Interessen der Gemeinschaften und einer rationellen Benützung von Grund und Boden im Allgemeinen.

Es wird von gut unterrichteter Seite behauptet, dass es noch mehr als eine Million Hektar sogenannter Gemeindegutweiden und Gemeindewaldungen gibt, bei denen die Eigentums- und Nutzungsverhältnisse unklar und strittig sind und deren Verwaltung eine ungeregelte und wüste ist.

Nach einem dem Niederösterreichischen Landtage im Jahr 1878 erstatteten Berichte des Landesausschussreferenten Herrn Dr. Josef Kopp gibt es in Niederösterreich, und zwar bloß in 482 Katastral-, bzw. 340 Ortsgemeinden nicht weniger als 48.044 Joch solcher Gemeindegrundstücke im Werte von 2,429.507 fl und constatiert der Bericht in denselben das Vorhandensein unklarer und streitiger Besitz- und Benützungsverhältnisse.

Diese Verhältnisse haben jedoch nicht bloß nationalökonomische, sondern auch schwerwiegende soziale Nachteile im Gefolge, welche eine Kräftigung der Gemeinden und einen geregelten Gemeindehaushalt geradezu unmöglich machen.

Es ist oben bereits hervorgehoben worden, dass die Bestimmungen unseres Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches weder bestimmt noch auch geeignet sind, in diese Verhältnisse Ordnung zu bringen. Die bloße Hinweisung auf den § 825 ab GW und die darin aufgezählten Arten der Entstehung einer Gemeinschaft lässt nicht verkennen, dass rein privatrechtliche Normen dort nicht zur Anwendung gelangen können, wo es sich, wie in dem vorliegenden Falle, um Gemeinschaften handelt, welche nach Ursprung und Entwicklung auch vom Standpunkte des öffentlichen Rechtes zu beurteilen sind.

Die Gemeindegesetzgebung aber enthält über die hierher gehörigen Fragen so wenige und so unzureichende Bestimmungen, dass sie keinen sicheren Anhaltspunkt bieten.

In allen Gemeindeordnungen – mit Ausnahme jener für Niederösterreich – findet sich wohl die Bestimmung, dass die privatrechtlichen Verhältnisse überhaupt und insbesondere die Eigentums- und Nutzungsrechte ganzer Klassen oder einzelner Glieder der Gemeinde ungeändert zu bleiben haben; allein mit diesem Satze werden die Streitfragen überhaupt nicht gelöst, noch weniger aber wird das Verhältnis der Genossenschaft zu der Gemeinde richtig gestellt.

Die weiteren Bestimmungen der Gemeindeordnungen, das im Bezug auf die Teilnahme an den Erträgnissen und Nutzungen des Gemeindeeigentums und auf das Maß derselben sich nach der bisherigen unangefochtenen Übung zu benehmen ist, ist eben auch nicht geeignet, in die bekanntlich äußerst verworrenen Eigentums- und Nutzungsverhältnisse Klarheit und Ordnung zu bringen, noch weniger aber geeignet, eine rationelle Verwaltung und die möglichst größte Rentabilität herbeizuführen.

Gemeindehutweiden und Gemeindewaldungen sind in den meisten Gemeinden nicht bloß für die Klassen, sondern auch für die Parteien das Streitobjekt, welches, mag der Sieg dieser oder jener Partei zufallen, immer tiefer einschneidenden Eingriffen ausgesetzt wird. (Seite 12, 582 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Abgeordnetenhauses, IX. Session)

Es kann sohin nur mit Freude begrüßt werden, wenn die Regierung und das hohe Herrenhaus daran geht, dass das im § 1b bezeichnete Vermögen vor weiterer Verschwendung zu retten und die Auseinandersetzung der diesbezüglichen Verhältnisse zu ermöglichen.

Bezüglich der im § 1a bezeichneten Grundstücke ist allerdings bereits durch das kaiserliche Patent vom 5. Juli 1853, RGBl Nr 130, die Möglichkeit der Ablösung, bzw. Regulierung der sich auf die Grundstücke beziehenden Rechte gegeben, allein die Regierung glaubte, auch diese in den meisten Fällen noch ungeregelten Verhältnisse in den vorliegenden Gesetzesentwurf einbeziehen zu müssen, einerseits deshalb wie die Absätze a und b des § 1 wesentlich analoge Verhältnisse behandeln und es nicht wohlan ginge, für jeden Fall ein anderes Verfahren und andere Behörden zu schaffen, andererseits deshalb, um zu vermeiden, dass eine und dieselbe Teilungsoperation in ihrer ersten Phase als Generalteilung nach dem vorstehend bezogenen kaiserlichen Patente und in der sich unmittelbar hieran reihenden Phase der Spezialteilung nach dem vorliegenden Gesetze vorgenommen werden müsste.

In Bezug auf die Kompetenzfrage muss auch hier vor allem daran festgehalten werden, dass es sich auch bei dieser Vorlage um eine Landeskulturangelegenheit handelt und dass auch hier der Landesgesetzgebung zusteht, alles Dasjenige zu bestimmen, was ihrem Gebiete angehört.

Es bedingt aber die in Rede stehende Auseinandersetzung ziemlich weitgehende Abweichungen von den Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches, welche in den Bereich der Reichsgesetzgebung fallen und in dem vorliegenden Reichsgesetze ihre Normierung und Abgrenzung erfahren haben, sodass fortan den Landtagen anheim gestellt sein wird, das gesamte weitere Materiale zu behandeln und zu beschließen.

Indem sich der Ausschuss vorbehält, die von dem hohen Herrnhause an der Regierungsvorlage gemachten Abänderungen an geeigneten Orten zu besprechen, und die Gründe für seine eigenen Beschlüsse dort vorzubringen, wo sie von den Herrnhausbeschlüssen abweichen, erlaubt er sich den Antrag zu stellen: Das hohe Abgeordnetenhaus geruhe den sub 3/3 beiliegenden Gesetzentwurf in der von dem hohen Herrnhausbeschlusse teilweise abweichenden Fassung zum Beschlusse zu erheben.

ad § 1
Nach der Fassung des hohen Herrnhauses würde die hier in Rede stehende Teilung von Gemeinschaften nur dann Platz greifen, wenn die zu teilenden Grundstücke von allen oder gewissen Mitgliedern der Gemeinde, einer oder mehrerer Gemeindeabteilungen, Nachbarschaften oder ähnlicher agrarischer Gemeinschaften – (wirklich) benützt werden, sodass sich in diesem Falle die Teilung nur auf den Kreis der wirklichen im Besitz und Genusse befindlichen Genossen beschränken würde.

Dem Ausschusse erschien diese Beschränkung nicht gerechtfertigt, derselbe ging vielmehr von der Ansicht aus, dass es sich in dem vorliegenden Gesetze nicht so sehr um die Auseinandersetzung unter den Genossen selbst, als vielmehr um die Auseinandersetzung zwischen den Genossen einerseits und den Gemeinden als solchen andererseits handelt.

Diese Anschauung entspricht vollkommen der Regierungsvorlage, deren § 3 die ausdrückliche Bestimmung enthielt, dass im Betreff der etwa bestrittenen Vorfrage, ob das Grundstück zu den in § 1 bezeichneten Kategorien gehöre, und wer daran eigentums- und nutzungsberechtigt sei, die Commassionsbehörden zuständig sind.

Aus diesen Gründen wurde die Teilung auch auf jene Personen ausgedehnt, welche die Nutzungsrechte auch nur ansprechen.

Im Schlusssatze des § 1 hat der Ausschuss die Bestimmung aufgenommen, dass die in diesem Verfahren zuständigen Behörden auch über die für die Benützung der Gemeinschaften gewährten oder beanspruchten Gegenleistungen zu entscheiden haben.

Diese Bestimmung bedarf wohl keiner ausführlichen Begründung, weil es von selbst einleuchtet, dass die allfällige Gegenleistung der Nutzungsberechtigten den Umfang und den Wert ihres Rechts beeinflussen.

Der Ausschuss hat dem § 1 noch hinzugefügt, dass es Sache der Landesgesetzgebung ist zu bestimmen, wann die Zuständigkeit der in diesem Verfahren eintretenden Behörden beginnt, und in Übereinstimmung mit der ersten Vorlage ausgesprochen, dass alle in diesem Zeitpunkt bei anderen Behörden anhängigen und noch nicht rechtskräftig entschiedenen Angelegenheiten dieser Art den in diesem Verfahren zuständigen Behörden abzutreten sind.

Dieser von dem Ausschusse beschlossene Zusatz entspricht derselben Anschauung, welche im § 8 des ersten Gesetzesentwurfes zum Ausdruck gelangte und dort begründet wurde.

 

ad § 2
Hier muss vor allem darauf hingewiesen werden, dass der Bericht des hohen Herrnhauses sich von der Regierungsvorlage, wenn auch nicht in der Sache selbst, unterscheidet.

Während nämlich nach der Regierungsvorlage die hier in Rede stehenden Auseinandersetzungen „nach Maßgabe der grundsätzlichen Überlegungen (dieses Gesetzes) von der Landesgesetzgebung getroffen“ werden, und „hiebei die durch diese Bestimmungen nicht berührten Vorschriften des Reichsgesetzes über die Zusammenlegung landwirtschaftlicher Grundstücke zur sinngemäßen Anwendung gelangen“ sollten, hat das hohe Herrnhaus beide Gegenstände als durchaus verschieden auseinanderhalten zu müssen geglaubt, sohin den Zusammenhang beider Gesetzesvorlagen gelöst, und für die Auseinandersetzung einer Gemeinschaft in einem § 2 umfassende Bestimmgen getroffen.

Vorerst hat das hohe Herrnhaus den Grundsatz ausgesprochen, dass solche Auseinandersetzungen nach Maßgabe des uns vorliegenden Gesetzesentwurfes und der aufgrund desselben zu erlassenden landesgesetzlichen Anordnungen zu erfolgen haben, und sodann hat dasselbe in den Absätzen a bis f jene Bestimmungen insbesondere hervorgehoben, welche durch die Landesgesetzgebung zu treffen sein werden.

Der von dem hohen Abgeordnetenhaus berufene Ausschuss hat an die Absätze a bis f des § 2 lediglich nachstehende Änderungen beschlossen.

Vorerst hat derselbe den Passus „Hiebei hat die Landesgesetzgebung insbesondere zu bestimmen“ dahin geändert, dass derselbe zu lauten habe: „Hiebei bleibt es der Landesgesetzgebung vorbehalten, insbesondere zu bestimmen.“

Diesfalls war für den Ausschuss die Erwägung maßgebend, dass die Fassung des hohen Herrnhauses einen kategorischen Imperativ enthält, welcher durchaus keine Berechtigung hat, der Freiheit der Landesgesetzgebung, auch nur einzelne sub a bis f aufgezählte Bestimmungen zu treffen, präjudiziert, und die Landtage in die Notwendigkeit versetzt, sich mit Fragen zu beschäftigen, die von seinem Standpunkte aus einer Erörterung überhaupt nicht bedürfen.

Andererseits aber fand der Ausschuss die Aufzählung der von dem hohen Herrnhause den Landtagen zugewiesenen Bestimmungen unvollständig, und hat sub g bis i die Lösung weiterer Fragen den Landtagen vorbehalten.

Die Abänderungen an dem Absatze c, wie selbe von dem Ausschusse vorgeschlagen werden, finden ihre Begründung darin, dass der Landesgesetzgebung die Freiheit nicht verkümmert werden wollte, auch nur eine Art des Verfahrens, nämlich entweder nur jenes von Amts wegen oder jenes über Provokation – zuzulassen.

Die Weglassung der Worte „von Teilgenossen“ ist eine notwendige Folge der im § 1b beschlossenen Änderung, wonach auch diejenigen, welche an den Gemeinschaften Nutzungsrechte bloß ansprechen, ohne selbe wirklich auszuüben, zu den beteiligten Interessenten gehören.

Was nun die Zusatzanträge g bis i betrifft, so werden dieselben nachstehend begründet:

ad g) In diesem Absatze wird der Landesgesetzgebung vorbehalten zu bestimmen, ob das Verfahren außer den Grundstücken sich auch noch auf andere unbewegliche oder bewegliche Vermögenschaften der Gemeinschaften zu erstrecken habe. Dies findet seine Erklärung einerseits in der Tatsache, dass die letztgenannten Vermögenschaften in sehr vielen Fällen aus den Ertragsüberschüssen der der Gemeinschaft gehörigen Grundstücke entstanden sind, somit bei der Auseinandersetzung der Gemeinschaft als ein Zuwachs derselben angesehen werden müssen und andererseits in der Erwägung, dass die Auseinandersetzung nicht vollständig wäre und alle in der Gemeinde bestehenden Differenzen nicht beseitigen würde, wenn sie nur auf diese Grundstücke allein beschränkt bliebe, während gerade die hier bezogenen Vermögenschaften ganz geeignete Objekte bieten werden, um die Auseinandersetzung auch in der Hauptsache zu fördern und möglich zu machen.

ad h) Nach diesem Absatze ist die Ingerenz der Bezirks- und Landesausschüsse in diesem Verfahren in Aussicht genommen und hat die Landesgesetzgebung das Maß derselben zu bestimmen. Diese Bestimmung rechtfertigt sich damit, dass es sich vorwiegend auch um Gemeindeinteressen handelt, deren Wahrung vornehmlich den Bezirks- und Landesausschüssen obliegt. Es versteht sich übrigens von selbst, dass dieser Einfluss keineswegs so weit gehen kann, um die Tätigkeit der Teilungsbehörden zu paralysieren oder die Auseinandersetzung überhaupt in Frage zu stellen, es steht vielmehr zu erwarten, dass die autonomen Behörden und die nach diesem Gesetze organisierten Kommissionen einander wechselseitig unterstützen werden.

ad i) Nach § 1 unserer Vorlage sind die nach der Vorlage ./1 in Zusammenlegungsangelegenheiten zuständigen Behörden auch für die Teilung bzw. Regulierung der Gemeinschaften zuständig. Nachdem nun alle unsere Vorlagen, wenn sie Gesetze werden, erst mit den in den einzelnen Königreichen und Ländern zu erlassenden Landesgesetzen in Wirksamkeit zu treten haben und der Fall nicht bloß denkbar, sondern sehr wahrscheinlich ist, dass in einzelnen Ländern wohl Landesgesetze über die Auseinandersetzung von Gemeinschaften, nicht aber über die Zusammenlegung landwirtschaftlicher Grundstücke zustande kommen, in einem solchen Falle also weder Zusammenlegungsbehörden bestehen würden, noch auch die Art des Verfahrens normiert wäre, so müsste auch dafür Vorsorge getroffen werden, dass für die Zwecke des uns vorliegenden Gesetzes allein die zur Durchführung derselben erforderlichen Organe bestellt werden und die Art des Verfahrens normiert werde, was eben auch Sache der Landesgesetzgebung ist und von ihr in Übereinstimmung mit den in dem ersten Entwurfe aufgestellten Grundsätzen zu beschließen ist.

Über die im Ausschusse aufgeworfene und ventilierte Frage, ob nicht in einzelnen Ländern gewisse Bestimmungen zur näheren Definierung des Begriffs „ungeteilter Grundstücke“ notwendig sein werden und ob es sich nicht etwa empfehle, eine Hinweisung auf solche Vorschriften schon im § 2 des in Rede stehenden Gesetzesentwurfes aufzunehmen, war der Ausschluss schließlich der Ansicht, dass in dieser Beziehung die von der Regierung abgegebene Erklärung genüge, wonach auch von ihrem Standpunkte die Landesgesetzgebung zu solchen besonderen Vorschriften, wo sie notwendig oder zweckmäßig sein sollten, als zuständig erkannt wird, ohne dass es einer ausdrücklichen Bestimmung in diesem Reichsgesetze bedürfe. (Seite 15)

Die Debatte der Abgeordneten

Aus den Sten. Prot. des Abgeordnetenhauses des Österreichischen Reichsrates, IX. Session, Seite 9214 folgende: Tagesordnungspunkt: Zweite Lesung des Gesetzes betreffend die Teilung gemeinschaftlicher Grundstücke und die Regulierung der hierauf bezüglichen gemeinschaftlichen Benützungs- und Verwaltungsrechte (582 der Beilagen)

(erster Redner) Abgeordneter Ritter von Jaworski (Auszug):

Was über das Commassationsgesetz in dieser Hinsicht von meinen engeren Parteigenossen gesagt wurde, gilt auch von dem Gesetze, betreffend die grundsätzlichen Bestimmungen über die Teilung wirtschaftlicher Grundstücke, nicht nur hinsichtlich der Meritums des Gesetzes selbst, sondern auch in der Richtung dass durch dieses Gesetz einschneidende Ingerenz auf die Autonomie der Gemeinde, auf die der Landesgesetzgebung vorbehaltenen Agenden der Gemeinde- und Kulturangelegenheiten ausgeübt wird. (Seite 9215)

Hier handelt es sich, wie gesagt, um die Ingerenz der Reichsgesetzgebung auf die Autonomie der Gemeinden, um die Ingerenz der Reichsgesetzgebung in die kulturellen Angelegenheiten der Landesgesetzgebung und das wäre schon ein hinlänglicher Grund, um gegen das Gesetz zu sein.

Denn meine Herren, dass lässt sich nicht in Abrede stellen: Hier handelt es sich um die Gemeinden, um das Gemeindevermögen, um Gemeindeinstitutionen. Ich bitte zu bedenken, meine Herren, vergleichen Sie die Gemeinde Sechshaus und eine Gemeinde im Ortlergebirge, eine Gemeinde z. B. am Gardasee und eine Gemeinde in der potonischen Steppe, und so verschiedenartige Verhältnisse werden durch ein Gesetz ohne nähere Unterscheidung geregelt.

Aber Sie werden es, meine Herren, begreiflich finden, dass wir uns diesem Gesetze gegenüber kühl verhalten müssen, gegenüber einem Gesetze, welches einerseits, wie schon gesagt, so die in die Agenden der Gemeinden und der Landtage eingreift, und welches andererseits das Ziel, dass sich die hohe Regierung bei der Einbringung desselben gesteckt hat, dass Ziel der vollständigen Ausnützung des Eigentumsrechtes vielleicht zu dem Gegenteil zur Vergeudung des Eigentumsrechtes der Gemeinden führen könnte. Ich überlasse demnach das Schicksal dieser Regierungsvorlage Ihrem Ermessen. (Seite 9216)

Abgeordneter Dr. Gorg Granitsch (Niederösterreich):

Dasjenige Kronland, welches mich in diesen Vertretungskörper gesendet hat und diejenigen Landgemeinden, welche durch mich vertreten werden, haben seit Jahren das dringende Bedürfnis nach einem Gesetze ausgesprochen, durch welches es ermöglicht wird, die Fragen der Regelung der Nutzungsrechte an den Gemeinschaftsgründen, an dem so genannten Klasseneigentume, und eventuell die Teilung dieser Gemeinschaftsgründe zu normieren. Wir die wir das Bedürfnis anerkennen und glauben, dass dieses Bedürfnis durch das Gesetz befriedigt werde, stehen aber auch auf dem Standpunkt, dass diese Fragen in zweckmäßiger Weise durch Landtagsgesetzgebung gelöst werden können.

Es ist in der Tat ein großer Unterschied in jedem einzelnen Kronlande bezüglich der in den Gemeinden obwaltenden Verhältnisse und es ist die genaue Erkenntnis derselben notwendig, um diese Fragen in zweckentsprechender Weise zu lösen.

Es werden nur alle Fragen geregelt, welche Eigentumsverhältnisse betreffen. Das Reichsgesetz hat hier nur ausschließlich jene Fragen geregelt, welche in das Gebiet der Justizgesetzgebung fallen; es hat die Teilung der Grundstücke ermöglicht, weil ja dies das Eigentum der einzelnen Gemeinschaften, der einzelnen Nutzungsberechtigten betrifft, sodass es hier wieder mit einer Expropriation und ihren Bedingungen zu tun haben; es hat die Fragen geregelt, welche den Realgläubiger betreffen, den Dritten, welcher Rechte an den Grundstücken hat, welche der Teilung unterzogen werden sollen oder bezüglich welcher eine Regelung der Nutzungsverhältnisse stattfinden soll. Wie sehr dieses Gesetz diese Grenzen innehält, zeigt eine Vergleichung seiner Paragrafen mit den Paragrafen des Commassationsgesetzes.

Sowie bei dem Commassationsgesetze, abgesehen von der Organisation der Behörden, nur Eigentumsfragen nämlich die Exproperationsfragen einer Lösung durch die Reichgesetzgebung zugeführt werden sollten, so ist dies auch hier der Fall. Dieses Gesetz schafft erste Voraussetzungen, unter welchen es der Landesgesetzgebung allein möglich ist, zu der ihr zukommenden Lösung der Landeskulturfragen in zweckentsprechender Weise zu schreiten. (Seite 9217)

Ackerbauminister Graf Julius von Falkenhayn:

Was den zweiten schon oft berührten Punkt, nämlich den Eingriff in die Landesautonomie anbelangt, so muss ich gestehen, dass § 1 der einzige Punkt in der Reihe dieser Gesetze ist, bei welchem ich zugeben müsste, dass wirklich die Gesetzgebung, welche durch die Landesordnung den Ländern vorbehalten ist, tangiert wird, indem dort die Gesetzgebung auch über jene Grundstücke eine Entscheidung trifft, deren Regelung nach den Landesordnungen und den Gemeindeordnungen der Landesgesetzgebung vorbehalten sind, nämlich über das Eigentum der Gemeinde. Ich sage, ich müsste diesen Einwand zugeben, wenn nicht auf § 1 § 2 folgen würde. In § 2 ist ja doch ganz klar ausgedrückt, dass es der Landesgesetzgebung vollständig vorbehalten bleibt, alles das zu tun oder zu lassen, was ihr beliebt, sie kann bestimmen, ob diese Grundstücke dieser Operation unterzogen, wann und unter welchen Umständen sie dieser Operation unterzogen werden sollen, wer sich in die Operation selbst hineinmengen darf, kurz sie kann eigentlich alles beschließen. Die einzige praktische Anwendung des § 1 ist die, dass auch diese Grundstücke, wenn die Landesgesetzgebung beschließt, dass sie dieser Operation unterzogen werden sollen, jene Vorteile genießen werden, welche dieses Gesetz überhaupt bietet. Das Verfahren wird vereinfacht sein dadurch, dass die für die Commassation aufgestellten Behörden das Verfahren durchführen werden, es werden Gebührenerleichterungen gewährt werden, der Staat wird die Commissionen bezahlen, kurz alle Erleichterungen, die in dem Gesetz enthalten sind, werden eintreten. (Seite 9218)

Abgeordneter Dr. Ritter von Grocholski (Galizien):

Der § 1 bestimmt, welche Grundstücke dem Gegenstand des Gesetzes zu bilden haben. Unter diesen Gründen sind aber unstreitig jene Gründe gemeint, welche heutzutage Eigentum der Gemeinde sind und welche den Namen „Gemeindegut“ haben – ich weiß nicht ob ich richtig verdolmetsche, im polnischen heißt es „dobro gminne“ – also „Gemeindegut“. Das sind jene Gründe, welche das Eigentum entweder der ganzen Gemeinde oder eines Teils der Gemeinde bilden, nachdem ja die politische Gemeinde aus Ansässigkeiten bestehen kann, welche besonderes Eigentum haben und wo die einzelnen Mitglieder dieser Gemeinde, bzw. dieses Teiles der Gemeinde das Benützungsrecht auf diese Gründe haben. Diese Gründe fallen unbestreitbar nach dem Wortlaute des § 1 unter dieses Gesetz. Nun, meine Herren, die Verwaltung dieser Gründe, die Benützung, die Teilung dieser Gründe ist aber, wenn ich nicht irre, bereits in allen durch Landesgesetze gegebenen Gemeindeordnungen normiert, besonders in Galizien. Ich kann die Paragraphe zitieren, durch die sie normiert ist. In Dalmatien ist es noch mehr der Fall. Da besteht ein eigenes Gesetz, und zwar Landesgesetz und Reichsgesetz. Sie werden daraus wohl ersehen, dass die Verwaltung, die Benützung, die Teilung dieser Gründe, wenn ein Landesgesetz darüber bereits eine Entscheidung gefällt hat, zur Landesgesetzgebung gehören. Darüber besteht kein Zweifel. Ich will hier aber von der Autonomie absehen. Ich will Ihnen praktisch die Sache darstellen. Wenn Sie dieses Gesetz beschließen, bei dem bestehen von Landesgesetzen, in denen die Normierung eine andere ist, so entsteht ja eine förmliche Kollision. Das Reichsgesetz kann ja das Landesgesetz nicht ändern. In den Gemeindeordnungen, welche durch Landesgesetze gegeben sind, heißt es in allen – wenigstens habe ich dies in der manz´schen Ausgabe gefunden, für Galizien kann ich Ihnen die Paragraphe vorweißen – dass die Art der Verwaltung der Benützung und der Teilung Gegenstandtätigkeit des Gemeinderates ist, und in der Handhabung Gegenstand des Gemeindeausschusses. Die Teilung solcher Gründe muss nach den Gemeindeordnungen von dem Gemeinderate beschlossen, und dieser Beschluss des Gemeinderates muss in sehr vielen Ländern nach der Gemeindeordnung durch ein Landesgesetz sanktioniert sein. In Galizien ist ein Beschluss des Landtages hiezu erforderlich. Also nicht eine gewisse Anzahl derer, welche das Recht der Benützung haben, kann hier entscheiden, sondern der Gemeinderat muss entscheiden.
Wenn Sie dieses Gesetz annehmen, so entsteht eine förmliche Kollision mit den gegenwärtig bestehenden Landesgesetzen nicht nur in Galizien, sondern auch in den anderen Provinzen.
Die Art der Benützung ist in der galizischen Gemeindeordnung ausdrücklich normiert. Dort heißt es: Dem Gemeinderate steht es frei, für die Benützung den einzelnen Mitgliedern eine gewisse Abgabe aufzuerlegen, so dass sie nicht umsonst auf den Gründen weiden.  Es steht weiter in dem Gesetze: Die Steuern von diesen gemeinschäftlichen Gründen werden aus diesen Abgaben, welche die Einzelnen für die Benützung dieser Gründe zahlen, entrichtet. Reichen sie nicht hin, so müssen diejenigen, welche die Gründe benützen, diese Steuern verhältnismäßig ergänzen.
Das meine Herren sind lauter gesetzliche Bestimmungen, die bereits vorliegen. Und wie können Sie jetzt ein Gesetz beschließen, welches schnurstracks demselben entgegensteht? In welchem eine gewisse Mehrheit von Benützenden das Recht hat, über die Art der Benützung, über die Art der Verwaltung, und über die Teilung zu entscheiden? (Seite 9219)

Herr Regierungsvertreter Ministerialrat Ritter von Rinaldini:

Seine Excellenz der Abgeordnete Ritter von Grocholski hat ganz richtig bemerkt, dass unter die Grundstücke, welche im § 1 des vorliegenden Entwurfes aufgezählt sind, auch diejenigen fallen, welche in den Gemeindeordnungen als das Gemeindegut bezeichnet sind. Er hat daraus die Folgerung gezogen, dass sich zwischen den vorliegenden Gesetzentwurfe und den Bestimmungen der Gemeindeordnungen, bzw. also der Landesgesetzgebung eine Kollision ergibt. Ich glaube diese Auffassung ist nicht ganz richtig. Das gegenwärtige Gesetz ist sozusagen nur ein Skelett, dem erst die Landesgesetzgebung den Lebensatem einzuhauchen hat; es kann dem gemäß von einer bereits bestehenden Kollision zwischen diesem Gesetze und den Gemeindeordnungen gar keine Rede sein. Eine solche Kollision könnte erst dann entstehen, wenn die Landesgesetzgebung in Ausführung des vorliegenden Gesetzes andere Bestimmungen treffen würde, als in der Gemeindeordnung dermalen enthalten sind. Dann ist aber keine Kollision mehr da, sondern ex posterior derogat priori, dann hat eben die Landesgesetzgebung gefunden, dass Änderungen in der Gemeindeordnung in dieser Hinsicht vorzunehmen sind.“ (Seite 9221)

Der Grund, warum überhaupt dieses Gesetz auch diese Grundstücke, nebst den so genannten Klassenvermögen also auch das Gemeindegut einbezogen hat, ist einfach der, weil nach den Erfahrungen, welche in einer Reihe von Ländern gemacht worden sind, die sehr wagen Bestimmungen der Gemeindeordnung, welche ja bloß auf die unangefochtene Übung hinweisen und eventuell, wo eine solche unangefochtene Übung nicht besteht, Gemeinderatsbeschlüsse als normierend bezeichnen – nicht hinreichend sind. Schon die einfache Vorfrage, ob ein solches Grundstück ein Grundstück der Gemeinden oder ein Grundstück einer Klasse von Gemeindeangehörigen sein wird, ist ja eine ungemein schwierig zu lösende Frage, und zwar eine Frage, die nicht bloß merital schwierig zu lösen ist, sondern schon dann Schwierigkeiten bietet, wenn man einfach um die Kompetenz frägt, wenn man sicheren Aufschluss haben will, wer eigentlich kompetent sei, in dieser Frage zu entscheiden?“ (Seite 9221)

Diese Unzulänglichkeit der bestehenden Normen der Gemeindeordnung und auch insbesondere was das Gemeinschaftsvermögen betrifft, die vollständige Unzulänglichkeit der Normen des 16. Hauptstückes des bürgerlichen Gesetzbuchs über die Gemeinschaft des Eigentums haben gerade zu gedrängt, eine solche Vorlage zu entwerfen. Eine solche Vorlage wurde begehrt von den Landtagen in Niederösterreich und Krain, wo die sehr wichtige Hutweidenverteilung bereits durch eine lange Reihe von Jahren ohne Erfolg angestrebt wird, in Kärnten, wo zahlreiche Nachbarschaftsgründe eine sehr wesentliche Rolle in der Landeskultur spielen. Schließlich wurde die Notwendigkeit einer solchen Norm auch bei der Behandlung von Bodenkulturfragen des Küstenlandes wahrgenommen. Ich erlaube mir zu bemerken, dass z. B. Kärnten nicht weniger als 380.000 Joch Weideland hat, wovon 150.000 Joch Hutweiden sich in einem solchen gemeinschaftlichen Besitze von Gemeinden, Ortschaften und Nachbarschaften befinden, ein weites Gebiet von welchem der Landtag anerkannt hat, dass, wenn es möglich wäre, aufgrund gesetzlicher Bestimmungen eine bessere Benützung und Verwaltung zu erzielen, ein weit größerer Ertrag erzielt werden könnte. (Seite 9221)

Die Wechselgründe in Krain betragen ungefähr 29.000 Joch. das sind Gründe deren wechselweiße Benützung mit bestimmten Hufen verbunden ist und welche, wie es ja ganz natürlich ist, eine niedere Kulturstufe aufweißen, die wohl bei Regelung der Verhältnisse erheblich erhöht werden könnte. (Seite 9221)

Wenn man also selbst nur auf diese wenigen Länder, die ich jetzt genannt habe, hinblickt, so ergibt sich die Notwendigkeit, irgend eine Basis zu schaffen, durch welche es den einzelnen Ländern überhaupt ermöglicht wird, unter voller Berücksichtigung der Landes- und lokalen Verhältnisse dasjenige zu Normieren, was zur Beseitigung der in Rede stehenden höchst verworrenen Verhältnissen notwenig ist.

Ich glaube, dass man bei unbefangener Betrachtung des vorliegenden Gesetzesentwurfes, den ich schon früher als Skelett zu bezeichnen mir erlaubt habe, wohl zugestehen muss, dass den Landtagen ein weiter Spielraum freigelassen ist, um alles dasjenige bezüglich des Gemeindegutes und des Klasseneigentums zu verfügen, was sich bei Berücksichtigung der speziellen Verhältnisse als wünschenswert herausstellen sollte. Gerade die Enumeration in § 2 zeigt doch vollständig und zur Genüge, dass bei einer solchen Berücksichtigung dem Landtage keine Schranke gesetzt ist, dass im Gegenteil mit größter Sorgfalt vorgesorgt worden ist, damit ihm die Kompetenz, wo sie etwa zweifelhaft wäre, von Vornherein gesichert sei. (Seite 9222)

Ich erlaube mir endlich zu bemerken, dass einige Punkte in § 2 gerade zu Ausnahmen von den Bestimmungen des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches enthalten, so von § 830 wonach jeder Teilnehmer die Aufhebung der Gemeinschaft verlangen kann, von dem selben Paragraph, wonach das Verlangen der Teilung zur Unzeit ausgeschlossen ist, von dem selben Paragraph, insofern hier eine Teilung von Amtswegen oder über Begehren einer Mehrheit zugelassen wird; von § 841, wonach wenn nicht alle Teilhaber über die Teilung einig werden das Los der Schietsrichter und schließlich der ordentliche Richter zu entscheiden hätte; von § 883, wo andere Bestimmungen über die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums getroffen sind, als sie hier zugelassen werden; von § 834, wo Bestimmungen über wichtige Veränderungen in der Substanz des Gutes, dann hinsichtlich der Sicherstellung etc. getroffen sind, und zwar verschieden von jenen, die sich aus diesem Gesetz ergeben; endlich enthält § 2 eine Ausnahme von § 835 des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches, in dem nach letzterem im Falle des Austrittes zur Unzeit die Entscheidung über die Veränderung durch das Los, den Schietsrichter oder den ordentlichen Richter zu geschehen hätte.

In allen diesen Punkten gibt der § 2 den Landtagen die Möglichkeit, andere Bestimmungen zu treffen, als sie in dem allgemeinen bürgerlichem Gesetzbuche, 16. Hauptstück, enthalten sind, und es ist deshalb notwendig, weil man es hier, wie ich schon gesagt habe, mit Grundstücken des Gemeindegutes oder Gemeindevermögens, auf welche die rein privatrechtlichen Bestimmungen keine Anwendung finden, und weil man es ferner mit dem Klassenvermögen zu tun hat, hinsichtlich dessen es streitig sein mag, ob das 16. Hauptstück des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches Anwendung findet oder nicht, bezüglich dessen es aber außer Zweifel steht, dass die Bestimmungen des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches nicht ausreichen.

Ich glaube somit, dass dieses Gesetz der ergänzenden Landesgesetzgebung einen sehr weiten Spielraum freilässt, und zwar nach meiner Ansicht einen solchen Spielraum, innerhalb auch den besonderen Verhältnissen, welche von den Herren aus Galizien angedeutet worden sind, wird vollkommen Rechnung getragen werden können. (Seite 9222)

Abgeordneter Dr. Josef Kopp (Niederösterreich):

Ich kann den Herren versichern, dass im Lande Niederösterreich vielleicht augenblicklich kein Gesetz so notwendig ist und so sehr gewünscht und tagtäglich von den Gemeinden erbeten wird, als das vorliegende. Die Verwirrung und der Streit haben bereits eine ganz unerträgliche Höhe erreicht; es mehren sich die Frevel, es mehren sich die Fälle, in denen diejenigen, die sich für berechtigt halten, Eingriffe machen, die dann als Diebstahl bestraft werden; kurz es ist eine geordnete Gemeindewirtschaft bei den bisherigen Zuständen gar nicht möglich. Wenn das Land Galizien wirklich so glücklich ist, Bestimmungen zu besitzen, welche alle diese Streitigkeiten einer geordneten Regelung zuzuführen geeignet sind, wovon ich allerdings heute zum ersten Mal höre – so kann ich dieses Land nur beneiden. Allein bei uns ist es nicht so und soweit ich die Verhältnisse anderer Kronländer kenne, sind mir von den verschiedensten Seiten, auch von Landesausschüssen anderer Kronländer, Mitteilungen zugekommen, welche das ganze Entgegengesetzte beweisen. Vielleicht ist auch diese Ruhe und dieser stille Friede in Galizien nicht ganz wörtlich zu nehmen und vielleicht könnte er auch dort gestört werden wie bei uns. (Seite 9222)

Den selbst wenn man mit Zuhilfenahme der vollständig ungenügenden Bestimmungen der Gemeindeordnungen und der einschlägigen Gesetze sich im Landesausschusse bemüht eine halbwegs erträgliche und befriedigende Ordnung herzustellen, so tritt uns eines immer störend entgegen, dass nämlich die Ingerenz der Gerichte in keiner Wiese ausgeschlossen ist, so dass derjenige, welcher mit dem Zustande nicht zufrieden ist, sich an die Gerichte wendet, die dann lediglich nach den Bestimmungen des bürgerlichen Gesetzbuches über gemeinsames Eigentum und nach dem hier sehr ominösen Bestimmungen über die Verjährung und Ersitzung entscheiden, ohne im Entferntesten bei dem besten Willen nur die realen Verhältnisse verstehen und berücksichtigen zu können, und ohne insbesondere die wirtschaftlichen Rücksichten irgendwie walten lassen zu dürfen. So kreuzen sich denn in den Gemeinden ältere Verordnungen und Entscheidungen der Landesbehörden, neuere Beschlüsse der Gemeinden, faktische Zustände, Entscheidungen des Landesausschusses und verschiedene gerichtliche Entscheidungen, kurz es wird ein Chaos geschaffen. Diesem Chaos soll hier ein Ende gemacht werden, und darum begrüßen wir in einem Falle, wo staatsrechtliche, politische, nationale, provinziale Eifersüchteleien oder Streitigkeiten gar nicht am Platze sind, dieses Gesetz als eine wahre Erlösung.

(Der Abgeordnete Dr. Josef Kopp an den Redner aus dem Kronland Galizien gerichtet:) Ja meine Herren, wozu ist denn eine solche Ausschussberatung, in welcher Vertreter aller Parteien und verschiedener Kronländer anwesend sind, wenn nunmehr im Namen einer ganzen im Ausschuss vertretenen Partei Anträge in Aussicht gestellt werden, welche alles das, was mühsam geschaffen wurde, vollständig über Bord werfen. Und aus welchen Gründen? „Man will jenes Gut, welches der Gemeinde oder einer Fraktion der Gemeinde gehört, an welchem alle oder einzelne Mitglieder dieser Gemeinde oder Fraktion gewisse Nutzungsrechte haben, aus dem Gesetz ausscheiden. Wenn sie das tun wollen, scheiden sie lieber gleich das ganze Gesetz aus. Den da liegt ja eben die Quelle dieser unlösbaren Wirrnisse und Streitigkeiten, und welchen Nutzen soll es haben, wenn es heißt: Auf diese Gründe findet eine Anzahl von Paragraphen sinngemäß Anwendung? Es ist diese immer ein vom juridischen Standpunkte bedenkliches Flickwerk, welches man nur in der Verzweiflung gebrauchen kann. Mit diesem Sinn gemäß werden sie den Streit nicht schlichten, sondern ihm neue Quellen eröffnen. Wollen sie also, dass das Gesetz Wirksamkeit habe, so müssen sie es gerade auf diese Grundstücke anwenden, welche als Gemeindegut bezeichnet werden, denn sonst ist es in der Tat zwecklos. (Seite 9223)

Kann man nun etwa den wichtigen Beisatz, der nach meinem Antrage hinzugefügt wurde, auslassen, dass die Landesgesetzgebung zu bestimmen hat, ob das Verfahren nur auf Grundstücke oder auch auf andere unbewegliche oder bewegliche Vermögenschaften sich zu erstrecken hat, eine Bestimmung die sonst nicht getroffen werden dürfte von den Landtagen und die sehr wichtig ist weil die Ausgleichung dieser widerstreitenden Ansprüche durch Verteilung von beweglichen und unbewegliche Vermögen geschehen kann, und weil dieses andere unbewegliche und das bewegliche Vermögen sehr häufig nichts weiter ist, als ein Ersparnis jener Klassenberechtigter, Nutzungsberechtigter, welche damit unter Umständen das Gemeindehaus, die Schule usw., ebenfalls erbaut haben, so dass heute einige dieser Herren sagen: Auch das Gemeindehaus, auch der Gemeindearrest, auch die Schule, usw. gehören nicht der Gemeinde sondern gehören unserer Gemeinschaft. Also muss das auch miteinbezogen werden. (Seite 9223f)

Der Abgeordnete Kopp weiter: Nach Auseinandersetzung mit der Frage, inwieweit die Reichsgesetzgebung Voraussetzung für eine entsprechende Landesgesetzgebung sei und diese Frage bejahend. Und weiter: „Es ist also der Weg, den die Regierung eingeschlagen hat, vom Niederösterreichischen Landtag sofort mit Freude begrüßt worden, und wir hoffen nun, vielleicht schon im Herbst dieses Jahres endlich einmal die bessernde Hand an unsere verworrenen Gemeindeeigentumsverhältnisse legen zu können.“ (Seite 9224)

Berichterstatter des Commassionsausschusses, Advocat und Notar, Mitglied des Böhmischen Landesausschusses und Abgeordneter Dr. Johannes Zak:

Ich muss konstatieren, dass die Streitigkeiten zwischen den Klassen in den Gemeinden, oder, wenn sie wollen, zwischen der Gemeinde als solcher einerseits und zwischen den gewissen Singularristen auf der anderen Seite, auf der Tagesordnung sind. Wer einmal Gelegenheit hatte, die Agenda des Landesausschusses im Kronlande Böhmen – und ich glaube es wird in anderen Kronländer auch nicht anders sein – einzusehen, wird finden, dass das größte Perzent derselben Streitigkeiten um die so genannten Gemeindegründe sind. (Seite 9225)

Ich selbst habe einen Fall beim böhmischen Landesausschuss anhängig, der sich schon fünf bis sechs Jahre hinzieht und der böhmische Landesausschuss ist nicht in der Lage – ich kann ihm dies nicht verdenken – die Sache zu entscheiden, denn dieselbe ist so verworren und so schwierig, dass der Landesausschuss immer und immer wieder Erhebungen und Einvernehmungen von Gedenkmännern verfügt und dennoch immer nicht vorwärts kommt. Und wenn der Landesausschuss endlich einmal die Entscheidung gefällt haben wird, dann geht derjenige Teil, der mit der Entscheidung nicht zufrieden ist an den Verwaltungsgerichtshof und wenn er auch hier sachfällig wird, betritt er den gerichtlichen Rechtsweg.

Gestatten Sie mir, dass ich als praktischer Mann mich in diesen Fragen absolut gegen die Judikatur der Gerichte ausspreche. Einerseits ist die Bestimmung des 16. Hauptstückes des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches eine derartige, dass sie auf diese Verhältnisse überhaupt nicht passt. Der Zivilrichter hat aber eine andere Bestimmung nicht. Auch sind die Bestimmungen unserer Zivilprozessordnung derart, dass es in der Tat sehr schwer fällt, dieselben auch auf solche Fälle anzuwenden und schließlich: Um was handelt es sich denn in den meisten gerichtlich anhängig gemachten Prozessen? Derjenige Teil, der mit der Klage auftritt, behauptet gewöhnlich, er habe das Eigentum der so genannten Gemeindegründe ersessen. Zu diesem Behufe findet er fast immer die Gedenkmänner, durch welche bewiesen wird, dass die altangesessenen das so genannte Gemeindegut von Alters her wirklich besessen, genutzt, verwaltet und daraus die Nutzungen gezogen haben und die Gerichte müssen selbstverständlich der Klage stattgeben. Das Gemeindegut wird sofort dem Einzelnen als ihr Privateigentum zuerkannt, die Gemeinde zahlt die Gerichtskosten und verliert ihr Vermögen.

Und doch hat man gemeint, es wären aus diesem Gesetze alle diejenigen Fälle auszuscheiden, wo es sich um das so genannte Gemeindegut handelt. Mit dem Gemeindegut hat es auch seine eigene Bewandtnis. Ich kenne sehr viele Fälle, wo das so genannte Gemeindegut überhaupt das Gemeindevermögen entweder im Kataster oder selbst im Grundbuch der Gemeinde zugeschrieben ist. Aber was kauft sich die Gemeinde dafür? Dieses Gemeindevermögen benützen einzelne wenige und wenn sie von diesem Vermögen die Steuer zahlen, so sind sie noch – ich möchte sagen – sehr gute Leute; gewöhnlich lassen sie noch die Gemeinde die Steuer zahlen. So stehen die Verhältnisse.

Kurz vor Eröffnung dieses Sessionsabschnittes habe ich als Kurator einer Gemeinde – ich muss sagen als wirklich zu beklagender Kurator – derartigen gerichtlichen Einvernahmen beigewohnt und was ist dabei konstatiert worden? Alle Gedenkmänner haben gesagt, die Besitzer von Nr. 1 bis Nr. 10 haben diese Gemeindegründe, welche 900 Metz sehr gute Gründe betragen, besessen, benutzt, verwaltet und sich den Nutzen zugeeignet, die anderen in der Gemeinde lebenden Insassen haben darauf keinen Anspruch. Nun ist es wohl voraussichtlich, welchen Erfolg ich eben als Kurator in dem anhängig zu machenden Prozesse haben werde. Das Schicksal des Prozesses ist bereits im Vorhinein entschieden und so, meine Herren, geht es in sehr vielen, ja in den meisten Fällen. (Seite 9225)

Ja meine Herren, man wird vielleicht einwenden, dass das Gesetz, wenn es sich um ein wirkliches Gemeindegut handelt, wirklich wohltätige Wirkungen haben könnte, weil denn doch vorauszusetzen ist, dass im Laufe der Verhandlungen in den meisten Fällen zwischen den Berechtigten und der Gemeinde als solcher ein akzeptabler Vergleich werde geschlossen werden. Und ich gebe mich dieser Hoffnung hin, weil ich glaube, dass diejenigen, welche jetzt im Besitze der Nutzungen sind, höchstwahrscheinlich es verschmerzen werden, wenn sie einen gewissen Teil desjenigen Vermögens zu Handen der Gemeinde herauszugeben haben werden, welches sie bisher ausschließlich benutzt und besessen haben. (Seite 9225f)

Allein, wenn wir hier auch von dem Gemeindegut als solchem absehen, und uns nur mit dem unbestrittenen bloßen Klassenvermögen beschäftigen, so sind auch auf diesen Fall die Bestimmungen des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches ganz und gar unanwendbar. Sehen wir nun, wie es mit der Verwaltung solcher Grundstücke, seien dieselben ein Gemeinde- oder ein Gemeingut, bestellt ist. Erfahrungsgemäß ist diese Verwaltung eine so schlechte, dass es in der Tat nicht mehr zu begreifen ist, wie in unserem Jahrhunderte etwas derartiges noch Platz greifen kann, und ich glaube, die Regierung hat nicht bloß das Recht, sonder auch die Pflicht, nicht bloß die unglaublich schlechte Bewirtschaftung solcher Grundstücke, sondern auch den Gegenstand selbst zu amoviren, welcher letzterer in den Gemeinden nur dazu zu seien scheint, um einen ewigen Zankapfel zu bilden, bei jeder Gemeindewahl als Kampfobjekt hingestellt zu werden, um nach vollzogener Gemeindewahl abermals wieder der Devastation zu verfallen, nicht anders, als es vorher der Fall gewesen ist. (Seite 9226)

Was die Ausführungen des Herrn Regierungsvertreters betrifft, so stimme ich ihm vollkommen bei. Namentlich bin ich seiner Ansicht, wenn er sagt, es sei eigentlich die Vorfrage, was für ein Vermögen es sei, um das es sich im gegebenen Fall handelt, die schwierigste. Diese Vorfrage wird von den Landesausschüssen und Gerichten verschieden beurteilt und entschieden, ja man kann sagen, es gibt so viele Ansichten, als Entscheidungen. Man hat sehr oft vollen Grund, sich über die Entscheidungen des Landesausschusses und der Gerichte namentlich darüber zu wundern, wem das strittige Vermögen zugewiesen wurde. Wen wir es bei der bisherigen Judikatur der politischen oder Gerichtsbehörden bewenden lassen, werden wir in diese verworrenen Verhältnisse niemals eine Ordnung bringen. Es muss bezüglich dieser Sachen einmal tabula rasa gemacht werden, und es ist hoch an der Zeit, solche Sachen, welche nur den Zwist in den Gemeinden nähren, sobald als möglich aus der Welt zu schaffen. Was die Gemeindeordnungen und insbesondere die böhmische Gemeindeordnung betrifft, so kann ich in der Tat sagen, dass ich in derselben fast gar keine Anhaltspunkte für die Entscheidung dieser Frage finde. Wenn man sich auf die bisherige unangefochtene Übung beruft und nach dieser entscheidet, so ist das ganz gewiss eine ganz hinfällige Basis.“ (Seite 9226)

Daraus ergibt sich demnach die Notwendigkeit, dass den Landtagen die Gelegenheit und Möglichkeit geboten werde, alles dasjenige vorzukehren und zu verfügen, was bezüglich des Gemeindegutes und Klassenvermögens notwendig ist. Die Landtage haben in der Tat nach unserer Vorlage diesfalls den freiesten Spielraum und vollauf Gelegenheit, alle eigentümlichen Verhältnisse ihres Landes zu berücksichtigen. (Seite 9226)

Abgeordneter Dr. Ritter von Madeyski (Galizien):

Es ist zu Begründung des Bedürfnisses für dieses Gesetz unter anderem von Seite des Herrn Regierungsvertreters der Umstand angeführt worden, dass die gegenwärtig über die Teilung und Regulierung von Gemeindegrundstücken bestehenden Bestimmungen der Gemeindegesetze in dieser Beziehung wager Natur sind. (Der Abgeordnete liest die § 63 GO 1866 entsprechende Bestimmung und führt weiter aus.) Es sind also positive Bestimmungen da, welche von einem gewissen leitenden Grundsatze ausgehen. Allein, meine Herren, wenn wir auch zugeben wollen, dass in der Tat diese Bestimmungen wage sind, was ist die Folge davon? Die Folge davon wäre, dass wir eben die Gesetzgebung der Landtage in Anspruch zu nehmen haben, um bessere Bestimmungen über denselben Gegenstand zu erzielen. Ein aus den wagen Bestimmungen des § 66 abgeleitetes Motiv beweist noch nicht das Bedürfnis, dass dieses Gesetz, welches uns gegenwärtig vorliegt, angenommen werden müsse und insbesondere nicht in der Fassung, in der es uns vorgeschlagen wird. (Seite 9228)

Es ist weiter hingewiesen worden, sowohl von Seiten des Herrn Regierungsvertreters, als auch von Seiten der Herrn Vorredner, dass die Vorfrage bei der Teilung oder Regulierung, also die Frage über den Besitz und das Eigentum des zu teilenden oder zu regulierenden Grundstückes eine Frage sei, deren Lösung gegenwärtig mit außerordentlichen Schwierigkeiten verbunden ist und dass aus diesem Anlasse schon ein Bedürfnis für das vorliegende Gesetz bestehe. Nun meine Herren, wir glauben Ihnen, dass in dieser Beziehung die Verhältnisse in der Tat in den einzelnen Ländern sich so darstellen, wie die Herren sie uns geschildert haben. Allein der geehrte Abgeordnete Dr. Kopp sagt uns: Beneidenswert sei Galizien, wenn diese Streitfragen daselbst nicht herrschen. Das meine Herren ist ein wichtiges Wort, das hier gesprochen wurde. In Galizien bestehen die geschilderten Streitigkeiten nicht, nun aber wollen sie ein Gesetz schaffen, welches erst derartige Verhältnisse im Lande hervorzurufen geeignet ist. Entgegen dem tiefethisch- sozialen Gedanken, wie er in der damaligen Einrichtung unseres Gemeindewesens sich entwickelt und verkörpert, wollen sie in den Bau, den ungesunden Kern, den ungesunden Gedanken des Gegensatzes zwischen den Interessen der Genossenschaft und denjenigen der Gemeinde durch das Gesetz hineintragen, einzig und allein um diejenigen Missstände hervorzurufen, welche in anderen Ländern bereits herrschen. Das meine Herren, wollen wir nicht. Lassen Sie uns deswegen unser Land wenigstens in dieser so wichtigen Frage verschont! Bei uns bestehen diese Verhältnisse wenigstens in der Regel nicht. Ausnahmen mag es bei uns geben, in der Richtung, dass in der Tat diejenigen Gemeindeglieder, welche ein Nutzungsrecht an dem Gemeindegute genießen, aus der Nutzung selbst Rechte ansprechen. Die Regel ist diesbezüglich der bei uns so zahlreichen Gemeindehutweiden, was das Eigentum der Gemeinden an den Hutweiden keinem Widerspruche unterliegt. (Seite 9228)

Diese Hutweiden erscheinen im Kataster auf den Namen der Gemeinde eingetragen; die Gemeinde bezahlt zum großen Teile die Steuer; alle Teilgenossen der Benützungsrechte anerkennen tatsächlich das ausschließliche Eigentum der Gemeinde. Bei Anlegung der neuen Grundbücher, die bei uns zu Teile vollzogen, zum Teile im Zuge ist, werden Gemeindehutweiden ohne jede Anfechtung als Eigentum der Gemeinden eingetragen. Ich kenne bereits Fälle, in welchen diese Gemeindehutweiden mit den anderen Bestandteilen des Gemeindevermögens oder Gemeindegutes auch schon zur pfandrechtlichen Sicherstellung der Gemeindedarlehen verwendet wurden. Es gibt also dabei keine Streitfragen, die bestehenden Fragen sind zu lösen von dem ausschließlichen Gesichtspunkte, welchen uns die Gemeindegesetze in dem § 1, den ich vorzulesen die Ehre hatte, und den übrigen korrespondierenden Paragrafen bieten. Denn, und hiebei handelt es sich in erster Linie um die Kompetenz, die autonomen Organe sind verpflichtet und allein berufen, die Regelung der gemeinschaftlichen Benützungsrechte und die Teilung derartiger Grundstücke in jenen Fällen vorzunehmen, in welchen das Eigentum der Gemeinde an diesen Grundstücken keinen Zweifel, keinem Streite unterliegt. Teilung und Regulierung sind ja die Ausflüsse der den Gemeinden vermöge ihrer Autonomie – als Selbstverwaltung aufgefasst – zukommenden Verwaltung desjenigen Vermögens, welches unstreitig der Gemeinde gehört. Und es kann der Gemeinde gegenüber aus dem Anlasse, dass irgend ein gewisser Kreis von Mitgliedern der Gemeinde gewisse Rechte an dem Eigentume ausübt, nicht ein Recht eingeräumt werden, mit Bezug auf die Verwaltung gegen die Gemeinde in Folge ihrer Separatinteressen in Opposition zu treten. (Seite 9228f)

Meine Herren! Diese Einrichtung der Gemeinden, die sich in Galizien eingelebt hat, trägt noch den gesunden Charakter ansich, vermöge dessen eine Überordnung der allgemeinen Gesamtinteressen der Gemeinden über den Seperatinteressen der einzelnen Mitglieder obwaltet. Schonen Sie diese Einrichtung, zerstören Sie nicht dieses gesunde Atom des sozialen Baues unseres Landes durch eine derartige Gesetzgebung?“ (Seite 9229)

Aber um die Kompetenz der Behörden, welche die Teilung und Regulierung vorzunehmen haben, handelt es sich hier, und das ist es was den Kern unserer verfassungsmäßig bestehenden Einrichtungen trifft. Wenn in dem ersten Paragraph dieses Reichsgesetzes einmal ausgesprochen ist, das beim Verfahren über Teilung und Regulierung von Grundstücken, welche das Eigentum der Gemeinde oder eines Teiles derselben bilden, ausschließlich nur die Commassationsbehördenkompetenz sind, dann könnte die Frage entstehen, ob Sie in den Landtagen eine Bestimmung treffen können, dass die erwähnten Teilungs- und Regulierungsgeschäfte von der Kompetenz dieser ausschließlichen Behörde ausgenommen und den autonomen Behörden zugewiesen werden.

Denn, meine Herren, wenn Sie in diesem Gesetze beschließen, dass die Vorfrage, also die Streitfrage, bezüglich des Eigentums eines Grundstückes, vor die Commassationsbehörde gehören soll, dabei aber wenigstens bestimmen, dass allenfalls das Eigentum der Gemeinde anerkannt wird, die Teilung und Regulierung dieser Gemeindegründe den autonomen Behörden überlassen bleibt, dann ist wenigstens noch die Selbstverwaltung der Gemeinde gewahrt. Das sagen sie aber nicht. Sie wollen die Vorfrage, den Streit über das Eigentum, wie sie glauben, zweckmäßig gelöst wissen und ziehen dabei nicht nur die Lösung dieses Streites, welcher gegenwärtig vor dem Richter gehört, in die Kompetenz der Commassationsbehörde, sondern sie ziehen auch noch die Teilung und Regulierung selbst mit, das heißt, diejenigen Geschäfte, welche sie nicht hereinziehen dürfen, und zwar aus Gründen nicht dürfen, weil darüber in den Landesgesetzen bereits verfügt ist, zum Teil aber nur von den selben verfügt werden darf. (Seite 9229)

Ich erlaube mir daher ungeachtet des ungünstigen Ergebnisses der ersten Abstimmung dem hohen Hause die Annahme des folgenden Zusatzantrages zu dem § 1 zu empfehlen: Ausgenommen von den obigen Bestimmungen sind jene, das Eigentum einer Gemeinde oder eines Teils derselben bildenden Grundstücke, bezüglich deren die Bestimmungen über Teilung und Regulierung gemeinschaftlicher Benützungs- und Verwaltungsrechte in den ausschließlichen Wirkungskreis der Landesgesetzgebung gehören. (Seite 9230)

Debattenbeitrag des Abgeordneten Dr. Georg Granitsch,  (Niederösterreich):

Was zunächst das Meritorische des Amendements betrifft, so erlaube ich mir zu bemerken, dass ich einigermaßen verwundert bin über die Glorifizierung der Bestimmungen der galizischen Gemeindeordnung. Ich gestehe, ich habe in diesen Bestimmungen nichts anderes gefunden, als was auch in anderen Gemeindeordnungen enthalten ist, und bekanntlich ist in anderen Gemeindeordnungen sowenig darüber enthalten, dass eben die verworrenen Verhältnisse eine Folge der mangelnden diesbezüglichen gesetzlichen Regelung sind.

Wie sind die faktischen Verhältnisse? Dieses so genannte Gemeindeigentum, das hier in Frage steht, muss als ein geteiltes Eigentum betrachtet werden; es sind noch Reste des geteilten Eigentums, über welche heute Normen beschlossen werden sollen. Die Gemeinde ist als solche im Grundbuche, bzw. Kataster als Eigentümerin eingetragen, sie zahlt in der Regel Steuer während gewisse Klassen der Gemeinde das Recht auf die Früchte haben, sodass die Nutzungsrechte der Gemeinde gar nicht zustehen. Nun hat sich eine Zeit lang hindurch bei Auffassung dieses Eigentums die Meinung geltend gemacht, dass dieses Eigentum nur insofern, als es den Grund und Boden betrifft, Eigentum der Gemeinde ist, vermöge der Vergewährung im Grundbuche, vielleicht nach den Normen des bürgerlichen Gesetzbuches, dass es aber nicht Eigentum der Gemeinde ist, was die jährlichen Früchte betrifft. Dieses Nutzungseigentum ist den so genannten Bestifteten, oder wie es in anderen Kronländern heißt, Singularristen, bisher zugekommen. Die Ganzlehner, Halblehner, Hauer oder wie die verschiednen Gattungen von Nutzungsberechtigten heißen, haben bisher mit Ausschluss der so genannten Häusler die Nutzungsrechte ausgeübt. Diese Häusler sind in der Regel partes adnexae der ursprünglichen Gemeinde. Als nun durch die Gemeindeverfassung die gesamte politische Gemeinde gebildet und alle Teile der früher bestandenen Gemeinde in eins zusammengefasst worden sind, machte sich eine andere Meinung dahin geltend, dass nun bezüglich des Nutzungseigentums, das nur gewissen Klassen der Gemeinde zugekommen ist, nunmehr die Veränderung vor sich gegangen sei, dass es der ganzen Gemeinde zukomme. Ich kann nicht behaupten, dass auch in Galizien auch diese Rechtsanschauung Platz gegriffen hat, obwohl die vielfachen Streitigkeiten, welche in Galizien in Bezug auf das Gemeindeeigentum herrschen, dieser Ansicht Vorschub leisten. Gewiss ist aber, dass in anderen Kronländern diese Rechtsauffassung Platz gegriffen hat und aus derselben im Wesentlichen diese Streitigkeiten entstanden sind. (Seite 9230)

Denn was ist geschehen? Die so genannten Kleinhäusler, welche von den Nutzungsrechten ganz ausgeschlossen worden sind, oder nur Nachnutzungsrechte oder Nutzungsrechte gegen bestimmte Leistungen hatten, während die eigentlich Berechtigten ein volles Nutzungsrecht oder Vornutzungsrecht hatten, erhoben den Anspruch, dass dieses geteilte Eigentum ausschließlich der Gemeinde zugewiesen werde. Wie soll nun anhand des bestehenden Gesetzes diese Streitfrage gelöst werden? Ganz richtig! Der Paragraf, wie ihn der Sprecher in jener (rechten) Seite des Hauses zitiert hat, ist auch in der Niederösterreichischen Gemeindeordnung enthalten. Aber der Niederösterreichische Landesausschuss war bisher nicht in der Lage anhand dieser Gesetzesbestimmung, die Streitigkeiten zu schlichten. Das ist auch begreiflich. Das Gesetz setzt hier bisher unangefochtene Übung voraus und setzt weiter voraus, dass diese nicht größer sein darf als der Hausbedarf, 2 Momente, welche an und für sich so streitig, so zweifelhaft sind, dass sie absolut keine Richtschnur für die Lösung der speziellen Streitfrage bilden können. Es soll eine Streitfrage gelöst werden damit, dass eine andere Streitfrage als Richtschnur zur Lösung der ersteren hereingezogen wird! Ich glaube auf diese Art ist es wohl begreiflich, dass die Streitigkeiten in den Gemeinden nicht zur Lösung gebracht werden können. Daher ist es klar, dass gerade das Wort „Gemeindeeigentum“ dasjenige entscheidende Merkmal ist, welches für das Gesetz die Wesenheit darstellt, und wenn nach dem Wunsche der Sprecher von jener (rechten) Seite des hohen Hauses gerade dieses Gemeindeeigentum aus dem Gesetze ausgeschieden werden soll, dann ist in der Tat das Gesetz aufgehoben. (Seite 9231)

Was nun die Kompetenz betrifft, so glaube ich nicht, dass die Herren im Rechte sind, die Kompetenz zu bestreiten. Denn selbst in dem hochgepriesenen § 66 der galizischen Gemeindeordnung ist ja nur eine Vorsorge getroffen bezüglich der Regelung der Nutzungsrechte, das heißt wenn diese Kategorie von Gemeindeangehörigen, welche von dem Nutzungsrechte an dem Gemeindeeigentum ausgeschlossen sind, oder nicht das gleiche Nutzungsrecht mit den bevorzugten Klassen haben, dieses Nutzungseigentum nicht für die Gemeinde reklamieren, wenn also das Eigentum selbst nicht in Frage steht, sonder nur über das Maß der Nutzungen gestritten wird, dann hat der Gemeindeausschuss nach den Bestimmungen der galizischen Gemeindeordnung Vorfrage und die Entscheidung zu treffen.

Was aber bleibt dann, frage ich die Herren aus Galizien, in jenen Fällen zu tun übrig, wenn diese Streitfrage bezüglich des Eigentums selbst erhoben wird, wenn wie es bei uns in Niederösterreich der Fall ist, mit dem Nutzungsrechte zugleich das Eigentumsrecht in Anspruch genommen wird, kurz, wenn die Verbindung von Nutzungs- und Eigentumsrechte der Rechtsidee nach in Anspruch genommen wird?

Darüber schweigt die galizische Gemeindeordnung genauso wie alle anderen Gemeindeordnungen. Es ist daher aus diesem Gesichtspunkte schon unzutreffend, wenn behauptet wird, der § 1 sei mit den Bestimmungen der galizischen Landesgesetzgebung – und die Gemeindeordnung gehört ja in das Gebiet der Landesgesetzgebung – nicht vereinbar. Der § 1 bestimmt, dass die Behörden im Verfahren bei Teilung von Grundstücken zuständig sind, bezüglich derer Streitigkeiten zwischen gewesenen Obrigkeiten und Gemeinden und ehemaligen Untertanen bestehen oder die von allen oder von gewissen Mitgliedern einer Gemeinde oder einer oder mehrerer Gemeindeabteilungen Kraft ihrer persönlichen oder mit einem Besitze verbundenen Mitgliedschaft gemeinschaftlich oder wechselseitig benützt werden.

Die Teilungsfrage ist also hier an die Spitze des Gesetzes gestellt und bezüglich der Teilung enthält die galizische Gemeindeordnung keine wie immer geartete Verfügung. Es ist daher die Argumentation, die von der Gegenseite angewendet wird, zu sagen: Wir sind bereits im Besitze von Bestimmungen, welche gerade das Thema berühren, das hier im Gesetzgebungswege normiert werden soll, unzutreffend. Darüber ist in der Gemeindeordnung nichts enthalten und es kann daher kein Widerspruch dieser von uns zu beschließenden Gesetzesbestimmung, nämlich des § 1, mit der galizischen Landesgesetzgebung mit Fug und Recht behauptet werden. (Seite 9231)

Wenn sie aber direkt das Verbot der Teilung oder Regelung der Nutzungsverhältnisse dieser Gemeindegründe, oder richtiger gesagt, dieser Gemeinschaftsgründe in das Gesetz aufnehmen, dann haben sie, solange dieses Gesetz besteht, es der Landesgesetzgebung unmöglich gemacht, diese Streitigkeiten zur Ruhe zu bringen. (Seite 9232)

Abgeordneter Ritter Dr. von Kowalski:

Abgesehen davon, dass das Gesetz vom 5. Juli 1853, RGBl Nr 130, namentlich in denjenigen Fällen, wo man mit den Provocationen säumig war, noch sehr vieles der späteren Regelung überlassen hat, muss ich in Erinnerung bringen, dass bezüglich der so genannten Öden Gründe – und deren gibt es bei uns in Galizien sehr viele – bisher keine Ordnung geschaffen ist. Und diese Angelegenheit darf nicht unerledigt bleiben, zumal die Öden Gründe ziemlich hohe Werte repräsentieren. Andererseits wird es den Herren nur ganz genau bekannt sein, dass der Unterschied zwischen Gemeindegrund und Gemeindevermögen in den meisten Fällen ein so lachser ist, dass die Bestimmungen des ABGB nicht für alle diesbezüglichen Fälle ausreichen (Seite 9232).

Die allgemeine Sicherheit verlangt es, dass doch die Gemeindewirtschaft einigermaßen besser gehandhabt werde, als es bisher bei uns landläufig war und ist. Übrigens weiß jeder von Ihnen, in welchen zerrütteten Zuständen die Verwaltung unseres meistens in Grundstücken bestehenden Gemeindegutes sich befindet und was Jahr aus Jahr ein geradezu verschwendet wird. Um also noch den etwaigen Rest des Vermögens für unsere Gemeinden zu retten, ist es unumgänglich notwendig, die diesbezüglichen Agrarverhältnisse möglichst bald zu regeln, denn nur hiedurch werden unsere Gemeinden nicht jeder Dotation verlustigt, wenn ihnen ihr Gemeindegut und Gemeindevermögen gesichert bleibt. Und dies bezweckt eben die uns vorliegende Gesetzesvorlage, betreffend die Teilung gemeinschaftlicher Grundstücke und die Regulierung der hierauf bezüglichen gemeinschaftlichen Benützungs- und Verwaltungsrechte (Seite 9233).

Abgeordneter Dr. Josef Kopp, Mitglied des Commassionsausschusses in seinem abschließenden Beitrag im Rahmen der Generaldebatte betreffend die Beschlussfassung zum TRRG 1883 am 22. Februar 1883 (Sten. Prot. des Abgeordnetenhauses des Österreichischen Reichsrates, IX. Session, Seite 9233 f):

Der erste Herr Antragsteller hat sich auf einen Paragraphen der Galizischen Gemeindeordnung berufen. Soweit man aus dem Gedächtnis etwas vergleichen kann, ist dieser §, wie mir scheint, wörtlich gleich lautend mit dem entsprechenden Paragraphen der niederösterreichischen Gemeindeordnung. Meiner Erfahrung nach kann ich nun behaupten, dass man mit diesen Paragraphen zwar allerlei Bescheide motivieren kann, dass man damit aber nichts reguliert und nichts verbessert. Ich will aus diesen Paragraphen nur einen einzigen Punkt hervorheben, gerade weil der erste Herr Redner in der Generaldebatte von einem Eingriff in die Autonomie der Gemeinden gesprochen hat (Seite 9233 f).

Ich bin oft und oft für die Autonomie der Gemeinden eingetreten, ohne zu übersehen, welch große Überstände sie oft für die Folge mit sich bringt. Allein diese Autonomie muss eine gewisse Grenze haben. Wo es sich um die Frage von „mein“ und „dein“ handelt, geht es nicht gut an, dass darüber eine Majorität der davon Betroffenen entscheidet. Es heißt nun in diesem § 66, bei uns § 64: Der Gemeindeausschuss kann diese regelnden Bestimmungen treffen. Darin liegt eben die große Gefahr. In den meisten Fällen sind es die besitzenden, die eigentlichen Bauern, welche den Ausschuss bilden, oder die doch die Majorität in demselben haben. Die schließen nun eben und so viel als sie können, die Minderbesitzenden, insbesondere die so genannten Kleinhäusler und die Gemeinde von dem Mitbesitze und Mitgenusse aus und suchen das Gemeindeeigentum, womöglich in ein Privateigentum dieser Berechtigten zu verwandeln. Noch schlimmer aber ist es, wenn, was auch vorkommt, einmal die Kleinhäusler in die Majorität kommen. Da wird praktisch Kommunismus getrieben und es wird nicht für die Gemeinde gewirtschaftet, sondern man versucht, alles dem Bauern wegzunehmen und dem Kleinhäusler zu geben. Darum ist diese Basis der Regulierung – durch den Beschluss des Gemeindeausschusses – die denkbar schlechteste. Nun sagte wohl der geehrte Herr Redner: Wenn das Gesetz unklar ist oder nicht genügt, kann das Land es ändern. Das will ich zugeben, geschehen ist bis jetzt noch nichts, und zwar deshalb, weil man überall auf Schwierigkeiten stößt. Aber eines kann das Land nicht, das wird mir der verehrte Herr Redner zugeben, das Land kann niemals hindern, dass die Gerichte angerufen werden, und dass die Regulierungen, welche die autonomen Behröden und auch der Landesausschuss treffen, durchkreuzt und eludiert werden, durch ein richterliches Urteil, und das ist das Schlimmste, weil die Gerichte gar nicht in der Lage sind, diese Verhältnisse in ihrem eigentlichen Wesen zu begreifen, weil diese eigentümlichen Besitz- und Nutzungsverhältnisse ihren Ursprung haben in einem alten Volksrechte, in einem germanischen oder slavischen Volksrechte, welches durch das hineingeschneite römische Recht und die demselben nachgebildeten Gesetze mit Ignorierung der alten Volksanschauungen in Verwirrung gebracht worden sind (Seite 9234).

Es ist nicht möglich, dass die Gerichte eine verständliche, den Verhältnissen entsprechende Entscheidung treffen. Diese Möglichkeit muss vor allem anderen entfernt werden, und das mit Verlaub, kann die Landesgesetzgebung nicht tun. Darum ist ein Reichsgesetz notwendig und darum muss sich dieses auf diese Gemeindegrundstücke erstrecken, bezüglich deren mir einige Unklarheit auch auf jener (rechten) Seite des hohen Hauses zu herrschen scheint. Wenn der erste Herr Redner in der Generaldebatte – das habe ich deutlich gehört – hat von Gemeindegut gesprochen und in dem Antrag heißt es, wenn ich nun nicht irre, Gemeindevermögen oder Gemeindeeigentum. Über diese Worte, die man sehr auf die Waagschale legen muss, wenn man ein Gesetz macht, herrscht entschieden keine Klarheit. Wenn sie den Antrag annehmen und diese streitigen Gemeindegrundstücke ausschließen, bleibt dann noch etwas übrig für das Gesetz? Es ist zum mindestem zweifelhaft. Wenn nichts übrig bleibt, ersparen wir uns, das Gesetz zu beschließen, bleibt aber noch etwas übrig, dann haben sie den Streit in Permanenz, ob das Gesetz darauf Anwendung hat oder nicht; im besten Fall bekommen sie verschiedene Grundsätze und verschiedene Behörden zur Entscheidung wesentlich gleichartiger Rechtszustände und es wird die Verwirrung vergrößert, statt dass sie gelöst wird. Das eigentlich Nützliche ist eben, dass alle Fragen, die hier einschlagen, juridische und wirtschaftliche, einheitlich gelöst werden durch Behörden, in welchen sowohl die eine wie die andere Richtung vertreten ist, das kann nicht getrennt geschehen und darum nützt auch jener allerdings nicht formulierte Vorschlag nichts, der die Commassionsbehörde entscheiden lässt über die Frage des Eigentums, über die Frage der Regulierung und Teilung aber die autonome Behörde. Wenn sie das auseinanderreißen, scheiden sie etwas, was sich dialektisch, theoretisch scheiden lässt, aber praktisch durchaus nicht, außer zum entschiedenen Nachteile der Sache (Seite 9234).

Dr. Johannes Zak, Berichterstatter des Commassionsausschusses, Advocat und Notar, Mitglied des Böhmischen Landesausschusses und Abgeordneter

Ich möchte nur dem Herrn Abgeordneten Madeyski in Bezug darauf erwidern, ob die autonomen Behörden die schlechte Verwaltung des Gemeindevermögens beseitigen können und ob sohin für ein Reichsgesetz, wie es uns jetzt beschäftigt, ein Grund vorliege. (Seite 3235 sten.Prot).

Es ist schon von einer Seite betont worden, die Verwaltung dieses Vermögens, der sogenannten Gemeindegründe, gehöre gegenwärtig in den Wirkungskreis des Gemeindeausschusses bzw des Gemeindevorstandes. Ich bitte jedoch, sich die Sachlage zu vergegenwärtigen. Entweder besteht der Gemeindevorstand oder Gemeindeausschuss aus den sogenannten alt Angesessenen, nämlich aus den Rustikalisten und dann werden diejenigen, welche gleichzeitig Mitglieder des Vorstandes und des Ausschusses sind, sich in ihr – wie sie von ihrem Standpunkte ganz richtig sagen – Privatrecht und in ihre Privatdispositionen eben nicht von dem Ausschusse selbst hineinreden lassen, oder aber es besteht der Ausschuss entweder ausschließlich oder in der Majorität aus den sogenannten Häuslern, welche bisher gar kein Benutzungsrecht von diesem Grunde hatten, dann ist gewiss der Zeitpunkt gekommen, wo ein Streit in der Gemeinde entbrennt und die Sache entweder im politischen oder gerichtlichen Weg oder – nachdem der politische Weg zurückgelegt worden ist – noch im gerichtlichen Weg zur Entscheidung gelangt.

Wenn keine andere Rücksicht ausschlaggebend wäre, so wäre es in der Tat die Rücksicht, dass keine Gemeindeordnung im Stande ist, den Rechtsweg den Parteien zu versperren. Solange der Rechtsweg offen bleibt, werden die misslichen Verhältnisse des Gemeindevermögens nicht besser, sie werden fortbestehen, die schlechte Verwaltung wird fortbestehen, der Streit in der Gemeinde um diese Gründe wird andauern; kurz diese unseligen Verhältnisse werden kein Ende nehmen. Es ist aber selbstverständlich schon sehr an der Zeit, diese Verhältnisse endlich einmal zu beseitigen, die in Rede stehenden Grundstücke einer rationellen und ordentlichen Bewirtschaftung zuzuführen, dass von demjenigen, was in der Gemeinde noch an Hutweiden oder Gemeindewaldungen übrig bleibt, dem Einzelnen zuzuteilen und in sein Privateigentum zu übertragen auf dass er es gehörig und rationell bewirtschaften könne. Solange das Gemeindevermögen als solches besteht, wird die Sache als res nullius angesehen und jedermann, dem es gefällt, nützt dieselben nach seinem schrankenlosen Belieben aus.

Derartige Zustände sind unhaltbar und sohin muss an Mittel gedacht werden, dieselben zu beseitigen. Es ist selbstverständlich, dass wenn der letzte Zusatz, wie er seitens des Herrn Abgeordneten Madeyski zu § 1 beantragt worden ist, angenommen werden sollte, damit das ganze Gesetz geradezu überflüssig würde. Ich kann mich daher für die Aufnahme des letzten Zusatzes, wie er von dem Herrn Abgeordneten Madeyski beantragt worden ist, nicht aussprechen (Seite 3235).

Es folgt die Abstimmung. § 1 der Gesetzesvorlage wird angenommen.

Der Zusatzantrag des Herrn Abgeordneten Dr. Ritter von Madeyski lautete: „Ausgenommen von den obigen Bestimmungen sind jene das Eigentum einer Gemeinde oder eines Teiles derselben bildende Grundstücke, bezüglich deren die Bestimmungen über Teilung und Regulierung gemeinschaftlicher Benützungs- und Verwaltungsrechte in den ausschließlichen Wirkungskreis der Landesgesetzgebung gehören.“

Der Zusatzantrag wurde abgelehnt (Seite 9235).

Hinweis: Das Gesetz wurde in der Fassung beschlossen wie vom Commassionsausschuss vorgelegt. Die so genannten „Gemeindegründe“ (= Gemeindegut“) sollte danach der agrarischen Operation, durchgeführt von der Commassionsbehörde, unterliegen.

-.-.-.-.-

Verfahren im Herrenhaus

Die Gesetzesentwürfe über die Zusammenlegung landwirtschaftlicher Grundstücke, über die Bereinigung des Waldlandes von fremden Enklaven und die Arrondierung der Waldgrenzen, über die Teilung gemeinschaftlicher Grundstücke und die Regulierung der hierauf bezüglichen Benützungs- und Verwaltungsrechte – agrarische Operationen – wurden in jener Gestalt, in der sie aus den Beratungen der volkswirtschaftlichen Kommission des Herrenhauses hervorgegangen waren, von dem Herrenhause selbst in der Sitzung vom 17. November 1881 zum Beschlusse erhoben.

An das Abgeordnetenhaus gelangt, wurden diese Gesetzesentwürfe einem Commassionsausschuss zugewiesen, welcher dem Abgeordnetenhause, abgesehen von Änderungen minderer Bedeutung an allen 3 Entwürfen, bezüglich des Entwurfs über Zusammenlegung und Gemeinteilung 2 Änderungen von prinzipieller Tragweite in Vorschlag brachte.

Nach den Beschlüssen des Herrenhauses sollten nämlich Angelegenheiten, welche in die Zuständigkeit der zur Durchführung agrarischer Operationen berufenen Behörden – Agrarbehörden – fallen würden, jedoch vor Beginn dieser Zuständigkeit beim ordentlichen Richter anhängig geworden sind, auch nach Beginn der Zuständigkeit der Agrarbehörden von dem ordentlichen Richter ausgetragen werden. Diesem Grundsatze entsprechend beschloss der Commassionsausschuss des Abgeordnetenhauses, dass die erwähnten anhängigen Sachen mit dem Beginn der Zuständigkeit der Agrarbehörden an diese abgetreten werden sollten. Während ferner nach den Beschlüssen des Herrenhauses im Teilungs- und Regulierungsverfahren die Entscheidung über Gemeinschaftsrechte, welche bloß angesprochen werden, ohne auch ausgeübt worden zu sein, nicht zur Zuständigkeit der Agrarbehörden gehören sollten, beantragte der Commassionsausschuss des Abgeordnetenhauses die Erstreckung der Zuständigkeit der Agrarbehörden auch auf derartige Ansprüche.

In den Sitzungen vom 22. und 26. Februar 1883 nahm das Abgeordnetenhaus die 3 Gesetzesentwürfe in den vom Commassionsausschuss gestellten Anträgen und einigen weiteren unwesentlicheren Änderungen an. Das Herrenhaus war in Folge dieser Nichtübereinstimmung beider Häuser des Reichsrates genötigt, sich mit den Gesetzesentwürfen neuerlich zu befassen. Den Anträgen seiner volkswirtschaftlichen Kommission entsprechend trag das Herrenhaus in der Sitzung vom 14. April 1883 den Beschlüssen des Abgeordnetenhauses nur zum Teil bei und hielt insbesondere hinsichtlich der Nichtzuständigkeit der Agrarbehörden für bereits anhängige Sachen und für bloß angesprochene Gemeinschaftsrechte an seinen ursprünglichen Beschlüssen in der Hauptsache fest, sodass die Gesetzesentwürfe einer nochmaligen Beratung und Beschlussfassung im Abgeordnetenhaus unterzogen werden mussten, welche sie in der Sitzung vom 8. Mai 1883 die Gesetzesentwürfe in der vom Herrenhaus beschlossenen Form endgültig annahm.

Die Gesetzesentwürfe konnten sodann der allerhöchsten Sanktion unterbreitet werden, welche denselben am 7. Juni 1883 zuteil wurde. Die Kundmachung der Gesetze erfolgte in Nr 92-94 des Reichsgesetzblattes.

1880:
Regierungsvorlage für ein Teilungs- Regulierungs- Reichsgesetz

 

Ackerbauminister Julius Graf von Falkenhayn (* 20. Februar 1829 in Wien; † 12. Jänner 1899 ebenda), stand 16 Jahre lang an der Spitze des Ministeriums (1879 bis 1895).

Ackerbauminister Julius Graf von Falkenhayn (* 20. Februar 1829 in Wien; † 12. Jänner 1899 ebenda), stand 16 Jahre lang an der Spitze des Ministeriums (1879 bis 1895). Gerade erst zum neuen Ackerbauminister ernannt, sorgte er dafür, dass die im Ministerium bereits vorbereiteten Gesetzesentwürfe für die so genannten drei agrarischen Reichsgesetze vom Kaiser am 12. Februar 1880 in das Parlament eingebracht wurden.
Ackerbauminister Julius Graf von Falkenhayn trat zuerst in die k.u.k. Armee ein, aus welcher er als Rittmeister 1857 ausschied; er und übernahm dann seine Herrschaft Sankt Wolfgang im Salzkammergut in Oberösterreich. In der Nähe von Ischl gründete er eine Papierfabrik, die er jedoch bald wieder aufgab. Er wurde wiederholt als Abgeordneter in den oberösterreichischen Landtag gewählt und schließlich für kurze Zeit zum Landeshauptmann von Österreich ob der Enns ernannt. Er gehörte der föderalistisch-ultramontanen Partei an. Nachdem er im Juli 1879 bei den Neuwahlen zum Abgeordnetenhaus in Wels an Stelle des liberalen Franz Gross zum Abgeordneten gewählt worden war, ernannte ihn der Kaiser am 12. August zum Ackerbauminister im Ministerium Eduard Taaffe, in dem er den äußersten rechten Flügel des Reichsrats vertrat. Insgesamt 16 Jahre stand Julius Graf von Falkenhayn seinem Ressort als hochkonservativer Politiker vor (Min. Taaffe 1879–93 und Min. Windischgrätz 1893–95). Zahlreiche Gesetze sind ihm zu verdanken: Das Teilungs- Regulierungs- Reichsgesetz 1883, Kommassationsgesetz 1883, Gesetz über Höferecht 1889, Viehseuchengesetze 1880, 1882, 1892, Forstgesetznovellen zum Schutze der Wälder, die Einleitung zu den Landesgesetzen etc. Nach 1895 gehörte er als Abgeordneter des Großgrundbesitzes dem äußersten rechten Flügel an. Als Badeni’s Kampf gegen die Obstruktion im Abgeordnetenhaus auf dem Höhepunkt war, brachte er den Vorschlag einer strafferen Geschäftsordnung – lex Falkenhayn – ein, der zwar zunächst angenommen, dann jedoch fallen gelassen wurde, worauf Falkenhayn sich vom politischen Leben zurückzog.

 

Einleitung:
Nachdem die Landtage der Kronländer Kärnten und Niederösterreich in den 1870er Jahren eindringlich eine reichsgesetzliche Grundlage für neue Teilungs- Regulierungs- Landesgesetze gefordert hatten und Karl Peyrer von Heimstätt, Ministerialrat im Ackerbauministerium, ein solches Gesetz mit mehreren Publikationen vorbereitet hatte, wurde Anfang des Jahres 1880 eine entsprechende Regierungsvorlage des Ackerbauministeriums im Herrenhaus eingebracht.

Das Teilungs- Regulierungs- Reichsgesetz war eines von insgesamt drei agrarischen Reichsgesetzen, die das Ackerbauministerium mit einer gemeinsamen Regierungsvorlage (RV) samt Erläuternden Bemerkungen (EB) dazu den Abgeordneten Anfang des Jahres 1880 vorgelegt hatte.

Ein besonderes Interesse gebührt den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (EBzRV) für das Teilungs- Regulierungs- Reichsgesetz. Diese EBzRV zeigen ein erstes Mal deutlich, was der Gesetzgeber sich unter einem „Gemeindegut“ vorgestellt hat – nämlich ein Eigentum der „alten Agrargemeinde„.

 

Nummer 43 der Beilagen zu den stenografischen Protokollen des Herrenhauses – IX. Session. Erläuternde Bemerkungen zu den, aufgrund allerhöchster Entschließung vom 12. Februar 1880 eingebrachten Gesetzesentwürfen. 41, 42 und 43 der Beilagen zu den stenografischen Protokollen des Herrenhauses. IX. Session.

3. Zum Gesetzesentwurf, betreffend die grundsätzlichen Bestimmungen über die Teilung agrargemeinschaftlicher Grundstücke und die Regulierung der bezüglichen Benützungs- und Verwaltungsverhältnisse

Seite 33

Die Bestimmung des § 1 Z 2 des Entwurfes haben die Grundstücke zum Gegenstande, welche als Gemeindegut oder Gemeingut jener Körperschaften oder Klassen benützt werden, die sich als Überreste der alten Agrargemeinde innerhalb der modernen politischen Gemeinde erhalten haben. In der alten Agrargemeinde stand bekanntlich die Teilnahme an der Nutzung des unverteilten Teiles der Gemeindemark (Allmende, Gemeindemark) den Markgenossen, das ist den Besitzern der markberechtigten Hofstätten, zu; dieser „Gemeindenutzen“ wurden anderen Ortsbewohnern, welche keine berechtigten Hofstätten besaßen, nur im Wege der Gestattung und häufig gegen eine bestimmte jährliche Gebühr eingeräumt. Die Markgenossen waren zugleich die Träger des Gesamtrechtes der Gemeinde, welches sich nicht nur in dem Eigentume und der berechtigten Benützung der gemeinen Mark, sondern auch in der Aufteilung und Handhabung der gemeinschaftlichen Wirtschaftsordnung (Flurzwang), und in der periodischen Weidegemeinschaft auf den unverteilten Feldern der Dorfmark äußerte. Andererseits hatten sie aber auch die Verpflichtung, für die Lasten der Gemeinde durch Beiträge aufzukommen, insoweit diese Lasten nicht unmittelbar aus Erträgnissen der gemeinen Mark überhaupt oder durch die Widmung einzelner Teile derselben zu bestimmten Zwecken gedeckt werden konnten.

Zugleich übte die Markgenossenversammlung, teils selbst, teils durch ihre Beamten, die Gerichtsbarkeit, Verwaltung und Polizei aus.

Die alte Markgemeinde war also eine privatwirtschaftliche und zugleich öffentlich-rechtliche Gemeinschaft.

Seite 34
Allmählich und namentlich durch den Einfluss des römischen Rechtes mit seiner scharfen Sonderung des Privatrechtes vom öffentlichen Rechte, ging die öffentlich-rechtliche Seite verloren, während zugleich durch die Vermehrung der Bevölkerung, den Zuzug städtischer Elemente und infolge der Entwicklung von Handel und Gewerbe neben den Elementen der alten privatwirtschaftlichen Gemeinde die weitere, moderne, die Gesamtheit der Ortseinwohner umfassende Gemeinde erblühte.

Von diesem Umwandlungsprozesse konnte selbstverständlich das Verhältnis im Betreff der gemeinen Mark nicht unberührt bleiben, da ja der Anspruch auf die Teilnahme am Eigentume und an den Nutzungen derselben genetisch mit der Voraussetzung verbunden war, dass die Anteilsberechtigten die ausschließlichen Träger der öffentlich-rechtlichen Befugnisse in der Gemeinde und der gemeinschaftlichen Lasten seien, während hingegen tatsächlich die öffentlich-rechtlichen Befugnisse allmählich entfallen waren und die Rechtsnachfolger der markberechtigten Genossen zumeist allerdings den fortdauernden ausschließlichen Bezug des „Gemeinde-Nutzens“ beanspruchten und festhielten, die Fortdauer aber ihren Verpflichtungen bezüglich der Gemeindelasten gar nicht mehr oder nur teilweise anerkannten.

Aus dem sich hieraus naturgemäß ergebenden Zwiespalte zwischen diesen, des ursprünglichen Charakters und ihrer früheren inneren Organisation entkleideten Überresten der alten Agrargemeinde einerseits und den anderen Elementen der modernen Gemeinde andererseits, sind die verschiedensten Resultate erwachsen, je nach der größeren oder geringeren Nachgiebigkeit dieser berechtigten Gemeinschaften gegen die Ansprüche anderer auf Mitbenützung des Gemeingutes, nach dem Maße und der Dauer ihres Einflusses in der Gemeindevertretung und nach der größeren oder geringeren Sorgfalt überhaupt, welche zugunsten der Gemeinschaft oder der erweiterten Gemeinde bei katastral- und grundbücherlichen Eintragungen und bei anderen Anlässen angewandt wurde.

Eine ausführliche und lichtvolle Darstellung der geschichtlichen Entwicklung und der heutigen verschiedenartigen Gestaltung dieser Verhältnisse speziell in Niederösterreich enthält der unterm 21. September 1878 vom Referenten des Landesausschusses, Reichsratsabgeordneten Dr. Josef Kopp, dem Niederösterreichischen Landtage hierüber erstatteten Bericht.

Nicht in allen Teilen Österreichs haben jedoch, selbst im Großen und Ganzen diese Verhältnisse den ganz gleichen Gang eingehalten. So weist insbesondere Dalmatien in dieser Hinsicht erhebliche Unterschiede auf, welche in der türkischen Herrschaft und in dem sohin von der venezianischen Republik unter Nichtanerkennung des jus postliminii mit aller Konsequenz aufrecht erhaltenen Grundsatze des Vorbehaltes des staatlichen Eigentums an Grund und Boden ihre Entstehung und namentlich in der Entrichtung des Weidezinses an den Staat, in der Ausscheidung von Grundteilen aus der Gemarkung und deren Verleihung an Einzelne zum Fruchtgenuss von Staats wegen, ohne irgendeine Zustimmung der Gemeinde, und schließlich in der staatlichen Mitbenützung der Gemeindegründe, namentlich durch Holzschlägerungen ihren Ausdruck fanden. Diesen Standpunkt des staatlichen Anspruchs auf die unverteilten Grundstücke wurde, wenn auch in milderer Form, auch unter der nachfolgenden österreichischen Herrschaft eingehalten, bis schließlich im Jahre 1850, LGBl Nr 93, mit der Einführung des stabilen Katasters der dem Staate gezahlte Weidezins aufgehoben, die Grundsteuer für die in gemeinschaftlicher Benützung stehenden Weideflächen und Waldgründe den betreffenden Steuergemeinden, mit dem Regressrecht gegen die Gemeindeglieder nach Maßgabe des bezogenen Nutzens, auferlegt, der Vorbehalt des Anspruches auf das Eigentumsrecht für den Staat hinsichtlich der von den Gemeinden benutzten Grundstücke jedoch aufrecht erhalten wurde, um als Hilfsmittel zur Einflussnahme auf die zweckmäßige Verteilung und Benützung dieser Grundstücke zu dienen. Des Näheren sind diese Verhältnisse im Motivenbericht zur Regierungsvorlage, betreffend die Aufteilung der kulturfähigen Gemeindegründe in Dalmatien (Nr 474 der Beilagen zu den stenografischen Protokollen des Abgeordnetenhauses, VIII. Session) dargelegt und rechtfertigen durch ihre Eigentümlichkeit, dass in Betreff der Gemeindegründe in Dalmatien durch die eben erwähnte Vorlage, bzw. durch das hieraus erwachsende Reichsgesetz vom 27. Mai 1876, RGBl Nr 115, im Zusammenhang mit dem gleichzeitigen Landesgesetz LGBl Nr 43, und einer weiteren, beim Landtage noch anhängigen Vorlage über die Aufforstung der für die Waldkultur auszuscheidenden Gemeindegründe ein spezieller Vorgang eingeschlagen wurde.

Wenn nun auch unter den anderen österreichischen Ländern so erhebliche Verschiedenheiten, wie es in dieser Hinsicht Dalmatien aufweist, nicht bestehen, so ist es nichtsdestoweniger nach Ansicht der Regierung geboten, in Betreff dieser in § 1 des vorliegenden Entwurfes bezeichneten Auseinandersetzungen den Landesgesetzgebern den freiesten Spielraum vorzubehalten und sich auf dem Gebiet der Reichsgesetzgebung lediglich auf die tunlichste Förderung dieser Auseinandersetzungen durch grundsätzliche Bestimmungen, welche der eigentümlichen Natur der hiebei in Betracht kommenden Rechtsverhältnisse entsprechen, zu beschränken, und zwar insbesondere des engen Zusammenhangs dieser Verhältnisse mit der

Seite 35
Gemeindeverfassung und dem Gemeindehaushalte, und weil bei deren näheren Regelung, bei der Normierung der Teilungen und Regulierungen eben auch Rücksichten der Bodenkultur im Auge behalten werden müssen, welche von Land zu Land mehr oder weniger differieren.

Diese Verschiedenheit der in Rede stehenden Verhältnisse je nach den einzelnen Ländern ist auch schon in dem oben erwähnten Berichte an den Niederösterreichischen Landtag vom Berichterstatter hervorgehoben und von Seite der Regierung insbesondere im Verlauf jener Verhandlungen wahrgenommen worden, welche im Betreff der gemeinschaftlichen Hutweiden und der Wechselgründe in Krain, der Nachbarschaftsgründe in Kärnten und der Ortschaftsgründe auf dem küstenländischen Karste stattgefunden haben. Andererseits ist bei eben denselben Anlässen immer wieder auch die Notwendigkeit einer reichsgesetzlichen Basis, welche der Landesgesetzgebung den Weg über gewisse, bei der eigentümlichen Natur jener Rechtsverhältnisse stets wieder auftauchende Schwierigkeiten und Zweifel ebnet, erkannt worden.

In letzterer Zeit hat namentlich der Landtag von Kärnten mit Rücksicht auf die stets zunehmende Notwendigkeit einer Regelung der dortigen Nachbarschaftsverhältnisse die Regierung aufgefordert, diesfalls im Wege der Reichs- und sodann der Landesgesetzgebung Vorsorge zu treffen, wobei es sich – nach der Motivirung – insbesondere darum handelt, „dass das vorhandene gemeinschaftliche Vermögen (zumeist Hutweiden, Waldungen und Alpen) endlich einmal eine Vertretung und Verwaltung erhalte, welche, nicht gebunden an die für solche Gemeinschaften unzureichenden Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches, in der Lage ist, die Substanz des Vermögens vor Übergriffen zu wahren, welche sich eine Minorität, manchmal auch eine Majorität zu Schulden kommen lässt, dass überhaupt Ordnung in die Verwaltung und in den Besitzstand gebracht werde“.

Dieser Standpunkt des Landtages, wonach die Unzulänglichkeiten der Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (XIV. Hauptstück) mit der Deteriorirung des nachbarschaftlichen Grundbesitzes und der Vernachlässigung der häufig darauf lastenden Verpflichtungen und Widmungen zu Weg-, Brücken-, Uferschutzbauten in Beziehung gebracht wird, findet seine Stützung in der Erwägung, dass die im Bürgerlichen Gesetzbuche behandelten Gemeinschaften mit Rücksicht auf ihre Entstehung (§ 825 ABGB) rein privatrechtlicher Natur sind, während die „Nachbarschaften“ und ähnliche Gemeinschaften nach Ursprung und Entwicklung auch vom Standpunkte des öffentlichen Rechts zu beurteilen sind. Es muss also tatsächlich auch diesem letzteren Momente angemessene Rechnung getragen werden, wenn eine sachgemäße Normierung der Verhältnisse dieser Gemeinschaften erzielt werden soll, eine Normierung, welche geeignet ist, einerseits die eigenen wirtschaftlichen Interessen dieser Gemeinschaften und die rationelle Benützung von Grund und Boden im Allgemeinen zu heben, andererseits eine definitive Auseinandersetzung der fallweise mit der neuen politischen Gemeinde als solchen, oder mit gewissen Mitgliedern derselben (Häusler und dergleichen) schwebenden Differenzen, sowie eine endgültige Regelung der mit den Berechtigungen verbundenen Verpflichtungen herbeizuführen. Dies hat namentlich auf die im 1. Absatze des § 2 des Entwurfes der Landesgesetzgebung vorbehaltenen Vorschriften Bezug, bei deren Feststellung übrigens selbstverständlich auch den Anforderungen der Landeskultur entsprochen und unter genauer Berücksichtigung derselben, und darunter auch des öffentlichen Interesses an der Erhaltung des Waldlandes in angemessenen Komplexen, die Grenze zwischen zulässigen Teilungen und unerlässlicher Aufrechterhaltung der Gemeinschaft unter gleichzeitiger Regulierung der Benützungs- und Verwaltungsverhältnisse (§ 1 Z 3) gezogen werden muss.

Diese in Ausführung des ersten Alinea des § 2 von der Landesgesetzgebung zu erlassenden Vorschriften werden zugleich auch die Rückwirkung dieser neuen Bestimmungen auf jene Normen der Gemeindeordnung festzustellen haben, welche die Benützung und allfällige Aufteilung des in Rede stehenden Grundbesitzes betreffen, und über deren Unzulänglichkeit der oben genannte Referent des Niederösterreichischen Landesausschusses in seinem erwähnten Berichte an den Landtag folgenden charakteristischen Ausspruch tut: „Der Landesausschuss findet in den wenigen einschlägigen Bestimmungen der Gemeindeordnung nur ganz ungenügende Directiven für sein Verhalten, und sind diese Bestimmungen überhaupt einer Leuchte zu vergleichen, welche die Gegenstände nicht erhellt, sondern nur die tiefe Dunkelheit, in welche sie gehüllt sind, erst recht erkennen lässt.“

Im 2. Absatz des § 2 wird der Landesgesetzgebung die Bestimmung vorbehalten, inwiefern etwa diese Teilungen, wenn sie Grundstücke betreffen, welche nach ihrer Gattung Gegenstand der Commassation sein können (also landwirtschaftliche im Sinn des § 2 des Entwurfes A) überhaupt nur im Wege der Einbeziehung in eine auf dem betreffenden Gebiete stattfindende Commassation stattfinden dürfen. Es wird hiermit also der Landesgesetzgebung offen gelassen, eine enge Verbindung dieser Gemeinteilungen mit der Commassation herzustellen, eine Verbindung, welche allerdings an und für sich, vom rein sachlichen Standpunkt betrachtet, überall große Vorteile in mehrfacher Hinsicht gewähren würde und auch nach den Erfahrungen im Auslande im hohen Grade wünschenswert wäre, deren Zweckmäßigkeit für die einzelnen Länder nichtsdestoweniger aber auch noch von der Frage abhängig ist, ob nicht etwa in einigen Ländern die noch mangelnde Geneigtheit zur Commassation zugleich auch eine erhebliche Verzögerung der im Interesse der Landeskultur dringenden Gemeinteilungen bewirken würde.

Seite 36
Diese letztere Eventualität muss aber ins Auge gefasst und berücksichtigt werden, und schon deshalb empfiehlt es sich, der Landesgesetzgebung auch hierin freien Spielraum zu lassen; damit wird dem Umstande vorgebeugt, welcher bei einer schon reichsgesetzlich im Allgemeinen verbindlicherweise festgestellten Amalgamirung der Gemeinteilungen und Commassationen eintreten könnte, dass nämlich damit allerdings in jenen Ländern, wo eine größere Geneigtheit zur Commassation bereits vorherrscht, die Gemeinteilung nicht aufgehalten, sondern sogar in der Zweckmäßigkeit ihrer Ausführung gefördert, hingegen zugleich in den Ländern, wo jene Geneigtheit dermal noch fehlt, auch die dringenden Gemeinteilungen aufgehalten würden; es wird ermöglicht, den Vorteil der Amalgamirung zu erreichen, wo er sich ohne überwiegenden Nachteil für die Gemeinteilungsoperation als erreichbar erweist, und dort auf denselben zu verzichten, wo dieser Nachteil überwiegend wäre.

Immer wird es bei der Auseinandersetzung der Verhältnisse im Betreff der in Rede stehenden gemeinschaftlichen Grundstücke eine Hauptfrage bilden, ob denn die Grundstücke, um die es sich im einzelnen Falle handelt, tatsächlich zu jenen Kategorien gehören, die § 1 bezeichnet, und bejahendenfalls, wer daran eigentums- und nutzungsberechtigt sei. Schon die obigen Ausführungen über diese Gemeinschaften, deren Ursprung, Umgestaltung und gegenwärtige Stellung in und zu der politischen Gemeinde mit dem öffentlichen Rechte verknüpft ist, lassen erkennen, dass zur Entscheidung über jene Fragen Behörden berufen werden müssen, in welchen die privat- und die öffentlich-rechtlichen Momente auf gleich angemessene Würdigung rechnen können und welche, was in derlei Angelegenheiten immer sehr wünschenswert sein wird, einen billigen Vergleich anzuregen – andererseits einen solchen, der die Sachlage nicht definitiv bereinigt oder öffentliche Interessen beeinträchtigt, nicht zuzulassen geeignet sind. Als solche Behörden stellen sich die aus Elementen des Richteramtes und der Verwaltung zusammengesetzten Commassationsbehörden dar, für deren Kompetenz überdies noch der Umstand spricht, dass sie ja auch in ihrer weiteren Wirksamkeit bei der Commassation, Teilung oder Regulierung geradezu gelähmt wären, wenn ihnen die Cognition über die oben erwähnten etwa bestrittenen Vorfragen in Betreff dieser gemeinschaftlichen Grundstücke entzogen würde und diese Vorfragen früher vor anderen Instanzen ausgetragen werden müssten. Es ist selbstverständlich, dass hiebei den Landesausschüssen eine angemessene Vertretung in den Landeskommissionen für Commassationsangelegenheiten einzuräumen sein wird. Auch das vorerwähnte Referat an den Niederösterreichischen Landtag hat die Frage der Ausschließung der Kompetenz oder ordentlichen Gerichte zur Entscheidung über Streitsachen, welche die in Rede stehenden Verhältnisse betreffen, erörtert und der Ansicht Ausdruck gegeben, dass „die Zivilgerichte die verworrenen Knoten nicht lösen können, sondern nur durch Hauen, da die zivilrechtlichen Bestimmungen auf solche Zustände nicht berechnet sind, die Sache überhaupt nicht vom zivilrechtlichen, sondern auch vom wirtschaftlichen und administrativen Gesichtspunkte aus zu beurteilen ist“.

Seite 37
Die Bestimmungen des § 4 haben den Zweck, die zweckmäßige Ausführung der Teilungen oder Regulierungen zu fördern. Die Einbeziehung von anderen Grundstücken der Teilgenossen, insoferne diese Einbeziehung von denselben selbst gewünscht und für die Teilungsoperation förderlich erkannt wird, ist auch schon in den norddeutschen Gemeinteilungsordnungen enthalten; so bestimmt zB die Preussische Gemeinteilungsordnung vom 7. Juni 1828, § 64: „Grundstücke, welche keiner Gemeinheit unterliegen, müssen, wenn der Eigentümer sie anbietet und dieselben in den Auseinandersetzungsplan passen, zwar angenommen, können aber nicht abgedrungen werden.“ Der Unterschied mit dem Vorgange bei der Commassation besteht also hinsichtlich des § 4 insbesondere darin, dass eine Einbeziehung anderer Grundstücke in die Teilungsmasse, selbst wenn diese Einbeziehung die Zweckmäßigkeit der Teilung fördern würde, nicht gegen den Willen des Eigentümers stattfinden kann.

Vorgeschichte in
Vorarlberg

Inhalt:
Einleitung
Bericht zum VlbTRLG 1921 vom 20.05.1921 (Auszug)
Rede des Dr. Otto Ender im Vlbg Landtag am 06.07.1921
Die Vorarlberger Entwicklung seit 1921 (von Josef Kühne)

 

Einleitung:

Vorarlberg ist in dreierlei Hinsicht ein Sonderfall: Dort wurde ein Teilungs- Regulierungs- Landesgesetz in der Zeit der ersten Republik, konkret im Jahr 1921 geschaffen. Das kaiserliche Gesetz von 1883 hatte kraft Rechtsüberleitung im neuen Österreich weiterhin Geltung. Und auf der Grundlage dieses kaiserlichen Gesetzes hat das Land Vorarlberg nach der Verfassung der jungen Republik Österreich das (Vorarlberger) Teilungs- Regulierungs- Landesgesetz 1921 beschlossen. 

Eine zweite Sache, die den Fall Vorarlberg  besonders hervorhebt, ist der Umstand, dass das Vorarlberger Teilungs- Regulierungs- Landesrecht in Alt-Landshauptmann Dr. Otto Ender einen Förderer gefunden hat, der außerordentliche Qualität als Jurist mit einem umfassenden historischen Wissen verbunden hat. 

Alt-Landeshauptmann Dr. Otto Ender hat uns in Form seiner Rede als Berichterstatter des Agrarausschusses im Voralberger Landtag am 06.07.1921 ein ganz bemerkenswertes Dokument zur Agrargeschichte hinterlassen.

Für das Land Vorarlberg wurde während der Monarchie kein Teilungs- Regulierungs- Landesgesetz geschaffen. Erst im Jahr 1921 unter der tatkräftigen Federführung von Landeshauptmann Dr. Otto Ender sollte sich das ändern.

Dr. Otto Ender war Jurist und im Zivilberuf Rechtsanwalt; sein Engagement für ein Vorarlberger Teilungs- Regulierungs- Landesgesetz (VlbTRLG) zeigt von profunder Kenntnis der Materie. Die Endfassung von vier gleichzeitig verabschiedeten agrarischen Landesgesetzen stammte offensichtlich von Dr. Ender; ebenso ein Motivenbericht zu den Gesetzen, der vom 20.05.1921 datiert und der Vorarlberger Landesregierung vorgelegt wurde.

An Materialien zum Vorarlberger Teilungs- Regulierungs- Landesgesetz (VlbTRLG) existieren insbesondere die stenographischen Sitzungsberichte des Landtages vom 06.07.1921 und 11.07.1921, wobei derjenige vom 06.07.1921 den ausführlichen mündlichen Bericht an den Landtag enthält. Dr. Otto Ender war auch Berichterstatter im Agrarausschuss.

Die Regierungsvorlage wurde ohne gedruckte Erläuterungen eingebracht; diese wurde in der Landtagssitzung am 21.06.1921 dem Agrarausschuss zugewiesen; keine 14 Tage später waren die Gesetzesentwürfe mit entsprechenden Anträgen auf Verabschiedung wieder dem Landtag vorgelegt und Dr. Otto Ender erstattete am 06.07.1921 seinen höchst lesenswerten Bericht als Berichterstatter des Ausschusses.

Zum dritten konnte Vorarlberg bis in die jüngste Vergangenheit auf einen ganz außergewöhnlichen Agrarjuristen zurückgreifen, der eine genaue Kenntnis der landesspezifischen Entwicklung mit exzellenter juristischer Expertise verbunden hat: Univ.-Prof. Dr. Josef Kühne. Aus seiner Feder stammt unter anderem eine Abhandlung zur Entwicklung der Bodenreformmaßnahmen in Vorarlberg aus der Zeit ab Einführung des Teilungs- Regulierungs- Landesrechts bis herauf in die Gegenwart!

 

Bericht zum Vlb TRLG 1921 an die Landesregierung vom 20.05.1921 über die Vorlage folgender Gesetzesentwürfe an den Landtag: 1. Gesetz betreffend die Zusammenlegung land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke (Commas- sierungsgesetz); 2. Gesetz betreffend die Teilung gemeinschaftlicher Grundstücke und die Regulierung der Benützungs- und Verwaltungsrechte (Agrar-Regulierungsgesetz); 3. Gesetz betreffend die Ablösung, Neuregulierung und Sicherung der aufgrund des kaiserl. Patentes vom 5. Juli 1853, RGBl 130 regulierten Holz-, Forstproduktenbezugs- und Weiderechte (Servituten-Ablösungsgesetz); 4. Gesetz betreffend den Schutz der Alpen und die Förderung der Alpwirtschaft (Alpenschutzgesetz).

 

„… Ebenso ist es eine unbedingte Notwendigkeit, unseren Agrargemeinschaften zu Hilfe zu kommen, indem die Teilung von Grundstücken und die Regulierung der Benutzungs- und Verwaltungsrechte wenigstens ermöglicht wird. Die Verhältnisse sind vielfach sehr im Argen und das sehr wichtige Alpenschutzgesetz kann ohne gleichzeitige Vornahme von Regulierungen nicht wirksam werden.

Es ist kein Zweifel, dass schon frühere Landtage diese beiden Gesetze gemacht hätten, wenn wir Agrarbezirksbehörden besessen hätten, die zur Durchführung derselben berufen sind. Dieses Hindernis ist jetzt weggefallen und die Schaffung der beiden Gesetze daher von selbst gegeben.

Ich habe mich ursprünglich sehr bemüht, beide Gesetzesentwürfe wesentlich zu kürzen und womöglich auch in eine volkstümliche Sprache zu bringen. Ich musste den Versuch aber im Wesentlichen aufgeben. Je mehr ich mich mit der Materie vertraut machte, desto mehr kam ich zur Überzeugung, dass in den vorhandenen Gesetzen so viel praktische Erfahrung niedergelegt ist, dass man wenig Steine aus diesem Bau reißen darf, ohne das Ganze zu gefährden. Schließlich hat auch das Volk mit dem Texte des Gesetzes wenig zu schaffen. Derselbe ist mehr für die Agrarbehörden von Bedeutung. Immerhin habe ich mich bemüht, im Einzelnen die Textierung etwas zu verbessern und vor allem habe ich in der Begriffsbestimmung, besonders in der Aufzählung jener Grundstücke, die unter das Gesetz fallen sollen, alle Rechtsformeln ausgemerzt, die für uns in Vorarlberg ohne Bedeutung sind.

Das Servituten-Ablösungsgesetz bezüglich der Holz-, Forstproduktenbezugs- und Weiderechte ist eine notwendige Ergänzung des kaiserlichen Patentes von 1853. Die Ablösung aufgrund jenes Patentes ist wie in den anderen Ländern, so auch in Vorarlberg, auf halbem Wege stehen geblieben. Andere Länder haben diesen Mangel längst nachgeholt und Vorarlberg sollte es meiner Meinung nach tun und es ist von selbst gegeben, dass der Anlass der Schaffung von Agrargesetzen dazu verwendet werde. Sehr schwierig gestaltete sich die Sache bezüglich des Alpenschutzgesetzes. Es ist der Landesregierung bekannt, dass hier die Agrarbehörde und der Landeskulturrat um die Kompetenzen streiten. Der Landeskulturrat fürchtet, dass ihm die Austeilung der Subventionen für die Alpenverbesserung entzogen werden und dass er damit an Popularität und Einfluss im Bauernstande verliert. Wenn man das Statut für den Landeskulturrat durchsieht, so ist ihm eine große Menge sehr wichtiger Aufgaben zugewiesen, die er in Vorarlberg noch lange nicht in vollem Umfang erfüllt. Ich brauche zB nur darauf zu verweisen, dass in unserem Rheinthale Meliorationen aller Art durch Entwässerung, genossenschaftliche Bildungen usw. zu bewerkstelligen wären. Man kann auch beobachten, dass der Landeskulturrat von der Bundesregierung seit Jahren keine materiellen Mittel zur Alpförderung mehr bekam und es ist bekannt, dass die Bundesregierung auf dem Standpunkt steht, Alpenschutz und Alpenförderung zu verbinden und dass sie deshalb die Subventionen im Wege der Agrarbehörden erteilen will. …

Zur Einführung der Agrargesetze in Vorarlberg

Unter dem Sammelnamen Agrargesetze versteht man eine Reihe von Agrarmaßnahmen, die alle miteinander innig verknüpft sind und die sich gegenseitig in wesentlicher Weise ergänzen. Alle diese Gesetze verfolgen den Zweck, die landwirtschaftliche Produktion zu heben, zu verbilligen und zu erleichtern und Gebiete, welche bisher in nicht rationeller Weise ausgenützt werden konnten, wieder derselben zuzuführen.

Es sind dies die Gesetze über die Zusammenlegung land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke, über die Teilung und Regulierung der Agrargemeinschaften, die Gesetze über die Ablösung und Neuregulierung der Forst- und Weideservituten, die Alpenschutzgesetze und die Gesetze zur Förderung der Alpwirtschaft.

Mit der Durchführung all dieser Gesetze wurden die Agrarbehörden betraut, wodurch die so notwendige Einheitlichkeit bei der Inangriffnahme zur Verbesserung der landwirtschaftlichen Verhältnisse gegeben ist. Wie segensreich bereits die Agrarbehörden gewirkt haben und welchen Umfang die Arbeiten bereits angenommen haben, geht auch daraus hervor, dass im Jahr 1919 an einer Vermehrung der Ämter in den einzelnen Ländern Deutsch-Österreichs geschritten wurde und die Zahl der Ämter um 11 erhöht werden musste.

Auch die umliegenden Länder, wie Bayern, die Schweiz und Liechtenstein, besitzen bereits die gleichen oder ähnliche Gesetze und es ist daher nur zu verwundern, dass allein in Vorarlberg diese Landesgesetze noch nicht zur Annahme gelangten, obwohl die Notwendigkeit vielfach noch weit dringender vorhanden wäre als anderswo.

Die Notwendigkeit und Dringlichkeit der Einführung dieser Agrargesetze klarzulegen, möchte ich diese Gesetze einzeln kurz behandeln: …

Teilungs- und Regulierungsgesetz

Dieses Gesetz findet hauptsächlich Anwendung bei Agrargemeinschaften, bei denen es sich um Grundstücke handelt, deren Benützung durch eine Mehrheit der Nutzungsberechtigten erfolgt, wobei es keinen Unterschied macht, ob diese Grundstücke der Gemeinde, einer Dorfschaft oder einer Gesamtheit von Berechtigten bücherlich vergewährt ist. Diese Gebilde, welche zumeist einer sicheren Rechtsgrundlage entbehren, weisen nach außen wie nach innen völlig desolate Verhältnisse auf; entweder sind die rechtlichen Beziehungen der einzelnen Genossen oder die Nutzungsrechte ungeklärt oder ist der Mangel einer Organisation, in den meisten Fällen wohl beides, das Hemmnis für eine geordnete Verwaltung und zweckmäßige Benützung des Gemeinschaftsgutes. Dass eine solche Gemeinschaft gehemmt durch den Zwist und die Uneinigkeit, zum Teil auch durch die Indolenz ihrer Mitglieder, zu keiner rationellen Wirtschaftsführung gelangen kann, ergibt sich von selbst. Diese Grundstücke sind daher vielfach ein herrenloses Gut, ein Objekt geworden, in dem jeder Teilhaber oder Fremde raubt und plündert und nicht die geringste Rücksicht auf die dauernde Ertragsfähigkeit der Realität nimmt.

Die Beseitigung der in den einzelnen Formen des Grundeigentums liegenden Hindernisse kann nun in zweifacher Weise erfolgen: Entweder durch die individuelle Aufteilung der gemeinschaftlichen Grundstücke unter die einzelnen Teilgenossen oder aber durch die Regulierung der gemeinschaftlichen Benützungs- und Verwaltungsrechte. Heutzutage treten aus wirtschaftlichen Gründen die Teilungen gegenüber der Regulierung zurück und bei Wald, Weide und Alpe kommen hauptsächlich nur noch letztere in Betracht.

Da nun auch der wirtschaftliche Zustand, in welchem sich diese Agrargemeinschaften befinden, in den meisten Fällen ein höchst ungünstiger ist, hat mit der rechtlichen Regelung der Verhältnisse zugleich die Durchführung jener Meliorationen zu erfolgen, welche zur zweckmäßigen Bewirtschaftung und zur gesicherten Ausübung der regulierten Rechte erforderlich sind.

Die größte Bedeutung hat in jüngster Zeit in den Alpenländern die Regelung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Alpengemeinschaften gewonnen. Wie notwendig die Regulierung der ungeregelten Verhältnisse in Vorarlberg wäre, kann schon daraus geschlossen werden, dass die Agrargemeinschaften mit rund 57.000 ha mehr als ein Fünftel der gesamten produktiven Landesfläche ausmachen. Da außerdem 61.000 ha im Besitz von Gemeinden, Ortschaften und Gemeindefraktionen sich befinden, bedeckt das Gemeinde- und Gemeinschaftsgut in Vorarlberg 47,1 % der Gesamtfläche, gegen 42 % in Tirol, 5,6 % in Salzburg, 3,8 % in der Steiermark, 0,6 % in Oberösterreich und 5,4 % in Niederösterreich. Es hat sich also die alte Agrargemeinschaften, das Allmendengut, in keinem anderen Lande in so weitem Umfange erhalten wie in Vorarlberg. Dass aber diese Gebilde völlig ungeklärte Nutzungsverhältnisse aufweisen, beweist, dass bei der letzten statistischen Erhebung 53 % der gezählten agrarischen Gemeinschaften die Zahl der beteiligten Personen nicht feststellen konnten.

Kommt also die Regulierung einer Agrargemeinschaft zustande, so wird seitens der Agrarbehörde ein Wirtschaftsplan aufgestellt, es werden die Nutzungen an dem gemeinschaftlichen Objekte geregelt und außerdem wird die Gemeinschaft selbst durch ein Statut in entsprechender Weise organisiert. Es wird ein von den Teilgenossen zu wählender Ausschuss mit einem Obmann eingesetzt, dem nicht nur die Bewirtschaftung des Gemeinschaftsgebietes obliegt, sondern der auch in der Lage ist, die Gemeinschaft rechtsgültig nach außen zu vertreten.

Da auch die Projektierung und Durchführung der Verbesserung den Agrarbehörden obliegt, ist der Notwendigkeit Rechnung getragen, mit der technischen Durchführung der Meliorationen auch gleichzeitig die gesetzliche Regelung der gemeinschaftlichen Benützungsrechte vorzukehren, ohne welche eine dauernde Besserung der Verhältnisse nicht denkbar ist und der Wert der ganzen Anlage oft in Frage gestellt würde. Dadurch, dass die Agrarbehörden die Bewirtschaftung der agrarischen Gemeinschaften überwachen und ihnen die Aufsicht über die Einhaltung der Regulierungspläne sowie über die ausgeführten gemeinsamen Anlagen und Verbesserungen obliegt, ist nun die so notwendige Garantie der Erhaltung und auch der Fortführung der Verbesserungsanlagen gegeben; dies ist wohl die Hauptsache, denn was nützt es, wenn wir Tausende von Kronen für die Verbesserung der Alpen aufwenden und wenn in ein paar Jahren infolge mangelnder Erhaltung der alte Zustand wiederhergestellt ist. Erst wenn die Verbesserungen eine dauernde Wirtschaftsregelung bedeuten und nicht bereits nach kurzer Bautätigkeit als abgetan betrachtet werden, ist es möglich, für alle Zukunft Ordnung zu machen.

Ich halte das Teilungs- und Regulierungsgesetz als das dringendste für Vorarlberg, denn dieses wird in Verbindung mit dem Alpgesetz das geeignete Mittel sein, um den zahlreichen Verkäufen der Alpen zu anderen als viehzüchterischen Zwecken und der Verwahrlosung und Verödung der Alpen Einhalt zu gebieten. Gerade die im Jahr 1919 durchgeführte Alperhebung zu Recht gezeigt, wo der Schuh am meisten drückt und wo der Hebel angesetzt werden sollte, denn nur allzu oft konnte man hören, dass wohl der gute Wille zu Verbesserungsarbeiten vorhanden wäre, dass aber die Durchführung meistens an dem Starrsinn und dem Unverständnis Einzelner scheitert und so die Alpe dem weiteren Verfalle anheim fällt. Die wirtschaftliche Erstarkung Vorarlbergs kann aber in gegenwärtiger Zeit nicht mehr den Launen Einzelner überlassen werden und da gibt es nur ein Mittel, durch gesetzliche Grundlagen, durch die Regelung der Benützungs- und Verwaltungsrechte den gesunden Fortschritt zu sichern.

Alpengesetze ….“

 

Stenographische Sitzungsberichte der 3. (ordentlichen) Tagung des 11. Vorarlberger Landtages zu Bregenz 1921, 5. Sitzung am 6.Juli 1921, Tagesordnungspunkt: Entgegennahme des Berichtes des Agrarausschusses 1. Über das Gesetz der Teilung und Regulierung. 2. Über das Gesetz betreffend die Ablösung, Neuregelung und Sicherung der Holzungs-, Forstproduktenbezugs- und Weiderechte. 3. Über das Gesetz betreffend die Zusammenlegung land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke. Berichterstatter Dr. Otto Ender

 

.
Dr. Otto Ender, (* 24. Dezember 1875 in Altach; † 25. Juni 1960 in Bregenz) war ein österreichischer Politiker (CS). Er war Landeshauptmann von Vorarlberg und von 1930 bis 1931 österreichischer Bundeskanzler.
Otto Ender studierte Rechtswissenschaften in Innsbruck, Freiburg im Breisgau, Prag und Wien. Er war ab 1896 Mitglied der AV Austria Innsbruck, damals im CV, heute im ÖCV.
Im November 1918 wurde er als Nachfolger von Adolf Rhomberg Landeshauptmann von Vorarlberg – ein Amt, das er bis 1934 (mit kurzer Unterbrechung) inne hatte. Anfänglich trat er für einen Anschluss von Vorarlberg an die Schweiz ein, nach Scheitern dieses Vorhabens war er Vertreter eines erweiterten Föderalismus.
Im Dezember 1930 wurde Dr. Otto Ender – als einziger Vorarlberger bis heute – Bundeskanzler der Republik. Seine Regierungskoalition zerbrach jedoch schon nach wenigen Monaten wegen des Zusammenbruchs der Creditanstalt, der damals größten Bank Österreichs. Das Ende seiner Kanzlerschaft im Juni 1931 ist eng in Verbindung mit den ersten beiden Credit-Anstalt-Gesetzen zu sehen, mit denen die Republik für diverse Verbindlichkeiten die Haftung übernahm. Ender verlangte damals auch bestimmte Sondervollmachten vom Nationalrat, die ihm ein autoritäres Regieren ermöglichen sollten, jedoch nicht gewährt wurden. Nach seinem Rücktritt amtierte er vom 14. Juli 1931 bis 24. Juli 1934 wiederum als Landeshauptmann von Vorarlberg.
Landeshauptmann Dr. Otto Ender war Rechtsanwalt in Bregenz; er war nicht nur ein brillanter Jurist, sondern auch ein interessierter Historiker. Seine Rede im Vorarlberger Landtag aus Anlass der Beschlussfassung über das Vorarlberger Teilungs- Regulierungs- Recht vom Juni 1921 ist ein einzigartiges Dokument zur den historischen Agrarverhältnissen Vorarlbergs.

Dr. Otto Ender:

Hoher Landtag! Es gab eine Zeit, wo unsere Vorfahren sich dem Nomadenleben hingaben. Sie zogen durch das Land, lebten von der Jagd und Fischerei und ließen ihre Herde weiden, wo der Herrgott etwas wachsen ließ.

Dann machten sie sich sesshaft und hatten zuerst nur die Wohnstätte in Privatbesitz. Erst beim Übergang zum Ackerbau kam es dann zur Ausscheidung einer Ackerflur. Sie wurde von den gemeinsam verbliebenen Wald- und Weidegründen losgelöst und jedem sein Betreffnis zugewiesen. Meist bekam einer mehrere Stücke in den verschiedenen Lagen. In der Bewirtschaftung herrschte keine Freiheit, sondern der sogenannte Flurzwang. Man kannte damals keine intensive Bewirtschaftung; vielmehr galt die 3-Felder-Wirtschaft, wonach man auf einem Grundstück das eine Jahr Wintergetreide, das andere Jahr Sommergetreide pflanzte und das dritte Jahr es brachliegen ließ. Die Brache und auch das Stoppelfeld wurden zu gewissen Zeiten gemeinsam beweidet. Diese Bewirtschaftungsart brachte naturnotwendig den Zwang mit sich, in gewissen Lagen, in einem bestimmten Jahre nur Wintergetreide zu bauen, in anderen Sommergetreide und im dritten das Feld brachliegen zu lassen. Darin bestand der Flurzwang.

Die Länder, Weiden und Fluren, die von einer bestimmten Anzahl von Bauern auf diese Art gleichmäßig benützt und bewirtschaftet wurden, bildeten eine Dorfgemeinde oder eine Agrargemeinde. In der Agrargemeinde herrschten also die gleichen Weiderechte oder wie man es nannte: derselbe Trieb. Alle Grundstücke, auch die im Privateigentum stehenden Äcker waren mit Trieb (Weiderecht) und Tratt (Viehtrieb) belastet. Nur die Hofstatt oder Bäundt, bei uns heute Bündt genannt, war frei von Trieb und Tratt.

Eine Ausnahme von diesen Belastungen bildeten die sogenannten Einöden. Das waren ursprünglich abseits von den Weideplätzen durch private Rodung des Waldes entstandene Grundstücke, an deren Beweidung die Agrargenossen kein Interesse hatten. Im 16. Jahrhundert verknüpfte sich mit dem Wort „Einöde“ ein neuer Begriff. Einzelne Bauern kauften ihren Ackergrund von der Belastung mit fremdem Trieb und Tratt los, sei es nun durch Hingabe eines Teiles ihres Grundes an die Agrargenossenschaft, durch Übernahme von Dienstleistungen oder auf andere Weise. Von nun an nannte man jedes von Trieb und Tratt befreite Gut eine „Einöde“.

Die Schaffung solcher Einöden wurde wesentlich erleichtert, wenn man die vereinödeten Güter an einen Ort möglichst außerhalb des übrigen Ackerlandes zusammenlegte. Es führte daher das Bestreben, den Ackerboden von Trieb und Tratt zu befreien, schon im 16. Jahrhundert dazu, die Zusammenlegung von Grund und Boden durchzuführen, und man nannte dieses Geschäft damals „Vereinödung“. Auf diese Art sind auch die Höfe entstanden. Es blieb nur der Waldbesitz zur gemeinsamen Nutzung ungeteilt, während das Weideland und die Äcker bei der Zusammenlegung derart verteilt wurden, dass jeder Bauer seinen geschlossenen Hof bekam. Dabei blieben die Häuser oft wie bisher im Dorf vereint, sodass dann jedes Haus Hofstatt und Bündt dabei hatte, den übrigen Hof aber entfernt vom Hause an einem Ort beisammen, oder es fand gleichzeitig der sogenannte „Ausbau“ statt, d.h. man verlegte das Haus auf den Hof. Bei der damaligen Bauart der hölzernen Häuser war dies nicht so schwierig. In drei Tagen sollte ein solches Holzhaus abgebrochen und in drei Tagen wieder in Rohem aufgerichtet werden.

Sehr bekannt ist die Vereinödung, die in größtem Maßstabe im ganzen Gebiete des seinerzeit reichsunmittelbaren Hochstiftes Kempten durchgeführt wurde. Im Kleinen begann dort die Vereinödung seit 1500 und im großen Maßstabe wurde sie von 1750 bis nach 1800 durchgeführt. In der letzten Periode waren berufsmäßige Landvermesser an der Arbeit und die Ergebnisse der Vereinödung einer Dorf- oder Agrargemeinschaft wurden jeweils beim Landammann protokollarisch niedergelegt und sind in den Archiven bis heute erhalten.

Auch Kaiser Josef II. hat eine solche Aktion eingeleitet, die auch in Gebieten Vorarlbergs nahe den Besitzungen des Hochstiftes Kempten, jedoch unabhängig von der dortigen Aktion, durchgeführt wurde.

Auf der Bauernschaft lasteten vor hundert Jahren die Pflichten der Hörigkeit. Schon Kaiser Josef II. machte einen Versuch, die Bauern aus der Hörigkeit zu befreien. Die Napoleonischen Kriege brachten all diese Bestrebungen vollständig zum Stillstand und sie kamen während des Absolutismus in der nachfolgenden Zeit nicht zum Durchbruche; erst die Revolution des Jahres 1848 brachte hierin eine Wandlung.

Anders war die Entwicklung in Preussen. Dort wurde in den Jahre 1806 bis 1821 die Befreiung der Bauern von den persönlichen und wirtschaftlichen Fesseln der Hörigkeit durchgeführt. In einer Richtung freilich wurde sie zu jener Zeit in Preussen für den kleinen Bauern schlechter durchgeführt als bei uns dann in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Während bei uns alle Bauern, auch die kleinsten, von der Hörigkeit frei wurden und ihre Tributleistungen ablösen konnten, ohne den Grund und Boden zu verlieren, wurden in Preussen die Güter der kleinen Häusler gegen Entschädigung eingezogen und bei den anderen die Aufhebung der Hörigkeit gegen Grundabtretung gewährt. Dadurch gingen damals 1,000.000 ha Landes von kleinen Besitzern in Großgrundbesitz über.

Preussen nahm in Verbindung mit der Aufhebung der Hörigkeit in der Landes-Gemeinheitsteilungsverordnung vom Jahre 1811 die Befreiung des bäuerlichen Grundes von den Fesseln der alten Flurverfassung kräftig in die Hand. Man verstand es dort, mit der Aufteilung von Gründen, gleichzeitig die Zusammenlegung und die Verbesserung derselben zu verbinden und alles mit der den Preussischen Beamten eigenen Schneid und Rücksichtslosigkeit durchzuführen. Für die Bewirtschaftung des Grundes und für die Hebung der Erträgnisse war das natürlich von größtem Vorteil und der erhebliche Vorsprung, den die deutsche Landwirtschaft vor der österreichischen im Voraus hat, ist u.a. auf diesen Grund zurückzuführen. Was Österreich 30 Jahre später halb begann, in den 1880er Jahren noch immer unvollkommen betrieb und erst in der jüngsten Zeit unter Führung des Ackerbauministeriums zielbewusst betreibt, nämlich die systematische praktische Durchführung einer modernen Agrargesetzgebung, kann wohl nur im Laufe der Zeit einholen, was Preussen früher getan. Jedenfalls ist es höchste Zeit, damit zu beginnen!

Das Jahr 1848 brachte also der Bauernschaft in Österreich die Befreiung von der feudalen Hörigkeit. Selbstverständlich hatte in Vorarlberg beim Fehlen des Hochadels und adeliger Besitze diese Aktion nicht gleiche Bedeutung wie in anderen historischen Ländern.

Das Jahr 1853 brachte dann das bekannte kaiserliche Patent vom 5. Juli über die Regulierung und Ablösung der Holzungs-, Weide- und Forstproduktenbezugsrechte. Dort wo der staats- und feudale Grundbesitz durch die Ablösung der Hörigkeit ziemlich stark mitgenommen war, brachte diese Servitutenablösung wieder eine Erleichterung für den Wald- und Weidebesitz. Diese Ablösung von Servituten oder wo die Ablösung nicht möglich war, die Regulierung, wurde von den Grundentlastungskommissionen durchgeführt und diese haben auch in Vorarlberg eine bemerkenswerte Tätigkeit entfaltet. Es wäre nur natürlich gewesen, nun einen Schritt weiterzugehen und eine in vernünftigen Schranken gehaltene Teilung von Gemeinschaftsgründen, eine durchgreifende Regulierung der Benützungsrechte und insbesonders bei diesem Anlass auch eine Zusammenlegung, verbunden mit Meliorationen (Verbesserungsmaßnahmen), durchzuführen. Durch die immer wieder erfolgten Teilungen im Wege des Erbgangs und im Wege der freien Vereinbarung war auch schon zu jener Zeit das Feld vielfach in kleine Riemen zerschnitten und der Besitz des Einzelnen an vielen Stellen in der Flur verteilt.

Wir hatten auch schon damals in Vorarlberg eine bedeutende Streulage oder Gemengelage, wie die technischen Ausdrücke lauten. Die Naturalabgaben und Dienstleistungen wurden infolge der Grundentlastung bei uns vielfach in Geld abgelöst, teils auch neu geregelt. Besondere Garantien für die ungeteilte Erhaltung des Waldbesitzes in den Händen der Agrargemeinschaften waren nicht gegeben und eine zweckmäßige Regelung des Nutzholzbezuges, die die Interessen der Forstkultur mit jenen der berechtigten Bauern in Einklang brachte, fehlte. Es war auch eine zweckmäßige Aufteilung des für intensivere Kultur geeigneten Teiles von Weideland nicht möglich und die Handhabung der Weiderechte kam vielfach ins Unklare.

Und doch hätte gerade jetzt damals auf der Höhe der Zeit stehende Agrargesetzgebung notgetan. Die Zeitverhältnisse drängten zu einer Umformung der Bewirtschaftung auf der ganzen Linie. Aus der 3-Felder-Wirtschaft war man herausgewachsen. Anstelle der Brache traten Kartoffelbau, Maisbau, Rübenbau und Kleesaat. Die Viehzucht war durch die Einführung der Stallfütterung und der Düngerwirtschaft auf eine höhere Ebene gehoben worden. Der Bauer brauchte Geld, um seinen Verpflichtungen aus der Ablösung der Naturalabgaben und Dienstleistungen zu genügen. Man war durch den besseren Verkehr an den Weltmarkt angeschlossen worden und es erwachte mächtig der Erwerbstrieb. Die Landwirtschaft musste in die moderne verkehrswirtschaftlich-kapitalistisch organisierte Volkswirtschaft eingegliedert werden. Eine solche Zeit hatte nicht nur das Bedürfnis nach Befreiung des Waldes von Weide-, Holz-, Streu- und anderen Bezugsrechten, um dem Walde wertvolles Nutzholz abzugewinnen, sondern auch nach Ablösung und Regulierung der Dienstbarkeit, nach Teilung wertvoller Gründe und nach Regelung der Benützungs- und Verwaltungsrechte der agrarischen Gemeinschaften sowie nach Beseitigung der Gemengelagen.

Etwas geschah durch das kaiserliche Patent vom 5. Juli 1853, aber viel zu wenig. Das vielfach strittige Eigentum zwischen den politischen Gemeinden und Agrargemeinschaften blieb eine ungelöste Frage, die Nutzungsrechte am Gesamteigentum in mangelhafter Ordnung und die Agrargemeinschaften vielfach ohne gute Statuten und ohne geordnete Verwaltung.

Um zu verstehen, warum man diese Schwierigkeiten nicht überwand, müssen wir uns einiges klarmachen. Die Agrargemeinde oder Dorfgemeinde war eine ausgesprochen deutschrechtliche Einrichtung. Unter starkem Einfluss des kanonischen Rechts hatte sich das deutsche Grund- und Bodenrecht herausgebildet. Der Begriff des Eigentums war ein ganz anderer als im römischen Recht. Der Eigentümer war nicht unumschränkter Herr. Wie im öffentlichen Leben alle Gewalten als von Gott verliehen galten und mit der Verpflichtung strenger Rechenschaftslegung belastet waren, so teilten auch die Eigentümer von Grund und Boden als bevorzugte Verwalter desselben und ihr Anteil daran beschränkte sich auf den Bedarf.

Was zweckmäßig besser im Gemeinschaftsbesitz war, besonders Wald und Weide, blieb in demselben, und zwar nicht im Sinn des Miteigentums, sondern als in der Verwaltung einer öffentlichen Körperschaft stehend, der Agrargemeinde und der Dorfgemeinde. Das Benützungsrecht des Einzelnen richtete sich nach seinen tatsächlichen Bedürfnissen.

In diesen Zustand hinein fällt in Österreich die Einführung des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches im Jahre 1811, das vorwiegend auf dem Boden des römischen Rechts stand und dessen Begriff des Eigentums übernommen hatte, der eine volle Herrschaft über bewegliches und unbewegliches Gut in sich begreift. Gemeinschaftseigentum war nach römischem Recht Miteigentum und auf Verlangen der Miteigentümer teilbar. Eine Berücksichtigung der Agrargemeinschaften und irgendwelche Regelung ihrer Rechtsverhältnisse kennt das Bürgerliche Gesetzbuch nicht und es ist nur gut, dass die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches auf den Gemeinschaftsbesitz und seine Benützung meist nicht angewendet wurden, sondern dass man diese Rechtsgebilde nach öffentlichem Recht behandelte und dort dem Gewohnheitsrecht einen weiten Spielraum offen ließ.

Das Jahr 1849 brachte dem Volk in Österreich eine provisorische Gemeindeordnung. Sie schuf die heutigen Ortsgemeinden, auch politische Gemeinden genannt. Diese neue Gemeindeordnung hätte sich nun unbedingt klar mit dem Bestand der Dorfgemeinden oder Agrargemeinden abfinden und eine klare Verfügung treffen sollen, wer künftig Träger des Vermögens der Agrargemeinde sei, ob die neue politische Gemeinde oder ob die alte Agrargemeinde, die fortzubestehen habe. Letzteres wäre wohl zweckmäßig gewesen, nur hätte man dann der alten Agrargemeinde innerhalb der neuen politischen Gemeinde einen Verwaltungsapparat geben müssen. Das geschah nicht. So wurde dann das Vermögen der alten Agrargemeinschaft bald der neuen politischen Gemeinde zugeschrieben, bald als Ortschaftsgut, Fraktionsgut, Nachbarschaft oder Interessentschaft vom Gemeindeausschuss weiter verwaltet, aber alles nach Gewohnheitsrecht ohne feste, dem neuen Gemeinwesen angepasste Normen.

Dann kam das Grundbuch, aufgebaut auf dem Bürgerlichen Gesetzbuch, also auf den Bestimmungen des römischen Rechts. Der Grundbuchanlegungskommissär wusste mit den Überresten des alten germanischen Volksrechtes wieder nichts anzufangen. Vielfach wurde im Grundbuch als Miteigentum der Nutzungsberechtigten eingetragen, was gar nicht ihnen, sondern der Agrargemeinschaft gehörte, und ihre Nutzungsrechte wurden zu aliquoten Teilen in einem festen Ausmaß an einen Besitz gebunden, statt sie wandelbar nach den jeweiligen Bedürfnissen bestehen zu lassen. …

Das Forstgesetz vom Jahre 1852 und die Gemeindeordnung vom Jahre 1849 brachten das Gute mit sich, das von nun an zur Teilung vom Gemeindeeigentum, und daher nun nach allgemeiner Auffassung auch zur Teilung der von den Gemeinden verwalteten und den Agrargemeinschaften zur Nutzung zustehenden Wälder, die Bewilligung des Landesausschusses nötig war. Durch diese Bestimmung und durch ein Gesetz, mit welchem später der Vorarlberger Landtag die Aufteilung der Alpen untersagte, wurde wenigstens die Erhaltung dieser wichtigen Agrargebilde gesichert.

Im Übrigen war die Zeit von der Mitte der 1850er Jahre bis 1880 in agrarpolitischer Hinsicht trostlos. Es ist dies bekanntlich die liberale Ära und man muss ihr Unverständnis auf diesem Gebiete historisch verstehen. Der Liberalismus war als Reaktion gegen die Zeit des Absolutismus mit seiner unerträglichen politischen Bevormundung mit stürmischer Kraft aufgetreten und schoss, wie jede solche mächtige Bewegung, weit über das Ziel. Im unbändigen Freiheitsdrang wurde die Forderung der Freiheit auf alle Gebiete und in einem Maße ausgedehnt, wie sie nur verderblich wirken konnte. Diese Welle hat damals auch in den liberalen Vorarlberger Landtag hineingeschlagen, der im Jahr 1868 ein Gesetz beschloss, dass die bis dahin an den politischen Konsens gebundene Zerstückelung und Teilung jedes Grundbesitzes gänzlich freigab. War bis dahin vielfach mit Bewilligung der Behörde weiter parzelliert worden, als gut war, so sollte nun der Weg dazu vollständig frei sein. … Erst am Anfang der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts erwachte wieder das Verständnis für die wirtschaftlichen Interessen der Bauernschaft. Unser Landtag, in welchem damals die Konservativen die Oberhand hatten, befasste sich wiederholt mit bäuerlichen Fragen…

Im Jahr 1883 befasste sich der Landtag mit der Abänderung des Gesetzes vom 15. Oktober 1868, das die freie Teilbarkeit von Grundstücken eingeführt hatte. Der Landtag kam zum Schlusse, man solle damit bis nach Erlassung eines in Aussicht stehenden Kommassationsgesetzes für das Land Vorarlberg zuwarten.

Im gleichen Jahre 1883 schuf dann der Reichsrat ein Rahmengesetz für die Teilung und Regulierung der Agrargemeinschaften und ein Rahmengesetz für die Kommassion von Grundstücken. Die Gesetzesentwürfe hatten aber bedeutende Fehler in sich. Sie waren viel zu viel auf den freien Willen einer größeren Mehrheit der Besitzer aufgebaut, und so weit war bei dem einzelnen Bauer die Erkenntnis nicht fortgeschritten. Das Gesetz fand nicht jene geschulten Landwirte, die es voraussetzte. Ferner gab es den Landtagen zu materiell-rechtlichen und strafrechtlichen Bestimmungen keine Kompetenz. Die Teilung wurde gestattet, ohne gleichzeitig die Zusammenlegung zu gebieten. Es fehlte ferner vollständig an geschulten Beamten zur Durchführung der Gesetze. Die Gesetze mögen auch in mancher Beziehung in der Durchführung viel zu kompliziert gewesen sein und im Ackerbauministerium, auf das man bei der Durchführung vollständig angewiesen war, herrschte nicht der rechte Geist. Man mag das zB daraus ersehen, dass Salzburg im Jahr 1892 ein Zusammenlegungsgesetz beschloss und erst 15 Jahre später vom Ministerium die Durchführungsverordnung dazu bekam. Dass unser Landtag unter solchen Umständen sich nicht zur Schaffung der Gesetze entschließen konnte, zeigt schließlich nur von seinem praktischen Sinn, Gesetze erst dann zu schaffen, wenn man sie praktisch gestalten kann und eine wirkliche Durchführung derselben zu erwarten steht. Unser Landtag wandte sich in diesem Zeitraum anderen Problemen der Agrarpolitik zu; er führte zunächst die Hypothekarerneuerung durch, gründete die Landeshypothekenbank und führte schließlich das Grundbuchswesen ein. Er befasste sich auch mit verschiedenen anderen, zum Teil kleineren agrarpolitischen Fragen.

Ein neuer Zug kam in die österreichische Agrargesetzgebung mit dem Einzug unseres Landsmannes Dr. Ebenhoch in das Ackerbauministerium im Jahr 1907. Mit ihm zusammen arbeitete im vollsten Einverständnisse der nunmehr verstorbene Staatssekretär Dr. Steinwender. Es wurde nun den Ländern die Möglichkeit eröffnet, auf dem Gebiet der Agrargesetzgebung auch Bestimmungen über die Strafjustiz und die Polizeistrafen sowie solche zivilrechtlicher Natur zu treffen. Herr Dr. Steinwender beförderte eine neue  Initiative zur Revision und Ergänzung der Regulierungsurkunden der Grundentlastung von 1853 und zu weiterer Ablösung der Servituten. Das Ackerbauministerium wirkte seit jener Zeit intensiv auf dem Gebiet der Bodenverwässerung und erreichte die Auswerfung namhafter Beträge für Meliorationen. Aus diesem neuen Geiste heraus sind drei Mustergesetzentwürfe gewachsen, die den drei Gesetzen zugrunde liegen, die heute vor Ihnen liegen. Die vorliegenden Entwürfe sind wesentlich kürzer als die Musterentwürfe. Alle Rechtsinstitute, die in Vorarlberg keine praktische Bedeutung haben …. sind ausgemerzt. Wo es irgendwie anging, wurde gekürzt und auch sprachlich verbessert. … Die heute noch vorhandene Ausführlichkeit hat übrigens den Vorzug, dass wir vielleicht keiner eigenen Durchführungsverordnungen mehr bedürfen, sondern dass wir mit der analogen Anwendung der Durchführungsverordnungen ausreichen, die Tirol zu seinen gleichartigen Gesetzen im Jahre 1910 erlassen hat und die wir ja in unserer Gesetzessammlung besitzen, die damals noch mit Tirol gemeinsam war. Dass die drei heute zur Behandlung stehenden Gesetzesentwürfe sowie ein weiterer Entwurf für ein Alpenschutzgesetz in Vorarlberg große Bedeutung haben, mag schon daraus erhellen, dass ungefähr ein Drittel von Grund und Boden im Lande Vorarlberg den Bestimmungen dieser Gesetze unterliegt.

Wir müssen zuerst das Teilungs- und Regulierungsgesetz behandeln. Sein Zweck ist:
1. die Feststellung der Rechtsverhältnisse
2. die Sicherung und Ausscheidung des der Gemeinde oder der Ortschaft gehörigen Anteils (Generalteilung);
3. die Regelung des verbleibenden Gemeinschaftsgutes
a) durch Aufteilung unter die Genossen, oder
b) durch Ordnung der Benützung und Verwaltung;
c) die Überwachung der Einhaltung der Regulierungsbestimmungen und des Wirtschaftsplanes.

An zweiter Stelle werden wir das Zusammenlegungsgesetz behandeln. … Ertragssteigerungen von 20 bis 25 % infolge der Zusammenlegung sind keine Seltenheit. Unsere Nachbarländer Württemberg und Baden und vor allem auch die Schweiz haben glänzende Erfolge erzielt … Das Servituten-Ablösungsgesetz bezweckt eine Fortsetzung der Grundentlastung von 1853 und kann namentlich in Verbindung mit Teilung, Regulierung und Zusammenlegung sowie mit Meliorationen besonders segensreich werden. Das Alpenschutzgesetz schließlich wird das Ganze vervollständigen.

Die Durchführung aller agrarischen Gesetze ist nunmehr einer einzigen Behörde übertragen, und zwar der Agrarbehörde, wo der Jurist und der Kulturtechniker unter dem Beistande neuerlicher Sachverständiger und Vertrauensmänner Hand in Hand arbeiten. Diese Agrarbehörden und ihre nunmehrige Organisation bedeuten einen wesentlichen Fortschritt gegenüber den Agrar-Landeskommissionen, die früher in Österreich Teilungen und Regulierungen und Zusammenlegungen durchzuführen hatten. Die Agrar-Landeskommission führte eine solche Aufgabe in einer Gemeinde durch und dann verschwand sie und sie ward nicht mehr gesehen. Sie übte das Gewerbe so ungefähr im Umherziehen. Anders die nunmehrigen Agrarbehörden. Wenn sie eine Operation vollendet haben, so verlassen sie das neu geborene Kind nicht, sondern betreuen es weiterhin, überwachen die Einhaltung der Regulierungsbestimmungen und des Wirtschaftsplanes. … Ich beantrage nun, wenn die allgemeine Besprechung vorüber ist, in die besondere Besprechung der einzelnen Bestimmungen zunächst des Teilungs- und Regulierungsgesetzes einzutreten und dann über folgende Anträge abzustimmen, die Ihnen der Agrarausschuss zur Beschlussfassung vorlegt: …“

Die Vorarlberger Entwicklung seit 1921
(von Josef Kühne)

Inhaltsübersicht
I. Vorbemerkungen
II. Teilungs- und Regulierungs- Landesgesetz 1921
Gemeinschaftsgut von Altenstadt
Alpgenossenschafter und Grundbuch
Säumige Behörden
III. Gemeinschaftsgut im Vorarlberger Gemeinderecht
Gemeinderecht bricht kein Eigentum
Gemeinderecht als Übergangsrecht
Gemeinde als Verwalterin der Agrargemeinschaft
IV. Regulierung der Agrargemeinschaften in Vlbg
1953: Josef Kühne zum Amtsvorstand bestellt
Bis 1953: Keine Regulierung an Gemeindegut abgeschlossen
Alpgenossenschaften im Rellstal/Vandans im Montafon
Gemeinschaftsgut der Gemeinde Bürs
Das Gemeinschaftsgut Nenzing
Das Gemeinschaftsgut Rankweil
Gemeinschaftsgüter in Feldkirch

I. Vorbemerkungen

Das „Bodenreformrecht“ nahm in Vorarlberg nach den „älteren“ abgeschlossenen „Servitutenregulierungen“ in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts eine „zögerliche“ Entstehung und Entwicklung: Zum Teilungs- und Regulierungs-Reichsrahmengesetz 1883 wurde erst 1921 nach 38 Jahren das Teilungs- und Regulierungs-Landesgesetz (TRLG 1921) als Ausführungsgesetz erlassen (LGBl 115/1921). Auf Grund dieses Gesetzes wurden vom Amt der Landesregierung als Agrarbehörde I. Instanz zum Teil auf spezialgesetzlicher Regelung, Einzelteilungen landwirtschaftlich genutzter Gemeinschaftsgüter, jedoch keine der mehrfach beantragten Regulierungen von Gemeinschaftsgütern durchgeführt. Zum Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1932 BGBl 97 (FlVerfGG 1932) wurde wieder 20 Jahre später, erst nach dem II. Weltkrieg 1951 das Landesausführungsgesetz (VFLG 1951) LGBl 4/1951 an Stelle des TRLG 1921 erlassen; zur Vollziehung in I. Instanz war 1949 die Agrarbezirksbehörde Bregenz mit Wirkungsbereich für das ganze Land geschaffen worden.

Ab 1953 zum Amtsvorstand der Agrarbezirksbehörde bestellt, hatte Josef Kühne bis 1971 auf Grund zum Teil längst gestellter Anträge die „Ordnung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse an agrargemeinschaftlichen Grundstücken“ nach VFLG 1951 für 29 Agrargemeinschaften aus Gemeinschaftsgut und 92 Alpgenossenschaften stets einvernehmlich nach dem Gebot des Gesetzes durchgeführt („ … ist zunächst ein Übereinkommen anzustreben“). Nach einer überraschenden – nicht beworbenen – Berufung von Josef Kühne im Jahr 1971 als Ordinarius für Rechtswissenschaften an die damals noch Technische Hochschule Wien und Vorstand des neu errichteten Instituts für Rechtswissenschaften, wurden Regulierungen der Gemeinschaftsgüter im gleichen Sinne, entsprechend der die+sbezüglichen Regelung des § 91 Abs. 4 Vorarlberger Gemeindegesetz 1965 erfolgreich bis 1982 weitergeführt.

 

II. Teilungs- und Regulierungs- Landesgesetz 1921

Zum TRRG 1883 ist in Vorarlberg erst nach 38 Jahren das (Vorarlberger) Teilungs- und Regulierungslandesgesetz LGBl 1921/115 erlassen worden. Dem Rahmengesetz entsprechend ist in § 5 als wesentlicher Gegenstand agrarischer Operationen bestimmt: „das einer gemeinschaftlichen Benutzung  nach Maßgabe des § 63 der G.O. vom 24. September 1904, G.V.Bl Nr. 87 unterliegende Gemeindegut”.

Zum Vorarlberger TRLG 1921 begründet Landeshauptmann Dr. Otto Ender als Berichterstatter den Gesetzesentwurf ganz ausführlich an Hand der Rechtsentwicklung der Bodenordnung in Vorarlberg. Er stellte im Besonderen bezüglich des gemeinschaftlich genutzten Gemeinschaftsgutes Folgendes fest: „Eine Berücksichtigung der Agrargemeinschaften und irgendwelche Regelung ihrer Rechtsverhältnisse kennt das bürgerliche Gesetzbuch nicht und es ist nur gut, daß die Bestimmungen des bürgerlichen Gesetzbuches auf den Gemeinschaftsbesitz und seine Benützung nicht angewendet wurden … Das Jahr 1849 brachte dem Volk in Österreich eine provisorische Gemeindeordnung. Sie schuf die heutigen Ortsgemeinden. Auch politische Gemeinden genannt. Diese neue Gemeindeordnung hätte sich nun unbedingt klar mit dem Bestande der Dorfgemeinden oder Agrargemeinden abfinden und eine klare Verfügung treffen sollen, wer künftig Träger des Vermögens der Agrargemeinde sei, ob die neue politische Gemeinde oder ob die alte Agrargemeinde, die fortzubestehen habe. Letzteres wäre wohl zweckmäßig gewesen, nur hätte man dann der alten Agrargemeinde neben der neuen politischen Gemeinde einen Verwaltungsapparat geben müssen. Dies geschah nicht. So wurde denn das Vermögen der alten Agrargemeinschaft bald der neuen politischen Gemeinde zugeschrieben, bald als Ortschaftsgut, Fraktionsgut, Nachbarschaft oder Interessentschaft vom Gemeindeausschusse weiter verwaltet, aber alles nach Gewohnheitsrecht ohne feste, dem neuen Gemeinwesen angepasste Normen.” (S. 4), “… das Gemeindegut (G.O., G.V.Bl. 1904 Nr. 87) muß dem Gesetz unterworfen werden.“(Otto Ender, EB, RV, VLT 1921)

Hierin sind jene Probleme deutlich gemacht, die schon seit 1921 nach dem (Vorarlberger) TRG, ihm folgend dem VFLG 1951, zu lösen waren und zum Teil heute noch ihrer Bereinigung harren.

Gemeinschaftsgut von Altenstadt

Nach Erlass des Teilungs- und Regulierungs-Landesgesetzes 1921, LGBl 1921/115, wurde die Agrarbehörde als Abteilung des Amtes der Landesregierung eingerichtet. Als erstes bedeutsames „Pionier“-Verfahren auf Grund des neuen Gesetzes war die Einzelteilung der umfangreichen Ackerflächen beantragt, die nach den Statuten in „Teilen“ den Berechtigten des Gemeinschaftsgutes von Altenstadt zugeteilt waren, der größten Gemeinde im oberen Rheintal, bestehend aus den Ortschaften, selbständigen Pfarreien Altenstadt, Levis, Gisingen sowie Nofels mit den Weilern Fresch und Bangs am Rhein – der westlichsten Ortschaft Österreichs. Verteilt in den Ortschaften waren die Ackerflächen in kleine „Lose“ geteilt, im Wechsel zum Teil schlecht bewirtschaftet und die Anwartschaft bei der großen Zahl der Berechtigten sehr lange. Dieses erste Teilungsverfahren nach dem neuen Bodenreformrecht war eine wirkliche „agrarische Operation“ an die sich eine „junge“ Agrarbehörde nur mit einem Spezialgesetz wagte. Initiator und „Leider“ des Verfahrens war der letzte Ortsvorsteher der Gemeinde Altenstadt, mein Vater – damit war ich von frühester Jugend mit Agrarproblemen behaftet. Das Einzelteilungsverfahren wurde 1930 zum guten Abschluss gebracht.

Mit Vereinigungsvertrag 1925 erfolgte der Zusammenschluss der Gemeinden Altenstadt, Tosters und Tisis mit der Stadt Feldkirch zu „Groß – Feldkirch“. Wesentlicher Bestandteil und Voraussetzung der Annahme der Verträge war die Garantie des ungeschmälerten Fortbestandes der überkommenen Nutzung und Selbstverwaltung, sowie die künftige Neuordnung des Gemeinschaftsgutes der jeweiligen Agrargemeinschaften.

Die schon nebst den Teilungsverfahren angestrebten Regulierungen der Gemeinschaftsnutzungen nach dem TRLG 1921 führte die Agrarbehörde nicht durch, doch besorgten selbständige Ausschüsse die garantierte Selbstverwaltung. Das Vereinigungswerk, auch von meinem Vater maßgeblich initiiert und durchgekämpft, fand Dank der Garantie des Fortbestandes der überkommenen Gemeinschaftsnutzung und Verwaltung, ganz überwiegende Zustimmung der Bürger. Als Vizebürgermeister des 1925 vereinigten „Groß-Feldkirch“, wie als Obmann der Agrargemeinschaft Altenstadt, hat mein Vater bis zur „Entlassung“ 1938 sein Werk betreut, eine angestrebte Regulierung erlebte er, 1942 verstorben, nicht. Es war mir dann als Amtsvorstand der Agrarbezirksbehörde ab 1953 „überbunden“, nach dem Flurverfassungsgesetz 1951 die Regulierung der „Agrargemeinschaft Altgemeinde Altenstadt“ einvernehmlich mit der Stadt, wie jene von Tosters und Tisis zum guten Ende zu bringen. Entgegen dem Vertrag von 1925 blieb das Gemeinschaftsgut „Stadt Feldkirch – alt“ unreguliert und bis heute Gegenstand strittiger Verfahren. Die Bürger dürfen als Zunft „Spältabürger“ durch den Fasching ziehen – kommt Zeit kommt Rat?

Auf Grund des TRLG 1921 waren weiter Regulierungsanträge von Nutzungsberechtigen für Gemeinschaftsgut gestellt, zum Teil auch eingeleitet, aber bei meinem Amtsantritt im Jahr 1953 nicht ein einziges Verfahren durchgeführt. Über Anträge von Alpgenossenschaften wurden in größerer Zahl Regulierungsverfahren eingeleitet, da dies für die Erlangung von Förderungen erforderlich war, jedoch war gleichfalls in keinem einzigen Fall das Verfahren zu Ende geführt.

Alpgenossenschafter und Grundbuch

Ungeachtet der Geltung des TRLG 1921 wurden bei der Grundbuchanlegung in Vorarlberg bis zu deren Abschluss um 1950, nicht die Alpgenossenschaften als Gemeinschaft der Nutzungsberechtigten, sondern die Weideberechtigten aliquot als Miteigentum eingetragen, obwohl schon 1936 in einem Zivilrechtsstreit der OGH mit Urteil vom 24. Juni 1936 3 Ob 347/35-10 eine Klage von allen 147 grundbücherlichen „Miteigentümern“ der Dilisuna-Alpgenossenschaft im Montafon als Kläger in einem Streit um ein Kraftwerk, wegen ihrer rechtlich „wirklichen“ Eigenschaft als körperschaftliche Agrargemeinschaft qualifiziert und daher mit folgenden auch für die heutige Beurteilung der Rechtsfragen der Agrargemeinschaften maßgebenden Gründen, abgewiesen hat: „Es ist ohne Bedeutung (für die Entscheidung des vorliegenden  Rechtsstreites), wenn im Grundbuche als Eigentümerin wohl die ganze Liegenschaft als Dilisunaalp mit Alpbuch bezeichnet, aber nicht die Alpgenossenschaft als juristische Person, sondern bestimmte Personen angeführt sind. Denn unzweifelhaft ist die Alpgenossenschaft Dilisuna im Sinne des § 4, lit. c, des Teilungs- und Regulierungslandesgesetzes für Vorarlberg vom 11. Juli 1921, LGBl Nr. 115, als eine agrarische Körperschaft, Interessentschaft, Nachbarschaft oder agrarische Gemeinschaft anzusehen; nach dem klaren Wortlaut dieser Gesetzesstelle ist sie auch dann eine agrarische Körperschaft, wenn im Grundbuch Miteigentum eingetragen ist.  …. Ist aber im einzelnen Fall dennoch entgegen diesen Bestimmungen des TRLG das Miteigentum eingetragen, dann ist dies, wie oben ausgeführt, nach dem § 4, lit. c, des Teilungs- und Regulierungsgesetzes nicht von Bedeutung für die Beantwortung der Frage, ob eine agrarische Körperschaft vorliegt.“ Der OGH bezieht sich in diesem Urteil („Dilisuna-Alpgenossenschaft“) u.a. auf Hugelman, Die Theorie der Agrargemeinschaft im öst. bürgerlichen Recht, Not.Ztg. 1916, Nr. 16, 20.

Ungeachtet dieses eindeutigen OGH-Urteils haben weder die Agrarbehörde, noch die Gerichte, bis zu dem vorgenannten Alpgenossenschaftsstreit, die allein rechtlich zutreffende Qualifikation der agrargemeinschaftlich genutzten Liegenschaften als juristische Person und Gemeinschaft der Nutzungsberechtigten wahrgenommen. So ist denn nach wenigen Erbgängen etwa 20 Jahre nach der Grundbuchanlegung an einer Alpgenossenschaft im Bregenzerwald ein Bruchteil von 100.289,634.368 / 202.522.374,302.720 eingeantwortet worden, ein Rechenkunststück des Grundbuchführers, noch ohne Computer. Gemeinschaftsgüter wurden bei der Grundbuchanlegung, wie schon Landeshauptmann Dr. Otto Ender in der Begründung zum TRLG 1921 feststellte, völlig unterschiedlich nach zufälligen Angaben deklariert, ein Umstand, der für die wahren Rechtsverhältnisse freilich bedeutungslos ist (s OGH 3 Ob 347/35-10 „Dilisuna-Alpgenossenschaft“).

Säumige Behörden

Ab Inkrafttreten des TRLG 1921 wurden bis zur Errichtung der Agrarbezirksbehörde 1949, und zum Erlass des VFLG 1951 Anträge, wie jene aus den „Viereinigungsgemeinden Feldkirch“ auf Regulierung von Gemeinschaftsgut gestellt, einige vermutlich eingeleitet, doch kein einziges Verfahren durchgeführt. Akten über Anträge oder Einleitungen waren beim meinem Eintritt in die Agrarbezirksbehörde 1952 teilweise nicht mehr eruierbar. Überdies war auf Antrag der Bundesforste um 1935 auch ein Servitutenregulierungsverfahren über deren umfangreichen Forstbesitz in Gamperdona-Nenzing eingeleitet, 1946 erneuert, jedoch trotz Urgenzen nie durchgeführt, und erst 1972 nach Regulierung der Agrargemeinschaft Nenzing mit einem agrarbehördlichen Regulierungsübereinkommen mit den Bundesforsten einvernehmlich durchgeführt und abgeschlossen worden.

III. Gemeinschaftsgut im Vorarlberger Gemeinderecht

Wie schon zum TRLG 1921 von Landeshauptmann Dr. Otto Ender im Bericht zur Gesetzesvorlage dargelegt, beschränkten sich die prov. Gemeindeordnung von 1849 und die Ausführungsgesetze zum Reichsgemeindegesetz 1862, für Vorarlberg, die Gemeindeordnung 1864 (VGO, LGuVBl 22/1864), betreffend das Gemeinschaftsgut auf die lakonisch-summarische Bestimmung, dass es bezüglich dieser alten Rechte bei den bisherigen Übungen zu verbleiben habe (§ 63 VGO 1864 – Vorarlberger Gemeindeordnung). Trefflich bemerkte der Niederösterreichische Landesausschuss im Bericht vom 21. September 1878 zu den Verhältnissen am Gemeindeeigentum, dass die wenigen Bestimmungen der Gemeindeordnungen mit einer Leuchte zu vergleichen seien, „welche die Gegenstände nicht erhellt, sondern nur die tiefe Dunkelheit, in welche sie gehüllt sind, erst recht erkennen lässt“ (XXVII Blg.sten.Prot. NÖ Landtag, 5. WP 11). Trotzdem hat die Vorarlberger Gemeindeordnung 1904, LGuVBl 87, den Wortlaut des § 63 VGO 1864 unverändert fortgeführt.

Gemeinderecht bricht kein Eigentum

Zu Grunde zu legen sind freilich zusätzlich die Bestimmungen der §§ 11 VGO 1864 und 11 VGO 1904, fortführend die Anordnung des § 26 prov. GemG 1849, wonach die privatrechtlichen Verhältnisse überhaupt und insbesondere die Eigentums- und Nutzungsrechte ganzer Klassen oder einzelner Glieder der Gemeinde ungeändert bleiben. Ein Eigentumsübergang am Gemeinschaftsguts von der bestehenden realgemeindlichen Nutzungsgemeinschaft (§ 26f ABGB) auf die neue „politische Gemeinde“ ist nie getroffen worden; der politischen Gemeinde obliegt jedoch dessen Verwaltung, bis zu einer „Regelung“ im Sinne des TRLG 1921 als Ausführungsgesetz zum Reichsrahmengesetz 1883.

Die Vorarlberger Gemeindeordnung 1935, LGBl 25/1935, bestätigt wie die Gemeindeordnungen von 1864 und 1904 den Bestand der gemeinschaftlichen Nutzung des Gemeinschaftsguts und regelt die Verwaltung durch die Gemeinde (§ 102 VGO 1935). In § 102 Abs. 3 VGO 1935 wird im Übergang zur 1925 geschaffenen „Bodenreformkompetenz“ (Art 12 B-VG) die künftige Regelung durch das Flurverfassungs-Ausführungsgesetz bestimmt: “Die rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der als agrargemeinschaftliche Grundstücke im Sinne des § 15 Abs 2 Pkt d des Bundesgesetzes betreffend Grundsätze für die Flurverfassung BGBl.Nr. 256/1932 geltenden Teile des Gemeindegutes werden durch das Ausführungsgesetz zu diesem Bundesgesetz geregelt; bis dahin bleiben die bisher geltenden Vorschriften in Kraft”.

Als „bisher geltenden Vorschriften” blieben für die Verwaltung durch die Gemeinde, die auf das „Gemeindegut“ bezüglichen Bestimmungen der VGO 1935 sowie das Teilungs- und Regulierungsgesetz 1921 bis zum Erlass des Vorarlberger Flurverfassungs-Landesgesetzes LGBl 1951/4 (VFLG 1951) in Geltung. Mit Inkrafttreten des VFLG 1951 galten für das Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung ausschließlich die Bestimmungen dieses Gesetzes.

Gemeinderecht als Übergangsrecht

Schließlich trifft das Vorarlberger Gemeindegesetz 1965 (GG 1965), das im V. Hauptstück, Wirtschaft der Gemeinde, keine Regelungen zum „Gemeindegut enthalten hat, im VIII. Hauptstück, Straf-, Übergangs- und Schlussbestimmungen, als Übergangsregelung die Bestimmung in § 91 (4) – unverändert § 99 Gemeindegesetz 1985: „Die Gemeinde als Trägerin von Privatrechten ist verpflichtet, Gemeindegut, dessen rechtliche und wirtschaftliche Verhältnisse noch nicht nach den Bestimmungen des II. Hauptstückes des Flurverfassungsgesetzes, LGBl Nr 4/1951, geordnet sind, vorläufig nach den Bestimmungen des Flurverfassungsgesetzes zu verwalten.“

Der Motivenbericht zum Vorarlberger Gemeindegesetzt 1965 erläutert hiezu: “Dazu ist darauf hinzuweisen, daß das bisher in den §§ 72 bis 77 und 102 bis 108 der GO. 1935 genannte Gemeindegut ausschließlich aus agrargemeinschaftlich genutzten Grundstücken besteht. Die rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der agrargemeinschaftlich genutzten Grundstücke wurden jedoch inzwischen im Flurverfassungsgesetz, LGBl. Nr. 4/1951, geregelt. Die das Gemeindegut betreffenden Bestimmungen der GO. 1935 sind daher gemäß § 102 Abs. 3 GO 1935 mit dem Wirksamwerden des Flurverfassungsgesetzes außer Kraft getreten. Die Ordnung der Verhältnisse des Gemeindegutes im einzelnen ist zwar schon weit fortgeschritten, aber noch nicht abgeschlossen. Um für die Übergangszeit für eine geordnete Verwaltung vorzusorgen, erweist es sich als zweckmäßig, den Gemeinden die Verpflichtung aufzuerlegen, die bisher geübte vorläufige Verwaltung bis zur Regulierung weiterzuführen. Die Tätigkeit betrifft nicht den hoheitlichen Bereich der Gemeinde, sondern stellt eine privatrechtliche Funktion dar, was ausdrücklich hervorgehoben werden soll.”

 Diese Übergangsbestimmung ist auch nach dem VfGH-Erk Slg 9336/1982, die Rechtsgrundlage der „vorläufigen” Verwaltung des Gemeinschaftsgutes durch die Gemeinde, bis zu deren Aufhebung durch das “Gemeindegutsgesetz 1998“ geblieben. Obwohl der Gesetzgeber des Gemeinderechts, das „Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung“ (= Gemeinschaftsgut) eindeutig als eine Materie der Flurverfassung qualifizierte, von den bislang rechtens durchgeführten Regulierungen ausgehend, mit der Übergangsbestimmung den Weg der Regulierungen bis zum Abschluss vorzeichnete, wird diese „eindeutige“ Bestimmung der Gemeindegesetze 1965 und 1985, durch das (Vorarlberger) Gemeindegutsgesetz (GGG) mit folgender Begründung aufgehoben: „Der § 99 des Gemeindegesetzes [1985] verweist auf die – mittlerweile nicht mehr existenten – Regelungen des Flurverfassungsgesetzes über das Gemeindegut. Die Vorschrift ist obsolet und daher aufzuheben.“ (EB).

 Wieso diese Bestimmung „obsolet“ sein soll, wird nicht näher begründet; das Erkenntnis Slg 9336/1982 hebt sie nicht auf; sie wäre für rechtskräftige Regulierungen wie für künftige nach VFLG 1979 LGBl 1979/2 Grundlage gewesen. Die in §§ 102 (3) VGO 1935 bzw und das Gemeindegesetz 1965 für Regelungen des Gemeinschaftsgutes (Gemeindegutes) erfolgte Zuordnung zur Kompetenzmaterie „Bodenreform“ ist, wie dargelegt, durch das genannte VfGH-Erkenntnis nicht geändert, eine Zuständigkeit nach Art 15 (Landesgesetzgebung für Gemeinderecht) nicht begründet. Auch hierzu findet in den erläuternden Bemerkungen zum Gemeindegutsgesetz das Referat LH Dr. Otto Ender ebenso wenig Beachtung, wie die kompetente Rechtsansicht von Landesamtsdirektor Dr. Grabherr: “Gemeindegut zählt zur Bodenreformkompetenz in der Vollziehung der Agrarbehörden und keineswegs zum Gemeinderecht, ebenso wenig wie zum Zivilrecht” (Korporationen und Agrargemeinschaften in St. Gallen und Vorarlberg – ihre rechtlichen und wirtschaftlichen Grundlagen und heutige Bedeutung, 1964; ders. Vorarlberger Geschichte, 1988, 286).

 Gemeinde als Verwalterin der Agrargemeinschaft

Damit ist in der Abfolge des Gemeinderechtes seit dem Provisorischen Gemeinde-Gesetz 1849, dem Reichsgemeindegesetz 1862, ebenso wie in den Gemeindeordnungen des Landes 1864 und 1904, 1935 und 1965 bestimmt: “an jenen besonderen Rechten, welche nach bisheriger gültiger Übung oder Statuten den Bürgern einer Gemeinde vorbehalten waren, wird nichts geändert”. In Vorarlberg stellt überdies die zitierte Bestimmung der Gemeindeordnung 1935 die Verbindung zum Bodenreformrecht her und das Gemeindegesetz 1965 sieht die endgültige Regelung der Reste des Gemeinschaftsgutes vor, indem deren Regulierung als Agrargemeinschaften nach Flurverfassungsgesetz zum Abschluss gebracht wird und betont den privatrechtlichen Status der selbstverwalteten Gemeinschaftsnutzung.

Mit der nach Gemeindegutsgesetz erfolgten Aufhebung dieser zukunftsweisenden Regelung in § 99 Gemeindegesetz 1965 und der ex lege „Kommunalisierung = Verstaatlichung“ der „restlichen“ 23 Gemeinschaftsgüter mit deren Reduktion auf längst überholte „Servitutsnutzung“, wird die völlig gleichheitswidrige Zweiteilung und Dauerbelastung der betroffenen Gemeinden mit Verwaltung und jederzeit möglichen Anträgen auf Servitutenregulierung „versteinert“.

In keiner der gesetzlichen Regelungen zur Schaffung der „Politischen Gemeinde“ von und seit 1849/1862 ist ein „automatischer“ Eigentumsübergang des Gemeinschaftsgutes von den „alten Realgemeinden – Nutzungsgemeinschaften“ auf eben die „politische Gemeinde“ bestimmt; genauso wenig kann diese Rechtsfolge aus der verfassungsgerichtlichen Judikatur abgeleitet werden (hiezu: Heinz Mayer, „Politische Ortsgemeinde versus Realgemeinde: Zur Frage des Überganges des historischen Gemeindevermögens“ in „ Die Agrargemeinschaften in Tirol“ S. 187 ff). Kann ein solcher gleichheitswidriger „Rechtsbruch“ wie nun mit dem Vorarlberger „Gesetz über das Gemeindegut“ unter Verletzung von Kompetenzbestimmungen und Eigentumsgarantie der Verfassung mit allen Implikationen für die betroffenen Gemeinden und Berechtigten, auf Dauer „versteinert“ Bestand behalten.

 

IV. Regulierung der Agrargemeinschaften in Vlbg

Mit LGBl 1949/1 ist die Agrarbezirksbehörde Bregenz als Agrarbehörde I. Instanz für den Bereich des ganzen Landes, an Stelle der bislang zuständigen Abteilung des Amtes der Landesregierung errichtet. Auf Grund des Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes BGBl 256/1932, w.v. BGBl 103/1951, wird als Landes-Ausführungsgesetz das Vorarlberger Flurverfassungslandesgesetz VFLG 1951, LGBl 4/1951, an Stelle des Teilungs- und Regulierungs-Landesgesetzes (TRLG 1921) erlassen.

In Geltung und in Vollziehung der Agrarbehörde stehen nebst dem VFLG 1951: das Landesausführungsgesetz über Wald- und Weideservituten LGBl 120/1921; das Landesausführungsgesetz über Güter- und Seilwege w.v. LGBl 25/1963. Nach Schaffung der Agrarbezirksbehörde werden erlassen: das Gesetz über „Die Förderung bäuerlicher Siedlung“ (Bäuerliches Siedlungsgesetz) und einen „Bäuerlichen Siedlungsfonds“, LGBl 25/1959, als Bodenreformrecht auf Grund der Übergangsbestimmungen 1925, als erstes bezügliches Landesgesetz erlassen, ihm folgte erst 1967 das „Landwirtschaftliche Siedlungs-Grundsatzgesetz“ des Bundes BGBl 1967/79. Der Agrarbezirksbehörde wurden übertragen: Die Aufgabe der Land- und Forstwirtschaftsinspektion; im Grundverkehrsrecht: Geschäftsführung und Vorsitz in der Grundverkehrs- Landeskommission; Förderungsmaßnahmen: Grundzusammenlegung, bäuerliche Familienbetriebe, Güter- und Seilwegebau, Alpverbesserung und Restelektrifizierung in der Landwirtschaft; nach Katastrophenschäden: Schadensaufnahmen und Förderung der Behebung.

1953: Josef Kühne zum Amtsvorstand bestellt

Am 1. Oktober 1951 der Agrarbezirksbehörde zugeteilt, mit der Aufgabe der Einrichtung einer Rechtsabteilung, neben der für Grundzusammenlegung bestehenden technischen Abteilung, wurde ich mit 1. Juli 1953 zum Amtsvorstand bestellt. Von dem zum 1. Jänner 1954 aufgelassenen Landeskulturbauamt waren die Angelegenheiten des Güterwegebaues und der Alpverbesserung zugeteilt. Nach der enormen Lawinenkatastrophe vom Jänner 1954 wurde der Agrarbezirksbehörde die Organisation der Schadensbeseitigung im Großen Walsertal, die Schadenserhebung im ganzen Land sowie die Förderung des Wiederaufbaues übertragen, schwierige Aufgaben, die neben den eigentlichen bodenreformatorischen Verfahren vordringlich zu erledigen waren. Es sei gestattet, diese persönlichen, anstrengenden Praxiserfahrungen im Bodenreformrecht, zur Einbegleitung der zur selben Zeit neu aufzunehmenden, zutreffend „agrarischen Operationen“ benannten, juristischen und oft psychologischen Verfahren der Agrargemeinschaftsregulierung anzuführen.

In Vollziehung des Bodenreformrechtes waren zunächst nach dem Güter- und Seilwegegesetz für längst begonnene, geförderte Güter- und Seilwegebauten, die zum Teil in Grundinanspruchnahme und Kostenteilung strittig waren, erstmals Verfahren zur Projektgenehmigung und Bildung von Genossenschaften durchzuführen. Erstmals wurden mit Genossenschaftsbildung drei „Güterseilwege mit beschränkt öffentlichem Personenverkehr“ genehmigt, die – Gott sei Dank – nach Jahren anstandslosem Betrieb in öffentliche Seilbahnen umgewandelt wurden. Auf Grund des eben erlassenen Flurverfassungsgesetzes LGBl 4/1951 stellte sich als dringendste und schwierigste Aufgabe die „Regelung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse  agrargemeinschaftlicher Liegenschaften“, in Vorarlberg bodenreformatorisches Neuland.

Waren auf Grund des Teilungs- und Regulierungsgesetzes 1921 die erwähnten Teilungen von Gemeinschaftsgut und mehrere Zusammenlegungsverfahren, Dank der ausgezeichneten Arbeit der Agraringenieure erfolgreich ausgeführt, war bis 1953 kein einziges Regulierungsverfahren „zur Ordnung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse“ an Gemeinschaftsgut in Gemeindeverwaltung, obwohl manche beantragt, auch zum Teil eingeleitet, je durchgeführt. In Vorstudien zu anhängenden Regulierungsanträgen sowohl von Alpgenossenschaften als von Gemeinschaftsgütern, waren rechts- und wirtschaftsgeschichtliche Gegebenheiten, wie Grundzüge der Regulierung auch an Beispielen anderer Agrarbehörden zu prüfen. Zum Vergleich angezogen wurden selbstverständlich auch die im wesentlich gleichartigen Bürgergemeinden im benachbarten Schweizer Rheintal und in Graubünden. In Liechtenstein bestanden wie in Vorarlberg Bürgernutzungen in unregulierter Verquickung mit den Gemeinde, die inzwischen unter Beratung des Autors in einem neuen Gemeindegesetz und einem Gesetz über die Bürgergenossenschaften getrennt geordnet sind.

Bis 1953: Keine Regulierung an Gemeindegut abgeschlossen

Zu Alpgenossenschaften waren reichlich alte Statuten, Verträge und Streitakten sowie Abhandlungen verfügbar, wie sie das Referat von 1973 verzeichnet. Bei Einigung der Alpgenossen stellten sich bei Regulierung nebst Folgen der irrigen Grundbuchanlegung keine gravierenden Rechtsprobleme bei Genehmigung der Statuten und der Verbücherung. Es kam in meiner Zeit als Amtsvorstand 1953 bis 1971 bei Regulierung von Alpgenossenschaften als Agrargemeinschaften zu keinem einzigen Rechtsmittelverfahren.

Die Regelung von Gemeinschaftsgut in Gemeindeverwaltung als Agrargemeinschaft ließ in der in Vorarlberg geographischen und historischen Besonderheit, zurück gehend in die rätisch – rätoromanische Zeit, in der Entwicklung von der alten „genossenschaftlichen Realgemeinde“ zur „neuen politischen Gemeinde“ der provisorischen Gemeindeordnung 1849 und des Reichsgemeindegesetzes 1862, in den Bestandsgarantien der „überkommenen Rechte“, jene Probleme erkennen, die schon Landeshauptmann Dr. Otto Ender zum TRG 1921, im Sinne von Peyrer, „Die Regelung der Grundeigentumsverhältnisse“ (1877) dargelegt hatte: „Die Rechtsverhältnisse eines Gemeindegutes als Ganzes müssen einer Regelung unterworfen werden.“ Für Gemeinschaftsgüter bestanden durchwegs Statuten über Nutzungsteilnahme, auch lagen fallweise ältere Urkunden, teils auch Streitentscheidungen vor. Die Mitgliedschaft in den Agrargemeinschaften des oberen Rheintals und des Walgaus ist in der Regel eine durch Abstammung erworbene (walzende Anteile), die Nutzungsansprüche nach unterschiedlichen Statuten an Hausstand und Wohnsitz gebunden. In einzelnen Gemeinschaften vor allem der Berggemeinden, so im großen Walsertal, ist Anteilsrecht und Nutzungsumfang an „Stammsitzliegenschaften“ gebunden.

Historische Darstellungen finden sich in Heimatkunden, rechtswissenschaftliche in geringer Zahl, in jüngerer Zeit in Diplomarbeiten und Dissertationen, besonders an der Universität Innsbruck.

Die erste, auf Initiative der Agrarbezirksbehörde Vorarlberg, stattfindende Tagung der Agrarbehördenleiter der Länder in Bregenz 1958, befasste sich auf Grund des Hauptreferates von Dr. Albert Mair „Probleme der Regulierung des Gemeindegutes“ (Manuskript abgedruckt in: „Die Agrargemeinschaften in Tirol, S. 7 – 19 ) im Ländervergleich sehr eingehend mit diesem besonders in Tirol und Vorarlberg aktuellen Thema. In Übereinstimmung in der rechtlichen Beurteilung hatten Albert Mair als Leiter der Agrarbehörde I. Instanz im Amt der Tiroler Landesregierung und ich als Vorstand der Agrarbezirksbehörde Vorarlberg in dieser Zeit die Verfahren zur Regulierung der Agrargemeinschaften in unseren Ländern nach den Flurverfassungsgesetzen zu vollziehen. Beide ereilen uns nach Jahren anderer Berufstätigkeiten wieder die „aktuell“ gewordenen Probleme des Bodenreformrechtes unserer Länder – wohl nach dem genannten Spruch: „semel agrarius, semper agrarius“.

Von den unmittelbar nach Dienstantritt bei der Agrarbezirksbehörde 1952/53 veranlassten statistischen Erhebung der „Agrargemeinschaften“ im Land Vorarlberg, waren bis zum Dienstende 1972, von den den „problematischen“ Kern dieser Darstellung bildenden 55 (52) Gemeinschaftsgütern („Gemeindegütern“), 29 rechtskräftig reguliert, 5 weitere bis zum „vorläufigen Regulierungsende 1982“, überdies waren an die 100 Alpgenossenschaften reguliert.

Alpgenossenschaften im Rellstal/Vandans im Montafon

Das erste in Vorarlberg 1953 auf Grund des Flurverfassungsgesetzes durchgeführte Regulierungsverfahren betraf zwei benachbarte Alpgenossenschaften im Rellstal/Vandans im Montafon. Die Anteile waren seit alters von Landwirten in den Liechtensteinischen Gemeinden Ruggell und Balzers genutzt, zwischen denen es oft Streitigkeiten über Weidegang und Holznutzung gab. Bei der Grundbuchanlegung waren die Alpen – rechtsirrig wie gesamt – als „Miteigentum“ zu den Bruchteilen der Weiderechte eingetragen, zum Teil im Erbgang schon „atomisiert“. Im agrarbehördlichen Regulierungsverfahren wurde beiden Alpgenossenschaften vorgeschlagen, sich unter den neuen Statuten zu einer Alpgenossenschaft zusammenzuschließen, womit ein ohnedies baufälliges Senntum eingespart und eine vorteilhafte Weideordnung möglich würde. Das „Kriegsbeil“ alter Zeiten begraben, wurden die neuen gemeinsamen Statuten einhellig beschlossen, das Verfahren mit der Grundbuchseinverleibung der ersten in Vorarlberg regulierten Agrargemeinschaft „Alpgenossenschaft Fahren–Ziersch“ abgeschlossen. Vergleichbar verlief die oben genannte erfolgreiche Regulierung mit Zusammenschluss der streitenden Alpgenossenschaften „Vorder– und Hintersuttis“ in Mellau im Bregenzerwald.

Bis 1972, zum Ende meiner Zeit in der Agrarbezirksbehörde wurden, natürlich mit Hilfe inzwischen im „neuartigen Bodenreformrecht“ bestens ausgebildeten Mitarbeitern, 92 Alpgenossenschaften stets einvernehmlich reguliert. Nicht in einem einzigen Fall kam es zu einem Rechtsmittelverfahren, oder gelangten Streitigkeiten an die Agrarbehörde.

Mit heutigem Stand sind in Vorarlberg an die 200 Alpgenossenschaften reguliert.

Gemeinschaftsgut der Gemeinde Bürs

 Unvergleichlich schwieriger als bei Alpgenossenschaften, erwiesen sich Beginn und Durchführungen der Regulierung von Gemeinschaftsgut zwischen den Gemeinschaften der Berechtigten und den Ortsgemeinden. Es sei nochmals Peyrer zitiert: „Ob ein Grundstück ein Gemeindevermögen, ein Gemeindegut oder ein Gemeinschafts (= Gesamt =)Vermögen einer Nutzungsgemeinschaft bilde, muß von Fall zu Fall beurteilt werden und lassen sich insbesondere die beiden letzteren Eigentumskategorien nur sehr schwer voneinander unterscheiden.“ (Peyrer, aaO, S 23) Bei Regulierungen altüberkommener Rechte, stellen sich nicht selten Sachverhalte, für welche nur das englische Rechtssprichwort die Lösung bieten konnte: „don`t litigate, don`t arbitrate, find a settelment.“

Im Hinblick auf die bis heute teilweise noch bestehende Antinomie „Gemeindegut – Gemeindegut“, lässt sich auch „im Dunkel“ des schwer interpretierbaren Erk VfGH Slg 18.446/2008 mit Peyrer, von schwer justitziablen Sachverhalten sprechen. Waren es doch die „Probleme der Grundeigentumsverhältnisse“ die früh Sonderregelungen zur Beseitigung der Gutsuntertänigkeit und Grundlasten und neben dem „römischrechtlichen“ Eigentumsbegriff des ABGB 1811 (in Vorarlberg und Tirol 1815 !) agrarisches Sonder–Privatrecht bis zum geltenden Bodenreformrecht notwendig machten. Die Ansicht von Peyrer „von Fall zu Fall zu beurteilen“ und der „weise Rat“ des Flurverfassungsgesetzes, „zunächst ein Übereinkommen anzustreben“, kommen dem zitierten englischen Rechtssprichwort gleich, und diese waren die beste Anleitung für die anstehenden nicht einfachen Regulierungen des Gemeinschaftsgutes durch die „junge“ Vorarlberger Agrarbezirksbehörde.

Das erste ein Gemeinschaftsgut in Verwaltung einer Ortsgemeinde betreffende Regulierungsverfahren in Vorarlberg auf Grund des Flurverfassungsgesetzes 1951 wurde von der Agrarbezirksbehörde über das Gemeinschaftsgut der Gemeinde Bürs 1954 eingeleitet und 1956 abgeschlossen. Regulierungsanträge brachten übereinstimmend die Gemeinschaft der Nutzungsberechtigten und die Gemeinde ein. Ein sehr gutes Verhandlungsklima zwischen dem Ausschuss der Bürger und dem Gemeinderat, führte bei einem umfangreichen Gemeinschaftsgut von noch unverteiltem Ackerland, ausgedehnter Tal- und Hangweide, Waldungen und Alpen nach längeren oft „Nachtverhandlungen“, auf der Grundlage eines Übereinkommens-Konzeptes des Bürgermeisters zu einem den Gegebenheiten entsprechenden, – „von Fall zu Fall“ – einvernehmlichen Übereinkommen.

An Querschüssen von „unzuständiger Dritter Seite“ fehlte es nicht, doch war der Vertrag von der Landesregierung als Aufsichtsbehörde für die Gemeinde und von der Agrarbehörde als „Regulierungsübereinkommen“ mit Erlass vorläufiger Statuten im Regulierungsbescheid vom 27.02.1956 genehmigt und mit Haupturkunde verbüchert.

Was so sachlich trocken klingt, war für`s Erste mal doch wahrhaft eine „agrarische Operation“, die beide Partner für eine gesunde Zukunft ebenso überlebten wie das Operationsteam. List oder Tücke des Schicksals muss es sein, dass ausgerechnet Bürs, die erste einvernehmlich regulierte Agrargemeinschaft des Landes, ab 2008 „von oben“ in die aus Tirol über den Arlberg reichenden Turbulenzen des „Mieders – Erkenntnisses“ VfSlg 18.446/2008 geriet. Hiezu und generell zur „aufgeworfenen“ Frage nach dem Rechtsstatus der regulierten Agrargemeinschaften sowie zum „Rating“ „eher erledigt“ der „Unterkommission“ im Amt der Landesregierung und zu dem von der Agrargemeinschaft eingeholten Gutachten eingehend unten, „Die Entwicklung in Vorarlberg“.

Dem ersten über das Gemeinschaftsgut „Bürs“ erfolgreich, einvernehmlich durchgeführten Regulierungsverfahren, kamen zu „meiner Zeit“ noch weitere, insgesamt 29 Regulierungsverfahren hinzu. Bis zum VfGH- Erkenntnis Slg 9336/1982 folgten 5 weitere Verfahren, insgesamt wurden somit in Vorarlberg 34 rechtskräftig abgeschlossene Regulierungen durchgeführt. Zu den in bewährtem „settelment“ regulierten, zählen alle „Großen“, von welchen wegen der „Komplexität“ nebst Bürs, besonders zu nennen sind: Nenzing, Rankweil, Feldkich.

Das Gemeinschaftsgut Nenzing

 Das Gemeinschaftsgut Nenzing umfasste umfangreiche Talweideflächen und Auwaldungen an der Ill, Hochwaldungen, mehrere Hochalpen bis an die Grenze zu Liechtenstein, zum Teil mit nach Ortsteilen unterschiedlichen „alten“ Nutzungsgemeinschaften, darunter die große Kuhalpe „Gamperdona“, mit alten oft strittigen unregulierten Einforstungs- und Weiderechten im ausgedehnten Waldbesitz der Bundesforste. Die alten Hüttenrechte auf Gamperdona zur früheren privaten Alpbewirtschaftung, nach Errichtung einer gemeinsamen Sennerei aufgelassen, haben sich – vermehrt um zahlreiche neue „Hüttenrechte“ – zu einem beträchtlichen Feriendorf entwickelt.

Alles in allem konnte in „zähen“, doch in gutem Klima stattfindenden Verhandlungen ein „Übereinkommen“ erzielt, in neuen Statuten die unterschiedlichen Nutzungsrechte, besonders an den Alpen und die Verwaltung mit Regulierungsbescheid vom 18.01.1965 geregelt und mit Haupturkunde verbüchert werden. Mit der Regulierung konnte mit agrarbehördlicher Genehmigung auch eine eigene Hüttenordnung durch die Agrargemeinschaft erstellt werden.

Die Regulierung war zudem Voraussetzung für den erfolgreichen Abschluss des Regulierungsübereinkommens mit den Bundesforsten, in Ablöse zu „moderaten“ Bedingungen. Das Regulierungsverfahren der Servitutenablöse mit den Bundesforsten nach Servitutenregulierungsgesetz war eine Agrarische Operation der besonderen Art. Die getroffene Ablösevereinbarung bedurfte vor der Genehmigung durch die Agrarbehörde sogar der parlamentarischen Beschlussfassung im Nationalrat in Wien. Soll mit der – wenn auch nicht rechtlich verbindlichen – Beurteilung „eher erledigt“ durch die Unterkommission des Amtes der Vorarlberger Landesregierung, den Rechtsstatus der Agrargemeinschaft Nenzing betreffend, auch das bedeutsame Übereinkommen mit den Bundesforsten in Frage gestellt werden?

Das Gemeinschaftsgut Rankweil

 Die „Agrargemeinschaft Rankweil“ ist nach der Einleitung des Regulierungsverfahrens 1956 als zweite in Vorarlberg mit Bescheid vom 11.11.1958 reguliert. Als erste im Bezirk Feldkirch, kam für das obere Rheintal der Regulierung „Rankweil“, schon im historischen Bezug auf die Bedeutung des alten Gerichtes „Müsinen Rankweil – Sulz“ eine gewisse Leitfunktion zu. Das Gemeinschaftsgut erstreckt sich von ortsnahen Waldungen zum Hochwald im Laternsertal mit Bestand an seltenen „Klanghölzern“ für den Instrumentenbau bis zu den Alpen am Furkapass zu Damüls. Neben den Nutzungsberechtigen von Rankweil besaßen nach alten Rechten auch jene in der Gemeinde Meiningen einen, wenn auch geringen gemeinschaftlichen Anteil.

Zur Regulierung „Rankweil“ wurde in „einlässlich – längeren“ Beratungen in gutem Einvernehmen ein Übereinkommen zwischen dem „Proponentenausschuss“ unter dem dann langjährigen verdienten Obmann der Agrargemeinschaft Dipl.Ing. Josef Märk, Leiter der Forstabteilung im Amt der Landesregierung – den schönen Amtstitel „Landesforstdirektor“ gab es in Vorarlberg nicht mehr –, sowie der Marktgemeinde Rankweil, unter dem damaligen Bürgermeister Dr. Herbert Kessler, nachmals gleichfalls langjähriger, verdienter Landeshauptmann, erzielt. Das Übereinkommen wurde von der Vollversammlung der Bürger sowie von der Gemeindevertretung gebilligt, der zustimmende Beschluss der Gemeindevertretung von der Landesregierung aufsichtsbehördlich genehmigt. Das Übereinkommen und die von der Vollversammlung der Bürger beschlossenen vorläufigen Statuten wurden 1958 mit Regulierungsbescheid der Agrarbezirksbehörde genehmigt und nach Rechtskraft verbüchert.

Mit der Agrargemeinschaft Meiningen wurde nach deren Regulierung 1961 von einer Teilung, da forsttechnisch untunlich, ebenso abgesehen wie von einer eigenen Agrargemeinschaft. Der historisch weit zurückreichende 2/13 Anteil der Agrargemeinschaft Meiningen wurde in einem Verwaltungsübereinkommen vereinbart und 1978 genehmigt. Entsprechend dem Anteil der Agrargemeinschaft Meiningen von 2/13 und der Marktgemeinde Rankweil von 5/22 ist auch der 13 Mitglieder umfassende Verwaltungsausschuss der Agrargemeinschaft besetzt: 8 Vertreter werden von der Agrargemeinschaft Rankweil, 2 Vertreter von der Agrargemeinschaft Meiningen und 3 Vertreter von der Marktgemeinde Rankweil entsandt.

Da die Agrargemeinschaft Rankweil, wie Bürs in die „Folgen“ von „Mieders“ einbezogen wird, erscheint die Darstellung der Regulierung in extenso ebenso angezeigt. Die Agrargemeinschaft Rankweil erhält im „Rating“ der Unterkommission die Qualifikation „eher offen“, hiezu und zu dem nach der Aussendung des Gemeindeverbandes von der Marktgemeinde Rankweil beabsichtigten Wiederaufnahmebegehren eingehender unten, „Die Entwicklung in Vorarlberg“.

Gemeinschaftsgüter in Feldkirch

 Mit Vereinigungsvertrag von 1925 schlossen sich die bislang selbständigen vier Gemeinden Stadt Feldkirch, Altenstadt bestehend aus den Ortschaften Altenstadt, Levis, Gisingen, Nofels mit den „Parzellen“ Bangs und Fresch, sowie Tosters und Tisis, wie oben unter Abschnitt 4.2. ausgeführt, unter der vertraglichen Garantie des ungeschmälerten Fortbestandes der vier Gemeinschaftsgüter zu „Groß–Feldkirch“ zusammen. Wurden die in Einzellose ausgegebenen landwirtschaftlichen Grundstücke nach dem TRLG 1921 der Einzelteilung unterzogen, blieben die Gemeinschaftsgüter in der nach Vertrag selbständigen Verwaltung und überkommenen Nutzung, ungeachtet gestellter Regulierungsanträge, bis zum Erlass des VFLG 1951 unreguliert. Dann wurden die Agrargemeinschaften Altenstadt 1960, Tosters und Tisis 1963 jeweils auf Grund des Viereinigungsvertrages 1925 mit speziellen Übereinkommen reguliert. Damit bestehen in Feldkirch drei regulierte Agrargemeinschaften und das noch unregulierte Gemeinschaftsgut „Stadt Feldkirch“. Über dieses erfolgte erst nach langen erfolglosen Bemühungen die Einleitung des Regulierungsverfahrens. Es war schließlich der von der Stadt Feldkirch, ungeachtet des Viereinigungsvertrages, beschrittene Rechtsweg gegen den Einleitungsbescheid zur Regulierung des Gemeinschaftsgutes Feldkirch, in dem es mit Erkenntnis VfSlg 9336/1982 zur gemeinsamen Aufhebung maßgebender Bestimmungen der VFLG 1979 und TFLG 1978, – der Ausführungsgesetze von Vorarlberg und Tirol, wegen angeblicher Verletzung des Gleichheitssatzes kam.

Ist in Tirol das TFLG 1978 noch im Jahr 1984 (Tiroler LGBl 1984/18) entsprechend novelliert worden, wurde dies in Vorarlberg unterlassen und 1998 das Gemeindegutsgesetz geschaffen. Weitere Regulierungen, auch beantragte oder selbst rechtskräftig eingeleitete, sind seit 1982 ohne Entscheidung geblieben – eingehend unten, „Die Entwicklung in Vorarlberg“.

-.-.-.-.-.-

 

MP

 

 

 

Vorgeschichte in Tirol

Glückliches Tirol?

Die Tiroler Verhältnisse unterschieden sich von denjenigen der anderen Kronländer: Vereinfacht ausgedrückt muss man sich sämtliche Tiroler Landgemeinden als „Adelsgut“ des Landesfürsten vorstellen, der aus der Sicht des Jahres 1883 bereits seit Jahrhunderten im fernen Wien ansässig war. Die Tiroler Landesfürsten hatten über Jahrhunderte in Tirol ihre wesentlichen Einnahmen aus den Bergwerken und der Saline bezogen; zur Sicherung dieses Reichtums hatte man einflussreiche Hochadelsgeschlechter als mögliche Konkurrenten um die Landesherrschaft frühzeitig verdrängt. Der Bauernschaft wurde unter dem Gedanken eines „Gleichgewichtes der Macht“ – neben dem Adel, der hohen Geistlichkeit und den Bürgern die Landstandschaft zugestanden.

In Ermangelung großer Adelsgüter mit einer dort lebenden, außerhalb der Gemeinde stehenden Bevölkerung mit landwirtschaftlichem Hintergrund sind Konflikte wie in Niederösterreich oder Böhmen erst gar nicht entstanden. Die nicht landwirtschaftlich orientierten Gemeindeglieder hatten sich mit ihrer Nichtbeteiligung an den Gemeinschaftsliegenschaften der Bauernschaft abgefunden; anderenfalls hätte man beispielsweise 1956 in Lermoos nicht feststellen können, dass die „alte Wagnerwerkstätte“, welche 1799 errichtet worden war, nie mit einem Holzbezugsrecht aus dem „Gemeindewald“ ausgestattet gewesen war.
In Ermangelung neuer Mitglieder in der Gemeinde, welche der angestammten Bauernschaft die Benützung der Gemeinschaftsliegenschaften streitig gemacht hätten, wurden die Gemeinschaftsliegenschaften – unberührt von den Vorgängen im Osten des heutigen österreichischen Bundesgebiets – „innerhalb der Gemeinde“ verwaltet wie in den Jahrhunderten zuvor. Wegen weitestgehender Identität der handelnden Personen und der Nutzungsberechtigten, war diese unter den damaligen Verhältnissen völlig unproblematisch.

Eine Rolle könnte auch der Umstand gespielt haben, dass in Tirol das moderne Grundbuch erst mit bedeutender Verzögerung eingeführt wurde: Kohl, Territoriale Rechtsvielfalt und gesamtstaatliche Rechtsvereinheitlichung in der Habsburgermonarchie: Die Einführung des Grundbuchs in Tirol, in: Christoph Haidacher / Richard Schober (Red), Bericht über den 24. Österreichischen Historikertag in Innsbruck, Innsbruck 2006, 248ff).

1909: Das Bodenreformrecht hält in Tirol Einzug

Am 19. Juni 1909 wurde – 23(!) Jahre nach Erlassung des Reichsrahmengesetzes TRRG 1883 – das Tiroler Gesetz betreffend die Teilung gemeinschaftlicher Grundstücke und die Regulierung der hierauf bezüglichen Benützungs- und Verwaltungsrechte verabschiedet – LGBl 1909/61 (TRLG 1909). Bezeichnend ist, dass nicht etwa eine Initiative des Tiroler Landtages Anlass dafür war. Vielmehr hatte der landwirtschaftliche Ausschuss des Abgeordnetenhaus des Reichsrates am 15. Jänner 1908 die Regierung aufgefordert, die Gesetzesvorlagen über agrarische Operationen in jenen Ländern, in welchen dieselben noch nicht eingeführt waren, den betreffenden Landtagen zu unterbreiten. Irgendwelche Konflikte wegen des gemeinschaftlichen Privatbesitzes der Stammliegenschaftsbesitzer waren in den Tiroler Gemeinden nach wie vor nicht zu Tage getreten. Die Stammliegenschaftsbesitzer, welche die politischen Landgemeinden vollständig dominierten, hatten in vielen Fällen zwischenzeitlich ihren gemeinschaftlichen Privatbesitz in „bester Eintracht“ gemeinsam mit dem öffentlichen Eigentum der politischen Ortsgemeinde den Grundbuchanlegungskommissionen zur Registrierung gemeldet. Ein besonderes Erfordernis, gemeinschaftlichen Privatbesitz von öffentlichem Eigentum zu unterscheiden, wurde in der Regel nicht erkannt.

Bemerkenswert ist, dass weder im Bericht des Agrarausschusses vom 20.10.1908 zu den drei agrarischen Gesetzesvorlagen an den Tiroler Landtag, noch in den Debattenbeiträgen der Abgeordneten zum Tiroler Landtag am 29. Oktober 1908 mit einem Wort davon die Rede ist, dass die neu einzurichtenden Agrarkommissariate auch die Aufgabe haben würden, historisches Eigentum der alten Agrargemeinden vom Eigentum der politischen Ortsgemeinden abzugrenzen.
(Teilungs- und Regulierungs-Landesgesetz, Zusammenlegungs-Gesetz und Gesetz über die Bereinigung des Waldlandes von fremden Enklaven; 404 der Beilagen zu den sten. Berichten des Tiroler Landtages X. Periode, I. Session 1908; Sten. Berichte des Tiroler Landtages, 20. Sitzung der 1. Session der X. Periode, am 29. Okt. 1908)

Die Regulierung des Gemeinschaftseigentums war im Jahr 1908 nur insofern ein aktuelles Thema, als der Zustand der Almweiden beklagt und die Regelung der Verwaltung derselben als besondere vordringlich bezeichnet wurde. Der Ausschussbericht präsentierte darüber hinaus statistische Daten zu den Gemeinschaftsliegenschaften, welche allerdings ausdrücklich als ungenau deklariert wurden, weil die Verhältnisse an den Gemeinschaftsliegenschaften als unsicher erkannt waren. Der Ausschussbericht dazu: „Durch das Teilungsregulierungslandesgesetz wird zweifelsohne eine große Anzahl von Agrargemeinschaften aufgedeckt werden, welche bisher selbst von den hiebei Beanteiligten nicht als solche Rechtsgebilde erkannt worden sind.“ Im Übrigen erwähnte der Ausschussbericht nur am Rande, dass auch das einer gemeinschaftlichen Benützung nach Maßgabe des § 63 der Gemeindeordnung vom 9. Jänner 1866, LGBl Nr 1/1866 unterliegende Gemeindegut einer Regelung bedürftig sei, wofür das neue Gesetz die Grundlage biete.
(Debattenbeitrag des Berichterstatters des Agrarausschusses Schöpfer, Sten. Berichte des Tiroler Landtages, 20. Sitzung der 1. Session der X. Periode, am 29. Okt. 1908, 454 ff; 404 der Beilagen zu den sten. Berichten des Tiroler Landtages X. Periode, I. Session 1908, 4)

§ 3 Abs 2 TRLG 1909 anerkennt ausdrücklich, dass Gemeinschaftsliegenschaften bis zur Regulierung der Verwaltung in körperschaftlich eingerichteten Agrargemeinschaften auch durch die politische Gemeinde verwaltet werden können. Der Landesgesetzgeber genehmigte diese Praxis nicht nur ausdrücklich, er schien vielmehr vorauszusetzen, dass die Verwaltung der Gemeinschaftsliegenschaften zumindest teilweise nach der TGO 1866 zu erfolgen habe bzw in der TGO 1866 geregelt sei: „Die Regulierung der Verwaltungsrechte bezüglich gemeinschaftlicher Grundstücke findet … nur insofern statt, als die Verwaltung … nicht schon durch die Gemeindeordnung … geregelt ist, oder insofern … noch besondere Vorkehrungen zur angemessenen Verwaltung … notwendig erkannt werden.“ Wo die Gemeinschaftsliegenschaften innerhalb der politischen Ortsgemeinde verwaltet wurden, sollte dies auch so bleiben, es sei denn, besondere Vorkehrungen zur angemessenen Verwaltung würden für notwendig erkannt. (§ 3 Abs 2 letzter HS TRLG 1909)

Solange die Stammliegenschaftsbesitzer die politische Gemeinde dominierten, war eben nicht ersichtlich, warum deren gemeinschaftliches Privateigentum in eine anderweitige Organisationsstruktur überführt werden sollte. Bemerkenswert ist darüber hinaus, dass die Regierungsvorlage aus dem Jahr 1908 und der beschlossene Gesetzestext vom 19.07.1909 ausdrücklich auf die Möglichkeit von rechtsirrigen Eigentumseinverleibungen zu Gunsten der (politischen) Gemeinden einging und anordnete, dass diesfalls bei Regulierung der Verwaltung in einer körperschaftlich eingerichteten Agrargemeinschaft die politische Ortsgemeinde nicht mit einem (walzenden) Anteilsrecht zu bedenken sei. (§ 70 Abs 3 letzter TRLG 1909).

 

Hinweis zum Ärgern oder Schmunzeln:

Regulierung von Agrargemeinschaften als „NS-Methode“ entlarvt:

Oppositionspolitiker und ihre Geschichtskenntnis

 

MP

Vorgeschichte im
Königreich Böhmen

Inhalt:

Einführung
Streit um die Gemeindegründe in Böhmen
Debattenbeiträge des Dr. Johannes Zak

 

Einführung

Im Königreich Böhmen führte eine andere Ausgangslage bald nach Errichtung der modernen, politischen Ortsgemeinden in den 1860er Jahren grundlegend anderen Verhältnissen als man diese in Tirol gewohnt war. Während in Tirol der Gemeinschaftswald, die Gemeinschaftsalm und die gemeinschaftliche Heimweide durch den Ausschuss der neuen politischen Ortsgemeinde nach der TGO 1866 verwaltet wurde, weil in den Tiroler Dorfgemeinden in der Praxis nur Gemeindebürger wohnten, die auch Stammsitzeigentümer waren, war dies in Böhmen anders. In Böhmen standen die Stammsitzeigentümer  größeren Gruppen von neuen Gemeindebürgern gegenüber, die erst im Zuge der so genannten Grundentlastung Grundbesitzer und damit Steuerzahler geworden waren.

In Konsequenz der Grundentlastung wurden auch ursprünglich unfreie Bauern, die der lokale Grundherr auf seinen Eigengütern als Arbeitskräfte angesiedelt hatte, zu Grundbesitzern und Steuerzahlern. Gemäß den neuen Gemeindewahlordnungen war jedoch jeder Steuerzahler wahlberechtigt und er war damit Gemeindeglied. Verständlich, dass diese neuen Gemeindebürger, die oft sehr zahlreich waren – je nach der Ansiedelungspolitik, die der lokale Grundherr auf seinen Eigengütern gepflogen hatte – Ansprüche erhoben haben: „Wir sind nun auch Gemeindebürger und wollen Beteiligung an den Gemeindegründen!“ Rechtsstreitigkeiten um die „Gemeindegründe“ lagen somit in der „Böhmischen Luft“. Dies haben Advocaten und andere Rechtsberater zum Anlass genommen, um die Stammsitzeigentümer zu vorbeugenden Rechtsschritten zu motivieren.

STREIT UM DIE GEMEINDEGRÜNDE IN BÖHMEN

Karl Cizek , Verwaltungsjurist in Böhmen, beklagt in in einer Streitschrift aus dem Jahr 1879 Praktiken im Kronland Böhmen, wonach die Mitglieder der „alten Gemeinde“ [= die bisherigen Nachbarn; die Stammsitzeigentümer] die Errichtung der neuen politischen Ortsgemeinde zum Anlass genommen hätten, die neue politische Ortsgemeinde auf Anerkennung des Eigentumsrechtes an den „Gemeindegründen“ zu verklagen. In die neue politische Ortsgemeinde hätten nämlich zahlreiche neue Gemeindeglieder Aufnahme gefunden, die an der bisherigen Nachbarschaft (und damit am Nachbarschaftseigentum) nicht beteiligt waren. Diese forderten eine Beteiligung an den „Gemeindegründen“, was die Stammsitzeigentümer typischer Weise verweigert haben. Das Zivilgericht sollte deshalb entscheiden und feststellen, dass kein Eigentum der neuen politischen Ortsgemeinde vorlag.

Karl Cizek stellt sich in dieser Streitschrift aus dem Jahr 1879 als politischen Gründen auf die Seite der neuen Gemeindeglieder.
Die Glieder der Altgemeinde, in Böhmen „Rustikalisten“ genannt, würden das Eigentumsrecht aufgrund Ersitzung für sich in Anspruch nehmen und sie würden von allen Zivilgerichten in Böhmen als wahre Eigentümer anerkannt. Die neuen politischen Gemeinden würden sämtliche Rechtsstreitigkeiten verlieren. Die „Rustikalisten“ würden in der Folge die als ihr Privatrecht erstrittenen „Gemeindegründe“ unter sich aufteilen, weshalb das Gemeindegut verschwinden würde, was Cizek aus ideologischen Gründen ablehnt. Beschwerden gegen diese Praxis und gegen derartige Urteile bei den politischen Behörden seien jedoch erfolglos geblieben.
(Cizek, Der Streit um die Gemeindegründe. Eine verwaltungsrechtliche Studie (Prag 1879); ausführlich zu diesen Streitigkeiten auch Dr. Johannes Zak in seinem Debattenbeitrag im Reichstag 1883 aus Anlass der Beschlussfassung über das TRRG 1883 – dazu sogleich).

Diese Episode böhmischer Gemeindewirtschaft fand sogar in den Debatten der Abgeordneten bei der Beschlussfassung über die drei Agrargesetze des Jahres 1883 ihren Niederschlag: So schilderte der Abgeordnete Dr. Johannes Zak, Berichterstatter des Commassionsausschusses, folgende Begebenheiten: „Kurz vor Eröffnung dieses Sessionsabschnittes habe ich als Kurator einer Gemeinde – ich muss sagen als wirklich zu beklagender Kurator – derartigen gerichtlichen Einvernahmen beigewohnt und was ist dabei konstatiert worden? Alle Gedenkmänner haben gesagt, die Besitzer von Nr. 1 bis Nr. 10 haben diese Gemeindegründe, welche 900 Metz sehr gute Gründe betragen, besessen, benutzt, verwaltet und sich den Nutzen zugeeignet, die anderen in der Gemeinde lebenden Insassen haben darauf keinen Anspruch. Nun ist es wohl voraussichtlich, welchen Erfolg ich eben als Kurator in dem Prozess haben werde. Das Schicksal des Prozesses ist bereits im Vorhinein entschieden und so, meine Herren, geht es in sehr vielen, ja in den meisten Fällen.“ (Sten. Prot. des Abgeordnetenhauses des Österreichischen Reichsrates, IX. Session, Seite 9234).

 

DEBATTENBEITRÄGE DES DR. JOHANNES ZAK

Berichterstatter des Commassionsausschusses, Advocat und Notar, Mitglied des Böhmischen Landesausschusses und Abgeordneter Dr. Johannes Zak:

Ich muss konstatieren, dass die Streitigkeiten zwischen den Klassen in den Gemeinden, oder, wenn sie wollen, zwischen der Gemeinde als solcher einerseits und zwischen den gewissen Singularristen auf der anderen Seite, auf der Tagesordnung sind. Wer einmal Gelegenheit hatte, die Agenda des Landesausschusses im Kronlande Böhmen – und ich glaube es wird in anderen Kronländer auch nicht anders sein – einzusehen, wird finden, dass das größte Perzent derselben Streitigkeiten um die so genannten Gemeindegründe sind. (Seite 9225)

Ich selbst habe einen Fall beim böhmischen Landesausschuss anhängig, der sich schon fünf bis sechs Jahre hinzieht und der böhmische Landesausschuss ist nicht in der Lage – ich kann ihm dies nicht verdenken – die Sache zu entscheiden, denn dieselbe ist so verworren und so schwierig, dass der Landesausschuss immer und immer wieder Erhebungen und Einvernehmungen von Gedenkmännern verfügt und dennoch immer nicht vorwärts kommt. Und wenn der Landesausschuss endlich einmal die Entscheidung gefällt haben wird, dann geht derjenige Teil, der mit der Entscheidung nicht zufrieden ist an den Verwaltungsgerichtshof und wenn er auch hier Sachfällig wird, betritt er den gerichtlichen Rechtsweg.

Gestatten Sie mir, dass ich als praktischer Mann mich in diesen Fragen absolut gegen die Judikatur der Gerichte ausspreche. Einerseits ist die Bestimmung des 16. Hauptstückes des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches eine derartige, dass sie auf diese Verhältnisse überhaupt nicht passt. Der Zivilrichter hat aber eine andere Bestimmung nicht. Auch sind die Bestimmungen unserer Zivilprozessordnung derart, dass es in der Tat sehr schwer fällt, dieselben auch auf solche Fälle anzuwenden und schließlich: Um was handelt es sich denn in den meisten gerichtlich anhängig gemachten Prozessen? Derjenige Teil, der mit der Klage auftritt, behauptet gewöhnlich, er habe das Eigentum der so genannten Gemeindegründe ersessen. Zu diesem Behufe findet er fast immer die Gedenkmänner, durch welche bewiesen wird, dass die altangesessenen das so genannte Gemeindegut von Alters her wirklich besessen, genutzt, verwaltet und daraus die Nutzungen gezogen haben und die Gerichte müssen selbstverständlich der Klage stattgeben. Das Gemeindegut wird sofort dem Einzelnen als ihr Privateigentum zuerkannt, die Gemeinde zahlt die Gerichtskosten und verliert ihr Vermögen.

Und doch hat man gemeint, es wären aus diesem Gesetze alle diejenigen Fälle auszuscheiden, wo es sich um das so genannte Gemeindegut handelt. Mit dem Gemeindegut hat es auch seine eigene Bewandtnis. Ich kenne sehr viele Fälle, wo das so genannte Gemeindegut überhaupt das Gemeindevermögen entweder im Kataster oder selbst im Grundbuch der Gemeinde zugeschrieben ist. Aber was kauft sich die Gemeinde dafür? Dieses Gemeindevermögen benützen einzelne wenige und wenn sie von diesem Vermögen die Steuer zahlen, so sind sie noch – ich möchte sagen – sehr gute Leute; gewöhnlich lassen sie noch die Gemeinde die Steuer zahlen. So stehen die Verhältnisse.

Kurz vor Eröffnung dieses Sessionsabschnittes habe ich als Kurator einer Gemeinde – ich muss sagen als wirklich zu beklagender Kurator – derartigen gerichtlichen Einvernahmen beigewohnt und was ist dabei konstatiert worden? Alle Gedenkmänner haben gesagt, die Besitzer von Nr. 1 bis Nr. 10 haben diese Gemeindegründe, welche 900 Metz sehr gute Gründe betragen, besessen, benutzt, verwaltet und sich den Nutzen zugeeignet, die anderen in der Gemeinde lebenden Insassen haben darauf keinen Anspruch. Nun ist es wohl voraussichtlich, welchen Erfolg ich eben als Kurator in dem anhängig zu machenden Prozesse haben werde. Das Schicksal des Prozesses ist bereits im Vorhinein entschieden und so, meine Herren, geht es in sehr vielen, ja in den meisten Fällen. (Seite 9225)

Ja meine Herren, man wird vielleicht einwenden, dass das Gesetz, wenn es sich um ein wirkliches Gemeindegut handelt, wirklich wohltätige Wirkungen haben könnte, weil denn doch vorauszusetzen ist, dass im Laufe der Verhandlungen in den meisten Fällen zwischen den Berechtigten und der Gemeinde als solcher ein akzeptabler Vergleich werde geschlossen werden. Und ich gebe mich dieser Hoffnung hin, weil ich glaube, dass diejenigen, welche jetzt im Besitze der Nutzungen sind, höchstwahrscheinlich es verschmerzen werden, wenn sie einen gewissen Teil desjenigen Vermögens zu Handen der Gemeinde herauszugeben haben werden, welches sie bisher ausschließlich benutzt und besessen haben. (Seite 9225f)

Allein, wenn wir hier auch von dem Gemeindegut als solchem absehen, und uns nur mit dem unbestrittenen bloßen Klassenvermögen beschäftigen, so sind auch auf diesen Fall die Bestimmungen des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches ganz und gar unanwendbar. Sehen wir nun, wie es mit der Verwaltung solcher Grundstücke, seien dieselben ein Gemeinde- oder ein Gemeingut, bestellt ist. Erfahrungsgemäß ist diese Verwaltung eine so schlechte, dass es in der Tat nicht mehr zu begreifen ist, wie in unserem Jahrhunderte etwas derartiges noch Platz greifen kann, und ich glaube, die Regierung hat nicht bloß das Recht, sonder auch die Pflicht, nicht bloß die unglaublich schlechte Bewirtschaftung solcher Grundstücke, sondern auch den Gegenstand selbst zu amoviren, welcher letzterer in den Gemeinden nur dazu zu seien scheint, um einen ewigen Zankapfel zu bilden, bei jeder Gemeindewahl als Kampfobjekt hingestellt zu werden, um nach vollzogener Gemeindewahl abermals wieder der Devastation zu verfallen, nicht anders, als es vorher der Fall gewesen ist. (Seite 9226)

„Was die Ausführungen des Herrn Regierungsvertreters betrifft, so stimme ich ihm vollkommen bei. Namentlich bin ich seiner Ansicht, wenn er sagt, es sei eigentlich die Vorfrage, was für ein Vermögen es sei, um das es sich im gegebenen Fall handelt, die schwierigste. Diese Vorfrage wird von den Landesausschüssen und Gerichten verschieden beurteilt und entschieden, ja man kann sagen, es gibt so viele Ansichten, als Entscheidungen. Man hat sehr oft vollen Grund, sich über die Entscheidungen des Landesausschusses und der Gerichte namentlich darüber zu wundern, wem das strittige Vermögen zugewiesen wurde. Wen wir es bei der bisherigen Judikatur der politischen oder Gerichtsbehörden bewenden lassen, werden wir in diese verworrenen Verhältnisse niemals eine Ordnung bringen. Es muss bezüglich dieser Sachen einmal tabula rasa gemacht werden, und es ist hoch an der Zeit, solche Sachen, welche nur den Zwist in den Gemeinden nähren, sobald als möglich aus der Welt zu schaffen. Was die Gemeindeordnungen und insbesondere die böhmische Gemeindeordnung betrifft, so kann ich in der Tat sagen, dass ich in derselben fast gar keine Anhaltspunkte für die Entscheidung dieser Frage finde. Wenn man sich auf die bisherige unangefochtene Übung beruft und nach dieser entscheidet, so ist das ganz gewiss eine ganz hinfällige Basis.“ (Seite 9226)

Daraus ergibt sich demnach die Notwendigkeit, dass den Landtagen die Gelegenheit und Möglichkeit geboten werde, alles dasjenige vorzukehren und zu verfügen, was bezüglich des Gemeindegutes und Klassenvermögens notwendig ist. Die Landtage haben in der Tat nach unserer Vorlage diesfalls den freiesten Spielraum und vollauf Gelegenheit, alle eigentümlichen Verhältnisse ihres Landes zu berücksichtigen. (Seite 9226)

Berichterstatter Dr. Johannes Zak in seinem abschließenden Debattenbeitrag (Seite 3235 sten.Prot).

Es ist schon von einer Seite betont worden, die Verwaltung dieses Vermögens, der sogenannten Gemeindegründe, gehöre gegenwärtig in den Wirkungskreis des Gemeindeausschusses bzw des Gemeindevorstandes. Ich bitte jedoch, sich die Sachlage zu vergegenwärtigen. Entweder besteht der Gemeindevorstand oder Gemeindeausschuss aus den sogenannten alt Angesessenen, nämlich aus den Rustikalisten und dann werden diejenigen, welche gleichzeitig Mitglieder des Vorstandes und des Ausschusses sind, sich in ihr – wie sie von ihrem Standpunkte ganz richtig sagen – Privatrecht und in ihre Privatdispositionen eben nicht von dem Ausschusse selbst hineinreden lassen, oder aber es besteht der Ausschuss entweder ausschließlich oder in der Majorität aus den sogenannten Häuslern, welche bisher gar kein Benutzungsrecht von diesem Grunde hatten, dann ist gewiss der Zeitpunkt gekommen, wo ein Streit in der Gemeinde entbrennt und die Sache entweder im politischen oder gerichtlichen Weg oder – nachdem der politische Weg zurückgelegt worden ist – noch im gerichtlichen Weg zur Entscheidung gelangt.

Wenn keine andere Rücksicht ausschlaggebend wäre, so wäre es in der Tat die Rücksicht, dass keine Gemeindeordnung im Stande ist, den Rechtsweg den Parteien zu versperren. Solange der Rechtsweg offen bleibt, werden die misslichen Verhältnisse des Gemeindevermögens nicht besser, sie werden fortbestehen, die schlechte Verwaltung wird fortbestehen, der Streit in der Gemeinde um diese Gründe wird andauern; kurz diese unseligen Verhältnisse werden kein Ende nehmen. Es ist aber selbstverständlich schon sehr an der Zeit, diese Verhältnisse endlich einmal zu beseitigen, die in Rede stehenden Grundstücke einer rationellen und ordentlichen Bewirtschaftung zuzuführen, dass von demjenigen, was in der Gemeinde noch an Hutweiden oder Gemeindewaldungen übrig bleibt, dem Einzelnen zuzuteilen und in sein Privateigentum zu übertragen auf dass er es gehörig und rationell bewirtschaften könne. Solange das Gemeindevermögen als solches besteht, wird die Sache als res nullius angesehen und jedermann, dem es gefällt, nützt dieselben nach seinem schrankenlosen Belieben aus.

-.-.-.-.-

 

MP

Vorgeschichte in
Kärnten

Einleitung:

Niederösterreich und Kärnten, das sind diejenigen Kronländern, die mit wiederholten Landtagsbeschlüssen in den 1870er Jahren den Reichsgesetzgeber dazu gedrängt haben, ein Teilungs- Regulierungs- Reichsgesetz zu schaffen, auf welchem entsprechende Landesgesetze aufbauen können.
Sowohl in Niederösterreich, als auch in Kärnten hat man nämlich erkannt, dass die Regelung der Gemeinde-, Dorfschafts- bzw Nachbarschaftsgründe auch eine zivilrechtliche Angelegenheit darstellt, weshalb die Reichsgesetzgebung als Gesetzgeber für das Zivilrecht eingebunden sein müsse.

Grundsätzlich existieren aus Kärnten vier wichtige Rechtsquellen, welche die Rechtsentwicklung zu einem Teilungs- Regulierungs- Landesgesetz nachvollziehen lassen, nämlich a) die vom Landesausschuss im Wege der Bezirkshauptmannschaften eingeholten Berichte aus den verschiedenen Kärntner Gemeinden, b) ein Bericht des Landesausschuss vom 16. August 1884, c) ein Bericht des verstärkten volkswirtschaftlichen Ausschusses  und d) die Rede des Ausschussvorsitzenden Dr. Luggin vom 24.10.1884.

Während der Landtag von Niederösterreich bei der Beschlussfassung über das Gesetz vor allem wegen einem „Gemeindeanteil“ auf den Fall der Aufteilung eine Verzögerung über viele Monate in Kauf genommen hatte – beraten wurde das Gesetz im Gemeindeausschuss des NÖ Landtages – haben die Kärntner eine Angelegenheit der Volkswirtschaft angenommen. Der Kärntner Landtag hat die Beratung des neuen Gesetzes einem „verstärkten volkswirtschaftlichen Ausschuss“ zugewiesen. Es wurde eine große Dringlichkeit angenommen, weshalb das Gesetz noch im Jahr 1884 in Kraft gesetzt wurde. Es ist deshalb kein Zufall, dass die Teilung und Regulierung der Gemeinschaftsliegenschaften in Kärnten am stärksten vorangetrieben wurde.

 

Inhalt:
Bericht des kärnterischen Landesausschuss vom 16.08.1884
Rede des Ausschussvorsitzenden im Landtag am 24.10.1884

 

Beilage II zu den stenografische Protokoll des kärntnerischen Landtages 1884, Bericht des kärntnerischen Landesausschuss vom 16. August 1884 betreffend die Erfordernisse zur Schaffung eines Gesetzes über die Teilung gemeinschaftlicher Grundstücke und die Regulierung der hierauf bezüglichen Verwaltungsrechte:

In den Sessionen der Jahre 1876, 1877 und 1878 hat es der kärntnerische Landtag nacheinander durch gefasste Resolutionen als eine dringende Notwendigkeit erklärt, dass die gemeinschaftlichen Besitz- und Benützungsrechte auf Grund und Boden in Kärnten, insoweit sich diese Rechte auf Wald und Weide beziehen und mehreren Insassen einer Ortschaft oder verschiedener Ortschaften zustehen, abgelöst oder reguliert werden.

Das k.k. Ackerbau-Ministerium hat diesen Resolutionen gegenüber mit Erlass vom 18. Juli 1878, Z 10.236, auf den damals dem Reichsrat schon vorgelegten Entwurf eines neuen Forstgesetzes, welcher auch die Nachbarschafts-Waldungen in Betracht ziehe, hingewiesen und zugleich bemerkt, dass auch ein Gesetzesentwurf, betreffend die Zusammenlegung von Grundstücken, die Teilung gemeinschaftlicher Grundstücke und die Regulierung gemeinschaftlicher Nutzungsrechte in Verhandlung stehe. Demnach sei in den vom Landtag angeregten Punkten die Entwicklung der Reichsgesetzgebung abzuwarten.

Im Jahr 1881 hat der kärntnerische Landtag die gesetzliche Regelung der Nachbarschaft-Verhältnisse in Bezug auf Wald und Weide abermals in einer Resolution als dringend bezeichnet. Um diese Zeit standen vollständig ausgearbeitete Entwürfe von Reichsgesetzen a) über die Zusammenlegung, b) über die Bereinigung des Waldlandes und c) über die Teilung gemeinschaftlicher Grundstücke und über die Regulierung, schon in verfassungsmäßiger Behandlung.

Im Gesetzesentwurf betreffend Teilung und Regulierung war es der Landesgesetzgebung vorbehalten, den Landesverhältnissen entsprechende Ausführungsgesetze zu schaffen. … Die k.k. kärntnerische Landesregierung hat demnach als Vorarbeit für den Landtag die Erhebung über diese Verhältnisse durch die k.k. Bezirkshauptmannschaften veranlasst und diese haben ihrerseits die Gemeinden ihres Bezirkes über die angeregten Punkte einvernommen.

Im Jahr 1883, als der kärntnerische Landtag versammelt war, waren diese Erhebungen schon abgeschlossen und an den Landesausschuss gelangt, allein es war demselben unmöglich gewesen, das reichhaltige Material zu studieren und aufgrund desselben dem hohen Landtag auch schon eine Gesetzesvorlage zu machen, wohl aber ist der Landesausschuss nunmehr in der Lage, der vom Hohen Landtag in der Sitzung vom 03. Oktober 1883 gefassten Resolution zu entsprechen, ein Gesetz über die Teilung und Regulierung vorzulegen.
Der Landesausschuss legt demnach vor: a) Einen möglichst genauen Auszug aus den Äußerungen der k.k. Bezirkshauptmannschaften und der Gemeinden in der Teilungs- und Regulierungsfrage; b) den bezüglichen Gesetzesentwurf.

Die vorliegenden Berichte aus den Bezirken Kärntens geben ein trauriges Bild über den Zustand, in welchem sich der gemeinschaftliche Besitz (Ortschafts-, Nachbarschaftsvermögen etc.) in der Regel befindet. Eigenmächtigkeit und Selbstsucht drängen sich hervor, eignen sich zum Nachteil der übrigen Berechtigten die Nutzungen des gemeinschaftlichen Gutes in möglichst ausgedehntem und ungebührlichem Maße zu, … in den Wäldern wird furchtbar gewüstet, von einer Forstkultur ist selbstverständlich keine Rede, die Alpen und Weiden werden häufig überlastet, noch dazu entgegen dem Recht mit fremdem, aufgenommenem Vieh, während die Berechtigten ihr eigenes Vieh gegen Zins anderswo unterbringen müssen; für eine bessere wirtschaftliche Benützung des gemeinschaftlichen Grundstückes wird nichts getan etc. … Wenn man bedenkt, dass der gemeinschaftliche Besitz im Land eine bedeutende Fläche von wenigstens 137.404 ha einnimmt, erscheint es wirklich als eine dringende Notwendigkeit, Abhilfe zu schaffen.

Die Bestimmung, wie dies geschehen solle, ob durch Teilung oder Regulierung, ob diese Akte von Amts wegen oder über Verlangen der Interessenten vorzunehmen seien, nach welchen Grundsätzen hiebei vorgegangen werden solle, wie es mit der Verwaltung zu halten sei etc. ist im Reichsgesetz vom Juli 1883 der Landesgesetzgebung überlassen. …

Die Teilung der Wälder hat in der Theorie das für sich, dass nach vollzogener Teilung der bisherige Nutzungsberechtigte den Wald, der nun sein ausschließliches Eigentum geworden ist, sorgsam pflegen und ausnutzen werde – allein in der Wirklichkeit wird dies wohl nur dann der Fall sein, wenn das Teilstück groß genug und so gelegen ist, dass es der Stammrealität einen bleibenden Vorteil und Nutzen gewährt. Kleine oder entlegene Waldteile aber werden gewiss ehestens verwüstet oder veräußert werden.

Die Teilung der Weiden wird in der Mehrzahl nicht durchführbar sein. Die Bauern lieben große Weideplätze als dem Vieh sehr zuträglich – auf der gemeinschaftlichen Weide finden alle Tiere Nahrung, während die aus der Teilung hervorgegangenen einzelnen Weideflächen nicht hinreichen würden, den bisherigen Viehstand der einzelnen Berechtigten zu erhalten. Auch ist die Teilung der Weide durch das Abzäunen der einzelnen Teile und somit durch großen Holzverbrauch bedingt.

Bei den Weiden wird also wohl die Regulierung die Regel bleiben müssen; allein ausnahmsweise wird sich auch bei Weiden die Teilung als zweckmäßig herausstellen, z.B. bei kleineren durch die Anzahl des Weideviehs überlasteten Grundstücken, bei sehr ausgedehnten Weidegründen, bei Weideflächen, die eine Überführung in ertragreichere Kulturen (Äcker, Wiesen) zulassen usw.

Eine Verteilung der Almen wird nach allgemeiner Anschauung ganz ausgeschlossen bleiben müssen, teils wegen der Unauslänglichkeit der Teile zur Ernährung des Viehs, teils, weil in den Abteilungen die erforderlichen Tränken und Schattenplätze fehlen würden, teils, weil die Alpen nur regionenweise zur Benützung gelangen, indem die Tiere erst mit der zunehmenden Wärme aus den tieferen Lagen in die höheren aufsteigen können, ein Umstand, der für sich allein jeder Teilung im Wege steht.

Die Benützung des gemeinschaftlichen Gutes geschieht derzeit auf die mannigfaltigste Art; es sollen hiefür Beispiele aufgeführt werden. Bei den Wäldern wird das Holz gemeinschaftlich geschlagen und dasselbe in natura unter die Berechtigten verteilt, oder aber verkauft und der Erlös verteilt. Es werden die Wälder in zwei Teile geschieden, aus dem einen Teil wird nur Bauholz gegen Auszeigung genommen, im anderen Teil kann jeder Berechtigte das Brennholz nach Belieben nehmen. Es sind in den Wäldern jedem Einzelnen Teilungen zur Holzung zugewiesen (unter Vorbehalt des Eigentums der Nachbarschaft), die Weide in diesen Waldungen steht aber der Nachbarschaft im Detail zu. Es kann Bau- und Brennholz aus dem Wald beliebig genommen werden und es geschieht auch wohl, dass Einzelne sogar Holz verkaufen. Wo bessere Ordnung herrscht, geschieht der Holzbezug bloß nach Bedarf und in einzelnen Nachbarschaften muss dem Bezuge die Auszeigung vorhergehen.

In manchen Nachbarschaften sind Waldteile von der gemeinschaftlichen Nutzung ausgeschlossen und das Holz ist für Brücken, Uferschutz usw. reserviert.

Bei Weiden und Alpen ist die Naturalbenützung die Regel. Hier und da wird die Nutzung verpachtet und der Pachtschilling entweder unter den Berechtigten verteilt oder für Ortschaftszwecke verwendet.

Die Naturalbenützung geschieht entweder ganz nach Belieben der Berechtigten oder zu gleichen Teilen oder nach Maßgabe des überwinterten Viehs oder nach dem Hubenstande oder nach Auftrittsrechten. Es sind nämlich den einzelnen Realitäten ein, zwei, drei, vier etc. Auftrittsrechte zugewiesen und das einzelne Auftrittsrecht berechtigt zum Auftrieb einer gewissen Stückzahl Weideviehs. Nach Maßgabe dieses Auftrittsrechtes hat dann jeder Teilhaber Viktualien für den Hirten beizustellen, Schichten zu leisten etc.

Auch Wechselbenützungen kommen (allerdings mehr vereinzelt) vor, sodass z.B. auf den gemeinschaftlichen Grundstück ein Teil das Weiderecht, der andere Teil das Holzrecht ausübt, dass jedes Jahr ein anderer Berechtigter das ganze Grundstück benützt und dafür dann auch die Jahressteuer entrichtet und den Hirten beisteht; dass ein Teil die Weide ausübt, ein anderer den Grund als Ablagerungsplatz für Dünger, Holz etc. mitbenützt.

Für alle diese verschiedenen Benützungsarten und Berechtigungen ist in der Mehrzahl der Fälle das alte Herkommen maßgebend, bei manchen Nachbarschaften bestehen wohl auch Nutzungsordnungen, wo die Ortschaften oder Nachbarschaften einen gemeinschaftlichen Besitz im Wege der Grundlasten-Ablösung und Regulierungsverhandlungen erhielten, ist durch die Behörden selbst einige Ordnung in die Benützung gebracht. Überall aber macht sich ein verderbliches Übel oder Mangel einer kräftigen Verwaltung des gemeinschaftlichen Vermögens fühlbar, einer Verwaltung, welche die geschaffene Ordnung aufrecht zu erhalten und versuchte Übergriffe schnell und sicher abzuweisen vermöchte.

In vielen Gegenden besteht gar keine Verwaltung; jeder benützt das gemeinschaftliche Gut, wie er eben kann und mag, in anderen Gegenden werden wohl nach hergebrachter Übung oder Vermögen bestehender Statute, Verwaltungs-Organe durch die Berechtigten gewählt, allein, sobald es jemandem einfällt, sich an das alte Herkommen nicht mehr halten zu wollen, oder eine schriftliche Nutzungsordnung als für ihn unverbindlich zu erklären, weil er an der Schaffung derselben nicht teilgenommen habe, so sind die übrigen Berechtigten solchen Handlungen gegenüber machtlos. Sie haben nur den Rechtsweg vor sich, der meist lange dauert und kostspielig ist, inzwischen aber bleibt die Ordnung gestört und das Beispiel der Eigenmächtigkeit demoralisiert alle Nachbarschaftsgenossen.

Den hier dargelegten Wahrnehmungen entsprechend ist der vorliegende Gesetzesentwurf abgefasst. Derselbe überlässt es den Berechtigten um die Teilung anzusuchen, wann und wo sie dieselbe wünschenswert erachten; die Behörden sind aber nicht verpflichtet, dem Teilungsbegehren stattzugeben, sondern können Dasselbe begründet zurückweisen. Wo dies geschieht und dort, wo eine Teilung nicht begehrt wird, hat die Regulierung der Benützungsrechte einzutreten, es steht jedoch den Behörden das Recht zu, in Fällen, wo dies durch die Verhältnisse geboten erscheint, statt auf Regulierung auf Teilung zu erkennen.

Jene Grundstücke, welche sich als Gemeindegut darstellen und von den Gemeindegliedern in natura benützt werden, sind ebenfalls nach dem vorliegenden Gesetz zu behandeln, weil der Grund für solche Behandlung der gleiche ist, wie bei anderen Gemeinschaften.

Nicht selten wurden gemeinschaftliche Wälder von den Eigentümern ohne behördliche Bewilligung frisch geteilt. In solchen Fällen ist der Teilungsakt im Sinn des vorliegenden Gesetzes zu überprüfen, eventuell zu genehmigen (vgl die Verordnung des Ackerbauministeriums vom 03. Juli 1873, LGBl 19/33, § 9).

Mit jeder Regulierung ist die Einrichtung einer kräftigen, unter den Schutz der politischen Behörde gestellten Verwaltung zu verbinden…

Der Hohe Landtag wolle den vorgelegten Gesetzesentwurf, den durch zwei Mitglieder des juridisch-politischen Ausschusses verstärkten, volkswirtschaftlichen Ausschusses zur Prüfung und Berichterstattung zuweisen.

Kärntnerischer Landesausschuss zu Klagenfurt am 16. August 1884

 

Stenografisches Protokoll der I. Session der VI. Wahlperiode des kärntnerischen Landtages vom 22. September bis 24. Oktober 1884, 20. Sitzung der 1. Session, 24.10.1884, zum Tagesordnungspunkt „Antrag des verstärkten volkswirtschaftlichen Ausschusses betreffend die Teilung gemeinschaftlicher Grundstücke und der hierauf bezüglichen Benützungs- und Verwaltungsrecht“. Berichterstatter des verstärkten volkswirtschaftlichen Ausschusses Dr. Luggin:

Die Vorlage des Landesausschusses wurde dem volkswirtschaftlichen Ausschuss zugewiesen mit der Weisung, sich durch Beiziehung von zwei Mitgliedern des juridisch-politischen Ausschusses zu verstärken.

Seit einer Reihe von Jahren beschäftigt sich der Hohe Landtag bereits mit dem Gegenstand, welcher die Leitung und Regulierung des gemeinschaftlichen Vermögens, namentlich jenes Vermögens betrifft, das wir in Kärnten unter der Bezeichnung „Nachbarschaft“ verstehen. Schon im Jahr 1876 hat der Zentralausschuss der Landwirtschaftsgesellschaft aufgrund eines Beschlusses, welchen die Generalversammlung dieser Gesellschaft gefasst hatte, eine Petition an den Landtag gerichtet, diese Nachbarschaftsverhältnisse einer Regulierung zu unterziehen. Sowohl damals als auch wiederholt in späteren Sessionen wurde über die völlige Verwüstung geklagt, welche in der Verwaltung dieser Vermögen besteht und über die unrationelle Bewirtschaftung, welche dieselben zum Nachteil der Interessenten als auch zum Nachteil der Allgemeinheit erfahren. Die Aktion des Landtags war in dieser Frage beschränkt auf Wünsche und Petitionen an die Regierung und auf Resolutionen, weil eine einheitliche Ordnung dieser Angelegenheiten nicht möglich war, so lange nicht reichsgesetzlich die Basis dafür geschaffen wurde.

Es greift nämlich die Ordnung dieser Verhältnisse in die privatrechtlichen Bestimmungen ein und zwar sowohl in das materielle als auch in das formelle Privatrecht. Es musste daher zunächst ein Gesetz geschaffen werden, welches sowohl bezüglich der Ordnung solcher Verhältnisse in materieller Hinsicht als auch hinsichtlich der Durchführung Bestimmungen enthält, die von dem ABGB, von der Gerichtsordnung, namentlich aber von der allgemeinen Kompetenzvorschrift in mehrfacher Beziehung abhängen.

Diese Voraussetzung für die im Weg der Landesgesetzgebung durchzuführende Regelung der Verhältnisse wurde nun geschaffen durch das Reichsgesetz vom 07. Juni 1883. Inzwischen hat, um die Behandlung dieser Angelegenheit im Landtag möglich zu machen, der Landesausschuss, ursprünglich direkt, in späterer Zeit aber durch Vermittlung der Regierung, die in Kärnten rücksichtlich solcher gemeinschaftlicher Vermögen bestehenden Verhältnisse möglichst eingehend und umfangreich erhoben und es sind vom Landesausschuss sowohl die von den Bezirkshauptmannschaften erstatteten Gutachten, als auch die Äußerungen der einzelnen Gemeinden in dem vorliegenden Bericht schon zur Kenntnis des Hohen Landtages gebracht worden.

Obwohl ich überzeugt bin, dass dieses Verzeichnis noch sehr mangelhaft ist und obwohl mir selbst bekannt ist, dass eine Anzahl solcher gemeinschaftlicher Besitze, die namentlich im Weg der Grundentlastungsablösung und –regulierung durch die Abtretung von Grund und Boden entstanden sind, in diesem Verzeichnisse keine Berücksichtigung finden, so ist schon der Umfang, welchen diese gemeinschaftlichen Vermögen haben, aus der Vorlage, wie sie jetzt den Herren Abgeordneten zur Verfügung steht, als ein sehr bedeutender zu ersehen.

Hauptsächlich ist daran Oberkärnten beteiligt. Der gemeinschaftliche Besitz im Bezirk Spittal beläuft sich auf 66.040 ha, im Bezirk Hermagor auf 20.088 ha, im Bezirk Villach auf 22.274 ha, daher in diesen drei Bezirken auf 108.402 ha. In der Bezirkshauptmannschaft St. Veit sind 13.105 ha, in der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt 8.260 ha, in der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt 4.707 ha, in der Bezirkshauptmannschaft Wolfsberg 2.840 ha, daher in diesen vier Bezirkshauptmannschaften zusammen 29.002 ha, sodass nach diesen Zusammenstellungen sich das gemeinschaftliche Vermögen in Kärnten auf 138.000 ha belaufen würde, wozu aber, wie schon bemerkt, jedenfalls noch zahlreiche gemeinschaftliche Liegenschaften kommen, die in diesem Ausmaße nicht angeführt erscheinen.

Die Ausarbeitung und Behandlung dieses Gegenstandes im legislativen Weg von seiten des Landtags musste auf jener Grundlage erfolgen, welche das Gesetz vom 07. Juni 1883 anordnet. In diesem Gesetz waren ganz bestimmte Fragen und Teile dieser ganzen Regelung der Landesgesetzgebung vorbehalten und zwar zunächst die Bestimmung des Zeitpunkts des Beginns der Zuständigkeit jener Behörden, welche das Reichsgesetz für die Durchführung der Teilung und Regulierung gemeinschaftlicher Vermögen schon vorgezeichnet hat, dann Bestimmungen, wann solche Grundstücke ungeteilt verbleiben, daher bloß die hierauf bezüglichen Benützungs- und Verwaltungsrechte dem Regulierungsverfahren unterzogen werden sollen, ob und nach welchen Grundsätzen solche Grundstücke, sobald dieselben als landwirtschaftliche Grundstücke zugleich der Zusammenlegung unterliegen, nur in Verbindung mit einer Zusammenlegung geteilt werden können, ob und wann das Teilungs- oder Regulierungsverfahren von Amts wegen, wenn dasselbe aber erst über Begehren von Teilgenossen zu eröffnen ist, desgleichen ob und wann Personen, welche zwar noch keine Teilgenossen sind, doch aber aus was immer für einem rechtlichen Grund ein gemeinschaftlich oder wechselweises Nutzungsrecht an solchen Grundstücken ansprechen, bei sonstigem Verlust ihres Anspruchs durch ein, eine Frist von 90 Tagen enthaltendes Edikt zur Geltendmachung dieses Anspruchs bei dem ordentlichen Richter nach den für das Sumarverfahren geltenden Vorschriften aufgefordert werden können…

Ich möchte mir nun zunächst erlauben, den Herren Abgeordneten in kurzen Umrissen die Bestimmungen dieses Gesetzes vorzutragen, den Inhalt des Gesetzes anzudeuten und dann anzugeben, in welchen Punkten und inwieweit die Anträge des Ausschusses abweichen von der Vorlage des Landesausschusses…

Die Gesetzesvorlage bestimmt zunächst, welche gemeinschaftlichen Besitz- und Benützungsverhältnisse nach den Bestimmungen des Gesetzes zu behandeln sind. Die Vorlage lehnt sich in dieser Beziehung an die Bestimmung des § 1 des Reichsgesetzes an und hat nur die Gruppen, die davor kommen, noch in Unterabteilungen mehr ersichtlich gemacht. Es wird dann angeführt, welche gemeinschaftlichen Besitz- und Benützungsarten unter die Anwendbarkeit dieses Gesetzes kommen und endlich wird bestimmt, inwieweit nächst den Grundstücken, die eigentlich Gegenstand der Teilung und Regulierung sein sollten, auch weitere Liegenschaften und Vermögensobjekte in die Teilung oder Regulierung einbezogen werden sollen.

Dieser Fall tritt namentlich ein, wenn eine solche Gemeinschaft ein Vermögen besitzt, welches aus der Veräußerung von gemeinschaftlichem Vermögen oder aus dem Ertragsüberschusse von Liegenschaften herrührt und aus beweglichen Werten besteht, und im Zusammenhang mit dem übrigen gemeinschaftlichen Besitze Gegenstand einer Teilung und eventuell Regulierung sein kann und wenn andererseits gewisse Objekte vorkommen, die der gemeinschaftlichen Benützung dienen, wie z.B. Scheunen, Hirtenhäuser etc. …

Die Frage, welche schon das Reichsgesetz der Landesgesetzgebung offengehalten hat, ob die Teilung oder Regulierung von Amts wegen oder nur auf Begehren der Interessenten stattfinden soll, hat unser Entwurf dahin entschieden, dass die Teilung in der Regel nur auf Begehren der Interessenten stattfinden könne, dass dagegen die Regulierung von Amts wegen erfolgen soll, dass bei jeder Gemeinschaft, wo eine Teilung nicht begehrt wird, eine Regulierung von Amts wegen einzuleiten sei, dass aber ausnahmsweise die Behörde auch von Amts wegen auf Teilung erkennen dürfe…

Die Behörden, denen die Besorgung der ganzen Angelegenheit zusteht, werden in gesetzlicher Übereinstimmung mit dem Reichsgesetz dahin fixiert, dass es zunächst die Lokalkommissäre sind, dass diesen die Instruktion der Parteistreitigkeiten, also die Vorbereitung des ganzen Materials für die Entscheidung zustehe, dass die Lokalkommissäre den Teilungs- und Regulierungsplan auszuarbeiten haben, dass abgesehen von kleineren Streitigkeiten, die Entscheidung nicht durch die Lokalkommissäre, sondern durch die Landeskommission stattfindet und dass über der Landeskommission die Ministerialkommission steht. Sowohl in der Landes- als auch in der Ministerialkommission sitzen neben den Verwaltungsbeamten und den Vertretern des Landesausschusses Mitglieder des Richterstandes und zwar ist dort, wo es sich um Entscheidungen über rechtliche Verhältnisse handelt, die Zusammensetzung der Landes- und der Ministerialkommission eine solche, dass die Mitglieder des Richterstandes die Majorität bilden. Diese Bestimmung schließt sich wieder an die Vorschrift des Reichsgesetzes an…

Der Gesetzesentwurf, wie er vorliegt, hat den Zweck, die bei uns so lange schwebende Frage, deren Ordnung von so vielen Seiten dringendst gewünscht wurde, endlich zur Lösung zu bringen, und ich hoffe, dass das Gesetz diesen Zweck erreichen wird, wenn ich auch zugestehen muss, dass der Vorgang, welcher hier stattfindet, in einzelnen Fällen sich als ein für die Wichtigkeit der Sache vielleicht zu kompliziert herausstellen wird…

 

MP

 

Vorgeschichte in
Niederösterreich

Einleitung

Niederösterreich (NÖ) gehörte zu jenen Ländern, in denen sich in Konsequenz der Einrichtung der modernen politischen Ortsgemeinde bald ein drängender Bedarf zeigte, die Rechtsverhältnisse an den so genannten „Gemeindegründen“ einer besonderen Regelung zuzuführen.

Die wenigen Regelungen der Gemeindeordnung hatten sich als unzureichend erwiesen, um die entstehenden Konflikte zu regeln. Der NÖ Landtag hat deshalb bereits im Jahr 1874 den NÖ Landesausschuss (= heute die Landesregierung) damit beauftragt, zum Phänomen der  Gemeindegründe einen Bericht an den Landtag zu erstellen und eine taugliche Gesetzesregelung vorzuschlagen. In Konsequenz ist ein für die so genannten „Österreichischen Erblande“ einzigartiges Dokument entstanden, der Bericht des NÖ Landesausschuss vom 21. September 1878.

 

VORGESCHICHTE IN NIEDERÖSTERREICH
Inhalt:
I. Streit um die Gemeindegründe
II. NÖ als Motor einer Rechtsentwicklung
III. Bericht des NÖ Landesausschusses vom 21.09.1878

STREIT UM DIE GEMEINDEGRÜNDE

In Niederösterreich stellten sich bald nach Einrichtung der neuen politischen Ortsgemeinden Streitigkeiten ein, welche den Abgeordneten Kopp, Mitglied des Commassionsausschusses und Mitglied der NÖ Landesregierung, am 22. Februar 1883 im Abgeordnetenhauses des Österreichischen Reichsrates, als über die neuen Agrargesetze debattiert wurde, zu folgender Äußerung veranlassen:

„Ich kann den Herren versichern, dass im Lande Niederösterreich vielleicht augenblicklich kein Gesetz so notwendig ist und so sehr gewünscht und tagtäglich von den Gemeinden erbeten wird, als das vorliegende. Die Verwirrung und der Streit haben bereits eine ganz unerträgliche Höhe erreicht; … kurz es ist eine geordnete Gemeindewirtschaft bei den bisherigen Zuständen gar nicht möglich. … Denn selbst wenn man … sich im Landesausschusse bemüht eine halbwegs erträgliche und befriedigende Ordnung herzustellen, so tritt uns eines immer störend entgegen, dass nämlich die Ingerenz der Gerichte in keiner Wiese ausgeschlossen ist, so dass derjenige, welcher mit dem Zustande nicht zufrieden ist, sich an die Gerichte wendet, die dann lediglich nach den Bestimmungen des bürgerlichen Gesetzbuches über gemeinsames Eigentum und nach dem hier sehr ominösen Bestimmungen über die Verjährung und Ersitzung entscheiden, ohne im Entferntesten bei dem besten Willen nur die realen Verhältnisse verstehen und berücksichtigen zu können, und ohne insbesondere die wirtschaftlichen Rücksichten irgendwie walten lassen zu dürfen. So kreuzen sich denn in den Gemeinden ältere Verordnungen und Entscheidungen der Landesbehörden, neuere Beschlüsse der Gemeinden, faktische Zustände, Entscheidungen des Landesausschusses und verschiedene gerichtliche Entscheidungen, kurz es wird ein Chaos geschaffen. Diesem Chaos soll hier ein Ende gemacht werden, und darum begrüßen wir … dieses Gesetz als eine wahre Erlösung.“ Gemeint war das Reichsrahmengesetz betreffend die Teilung gemeinschaftlicher Grundstücke und die Regulierung der hierauf bezüglichen gemeinschaftlichen Benützungs- und Verwaltungsrechte (TRRG 1883), RGBl 1883/94 vom 7.6.1883, die Grundlage aller Flurverfassungs-Landesgesetze der heutigen Bundesländer. (Sten. Prot. des Abgeordnetenhauses des Österreichischen Reichsrates, IX. Session, Seite 9222)

Dr. Josef Kopp war deshalb in dieser Sache hervorragend unterrichtet, weil er im Auftrag der Niederösterreichischen Landesregierung über mehrere Jahre Erhebungen zu den einschlägigen Verhältnissen in Niederösterreich getätigt hatte.

In seiner Sitzung vom 17. Oktober 1874 fasste der Landtag den Beschluss, den Landesausschuss mit eingehenden Erhebungen über die Besitz- und Nutzungsverhältnisse an den Gemeinde- oder Fraktionsgütern zu beauftragen und zu erwägen, ob in dieser Frage besondere gesetzliche Bestimmungen notwendig wären.
Als der Landesausschuss dazu nach knapp vier Jahren, im September 1878, schließlich einen Gesetzesentwurf samt erläuternden Bemerkungen vorlegte, beschrieb dieser „eine Aufgabe von solchem Umfange und solcher Schwierigkeit (…), wie sie ihm bis dahin (…) nie gestellt worden“ sei. Die „glückliche Lösung“ der gestellten Aufgabe würde jedoch „für zahlreiche Gemeinden des Landes eine außerordentliche Wohlthat sein“. (Bericht des NÖ Landesausschusses 21.09. 1878, XXVII Blg stenProt NÖ Landtag, 5. WP)

NÖ: MOTOR EINER ENTWICKLUNG

Dem Landesausschuss war nach eigenem Bekunden bekannt gewesen, dass „die Besitz- und Nutzungsverhältnisse des Gemeindeeigenthums in zahlreichen Gemeinden ganz unglaublich verworren und unklar“ seien. Es wäre „keine Woche“ vergangen, „ohne daß in dieser Beziehung Streitigkeiten an den Landesausschuß gebracht“ worden seien. Trotz dieses vorhandenen Wissenstandes hatte man mittels eines an alle Gemeindevertretungen abgeschickten „Circulars“ umfangreiche Erhebungen gepflogen. Dabei wurden diverse Fragen formuliert: ob und welche Liegenschaften sich in der Gemeinde befänden, die entweder laut Grundbuch der Gemeinde gehörten oder ihr nach dem Kataster zur Besteuerung zugewiesen seien, hinsichtlich derer jedoch die Eigentumsverhältnisse in der Gemeinde strittig wären; wenn ja, von wem diese Vermögenschaften verwaltet würden; wer die Steuern bezahle; von wem die Liegenschaften genützt würden und ob diejenigen, welche die Nutzungen beziehen, dafür etwas Besonderes leisten würden. Schließlich war anzugeben, ob Prozesse hierüber geführt wurden; bejahendenfalls waren die ergangenen Erkenntnisse beizuschließen und schließlich der Wert dieser Vermögenschaften anzugeben. Zu diesem Fragenkatalog sollte der jeweilige Gemeindevorstand im Einverständnis mit dem Gemeindeausschuss Bericht erstatten und – über die Beantwortung der angegebenen Fragen hinausgehend – alles mitteilen, was sonst zur Beurteilung der bestehenden Verhältnisse dienlich wäre.

Die Ergebnisse dieser Umfrage schilderte der Landesausschuss als wenig befriedigend, jedoch keineswegs überraschend, weil „die in Frage stehenden Verhältnisse (…) so verwickelter Natur und so unglaublich unklar“ seien, „daß es den Gemeindevorständen nicht zuzumuthen ist, ohne sehr sachkundige Beihilfe vollständige und klare Berichte zu verfassen“.
Das Konfliktpotential, welches mit dem Untersuchungsgegenstand verbunden war (und ist), leuchtete dennoch aus den Berichten hervor: Je nachdem, ob die Besitzenden oder die Nichtbesitzenden den Gemeindevorstand stellten, wären diese Berichte „entweder zurückhaltend oder tendenziös gefärbt“ gewesen; zuweilen hätte der Landesausschuss auch zwei Berichte aus ein und derselben Gemeinde erhalten, wobei einer von der „in dem Gemeindeausschusse dominierenden begünstigten Classe“ stammte, der andere von den Vertretern der Minorität – beide Berichte hätten sich dann vollständig widersprochen.

Was der niederösterreichische Landesausschuss 1878 für seinen Zuständigkeitsbereich als Erhebungsergebnis festhielt  ist rückblickend als ein repräsentatives Entwicklungsstadium der Rechtsverhältnisse an den Gemeinde- bzw Gemeinschaftsliegenschaften zu verstehen. Aus diesen Erkenntnisses gesetzgeberische Konsequenzen zu ziehen, scheiterten an der dem Landtag mangelnden Kompetenz im Zivilrecht!
Als generelles Phänomen fand der historische Konflikt um die Gemeindegründe auch Niederschlag in der rechtswissenschaftlichen Literatur aus der Zeit der Monarchie.

BERICHT DES NÖ LANDESAUSSCHUSS

Bericht des NÖ Landesausschusses vom 21.09.1878 betreffend die Regelung der Besitz- und Nutzungsverhältnisse des Gemeinde- eigenthums.

A) Einleitung, Darlegung der Gründe für den Bericht

Hoher Landtag! In der Sitzung vom 17. October 1874 hat der hohe Landtag folgenden Beschluß gefasst:
„Die Petitionen mehrerer Angehörigen der Gemeinden Schrattenberg und Reinthal werden dem Landesausschusse mit dem Auftrage zugewiesen, eingehende Erhebungen über die Besitz- und Nutzungsverhältnisse des den Gemeinden oder einzelnen Fractionen derselben gehörigen Eigenthums zu pflegen, sohin in Erwägung zu ziehen, ob diesbezüglich besondere gesetzliche Bestimmungen nothwendig erscheinen und hierüber dem Landtage in der nächsten Session die weiteren Anträge vorzulegen.“

I. Mit diesen wenigen Zeilen wurde dem Landesausschusse eine Aufgabe von solchem Umfange und solcher Schwierigkeit gegeben, wie sie ihm bis dahin vielleicht nie gestellt worden ist, allerdings aber auch eine solche, deren glückliche Lösung für zahlreiche Gemeinden des Landes eine außerordentliche Wohltat sein würde. Die Schwierigkeit wurde zudem noch dadurch erhöht, daß in Erfüllung eines vom hohen Landtage in derselben Session ausgesprochenen Wunsches schon am 1. November 1874, also nur 14 Tage nach dem citirten Beschlusse, die Referatseintheilung im Landesausschusse geändert und das Gemeindereferat einem andern Referenten zugetheilt wurde, der selbstverständlich einige Zeit brauchte, um die zur entsprechenden Verwaltung dieses umfangsreichen Ressorts erforderlichen Erfahrungen zu sammeln.
Allerdings war es dem Landesausschusse sehr wohl bekannt, daß die Besitz- und Nutzungsverhältnisse des Gemeindeeigenthums in zahlreichen Gemeinden ganz unglaublich verworren und unklar sind, indem keine Woche verging, ohne daß in dieser Beziehung Streitigkeiten an den Landesauschuß gebracht wurden, für deren Entscheidung die überaus dürftigen Bestimmungen der Gemeindeordnung nur höchst ungenügende Anhaltspunkte boten; aber diese immer nur vereinzelten Fälle genügten nicht im entferntesten, um die zur Beurtheilung und legislative Ordnung unklarer, im ganzen Lande vorkommender Verhältnisse erforderlichen Anhaltspunkte zu liefern.
Der Landesausschuß mußte aber – wie es auch der Landtagsbeschluß verlangt – vorerst „eingehende Erhebungen“ pflegen, und da ihm keine Mittelorgane zu Gebote stehen, sich unmittelbar an die Gemeinden wenden, was mittelst des folgenden an alle Gemeindevertretungen abgeschickten Circulars geschah.

An den löblichen Gemeindevorstand. Es ist dem hohen Landtage bekannt, daß in sehr vielen Gemeinden von Niederösterreich in Bezug auf das Eigenthum und die Nutzungen von Gemeindeeigenthum streitige und unklare Verhältnisse bestehen. Es gibt Vermögenschaften, insbesondere liegende Gründe, welche theils im Grundbuche der Gemeinde zugeschrieben sind, theils auch nur nach dem stabilen Kataster als der Gemeinde als solcher gehörig vermessen und daher der Gemeinde zur Errichtung beansprucht werden, während gewisse Classen von Gemeindemitgliedern ihrerseits behaupten, daß das Eigenthum ihnen gebühre, und daß sie von jeher die Nutzungen ausschließlich oder doch größtentheils besessen haben. Je nachdem die Gemeindevertretungen aus Mitgliedern der bevorrechteten Classen oder aus anderen Personen bestehen, werden diese Ansprüche bald anerkannt, bald bestritten. Insbesondere sind es an vielen Orten die Kleinhäusler, welche sich darüber aufhalten, daß die bestifteten Bauern den ganzen Nutzen von Gründen beziehen, welche nach der Meinung der Kleinhäusler der Gemeinde gehören. Viel Streit und Unfrieden ist darüber schon entstanden, kostspielige Processe wurden durchgeführt und noch immer ist das Verhältniß in vielen Gemeinden ungeordnet.
Der hohe Landtag hat deshalb in seiner letzten Session den Landesausschuß beauftragt, über diese Besitz- und Nutzungsverhältnisse eingehende Erhebungen zu pflegen und sohin zu berichten, ob dieser Beziehungen besondere gesetzliche Bestimmungen nothwendig sind.
Dem Landesausschusse liegt nun daran, diesen ihm ertheilten Auftrag gewissenhaft zu erfüllen und womöglich einen Weg vorzuschlagen, auf welchem diese Streitigkeiten für immer in gerechter Weise entschieden werden können.
Zu diesem Behufe muß er einen genauen Einblick in die diesbezüglichen Verhältnisse der Gemeinden gewinnen und wendet sich zu diesem Behufe an alle niederösterreichischen Gemeinden.
Der löbliche Gemeindevorstand wird demnach aufgefordert, in kurzer Frist über folgende Punkte Bericht zu erstatten:
1. Ob und welche Vermögenschaften sich in der Gemeinde befinden, die entweder laut Grundbuchsextract der Gemeinde gehören oder nach dem Kataster derselben zur Versteuerung zugemessen sind, deren Eigenschaft als Gemeindeeigenthum von der Gemeinde selbst oder von gewissen Classen, z.B. Kleinhäuslern behaupten wird, während andere Classen das Eigenthum oder doch die Nutzungen für sich in Anspruch nehmen;
2. diese Vermögenschaften einzeln und genau nach Beschaffenheit, Größe, Umfang u.s.w. zu bezeichnen;
3. soweit es sich um liegende Gründe handelt, die Grundbuchsextracte und Katastralauszüge anzuschließen;
4. anzugeben, von wem diese Vermögenschaften verwaltet werden;
5. wer die Steuern dafür bezahlt;
6. von wem die Nutzungen bezogen werden;
7. ob Diejenigen, welche die Nutzungen beziehen, dafür etwas Besonderes leisten;
8. ob Processe hierüber geführt wurden und im bejahenden Falle, die ergenagenen Erkenntnisse beizulegen;
9. womöglich den ungefähren Werth dieser Vermögenschaften anzugeben.
Der löbliche Gemeindevorstand wird aufgefordert, diesen Bericht im Einverständnisse mit dem Gemeindeausschusse, welcher zu diesem Behufe einzuberufen sein wird, zu erstatten, und abgesehen von der Verantwortung der angegebenen Fragen Alles mitzutheilen, was sonst zur Beurtheilung der bestehenden Verhältnisse dienlich sein kann.
Der Bericht wird bis Ende des Monates März zu erstatten sein. Sollten Hindernisse entgegentreten, welche die Einhaltung dieses Termines unmöglich machen, so wolle hierüber kurze Mittheilung gemacht werden.
Wien, am 1. März 1875. Der niederösterreichische Landesausschuß: Helferstorfer. Kopp.

Der in dem Circulare gesetzte Termin wurde nur von den wenigsten Gemeinden eingehalten, und es bedurfte vielfacher Betreibungen, um, wenn auch nicht von allen, so doch von den meisten Gemeinden im Verlaufe von zwei Jahren Berichte zu erhalten. Die große Mehrzahl dieser Berichte bestand in Fehlanzeigen, das heißt in Versicherung, daß in der betreffenden Gemeinde keine derartigen Verhältnisse vorkommen. Unter den übrigen Berichten sind einige wenige, welche vortrefflich genannt werden müssen, meistens sind sie – obwohl mit zahlreichen Beilagen, als: Katastralauszügen, Grundbuchsauszügen, Gewährscheinen, politischen und gerichtlichen Entscheidungen, Verträgen, Schenkungsurkunden, die zum Theile bis ins 14. Jahrhundert zurückreichen, versehen – unvollständig, unklar, manchmal ganz unverständlich oder sehr bedenklich.
Der Landeausschuß wurde übrigens durch diesen wenig befriedigenden Erfolg der Erhebungen keineswegs überrascht.
Einerseits sind die in Frage stehenden Verhältnisse, wie die weitere Darstellung noch deutlicher zeigen wird, so verwickelter Natur und so unglaublich unklar, daß es den Gemeindevorständen nicht zuzumuthen ist, ohne sehr fachkundige Beihilfe vollständige und klare Berichte zu verfassen. Zuletzt – so meinen viele Leute – kommt es bei solchen Erhebungen darauf hinaus, den Gemeinden etwas wegzunehmen oder sie weiter zu belasten oder mindestens die vorhandenen Zuständezu ändern, wobei man nie wissen kann, ob die Veränderungen auch angenehm sein werden. Sind die Besitzenden und Genießenden am Ruder, so fürchten sie in Besitz und Genuß gestört zu werden; gehört der Gemeindevorstand dagegen nicht der begünstigten Classe an, so hofft er auf eine Verbesserung. Die Berichte sind daher entweder zurückhaltend oder tendenziös gefärbt, ja zuweilen kamen aus einer Gemeinde zwei Berichte, der eine von der in dem Gemeindeausschusse dominirenden begünstigten Classe, und der andere von den Vertretern der Minorität, die sich vollständig widersprechen. Alles dieses war vorauszusehen und wurde auch mehr oder minder vorausgesehen. Die Verfassung einer vollständigen, in allen Details richtigen und klaren Darstellung dieser, Verhältnisse in ganz Niederösterreich wäre Sache eines eigenen mit Beamten wohl dotirten Departements, welches die Zustände Gemeinde für Gemeinde commissionell untersuchen müsste. Auf diese Weise würde man im Verlaufe mehrerer Jahre ein befriedigendes Operat erhalten können.
Daran war nun selbstverständlich nicht zu denken, es ist aber auch zur Erreichung des für heute vorgesteckten Zieles überflüssig. Kommt das gewünschte Gesetz zu Stande, dann erst wird es die Aufgabe der mit der Durchführung betrauten Personen oder Commissionen sein, die Verhältnisse in jeder Gemeinde zu erforschen, gegenwärtig genügt es, wenn ein getreues Bild dieser Verhältnisse in allgemeinen Umrissen geboten wird, und hiezu liefern die durchgeführten Erhebungen ein vollkommen ausreichendes Materiale. Es genügen in dieser Beziehung vollkommen die eingelaufenen Berichte, die zahlreichen Beilagen derselben, die bei den verschiedensten Anlässen im Verlaufe der Jahre gemachten Wahrnehmungen und einige literarische Hilfsmittel, indem die Entstehung der Besitz- und Nutzungsverhältnisse des Gemeindeeigenthums und die allmälige Aus- und Umbildung in den meisten europäischen Staaten wesentlich gleich ist, während die Detailgestaltung fast in jedem Dorfe sich verschieden darstellt.
Nachdem alle Fehlanzeigen und die vielen Berichte, welche nicht einmal annähernd sichere Daten lieferten, bei Seite gelegt waren, blieben noch 482 Katastralgemeinden in 340 Ortsgemeinden übrig, in welchen sich liegendes Gemeindeeigenthum mit unklaren oder streitigen Nutzungsverhältnissen im Ausmaße von 48.044 Jochen im Werthe von 2,429.507 fl. befindet. Diese Zahlen sind aber durchaus Minimalzahlen, denn es steht über allem Zweifel, daß Umfang und Werth dieses Eigenthums bedeutend höher ist und daß sich in sehr vielen anderen Gemeinden ganz gleiche Verhältnisse durch Localerhebungen ermitteln lassen.

II. Die Geschichte lehrt es und es ist, um alles Weitere zu verstehen, nothwendig, es sich wohl einzuprägen, daß – von vereinzelten Ausnahmen abgesehen – die Ansiedlung, aus denen unsere heutigen Ortschaften und Gemeinden hervorbringen, nicht so entstanden sind, wie etwa in Nordamerika, wo der Ansiedler Grund und Boden entweder occupirt oder von der Regierung kauft, so daß mit dem Erwerbe von Sondereigenthum begonnen wird, sondern daß bei den deutschen (auch den romanisierten) und slavischen Völkern die Gesetzhaftwerdung mit dem Erwerbe von Gesammteigenthum durch eine Anzahl von Personen, durch eine Genossenschaft begonnen hat, und das Sondereigenthum erst später sich daraus entwickelte, so zwar, daß noch am heutigen Tage manche Einrichtung, manche nur mehr rudimentäre Institution das Hervorgehen des Sondereigenthumes aus dem genossenschaftlichen Gesammteigenthume erkennen lässt, ja daß vielleicht – mit unbedeutenden Ausnahmen – alles Gemeindeeigenthum am Lande nichts anderes ist, als der meist sehr zusammengeschmolzene Rest des alten Genossenschaftsvermögens. Sobald eine Anzahl Männer sich ansiedelte, erwarben sie entweder durch Occupation herrenlosen Gutes oder – und in Niederösterreich dürfte dies regelmäßig der Fall gewesen sein – von einem Feudalherrn, einem Ritter, einem Bischofe, einem Kloster u. s. w. einen größeren oder kleineren Landstrich, eine Dorfmark. Ob übrigens der Grunderwerb in der einen oder anderen Weise stattfand, ob es freie oder hörige Bauern waren, das ist für die hier in Rede stehende Frage ganz gleichgiltig, die hörigen Bauern zahlten eben Grundzins, das Eigenthum der Dorfmark war nur ein Nutzungseigenthum, aber jedenfalls, Gesammteigenthum, denn es wurde der Gesammtheit und nicht dem Einzelnen verliehen. Die Gesammtheit aber wies jedem Einzelnen einen Theil der Dorfmark zur individuellen Benützung zu, der unvertheilte Rest blieb als reines Gesammteigenthum übrig. Was dem Einzelnen zugetheilt wurde, was der Einzelne cultivirte, wurde allmälig wahres Sondereigenthum, welches aber die Spuren seines Ursprunges aus dem Gesammteigenthume niemals ganz verlor. in Russland soll bis in die neueste Zeit an dem Gesammteigenthume so festgehalten werden, daß alle Culturgründe Jahr für Jahr neu vertheilt werden.

Was bei der Beurtheilung übrig blieb, gehörte fortan der Gesammtheit und wurde von ihr benützt. Es waren dies natürlich Wälder und Weiden. jeder Dorfmarkgenosse konnte aus dem Walde das nöthige Bau-, Werk- und Brennholz nehmen und sein Vieh auf die Weide treiben. Die Ansiedler bildeten daher eine auf gemeinsamen Besitz getheilter und ungetheilter Grundstücke beruhende Wirtschaftsgenossenschaft und sind wohl zu unterscheiden von den Gemeinden im heutigen Sinne des Wortes. Selbst der alte und moderne Staat bei aller Verschiedenheit des Begriffes sind einander viel ähnlicher als die alte Dorfmarkgenossenschaft und die heutige Gemeinde. Die alte Gemeinde war keine juristische Person, welche ein Eigenthum neben dem Sondervermögen der Einzelnen belaß, sondern die Einzelnen waren eben Miteigenthümer der Dorfmark mit wirtschaftsgenossenschaftlichen Einrichtung, die ungetheilte Dorfmark wurde daher von Einzelnen kraft ihres Miteigenthumsrechtes benützt und diese Benützung nur aus wirtschaftlichen Gründen von der Gesammtheit geregelt. Als Wald und Weide noch für Alle ausrechten, galt der Grundsatz, daß jeder nach seinem Bedarfe, das heißt nach dem Bedarfe seiner Wirtschaft, Holz schlagen und Vieh auf die Weide treiben durfte, bald aber mussten Einschränkungen eintreten, insbesondere in Bezug auf den Wald, entweder in der Art, daß die Organe der Genossenschaft bestimmten, ob ein Bau, sei es Neubau, Zubau oder Umbau, oder eine Einzäunung, wozu Holz benöthigt wurde, wirklich nöthig ist, oder – und das war die Regel – es wurde von der Gesammtheit bestimmt, wie viel Holz jedes Jahr zu schlagen ist, das geschlagene Holz wurde in gleiche Partien vertheilt und dann durchs Loos Jedem eine Partie zugewiesen. Diese Einrichtung besteht noch heutzutage in vielen niederösterreichischen Gemeinden und der uralte Ausdruck „ein Lüß Holz“ ist noch heute unseren Gemeinden geläufig. Immer aber war es in älteren Zeiten unbedingt verboten, daß der Einzelne aus der Gemeinde Holz verkaufte, aber war es in älteren Zeiten unbedingt verboten, daß der Einzelne aus der Gemeinde Holz verkaufe, denn sein Recht war nur ein Nutzungsrecht nach seinem Naturalbedarfe.

Bei der ersten Ansiedlung wurden ohne Zweifel jedem Genossen gleich viele und große Grundstücke zur Cultur zugewiesen, dafür spricht auch, daß die Bauernwirtschaften derselben Kategorie in ein und derselben Gemeinde bis zur Aufhebung des Bestiftungszwanges ziemlich gleich groß waren, und daß bei späteren Vertheilungen bis zum heutigen Tage gewöhnlich Jeder in gleiches Stück erhielt. Zu den ersten Ansiedlern kamen in vielen Gemeinden bald noch andere hinzu, deren Aufnahme selbstverständlich von der Zustimmung der Genossen abhing, weil ja der neue Ankömmling nur durch Zuweisung eines Stückes der noch ungetheilten Mark Grundbesitz erweben konnte. Mit der Zuweisung dieses Grundstückes zur Cultivirung erhielt er aber auch das Miteigenthum an der noch ungetheilten Dorfmark; das Einkaufsgeld, welches er dafür in der Regel zu entrichten mußte, hatte daher eine ganz andere Bedeutung als die heutige Gebühr für die Aufnahme in den Gemeindeverband.

Eine solche Wirtschaftsgenossenschaft konnte aber ohne eine Organisation nicht bestehen und gedeihen. Die Gesammtheit der Genossen bestimmte die Verfassung wählte Vorsteher, welche darüber machten, daß die Rechte der Genossen und ihre Pflichten gewahrt und nach dem Bedürfnisse der Genossen abgemessen werden. Das Nächstliegende war die Sorge für die Errichtung und Erhaltung der Wege und Stege, um die communication im Inneren der Dorfmark, dann die Verbindung mit der Außenwelt zu sichern. Wo Bäche, Flüsse oder das Meer den Boden bedrohten, mußte derselben durch Dämme und Deiche geschützt werden. ein sicheres Merkmals der Abteilung des Sondereigenthumes aus dem Gesammteigenthume ist die Brach- und Stoppelweide, In Brachjahren, in der zeit nach der Ernte und die Neubestellung, trat das Sondereigenthum zurück in das Stadium der ungetheilten Feldmark. Damit dies geschehen könne, mussten alle Felder derselben Flur im gleichen Jahre brach liegen, die Ernte und die Neubestellung gleichzeitig stattfinden; der Flurzwang, der Culturzwang, die Vorschriften über die zeit der Bestellung und der Ernte entsprangen daher nicht dem modernen Begriffe der Polizeihoheit, sondern dem Begriffe der Wirthschaftsgenossenschaft. Gewisse weitere Bedürfnisse machten sich schon frühzeitig geltend. Dem Grundherrn mußte der Zins, dem Landesherrn Geld- und Blutsteuer entrichtet werden. Diesen Anforderungen standen nicht die Einzelnen, sondern die Genossenschaft gegenüber. Hiezu kam weiter die Kirsche, das heißt die Sorge für die Herstellung und Erhaltung der Gotteshäuser, der Pfarrerswohnung, für die Dotirung des Seelsorgers, später auch die Sorge für die Schule. Die Organe der Genossenschaft mussten für den Entgang an Zeit und für ihre Mühewaltung entlohnt werden. Die Mittel zur Befreidigung aller dieser Bedürfnisse wurden theils durch das Erträgniß der noch ungetheilten Feldmark, theils durch die unter sich gleichen, daher auch zu gleichen Theilen beitragenden Genossen aufgebracht. Diese Leistungen waren überwiegend Naturalleistungen, wie überhaupt die Naturalwirthschaft immer das Ursprüngliche ist, die Geldwirthschaft erst später ergänzend dazu trat, so daß heute noch, allen Gesetzen zum Trotze, in vielen Gemeinden die Naturwirthschaft überwiegt, und an der gleichen Leistung aller Genossen einer natürlichen Consequenz des ursprünglichen gleichen Grundbesitzes, noch jetzt bei ganz veränderten Verhältnissen mit Zähigkeit festgehalten wird.

Die Bestreitung diese genossenschaftlichen Auslagen erfolgte nun in verschiedener Weise.
Was den Holzbedarf betrifft, so wurde häufig dem Richter außer der auf ihn als Genossen entfallenden Partie noch ein zweites Lüß Holz zugewiesen, ebenso dem Pfarrer, eine Einrichtung, die sich in den ältesten Urkunden vorfindet und noch heute in vielen Gemeinden besteht. Vielfach wurden auch bestimmte Grundstücke, Waldtheile, Weideflecken, ja Aecker und Weingärten, welche zur gemeinen ungetheilten Feldmark gehörten, bestimmten Zwecke gewidmet. Von dieser Naturalwirthschaft herrührenden Naturaldotation schreiben sich viele Ausdrücke, wie Kirchholz, Pfarrwald, Richtwiese, Schulacker u. s. w. her, die den Grundstücken noch heute ankleben, obwohl ihre Bestimmung häufig aufgehört hat, und die Grundstücke heute entweder unbelastetes Gemeindeeigenthum oder gar Privateigenthum sind. Dies ist die erste Spur der Tehilung der Feldmark in solche Gründe, welcher der Benützung aller Genossen, und solche, welche im Interesse Aller bestimmten Zwecken gewidmet sind. – eine Unterscheidung, welche §. 288 des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches mit den Worten „Gemeindegut“ und „Gemeindevermögen“ bezeichnet, eine Unterscheidung, welche jetzt zu vielen Streitigkeiten und Verwirrungen Anlaß gibt, weil die Gesetze hierüber fast gänzlich schweigen, weil Kataster und Grundbuch nur Besitz und Eigenthum, aber kein Gemeindegut und keine Gemeindevermögen kennen, weil die Genossenschaft jede specielle Widmung – von Stiftungen natürlich abgesehen – jederzeit widerrufen konnte, den Grundstücken daher die bleibende Qualität als Gemeindegut oder Gemeindevermögen nur durch die allmälige Vernichtung der alten genossenschaftlichen Errichtungen, durch Willküracte der obrigkeitlichen Gewalt und mittelst des leidigen Hilfsmittels der Verjährung aufgedrückt werden konnte.
Blieb nun nach den Naturalbezügen der Genossen und nach der Deckung der allgemeinen Genossenschaftsauslagen von den Erträgnissen der gemeinen Mark noch etwas übrig, so wurde dieser Ueberschuß veräußert und der Rest von den Genossen – vertrunken. Nach zahlreichen Urkunden ist dieses Vertrinken des unbenöthig Ueberschusses der Erträgnisse der gemeinen Mark ein fast zur Höhe einer Rechtsinstitution erhobener alter Gebrauch, von welchem ohne Zweifel die in vielen Gemeinden noch heut regelmäßig stattfindenden und nur schwer auszurottenden Gemeindezechereinen herrühren, nur mit dem Unterschieden, daß dieses Zechen als fixe Verwendungsart betrachtet wird, wenn auch die Gemeindecasse keinen Ueberschuß, sondern ein Deficit ausweist. Dagegen ist es richtig, daß auch in der ältesten Zeit der Naturalbedarf der Genossen, sei es nach Maßgabe des Hausbedarfes, sei es nach fixen Losportionen, immer zuerst gedeckt wurde, und daß eine Einschränkung hierin auch dann nicht eintrat, wenn der sohin verbleibende Ueberschuß zur Deckung der allgemeinen Genossenschaftsauslagen nicht hinreichte, in welchem Falle der Abgang von den Genossen ergänzt wurde. Hierin zeigt sich am deutlichsten, daß die ungetheilte Feldmark nicht als Eigenthum der Gemeinde, D. h. einer juristischen Person, welche ihre Bedürfnisse zunächst aus den Erträgnissen ihres Eigenthumes bestreiten würde, sondern als Miteigenthum der Genossen zu betrachten ist. Dies erhellt weiters aus einer noch heute in vielen niederösterreichischen Gemeinden herrschenden Gepflogenheit, welche sich genau an die oben geschilderte Genossenschaftswirthschaft anschließt.

Die bei der ersten Ansiedlung der Genossen zur individuellen Bearbeitung zugewiesene Theile der gemeinen Dorfmark gingen allmälig in das Sondereigenthum über, sie konnten uneingeschränkt verwerthet und verkauft werden. Hatte dieser Zustand durch Generationen gedauert, so wurde zwar die Gemeinde noch lange nicht als juristische Person gedacht, die ein von den Genossen nicht anzusprechendes besonderes Eigentum besitzt, aber der Unterschied zwischen Sondereigenthum und ungetheilter Dorfmark prägte sich doch den Genossen ein und gelangte zu einer juristischen Bedeutung, welche um so deutlicher hervortrat, je mehr sich der Begriff des Sondereigenthums entwickelte. die Mitbenützung der ungetheilten Dorfmark wurde daher zum Unterschiede von dem Sondereigenthum oder „Erbe“ als „Gemeindenutzen“ bezeichnet. Wenn nun später neue Vertehilungen stattfanden, Wald gerodet, Weide aufgerissen wurde, so bleib die Erinnerung haften, daß er ein Theil der Dorfmark ist, und sowie der Gemeindenutzen an dem neuvertheilten Grunde in der Benützung desselben als Aecker oder Weinberg. Gegen das Bergessen dieses Ursprunges schützte sich die Genossenschaft dadurch, daß die Vertheilung durchs Los nicht für immer, sondern nur für eine gewisse Anzahl von Jahren erfolgte, nach deren Ablauf eine neue Verlosung stattfand. Die Verlosungsperioden wurden immer länger, zuweilen wurde die neue Verlosung stillschweigend unterlassen und nach langer Zeit wieder einmal aufgenommen. In Deutschland sollen solche zehnjährige Verlosungsperioden noch heute bestehen und in einer nahe bei Wien gelegenen Gemeinde wurde sogar im laufenden Decennium eine neue Verlosung solcher Weinberge vorgenommen, obwohl die Minderheit sich dagegen wehrte. Die Eigenschaft dieser Losgründe als Dorfmakr äßert sich auch darin, daß sie dem Genossen, der die Cultivirung unterließ oder der sich weigerte, die Genossenschaftspflichten zu erfüllen, wieder entzogen wurden (eine Art Abstiftung), von welchem Recht die niederösterreichischen Gemeinden noch heute zuweilen Gebrauch machen, do daß selbst im laufenden Jahre solche Fälle im Beschwerdewege dem Landesauschusse zur Kenntniß kamen.

Durch diese fortgesetzten Vertheilungen schmolz die ungetheilte Dorfmark immer mehr zusammen es kam also immer häufiger vor, daß die Genossen zur Bestreitung der nicht in natura zu leistenden Gemeindebedürfnisse herangezogen wurden. Dies geschah und geschieht noch heute in der Art, daß die Genossen entweder einen fixen oder, was häufiger der Fall ist, einem mit dem Deficit der Gemeindecasse wechselnden Jahresbeitrag der Gemeinde zu zahlen haben. Da die Losgüter glich groß sind, so hat jeder Genosse, ohne Rücksicht auf seinen sonstigen Besitz und seine Steuerleistung, gleich viel zu zahlen. Es gewinnt dadurch den Anschein, als ob diese Zahlungen einen Pachtzins repräsentiren, was, wenn man den Ursprung der Errichtung ins Auge fasst, durchaus nicht der Fall ist. Dauert aber ein solches Verhältniß lange fort, bleibt die Zahlung gleich und sit sie im Verhältniß zu dem Erträgniß eine sehr geringe, so nimmt es immer mehr den Anschein eines Erbpachtes oder Erbzinses an.

III. Die Anzahl der Genossen in einer Gemeinde zeigt oft eine überraschende Beständigkeit. Besonders in solchen Gemeinden, welche weitab vom großen Verkehre liegen, blieb die Zahl der Genossen seit Jahrhunderten die gleiche. In früheren Zeiten dürfte die Theilung eines Gutes in zwei, vier oder acht Theile (Ganzlehen, Dreiviertellehen, Halblehen, Achtellehen) häufig vorgekommen sein, ein solches getheiltes Gut hatte dann auch nur den entsprechenden Bruchtheil des Gemeindenutzens und wurde auch bei der Vertheilung von Losgründen nur mit dem entsprechenden Bruchtheil des Gemeindenutzens und wurde auch aber kommen solche Theilungen nicht mehr vor, seit der Aufhebung des Bestiftungszwanges entfallen sie von selbst.

Die Benennungen dieser Genossen sind nun in den verschiedenen Ländern theils verschieden, theils aber auch ganz dieselben. Sehr verbreitet in und außer Oesterreich ist der Name „Bauern“, außerdem kommen bei uns noch vor „Großbauern“, „Urhausbesitzer“, dann specielle auf die Provenienz der Ansiedler deutende Namen, wie z. B. im Bezirke Tulln „Altpassauer“. Ein eigenthümlicher Name ist in mehreren Gemeinden von Oberhollabrunn üblich, nämlich „Gemeindemitleidige“, wodurch also das Schwergewicht nicht auf die Rechte, sondern auf die Pflichten oder Lasten der Genossen gelegt wird, welche mitgenießen, aber dafür auch mitleiden, das heißt die Lasten mittragen. Bemerkenswerth und ein Beweis für die Gleichartigkeit der Zustände und Anschauungen und sogar Ausdrücke in allen deutschen Ländern ist, daß derselbe Ausdruck unter Anderem auch in der Henneger´schen Landesordnung von 1539 vorkommt. Der verbreitetest Name aber ist „Nachbarn“ und für die Genossenschaft als Ganzes „Nachbarschaft“ und „Gemeinde“. Schon die ältesten Urkunden sprechen von den „Nachbauern““ oder Nachbarn, und gleichbedeutende Worte finden sich n allen Sprachen als Bezeichnung für dasselbe Verhältniß, so in französischen Urkunden voisings und voisinage, bei den Normanen und Schotten vicinetum und visnetum, in Italien vicinantia. Da der Bestiftungszwang nicht zur Schaffung, sondern zur Erhaltung de vorgefundenen Bauerngüter eingeführt wurde und eigentlich nur in späterer Zeit durch positives Gesetz fanctionierte, was in früheren Zeiten, wo der alte Gebrauch als solcher geheiligt war, schon bestanden hat, so bezeichnet auch der oft übliche Ausdruck „Bestiftete“ die Genossen der alten Dorfmark.

Neben den Genossen gab es aber und mußte es geben noch manche in der Gemeinde ansässige, ja daselbst geborene Leute, die gleichwohl keinen Antheil an der Genossenschaft hatten.

Zunächst waren dies die Familienmitglieder der Genossen. Nur der Besitzer des Hauses war Genosse, derselbe mußte eine eigene Feuerstätte – „eigen Rauch und eigen Speise“ – haben. Starb ein „Nachbar“ und übernahm ein Kind das Haus mit der Wirthschaft, so war nur er „Nachbar“, die Geschwister wurden es nicht. Dazu kamen überhaupt alle Knechte und Mägde, dann jene Bauern, welche ihren Besitz verkauften, auch wenn sie in der Dorfmark wohnhaft blieben. In vielen Ländern – in manchen schon sehr früh – war es gestattet, den „Gemeindnutzen“ allein zu verkaufen; durch diesen Verkauf verlor der Bauer ebenfalls kein Nachbarrecht, obwohl er sein Sondereigenthum behielt. Endlich – und das ist die Hauptsache – siedelten sich im Verlaufe der Zeit auch Fremde an, ohne ein Bauerngut zu erwerben. Sie erwarben ein Stück Grund entweder von der noch ungetheilten Mark oder von einem Bauer und bauten sich darauf ein Haus, hiezu gehörten insbesondere alle Dorfhandwerker. Für alle diese Personen gab es unzählige Nahmen, der gebräuchlichste in Deutschland war „Hinterlassen“, bei uns aber „Häusler“, „Kleinhäusler“, und wenn sie auch nicht einmal ein eigenes Haus besassen und sich daher einmietheten, „Inwohner, Inleute“. Alle diese Personen standen außerhalb der Genossenschaft, sie hatten kein Miteigenthum an der freien Mark, die Genossenschaft gab ihnen Schutz, gestattete ihnen öfter bald mehr, bald weniger Beneficien in Bezug auf Wald und Weide, doch war dies Sache der Gemeinde, einen Anspruch aus dem Titel des Miteigenthumes hatten sich nicht, daher auch diese Bestattungen öfter wechselten und die Kleinhäusler häufig eine fixe jährliche Gebühr als „Schutzgeld“, „Häuslergeld“ oder „Kleinhäuslergeld“ entrichten mussten und in manchen Gemeinden noch heute entrichten mussten und in manchen Gemeinden noch heute entrichten. Im Uebrigen waren sie weder Mitgenießer, noch „Mitleidige“ und hatten absolut keinen Antheil am Gemeinderegiment.

Der späteren Darstellung etwas vorgreifend, werde schon hier bemerkt, daß die „Nachbarn“ die ursprünglichen Besitzer der Dorfmark und daher des Gemeindnutzens, die allein die Lasten der Gemeinde trugen sie allein regierte und repräsentirten sich auch von jeher als die alleinigen Mitgleider der Gemeinde betrachteten und als solche ebenso von den Häuslern und von der Obrigkeit betrachtet wurden. „Nachbarschaft“ und „Gemeinde“ waren zwei Worte für denselben Begriff, und so ist es in sehr vielen Gemeinden noch heute! Unter dem Bestande der heute geltenden Gemeindeverordnung geschah es nicht selten, daß die Nachbarn Geld zusammenlegten, sich einen Grund kauften und den Kaufvertrag durch den Gemeindevorsteher abschließend oder doch überwiegend aus Nachbarn zusammengesetzt, im Wege des Edictalverfahrens Nachbarschaftsgründe, die noch in keinem Grundbuche innelagen, in das Grundbuch als Gemeindeeigenthum eintragen ließen, was Alles selbst im laufenden Jahrzehnd nicht selten geschehen ist. Charakteristisch für die festgewurzelte Rechtsüberzeugung, daß Nachbarschaft und Gemeinde zwei Worte für dieselbe Sache sind, waren mehrere auf das Circulare eingelangte Berichte. Es heißt darin, daß in der betreffenden Gemeinde solche unklare Verhältnisse, wie sie in dem Circulare angedeutet sind, nicht bestehen, daß die Gemeinde im Kataster und im Grundbuche als Besitzerin der Gemeindegründe erscheine, daß auch noch Niemand der Gemeinde ihren Besitz und Genuß streitig gemacht habe. Nachdem Alles dieses ausführlich und mit einem gewissen Eifer betheuert worden war, so daß man in der That glauben konnte, hier sei Alles in bester Ordnung, kam der Schlußpassus, daß die Kleinhäusler auch niemals den Anspruch erhoben hätten, an dem Gemeindevermögen einen Antheil zu haben!“ Es zeigte sich auch in der That, daß in diesen Gemeinden die Nachbarschaft als alleinige Trägerin des Gemeindevermögens, aber auch der Gemeindelasten angesehen und unter der Gemeinde nur die Nachbarschaft verstanden wurde. Auch sonst werden in zahlreichen Berichten die Kleinhäusler immer der Gemeinde entgegengesetzt und als außerhalb derselben bestehend betrachtet, und dieses Verhältniß wird als ein ganz selbstverständliches hingestellt.
Wären nun heutzutage die Zustände noch so, wie sie sich nach obiger Darstellung entwickelt habe und sich nach einem ziemlich einfachen Grundschema darstellen lassen, wäre die Organisation der Nachbarschaft intact, die Rechtsüberzeugung im Volke noch stets und bestimmt, und würde die Gesetzgebung sich an wirkliche Zustände und Bedürfnisse angeschmiegt haben, sö läge kein Grund zu neuem legislativen Eingreifen vor. So steht es aber nicht.
Mit dem Erstarken der staatlichen, mit der Ausdehnung der gutsherrlichen Gewalt trat die Selbstthätigkeit der Bauern wie der Bürger in der Besorgung der eigenen Angelegenheiten zurück. Sowie sich die Uebung eines Rechtes aber verliert, so schwindet auch das Bewußtsein desselben, das Verständnis der eigenen Zustände. Die lebendige Tradition erlischt oder erhält sich nur unvollkommen, unbegriffene Bruchstücke werden festgehalten, alte Begriffe mit neuen Namen bezeichnet und dadurch verwirrt, am grünen Tische werden Gesetze gemacht ohne Kenntnis der realen Verhältnisse, ja mit vornehmer Ignorirung der geschichtlichen Entwicklung, Regierer und Regierter verstehen sich nicht mehr, reden einander fremde Sprachen, da muß ein Chaos entstehen – und es ist entstanden. Mit der durch die Aufgabe gebotenen Kürze sollen nun die eingetretenen Veränderungen, deren Ursachen und die heutigen Zustände angedeutet werden.

IV. Als der sich entwickelnde moderne Staat anfing sich mit den Gemeinden zu beschäftigen, geschah dies zuerst zu fiscalischen Zwecken, er ließ Grund und Boden behufs Anlegung der Grundsteuer vermessen und schuf die Katastral- oder Steuergemeinde, der territoriale Umfang der Steuergemeinde war in den meisten Fällen gleich der der alten Dorfmark, deren Grenzen seit unvordenklichen Zeiten bekannt und unverändert waren und sich daher sehr bequem zur Begrenzung der Steuergemeinde eigneten. In vielen Fällen wurden aber auch mehrere Dorfmarken zu Einer Katastralgemeinde zusammengezogen, diese heißen jetzt einfach „Ortschaft“, „Dorf“ und haben keine gesetzliche Repräsentanz, sie bestehen immer nur aus wenigen Bauernwirthschaften, deren Besitzer die ungetheilte Dorfmark selbst verwalten. Die Steuergemeinde war aber auch als unterste politische Einheit zu verwenden und wurde so verwendet. Grundstücke, welche nicht Eigenthum Einzelner waren, wurden nun einfach der „Gemeinde“ zugeschrieben, wogegen Niemand Einsprache erhob, da ja die „Nachbarschaft“ anerkanntermaßen zugleich die „Gemeinde“ war. Derselbe Vorgang wiederholte sich bei der Anlegung der Grundbücher. So harmlos alle diese Einrichtungen schienen, bald wurden sie die Quelle grenzenloser Verwirrung und endloser Streitigkeiten.

Jedermann musste in einer Gemeinde heimatsberechtigt sein und die Heimatberechtigung ist eine gleiche für das Bettlerkind und für den reichsten Wirthschaftsbesitzer. Schon vor dem Jahre 1849 sorgte das Gesetz für eine angemessene Vertretung der Kleinhäusler, seither hat der Unterschied zwischen Bauer und Kleinhäusler völlig aufgehört politische Bedeutung zu haben, nur der Steuergulden macht einen Unterschied im Wahlrechte, durch den dritten Wahlkörper ist aber auch für die minder Bemittelten gesorgt, das Dorfregiment kann ganz gut vollständig in die Hände der Kleinhäusler kommen, wenn sie die Mehrheit im Ausschusse bilden, die Lasten endlich sollen nach dem Steuergulden getragen werden. Ist diese moderne Gemeinde, dieser Mikrokosmus des Staates, diese juristische Person aber noch dasselbe wie die alte Dorfmark mit ihrer Wirthschaftsgenossenschaft? Gewiß nicht, der territoriale Umfang und der Name ist derselbe geblieben, die Sache, der Begriff haben sich völlig geändert. Im Kataster aber und im Grundbuch steht noch der Name „Gemeinde“; wer ist nun das Rechtssubject bezüglich der dort eingetragenen Gemeindegründe?

Die alte Organisation der Nachbarschaft ist zertrümmert. Zu einer Zeit entstanden, da Privatrecht und öffentliches Recht noch nicht so begrifflich geschieden waren wie heute, verlor sie im modernen Staate den öffentlichen Character, ohne daß man daran dachte, ihre genossenschaftliche Organisation in Bezug auf ihre Privatrechte zu erhalten, da keine der römisch-rechtlichen Formen schlechtweg auf anwendbar war. Die „Gemeinde“ erschien in allen Urkunden als Eigenthümerin und so beerbte die moderne Gemeinde ihre Mutter, die Nachbarschaft, ohne daß letztere gestorben wäre. Wenn man aber die Geschichte vergaß – die noch lebende Thatsache konnte man nicht ignorieren. Thatsächlich waren die Besitzer gewisser Häuser im Genusse oder im beschränkten oder unbeschränkten Mitgenusse gewisser Grundstücke. Man versuchte zuweilen diesen factischen Genuß aus dem Begriffe der Dienstbarkeit zu erklären, das ist aber nicht nur historisch grundfalsch, sondern auch den thatsächlichen Zuständen nicht entsprechend. Da man nun kein Schubfach fand, in welches man diese Rechtsverhältnisse stecken konnte, so ließ man sie einfach als weiter nicht definierbare Nutzungsrechte gelten. Ein Recht aber, durch welches ein scheinbar zweifelloses, auf Privat- und öffentliche Urkunden gegründetes Eigenthum beschränkt wird, ein Recht, dessen Ursprung in Vergessenheit gerathen, dessen Titel unfindbar, dessen juristische Qualität undefinirbar, dessen Grenzen unsicher sind, ein solches Recht musste den Verdacht der Asurpation erwecken, es mußte der rationalistischen Rechtsschule verdächtig und unbequem sein, den nicht berechtigten Gemeindemitgliedern als ein gehässiges Vorrecht erscheinen; das gute alte Recht der Nachbarn erschien als ein Raub an der Gemeinde, ihr Eigenthum wurde als Diebstahl betrachtet, ein solcher Zustand mußte zum Kampfe herausfordern, und der Kampf begann auch wirklich.

Er kam in früheren Zeiten nur vereinzelt vor, seit etwa hundert Jahren aber ruht er nie mehr vollständig, er wird bald still, bald laut geführt, er macht Pausen, bis wieder unter den Kleinhäuslern ein Führer (Gemeindestörer sagen die Bauern) ersteht, er wird durch Waffenstillstände, Vergleiche genannt, unterbrochen, der Sieg neigt sich bald da-, bald dorthin, das Recht aber wird dadurch nur immer mehr verdunkelt. Dazwischen gibt es zahlreiche ruhige Gemeinden, in denen der Kampf entweder ausgetobt hat oder noch nicht entbrannt ist.

Ruhe herrscht insbesondere in solchen Gemeinden, wo sich die alten Zustände der Hauptsache nach nicht bloß in Bezug auf den Genuß, sondern auch in Bezug auf die Lasten erhalten haben, wo die Nachbarn im Ausschusse der Gemeinde vorherrschen, das Gemeindeeigenthum für sich verwalten, aber auch alle Gemeindelasten allein tragen, so dass weder der Großgrundbesitzer, noch der Kleinhäusler oder der in einer fremden Gemeinde wohnende Grundbesitzer in Anspruch genommen wird. Weigert sich in solchen Gemeinden eine Nachbar, seinen Theil zu den Gemeindeauslagen beizusteuern, so wird ihm einfach wie in den alten Zeiten der „Gemeindenutzen“ entzogen. Es gibt Fälle, dass die Nachbarn, um ihr Nachbarrecht zu behaupten, mehr für die Gemeinde leisten, als nach dem Steuergulden auf sie anfiele, ja, in einer Gemeinde wurde Demjenigen, der einen „Gemeindenutzen“ übernahm, noch etwas gezahlt, weil dieser „Nutzen“ kleiner war, als die auf einen Nutzantheilo entfallende Gemeindelast. In solchen Verhältnissen mag es auch gegründet sein, dass in vielen Gemeinden niemand mehr ein Nachbarrecht in Anspruch nimmt, die Gemeinde daher unbestritten freie Eigenthümerin der Gemeindegründe ist.
Die meisten Nachbarschaften schlugen aber einen anderen Weg ein. Mit dem Wegfall ihrer politischen Vorrechte hielten sie sich auch ihrer Lasten für entbunden, als „Nachbar“ hatten sie nicht mehr Rechte in der Gemeinde als jeder andere Steuerträger, sie wollten daher auch nicht mehr leisten, als sie nach dem Verhältnisse ihrer Steuern trifft, den „Gemeindenutzen“ aber behielten sie für sich. In manchen Fällen gingen sie nicht so weit, sondern unterschieden zwischen jenen alten Lasten, welche schon in früheren Zeiten bestanden und den neueren. In vielen Gemeinden unterziehen sich daher die Nachbarn der Last für die Erhaltung der Wege und Stege, und allenfalls der Versorgung der Armen, alle anderen Lasten dagegen werden nach dem Steuergulden vertheilt. Es herrscht in dieser Beziehung die größtmöglichste Verschiedenheit unter den Gemeinden; kaum zwei Gemeinden gibt es, in welchen in dieser Beziehung völlig gleiche Verhältnisse bestehen. Zwischen den zwei Extremen, dass entweder die Nachbarn noch alle Lasten tragen oder alle Gemeindelasten gleich nach dem Steuergulden aufgetheilt werden, gibt es unzählige Mittelglieder.
Alles dieses macht aber wenig Schwierigkeiten, wenn und solange die Gemeindelasten gering sind und die Nachbarn den Besitz in der Gemeinde repräsentieren; in beiden Beziehungen haben sich aber die Verhältnisse gründlich geändert.
Es bedarf keiner weitwendigen Auseinandersetzung, dass die Gemeinden durch die Anforderungen, welche die Gegenwart an sie stellt, schwer überbürdet sind. Das Capitel „Gemeindeangelegenheiten“ in dem jährlichen Rechenschaftsberichte des Landesausschusses und die zahlreichen Besuche um die Bewilligung höherer Umlagen belehren auch Denjenigen, welcher nicht am Lande lebt, die Zustände nicht aus eigener Wahrnehmung kennt. Diese enormen Lasten stehen oft im schreiendsten Missverhältnisse zu dem meist sehr zusammengeschmolzenen Gemeinde- respective Nachbarschaftsvermögen. Repräsentirt aber die Nachbarschaft den Besitz, ist die von den Nachbarn zu entrichtende Staatssteuer so bedeutend, dass daneben die übrigen in der Gemeinde vorgeschriebene directe Steuer als unbedeutend verschwindet, – wie es heute noch in vielen Gemeinden der Fall ist – dann hat der Streit darüber, ob die Nachbarn als solche Gemeindelasten allein tragen oder ob diese durch Umlage auf alle Steuern hereinzubringen sind, wenig praktische Bedeutung. Dem ist aber nicht mehr so, und von Jahr zu Jahr ändern sich die Verhältnisse immer mehr zum Nachtheile der Nachbarschaft. Man darf nämlich nicht vergessen, daß Kleinhäusler ein Jeder ist, der in der Gemeinde ein Haus, aber keine bestiftete Wirthschaft besitzt. Kleinhäusler sind also die Handwerker, die Kaufleute, Wirthe, Aezte, Notare, Advocaten. Besitzen diese Personen kein Haus, so sind sie gar nur Inwohner. Nun kann es leicht sein, und kommt nicht selten vor, daß solche Personen aus ihrem Berufe ein größeres Einkommen haben als der Nachbar aus seiner Wirthschaft. Greller noch wird das Mißverhältniß, wenn in einem Dorfe eine Fabrik errichtet wird. Wenn der Fabrikant nicht ein Bauerngut kauft – was sehr selten der Fall sein dürfte – sondern einige Kleinhäusler oder einen Gemeindegrund erwirbt, um darauf die Fabrik zu errichten, so ist er kein „Nachbar“. Ebensowenig ist dies der Gutsbesitzer, der in der Gemeinde oft mehr als die Hälfte der Steuern zahlt. Soll nun der Nachbar für seinen „Gemeindenutzen“ alle Gemeindelasten allein tragen und sollen die anderen Steuerträger frei sein? Dagegen protestiert er und verweist auf die Gemeindeordnung, welche die Auftheilung auf den Steuergulden vorschreibt. Diese anderen Personen finden das zwar in der Ordnung, verlangen aber dafür, daß auch die anderen Bestimmungen der Gemeindeordnung respectirt werde, wonach zunächst die Erträgnisse des Gemeindevermögens zur Bestreitung der Gemeindeauslagen zu verwenden sind. Kurz , wenn es sich um Gemeindelasten handelt, da weist der Nachbar darauf hin, daß alle Steuerzahler der Gemeinde zusammen die Gemeinde vorstellen, handelt es sich aber um die Benützung des Gemeindevermögens – ja Bauer, das ist ganz was anderes – da heißt es: „die Gemeinde sind wir, die Nachbarn“.
Seit der Aufhebung des Bestiftungszwanges in Niederösterreich ist dieser Zustand noch verworrener und unhaltbarer geworden. Viele ehemals bestiftete Wirthschaften und behält sich nur das Wohnhaus etwa mit einem Garten oder einem Wiesfeld. Sein Besitz ist jetzt so klein, wie der eines Kleinhäuslers war, vielleicht desselben, der ihm nun seine Wirthschaft abgekauft hat. Bleibt er nun Nachbar, behält er den Gemeindenutzen? Solche Fragen werden jetzt zuweilen an den Landesausschuß gestellt. Seit der Einführung der Freitheilbarkeit von Grund und Boden ist dem alten auf der Dorfmarkverfassung beruhenden Rechtsverhältnisse die Basis vollständig entzogen. Der „Gemeindenutzen“, der Anspruch auf die ungetheilte Dorfmark ragt nur mehr wie eine Ruine, deren richtige Bedeutung nur der Geschichtskundige zu enträthseln, deren Berechtigung der moderne Volkswirth und Politiker nicht mehr anzuerkennen vermag, in unsere Zeit herüber. Geht das so fort, so wird vielleicht in fünfzig Jahren der zuweilen nicht unbedeutende Gemeindenutzen an den Besitz einiger halbverfallener Hütten geknüpft sein, wie das Recht, Parlamentsmitglieder zu wählen, vor der ersten Reformbill in England einer Anzahl verödeter Flecken zustand, während die bevölkerten und reichen Fabriks- und Handelsstädte als politische Kleinhäusler dieses Rechtes entbehren.
Zum Schlusse dieses Theiles des Berichtes noch einige Bemerkungen. Es wurde oben erwähnt, daß die alten Dorfmarken heute theils als Katastralgemeinden, theils als Theile solcher (Ortschaften) erscheinen. Die Gemeinde-, respective Nachbarschaftsgründe, sind demgemäß in den öffentlichen Büchern den Katastralgemeinden oder Ortschaften zugeschrieben. Außer den Katastralgemeinden und Ortschaften erscheinen aber in den Grundbüchern bezüglich solcher Vermögenschaften, die offenbar auch nur Nachbarschaftsgründe sind, zuweilen noch anders benannte Rechtssubjekte, wie z.B. „Schlossgemeinde“, „Hüttlergemeinde“, „Kleinhäuslergemeinde“, „Vogtei“ u.f.w.
Bis zum Jahre 1874 wurden fast überall die Nachbarschaftsgründe in die Gemeindeinventare eingestellt, und die Einkünfte, soweit sie den Gemeinden zuflossen, in die Gemeinderechnung eingestellt, auch diese Gründe regelmäßig vom Gemeindevorsteher, der fast immer ein Nachbar ist, verwaltet. Seit es aber in einigern wenigen Gemeinden den Kleinhäuslern gelang, die Mehrheit im Gemeindeausschusse zu erlangen und einen Bürgermeister ihrer Partei zu wählen, noch mehr aber seit dem Landtagsbeschlusse, der diesen Bericht hervorrief und dem Circular, welches auf Grund dieses Beschlusses hinausgegeben wurde, wird eine Aenderung in dieser Gebarung theils angestrebt, theils durchgeführt. Die Nachbarschaftsgründe werden aus dem Gemeindeinventar ausgeschieden, von einem Ausschusse der Nachbarschaft verwaltet und deren Erträgnisse, auch wenn sie der Gemeinde zugewendet werdn, besonders verrechnet, auch stets betont, daß die Verwendung der Erträgnisse für die Gemeinde nur freiwillig und auf Widerruf gestattet werde. Zuweilen werden sogar diese Erträgnisse jetzt nur für die Nachbarn verwendet, wobei zu bemerken, daß selbstverständlich der Landesausschuß, wo immer solche Neruerungen zu seiner Kenntnis gelangen, dieselben strengstens untersagt.
Die Kleinhäusler, welche aus dem Landtagsbeschlusse und dem Circular die Hoffnung schöpfen, daß ihnen nun auch ein Erträgniß aus den Nachbarschaftsgründen zufallen werde, suchen sich seither möglichst in Besitz zu setzen. In mancher Gemeinde mehren sich die Waldfrevel, in anderen weniger sich die Kleinhäusler den Weidezins zu zahlen. In manchen Gemeinden steht faktisch und ohne Anfechtung nicht nur den Nachbarn, sondern auch den Kleinhäuslern ein gewisses Nutzungsrecht auf die Nachbarschaftsgründe zu, wobei aber zwischen alten und neuen Kleinhäusler unterschieden wird – den letzteren wird nichts zugestanden, wohl aber den ersteren, die mit Hausnummern genau bezeichnet sind – so daß wieder an den Besitz gewisser Häuser, gewisse Rechte geknüpft sind. Das kommt einfach daher, daß die Nachbarn bald mit äußerster Zähigkeit an ihren hergebrachten Rechten festhalten, bald wieder gefügiger sind, während umgekehrt die Kleinhäusler manchmal mit Ungestüm und Hartnäckigkeit ihre Ansprüche verfolgen, bald sich beruhigen und resigniren. In den für die Kleinhäusler günstigen Fällen geben endlich die Bauern – gewöhnlich wie es heißt „um Friede und Eintracht in der Gemeinde wieder herzustellen“ – etwas nach und wurden den Kleinhäuslern im Vergleichswege gewisse Mitbenützungsrechte eingeräumt. Die Gemeinde als solche profitirte von solchen Vergleichen nie etwas, die Kleinhäusler stritten besonders in früheren Zeiten, nie für die Gemeinde, sondern für sich. Friede und Eintracht überdauerte aber selten die Generationen, welche den Vergleich geschlossen hatten, einige Zeit nach dem Schlusse des ewigen Friedens begann der Kampf von Neuem und so folgen sich im Verlaufe mehrerer Jahrzehnte in derselben Gemeinde oft mehrere obrigkeitliche Entscheidungen oder gütliche Vergleiche. Den neuesten Ansiedlern gegenüber, den sogenannten „neuen Kleinhäuslern“ stand die verstärkte Phalanx der Nachbarn und der alten Kleinhäusler gegenüber, welche gewiß nur selten durchbrochen wurde. Zuweilen wurde auch den neuen Ansiedlern ein Revers abverlangt, daß sie auf den Gemeindenutzen verzichten, eine grundbücherliche Einverleibung eines Reverses, um auch den Besitznachfolger zu binden, kam aber dem Landesausschuss nicht vor.
Während die älteren Processe meistens zwischen Nachbarn und Kleinhäuslern abgeführt wurden, wobei die Letzteren auf das Miteigenthumsrecht, die Ersteren auf Ausschließung der Kleinhäusler klagten, so daß die Gemeinde kein Streittheil war und daher die ergangenen Erkenntnisse ihr gegenüber kein Präjudiz bilden, kommt in neuerer Zeit, besonders seit dem Circulare, öfter der Fall vor, daß die Nachbarn die Gemeinde klagen, wo dann, da regelmäßig die Mehrzahl der Gemeindeausschüsse zur Nachbarschaft gehört, der Landesausschuß berufen ist, für die Gemeinde einen Vertreter zu bestellen. Der Landesausschuß war bisher noch immer so glücklich, Vertreter zu bestellen, welche, in seine Intentionen eingehend, einen Vergleich zu Stande brachten. Durch diese Vergleiche wurde festgestellt, was künftig wahres Gemeindeeigenthum bleiben soll, was den Nachbarn zuzuschreiben ist, wobei zuweilen der Gemeinde auch eine bedeutende Barschaft gezahlt wurde. Der Landesausschuß legte stets großes Gewicht darauf, daß die Verhätlnisse ganz klar geordnet werden, daß keine Bestimmung getroffen werde, welche Anlaß zu neuen Streitigkeiten in der Zukunft geben könnte, wie z.B. die oft vorgeschlagene, daß die Nachbarn künftig gewisse Gemeindelasten zu tragen haben; ebenso drang er darauf, daß die den Nachbarn abzutretenden Grundstücke entweder sofort pacellirt und den einzelnen Personen separat zugeschrieben werden, oder daß mindestens die namentlich aufgeführten Personen als Miteigenthümer eingetragen werden. Es kommt nämlich aus älterer Zeit, ja bei Edictallicitationen sogar in neuerer Zeit vor, daß „die jeweiligen Besitzer der Häuser Nr. 1, Nr. 2, u.s.w.“ als Eigenthümer der Gründe eingetragen werden. Gegenüber der absoluten Freitheilbarkeit von Grund und Boden erscheint es nun sonderbar und juridisch kaum haltbar, daß ein untrennbarer Connex zwischen einem Nachbarhause und einem Miteigenthume an einem anderen Grundstüce hergestellt wird.
In vielen Gemeinde, und zwar nicht bloß in Städten, führen die Berechtigten auch den Namen „Bürger“, was übrigens auch in Deutschland bei vielen Dörfern vorkommt, indem z.B. die Bauern in den Dörfern der Mark Brandenburg in Urkunden aus dem 13. Jahrhunderte cives villae genannt wurden. Ueberhaupt kommen in den Dörfern zuweilen manche Ausbrüche vor, welche nur bei gewerblichen Verbindungen in den Städten üblich sind. So gibt es in der Gemeinde bei Retz eine alte „Berggenossenschaft“, d.h. Weinberggenossenschaft, wie solche am Rhein und in anderen Weinländern sehr häufig und nichts anderes als Nachbarschaften waren. Diese Genossenschaft nennt sich „Mariahimmelfahrt-Bruderschaft“, hat ein „Stammbuch“ aus dem Jahre 1622, wählt jedes dritte Jahr einen „Oberzechenmeister“ und einen „Unterzechenmeister“, und hat noch in diesem Jahrhunderte ein neues Mitglied aufgenommen. Alle diese Ausdrücke kommen sonst nur bei Zünften vor und doch ist auch diese Weinbauerngenossenschaft, deren Mitglieder Nutzungsrechte auf die genossenschaftlichen Weinberge ausüben, nichts anderes als eine Nachbarschaft.

V. Schon aus dieser gedrängten Darstellung, aus den verhältnismäßig wenigen Daten, welchen der Landesausschuß aus der Praxis des Gemeindereferates leicht noch sehr viele andere beifügen könnte, wird der hohe Landtag ersehen, daß die seinem Beschlusse zu Grunde liegende Ansicht, daß es in Niederösterreich noch viele verworrene, unklare und streitige Besitz- und Nutzungsverhältnisse in Bezug auf das Gemeindeeigenthum gibt, nur zu gerechtfertigt war. Die hier in Frage kommenden Rechtsbeziehungen sind allerdings gering an Zahl, aber indem sie in verschiedenen Gemeinden verschieden gruppiert oder benannt sind, indem bald die eine bald die andere dieser Rechtsbeziehungen in den verschiedenen Gemeinden fehlt, die Formulierung und Benennung sehr verschieden ist, die thatsächlichen Verhältnisse in mannigfaltiger Weise verdunkelt sind, stellt sich das Bild fast überall verschieden heraus, wie einige Papierschnitzel oder Steinchen in einem Kaleidoscop bei jeder Bewegung völlig verschiedene Gestaltungen zeigen. Es frägt sich nun: Soll etwas geschehen und was soll geschehen? Die erste Frage glaubt der Landesausschuß unbedingt bejahen zu sollen. Geschieht nichts, so muß der gegenwärtige seineswegs erquickliche Zustand immer unerquicklicher, die Unordnung und Unsicherheit immer schlimmer werden, wie wohl schon aus obiger Darstellung zu entnehmen ist. Die Civilgerichte können die verworrenen Knoten nicht lösen, sondern nur durchhauen, da die civilgerichtlichen Bestimmungen auf solche Zustände nicht berechnet sind, die Sache überhaupt nicht bloß vom civilgerichtlichen, sondern auch vom wirthschaftlichen und administrativen Gesichtspunkte aus zu beurtheilen ist. Der Landesausschuß findet in den wenigen einschlägigen Bestimmungen der Gemeindeordnung nur ganz ungenügende Directiven für sein Verhalten und sind diese Bestimmungen überhaupt einer Leuchte zu vergleichen, welche die Gegenstände nicht erhellt, sondern nur die tiefe Dunkelheit, in welche sie gehüllt sind, erst recht erkennen lässt. Überdies besitzt der Landesausschuß weder die erforderlichen Organe, um die Befolgung seiner Anordnungen controliren, noch die nöthige Executive, um sie rasch erzwingen zu können. Die Fortdauer solcher Zustände ist aber auch einerseits eine Quelle ewiger Mißhelligkeiten in der Gemeinde, und anderseits wirthschaftlich verderblich. Eine gute Bewirthschaftung von Grund und Boden setzt Sicherheit und Freiheit des Eigenthums voraus. Wenn der Nutzungsberechtigte nicht weiß, ob er in seinem Genusse ungestört bleiben, ob Capital und Arbeit, die er investiert, auch seinen Kindern zu gute kommen werden, wenn er niemals an die Gewähr des Grundstückes kommen, daher dasselbe nicht belasten und nicht mit Sicherheit veräußern kann, wenn anderseits das Vermögen der Gemeinde mit unregulierten, unsicher begrenzten Nutzungsrechten belastet ist, wird dem Boden nicht das abgewonnen, was ihm bei geordneten Rechtszuständen abgewonnen werden könnte. Unter allen Umständen laden die jetzigen Zustände mehr zur Raubwirthschaft als zur nachhaltigen Bewirthschaftung ein. Daß dem so ist, muß der Landesausschuß nach seinen Wahrnehmungen bestätigen, er ist zuweilen genöthigt, Recursen gegen sehr rationelle Beschlüsse eines Gemeindeausschusses stattzugeben und muß oft sehr gewundene Auskunftsmittel ersinnen, um einen verständigen Bürgermeister, der – obwohl selbst Nachbar – das Gemeinschädliche der bisherigen Bewirtschaftungsweiße einsieht, in seiner uneigennützigen und wohltätigen Intention zu fördern.
Zur Unterstützung dieser Ansicht sollen noch zwei Aussprüche des Herrn k.k. Ministerialrathes Karl Peyrer aus seinem trefflichen Werte „Die Regelung der Grundeigenthumsverhältnisse“ angeführt werden: „Der Genossenschaftsbesitz und der Gemeindebesitz wurden in durchaus unklarer Weise durcheinandergeworfen, so daß heute in den österreichischen Ländern hunderte von Quadratmeilen mit völlig unklaren und ungeregelten Eigenthumsverhältnissen vorkommen“ und an einer anderen Stelle: „Es darf heute nicht mehr als gleichgiltig angesehen werden, daß es derzeit in den österreichischen Ländern Grundstücke gibt, deren Flächenmaß auf mehr als eine Million Hektar angeschlagen werden muß, in welchen entweder die Eigenthumsrechte oder doch die Nutzungsrechte in einem solch unklaren, ungeordneten oder streitigen Zustande sich befinden, welcher mehr und mehr zu Störungen der Rechtsordnung führen muß“.

VI. Die eigentlichen Schwierigkeiten beginnen allerdings hier wie immer bei der Frage: Was soll geschehen? Bevor sich der Landesausschuß an die Lösung dieser Aufgabe machte, musste er sich einige Vorfragen beantworten, und zwar:

a) Steht die Legislation über diesen Gegenstand verfassungsmäßig dem Reichsrathe oder dem Landtage zu?
Mit vollkommener Sicherheit lässt sich diese Frage allerdings erst beantworten, wenn ein Gesetzentwurf vorliegt, so daß man den Inhalt desselben vollkommen kennt, aber schon aus der Natur der zu ordnenden Verhältnisse lässt sich doch eine Vermuthung aussprechen, und ohne der Anschauung des hohen Landtages irgend vorzugreifen, muß doch der Landesausschuß erklären, daß er sich mehr der Ansicht hinneigt, daß die Competenz dem Reichsrathe zusteht. Es handelt sich nämlich um die Ordnung, daher auch Abänderung von Eigenthums- und Nutzungsrechten; Eigenthum und Nutznießung gehören aber gewiß dem Gebiete des Zivilrechtes an und wenn administrative Organe zur Judicatur über solche Fragen berufen werden sollen, wenn – wie dies kaum zu vermeiden sein wird – der Zivilrechtsweg wenn nicht ausgeschlossen, so doch beschränkt werden soll, so spricht dies alles für den Reichsrath, dessen Competenz nach §. 11 K des Gesetzes vom 21. December 1867 (R. G. Bl. Nr. 141), wodurch das Grundgesetz über die Reichsvertretung vom 26. Februar 1861 abgeändert wird, die Zivilrechtsgesetzgebung zugewiesen ist. Nach der Ansicht des Landesausschusses soll also die Ordnung der fraglichen Zustände im Wege eines Reichsgesetzes, jedoch eines solchen, welches nur für das Erzherzogthum Oesterreich unter der Enns erlassen wird, erfolgen, weil einerseits die Zustände in den verschiedenen Ländern zu verschieden sind, um in einem Gesetz behandelt zu werden, weil bei einem Spezialgesetz es eher möglich ist, daß die Reichsgesetzgebung den ausgesprochenen Wünschen des hohen Landtages Rechnung trägt und weil endlich das Zustandekommen des Gesetzes in weite Ferne gerückt würde, wenn dasselbe das ganze Reich umfassen sollte. An der Competenz des hohen Landtages aber, die Erlassung eines solchen Gesetzes anzuregen, kann nach §. 19 der niederösterreichischen Landesordnung wohl nicht gezweifelt werden.

b) Soll der Landesausschuß einen vollständig ausgearbeiteten Gesetzesvorschlag vorlegen?
In dem eingangs citirten Landtagsbeschlusse ist nicht bloß die Frage, ob überhaupt zur Ordnung der fraglichen Verhältnisse legislativ vorgegangen werden soll, offen gelassen, sondern es fehlt auch selbst an der leistesten Andeutung darüber, in welcher Richtung, nach welchen Principien die Lösung versucht werden soll. Der Antrag auf den gedachten Beschluß ist ohne Motivirung gestellt und ohne Debatte zum Beschlusse erhoben worden, so daß dem Landesausschusse, als er an die Arbeit ging, alle und jede Directive fehlte und bis zum heutigen Tage fehlt, indem zwar jener Beschluß seither zweimal in Erinnerung gebracht, aber keine nähere Hinweisung über die Art des Vorgehens beigefügt wurde. Es ist dies zwar sehr begreiflich, da eben dem Landtage jene Anhaltspunkte fehlten, welche erst durch sorgfältige Erhebungen gewonnen werden konnten; die Situation des Landesausschusses war aber deshalb nicht weniger eine hächst schwierige, dea er auf sich allein angewiesen war und bis zur Stunde noch nicht weiß, ob die Gesichtspunkte, von denen er sich leiten ließ, die Zustimmung des hohen Landtages finden werden. Unter solchen Umständen wäre es ein missliches Beginnen, einen vollständig paragraphirten Gesetzentwurf auszuarbeiten, der vielleicht, wenn die leitenden Grundsätze keinen Anklang finden, schon in der Generaldebatte zu den Todten geworfen würde. Der Landesausschuß zog daher vor, nur die Principien eines Gesetzes auszuarbeiten und dem hohen Landtage zur Prüfung vorzulegen. Genügen dem hohen Landtage die Erhebungen, adoptirt er die vorgeschlagenen Grundsätze, oder werden diese von ihm geändert oder ergänzt, so kann sofort das Ersuchen an die Regierung gestellt werden, einen dieser Principien entsprechenden Gesetzentwurf dem hohen Reichsrathe vorzulegen. Sollte aber die Entscheidung für die Competenz des hohen Landtages ausfallen, so wird der Landesausschuß in der Lage sein, nunmehr mit sicherem Boden unter den Füßen den Gesetzentwurf für die nächste Session auszuarbeiten.
Zu diesen Erwägungen kommt noch die folgende: Bei einem Gesetze dieser Art kommt Alles auf einige wenige Principien an, indem auch das Gesetz nicht viel mehr als die Principien enthalten kann, das weitere aber den Ausführungsverordnungen überlassen bleiben muß. Wo die zu regelnden Verhältnisse so unbestimmte und verschiedene Umrisse zeigen, wo die Benennungen für dieselbe Sache so sehr wechseln und wieder dasselbe Wort so verschiedene Begriffe ausdrückt, darf das Gesetz nicht zu sehr in’s Detail gehen, wenn es nicht in zahlreichen Fällen unanwendbar, oder wenn angewendet, schädlich sein soll. Der Vorgang muß nach Bezirken und Gemeinden verschieden sein und das Gesetz den ausführenden Organen einen möglichst weiten Spielraum lassen. Da ist es also ganz entsprechend, wenn das Gesetz nur die nothwendigen Principien möglichst bestimmt ausdrückt, und genügt daher die Vorlage der Principien, um sich über das zu schaffende Gesetz ein entsprechendes Urtheil zu bilden. Sollte dagegen der hohe Landtag in dieser Beziehung einer anderen Anschauung sein, dann wäre ein vom Landesausschuß jetzt schon verfasster, nur die Principien enthaltender Gesetzentwurf wiederum eine ganz zwecklose Arbeit.

c) Soll mit der Regulierung der in Frage stehenden Eigenthums- und Besitzverhältnisse jetzt schon vorgegangen oder dieselbe mit der Durchführung der zu gewärtigenden Commassation verbunden werden?
Von achtbarer Seite wird dringend empfohlen, die gesamte Regelung der Gemeindeeigentumsverhältnisse als ein Ganzes in die Hand zu nehmen, und insbesondere die Regelung der Besitz- und Nutzungsverhältnisse des Gemeindeeigenthums mit der Commassirung der Grundstücke zu verbinden, widrigens nicht bloß doppelte Arbeit aufgewendet, doppelte Kosten verwendet werden müssen, sondern auch durch die einseitige Regelung der Besitzverhältnisse die bedauerliche Gemengelage der Grundstücke noch vermehrt, die Comassierung daher erschwert würde. Es unterliegt nun keinem Zweifel, daß eine solche Verbindung verschiedener in Bezug auf ein hochwichtiges Endziel, die Hebung der Urproduction, die Verbesserung der Lage der landbauenden Bevölkerung verwandter Arbeiten sehr wünschenswerth wäre, daß die gleichzeitige Inangriffnahme der Commassierung, der Reglung der Gemeindeeigenthumsverhältnisse, der Fluß- und Bachregulirung, der Bewässerung, der Hutweidentheilung, der Bildung forstlicher und anderer Genossenschaften u. s. w. große Vortheile brächte; nichtsdestoweniger glaubt der Landesausschuß sich gegen eine Vertagung der zunächst vorliegenden Arbeit aussprechen zu sollen, auf daß nicht das Bessere des Guten Feind sei. Sicherlich ist die gleichzeitige oder doch nach einem einheitlich in vorhinein festgesetzten Plan organisierte Durchführung zusammenhängender Arbeiten von großem Vortheile, und je weiter der Blick, desto größer erscheint das Feld des Zusammengehörigen. Nicht nur die oben angeführten Reformen, auch die Grundentlastung, die Servitutenablösung und Regulierung und die Anlegung neuer Grundbücher würden viel besser und billiger im Zusammenhange durchgeführt worden sein, aber es unterliegt kaum einem Zweifel, daß, wenn man mit der Grundentlastung u.s.w. gewartet hätte, bis auch die anderen erwähnten Reformgesetze ausgearbeitet sind, die Grundentlastung noch heute nicht durchgeführt wäre. Das Verschieben einer als nützlich, ja nothwendig erkannten Reform bis auf den allgemeinen Abrechnungstag – der niemals kommt – hat sich noch stets als verderblich erwiesen. Die Commassirung – das unterliegt keinem Zweifel – wird und muß durchgeführt werden, aber das Wann ist bei dieser weitgreifenden Reform, welche noch nicht das erste Stadium der Berathung hinter sich hat, nicht zu berechnen. Soll deshalb die Regelung der Gemeindeeigenthumsverhältnisse, welche unstreitig leichter und rascher durchzuführen ist und ebenfalls zu den brennenden Fragen gehört, auf unbestimmte Zeit verschoben werden? Der Landesausschuß muß diese Frage verneinen.

VII. In Folgendem sollen nun die im Schlussantrage enthaltenen Principien in Kürze motivirt werden.

Ad A. Hier werden die Gegenstände aufgezählt, auf welche das zu erlassende Gesetz sich beziehen soll.
Wenn die Gemeinde als Eigenthümer einer Realität im Grundbuche eingetragen ist, so liegt die Sache ganz einfach; anders ist es, wenn eine Grundbuchseinlage über solche Realitäten nicht besteht, ein Fall, der nicht etwa bloß hie und da vorkommt, sondern in manchen Bezirken bezüglich des Gemeindeeigenthums fast die Regel bildet. In einem solchen Falle kann nur der Kataster entscheiden, in welchem ein Reale der Gemeinde zur Besteuerung zugewiesen ist. Da aber seit einigen Jahren die Anlegung neuer Grundbücher im Zuge ist, so muß, wenn die Gemeinden nicht erheblich zu Schaden kommen sollen, eine besondere Vorsicht beobachtet werden. Der mit der Anlegung der neuen Grundbücher beauftragte Gerichtsbeamte, welcher keine Einlage im alten Grundbuche findet, muß über den factischen Besitz Erkundigungen einziehen; er wendet sich selbstverständlich an den Gemeindevorsteher und an die übrigen bei der Aufnahme gegenwärtigen Gemeinderepräsentanten. Regelmäßig sind es aber, wie schon aus obiger Darstellung hervorgeht, gerade die Gemeinderepräsentanten, welche als Nachbarn Eigenthumsansprüche auf das der Gemeinde zur Besteuerung zugewiesene Gut erheben. Diese Herren erklären daher dem Beamten ganz einfach, daß die fraglichen Grundstücke dem A, B, D, das ist den verschiedenen Nachbarn, gehören. Auf diese Weise wird mit einem Schlage der Gemeinde ihr hauptsächliches Eigenthum völlig entzogen und sah sich daher der Landesausschuß, wie schon im vorigen Jahre berichtet wurde, veranlasst, die Aufmerksamkeit des k.k. Oberlandesgerichtes auf diese Zustände zu lenken. Da aber der Landesausschuß seine Organe hat, um bei allen Aufnahmen gegenwärtig zu sein, so geschieht es nur allzu häufig, dass trotz aller Vorsicht Nachbargründe als einfaches Privateigenthum in das neue Grundbuch kommen. Allerdings können die Gemeinden noch Reklamationen erheben, aber es ist begreiflich, daß dies nicht geschieht und jedenfalls wäre die Lage der Gemeinde, welche nun als Kläger gegen den Besitzer auftreten müsste, eine ziemlich hoffnungslose. Damit also nicht durch den Verlauf der Procedur bei Anlegung der neuen Grundbücher das Gesetz in zahlreichen Fällen illusorisch gemacht wird, glaubt der Landesausschuß ein Auskunftsmittel vorschlagen zu sollen. Nach §. 6 des Reichsgesetzes vom 25. Juli 1871, R. G. Bl. Nr. 96, wird durch Edict eine Frist von 1 bis 1 ½ Jahren festgesetzt, innerhalb deren Eigenthumsansprecher sich melden können; meldet sich in dieser Zeit Niemand, so gilt die neue Grundbuchseinlage als definitiv; meldet sich aber Jemand, so wird der Streit entweder durch Vergleich entschieden oder es werden die Parteien auf den Rechtsweg gewiesen. Durch Vergleich, so wie durch die richterliche Entscheidung, welche im Rechtswege erfolgt, werden erst die erhobenen Ansprüche erledigt und die Grundbuchseintragungen rechtskräftig, Zeigt es sich nun, daß ein der Gemeinde im Kataster zur Besteuerung zugewiesenes Object im alten Grundbuche keine Einlage hatte, und ist über den Besitz noch nicht definitiv entschieden, so soll nach dem Vorschlage des Landesausschusses das Object noch immer als Gemeindeeigenthum gelten und die Regelung der streitigen Verhältnisse nach Maßgabe des hierüber zu erlassenden Gesetzes erfolgen.
Im Grundbuche sowie im Kataster kommt es sehr häufig vor, daß als Eigenthümer nicht die Gemeinde X, sondern die Stadt X, der Markt X, das Dorf X, das Kammeramt X oder Richter und Rath von X erscheinen; solche und andere Ausdrücke, welche nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauche doch nur eine Gemeinde bezeichnen, sollen nun so angesehen werden, als ob das Wort „Gemeinde“ ausdrücklich vorkäme. Wenn es also z. B. im Grundbuche heißt „Stadt Zwettl“, so soll das Gesetz auf das betreffende Object ebenso Anwendung finden, als ob das Object im Grundbuche der „Gemeinde Zwettl“ zugeschrieben wäre.
Schwieriger ist die Sache dann, wenn ein Object im Grundbuche den „Bürgern“ oder der „Bürgerschaft“ einer Gemeinde zugeschrieben ist. Schon in obiger Darstellung wurde darauf hingewiesen, daß der Ausdruck „Bürger“ schon in alten Zeigen auch bei Dörfern vorkommt und daß „Bürger“ nichts Anderes in der Regel heißt, als Nachbar. Derselbe Grund nun, welcher dafür spricht, daß die Nachbarschaftsgründe zunächst als Gemeindeeigenthum zu betrachten sind, spricht auch für solche bürgerliche Gründe; dies trifft aber nur dann zu, wenn wirklich die Eigenthums- oder Nutzungsrechte auf solche Gründe derart mit dem Besitze von Häusern oder Wirtschaften verbunden sind, daß der jeweilige Besitzer eines solchen Grundes oder Hauses dadurch zugleich Bürger wird, d. h. das Miteigenthums- oder Mitnutzungsrecht auf die bürgerlichen Gründe erwirbt. Ganz anders verhält es sich mit jenen Bürgerschaften in Städten, in welche Jemand nur durch ausdrückliche Aufnahme Zutritt erlangt; diese Aufnahme ist eine Auszeichnung, welche die Bürgerschaft, oder wo das Aufnahmsrecht der Gemeindevertretung zusteht, diese einem Angehörigen erweist. Solche Bürgerschaften sind eigentliche Corporationen mit einem Corporationsvermögen, und zwar auch dann, wenn dieses Vermögen von der Gemeinderepräsentanz verwaltet wird. Mögen auch vielleicht ursprünglich beide Arten von Bürgerschaften identisch gewesen sein, jetzt besteht diese Identität nicht mehr und es kann von einer Analogie zwischen Nachbarschaft und Bürgerschaft nur dort gesprochen werden, wo das Nachbarrecht, respective Bürgerrecht ipso facto durch den Erwerb eines Nachbarhauses oder Bürgerhauses erworben wird.
Wollte man das Gesetz auf solche uneigentliche Bürgerschaften der letztgedachten Art nicht anwenden, so müsste eine vershicedene Behandlung von Verhältnissen eintreten, die sich in gar nichts durch die Sache sondern eldiglich durch den Namen von einander unterscheiden.

Ad B. Gesetze von der Art wie das vorgeschlagene, lassen die Regelung der zu ordnenden Verhältnisse entweder von Amts wegen oder nur über Provocation eines Betheiligten eintreten. Wo nun, wie hier, ein erhebliches öffentliches Interesse die Regelung erheischt und bei richtiger Durchführung derselben alle Parteien nur gewinnen können, liegt kein Anlaß vor, die Provocation abzuwarten, da sich sonst die Regelung ins Unendliche verzögern würde. Es wird daher vorgeschlagen, daß die politischen Behröden gleich nach Beginn der Wirksamkeit des Gesetzes alle jene Personen zur Anmeldung auffordern sollen, welche Ansprüche auf solche Vermögenschaften erheben, wie sie unter A bezeichnet wurden. Von der Anmeldung sind aber selbstverständlich jene Ansprüche ausgeschlossen, die sich auf einen Privatrechtstitel gründen. Zur Entscheidung über solche civilrechtliche Ansprüche können die politischen Behörden niemals berufen sein und wäre es nicht zu rechtfertigen, Personen, die solche civilrechtliche Ansprüche erheben, noch zur Anmeldung zu nöthigen.
Soll jedoch das Gesetz nicht nahezu illusorisch sein, so müssen solche Ansprüche, welche auf Grund des §. 1477 a. b. G. B. erhoben werden, ebenfalls angemeldet und muß den Gerichten jede Judicatur über derlei Ansprüche auf Gemeindegründe entzogen werden. Gerade jene Nutzungsrechte, um deren Regelung es sich hier handelt, welche aus den Nachbarrechten entsprungen sind, und ihre Wurzel in der Organisation der alten Dorfmarken haben, gerade solche Nutzungsrechte sind uralt und werden seit weit mehr als 40 Jahren ausgeübt. Treten nun die Nachbarn vor den Civilrichter und weisen aus, daß sie seit mehr als 40 Jahren im Besitze und Genusse eines der Gemeinde grundbücherlich zugeschriebenen Reales sind, so kann der Civilrichter kaum anders, als den Klägern auf Grund der Ersitzung das Eigenthum zusprechen. Daß es sich hiebei um ganz eigene Verhältnisse handelt, ist dem Civilrichter in der Regel nicht bekannt, und wenn sie ihm auch bekannt sind, so findet er in den bürgerlichen Gesetzen keinen Anhaltspunkt zur richtigen Entscheidung. Ist aber einmal den Nachbarn das unbeschränkte Privateigenthum zugesprochen, so weigern dieselben jede weitere Leistung, die sie kraft desselben Nachbarrechtes schuldig waren. Wird also die Klage auf Grund einer Ersitzung ohne Angabe des rechtsgiltigen Titels nicht ausgeschlossen, so ist es besser, das Gesetz fallen zu lassen.
Eine Consequenz dieser Anschauung ist es, daß alle auf diesen Ersitzungstitel sich stützenden Klagen über welche noch nicht rechtskräftig entschieden ist, oder die erst während der Edictalfrist eingebracht werden, an die politische Behörde abgetreten werden. Würde dies nicht bestimmt, so wäre das Gesetz wieder illusorisch, denn es würden sich sofort Rathgeber finden, welche die Nachbarn bestimmen, gleich nach der Publication des Gesetzes oder doch vor Ablauf der Edictalfrist den Civilproceß anhängig zu machen.

Ad C. Hier wird festgesetzt, wie die Verhandlungen über die erfolgenden Anmeldungen zu pflegen sind und welchen Zweck dieselben haben. Daß alle Interessenten beigezogen werden, versteht sich wohl von selbst; der Landesausschuß glaubt aber es sei auch nothwendig, daß er selber berechtigt werde an jeder Verhandlung teilzunehmen, und daß er von den Vorgängen stets in Kenntniß gesetzt werde. Es handelt sich nämlich hier um das Schicksal des Stammvermögens der Gemeinden; eine der wichtigsten Aufgaben des Landesausschusses in Gemeindeangelegenheiten ist aber die Sorge für die ungeschmälerte Erhaltung des Stammvermögens der Gemeinden. Da nun die Gemeindevertreter regelmäßig selbst Nachbarn sind, daher ihre Privatinteressen mit denen der Gemeinde collidieren, jene Gemeindeausschüsse aber, welche etwa nicht Nachbarn sind, selten das richtige Verständniß besitzen, auch durch allerlei Rücksichtnahmen und Beeinflussungen leicht verhindert werden können, das Interesse der Gemeinde rechtzeitig zu wahren, so ist es unbedingt nothwendig, daß der Landesausschuß von der ganzen Verhandlung stets Kenntniß erhalte und in dieselbe, wenn auch nicht imperativ, eingreifen könne.
Gegenstand der Erhebung sind nun nicht Rechte, sondern thatsächliche Verhältnisse. Aus obiger Darstellung geht wohl klar hervor, daß an eine eigentliche Ausmittlung der Rechtsverhältnisse nicht zu denken ist, ja daß diese Rechtsverhältnisse, selbst wo sie klar vorliegen, mit Rücksicht auf die geänderten übrigen Verhältnisse und auf die heutige politische Gesetzgebung nicht aufrecht erhalten werden können. Es handelt sich hier wesentlich darum, eine solche Ordnung zu schaffen, welche den thatsächlichen Verhältnissen entspricht, welche die Interessen Derjenigen, die nun einmal überzeugt sind, auf gewisse Realitäten oder deren Nutzungen rechtsgiltigen Anspruch zu haben, nicht schädigt, die Gemeinden in den Mitteln zur Tragung ihrer Lasten nicht empfindlich verkürzt und zugleich der Volkswirtschaft von Nutzen ist. Bei solchen Verhandlungen heißt es daher vor Allem die thatsächlichen Zustände zu fixiren, etwa so, wie dies bei summarischen Besitzstreitigkeiten geschieht. Die politische Behörde kann dabei an keine Beweisregeln gebunden sein, aber auch nicht an ein Geständniß der Betheiligten, damit nicht berechtigte Interessen durch Ungeschicklichkeit, Unkenntniß und Unbeholfenheit der Betheiligten geschädigt werden. Regelmäßig kommen bei derlei Streitigkeiten die Parteien mit administrativen Entscheidungen, die oft weit in das vorige Jahrhundert zurückgreifen und sich nicht selten gegenseitig widersprechen. Diese Entscheidungen können ganz nützliche Quellen sein, um die thatsächlichen Zustände zu ermitteln, sie sind aber keine brauchbaren Rechtsquellen, und wenn es sich darum handelt, die factischen Zustände zu ermitteln, so dürfen dieselben nicht anders angenommen werden, als sie wirklich sind, wenn sie auch mit den Vorschriften der Verwaltungsbehörde nicht übereinstimmen.
Was gerichtliche Urtheile betrifft, so muß unterschieden werden: Soweit der Landesausschuß Gelegenheit hatte, davon Kenntniß zu erlangen, wurden zwar nicht wenig Processe aus Anlaß solcher Verhältnisse abgeführt, meistens aber klagten die Kleinhäusler gegen die Nachbarn oder umgekehrt, wobei die Ersteren Mitantheilnahme an den Nutzungen, die Letzteren dagegen die Ausschließung der Kleinhäusler begehrten. Die Gemeinde war nur sehr selten Partei in solchen Processen: war sie Partei, dann muß selbstverständlich das richterliche Urtheil respectirt werden und kann höchstens auf dem Wege der Wiedereinsetzung oder Oppositionsklage oder überhaupt auf einem solchen Wege eine Aenderung erzielt werden, welchen die Gerichtsordnung zulässt, war aber die Gemeinde nicht Partei, so kann sie auch durch das Urtheil nicht berührt werden.
Aber auch bezüglich der poceßführenden Parteien, nämlich der Nachbarn und Kleinhäusler, haben die richterlichen Entscheidungen nur dann einen Werth, enn die Verhältnisse wirklich darnach geordnet wurden; wenn aber, wie dies auch vorkommt, Jahrzehnte nach dem Urtheile in Folge Andringens von der einen, Nachgebens von der anderen Seite die thatsächlichen Verhältnisse geändert wurden, so können wieder nur diese bei den Verhandlungen berücksichtigt werden.
Was die vorgeschlagene Bestimmung betrifft, daß solche Veränderungen in Bezug auf Besitz und Genuß und etwaige Gegenleistungen, die seit dem 1. Jänner 1875 vorgekommen sind, außer Betracht bleiben, so gründet sich dies darauf, daß, wie ebenfalls schon oben bemerkt wurde, seit dem Landtagsbeschlusse, welcher Anlaß zu diesem Berichte gibt, die verschiedenen Interessenten sich bemühten, in Güte oder eigenmächtig einen ihren Ansprüchen günstigen status quo zu schaffen. Diese Veränderungen, die eben nur den Zweck hatten, bei der Regelung günstigere Bedingungen zu erlangen, sind als nicht zu billigende Fälschungen der thatsächlichen Verhältnisse zu betrachten und können daher bei der Regelung nicht berücksichtigt werden

Ad D. Werden die angemeldeten Ansprüche auf den Civilrechtsweg gewiesen, so liegt es im öffentlichen Interesse, sowie im wohlverstandenen Interesse aller Betheiligten, daß die Sache bald ausgetragen werde, und die Gerechtigkeit erfordert, daß der streit redlich geführt werde.
Es steht nun zu besorgen, daß, wenn man die Sache sich selbst überlässt, der Erfolg in der einen wie in der anderen Weise billigen Erwartungen nicht entspricht. Es mag im Interesse der einen Partei liegen, den Proceß nicht zu führen, oder wenn zur Einbringung der Klage ein Termin gegeben wird, den Proceß einschlafen zu lassen; Unverstand oder Indolenz auf der anderen Seite können dieses Beginnen unterstützen. Kommt es zum Processe, so wird schon nach der bestehenden Gemeindeordnung meistentheils der Fall eintreten, daß der Landesausschuß einen Vertreter für die Gemeinde bestellt, wenn nämlich die Gemeindepräsentanz befangen ist. Aber auch wenn sie nicht befangen ist, steht, wie erwähnt, zu besorgen, daß die Gemeinde durch Ungeschicklichkeit oder Indolenz Schaden leide, oder aber umgekehrt durch Eigennutz und Rechthaberei zur Führung eines zwecklosen Processes verleitet wird.
Es dürfte sich daher empfehlen, daß der Landesausschuß in allen solchen Fällen berechtigt wird, für die Gemeinde einen Vertreter im Civilprocesse zu bestellen, der seine Weisungen zu befolgen hat.
Vielleicht ist es bei keiner Streitverhandlung so wünschenswerth, die Sache durch Vergleich zu beenden, als bei derjenigen, welche die Regelung dieser Eigenthumsverhältnisse zum Gegenstande hat.
Das Gesetz kann, wenn es zur Entscheidung kommt, nur feste, bestimmte Regeln aufstellen, welche der Willkür keinen Spielraum lassen, wobei aber die Besorgniß wohl gerechtfertigt ist, daß in zahlreichen Fällen die Schablone nicht passt und eine ganz andere Ordnung der Verhältnisse im Interesse aller Parteien läge; insbesondere können wirthschaftliche Verhältnisse, die in den verschiedenen Gemeinden so überaus verschieden sind, eine durchaus andere Regelung als wünschenswerth erscheinen lassen; Genossenschaftsbildungen, Wegeregulirungen, selbst Commassirungen können bei dieser Gelegenheit durchgeführt werden, und wenn es gelingt, den Parteien klar zu machen, daß ein gewisser Regulirungsplan Allen vortheilhaft ist, so wird es in vielen Fällen möglich sein, den Streit nicht bloß überhaupt zu beenden, sondern eine befriedigende Lösung herbeizuführen.
Abgesehen nun davon, daß ein solcher Vergleich klar und bestimmt sein und alle Streitfragen lösen muß, ist es nothwendig, noch eine Bedingung gesetzlich festzustellen, die nämlich, daß in einem solchen Vergleiche nur privatrechtliche Verpflichtungen übernommen werden dürfen. Die Gemeinden lieben es nämlich, bei solchen Vergleichen auch Fragen des öffentlichen Rechtes nach ihrer Weise zu lösen, z. B. festzusetzen, daß die Uebernehmer der Gründe die Lasten der Pfarrgemeinde zu tragen haben, oder daß in Bezug auf Gemeindeumlagen künftig in einer gewissen Weise vorzugehen sei, beispielsweise, daß durch eine gewisse Zeit keine Gemeindezuschläge ausgeschrieben werden dürfen, daß ein bestimmtes Haus für alle Zeiten von allen Gemeindelasten befreit werde u. s. w. Kommt es nun, was kaum ausbleiben kann, mit der Zeit zum Streite, so ist der Landesausschuß oft in großer Verlegenheit, denn es ist einerseits ein alter Rechtssatz, daß das öffentliche Recht durch Privatverträge nicht geändert werden darf, anderseits war diese Aenderung eine Bedingung eines privatrechtlichen Vertrages, dessen Bestand, nachdem er schon zum größten Theile erfüllt ist, nachträglich in Frage gestellt wird, wenn die vorgesetzte Behörde die Giltigkeit des Vertrages in Bezug auf die darin enthaltenen öffentlich rechtlichen Bestimmungen negirt, Durch solche Vergleiche wird also nur eine künftige Verwirrung und künftiger Streit vorbereitet.
Sollen weiters nicht die wohlthätigsten Vergleiche an dem Unverstande oder der Starrköpfigkeit vielleicht eines Einzigen scheitern, so darf nicht Einstimmigkeit, sondern nur die Mehrheit der Stimmen gefordert werden.
Die Bestimmung, daß jeder derartige Vergleich der Genehmigung des Landesausschusses bedarf, liegt schon in der Gemeindeordnung, da jede Veräußerung oder Belastung von Gemeindeeigenthum von der Zustimmung des Landesausschusses abhängt. Ein solcher Vergleich ist überhaupt viel zu wichtig für das ganze wirthschaftliche Leben der Gemeinde, als daß der Landesausschuß sich der Ingerenz entschlagen dürfte; auch liegt in dem Erfordernisse der Zustimmung des völlig unbetheiligten Landesausschusses der beste Schutz der Minorität gegen einen sie schädigenden Beschluß einer vielleicht kurzsichtigen oder durch unlautere Mittel geschaffenen Majorität. Die letzte Bestimmung endlich, daß, wenn mit einer Entscheidung vorgegangen wird, dem Landesausschusse ein selbstständiges Recursrecht dagegen eingeräumt werden muß, ist ebenfalls, wie er glaubt, ein Corrolar seiner Verpflichtung, für die Aufrechthaltung des Stammvermögens der Gemeinden zu sorgen.

Ad E. Es fragt sich nun: Wie soll, wenn ein Vergleich nicht zu Stande kommt, entschieden werden? Wie man immer über den rechtlichen Ursprung der Besitz- und Nutzungsrechte denken mag, wenn selbst entgegen der Geschichte angenommen werden sollte, daß zu irgend welcher Zeit ein Raub an der Gemeinde begangen wurde, so ist doch so viel gewiß, daß die Personen, welche ein solches Gemeindeeigenthum derzeit besitzen oder Nutzungen davon beziehen, vielleicht immer, jedenfalls in der ungeheuren Mehrzahl den guten Glauben für sich in Anspruch nehmen können. Mag auch ihre Rechtsanschauung eine irrige sein, sie besteht nun einmal und fordert Schonung; dazu kommt, daß bei allen Erbtheilungen und Erbschaftsübernahmen, bei allen Käufen, kurz bei jedem Uebergange eines Bauerngutes an einen anderen Besitzer der sogenannte Gemeindenutzen als ein Zugehör des Gutes in Anschlag gebracht und bei Käufen der Kaufpreis mit Rücksicht hierauf bemessen wurde. Würde man also den jetzigen Besitzern diesen Gemeindenutzen entziehen, oder verlangen, daß sie ihn neu erwerben, so würde wieder in den überwiegend meisten Fällen der jetzige Besitzer unverschuldet zu Schaden kommen. Es ist ferner eine erwiesene Thatsache, dass Gemeindegründe gewöhnlich zu der Zeit, da sie in Parcellen den Nachbarn zur Benützung zugewiesen wurden, unfruchbar oder doch nicht urbar waren; Sumpfboden und Steinhalden wurden erst, seit sie der Privatwirtschaft der Nachbarn übergeben wurden, durch ihren Fleiß cultivirt und sind jetzt werthvolles Besitzthum. Mit welchem Rechte könnte man diese Objecte, welche erst durch die jetzigen Besitzer und ihre Vorfahren werthvoll gemacht wurden, ihnen wieder entziehen? Mindestens müsste die Gemeinde die Meliorationskosten ersetzen. Welche Erhebungen wären da nothwendig, welche Processe würden entstehen und wie könnte die Gemeinde die zu ersetzenden Kosten auftreiben, und was wäre schließlich das Resultat? DAß die Gründe entweder wieder verkauft oder unter der Verwaltung der Gemeinde wieder deteriorirt würden.
Der Landesausschuß schlägt daher vor, den Personen, welche factisch die Nutzungen von einem Gemeindegute bezogen haben, dasselbe in das freie Eigenthum zuzuweisen. Diese Zuweisung soll aber in der Art geschehen, daß die neuen Eigenthümer namentlich bezeichnet werden. Die schon in obiger Darstellung erwähnten Fälle, in welchen nicht bestimmte Personen, sondern die jeweiligen Besitzer gewisser Wirtschaften als Eigentümer grundbücherlich eingetragen wurden, müssen schon mit Rücksicht auf die freie Theilbarkeit von Grund und Boden vermieden werden.
Nun findet es sich aber nicht selten, daß solche Gründe belastet sind, und zwar mit Schulden, welche die Gemeinde contrahirt hat. Es zeugt für die eigenthümliche Verwirrung in den Rechtsanschauungen, daß dieselben Nachbarn, welche sich als die rechtmäßigen Privateigenthümer der Gemeindegründe betrachten, daß dieselben Nachbarn als Gemeindeausschüsse gar keinen Anstand nehmen, diese Gründe für ein von der Gemeinde zu Gemeindezwecken aufzunehmendes Darlehen als Hypothek zu bestellen. Diesem Vorgange liegt eben die schon oben geschilderte Rechtsanschauung zu Grunde, daß die Nachbarn eigentlich die Gemeinde sind und daß sie die Verpflichtungen haben, für die Gemeinde die Lasten zu tragen. Haben nun die Nachbarn gegen eine solche Verschuldung nichts eingewendet, so ist es auch nur in der Ordnung, daß sie von dieser Last auch künftig betroffen werden, wenn sie unbestrittene Privateigenthümer sind. Damit aber nicht ein weiterer Streit über den Umfang dieser Verpflichtung entsteht, ist es nothwendig, diese Last in dem Erkenntnisse ziffernmäßig festzustellen. Sollten inzwischen z. B. durch eine wider die Gemeinde geführte Execution neue Hypotheken entstehen, so können zwar die Rechte der dritten Personen nicht beirrt werden, die Gemeinde muß aber den Privateigenthümern dafür aufkommen.
Wenn aber auch die Nutzungsrechte in das freie Eigenthum übergehen, so folgt daraus noch keineswegs, daß dies ohne Ablösung zu geschehen habe. Wie aus obiger Darstellung wohl mit Sicherheit hervorgeht, entsprach dem ausschließlichen Rechte der Nachbarn auf Benützung der Gemeindegründe auch wieder die ausschließliche Verpflichtung, die Gemeindelasten zu tragen. Diese letztere Verpflichtung, die Gemeindelasten zu tragen. Diese letztere Verpflichtung besteht allerdings nur selten mehr vollkommen aufrecht; thatsächlich haben sich die Nachbarn derselben vielfach zu entziehen gewusst, wenn nicht ganz, so doch theilweise. In den meisten Fällen wird aber doch von den Nachbarn für die Benützung der Gemeindegründe etwas geleistet, sei es in Form einer fixen oder nach den wechselnden Gemeindebedürfnissen jährlich variablen Geldabgabe, sei es in Naturalleistungen für Wege und Stege, in der ausschließlichen Armenversorgung oder endlich in der Gestattung, daß ein Theil der Erträgnisse von der Gemeinde für Gemeindezwecke verwendet werde, so daß z. B. ein Lück Holz für die Schule, einer für den Lehrer, einer für den Pfarrer, einer für den Bürgermeister ausgeschieden wird, oder auch, daß große Stämme, welche Werkholz liefern, regelmäßig verkauft werden und der Erlös in die Gemeindecasse fließt. Sei es nun, daß die Nutzungsberechtigten etwas Positives leisten, oder daß die Nutzungen nicht das ganze Erträgniß aufzehren, so daß der Ueberschuß der Gemeinde zugute kommt, immer bezieht in diesen Fällen die Gemeinde noch ein Erträgniß aus den Nachbarschaftsgründen. Der Capitalswerth dieses der Gemeinde aus den Nachbarschaftsgründen zufließenden Einkommens soll nun in der Regel das Ablösungscapital bilden, welches aber nicht sofort zu bezahlen, sondern auf den in das Privateigenthum übergegangenen Gründen sicherzustellen, mit fünf Percent zu verzinsen und in 20 Jahresraten abzuzahlen ist. In einer großen Anzahl von Fällen, vielleicht in der Mehrzahl derselben, wird diese Last nicht merklich sein, weil auf diese Weise das Einkommen der Gemeinde vergrößert wird, daher die Nothwendigkeit hohe Umlagen oder überhaupt Umlagen zu zahlen, auf längere Zeit entfällt, diese Umlagen aber doch wieder zum Theile, und zwar heute noch zum größeren Theile, in den meisten Gemeinden von den Nachbarn bezahlt werden müssen.
Der Landesausschuß schlägt aber auch vor, daß dort, wo die Gemeinde aus den Nachbarschaftsgründen oder für dieselben bisher gar kein nachweisbares Einkommen bezogen hat, oder wo dieses nachweisbare Einkommen einen geringeren Capitalswerth hat, als der vierte Theil des reinen Werthes der Nachbarschaftsgründe, daß in diesem Falle die Uebernehmer der Gründe eben diesen vierten Theil als mindesten Ablösungsbetrag zu zahlen haben. Die Last ist, wie gezeigt wurde, für die Uebernehmer keine drückende. Anderseits wäre es nicht zu billigen, wenn sie von jeder Ablösung befreit würden. Es unterliegt gar keinem Zweifel, daß ursprünglich Diejenigen, welche die Gemeindegründe benützten, auch die Gemeindelasten tragen mussten, und es ist sicher, daß dort, wo wo gegenwärtig für die Benützung der Gemeindegründe gar nichts mehr geleistet wird, dieser Zustand von den Nachbarn selbst herbeigeführt wurde, welche ihre Stellung im Dorfregimente dazu benützten, ihre Rechte zu wahren und sich der Erfüllung der entsprechenden Pflichten zu entschlagen. Endlich aber ist die Erwerbung freien und unbestrittenen Privateigenthumes unter allen Umständen ein außerordentlicher Vortheil, Jetzt erst sind sie sicher, daß sie in ihrem Besitze von der Gemeinde nicht mehr gestört werden können; jetzt erst können sie vollkommen frei verfügen, den Grund belasten und verkaufen, ohne besorgen zu müssen, daß sie mit einem Gewährleistungsprocesse heimgesucht werden. Es ist dem Landesausschusse oft vorgekommen, daß die Nachbarn in einem Orte die GEmeidnegründe, die sie längst in Besitz genommen hatten, unter sich vertheilen, verkaufen und insbesondere Geld darauf aufnehmen wollten, und sich deßhalb mit der dringenden Bitte an den Landesausschuß wendeten, ihnen die bücherliche Erwerbung des Grundes, der im Grundbuche noch als Gemeineeeigenthum eingetragen stand, zu ermöglichen. Solchem Begehren konnte aber Angesichts der Gemeindeordnung nicht entsprochen werden. Allen diesen Unannehmlichkeiten entgehen sie, wenn ihnen durch eine administrative Entscheidung das unbeschränkte Eigenthum zugesprochen wird. Es ist daher aus all’den angeführten Gründen nur billig, daß ein geringerer Entschädigungsbetrag als der vierte Theil des reinen Werthes nicht gegeben werden darf. Erschiene dies in einem speciellen Falle als wirklich unbillig und drückend, so liegt hierin ein willkommener Antrieb zum Vergleiche, der vielleicht in anderer Weise auch der Gemeinde nützlich sein kann, wenn ihr z. B. zur Erbauung einer Schule, zur Regulirung ihrer Wege der nöthige Grund unentgeltlich abgetreten wird. Der Landesausschuß glaubt überhaupt, daß sehr häufig im Vergleichswege vorgezogen werden wird, die streitigen Gründe in billiger Weise zwischen der Gemeinde und den Interessenten zu vertheilen, wie dies schon heute zuweilen geschieht, und unter der Herrschaft des gewünschten Gesetzes noch sicherer geschehen wird, weil die Nutzungsberechtigten, wenn sie gegen billige Wünsche der Gemeinde taub sind, wissen, daß ihnen die Zahlung eines Entschädigungsbetrages in Aussicht steht. Da es auch Gemeinden gibt, in welchen auch heute noch die Nachbarn regelmäßig mehr für die Gemeinde leisten, als der Werth der Nutzungen ausmacht, so ist wohl auch die Bestimmung nicht überflüssig, daß unter allen Umständen der Ablösungsbetrag nicht höher sein darf, als der reine Werth des Gutes.

Ad F. Es kann sich bei der Verhandlung zeigen, daß es wünschenswerth ist, wenn die mit Nutzungsrechten belasteten Gemeindegrundstücke, oder einige derselben, oder auch ein Theil eines Grundstückes der Gemeinde verbleiben; sie kann dieselben zu irgend welchen speciellen Gemeindezwecken brauchen. Es kann, wenn die Gemeinde an solchen Immobilien, auf welche keine Ansprüche erhoben werden, arm ist, die Vorsicht gebieten, Grund und Boden zurück zu behalten, um einmal eine Schule oder ein anderes der Gemeinde nothwendiges Gebäude zu errichten, eine Strafe zu reguliren u.s.w. Es können wirthschaftliche Gründe gegen die Beurtheilung eines Gemeindeeigenthums sprechen, z.B. mag dies vielleicht in manchen Gemeinden bei Hutweiden oder einem Theile derselben, insbesonders bei Alpenweiden der Fall sein. Aehnliche Gründe können eintreten bei Gemeindewäldern, oder es kann selbst die Vertheilung eines Gemeindewaldes nach § 21 des Forstgesetzes nicht zufällig sein. In solchen Fällen ist es nun vor Allem Sache des die Verhandlung leitenden Beamten, auf das Zustandekommen eines befriedigenden Vergleiches hinzuwirken; gelingt dies nicht, so muß schon das Gesetz verfügen, daß in solchen Fällen auch im Entscheidungswege Grundstücke oder Theile derselben der Gemeinde zugewiesen werden. Selbstverständlich muß dann die Gemeinde dem bisherigen Nutznießer den Capitalwerth der ihm entzogenen reinen Nutzungen ersetzen. Bezüglich Verzinsung, Sicherstellung und Zahlung hätten dieselben Bestimmungen zu gelten, wie für den Ablösungsvertrag.

Ad G. Es sind dem Landesausschusse Fälle bekannt, daß gewisse Nutzungsrechte ausdrücklich und unzweifelhaft nur auf eine bestimmte Zeit oder bis zum Eintritte eines bestimmten Ereignisses eingeräumt wurden.
Um auch für diese ähnlichen Fälle eine Cynosur zu haben, glaubt der Landesausschuß die analoge Anwendung der Bestimmungen des § 16 des Gebührengesetzes vorschlagen zu sollen.

Ad H. Es wurde schon in der Darstellung darauf hingewiesen, daß zuweilen mehrere alte Dorfmarken in eine Katastralgemeinde zusammengezogen wurden, ohne daß eine Vereinigung ihrer Vermögenschaften stattgefunden hätte. Diese „Ortschaften“ haben keine erkennbare Grenze, keine Repräsentanz, sie sind keine juristischen Personen, die Grundstücke, die ihnen im Grundbuche und im Kataster zugeschrieben sind, haben keinen bestimmt erkennbaren Eigenthümer. Ebenso erscheinen im Grundbuche und im Kataster Benennungen, die auf Gesammtheiten hinweisen, welche ebenfalls nicht definirbar sind. Diese Gesammtheiten sind offenbar Genossenschaften, die in einer späteren Zeit nach dem Vorbilde der alten Dorfmarkgenossenschaften entstanden sind, aber als Spätlinge nicht mehr die Entwicklungsphasen der Dorfmarken mitmachten, daher auch nicht mehr in Gemeinden übergingen, sie schritten als Spätfrüchte der Verwesung zu, ehe sie zur Reife gelangten. Sie sind weder Gesellschaften nach Civilrecht, noch Vereine oder Genossenschaften nach den politischen Gesetzen. Da ihrer nur wenige sind, und ihr Vermögen gering ist, so würde es sich kaum verlohnen, ihretwegen ein Gesetz zu erlassen, auch ist aus denselben Gründen das Einschreiten von Amtswegen ohne Provocation der Interessen nicht nothwendig. Der Landesausschuß glaubt aber, wenn schon die Regelung der Gemeindeeigenthumsverhältnisse durch ein Gesetz angestrebt wird, so könne man immerhin bei dieser Gelegenheit auch den Nutznießer der gedachten Vermögenschaften die Möglichkeit bieten, ihr unklares, daher anfechtbares und wirklich schon angefochtenes Gesammteigenthum in freies Privateigenthum zu verwandeln.

Ad I. Diese in ähnlichen Fällen auch sonst vorkommende Befreiung von Taxen, Gebühren und Stempeln ist hier, wo es sich in mancher Gemeinde nur um kleine Vermögenschaften handelt, wo das ganze Verfahren vorzüglich zur Wahrung allgemeiner Landesinteressen und von Amtswegen ohne Provocation und sogar gegen den Willen der Interessenten eingeleitet wird, umsomehr geboten.

Ad K. Es ist nur der zweite Satz dieser Bestimmung, der einer Begründung bedarf. Bei der dem Landesausschusse nur zu wohl bekannten Indolenz und Schwerfälligkeit mancher Gemeindevorsteher und auch anderer Wirthschaftsbesitzer in der Wahrung ihrer Interessen steht zu besorgen, daß, wenn das Verfahren glücklich zu Ende geführt ist und die Interessenten nun ohne das Gängelband der behördlichen Leitung die Ordnung im Grundbuche herstellen sollen, dies durch Jahre, ja durch Generationen unterbleibt und so zu neuen Verwirrungen und Streitigkeiten Anlaß geboten wird. Da nun das ganze Verfahren hauptsächlich die Förderung öffentlicher Interessen bezweckt, so glaubt der Landesausschuß, daß ihm das Recht einzuräumen, rücksichtlich die Verpflichtung aufzuerlegen sei, die Durchführung der Entscheidungen und Vergleiche im Grundbuche selbst in die Hand zu nehmen.

Der Landesausschuß erlaubt sich nun zu beantragen:
Der hohe Landtag wolle beschließen: Die hohe Regierung wird ersucht, mit thunlichster Beschleunigung den Entwurf eines die nachstehenden Grundsätze berücksichtigenden, für das Erzherzogthum Oesterreich unter der Enns, mit Ausnahme von Wien giltigen Gesetzes, dem hohen Reichsrathe zur verfassungsmäßigen Behandlung vorzulegen.

A. Zur Regelung der Besitz- und Nutzungsrechte in Bezug auf das Eigenthum der niederösterreichischen Gemeinden ist ein Gesetz zu erlassen, dessen Wirksamkeit sich zu erstrecken hat auf:
1. alle in Niederösterreich liegenden Immobilien, bezüglich deren bei Beginn der Wirksamkeit des Gesetzes das Eigenthumsrecht einer niederösterreichischen Gemeinde zur Versteuerung zugewiesen sind, letztere aber nur unter der Voraussetzung, wenn in dem gedachten Zeitpunkte diese Immobilien noch keine Grundbuchseinlage bilden oder die nach §. 6 des Gesetzes vom 25. Juli 1871, R. G. Bl. Nr. 96 festgesetzte Frist noch nicht abgelaufen oder ein innerhalb der gedachten Frist erhobener Anspruch noch nicht erledigt ist;
2. alle auf den Namen einer niederösterreichischen Gemeinde lautenden oder für sie vinculirten Werthpapiere;
3. alle auf den Namen einer niederösterreichischen Gemeinde lautenden Prviatforderungen;
4. alles von einer niederösterreichischen Gemeinde im eigenen Nahmen verwahrtes und verwaltetes bewegliches Vermögen.
Diesen Vermögenschaften werden auch diejenigen in eine dieser Kategorien gehörigen gleichgestellt, rücksichtlich deren im Grundbuche, Kataster u.s.w. dem Namen, nicht das Wort „Gemeinde“, sondern „Stadt“, „Markt“, „Dorf“, „Richter und Rath“, „Kammeramt“ oder ein anderes die Gemeinde bedeutendes Wort beigesetzt ist. Die Worte „Bürger“ und „Bürgerschaft“ sind nur dann als Bezeichnung für Gemeinde anzusehen, wenn die Zugehörigkeit zur Bürgerschaft oder die Eigenschaft als Bürger mit dem Besitze bestimmter Realitäten an sich verbunden ist.

B. Sofort nach Beginn der Wirksamkeit des Gesetzes sind in jedem politischen Bezirke Alle, welche hehaupten, Eigenthümer oder Miteigenthümer einer der unter A aufgeführten Sachen zu sein oder was immer für Nutzungsrechte, welche noch in seinem Grundbuche eingetragen sind, auf eine solche Sache zu haben, durch ein Edict aufzufordern, binnen Einem Jahre ihre Ansprüche bei der politischen Bezirksbehörde anzumelden, widrigens ihre dießfälligen Rechte und Ansprüche mit Ablauf dieses Jahres erlöschen. Diese Frist ist unerstreckbar und ist gegen ihr Versäumen kein Rechtsmittel zulässig. Aus einem Privatrechtstitel abgeleitete Recht werden hievon nicht berührt, ausgenommen, wenn sie auf die Ersitzung nach §. 1477 a. b. G. B. gegründet werden. Alle bei Beginn der Wirksamkeit des Gesetzes anhängigen noch nicht rechtskräftig entschiedenen Civilprocesse, sowie alle innerhalb der Edictalfrist eingebrachten Klagen, in welchen solche Rechte auf eine in A bezeichnete Sache auf Grund des §. 1477 a. b. G. B. geltend gemacht werden, sind von den Gerichten an die betreffende politische Behörde abzutreten und vertreten die Stelle der Anmeldung.

C. Nach Ablauf der Edictalfrist hat die politische Bezirksbehörde von Amtswegen über alle angemeldeten Ansprüche Verhandlungen mit Zuziehung der Anmelder und der Gemeindevertretungen einzuleiten. Alle, von denen auf dieselbe Sache gleichartige und einander nicht wiedersprechende Rechte angemeldet wurden, haben zur Empfangnahme der Zustellungen einen gemeinsamen Vertreter zu bestellen, widrigens ein solcher von der politischen Behörde bestellt wird. Der Landesausschuß ist berechtigt, an jeder Verhandlung durch eines seiner Mitglieder, einen seiner Beamten oder andere Vertrauensmänner mit berathender Stimme theilzunehmen, und ist derselbe von allen Verfügungen, Vorkehrungen und Entscheidungen gleichzeitig mit den Parteien von Amtswegen zu verständigen. Die Verhandlugnen haben den Zweck, die thatsächlichen Besitz- und Nutzungsverhältnisse möglichst klarzustellen, um eine möglichst sichere Basis für die Entscheidung, eventuell einen Vergleich zu gewinnen. Die Behörde ist bei der Beurtheilung der factischen Zustände an seine Beweisregeln, auch nicht an Eingeständnisse der Betheiligten und ebensowenig an administrative Entscheidungen gebunden. Richterliche Erkenntnisse über abgeführte Civilprocesse, in denen die Gemeinde als Partei theilgenommen hat, sind der Entscheidung zu Grunde zu legen, soferne nicht ein Betheiligter behauptet, dieselben im Civilrechtswege ganz oder theilweise entkräften zu können. Veränderungen, die in Bezug auf Besitz und Genuß und etwaige Gegenleistungen seit 1. Jänner 1875 vorgekommen sind, bleiben außer Betracht. Das Ausmaß der Nutzungen, soweit es auf die Erhebung desselben ankommt, ist nach dem zehnjährigen Durchschnitte der Jahre 1865 bis 1874 und der Werth derselben nach den durchschnittlichen Localpreisen eben dieser Jahre festzustellen.

D. die Verhandlungen werden geschlossen entweder durch die Verweisung auf den Civilrechtsweg oder durch Vergleich, oder durch administrative Entscheidung. die Verweisung auf den Civilrechtsweg erfolgt, wenn ein nach B vor der Anmeldung ausgeschlossener Anspruch erhoben wird oder ein Betheiltigter eine vorangegangene civilrechtliche Entscheidung im gerichtsordnungsmäßigen Wege anfechten will (c). Der Landesausschuß ist jederzeit berechtigt, in diesem Civilprozesse für die Gemeinden Vertreter zu bestellen, welche seine Weisungen zu befolgen haben. Außer diesen Fällen ist immer auf Schließung eines Vergleichs hinzuwirken, der jedoch nur insoferne zulässig ist, als hiedurch alle Streitfragen vollkommen gelöst und nur privatrechtliche Verpflichtungen übernommen werden. Ueber die Annahme des Vergleiches von Seite der Nutznießer entscheidet die einfache Majorität der angemeldeten und abstimmenden Interessenten. Jeder Vergleich bedarf der Genehmigung des Landesausschusses. Gelingt es nicht, einen Vergleich zu Stande zu bringen, so ist mit der Entscheidung vorzugehen und dieselbe allen Interessenten so wie dem Landesausschusse zuzustellen. Die Entscheidung kann im Recurswege angefochten werden und zwar sowohl von jedem Interessenten als auch vom Landesausschusse. Der Recurs ist binnen der unerstreckbaren Frist von 60 Tagen in erster Instanz zu überreichen. Wird die erste Entscheidung von der politischen Landesstelle in allen Punkten bestätigt, so ist ein weiterer Recurs unzulässig, wird dagegen die Entscheidung aufgehoben oder in irgend einem Punkte geändert, so kann der Recurs gegen die ganze Entscheidung in derselben Frist und von denselben Personen an das k. k. Ministerium des Innern ergriffen werden.

E. Durch das Erkenntniß sind den Personen, welche ihre Ansprüche rechtzeitig angemeldet haben und nach dem Ergebnisse der Verhandlungen thatsächlich Nutzungen von einer in A bezeichneten Sache beziehen, eben diese Sachen und zwar unter sich nach dem Verhältnisse ihrer Nutzungen in das freie Eigenthum zu übertragen, und zwar auch dann, wenn die von ihnen bezogenen Nutzungen nicht das ganze Erträgniß der Sache erschöpfen. In dem Erkenntnisse sind die Personen, an welche das Eigenthum übertragen wird, namentlich zu bezeichnen, und ist dieses Eigenthum niemals mit dem Besitze einer anderen Realität bleibend zu verbinden. Wenn während den Verhandlungen eine Veränderung in dem Besitze einer Realität stattfindet, mit welcher das Nutzungsrecht verbunden ist, so tritt der neue Besitzer ohne Anmeldung in die Rechte seines Vorgängers. Veränderungen dieser Art, die nach dem Abschlusse der Verhandlungen eintreten, bleiben außer Betracht. Mit dem Eigenthum der also zugewiesenen Sache gehen auch die auf dieselben grundbücherlich sichergestellten Lasten über und sind dieselben von dem Erwerber persönlich zu tragen, doch müssen diese Lasten in dem Erkenntnisse, rücksichtlich Vergleiche genau verzeichnet sein. Lasten, welche nicht auf diese Weise verzeichnet sind, hat der Erwerber nicht zu tragen, unbeschadet der Rechte Dritter. Die Eigenthumsübernehmer haben hiefür an die Gemeinde eine Ablösung zu bezahlen. Als Ablösungsbetrag ist der Capitalswerth der von den Nutznießern als solchen an oder für die Gemeinde zu entrichtenden Leistungen und des der Gemeinde nach Abzug der von den Nutznießern bezogenen Nutzungen noch verbliebenen Reinerträgnisses zu leisten. Als Capitalswerth ist der zwanzigfache Betrag des nach dem in C entwickelten Grundsätzen ermittelten Jahresdurchschnittes der Leistungen und Reinerträgnisse anzunehmen. Ergibt sich bei dieser Berechnung gar kein Ablösungsbetrag oder nur ein solcher, der geringer ist als der vierte Theil des reinen Werthes der zugewiesenen Sache, so ist dieser vierte Theil als Ablösungsbetrag zu betrachten. Niemals darf aber der Ablösungsbetrag größer sein als der reine Werth der hiefür zugewiesenen Sache. Der Ablösungsbetrag ist auf den ins Privateigenthum übertragenen Grundstücken hypothekarisch sicherzustellen, mit fünf von hundert zu verzinsen und in zwanzig gleichen Jahresraten abzutragen.

F. Wird erkannt, daß es aus volkswirtschaftlichen Gründen oder im Interesse der Gemeinde, oder endlich mit Rücksicht auf §. 21 des Reichsforstgesetzes unzulässig sei, die fraglichen Grundstücke ganz oder auch nur theilweise in Privateigenthum zu verwandeln, so ist durch die Entscheidung der ganze Grundcomplex oder ein Theil desselben der Gemeinde als freies Eigenthum zu überweisen, und hat die Gemeinde den Nutznießern den Capitalswerth der ihnen entzogenen reinen Nutzungen zu ersetzen, das heißt nach den unter E angegebenen Modalitäten zu verzinsen, sicherzustellen und zu bezahlen.

G. Bei der Berechnung des Capitalwerthes solcher nicht immerwährend wiederkehrenden Nutzungen oder Leistungen, welche auf eine gewisse Zeit oder auf die Lebensdauer einer mehrerer Personen zu genießen rücksichtlich zu entrichten sind, ist nach §. 16 a, b, c, ist aber diese Zeit ungewiß, nach §. 16 e des kaiserlichen Patentes vom 9. Februar 1850, R. G. Bl. Nr. 50 vorzugehen.

H. Vermögenschaften, welche in der unter A 1 bis 4 angedeuteten Weise als Eigenthum einer „Schlossgemeinde“, „Hüttlergemeinde“, „Häuslergemeinde“ einer „Ortschaft“, welche nicht mit einer Katastralgemeinde identisch ist, oder einer anderen Gesammtheit, welche weder nach den bürgerlichen, noch nach den politischen Gesetzen organisirt ist, erscheinen, werden durch dieses Gesetz nur insoweit berührt, als auf Verlangen der Mehrheit der Nutznießer die Vertheilung des Gesammteigenthumes unter dieselben unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen dieses Gesetzes durch die politische Behörde jederzeit vorzunehmen ist. Auf Bürgerschaften, die sich durch ausdrückliche Aufnahme neuer Mitglieder ergänzen, findet dieß keine Anwendung.

I. Alle Verhandlungen, Ausfertigungen, Urkunden, Erkenntnisse, Vergleiche und Eintragungen in öffentliche Bücher und Register sind gebühren-, tar- und stempelfrei.

K. Die in diesem Verfahren ergehenden Erkenntnisse und abgeschlossenen Vergleiche haben die Kraft öffentlicher Urkunden. Der Landesausschuß ist berechtigt, im Namen aller Gemeinden und Personen, deren Rechte hiedurch geregelt werden, um die Vornahme der erforderlichen Grundbuchshandlungen einzuschreiten.

Wien, 21. September 1878, Der niederösterreichische Landesausschuß: Dr. Joseph Kopp, Referent.

MP

 

 

 

Vorgeschichte

VORDENKER JULIUS WEISKE

Genauso wenig wie heute in Tirol hatte man in Niederösterreich und in Böhmen 1883 jene Sätze beherzigt, welche Julius Weiske schon im Jahr 1849 den politischen Akteuren ins Stammbuch schreiben wollte: „So wären denn die Gemeinden darüber aufzuklären, wie diese Güter entstanden sind, wie die jetzt bevorzugt erscheinenden Mitglieder die rechtlichen Nachfolger derer sind, welche, als sie die ganze Flur in Besitz nahmen, die jetzt sog. Gemeindegüter ungeteilt ließen, um sie gemeinschaftlich oder nach bestimmt festgesetzten Anteilen für sich zu benutzen.

Dabei muss man in Erwägung ziehen, dass die, welche jene Einrichtung trafen, ebenso gut, wenn es ihr Interesse erfordert hätte, jene ungeteilt gebliebenen Grundstücke sich hätten zuteilen und zu ihren Äckern oder Privatgütern schlagen können. Wäre dies geschehen, so würde niemand behaupten: Da wir jetzt alle wirkliche Gemeindeglieder, gleichberechtigt und gleich verpflichtet, sind, so darf auch kein Mitglied ein größeres Gut, mehr Wald usw. als ein anderes haben; oder: da Einzelne mehr Grund und Boden als Privatgüter in der Gemeinde besitzen als andere, so müssen jene diesen gewisse Teile abtreten. Obige Beschaffenheit der sog. Gemeindegüter hat sich freilich nur in gewissen Gemeinden erhalten, während andere dieser Güter im Laufe der Jahrhunderte mannigfaltigen Schicksalen unterlagen.“

VERWICKELTE NATUR UND UNKLARHEIT

Die „verwickelte Natur“ und unglaubliche Unklarheit der Rechtsverhältnisse an jenen Liegenschaften, die damals als „Gemeindegüter“ verstanden wurden, war offensichtlich eine generelle Erscheinung in den „österreichischen Erbländern“ – und nicht nur das: Die Untersuchung von Julius Weiske aus dem Jahr 1849 zu den historischen Gemeindegütern beweist vergleichbare Probleme im gesamten deutschen Rechtskreis; Weiske legte mit dieser Abhandlung eine dogmatisch tiefgehende, auf rechtsvergleichenden Betrachtungen fußende Auseinandersetzung mit dem Recht der Gemeindegüter vor. Schon einleitend kritisierte er Strömungen, die das Recht auf Nutzung der Gemeindegüter generell als ein politisches, als einen Ausfluss des Gemeindebürgerrechtes und damit als Ausfluss aus dem Eigentumsrecht der politischen Ortsgemeinde ansahen – „obschon ersteres bestand, ehe man vom letzteren etwas wußte“. Die Ableitung des Nutzungsrechtes an den Gemeindegütern aus dem Recht der neuen politischen Ortsgemeinde würde die geschichtliche Entwicklung des Gemeindelebens ignorieren. Es sei deshalb zu beachten, ob die fraglichen Nutzungsrechte „die Natur von wohl erworbenen Privatrechten (…) hätten oder ob sie als bloße Konzessionen der Gemeinde erscheinen.“

In weiterer Folge erarbeitete Weiske die Anforderungen an den Gesetzgeber und die Gemeinden selbst:
„…so erachten wir, dass zuvörderst die Gemeinden selbst über die Natur und Beschaffenheit ihrer Gemeindegüter aufgeklärt werden müssen. Gegenwärtig [1849!] faßt in der Regel jedes Mitglied diese Güter von dem Gesichtspunkte aus auf, der ihm der vortheilhafteste ist. Die z.B., welche kein Vieh halten, sagen, die Gemeindeweide, von der wir keinen Vortheil haben, ist auf andere Weise zu benutzen, sei es zum Besten der Gemeindekasse oder zu dem aller Mitglieder. Sie meinen überhaupt, was einmal Gemeindegut sei, könne, da sie alle Gemeindeglieder seien, nicht zu dem Privatvortheil einer bloßen Classe von Gemeindegliedern verwendet werden. Die Altberechtigten dagegen betrachten die Gemeindegüter, deren Nutzungen sie zeither allein gezogen haben, nicht als Vermögenstheil der neu geschaffenen politischen Gemeinde; sie halten dieselben im Gefühle ihres historischen Rechtes für Güter, die ihnen, den Berechtigten, gemeinsam zustehen, und zwar selbst dann, wenn sie einen gewissen Antheil des Ertrages der Gemeindekasse zufließen lassen.“

Für Weiske stand also schon 1849 außer Zweifel, dass hinsichtlich der Rechtsverhältnisse an den Gemeindegütern umfassender Klarstellungsbedarf bestehen würde: „Häufig sind aber auch die den Gemeinden vorgesetzten Behörden hinsichtlich der Natur der Gemeindegüter mit sich selbst nicht im Klaren. Sie gehen von den römisch-rechtlichen Lehren aus und kennen die historische Bedeutung der Gemeindegüter bei uns nicht.“ (Julius Weiske, Über Gemeindegüter und deren Benutzung durch die Mitglieder nach den Bestimmungen der neuen Gemeindegesetze, insbesondere in Württemberg, Hessen und Baden, nebst beurteilender Darstellung des neuen österreichischen Gemeindegesetzes, Leipzig 1849)

(Julius Weiske, Über Gemeindegüter und deren Benutzung durch die Mitglieder nach den Bestimmungen der neuen Gemeindegesetze, insbesondere in Württemberg, Hessen und Baden, nebst beurteilender Darstellung des neuen österreichischen Gemeindegesetzes, Leipzig 1849, 10)

Carl Peyrer v. Heimstätt, der Doyen des Österr. Agrarrechts

Im Jahr 1877 legte Carl Peyrer v. Heimstätt, k.k. Ministerialrat im Ackerbau-Ministerium, seine grundlegende Arbeit über die Regelung der Grundeigentums-Verhältnisse (1877) vor, die auch einen Überblick über die Behandlung des Gemeinschaftseigentums in Preußen und Hessen-Kassel enthielt. Peyrer verwies auf große Erfolge in der praktischen Umsetzung der Bodenreform in Norddeutschland, die vor allem mit dem Namen des großen Agrarökonomen Albrecht Daniel Thaer (gest 1826) verbunden waren, dem geistigen Vater der preußischen Gemeinheitsteilungsordnung von 1821. Auch Peyrer selbst legte einen Gesetzesentwurf betreffend die Zusammenlegung der Grundstücke und die Ablösung und Regulierung der Nutzungsrechte samt Motivenbericht vor. Die darin enthaltenen Feststellungen, wonach Genossenschafts- und Gemeindebesitz so durcheinander geworfen würden, dass in den österreichischen Ländern mehr als eine Million Hektar mit völlig unklaren und ungeregelten Eigentumsverhältnissen bestanden, wurden im späteren Bericht des NÖ Landesausschusses als Argument für den dringenden Handlungsbedarf des Gesetzgebers ausdrücklich zitiert.

Carl Peyrer, der aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit tiefgehende Einblicke in die damaligen agrarischen Verhältnisse in den diversen österreichischen Ländern besaß, berichtete vor allem von Unklarheit und Verwirrung, verbunden mit Sorglosigkeit, wenn es sich darum handelte, „die Eigenthumsverhältnisse bei gemeinschaftlich benutzten Grundstücken anzugeben, selbe in statistische Nachweisungen, in den Steuerkataster, in Gemeinde-Inventare, ja selbst in Erkenntnisse der Behörden, in die Grundbücher, einzutragen, Verfügungen darüber vom Standpunkte des Verwaltungsrechtes zu treffen, Theilungsverhandlungen einzuleiten oder zu genehmigen, die Verwaltung zu regeln oder andere öffentliche Acte darüber vorzunehmen.“

Dafür nannte Peyrer verschiedene Beispiele: Die „Tabellen zur Land- und Forstwirthschaft des Königreiches Böhmen“ etwa würden „den so wichtigen Unterschied zwischen Gemeinde- und Gemeinschaftsvermögen gar nicht“ kennen und beide Kategorien gemeinsam unter der Bezeichnung „Gemeindegründe“ führen. Selbst das „Statistische Jahrbuch des Ackerbauministeriums“ 1874 lasse im zweiten Heft über Forststatistik den Unterschied zwischen Gemeinde- und Gemeinschaftswaldungen kaum erkennen: Nach seinem Inhalt würden in Kärnten nur „Reichsforste“ oder „Privatwälder“ existieren. „Gemeindewälder“ seien dort als Kategorie gar nicht vorgesehen, alle „Nachbarschaftswaldungen“ seien in Kärnten demnach „den Privatwaldungen gleichgestellt“.
Im „Küstenlande und in Dalmatien“ würden dagegen alle gemeinschaftlich benutzten Gründe als „Gemeinde-Eigentum“ ausgewiesen, selbst die gemeinschaftlichen Weiden als „Gemeindeweiden“ eingetragen. Dies stünde in krassem Gegensatz zu den Verhältnissen in Krain, wo man aufgrund von Erhebungen in den Jahren 1869 und 1870 die Überzeugung gewonnen hatte, dass die gemeinschaftlich benutzten Hutweiden kein Gemeindevermögen, sondern ein Gemeinschaftsvermögen bilden.
Für die Bukowina konstatierte Peyrer Servituten-Ablösungs-Vorgänge, bei denen die Ablösungsflächen als Ergebnis von Grundlasten-Verhandlungen „nominell an die Gemeinden“ zugeschrieben worden wären. Dazu bemerkte er, dass die Berechtigten nicht die Absicht gehabt haben konnten, „ihre privativen Nutzungsrechte zugunsten der [Orts-]Gemeinde aufzugeben“, was schon daraus ersichtlich sei, dass die einzelnen Berechtigten in den jeweiligen Waldungen ihre Holznutzungsrechte ausübten. Auch hätten die Gemeindevorsteher nicht den mindesten Versuch unternommen, das Ablösungs-Äquivalent der Servitutsberechtigten als ein Gemeinde-Eigentum zu behandeln, somit „andere Gemeindeglieder [als die ursprünglich abgelösten] zum Genusse zuzulassen“. Als aber neue Ansiedler gleiche Rechte am „Gemeindevermögen“ verlangt hatten, wäre Streit darüber entstanden, „ob der Wald nach dem Wortlaut der Urkunden den Gemeinden oder nach der offenbaren Willensmeinung aller Servitutsberechtigten den Gemeinschaften der Letzteren gehöre“.
Schließlich wandte sich Peyrer auch Salzburg und Tirol zu und verglich diese mit den Problemfällen in der Bukowina: Wie dort seien auch in anderen Ländern wie eben z.B. in Salzburg und Tirol bei Forstregulierungen und Servitutenverhandlungen, „um das Geschäft leichter abzuwickeln“, die Ablösungs-Äquivalente nicht den Servitutsberechtigten, sondern „der Gemeinde als ein Gemeindevermögen“ zugewiesen worden, „ohne dass diese Rechtsverhältnisse weiter klargestellt wurden“. Die „Äquivalente“ waren jedoch „nach der Summe der privatrechtlichen Nutzungsrechte der einzelnen servitutsberechtigten Güter berechnet“ und hätten daher selbstverständlich weder einen Überschuss für die Gemeinde, noch für andere, bisher nicht servitutsberechtigte Gemeindeglieder abgegeben.

Zusammenfassend stellte Peyrer fest: „Wenn nun, wie diese Beispiele zeigen, selbst solche Grundstücke, bei welchen der Rechtstitel zugunsten der Gemeinschaft der Nutzungsberechtigten aus Verhandlungen der neuesten Zeit offen vorlag, mit Verdrängung der Privatrechte zu einem Gemeindevermögen gemacht wurden, so kann es umso weniger befremden, dass die aus der alten Dorfverfassung abgeleiteten Nutzungsrechte der Bauernschaften am Gesamtvermögen ignorirt wurden und daß man jedes Gemeinschaftsvermögen als Gemeindevermögen zu behandeln suchte.“
Nicht minder zahlreich seien aber auch die Beispiele einer entgegengesetzten Behandlung, wo das Streben nach privatem Grundbesitz wirkliches Gemeindevermögen oder Gemeindegut der Ortsgemeinden erfasst hätte und mit Verkennung der Rechte und Bedürfnisse der Gemeinde zu einer vollständigen Verteilung desselben unter die Teilgenossen geführt habe.


KLARSTELLUNG DURCH GRUNDBUCHANLEGUNG?

Wer nun glaubt, in Österreich hätte die Grundbuchsanlegung hinsichtlich dieser unglaublich verwickelten Problematik Klarheit geschaffen, irrt.

Albert Ehrenzweig analysierte die Ergebnisse der Grundbuchanlegung im Zusammenhang mit der Unterscheidung von Gemeinde- und Gemeinschaftseigentum aus der Sicht des Jahres 1923 wie folgt: „Die Einführung der neueren Gemeindeverfassung veranlasste langwierige Streitigkeiten (…). Es lag nahe, dass die neue politische Gemeinde als Nachfolgerin der Realgemeinde alle Gemeindelasten auf sich nahm, dafür aber auch das Eigentum am Gemeindegut beanspruchte. (…) Bei der Grundbuchsanlegung musste die Eigentumsfrage gelöst werden. Dies geschah nicht immer in klarer Weise und gab Anlass zu erbitterten Prozessen. In vielen Fällen wurde gemäß den neuen Gemeindeordnungen die gemeinschaftlich benützte Liegenschaft als Eigentum der Gemeinde anerkannt (…). Anderwärts ist es dem geschlossenen Kreise der Nutzungsberechtigten (…) gelungen, der Gemeinde das Eigentum mit Erfolg streitig zu machen. Im Grundbuche wurde dann entweder Miteigentum als Realrecht (…) oder Alleineigentum einer juristischen Person (Agrargenossenschaft) eingetragen.“

Diese rechtstatsächlichen Feststellungen Ehrenzweigs belegen abermals, dass die Rechtsverhältnisse an den Gemeinschaftsliegenschaften unklar und strittig waren. Bezeichnender Weise gibt allerdings auch Ehrenzweig selbst keinerlei Anhaltspunkte dafür, wie sich die Rechtslage als solche darstellte, wie sie also richtig zu beurteilen gewesen wäre. Seine Ausführungen bestätigen nur ein weiteres Mal den Befund, den schon Pfaff im Jahr 1884 formuliert hatte, dass nämlich die Zivilrechtsliteratur diese Rechtsverhältnisse weitgehend ignoriert hätte:
Leopold Pfaff: „Mancher österreichische Civilist, dem die Landpraxis fremd ist, mag nicht wenig erstaunt gewesen sein, aus den niederösterreichischen Landtagsakten zu erfahren, daß ‚die Besitz- und Nutzungsverhältnisse des Gemeindeeigenthumes in zahlreichen Gemeinden ganz unglaublich verworren und unklar’ sind, daß die uralten Genossenschaften (‚Nachbarschaften’) noch immer existiren, seit geraumer Zeit aber mit der ‚Gemeinde’ identificirt werden, daß die Nachbarn, wenn es sich um Gemeindelasten handelt, darauf hinweisen, es seien alle Steuerzahler der Gemeinde die Gemeinde“, gleichzeitig jedoch im Zusammenhang mit den Rechten am „Gemeindevermögen“ behaupten würden: „Die Gemeinde sind wir, die Nachbarn.“


NÖ: MOTOR EINER RECHTSENTWICKLUNG

Eine der Wurzeln des agrargemeinschaftlichen Organisationsrechts in Österreich liegt im eben erwähnten Land Niederösterreich, konkret in Petitionen mehrerer Gemeindebürger von Schrattenberg und Reinthal an den Niederösterreichischen Landtag in der ersten Hälfte der 1870er Jahre. In seiner Sitzung vom 17. Oktober 1874 fasste der Landtag den Beschluss, den Landesausschuss mit eingehenden Erhebungen über die Besitz- und Nutzungsverhältnisse an den Gemeinde- oder Fraktionsgütern zu beauftragen und zu erwägen, ob in dieser Frage besondere gesetzliche Bestimmungen notwendig wären.
Als der Landesausschuss dazu nach knapp vier Jahren, im September 1878, schließlich einen Gesetzesentwurf samt erläuternden Bemerkungen vorlegte, beschrieb dieser „eine Aufgabe von solchem Umfange und solcher Schwierigkeit (…), wie sie ihm bis dahin (…) nie gestellt worden“ sei. Die „glückliche Lösung“ der gestellten Aufgabe würde jedoch „für zahlreiche Gemeinden des Landes eine außerordentliche Wohlthat sein“. (Bericht des NÖ Landesausschusses 21.09. 1878, XXVII Blg stenProt NÖ Landtag, 5. WP)

Dem Landesausschuss war nach eigenem Bekunden bekannt gewesen, dass „die Besitz- und Nutzungsverhältnisse des Gemeindeeigenthums in zahlreichen Gemeinden ganz unglaublich verworren und unklar“ seien. Es wäre „keine Woche“ vergangen, „ohne daß in dieser Beziehung Streitigkeiten an den Landesausschuß gebracht“ worden seien. Trotz dieses vorhandenen Wissenstandes hatte man mittels eines an alle Gemeindevertretungen abgeschickten „Circulars“ umfangreiche Erhebungen gepflogen. Dabei wurden diverse Fragen formuliert: ob und welche Liegenschaften sich in der Gemeinde befänden, die entweder laut Grundbuch der Gemeinde gehörten oder ihr nach dem Kataster zur Besteuerung zugewiesen seien, hinsichtlich derer jedoch die Eigentumsverhältnisse in der Gemeinde strittig wären; wenn ja, von wem diese Vermögenschaften verwaltet würden; wer die Steuern bezahle; von wem die Liegenschaften genützt würden und ob diejenigen, welche die Nutzungen beziehen, dafür etwas Besonderes leisten würden. Schließlich war anzugeben, ob Prozesse hierüber geführt wurden; bejahendenfalls waren die ergangenen Erkenntnisse beizuschließen und schließlich der Wert dieser Vermögenschaften anzugeben. Zu diesem Fragenkatalog sollte der jeweilige Gemeindevorstand im Einverständnis mit dem Gemeindeausschuss Bericht erstatten und – über die Beantwortung der angegebenen Fragen hinausgehend – alles mitteilen, was sonst zur Beurteilung der bestehenden Verhältnisse dienlich wäre.

Die Ergebnisse dieser Umfrage schilderte der Landesausschuss als wenig befriedigend, jedoch keineswegs überraschend, weil „die in Frage stehenden Verhältnisse (…) so verwickelter Natur und so unglaublich unklar“ seien, „daß es den Gemeindevorständen nicht zuzumuthen ist, ohne sehr sachkundige Beihilfe vollständige und klare Berichte zu verfassen“.
Das Konfliktpotential, welches mit dem Untersuchungsgegenstand verbunden war (und ist), leuchtete dennoch aus den Berichten hervor: Je nachdem, ob die Besitzenden oder die Nichtbesitzenden den Gemeindevorstand stellten, wären diese Berichte „entweder zurückhaltend oder tendenziös gefärbt“ gewesen; zuweilen hätte der Landesausschuss auch zwei Berichte aus ein und derselben Gemeinde erhalten, wobei einer von der „in dem Gemeindeausschusse dominierenden begünstigten Classe“ stammte, der andere von den Vertretern der Minorität – beide Berichte hätten sich dann vollständig widersprochen.

Was der niederösterreichische Landesausschuss 1878 für seinen Zuständigkeitsbereich als Erhebungsergebnis festhielt  ist rückblickend als ein repräsentatives Entwicklungsstadium der Rechtsverhältnisse an den Gemeinde- bzw Gemeinschaftsliegenschaften zu verstehen. Aus diesen Erkenntnisses gesetzgeberische Konsequenzen zu ziehen, scheiterten an der dem Landtag mangelnden Kompetenz im Zivilrecht!
Als generelles Phänomen fand der historische Konflikt um die Gemeindegründe auch Niederschlag in der rechtswissenschaftlichen Literatur aus der Zeit der Monarchie.


LITERARISCHE DISKUSSION

Immerhin löste die Anlegung der neuen Grundbücher aber eine umfangreiche literarische Diskussion darüber aus, wie denn derartige Gemeinschaftsgüter in den Grundbüchern einzuverleiben seien – sie kann hier nur erwähnt, jedoch keineswegs erschöpfend aufgearbeitet werden.
Exemplarisch sei ein Befund von Hoegel aus dem Jahr 1885 wiedergegeben, für den sich die Sachlage wie folgt darstellte: „Zu den schon von altersher bestandenen Gemeindeweiden und Waldungen, den einstigen Allmendgütern, kamen später noch Güter gleicher Art, als anläßlich der Servitutenablösung (…) ziemlich allgemein den Servitutsberechtigten als Abfindung (…) das freie Eigenthum an Weide und Wald gegeben wurde (…). Es lag in der Natur der Sache, daß diese Gründe (…) eine physische Auftheilung unter die Berechtigten nicht vertrugen, weil sie zwar als Ganzes, nicht aber in Theile aufgelöst sämtlichen Einzelbedürfnissen genügten (…). In der Mehrzahl der Fälle wurde die Gemeinsamkeit dieser Grundstücke aufrecht erhalten und de facto Weide- und Waldgenossenschaften errichtet und organisiert, indem in der Regel im Wege der Gemeindevorstehung das Maß des den einzelnen Wirtschaften zustehenden Weiderechtes (…), des Beholzungs- und Streurechtes, sowie der allfälligen Pflichten festgesetzt wurde. (…) befremdend muß es erscheinen, daß diese Genossenschaften regelmäßig des Stempels der Legitimität entbehren, daß sie nicht gesetzlich organisiert wurden und wir in ihnen ein Stück Gewohnheitsrecht erblicken (…). So klar diese faktische Regelung gegeben war, so unklar waren sich die Juristen darüber, wie dieselbe mit unserem jus scriptum und insbesondere dem Tabularwesen in Einklang zu bringen wäre, eine Unklarheit, aus welcher in aller Stille eine juristische Monstrosität heranwächst.“ (Hoegel, Aus der Grundbuchpraxis, JBl 1885, 592 f: Die Einlagen für gemeinschaftliche Weiden und Waldungen)

 

GEMEINSCHAFTSGUT ODER GEMEINDEGUT?

War man sich in der zivilrechtlichen Literatur im Unklaren, wie denn diese Gemeinschaftsgüter aus der Sicht des neuen Grundbuchswesens zu erfassen wären, so bestand schon gar keine Klarheit darüber, anhand welcher Kriterien die Gemeinschaftsgüter von den Gemeindegütern zu unterscheiden seien. Wissenschaftliche Auseinandersetzungen dazu lassen sich in verschiedenen Ländern bis an die Anfänge des heutigen modernen Gemeindewesens nachweisen (Grundlegend Weiske, Über Gemeindegüter und deren Benutzung).
Liest man etwa die Replik Pairhubers aus dem Jahr 1880 auf Hermans Abhandlung aus dem Jahr 1879 (Herman, Das Genossenschaftsvermögen in den Gemeinden, Österreichische Zeitschrift für Verwaltung 1879, 217 ff), so wird deutlich, dass die Auseinandersetzung zwischen der heutigen modernen Ortsgemeinde und der Klasse der „Urhausbesitzer“, wie sie beispielsweise in der Steiermark und in Niederösterreich in der zweiten Hälfte des 19. Jhdts ausgefochten wurde, im heutigen „Tiroler Agrarstreit“ eine nahezu idente, geradezu kopierte Neuauflage findet. Die Argumente, die vorgebracht wurden, um entweder Gemeinschaftseigentum oder Eigentum der neuen Ortsgemeinden zu begründen, scheinen in erster Linie politisch motiviert.

Eine juristisch-stringente Argumentation anhand der anerkannten Grundsätze über Eigentumserwerb und Eigentumsverlust fand sich nur in der Abhandlung eines anonymen „Dr. S“ über die Realgenossenschaften in Österreich, publiziert in der Zeitschrift für Notariat und freiwillige Gerichtsbarkeit 1886. Er sprach sich klar gegen die These aus, dass die neue politische Ortsgemeinde in irgendeiner Form von Gesetzes wegen die Rechtsnachfolge in Sachenrechte der historischen „Realgenossenschaften“ angetreten hätte. (S, Über Realgenossenschaften in Österreich, Zeitschrift für Notariat und freiwillige Gerichtsbarkeit in Österreich, 1886, 310 f)

Vermutlich die wichtigste Ursache der Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Gemeinschaftsgüter ist der Umstand, dass die Ausdrücke „Gemeingut“ und „Gemeindegut“ sowohl das Vermögen von (privaten) Nutzungsgemeinden (Realgemeinde, Dorfschaft, Nachbarschaft, Gemeinschaft, Genossenschaft) als auch das Vermögen von politischen Gemeinden bezeichnen konnten (Peyrer, Die Regelung der Grundeigentums-Verhältnisse, 49).
Diese Mehrfachbedeutung der Begriffe war auch schon unmittelbar nach dem Inkrafttreten des Provisorischen Gemeindegesetzes 1849 von Fernand Stamm als besondere Schwierigkeit bei der Verwaltung des Eigentums der neuen Ortsgemeinden hervorgehoben worden (Stamm, Die wichtigsten Angelegenheiten der Gemeinde (1850) 23 ff). In diesem Sinne setzte der historische Gesetzgeber des TRRG 1883 eine synonyme Verwendung der Begriffe „Gemeindegut“ und „Gemeingut“ durch die Praxis voraus (582 der Beilagen zu den sten. Prot. des Abgeordnetenhauses, IX. Session, 12).
Dennoch ist dogmatisch die zivil-, agrar- und gemeinderechtliche Begriffsbildung streng zu unterscheiden. Dabei zeigt sich jedoch ein bemerkenswerter Verdrängungsprozess: An die Stelle der unterschiedlich alten, nebeneinander bestehenden Gemeindevorstellungen trat zunehmend eine Dominanz des gemeinderechtlichen (politischen) Gemeindebegriffs, der insbesondere den zivilrechtlichen vergessen ließ. Ursachen und Mechanismen dieser begrifflichen Verengung sind vielfältig, noch nicht umfassend erforscht und können im Folgenden nur exemplarisch gezeigt werden.

 

BEVORZUGUNG DER GEMEINDE

Die Bevorzugung des politischen Gemeindebegriffs und, damit einhergehend, die Bevorzugung der Annahme eines derartigen Gemeindeeigentums hatte schon Peyrer festgestellt. Aus zeitgenössischer Sicht erklärte er sie wie folgt: Mit Einrichtung der modernen Ortsgemeinde, wodurch diese als selbständige Staatseinrichtung in den Vordergrund trat „und vom Staate sowie von den höheren autonomen Organen begünstigt wurde, genügte oft schon der bloße Name, um das Vermögen der Nutzungsgenossenschaft ganz der politischen Gemeinde zuzuweisen“ (Peyrer, Die Regelung der Grundeigentums-Verhältnisse, 49).

Hinzu kam, soweit Wälder betroffen waren, eine forstrechtliche Sonderstellung der „Gemeindewaldungen“: Das historische Forstgesetz hätte die Teilung von Gemeindewaldungen verboten, während bei Gemeinschaftswaldungen ein solches Verbot nur dann bestanden hätte, wenn sie aus Servitutenablösung gemäß Patent vom 5. Juli 1853 entstanden waren (§ 31 Servitutenregulierungspatent 1853). Wegen der Schädlichkeit von Naturalteilungen hätten die Behörden lieber „Gemeindewaldungen“ angenommen, um mit dem dadurch auferlegten Teilungsverbot das Interesse der Forstkultur zu wahren.

Einen weiteren Grund für die Behandlung von Gemeinschaftswaldungen als „Gemeindewaldungen“ erblickte Peyrer in den Gemeindeordnungen: Sie hätten Regeln über die Verwaltung des Gemeindevermögens und damit über die Behandlung der Gemeindewaldungen enthalten, während es anderenfalls an jeder gesetzlichen Normierung mangelte. Es schien daher begreiflich, dass die Landesausschüsse solche Liegenschaften im Zweifel lieber als Gemeindegründe behandelten, um durch die Anwendung des Gemeinderechts Ordnung herzustellen (Peyrer, Die Regelung der Grundeigentums-Verhältnisse, 49 f).

Aber auch die Katasterämter hätten die Gemeinde vor der Genossenschaft begünstigt, „da es leichter und bequemer ist, die Steuern von der Gemeinde einzuheben“. Dies schlage auf die Grundbücher durch, da man bei deren Anlegung den Steuerkataster zur Richtschnur herangezogen hat. All dies erschien „begreiflich“, weil „die Gemeinde wohlorganisirt, begünstigt von der Staatsgewalt (…), der äußerlich kaum mehr erkennbaren, jeder gesunden Organisation und Vertretung baren Nutzungsgenossenschaft“ entgegentreten sei (Peyrer, Die Regelung der Grundeigentums-Verhältnisse, 51).

Das treffende Resümee Peyrers ist es wert, zitiert zu werden:
„So vollzieht sich in allen österreichischen Ländern, von der Wissenschaft und im Leben kaum beachtet, einer der merkwürdigsten socialen Processe, durch welchen fast das gesamte Grundeigenthum eine Umgestaltung erleidet. Von zwei Seiten angegriffen, verschwindet nach und nach das alte, früher alleinherrschende, noch vor einem Jahrhundert weitaus überwiegende Gemeingut, das Gesammteigenthum, um auf der einen Seite durch vollständige Auftheilung unter die einzelnen Gemeindeglieder dem Privateigenthum, auf der anderen Seite dem Gemeindevermögen Platz zu machen.“ (Peyrer, Die Regelung der Grundeigentums-Verhältnisse, 51)

Der eingangs zitierte Bericht des niederösterreichischen Landesausschusses von 1878 brachte diese Entwicklung noch dramatischer zum Ausdruck, wenn er feststellte, dass „die alte Organisation der Nachbarschaft (…) zertrümmert“ war, weil die Nachbarschaft im „modernen Staate“ ihren „öffentlichen Charakter“ verloren hätte, „ohne daß man daran dachte, ihre genossenschaftliche Organisation in Bezug auf ihre Privatrechte zu erhalten“. Die „Gemeinde“ erschien jedoch „in allen Urkunden als Eigenthümerin und „so beerbte die moderne Gemeinde ihre Mutter, die Nachbarschaft, ohne daß letztere gestorben wäre.“ (Bericht des NÖ Landesausschusses vom 21. September 1878, 8)

 

SIEGESZUG DER GEMEINDE

In den hier skizzierten Überlegungen wird erkennbar, wie der vermeintliche Siegeszug der politischen Ortsgemeinde, ihres Gemeindegutes und ihres Gemeindebegriffes in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus dem Zusammenwirken vieler unterschiedlicher Faktoren resultierte. Ein weiterer, von den Zeitgenossen nicht erwähnter Grund liegt vermutlich darin, dass die Theorie der juristischen Person in Österreich erst durch die pandektistische Rechtswissenschaft der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelt wurde. Vor diesem Hintergrund erklärt sich Raschauers Befund, dass dem Institut der „Realgemeinde“, der Realgenossenschaft, der „Nachbarschaft“, der „Interessentschaft“ – wie auch immer die „moralische Person“ im Sinn §§ 26 f ABGB im konkreten Fall bezeichnet wurde – heute „kein allgemein anerkanntes verbandsrechtliches Organisationsmodell“ entspricht. (Raschauer, Rechtskraft und agrarische Operation nach TFLG, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler (Hg), Die Agrargemeinschaften in Tirol (2010), 267) Die Grundlage dafür wurde bereits in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts gelegt, indem die vom ABGB zur Verfügung gestellte moralische Person verdrängt wurde.

Angesichts der Zweifel und Unklarheiten, vor die sich die Rechtswissenschaft gestellt sah, erstaunt es nicht, dass die unmittelbar Betroffenen das Problem der Unterscheidung ihres gemeinschaftlichen Privateigentums vom Gemeindeeigentum vielfach gar nicht erkannten. Doch selbst wenn sie dies taten, so wurde doch die Organisation dieses Vermögens in einem „anerkannten Verbandsmodell“ zum Problem. So konstituierte sich die „Leobener Wald- und Wirtschafts-Realgemeinschaft“ aufgrund des Vereinspatens 1852 als „Verein“ (E Oberster Agrarsenat vom 2.10.1963, 323-OAS/63), im Außerfern wurden zur Verwaltung der überörtlichen Realgemeinden „Pfarrausschüsse“ geschaffen (Großpfarre Praytenwang oder die „Fünförtliche Pfarrgemeinde Wängle-Aschau“), in Rattenberg organisierte sich eine solche Gemeinschaft unter der Bezeichnung „Lehensassengenossenschaft“ (EZ 1 Grundbuch Rattenberg). Häufiger war die Konstituierung von „Wald-Interessentschaften“ wie etwa in Volders, in Igls, in Lans oder in Mutters. Der grundsätzliche Mangel einer „anerkannten“ Organisation wurde letzteren Falles freilich nicht behoben.

 

PRAKTISCHE SCHWIERIGKEITEN

Es kann daher nicht verwundern, dass die historischen Akteure für „nicht regulierte Agrargemeinschaften“ sich in allen amtlichen Vorgängen bevorzugt als Träger politischer Ämter in der jeweiligen politischen Ortsgemeinde legitimierten:
So trat beispielsweise ein Einschreiter für die Wald-Interessentschaft Volders 1871/1872 gegenüber der Servitutenregulierungsbehörde als Gemeindevorsteher von Volders auf (LAS Tirol vom 19.08.2010, LAS -1025/5-10).
Noch häufiger scheint jedoch das gänzliche Fehlen einer eigenständigen Organisation der „alten Nachbarschaft“ und die Verwaltung der Gemeinschaftsliegenschaften durch die Organe der Ortsgemeinde, wie dies Albert Mair für die Tiroler Verhältnisse (Mair, Probleme der Regulierung des Gemeindegutes) und der Bericht des niederösterreichischen Landesausschusses jedenfalls für Niederösterreich (Bericht des NÖ Landesausschusses vom 21. September 1878, 8 ff)generell voraussetzten.
Eine „Art“ historischer „Verwaltungsgemeinschaft“ der „alten Agrargemeinde“ und der neuen Ortsgemeinde wurde auch im Erkenntnis des Obersten Agrarsenates zur Marktgemeinde Ysper (Niederösterreich) angenommen und mit der weitgehenden Deckungsgleichheit des Mitgliederkreises erklärt (Oberster Agrarsenat vom 6. Oktober 1956, 245-OAS/58).
Dogmatisch richtiger wird es sein, für die historische Vergangenheit von einer stillschweigenden Beauftragung auf privatrechtlicher Grundlage auszugehen; die Gemeindeordnung wäre als lex contractus dieser Beauftragung zu Grunde gelegt.

Die Tiroler Praxis unterstellte eine gesetzliche Vertretungskompetenz der politischen Ortsgemeinde für die nicht regulierte Agrargemeinschaft (LAS Tirol, Erkenntnis LAS-115/3-79 vom 13.6.1979) – dies freilich nicht bloß in jenen Fällen, in denen eine Agrargemeinschaft auf Liegenschaftseigentum der politischen Ortsgemeinde bestand, sondern gerade auch dann, wenn Eigentum der Agrargemeinschaft angenommen wurde, das missverständlich als „Gemeinde-“ bzw „Fraktionsgut“ erfasst worden war.
Bezeichnend ist etwa das Regulierungsverfahren der Agrargemeinschaft Gaicht: Während des laufenden Regulierungsverfahrens, das unter anderem mit der rechtskräftigen Feststellung des Eigentumsrechts zu Gunsten der Agrargemeinschaft Gaicht abgeschlossen wurde, ergab sich hier das Erfordernis rechtsgeschäftlicher Vertretung für die Gemeinschaftsliegenschaften in einem Bauverfahren. Dazu erklärte die Agrarbehörde 1. Instanz, dass „die Verwaltung des Gemeinschaftsgebietes weiterhin der Gemeinde Weissenbach“ obliege, und zwar bis zur Rechtskraft des Regulierungsplans (Tiroler Landesregierung AgrB-R625, Erklärung vom 27.11.1961).

Am Beispiel der Agrargemeinschaft Gaicht zeigt sich, wie naheliegend es für die Rechtspraxis war, alle „bei der Ortsgemeinde verwalteten Gemeinschaftsliegenschaften“ unter dem Begriff „Gemeinde-“ bzw „Fraktionsgut“ zu erfassen. Dies schon deshalb, weil die Legitimität jahrzehntelanger Vertretungs- und Verwaltungshandlungen nicht in Frage gestellt werden sollte.

Die historischen Tiroler Agrarjuristen haben – und das sollte bei der Analyse ihrer Bescheide beachtet werden – den Begriff „Gemeinde-“ und „Fraktionsgut“ nicht (bzw nicht nur) zur Bezeichnung von Eigentum der Ortsgemeinde verwendet, sondern auch zur Erfassung der unregulierten Agrargemeinschaft: „Quasi-Erbschaft“ der Ortsgemeinde im Verhältnis zur „alten Agrargemeinde“ hätte zur Agrargemeinschaft geführt, die körperschaftlich einzurichten und zu reorganisieren sei.
Mit dieser Theorie wurde das Faktum einer fehlenden Vertretungsstruktur kompensiert: Die Subsumtion der unregulierten Agrargemeinschaft unter den Begriff des „Gemeindegutes“ bzw des „Fraktionsgutes“ schien die historisch gewachsenen Verhältnisse zu erklären, in deren Rahmen Organe der Ortsgemeinde als Vertretungs- und Aufsichtseinrichtung aufgetreten waren.

.

Der Kaiser war´s

.
Kaiser Franz Joseph I., Franz Joseph Karl von Österreich (* 18. August 1830 auf Schloss Schönbrunn; † 21. November 1916 ebenda), aus dem Haus Habsburg-Lothringen war von 1848 bis zu seinem Tod im Jahr 1916 Kaiser von Österreich. „Bodenreform“ (Commassion = Zusammenlegung und Neuverteilung von Einzeleigentum in Streulage sowie Teilung von Gemeinschaftsland und Regulierung von Gemeinschaftsland als Agrargemeinschaft) war ein zentrales Anliegen der kaiserlichen Gesetzgebung in den 1870er und 1880er Jahren. Vor allem die Länder Niederösterreich und Kärnten haben ca ab Mitte der 1870er Jahre gehörig Druck gemacht, um die Reichsgesetzgebung zum Handeln zu bewegen. Im Jahr 1883 verabschiedete der Reichrat schließlich die so genannten „drei agrarischen Reichsgesetze“, von denen hier das Teilungs- Regulierungs-Reichsgesetz besonders interessiert. Die „reformatorische Entscheidung“ über die Rechtsverhältnisse am „Gemeindegut“ war wesentliches Anliegen dieses Gesetzes. Sanktioniert wurde dieses Gesetz von Kaiser Franz Josef. Die Aufteilung von Gemeindegut in Einzeleigentum der Stammsitzeigentümer und die Regulierung des Gemeindeguts als Eigentum von Agrargemeinschaften war somit von niemandem geringeren als vom Kaiser persönlich verantwortet. Es war kaiserlicher Wille! Weil mit der alten Eigentümerbezeichnung „Gemeinde“ nur die Nachbarschaft der Stammsitzeigentümer gemeint war, war dieser kaiserliche Wille nur gerecht und billig.

 

Inhalt:
Einleitung
Der Kaiser war´s
NÖ: Motor einer Rechtsentwicklung
Böhmen: Privateigentum anerkannt
Urteil der Rechtswissenschaft
a) Carl Peyrer v. Heimstätt
b) Julius Weiske
Klarstellung bei Grundbuchanlegung?
Literarische Diskussion
Gemeinschaftsgut oder Gemeindegut?
Bevorzugung der Gemeinde
Praktische Schwierigkeiten

 

EINLEITUNG

Die Gegner des agrargemeinschaftlichen Eigentums versuchen die Regulierung des „Gemeindeguts“ als das Wirken dunkler Kräfte hinzustellen – dunkle Kräfte, die gerade und insbesondere in Tirol die politischen Ortsgemeinden ausgeraubt und bestohlenhätten. 

Verständlich, dass diese Leute die wahren Grundlagen für die Teilung und Regulierung der so genannten „Gemeindegründe“ im Dunkeln halten wollen. Niemand soll wissen, dass die Aufteilung von Gemeindegut zu Einzeleigentum schon zur Zeit der Monarchie dem Gesetz entsprach. Es entsprach dem Gesetz, weil  die gemeinschaftlich genutzten „Gemeindegründe“ ein Eigentum der Nutzungsberechtigten sind. 

Und niemand soll wissen, dass die „Commassionsbehörde“  (= heute Agrarbehörde) bereits zur Zeit der Monarchie in allen Angelegenheiten der Bodenreform zuständig war – einschließlich agrarische Operationen am so genannten „Gemeindegut“  war.

Insbesondere soll niemand wissen, dass im Reichsrat der Monarchie, wo Anfang der 1860er Jahre das moderne Gemeinderecht geschaffen worden ist, die allgemeine Auffassung bestand, dass ein so genanntes „Gemeindegut“ gerade kein Eigentum der modernen Ortsgemeinden sein könne. Die Regierungsvorlage für ein Teilungs- Regulierungs- Reichsgesetz, der Bericht des Commassionsausschusses und schließlich die Debattenbeiträge der Abgeordneten bei Beschlussfassung über das Teilungs- Regulierungs- Reichsgesetz 1883 sprechen eine eindeutige Sprache!

Die Gesetzesquellen aus der Zeit der Monarchie, als das moderne Gemeinderecht und das Flurverfassungsrecht geschaffen wurde, machen deutlich, dass das Gemeindegut kein wahres Eigentum der politischen Ortsgemeinden war.

In Tirol versuchen die Gegner des agrargemeinschaftlichen Eigentums die Aufteilung und Regulierung von Gemeindegut als Erfindung von Altlandeshauptmann Eduard Wallnöfer hinzustellen – oder als Erfindung der Nazis! Tatsächlich wurden die Gesetze zur Regulierung und Teilung des Gemeindegutes in der Zeit der Monarchie geschaffen – von demselben Gesetzgeber, der das moderne politische Gemeinderecht geschaffen hat.

Der Verfassungsgerichtshof in Wien hat im „Altenstadt-Eggenwald-Erkenntnis“ von 1982 seine gesetzesfremde These vom Gemeindegut als Eigentum der modernen Ortsgemeinde aufgestellt, ohne sich auch nur ansatzweise mit den Rechtsquellen zum Flurverfassungsrecht auseinander zu setzen. Die Vernachlässigung  sämtlicher Rechtsquellen zur agrarischen Operation am „Gemeindegut“ bzw den „Gemeinschaftsgütern“ ist ein offenkundiger, grober methodischer Fehler dieses „Verkenntnisses“!  

 

DER KAISER WAR´S

Das Reichsrahmengesetz betreffend die Teilung und Regulierung gemeinschaftlicher Grundstücke (Teilungs- Regulierungs- Reichsgesetz, TRRG 1883), RGBl 1883/94 vom 7.6.1883, wollte einem dringenden Bedürfnis in diversen Kronländern entgegen kommen. Es sollten die Rechtsverhältnisse an Vermögenschaften geregelt werden, die aus der „alten Agrargemeinde“ stammten. So heißt es in den Erläuternden Bemerkungen zum Gesetzesentwurf aus dem Jahr 1880 betreffend die grundsätzlichen Bestimmungen über die Teilung gemeinschaftlicher Grundstücke und die Regulierung der bezüglichen Benützungs- und Verwaltungsverhältnisse ausdrücklich, dass die Bestimmungen des § 1 Z 2 (in der Endfassung lit b) des Gesetzesentwurfes diejenigen Grundstücke zum Gegenstande haben, welche als Gemeindegut oder als Gemeingut jener Körperschaften oder Klassen benützt werden, die sich als Überreste der alten Agrargemeinde innerhalb der modernen politischen Gemeinde erhalten haben. (43 der Beilagen zu den sten. Prot. des Herrenhauses, IX. Session, 33)

Entsprechend dem Rechtsverständnis des historischen Gesetzgebers hätten sich demnach die „Überreste der alten Agrargemeinde“ unter den Bezeichnungen „Gemeindegut“ oder „Gemeingut“ bei mannigfaltigsten Eigentums- und Nutzungsverhältnissen innerhalb der modernen (politischen Orts-)Gemeinde erhalten – wobei vorauszusetzen ist, dass der historische Reichsgesetzgeber sich bei dieser Äußerung auf mehrere Kronländer der cisleithanischen Reichshälfte bezog hat. Wesentlich ist dabei eines: Schon die Regierungsvorlage aus dem Jahr 1880 stand auf dem Standpunkt, dass ein „Gemeindegut“ und ein „Gemeingut“ ein und das selbe seinen und dass es sich der Sache nach um  „Überreste der alten Agrargemeinde“  handle!

Bei diesen Rechtsverhältnissen erlaubte das kaiserliche Gesetz die Aufteilung und die Regulierung durch die (damals) so genannte „Commassionsbehörde“, weil diese Behörden in einem ersten Durchgang klären sollten, wem, was gehört. Das Eigentum der Nutzungsberechtigten, dh heute „die Agrargemeinschaft“,  sollte aufgeteilt oder reguliert werden. Dies, weil ein Gemeinschaftseigentum der Nutzungsberechtigten vorausgesetzt wurde.
Das Eigentum der neuen, politischen Ortsgemeinde sollte freilich in einem ersten Durchgang ausgeschieden werden! (s dazu: Die Agrarbehörde entscheidet über Eigentum)

 

NÖ: MOTOR EINER RECHTSENTWICKLUNG

Eine der Wurzeln des agrargemeinschaftlichen Organisationsrechts in Österreich liegt im Land Niederösterreich, konkret in Petitionen mehrerer Gemeindebürger von Schrattenberg und Reinthal an den Niederösterreichischen Landtag in der ersten Hälfte der 1870er Jahre. In seiner Sitzung vom 17. Oktober 1874 fasste der NÖ Landtag daraufhin den Beschluss, den Landesausschuss mit eingehenden Erhebungen über die Besitz- und Nutzungsverhältnisse an den so genannten Gemeinde- oder Fraktionsgütern zu beauftragen und zu erwägen, ob in dieser Frage besondere gesetzliche Bestimmungen notwendig wären. (Ausführlich dazu: Vorgeschichte in NÖ)

Als der Landesausschuss dazu nach knapp vier Jahren, im September 1878, schließlich einen Gesetzesentwurf samt erläuternden Bemerkungen vorlegte, beschrieb der Ausschuss „eine Aufgabe von solchem Umfange und solcher Schwierigkeit (…), wie sie ihm bis dahin (…) nie gestellt worden“ seiDie „glückliche Lösung“ der gestellten Aufgabe würde jedoch „für zahlreiche Gemeinden des Landes eine außerordentliche Wohlthat sein“. (Bericht des NÖ Landesausschusses 21.09. 1878, XXVII Blg stenProt NÖ Landtag, 5. WP)

Dem Landesausschuss war nach eigenem Bekunden bekannt gewesen, dass „die Besitz- und Nutzungsverhältnisse des Gemeindeeigenthums in zahlreichen Gemeinden ganz unglaublich verworren und unklar“ seien. Es wäre „keine Woche“ vergangen, „ohne daß in dieser Beziehung Streitigkeiten an den Landesausschuß gebracht“ worden seien. Trotz dieses vorhandenen Wissenstandes hatte man mittels eines an alle Gemeindevertretungen abgeschickten „Circulars“ umfangreiche Erhebungen gepflogen. Dabei wurden diverse Fragen formuliert: ob und welche Liegenschaften sich in der Gemeinde befänden, die entweder laut Grundbuch der Gemeinde gehörten oder ihr nach dem Kataster zur Besteuerung zugewiesen seien, hinsichtlich derer jedoch die Eigentumsverhältnisse in der Gemeinde strittig wären; wenn ja, von wem diese Vermögenschaften verwaltet würden; wer die Steuern bezahle; von wem die Liegenschaften genützt würden und ob diejenigen, welche die Nutzungen beziehen, dafür etwas Besonderes leisten würden. Schließlich war anzugeben, ob Prozesse hierüber geführt wurden; bejahendenfalls waren die ergangenen Erkenntnisse beizuschließen und schließlich der Wert dieser Vermögenschaften anzugeben.
Zu diesem Fragenkatalog sollte der jeweilige Gemeindevorstand im Einverständnis mit dem Gemeindeausschuss Bericht erstatten und – über die Beantwortung der angegebenen Fragen hinausgehend – alles mitteilen, was sonst zur Beurteilung der bestehenden Verhältnisse dienlich wäre.

Die Ergebnisse dieser Umfrage schilderte der Landesausschuss als wenig befriedigend, jedoch keineswegs überraschend, weil „die in Frage stehenden Verhältnisse (…) so verwickelter Natur und so unglaublich unklar“ seien, „daß es den Gemeindevorständen nicht zuzumuthen ist, ohne sehr sachkundige Beihilfe vollständige und klare Berichte zu verfassen“.

Das Konfliktpotential, welches mit dem Untersuchungsgegenstand verbunden sei, leuchtete dennoch aus den Berichten hervor: Je nachdem, ob die Besitzenden oder die Nichtbesitzenden den Gemeindevorstand stellten, wären diese Berichte „entweder zurückhaltend oder tendenziös gefärbt“ gewesen; zuweilen hätte der Landesausschuss auch zwei Berichte aus ein und derselben Gemeinde erhalten, wobei einer von der „in dem Gemeindeausschusse dominierenden begünstigten Classe“ stammte, der andere von den Vertretern der Minorität – beide Berichte hätten sich dann vollständig widersprochen.

Was der NÖ Landesausschuss 1878 für seinen Zuständigkeitsbereich als Erhebungsergebnis festhielt,  ist rückblickend als ein repräsentatives Entwicklungsstadium der Rechtsverhältnisse an den Gemeinde- bzw Gemeinschaftsliegenschaften zu verstehen. Der NÖ Landtag konnte aus diesen Erkenntnissen jedoch keine gesetzgeberischen Konsequenzen ziehen, weil der Landtag von einer zivilrechtlichen Angelegenheit ausging und weil der Landesgesetzgeber auf dem Gebiet des Zivilrechts keine Gesetzgebungskompetenz hatte.

Bericht des NÖ Landesausschuss vom 21.09.1878

BÖHMEN:  PRIVATEIGENTUM ANERKANNT

Über die Verhältnisse im Kronland Böhmen berichtet Karl Cizek in einer Streitschrift aus dem Jahr 1879 von Praktiken, wonach die Mitglieder der „alten Gemeinde“ die Errichtung der neuen politischen Ortsgemeinde in den 1860er Jahren, in welche zahlreiche neue Gemeindeglieder Aufnahme fanden, zum Anlass genommen hätten, die neue politische Ortsgemeinde auf Anerkennung des Eigentumsrechtes an den „Gemeindegründen“ zu Gunsten der Mitglieder der „alten Agrargemeinde“ beim Zivilgericht zu verklagen. Die Glieder der Altgemeinde, in Böhmen „Rustikalisten“ genannt, hätten das Eigentumsrecht aufgrund Ersitzung für sich in Anspruch genommen und seien vor Gericht als wahre Eigentümer anerkannt worden. Die neuen politischen Gemeinden hätten sämtliche Rechtsstreitigkeiten verloren. Die „Rustikalisten“ hätten in der Folge die als ihr Privatrecht erstrittenen „Gemeindegründe“ unter sich aufgeteilt. Beschwerden gegen diese Praxis und gegen derartige Urteile bei den politischen Behörden seien erfolglos geblieben. Cizek, Der Streit um die Gemeindegründe. Eine verwaltungsrechtliche Studie, Prag 1879)

Diese Episode böhmischer Gemeindewirtschaft fand sogar in den Debatten der Abgeordneten bei der Beschlussfassung über die drei Agrargesetze des Jahres 1883 (  [2] ihren Niederschlag: So schilderte der Abgeordnete Zak, Berichterstatter des Commassionsausschusses, folgende Begebenheiten: „Kurz vor Eröffnung dieses Sessionsabschnittes habe ich als Kurator einer Gemeinde – ich muss sagen als wirklich zu beklagender Kurator – derartigen gerichtlichen Einvernahmen beigewohnt und was ist dabei konstatiert worden? Alle Gedenkmänner haben gesagt, die Besitzer von Nr. 1 bis Nr. 10 haben diese Gemeindegründe, welche 900 Metz sehr gute Gründe betragen, besessen, benutzt, verwaltet und sich den Nutzen zugeeignet, die anderen in der Gemeinde lebenden Insassen haben darauf keinen Anspruch. Nun ist es wohl voraussichtlich, welchen Erfolg ich eben als Kurator in dem Prozess haben werde. Das Schicksal des Prozesses ist bereits im Vorhinein entschieden und so, meine Herren, geht es in sehr vielen, ja in den meisten Fällen.“ (Dr. Johannes Zak, Sten. Prot. des Abgeordnetenhauses des Österreichischen Reichsrates, IX. Session, Seite 9234)

Debattenbeiträge des Dr. Johannes Zak (1883)

 

URTEIL DER RECHTSWISSENSCHAFT

Als generelles Phänomen fand der historische Konflikt um die Gemeindegründe auch Niederschlag in der rechtswissenschaftlichen Literatur aus der Zeit der Monarchie.

a)  Carl Peyrer v. Heimstätt

Gerade ein Jahr vor dem Bericht des Niederösterreichischen Landesausschusses war eine grundlegende Arbeit von Carl Peyrer v. Heimstätt, k.k. Ministerialrat im Ackerbau-Ministerium, über die Regelung der Grundeigentums-Verhältnisse (1877) erschienen, die einen Überblick über die Behandlung des Gemeinschaftseigentums in Preußen und Hessen-Kassel enthielt. Peyrer verwies auf große Erfolge in der praktischen Umsetzung der Bodenreform in Norddeutschland, die vor allem mit dem Namen des großen Agrarökonomen Albrecht Daniel Thaer (gest 1826) verbunden waren, dem geistigen Vater der preußischen Gemeinheitsteilungsordnung von 1821. Auch Peyrer selbst legte einen Gesetzesentwurf betreffend die Zusammenlegung der Grundstücke und die Ablösung und Regulierung der Nutzungsrechte samt Motivenbericht vor. Die darin enthaltenen Feststellungenwonach Genossenschafts- und Gemeindebesitz so durcheinander geworfen würden, dass in den österreichischen Ländern mehr als eine Million Hektar mit völlig unklaren und ungeregelten Eigentumsverhältnissen bestanden, wurden im späteren Bericht des NÖ Landesausschusses als Argument für den dringenden Handlungsbedarf des Gesetzgebers ausdrücklich zitiert.

Carl Peyrer, der aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit tiefgehende Einblicke in die damaligen agrarischen Verhältnisse in den diversen österreichischen Ländern besaß, berichtete vor allem von Unklarheit und Verwirrung, verbunden mit Sorglosigkeit, wenn es sich darum handelte, „die Eigenthumsverhältnisse bei gemeinschaftlich benutzten Grundstücken anzugeben, selbe in statistische Nachweisungen, in den Steuerkataster, in Gemeinde-Inventare, ja selbst in Erkenntnisse der Behörden, in die Grundbücher, einzutragen, Verfügungen darüber vom Standpunkte des Verwaltungsrechtes zu treffen, Theilungsverhandlungen einzuleiten oder zu genehmigen, die Verwaltung zu regeln oder andere öffentliche Acte darüber vorzunehmen.“

Dafür nannte Peyrer verschiedene Beispiele: Die „Tabellen zur Land- und Forstwirthschaft des Königreiches Böhmen“ etwa würden „den so wichtigen Unterschied zwischen Gemeinde- und Gemeinschaftsvermögen gar nicht“ kennen und beide Kategorien gemeinsam unter der Bezeichnung „Gemeindegründe“ führen. Selbst das „Statistische Jahrbuch des Ackerbauministeriums“ 1874 lasse im zweiten Heft über Forststatistik den Unterschied zwischen Gemeinde- und Gemeinschaftswaldungen kaum erkennen: Nach seinem Inhalt würden in Kärnten nur „Reichsforste“ oder „Privatwälder“ existieren. „Gemeindewälder“ seien dort als Kategorie gar nicht vorgesehen, alle „Nachbarschaftswaldungen“ seien in Kärnten demnach „den Privatwaldungen gleichgestellt“.
Im „Küstenlande und in Dalmatien“ würden dagegen alle gemeinschaftlich benutzten Gründe als „Gemeinde-Eigentum“ ausgewiesen, selbst die gemeinschaftlichen Weiden als „Gemeindeweiden“ eingetragen. Dies stünde in krassem Gegensatz zu den Verhältnissen in Krain, wo man aufgrund von Erhebungen in den Jahren 1869 und 1870 die Überzeugung gewonnen hatte, dass die gemeinschaftlich benutzten Hutweiden kein Gemeindevermögen, sondern ein Gemeinschaftsvermögen bilden.
Für die Bukowina konstatierte Peyrer Servituten-Ablösungs-Vorgänge, bei denen die Ablösungsflächen als Ergebnis von Grundlasten-Verhandlungen „nominell an die Gemeinden“ zugeschrieben worden wären. Dazu bemerkte er, dass die Berechtigten nicht die Absicht gehabt haben konnten, „ihre privativen Nutzungsrechte zugunsten der [Orts-]Gemeinde aufzugeben“, was schon daraus ersichtlich sei, dass die einzelnen Berechtigten in den jeweiligen Waldungen ihre Holznutzungsrechte ausübten. Auch hätten die Gemeindevorsteher nicht den mindesten Versuch unternommen, das Ablösungs-Äquivalent der Servitutsberechtigten als ein Gemeinde-Eigentum zu behandeln, somit „andere Gemeindeglieder [als die ursprünglich abgelösten] zum Genusse zuzulassen“. Als aber neue Ansiedler gleiche Rechte am „Gemeindevermögen“ verlangt hatten, wäre Streit darüber entstanden, „ob der Wald nach dem Wortlaut der Urkunden den Gemeinden oder nach der offenbaren Willensmeinung aller Servitutsberechtigten den Gemeinschaften der Letzteren gehöre“.
Schließlich wandte sich Peyrer auch Salzburg und Tirol zu und verglich diese mit den Problemfällen in der Bukowina: Wie dort seien auch in anderen Ländern wie eben z.B. in Salzburg und Tirol bei Forstregulierungen und Servitutenverhandlungen, „um das Geschäft leichter abzuwickeln“, die Ablösungs-Äquivalente nicht den Servitutsberechtigten, sondern „der Gemeinde als ein Gemeindevermögen“ zugewiesen worden, „ohne dass diese Rechtsverhältnisse weiter klargestellt wurden“. Die „Äquivalente“ waren jedoch „nach der Summe der privatrechtlichen Nutzungsrechte der einzelnen servitutsberechtigten Güter berechnet“ und hätten daher selbstverständlich weder einen Überschuss für die Gemeinde, noch für andere, bisher nicht servitutsberechtigte Gemeindeglieder abgegeben.

Zusammenfassend stellte Peyrer fest: „Wenn nun, wie diese Beispiele zeigen, selbst solche Grundstücke, bei welchen der Rechtstitel zugunsten der Gemeinschaft der Nutzungsberechtigten aus Verhandlungen der neuesten Zeit offen vorlag, mit Verdrängung der Privatrechte zu einem Gemeindevermögen gemacht wurden, so kann es umso weniger befremden, dass die aus der alten Dorfverfassung abgeleiteten Nutzungsrechte der Bauernschaften am Gesamtvermögen ignorirt wurden und daß man jedes Gemeinschaftsvermögen als Gemeindevermögen zu behandeln suchte.“

b)  Julius Weiske

Die „verwickelte Natur“ und unglaubliche Unklarheit der Rechtsverhältnisse an jenen Liegenschaften, die damals als „Gemeindegüter“ verstanden wurden, war somit, wie PeyrersÜberblick belegt, eine generelle Erscheinung in den „österreichischen Erbländern“ – und nicht nur das: Eine schon 1849 erschienene Untersuchung von Julius Weiske zu den historischen Gemeindegütern beweist vergleichbare Probleme im gesamten deutschen Rechtskreis; Weiske legte mit dieser Abhandlung eine dogmatisch tiefgehende, auf rechtsvergleichenden Betrachtungen fußende Auseinandersetzung mit dem Recht der Gemeindegüter vor. Schon einleitend kritisierte er Strömungen, die das Recht auf Nutzung der Gemeindegüter generell als ein politisches, als einen Ausfluss des Gemeindebürgerrechtes und damit als Ausfluss aus dem Eigentumsrecht der politischen Ortsgemeinde ansahen – „obschon ersteres bestand, ehe man vom letzteren etwas wußte“. Die Ableitung des Nutzungsrechtes an den Gemeindegütern aus dem Recht der neuen politischen Ortsgemeinde würde die geschichtliche Entwicklung des Gemeindelebens ignorieren. Es sei deshalb zu beachten, ob die fraglichen Nutzungsrechte „die Natur von wohl erworbenen Privatrechten (…) hätten oder ob sie als bloße Konzessionen der Gemeinde erscheinen.“

In weiterer Folge erarbeitete Weiske die Anforderungen an den Gesetzgeber und die Gemeinden selbst:
„…so erachten wir, dass zuvörderst die Gemeinden selbst über die Natur und Beschaffenheit ihrer Gemeindegüter aufgeklärt werden müssen. Gegenwärtig [1849!] faßt in der Regel jedes Mitglied diese Güter von dem Gesichtspunkte aus auf, der ihm der vortheilhafteste ist. Die z.B., welche kein Vieh halten, sagen, die Gemeindeweide, von der wir keinen Vortheil haben, ist auf andere Weise zu benutzen, sei es zum Besten der Gemeindekasse oder zu dem aller Mitglieder. Sie meinen überhaupt, was einmal Gemeindegut sei, könne, da sie alle Gemeindeglieder seien, nicht zu dem Privatvortheil einer bloßen Classe von Gemeindegliedern verwendet werden. Die Altberechtigten dagegen betrachten die Gemeindegüter, deren Nutzungen sie zeither allein gezogen haben, nicht als Vermögenstheil der neu geschaffenen politischen Gemeinde; sie halten dieselben im Gefühle ihres historischen Rechtes für Güter, die ihnen, den Berechtigten, gemeinsam zustehen, und zwar selbst dann, wenn sie einen gewissen Antheil des Ertrages der Gemeindekasse zufließen lassen.“

Für Weiske stand also schon 1849 außer Zweifel, dass hinsichtlich der Rechtsverhältnisse an den Gemeindegütern umfassender Klarstellungsbedarf bestehen würde: „Häufig sind aber auch die den Gemeinden vorgesetzten Behörden hinsichtlich der Natur der Gemeindegüter mit sich selbst nicht im Klaren. Sie gehen von den römisch-rechtlichen Lehren aus und kennen die historische Bedeutung der Gemeindegüter bei uns nicht.“ (Julius Weiske, Über Gemeindegüter und deren Benutzung durch die Mitglieder nach den Bestimmungen der neuen Gemeindegesetze, insbesondere in Württemberg, Hessen und Baden, nebst beurteilender Darstellung des neuen österreichischen Gemeindegesetzes, Leipzig 1849)

 

KLARSTELLUNG BEI GRUNDBUCHANLEGUNG?

Wer nun glaubt, in Österreich hätte die Grundbuchsanlegung hinsichtlich dieser unglaublich verwickelten Problematik Klarheit geschaffen, der irrt.

Albert Ehrenzweig analysierte die Ergebnisse der Grundbuchanlegung im Zusammenhang mit der Unterscheidung von Gemeinde- und Gemeinschaftseigentum aus der Sicht des Jahres 1923 wie folgt: „Die Einführung der neueren Gemeindeverfassung veranlasste langwierige Streitigkeiten (…). Es lag nahe, dass die neue politische Gemeinde als Nachfolgerin der Realgemeinde alle Gemeindelasten auf sich nahm, dafür aber auch das Eigentum am Gemeindegut beanspruchte. (…) Bei der Grundbuchsanlegung musste die Eigentumsfrage gelöst werden. Dies geschah nicht immer in klarer Weise und gab Anlass zu erbitterten Prozessen. In vielen Fällen wurde gemäß den neuen Gemeindeordnungen die gemeinschaftlich benützte Liegenschaft als Eigentum der Gemeinde anerkannt (…). Anderwärts ist es dem geschlossenen Kreise der Nutzungsberechtigten (…) gelungen, der Gemeinde das Eigentum mit Erfolg streitig zu machen. Im Grundbuche wurde dann entweder Miteigentum als Realrecht (…) oder Alleineigentum einer juristischen Person (Agrargenossenschaft) eingetragen.“

Diese rechtstatsächlichen Feststellungen Ehrenzweigs belegen abermals, dass die Rechtsverhältnisse an den Gemeinschaftsliegenschaften unklar und strittig waren. Bezeichnender Weise gibt allerdings auch Ehrenzweig selbst keinerlei Anhaltspunkte dafür, wie sich die Rechtslage als solche darstellte, wie sie also richtig zu beurteilen gewesen wäre. Seine Ausführungen bestätigen nur ein weiteres Mal den Befund, den schon Pfaff im Jahr 1884 formuliert hatte, dass nämlich die Zivilrechtsliteratur diese Rechtsverhältnisse weitgehend ignoriert hätte!

Leopold Pfaff: „Mancher österreichische Civilist, dem die Landpraxis fremd ist, mag nicht wenig erstaunt gewesen sein, aus den niederösterreichischen Landtagsakten zu erfahren, daß ‚die Besitz- und Nutzungsverhältnisse des Gemeindeeigenthumes in zahlreichen Gemeinden ganz unglaublich verworren und unklar’ sind, daß die uralten Genossenschaften (‚Nachbarschaften’) noch immer existiren, seit geraumer Zeit aber mit der ‚Gemeinde’ identificirt werden, daß die Nachbarn, wenn es sich um Gemeindelasten handelt, darauf hinweisen, es seien alle Steuerzahler der Gemeinde die Gemeinde“, gleichzeitig jedoch im Zusammenhang mit den Rechten am „Gemeindevermögen“ behaupten würden: „Die Gemeinde sind wir, die Nachbarn.“

Mehr zum Thema:
Die Gemeinschaftsliegenschaften und das Grundbuch

LITERARISCHE DISKUSSION

Immerhin löste die Anlegung der neuen Grundbücher aber eine umfangreiche literarische Diskussion darüber aus, wie denn derartige Gemeinschaftsgüter in den Grundbüchern einzuverleiben seien – sie kann hier nur erwähnt, jedoch keineswegs erschöpfend aufgearbeitet werden.

Exemplarisch sei ein Befund von Hoegel aus dem Jahr 1885 wiedergegeben, für den sich die Sachlage wie folgt darstellte: „Zu den schon von altersher bestandenen Gemeindeweiden und Waldungen, den einstigen Allmendgütern, kamen später noch Güter gleicher Art, als anläßlich der Servitutenablösung (…) ziemlich allgemein den Servitutsberechtigten als Abfindung (…) das freie Eigenthum an Weide und Wald gegeben wurde (…). Es lag in der Natur der Sache, daß diese Gründe (…) eine physische Auftheilung unter die Berechtigten nicht vertrugen, weil sie zwar als Ganzes, nicht aber in Theile aufgelöst sämtlichen Einzelbedürfnissen genügten (…). In der Mehrzahl der Fälle wurde die Gemeinsamkeit dieser Grundstücke aufrecht erhalten und de facto Weide- und Waldgenossenschaften errichtet und organisiert, indem in der Regel im Wege der Gemeindevorstehung das Maß des den einzelnen Wirtschaften zustehenden Weiderechtes (…), des Beholzungs- und Streurechtes, sowie der allfälligen Pflichten festgesetzt wurde. (…) befremdend muß es erscheinen, daß diese Genossenschaften regelmäßig des Stempels der Legitimität entbehren, daß sie nicht gesetzlich organisiert wurden und wir in ihnen ein Stück Gewohnheitsrecht erblicken (…). So klar diese faktische Regelung gegeben war, so unklar waren sich die Juristen darüber, wie dieselbe mit unserem jus scriptum und insbesondere dem Tabularwesen in Einklang zu bringen wäre, eine Unklarheit, aus welcher in aller Stille eine juristische Monstrosität heranwächst.“ (Hoegel, Aus der Grundbuchpraxis, JBl 1885, 592 f: Die Einlagen für gemeinschaftliche Weiden und Waldungen)

 

GEMEINSCHAFTSGUT ODER GEMEINDEGUT?

War man sich in der zivilrechtlichen Literatur im Unklaren, wie denn diese Gemeinschaftsgüter aus der Sicht des neuen Grundbuchswesens zu erfassen wären, so bestand schon gar keine Klarheit darüber, anhand welcher Kriterien die Gemeinschaftsgüter von den Gemeindegütern zu unterscheiden seien. Wissenschaftliche Auseinandersetzungen dazu lassen sich in verschiedenen Ländern bis an die Anfänge des heutigen modernen Gemeindewesens nachweisen (Grundlegend Weiske, Über Gemeindegüter und deren Benutzung).

Liest man etwa die Replik Pairhubers aus dem Jahr 1880 auf Hermans Abhandlung aus dem Jahr 1879 (Herman, Das Genossenschaftsvermögen in den Gemeinden, Österreichische Zeitschrift für Verwaltung 1879, 217 ff), so wird deutlich, dass die Auseinandersetzung zwischen der heutigen modernen Ortsgemeinde und der Klasse der „Urhausbesitzer“, wie sie beispielsweise in der Steiermark und in Niederösterreich in der zweiten Hälfte des 19. Jhdts ausgefochten wurde, im heutigen „Tiroler Agrarstreit“ eine nahezu idente, geradezu kopierte Neuauflage findet. Die Argumente, die vorgebracht wurden, um entweder Gemeinschaftseigentum oder Eigentum der neuen Ortsgemeinden zu begründen, scheinen in erster Linie politisch motiviert.

Eine juristisch-stringente Argumentation anhand der anerkannten Grundsätze über Eigentumserwerb und Eigentumsverlust fand sich nur in der Abhandlung eines anonymen „Dr. S“ über die Realgenossenschaften in Österreich, publiziert in der Zeitschrift für Notariat und freiwillige Gerichtsbarkeit 1886. Er sprach sich klar gegen die These aus, dass die neue politische Ortsgemeinde in irgendeiner Form von Gesetzes wegen die Rechtsnachfolge in Sachenrechte der historischen „Realgenossenschaften“ angetreten hätte. (S, Über Realgenossenschaften in Österreich, Zeitschrift für Notariat und freiwillige Gerichtsbarkeit in Österreich, 1886, 310 f)

Vermutlich die wichtigste Ursache der Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Gemeinschaftsgüter ist der Umstand, dass die Ausdrücke „Gemeingut“ und „Gemeindegut“ sowohl das Vermögen von (privaten) Nutzungsgemeinden (Realgemeinde, Dorfschaft, Nachbarschaft, Gemeinschaft, Genossenschaft) als auch das Vermögen von politischen Gemeinden bezeichnen konnten (Peyrer, Die Regelung der Grundeigentums-Verhältnisse, 49).
Diese Mehrfachbedeutung der Begriffe war auch schon unmittelbar nach dem Inkrafttreten des Provisorischen Gemeindegesetzes 1849 von Fernand Stamm als besondere Schwierigkeit bei der Verwaltung des Eigentums der neuen Ortsgemeinden hervorgehoben worden (Stamm, Die wichtigsten Angelegenheiten der Gemeinde (1850) 23 ff). In diesem Sinne setzte der historische Gesetzgeber des TRRG 1883 eine synonyme Verwendung der Begriffe „Gemeindegut“ und „Gemeingut“ durch die Praxis voraus (582 der Beilagen zu den sten. Prot. des Abgeordnetenhauses, IX. Session, 12).
Dennoch ist dogmatisch die zivil-, agrar- und gemeinderechtliche Begriffsbildung streng zu unterscheiden. Dabei zeigt sich jedoch ein bemerkenswerter Verdrängungsprozess: An die Stelle der unterschiedlich alten, nebeneinander bestehenden Gemeindevorstellungen trat zunehmend eine Dominanz des gemeinderechtlichen (politischen) Gemeindebegriffs, der insbesondere den zivilrechtlichen vergessen ließ. Ursachen und Mechanismen dieser begrifflichen Verengung sind vielfältig, noch nicht umfassend erforscht und können im Folgenden nur exemplarisch gezeigt werden.

 

BEVORZUGUNG DER GEMEINDE

Die Bevorzugung des politischen Gemeindebegriffs und, damit einhergehend, die Bevorzugung der Annahme eines derartigen Gemeindeeigentums hatte schon Peyrer festgestellt. Aus zeitgenössischer Sicht erklärte er sie wie folgt: Mit Einrichtung der modernen Ortsgemeinde, wodurch diese als selbständige Staatseinrichtung in den Vordergrund trat „und vom Staate sowie von den höheren autonomen Organen begünstigt wurde, genügte oft schon der bloße Name, um das Vermögen der Nutzungsgenossenschaft ganz der politischen Gemeinde zuzuweisen“ (Peyrer, Die Regelung der Grundeigentums-Verhältnisse, 49).

Hinzu kam, soweit Wälder betroffen waren, eine forstrechtliche Sonderstellung der „Gemeindewaldungen“: Das historische Forstgesetz hätte die Teilung von Gemeindewaldungen verboten, während bei Gemeinschaftswaldungen ein solches Verbot nur dann bestanden hätte, wenn sie aus Servitutenablösung gemäß Patent vom 5. Juli 1853 entstanden waren (§ 31 Servitutenregulierungspatent 1853). Wegen der Schädlichkeit von Naturalteilungen hätten die Behörden lieber „Gemeindewaldungen“ angenommen, um mit dem dadurch auferlegten Teilungsverbot das Interesse der Forstkultur zu wahren.

Einen weiteren Grund für die Behandlung von Gemeinschaftswaldungen als „Gemeindewaldungen“ erblickte Peyrer in den Gemeindeordnungen: Sie hätten Regeln über die Verwaltung des Gemeindevermögens und damit über die Behandlung der Gemeindewaldungen enthalten, während es anderenfalls an jeder gesetzlichen Normierung mangelte. Es schien daher begreiflich, dass die Landesausschüsse solche Liegenschaften im Zweifel lieber als Gemeindegründe behandelten, um durch die Anwendung des Gemeinderechts Ordnung herzustellen (Peyrer, Die Regelung der Grundeigentums-Verhältnisse, 49 f).

Aber auch die Katasterämter hätten die Gemeinde vor der Genossenschaft begünstigt, „da es leichter und bequemer ist, die Steuern von der Gemeinde einzuheben“. Dies schlage auf die Grundbücher durch, da man bei deren Anlegung den Steuerkataster zur Richtschnur herangezogen hat. All dies erschien „begreiflich“, weil „die Gemeinde wohlorganisirt, begünstigt von der Staatsgewalt (…), der äußerlich kaum mehr erkennbaren, jeder gesunden Organisation und Vertretung baren Nutzungsgenossenschaft“ entgegentreten sei (Peyrer, Die Regelung der Grundeigentums-Verhältnisse, 51).

Das treffende Resümee Peyrers ist es wert, zitiert zu werden:
„So vollzieht sich in allen österreichischen Ländern, von der Wissenschaft und im Leben kaum beachtet, einer der merkwürdigsten socialen Processe, durch welchen fast das gesamte Grundeigenthum eine Umgestaltung erleidet. Von zwei Seiten angegriffen, verschwindet nach und nach das alte, früher alleinherrschende, noch vor einem Jahrhundert weitaus überwiegende Gemeingut, das Gesammteigenthum, um auf der einen Seite durch vollständige Auftheilung unter die einzelnen Gemeindeglieder dem Privateigenthum, auf der anderen Seite dem Gemeindevermögen Platz zu machen.“ (Peyrer, Die Regelung der Grundeigentums-Verhältnisse, 51)

Der eingangs zitierte Bericht des niederösterreichischen Landesausschusses von 1878 brachte diese Entwicklung noch dramatischer zum Ausdruck, wenn er feststellte, dass „die alte Organisation der Nachbarschaft (…) zertrümmert“ war, weil die Nachbarschaft im „modernen Staate“ ihren „öffentlichen Charakter“ verloren hätte, „ohne daß man daran dachte, ihre genossenschaftliche Organisation in Bezug auf ihre Privatrechte zu erhalten“. Die „Gemeinde“ erschien jedoch „in allen Urkunden als Eigenthümerin und „so beerbte die moderne Gemeinde ihre Mutter, die Nachbarschaft, ohne daß letztere gestorben wäre.“ (Bericht des NÖ Landesausschusses vom 21. September 1878, 8)

In den hier skizzierten Überlegungen wird erkennbar, wie der vermeintliche Siegeszug der politischen Ortsgemeinde, ihres Gemeindegutes und ihres Gemeindebegriffes in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus dem Zusammenwirken vieler unterschiedlicher Faktoren resultierte. Ein weiterer, von den Zeitgenossen nicht erwähnter Grund liegt vermutlich darin, dass die Theorie der juristischen Person in Österreich erst durch die pandektistische Rechtswissenschaft der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelt wurde. Vor diesem Hintergrund erklärt sich Raschauers Befund, dass dem Institut der „Realgemeinde“, der Realgenossenschaft, der „Nachbarschaft“, der „Interessentschaft“ – wie auch immer die „moralische Person“ im Sinn §§ 26 f ABGB im konkreten Fall bezeichnet wurde – heute „kein allgemein anerkanntes verbandsrechtliches Organisationsmodell“ entspricht. (Raschauer, Rechtskraft und agrarische Operation nach TFLG, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler (Hg), Die Agrargemeinschaften in Tirol (2010), 267) Die Grundlage dafür wurde bereits in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts gelegt, indem die vom ABGB zur Verfügung gestellte moralische Person verdrängt wurde.

Angesichts der Zweifel und Unklarheiten, vor die sich die Rechtswissenschaft gestellt sah, erstaunt es nicht, dass die unmittelbar Betroffenen das Problem der Unterscheidung ihres gemeinschaftlichen Privateigentums vom Gemeindeeigentum vielfach gar nicht erkannten. Doch selbst wenn sie dies taten, so wurde doch die Organisation dieses Vermögens in einem „anerkannten Verbandsmodell“ zum Problem. So konstituierte sich die „Leobener Wald- und Wirtschafts-Realgemeinschaft“ aufgrund des Vereinspatens 1852 als „Verein“ (E Oberster Agrarsenat vom 2.10.1963, 323-OAS/63), im Außerfern wurden zur Verwaltung der überörtlichen Realgemeinden „Pfarrausschüsse“ geschaffen (Großpfarre Praytenwang oder die „Fünförtliche Pfarrgemeinde Wängle-Aschau“), in Rattenberg organisierte sich eine solche Gemeinschaft unter der Bezeichnung „Lehensassengenossenschaft“ (EZ 1 Grundbuch Rattenberg). Häufiger war die Konstituierung von „Wald-Interessentschaften“ wie etwa in Volders, in Igls, in Lans oder in Mutters. Der grundsätzliche Mangel einer „anerkannten“ Organisation wurde letzteren Falles freilich nicht behoben.

 

PRAKTISCHE SCHWIERIGKEITEN

Es kann daher nicht verwundern, dass die historischen Akteure für „nicht regulierte Agrargemeinschaften“ sich in allen amtlichen Vorgängen bevorzugt als Träger politischer Ämter in der jeweiligen politischen Ortsgemeinde legitimierten:
So trat beispielsweise ein Einschreiter für die Wald-Interessentschaft Volders 1871/1872 gegenüber der Servitutenregulierungsbehörde als Gemeindevorsteher von Volders auf (LAS Tirol vom 19.08.2010, LAS -1025/5-10).
Noch häufiger scheint jedoch das gänzliche Fehlen einer eigenständigen Organisation der „alten Nachbarschaft“ und die Verwaltung der Gemeinschaftsliegenschaften durch die Organe der Ortsgemeinde, wie dies Albert Mair für die Tiroler Verhältnisse (Mair, Probleme der Regulierung des Gemeindegutes) und der Bericht des niederösterreichischen Landesausschusses jedenfalls für Niederösterreich (Bericht des NÖ Landesausschusses vom 21. September 1878, 8 ff)generell voraussetzten.
Eine „Art“ historischer „Verwaltungsgemeinschaft“ der „alten Agrargemeinde“ und der neuen Ortsgemeinde wurde auch im Erkenntnis des Obersten Agrarsenates zur Marktgemeinde Ysper (Niederösterreich) angenommen und mit der weitgehenden Deckungsgleichheit des Mitgliederkreises erklärt (Oberster Agrarsenat vom 6. Oktober 1956, 245-OAS/58).
Dogmatisch richtiger wird es sein, für die historische Vergangenheit von einer stillschweigenden Beauftragung auf privatrechtlicher Grundlage auszugehen; die Gemeindeordnung wäre als lex contractus dieser Beauftragung zu Grunde gelegt.

Die Tiroler Praxis unterstellte eine gesetzliche Vertretungskompetenz der politischen Ortsgemeinde für die nicht regulierte Agrargemeinschaft (LAS Tirol, Erkenntnis LAS-115/3-79 vom 13.6.1979) – dies freilich nicht bloß in jenen Fällen, in denen eine Agrargemeinschaft auf Liegenschaftseigentum der politischen Ortsgemeinde bestand, sondern gerade auch dann, wenn Eigentum der Agrargemeinschaft angenommen wurde, das missverständlich als „Gemeinde-“ bzw „Fraktionsgut“ erfasst worden war.
Bezeichnend ist etwa das Regulierungsverfahren der Agrargemeinschaft Gaicht: Während des laufenden Regulierungsverfahrens, das unter anderem mit der rechtskräftigen Feststellung des Eigentumsrechts zu Gunsten der Agrargemeinschaft Gaicht abgeschlossen wurde, ergab sich hier das Erfordernis rechtsgeschäftlicher Vertretung für die Gemeinschaftsliegenschaften in einem Bauverfahren. Dazu erklärte die Agrarbehörde 1. Instanz, dass „die Verwaltung des Gemeinschaftsgebietes weiterhin der Gemeinde Weissenbach“ obliege, und zwar bis zur Rechtskraft des Regulierungsplans (Tiroler Landesregierung AgrB-R625, Erklärung vom 27.11.1961).

Am Beispiel der Agrargemeinschaft Gaicht zeigt sich, wie naheliegend es für die Rechtspraxis war, alle „bei der Ortsgemeinde verwalteten Gemeinschaftsliegenschaften“ unter dem Begriff „Gemeinde-“ bzw „Fraktionsgut“ zu erfassen. Dies schon deshalb, weil die Legitimität jahrzehntelanger Vertretungs- und Verwaltungshandlungen nicht in Frage gestellt werden sollte.

Die historischen Tiroler Agrarjuristen haben – und das sollte bei der Analyse ihrer Bescheide beachtet werden – den Begriff „Gemeinde-“ und „Fraktionsgut“ nicht (bzw nicht nur) zur Bezeichnung von Eigentum der Ortsgemeinde verwendet, sondern auch zur Erfassung der unregulierten Agrargemeinschaft: „Quasi-Erbschaft“ der Ortsgemeinde im Verhältnis zur „alten Agrargemeinde“ hätte zur Agrargemeinschaft geführt, die körperschaftlich einzurichten und zu reorganisieren sei.
Mit dieser Theorie wurde das Faktum einer fehlenden Vertretungsstruktur kompensiert: Die Subsumtion der unregulierten Agrargemeinschaft unter den Begriff des „Gemeindegutes“ bzw des „Fraktionsgutes“ schien die historisch gewachsenen Verhältnisse zu erklären, in deren Rahmen Organe der Ortsgemeinde als Vertretungs- und Aufsichtseinrichtung aufgetreten waren.

.

Anpassung-des-Gemeinderechts

Startseite der Weihnachtswoche

Die Regulierung des Gemeindeguts

 

MP