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Was bei der Aufteilung übrig blieb, gehörte fortan der Gesammtheit und wurde von ihr benützt. Es waren dies natürlich Wälder und Weiden. Jeder Dorfmarkgenosse konnte aus dem Walde das nöthige Bau-, Werk- und Brennholz nehmen und sein Vieh auf die Weide treiben. Die Ansiedler bildeten daher eine auf gemeinsamen Besitz getheilter und ungetheilter Grundstücke beruhende Wirtschaftsgenossenschaft und sind wohl zu unterscheiden von den Gemeinden im heutigen Sinne des Wortes. Selbst der alte und moderne Staat bei aller Verschiedenheit des Begriffes sind einander viel ähnlicher als die alte Dorfmarkgenossenschaft und die heutige Gemeinde. Die alte Gemeinde war keine juristische Person, welche ein Eigenthum neben dem Sondervermögen der Einzelnen belaß, sondern die Einzelnen waren eben Miteigenthümer der Dorfmark mit wirtschaftsgenossenschaftlichen Einrichtung, die ungetheilte Dorfmark wurde daher von Einzelnen kraft ihres Miteigenthumsrechtes benützt und diese Benützung nur aus wirtschaftlichen Gründen von der Gesammtheit geregelt. Als Wald und Weide noch für Alle ausrechten, galt der Grundsatz, daß jeder nach seinem Bedarfe, das heißt nach dem Bedarfe seiner Wirtschaft, Holz schlagen und Vieh auf die Weide treiben durfte, bald aber mussten Einschränkungen eintreten, insbesondere in Bezug auf den Wald, entweder in der Art, daß die Organe der Genossenschaft bestimmten, ob ein Bau, sei es Neubau, Zubau oder Umbau, oder eine Einzäunung, wozu Holz benöthigt wurde, wirklich nöthig ist, oder – und das war die Regel – es wurde von der Gesammtheit bestimmt, wie viel Holz jedes Jahr zu schlagen ist, das geschlagene Holz wurde in gleiche Partien vertheilt und dann durchs Loos Jedem eine Partie zugewiesen. Diese Einrichtung besteht noch heutzutage in vielen niederösterreichischen Gemeinden und der uralte Ausdruck „ein Lüß Holz“ ist noch heute unseren Gemeinden geläufig. Immer aber war es in älteren Zeiten unbedingt verboten, daß der Einzelne aus der Gemeinde Holz verkaufte, aber war es in älteren Zeiten unbedingt verboten, daß der Einzelne aus der Gemeinde Holz verkaufe, denn sein Recht war nur ein Nutzungsrecht nach seinem Naturalbedarfe.
Bei der ersten Ansiedlung wurden ohne Zweifel jedem Genossen gleich viele und große Grundstücke zur Cultur zugewiesen, dafür spricht auch, daß die Bauernwirtschaften derselben Kategorie in ein und derselben Gemeinde bis zur Aufhebung des Bestiftungszwanges ziemlich gleich groß waren, und daß bei späteren Vertheilungen bis zum heutigen Tage gewöhnlich Jeder in gleiches Stück erhielt. Zu den ersten Ansiedlern kamen in vielen Gemeinden bald noch andere hinzu, deren Aufnahme selbstverständlich von der Zustimmung der Genossen abhing, weil ja der neue Ankömmling nur durch Zuweisung eines Stückes der noch ungetheilten Mark Grundbesitz erweben konnte. Mit der Zuweisung dieses Grundstückes zur Cultivirung erhielt er aber auch das Miteigenthum an der noch ungetheilten Dorfmark; das Einkaufsgeld, welches er dafür in der Regel zu entrichten mußte, hatte daher eine ganz andere Bedeutung als die heutige Gebühr für die Aufnahme in den Gemeindeverband.
Eine solche Wirtschaftsgenossenschaft konnte aber ohne eine Organisation nicht bestehen und gedeihen. Die Gesammtheit der Genossen bestimmte die Verfassung wählte Vorsteher, welche darüber machten, daß die Rechte der Genossen und ihre Pflichten gewahrt und nach dem Bedürfnisse der Genossen abgemessen werden. Das Nächstliegende war die Sorge für die Errichtung und Erhaltung der Wege und Stege, um die communication im Inneren der Dorfmark, dann die Verbindung mit der Außenwelt zu sichern. Wo Bäche, Flüsse oder das Meer den Boden bedrohten, mußte derselben durch Dämme und Deiche geschützt werden. ein sicheres Merkmals der Abteilung des Sondereigenthumes aus dem Gesammteigenthume ist die Brach- und Stoppelweide, In Brachjahren, in der zeit nach der Ernte und die Neubestellung, trat das Sondereigenthum zurück in das Stadium der ungetheilten Feldmark. Damit dies geschehen könne, mussten alle Felder derselben Flur im gleichen Jahre brach liegen, die Ernte und die Neubestellung gleichzeitig stattfinden; der Flurzwang, der Culturzwang, die Vorschriften über die zeit der Bestellung und der Ernte entsprangen daher nicht dem modernen Begriffe der Polizeihoheit, sondern dem Begriffe der Wirthschaftsgenossenschaft. Gewisse weitere Bedürfnisse machten sich schon frühzeitig geltend. Dem Grundherrn mußte der Zins, dem Landesherrn Geld- und Blutsteuer entrichtet werden. Diesen Anforderungen standen nicht die Einzelnen, sondern die Genossenschaft gegenüber. Hiezu kam weiter die Kirsche, das heißt die Sorge für die Herstellung und Erhaltung der Gotteshäuser, der Pfarrerswohnung, für die Dotirung des Seelsorgers, später auch die Sorge für die Schule. Die Organe der Genossenschaft mussten für den Entgang an Zeit und für ihre Mühewaltung entlohnt werden. Die Mittel zur Befreidigung aller dieser Bedürfnisse wurden theils durch das Erträgniß der noch ungetheilten Feldmark, theils durch die unter sich gleichen, daher auch zu gleichen Theilen beitragenden Genossen aufgebracht. Diese Leistungen waren überwiegend Naturalleistungen, wie überhaupt die Naturalwirthschaft immer das Ursprüngliche ist, die Geldwirthschaft erst später ergänzend dazu trat, so daß heute noch, allen Gesetzen zum Trotze, in vielen Gemeinden die Naturwirthschaft überwiegt, und an der gleichen Leistung aller Genossen einer natürlichen Consequenz des ursprünglichen gleichen Grundbesitzes, noch jetzt bei ganz veränderten Verhältnissen mit Zähigkeit festgehalten wird.
Die Bestreitung diese genossenschaftlichen Auslagen erfolgte nun in verschiedener Weise.
Was den Holzbedarf betrifft, so wurde häufig dem Richter außer der auf ihn als Genossen entfallenden Partie noch ein zweites Lüß Holz zugewiesen, ebenso dem Pfarrer, eine Einrichtung, die sich in den ältesten Urkunden vorfindet und noch heute in vielen Gemeinden besteht. Vielfach wurden auch bestimmte Grundstücke, Waldtheile, Weideflecken, ja Aecker und Weingärten, welche zur gemeinen ungetheilten Feldmark gehörten, bestimmten Zwecke gewidmet. Von dieser Naturalwirthschaft herrührenden Naturaldotation schreiben sich viele Ausdrücke, wie Kirchholz, Pfarrwald, Richtwiese, Schulacker u. s. w. her, die den Grundstücken noch heute ankleben, obwohl ihre Bestimmung häufig aufgehört hat, und die Grundstücke heute entweder unbelastetes Gemeindeeigenthum oder gar Privateigenthum sind. Dies ist die erste Spur der Tehilung der Feldmark in solche Gründe, welcher der Benützung aller Genossen, und solche, welche im Interesse Aller bestimmten Zwecken gewidmet sind. – eine Unterscheidung, welche §. 288 des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches mit den Worten „Gemeindegut“ und „Gemeindevermögen“ bezeichnet, eine Unterscheidung, welche jetzt zu vielen Streitigkeiten und Verwirrungen Anlaß gibt, weil die Gesetze hierüber fast gänzlich schweigen, weil Kataster und Grundbuch nur Besitz und Eigenthum, aber kein Gemeindegut und keine Gemeindevermögen kennen, weil die Genossenschaft jede specielle Widmung – von Stiftungen natürlich abgesehen – jederzeit widerrufen konnte, den Grundstücken daher die bleibende Qualität als Gemeindegut oder Gemeindevermögen nur durch die allmälige Vernichtung der alten genossenschaftlichen Errichtungen, durch Willküracte der obrigkeitlichen Gewalt und mittelst des leidigen Hilfsmittels der Verjährung aufgedrückt werden konnte.
Blieb nun nach den Naturalbezügen der Genossen und nach der Deckung der allgemeinen Genossenschaftsauslagen von den Erträgnissen der gemeinen Mark noch etwas übrig, so wurde dieser Ueberschuß veräußert und der Rest von den Genossen – vertrunken. Nach zahlreichen Urkunden ist dieses Vertrinken des unbenöthig Ueberschusses der Erträgnisse der gemeinen Mark ein fast zur Höhe einer Rechtsinstitution erhobener alter Gebrauch, von welchem ohne Zweifel die in vielen Gemeinden noch heut regelmäßig stattfindenden und nur schwer auszurottenden Gemeindezechereinen herrühren, nur mit dem Unterschieden, daß dieses Zechen als fixe Verwendungsart betrachtet wird, wenn auch die Gemeindecasse keinen Ueberschuß, sondern ein Deficit ausweist. Dagegen ist es richtig, daß auch in der ältesten Zeit der Naturalbedarf der Genossen, sei es nach Maßgabe des Hausbedarfes, sei es nach fixen Losportionen, immer zuerst gedeckt wurde, und daß eine Einschränkung hierin auch dann nicht eintrat, wenn der sohin verbleibende Ueberschuß zur Deckung der allgemeinen Genossenschaftsauslagen nicht hinreichte, in welchem Falle der Abgang von den Genossen ergänzt wurde. Hierin zeigt sich am deutlichsten, daß die ungetheilte Feldmark nicht als Eigenthum der Gemeinde, D. h. einer juristischen Person, welche ihre Bedürfnisse zunächst aus den Erträgnissen ihres Eigenthumes bestreiten würde, sondern als Miteigenthum der Genossen zu betrachten ist. Dies erhellt weiters aus einer noch heute in vielen niederösterreichischen Gemeinden herrschenden Gepflogenheit, welche sich genau an die oben geschilderte Genossenschaftswirthschaft anschließt.
Die bei der ersten Ansiedlung der Genossen zur individuellen Bearbeitung zugewiesene Theile der gemeinen Dorfmark gingen allmälig in das Sondereigenthum über, sie konnten uneingeschränkt verwerthet und verkauft werden. Hatte dieser Zustand durch Generationen gedauert, so wurde zwar die Gemeinde noch lange nicht als juristische Person gedacht, die ein von den Genossen nicht anzusprechendes besonderes Eigentum besitzt, aber der Unterschied zwischen Sondereigenthum und ungetheilter Dorfmark prägte sich doch den Genossen ein und gelangte zu einer juristischen Bedeutung, welche um so deutlicher hervortrat, je mehr sich der Begriff des Sondereigenthums entwickelte. die Mitbenützung der ungetheilten Dorfmark wurde daher zum Unterschiede von dem Sondereigenthum oder „Erbe“ als „Gemeindenutzen“ bezeichnet. Wenn nun später neue Vertehilungen stattfanden, Wald gerodet, Weide aufgerissen wurde, so bleib die Erinnerung haften, daß er ein Theil der Dorfmark ist, und sowie der Gemeindenutzen an dem neuvertheilten Grunde in der Benützung desselben als Aecker oder Weinberg. Gegen das Bergessen dieses Ursprunges schützte sich die Genossenschaft dadurch, daß die Vertheilung durchs Los nicht für immer, sondern nur für eine gewisse Anzahl von Jahren erfolgte, nach deren Ablauf eine neue Verlosung stattfand. Die Verlosungsperioden wurden immer länger, zuweilen wurde die neue Verlosung stillschweigend unterlassen und nach langer Zeit wieder einmal aufgenommen. In Deutschland sollen solche zehnjährige Verlosungsperioden noch heute bestehen und in einer nahe bei Wien gelegenen Gemeinde wurde sogar im laufenden Decennium eine neue Verlosung solcher Weinberge vorgenommen, obwohl die Minderheit sich dagegen wehrte. Die Eigenschaft dieser Losgründe als Dorfmakr äßert sich auch darin, daß sie dem Genossen, der die Cultivirung unterließ oder der sich weigerte, die Genossenschaftspflichten zu erfüllen, wieder entzogen wurden (eine Art Abstiftung), von welchem Recht die niederösterreichischen Gemeinden noch heute zuweilen Gebrauch machen, do daß selbst im laufenden Jahre solche Fälle im Beschwerdewege dem Landesauschusse zur Kenntniß kamen.
Durch diese fortgesetzten Vertheilungen schmolz die ungetheilte Dorfmark immer mehr zusammen es kam also immer häufiger vor, daß die Genossen zur Bestreitung der nicht in natura zu leistenden Gemeindebedürfnisse herangezogen wurden. Dies geschah und geschieht noch heute in der Art, daß die Genossen entweder einen fixen oder, was häufiger der Fall ist, einem mit dem Deficit der Gemeindecasse wechselnden Jahresbeitrag der Gemeinde zu zahlen haben. Da die Losgüter glich groß sind, so hat jeder Genosse, ohne Rücksicht auf seinen sonstigen Besitz und seine Steuerleistung, gleich viel zu zahlen. Es gewinnt dadurch den Anschein, als ob diese Zahlungen einen Pachtzins repräsentiren, was, wenn man den Ursprung der Errichtung ins Auge fasst, durchaus nicht der Fall ist. Dauert aber ein solches Verhältniß lange fort, bleibt die Zahlung gleich und sit sie im Verhältniß zu dem Erträgniß eine sehr geringe, so nimmt es immer mehr den Anschein eines Erbpachtes oder Erbzinses an.
Die Anzahl der Genossen in einer Gemeinde zeigt oft eine überraschende Beständigkeit. Besonders in solchen Gemeinden, welche weitab vom großen Verkehre liegen, blieb die Zahl der Genossen seit Jahrhunderten die gleiche. In früheren Zeiten dürfte die Theilung eines Gutes in zwei, vier oder acht Theile (Ganzlehen, Dreiviertellehen, Halblehen, Achtellehen) häufig vorgekommen sein, ein solches getheiltes Gut hatte dann auch nur den entsprechenden Bruchtheil des Gemeindenutzens und wurde auch bei der Vertheilung von Losgründen nur mit dem entsprechenden Bruchtheil des Gemeindenutzens und wurde auch aber kommen solche Theilungen nicht mehr vor, seit der Aufhebung des Bestiftungszwanges entfallen sie von selbst.
Die Benennungen dieser Genossen sind nun in den verschiedenen Ländern theils verschieden, theils aber auch ganz dieselben. Sehr verbreitet in und außer Oesterreich ist der Name „Bauern“, außerdem kommen bei uns noch vor „Großbauern“, „Urhausbesitzer“, dann specielle auf die Provenienz der Ansiedler deutende Namen, wie z. B. im Bezirke Tulln „Altpassauer“. Ein eigenthümlicher Name ist in mehreren Gemeinden von Oberhollabrunn üblich, nämlich „Gemeindemitleidige“, wodurch also das Schwergewicht nicht auf die Rechte, sondern auf die Pflichten oder Lasten der Genossen gelegt wird, welche mitgenießen, aber dafür auch mitleiden, das heißt die Lasten mittragen. Bemerkenswerth und ein Beweis für die Gleichartigkeit der Zustände und Anschauungen und sogar Ausdrücke in allen deutschen Ländern ist, daß derselbe Ausdruck unter Anderem auch in der Henneger´schen Landesordnung von 1539 vorkommt. Der verbreitetest Name aber ist „Nachbarn“ und für die Genossenschaft als Ganzes „Nachbarschaft“ und „Gemeinde“. Schon die ältesten Urkunden sprechen von den „Nachbauern““ oder Nachbarn, und gleichbedeutende Worte finden sich n allen Sprachen als Bezeichnung für dasselbe Verhältniß, so in französischen Urkunden voisings und voisinage, bei den Normanen und Schotten vicinetum und visnetum, in Italien vicinantia. Da der Bestiftungszwang nicht zur Schaffung, sondern zur Erhaltung de vorgefundenen Bauerngüter eingeführt wurde und eigentlich nur in späterer Zeit durch positives Gesetz fanctionierte, was in früheren Zeiten, wo der alte Gebrauch als solcher geheiligt war, schon bestanden hat, so bezeichnet auch der oft übliche Ausdruck „Bestiftete“ die Genossen der alten Dorfmark.
Neben den Genossen gab es aber und mußte es geben noch manche in der Gemeinde ansässige, ja daselbst geborene Leute, die gleichwohl keinen Antheil an der Genossenschaft hatten.
Zunächst waren dies die Familienmitglieder der Genossen. Nur der Besitzer des Hauses war Genosse, derselbe mußte eine eigene Feuerstätte – „eigen Rauch und eigen Speise“ – haben. Starb ein „Nachbar“ und übernahm ein Kind das Haus mit der Wirthschaft, so war nur er „Nachbar“, die Geschwister wurden es nicht. Dazu kamen überhaupt alle Knechte und Mägde, dann jene Bauern, welche ihren Besitz verkauften, auch wenn sie in der Dorfmark wohnhaft blieben. In vielen Ländern – in manchen schon sehr früh – war es gestattet, den „Gemeindnutzen“ allein zu verkaufen; durch diesen Verkauf verlor der Bauer ebenfalls kein Nachbarrecht, obwohl er sein Sondereigenthum behielt. Endlich – und das ist die Hauptsache – siedelten sich im Verlaufe der Zeit auch Fremde an, ohne ein Bauerngut zu erwerben. Sie erwarben ein Stück Grund entweder von der noch ungetheilten Mark oder von einem Bauer und bauten sich darauf ein Haus, hiezu gehörten insbesondere alle Dorfhandwerker. Für alle diese Personen gab es unzählige Nahmen, der gebräuchlichste in Deutschland war „Hinterlassen“, bei uns aber „Häusler“, „Kleinhäusler“, und wenn sie auch nicht einmal ein eigenes Haus besassen und sich daher einmietheten, „Inwohner, Inleute“. Alle diese Personen standen außerhalb der Genossenschaft, sie hatten kein Miteigenthum an der freien Mark, die Genossenschaft gab ihnen Schutz, gestattete ihnen öfter bald mehr, bald weniger Beneficien in Bezug auf Wald und Weide, doch war dies Sache der Gemeinde, einen Anspruch aus dem Titel des Miteigenthumes hatten sich nicht, daher auch diese Bestattungen öfter wechselten und die Kleinhäusler häufig eine fixe jährliche Gebühr als „Schutzgeld“, „Häuslergeld“ oder „Kleinhäuslergeld“ entrichten mussten und in manchen Gemeinden noch heute entrichten mussten und in manchen Gemeinden noch heute entrichten. Im Uebrigen waren sie weder Mitgenießer, noch „Mitleidige“ und hatten absolut keinen Antheil am Gemeinderegiment.
Der späteren Darstellung etwas vorgreifend, werde schon hier bemerkt, daß die „Nachbarn“ die ursprünglichen Besitzer der Dorfmark und daher des Gemeindnutzens, die allein die Lasten der Gemeinde trugen sie allein regierte und repräsentirten sich auch von jeher als die alleinigen Mitgleider der Gemeinde betrachteten und als solche ebenso von den Häuslern und von der Obrigkeit betrachtet wurden. „Nachbarschaft“ und „Gemeinde“ waren zwei Worte für denselben Begriff, und so ist es in sehr vielen Gemeinden noch heute! Unter dem Bestande der heute geltenden Gemeindeverordnung geschah es nicht selten, daß die Nachbarn Geld zusammenlegten, sich einen Grund kauften und den Kaufvertrag durch den Gemeindevorsteher abschließend oder doch überwiegend aus Nachbarn zusammengesetzt, im Wege des Edictalverfahrens Nachbarschaftsgründe, die noch in keinem Grundbuche innelagen, in das Grundbuch als Gemeindeeigenthum eintragen ließen, was Alles selbst im laufenden Jahrzehnd nicht selten geschehen ist. Charakteristisch für die festgewurzelte Rechtsüberzeugung, daß Nachbarschaft und Gemeinde zwei Worte für dieselbe Sache sind, waren mehrere auf das Circulare eingelangte Berichte. Es heißt darin, daß in der betreffenden Gemeinde solche unklare Verhältnisse, wie sie in dem Circulare angedeutet sind, nicht bestehen, daß die Gemeinde im Kataster und im Grundbuche als Besitzerin der Gemeindegründe erscheine, daß auch noch Niemand der Gemeinde ihren Besitz und Genuß streitig gemacht habe. Nachdem Alles dieses ausführlich und mit einem gewissen Eifer betheuert worden war, so daß man in der That glauben konnte, hier sei Alles in bester Ordnung, kam der Schlußpassus, daß die Kleinhäusler auch niemals den Anspruch erhoben hätten, an dem Gemeindevermögen einen Antheil zu haben!“ Es zeigte sich auch in der That, daß in diesen Gemeinden die Nachbarschaft als alleinige Trägerin des Gemeindevermögens, aber auch der Gemeindelasten angesehen und unter der Gemeinde nur die Nachbarschaft verstanden wurde. Auch sonst werden in zahlreichen Berichten die Kleinhäusler immer der Gemeinde entgegengesetzt und als außerhalb derselben bestehend betrachtet, und dieses Verhältniß wird als ein ganz selbstverständliches hingestellt.
Wären nun heutzutage die Zustände noch so, wie sie sich nach obiger Darstellung entwickelt habe und sich nach einem ziemlich einfachen Grundschema darstellen lassen, wäre die Organisation der Nachbarschaft intact, die Rechtsüberzeugung im Volke noch stets und bestimmt, und würde die Gesetzgebung sich an wirkliche Zustände und Bedürfnisse angeschmiegt haben, sö läge kein Grund zu neuem legislativen Eingreifen vor. So steht es aber nicht.
Mit dem Erstarken der staatlichen, mit der Ausdehnung der gutsherrlichen Gewalt trat die Selbstthätigkeit der Bauern wie der Bürger in der Besorgung der eigenen Angelegenheiten zurück. Sowie sich die Uebung eines Rechtes aber verliert, so schwindet auch das Bewußtsein desselben, das Verständnis der eigenen Zustände. Die lebendige Tradition erlischt oder erhält sich nur unvollkommen, unbegriffene Bruchstücke werden festgehalten, alte Begriffe mit neuen Namen bezeichnet und dadurch verwirrt, am grünen Tische werden Gesetze gemacht ohne Kenntnis der realen Verhältnisse, ja mit vornehmer Ignorirung der geschichtlichen Entwicklung, Regierer und Regierter verstehen sich nicht mehr, reden einander fremde Sprachen, da muß ein Chaos entstehen – und es ist entstanden. Mit der durch die Aufgabe gebotenen Kürze sollen nun die eingetretenen Veränderungen, deren Ursachen und die heutigen Zustände angedeutet werden.
Als der sich entwickelnde moderne Staat anfing sich mit den Gemeinden zu beschäftigen, geschah dies zuerst zu fiscalischen Zwecken, er ließ Grund und Boden behufs Anlegung der Grundsteuer vermessen und schuf die Katastral- oder Steuergemeinde, der territoriale Umfang der Steuergemeinde war in den meisten Fällen gleich der der alten Dorfmark, deren Grenzen seit unvordenklichen Zeiten bekannt und unverändert waren und sich daher sehr bequem zur Begrenzung der Steuergemeinde eigneten. In vielen Fällen wurden aber auch mehrere Dorfmarken zu Einer Katastralgemeinde zusammengezogen, diese heißen jetzt einfach „Ortschaft“, „Dorf“ und haben keine gesetzliche Repräsentanz, sie bestehen immer nur aus wenigen Bauernwirthschaften, deren Besitzer die ungetheilte Dorfmark selbst verwalten. Die Steuergemeinde war aber auch als unterste politische Einheit zu verwenden und wurde so verwendet. Grundstücke, welche nicht Eigenthum Einzelner waren, wurden nun einfach der „Gemeinde“ zugeschrieben, wogegen Niemand Einsprache erhob, da ja die „Nachbarschaft“ anerkanntermaßen zugleich die „Gemeinde“ war. Derselbe Vorgang wiederholte sich bei der Anlegung der Grundbücher. So harmlos alle diese Einrichtungen schienen, bald wurden sie die Quelle grenzenloser Verwirrung und endloser Streitigkeiten.
Jedermann musste in einer Gemeinde heimatsberechtigt sein und die Heimatberechtigung ist eine gleiche für das Bettlerkind und für den reichsten Wirthschaftsbesitzer. Schon vor dem Jahre 1849 sorgte das Gesetz für eine angemessene Vertretung der Kleinhäusler, seither hat der Unterschied zwischen Bauer und Kleinhäusler völlig aufgehört politische Bedeutung zu haben, nur der Steuergulden macht einen Unterschied im Wahlrechte, durch den dritten Wahlkörper ist aber auch für die minder Bemittelten gesorgt, das Dorfregiment kann ganz gut vollständig in die Hände der Kleinhäusler kommen, wenn sie die Mehrheit im Ausschusse bilden, die Lasten endlich sollen nach dem Steuergulden getragen werden. Ist diese moderne Gemeinde, dieser Mikrokosmus des Staates, diese juristische Person aber noch dasselbe wie die alte Dorfmark mit ihrer Wirthschaftsgenossenschaft? Gewiß nicht, der territoriale Umfang und der Name ist derselbe geblieben, die Sache, der Begriff haben sich völlig geändert. Im Kataster aber und im Grundbuch steht noch der Name „Gemeinde“; wer ist nun das Rechtssubject bezüglich der dort eingetragenen Gemeindegründe?
Die alte Organisation der Nachbarschaft ist zertrümmert. Zu einer Zeit entstanden, da Privatrecht und öffentliches Recht noch nicht so begrifflich geschieden waren wie heute, verlor sie im modernen Staate den öffentlichen Character, ohne daß man daran dachte, ihre genossenschaftliche Organisation in Bezug auf ihre Privatrechte zu erhalten, da keine der römisch-rechtlichen Formen schlechtweg auf anwendbar war. Die „Gemeinde“ erschien in allen Urkunden als Eigenthümerin und so beerbte die moderne Gemeinde ihre Mutter, die Nachbarschaft, ohne daß letztere gestorben wäre. Wenn man aber die Geschichte vergaß – die noch lebende Thatsache konnte man nicht ignorieren. Thatsächlich waren die Besitzer gewisser Häuser im Genusse oder im beschränkten oder unbeschränkten Mitgenusse gewisser Grundstücke. Man versuchte zuweilen diesen factischen Genuß aus dem Begriffe der Dienstbarkeit zu erklären, das ist aber nicht nur historisch grundfalsch, sondern auch den thatsächlichen Zuständen nicht entsprechend. Da man nun kein Schubfach fand, in welches man diese Rechtsverhältnisse stecken konnte, so ließ man sie einfach als weiter nicht definierbare Nutzungsrechte gelten. Ein Recht aber, durch welches ein scheinbar zweifelloses, auf Privat- und öffentliche Urkunden gegründetes Eigenthum beschränkt wird, ein Recht, dessen Ursprung in Vergessenheit gerathen, dessen Titel unfindbar, dessen juristische Qualität undefinirbar, dessen Grenzen unsicher sind, ein solches Recht musste den Verdacht der Asurpation erwecken, es mußte der rationalistischen Rechtsschule verdächtig und unbequem sein, den nicht berechtigten Gemeindemitgliedern als ein gehässiges Vorrecht erscheinen; das gute alte Recht der Nachbarn erschien als ein Raub an der Gemeinde, ihr Eigenthum wurde als Diebstahl betrachtet, ein solcher Zustand mußte zum Kampfe herausfordern, und der Kampf begann auch wirklich.
Er kam in früheren Zeiten nur vereinzelt vor, seit etwa hundert Jahren aber ruht er nie mehr vollständig, er wird bald still, bald laut geführt, er macht Pausen, bis wieder unter den Kleinhäuslern ein Führer (Gemeindestörer sagen die Bauern) ersteht, er wird durch Waffenstillstände, Vergleiche genannt, unterbrochen, der Sieg neigt sich bald da-, bald dorthin, das Recht aber wird dadurch nur immer mehr verdunkelt. Dazwischen gibt es zahlreiche ruhige Gemeinden, in denen der Kampf entweder ausgetobt hat oder noch nicht entbrannt ist.
Ruhe herrscht insbesondere in solchen Gemeinden, wo sich die alten Zustände der Hauptsache nach nicht bloß in Bezug auf den Genuß, sondern auch in Bezug auf die Lasten erhalten haben, wo die Nachbarn im Ausschusse der Gemeinde vorherrschen, das Gemeindeeigenthum für sich verwalten, aber auch alle Gemeindelasten allein tragen, so dass weder der Großgrundbesitzer, noch der Kleinhäusler oder der in einer fremden Gemeinde wohnende Grundbesitzer in Anspruch genommen wird. Weigert sich in solchen Gemeinden eine Nachbar, seinen Theil zu den Gemeindeauslagen beizusteuern, so wird ihm einfach wie in den alten Zeiten der „Gemeindenutzen“ entzogen. Es gibt Fälle, dass die Nachbarn, um ihr Nachbarrecht zu behaupten, mehr für die Gemeinde leisten, als nach dem Steuergulden auf sie anfiele, ja, in einer Gemeinde wurde Demjenigen, der einen „Gemeindenutzen“ übernahm, noch etwas gezahlt, weil dieser „Nutzen“ kleiner war, als die auf einen Nutzantheilo entfallende Gemeindelast. In solchen Verhältnissen mag es auch gegründet sein, dass in vielen Gemeinden niemand mehr ein Nachbarrecht in Anspruch nimmt, die Gemeinde daher unbestritten freie Eigenthümerin der Gemeindegründe ist.
Die meisten Nachbarschaften schlugen aber einen anderen Weg ein. Mit dem Wegfall ihrer politischen Vorrechte hielten sie sich auch ihrer Lasten für entbunden, als „Nachbar“ hatten sie nicht mehr Rechte in der Gemeinde als jeder andere Steuerträger, sie wollten daher auch nicht mehr leisten, als sie nach dem Verhältnisse ihrer Steuern trifft, den „Gemeindenutzen“ aber behielten sie für sich. In manchen Fällen gingen sie nicht so weit, sondern unterschieden zwischen jenen alten Lasten, welche schon in früheren Zeiten bestanden und den neueren. In vielen Gemeinden unterziehen sich daher die Nachbarn der Last für die Erhaltung der Wege und Stege, und allenfalls der Versorgung der Armen, alle anderen Lasten dagegen werden nach dem Steuergulden vertheilt. Es herrscht in dieser Beziehung die größtmöglichste Verschiedenheit unter den Gemeinden; kaum zwei Gemeinden gibt es, in welchen in dieser Beziehung völlig gleiche Verhältnisse bestehen. Zwischen den zwei Extremen, dass entweder die Nachbarn noch alle Lasten tragen oder alle Gemeindelasten gleich nach dem Steuergulden aufgetheilt werden, gibt es unzählige Mittelglieder.
Alles dieses macht aber wenig Schwierigkeiten, wenn und solange die Gemeindelasten gering sind und die Nachbarn den Besitz in der Gemeinde repräsentieren; in beiden Beziehungen haben sich aber die Verhältnisse gründlich geändert.
Es bedarf keiner weitwendigen Auseinandersetzung, dass die Gemeinden durch die Anforderungen, welche die Gegenwart an sie stellt, schwer überbürdet sind. Das Capitel „Gemeindeangelegenheiten“ in dem jährlichen Rechenschaftsberichte des Landesausschusses und die zahlreichen Besuche um die Bewilligung höherer Umlagen belehren auch Denjenigen, welcher nicht am Lande lebt, die Zustände nicht aus eigener Wahrnehmung kennt. Diese enormen Lasten stehen oft im schreiendsten Missverhältnisse zu dem meist sehr zusammengeschmolzenen Gemeinde- respective Nachbarschaftsvermögen. Repräsentirt aber die Nachbarschaft den Besitz, ist die von den Nachbarn zu entrichtende Staatssteuer so bedeutend, dass daneben die übrigen in der Gemeinde vorgeschriebene directe Steuer als unbedeutend verschwindet, – wie es heute noch in vielen Gemeinden der Fall ist – dann hat der Streit darüber, ob die Nachbarn als solche Gemeindelasten allein tragen oder ob diese durch Umlage auf alle Steuern hereinzubringen sind, wenig praktische Bedeutung. Dem ist aber nicht mehr so, und von Jahr zu Jahr ändern sich die Verhältnisse immer mehr zum Nachtheile der Nachbarschaft. Man darf nämlich nicht vergessen, daß Kleinhäusler ein Jeder ist, der in der Gemeinde ein Haus, aber keine bestiftete Wirthschaft besitzt. Kleinhäusler sind also die Handwerker, die Kaufleute, Wirthe, Aezte, Notare, Advocaten. Besitzen diese Personen kein Haus, so sind sie gar nur Inwohner. Nun kann es leicht sein, und kommt nicht selten vor, daß solche Personen aus ihrem Berufe ein größeres Einkommen haben als der Nachbar aus seiner Wirthschaft. Greller noch wird das Mißverhältniß, wenn in einem Dorfe eine Fabrik errichtet wird. Wenn der Fabrikant nicht ein Bauerngut kauft – was sehr selten der Fall sein dürfte – sondern einige Kleinhäusler oder einen Gemeindegrund erwirbt, um darauf die Fabrik zu errichten, so ist er kein „Nachbar“. Ebensowenig ist dies der Gutsbesitzer, der in der Gemeinde oft mehr als die Hälfte der Steuern zahlt. Soll nun der Nachbar für seinen „Gemeindenutzen“ alle Gemeindelasten allein tragen und sollen die anderen Steuerträger frei sein? Dagegen protestiert er und verweist auf die Gemeindeordnung, welche die Auftheilung auf den Steuergulden vorschreibt. Diese anderen Personen finden das zwar in der Ordnung, verlangen aber dafür, daß auch die anderen Bestimmungen der Gemeindeordnung respectirt werde, wonach zunächst die Erträgnisse des Gemeindevermögens zur Bestreitung der Gemeindeauslagen zu verwenden sind. Kurz , wenn es sich um Gemeindelasten handelt, da weist der Nachbar darauf hin, daß alle Steuerzahler der Gemeinde zusammen die Gemeinde vorstellen, handelt es sich aber um die Benützung des Gemeindevermögens – ja Bauer, das ist ganz was anderes – da heißt es: „die Gemeinde sind wir, die Nachbarn“.
Seit der Aufhebung des Bestiftungszwanges in Niederösterreich ist dieser Zustand noch verworrener und unhaltbarer geworden. Viele ehemals bestiftete Wirthschaften und behält sich nur das Wohnhaus etwa mit einem Garten oder einem Wiesfeld. Sein Besitz ist jetzt so klein, wie der eines Kleinhäuslers war, vielleicht desselben, der ihm nun seine Wirthschaft abgekauft hat. Bleibt er nun Nachbar, behält er den Gemeindenutzen? Solche Fragen werden jetzt zuweilen an den Landesausschuß gestellt. Seit der Einführung der Freitheilbarkeit von Grund und Boden ist dem alten auf der Dorfmarkverfassung beruhenden Rechtsverhältnisse die Basis vollständig entzogen. Der „Gemeindenutzen“, der Anspruch auf die ungetheilte Dorfmark ragt nur mehr wie eine Ruine, deren richtige Bedeutung nur der Geschichtskundige zu enträthseln, deren Berechtigung der moderne Volkswirth und Politiker nicht mehr anzuerkennen vermag, in unsere Zeit herüber. Geht das so fort, so wird vielleicht in fünfzig Jahren der zuweilen nicht unbedeutende Gemeindenutzen an den Besitz einiger halbverfallener Hütten geknüpft sein, wie das Recht, Parlamentsmitglieder zu wählen, vor der ersten Reformbill in England einer Anzahl verödeter Flecken zustand, während die bevölkerten und reichen Fabriks- und Handelsstädte als politische Kleinhäusler dieses Rechtes entbehren.
Zum Schlusse dieses Theiles des Berichtes noch einige Bemerkungen. Es wurde oben erwähnt, daß die alten Dorfmarken heute theils als Katastralgemeinden, theils als Theile solcher (Ortschaften) erscheinen. Die Gemeinde-, respective Nachbarschaftsgründe, sind demgemäß in den öffentlichen Büchern den Katastralgemeinden oder Ortschaften zugeschrieben. Außer den Katastralgemeinden und Ortschaften erscheinen aber in den Grundbüchern bezüglich solcher Vermögenschaften, die offenbar auch nur Nachbarschaftsgründe sind, zuweilen noch anders benannte Rechtssubjekte, wie z.B. „Schlossgemeinde“, „Hüttlergemeinde“, „Kleinhäuslergemeinde“, „Vogtei“ u.f.w.
Bis zum Jahre 1874 wurden fast überall die Nachbarschaftsgründe in die Gemeindeinventare eingestellt, und die Einkünfte, soweit sie den Gemeinden zuflossen, in die Gemeinderechnung eingestellt, auch diese Gründe regelmäßig vom Gemeindevorsteher, der fast immer ein Nachbar ist, verwaltet. Seit es aber in einigern wenigen Gemeinden den Kleinhäuslern gelang, die Mehrheit im Gemeindeausschusse zu erlangen und einen Bürgermeister ihrer Partei zu wählen, noch mehr aber seit dem Landtagsbeschlusse, der diesen Bericht hervorrief und dem Circular, welches auf Grund dieses Beschlusses hinausgegeben wurde, wird eine Aenderung in dieser Gebarung theils angestrebt, theils durchgeführt. Die Nachbarschaftsgründe werden aus dem Gemeindeinventar ausgeschieden, von einem Ausschusse der Nachbarschaft verwaltet und deren Erträgnisse, auch wenn sie der Gemeinde zugewendet werdn, besonders verrechnet, auch stets betont, daß die Verwendung der Erträgnisse für die Gemeinde nur freiwillig und auf Widerruf gestattet werde. Zuweilen werden sogar diese Erträgnisse jetzt nur für die Nachbarn verwendet, wobei zu bemerken, daß selbstverständlich der Landesausschuß, wo immer solche Neruerungen zu seiner Kenntnis gelangen, dieselben strengstens untersagt.
Die Kleinhäusler, welche aus dem Landtagsbeschlusse und dem Circular die Hoffnung schöpfen, daß ihnen nun auch ein Erträgniß aus den Nachbarschaftsgründen zufallen werde, suchen sich seither möglichst in Besitz zu setzen. In mancher Gemeinde mehren sich die Waldfrevel, in anderen weniger sich die Kleinhäusler den Weidezins zu zahlen. In manchen Gemeinden steht faktisch und ohne Anfechtung nicht nur den Nachbarn, sondern auch den Kleinhäuslern ein gewisses Nutzungsrecht auf die Nachbarschaftsgründe zu, wobei aber zwischen alten und neuen Kleinhäusler unterschieden wird – den letzteren wird nichts zugestanden, wohl aber den ersteren, die mit Hausnummern genau bezeichnet sind – so daß wieder an den Besitz gewisser Häuser, gewisse Rechte geknüpft sind. Das kommt einfach daher, daß die Nachbarn bald mit äußerster Zähigkeit an ihren hergebrachten Rechten festhalten, bald wieder gefügiger sind, während umgekehrt die Kleinhäusler manchmal mit Ungestüm und Hartnäckigkeit ihre Ansprüche verfolgen, bald sich beruhigen und resigniren. In den für die Kleinhäusler günstigen Fällen geben endlich die Bauern – gewöhnlich wie es heißt „um Friede und Eintracht in der Gemeinde wieder herzustellen“ – etwas nach und wurden den Kleinhäuslern im Vergleichswege gewisse Mitbenützungsrechte eingeräumt. Die Gemeinde als solche profitirte von solchen Vergleichen nie etwas, die Kleinhäusler stritten besonders in früheren Zeiten, nie für die Gemeinde, sondern für sich. Friede und Eintracht überdauerte aber selten die Generationen, welche den Vergleich geschlossen hatten, einige Zeit nach dem Schlusse des ewigen Friedens begann der Kampf von Neuem und so folgen sich im Verlaufe mehrerer Jahrzehnte in derselben Gemeinde oft mehrere obrigkeitliche Entscheidungen oder gütliche Vergleiche. Den neuesten Ansiedlern gegenüber, den sogenannten „neuen Kleinhäuslern“ stand die verstärkte Phalanx der Nachbarn und der alten Kleinhäusler gegenüber, welche gewiß nur selten durchbrochen wurde. Zuweilen wurde auch den neuen Ansiedlern ein Revers abverlangt, daß sie auf den Gemeindenutzen verzichten, eine grundbücherliche Einverleibung eines Reverses, um auch den Besitznachfolger zu binden, kam aber dem Landesausschuss nicht vor.
Während die älteren Processe meistens zwischen Nachbarn und Kleinhäuslern abgeführt wurden, wobei die Letzteren auf das Miteigenthumsrecht, die Ersteren auf Ausschließung der Kleinhäusler klagten, so daß die Gemeinde kein Streittheil war und daher die ergangenen Erkenntnisse ihr gegenüber kein Präjudiz bilden, kommt in neuerer Zeit, besonders seit dem Circulare, öfter der Fall vor, daß die Nachbarn die Gemeinde klagen, wo dann, da regelmäßig die Mehrzahl der Gemeindeausschüsse zur Nachbarschaft gehört, der Landesausschuß berufen ist, für die Gemeinde einen Vertreter zu bestellen. Der Landesausschuß war bisher noch immer so glücklich, Vertreter zu bestellen, welche, in seine Intentionen eingehend, einen Vergleich zu Stande brachten. Durch diese Vergleiche wurde festgestellt, was künftig wahres Gemeindeeigenthum bleiben soll, was den Nachbarn zuzuschreiben ist, wobei zuweilen der Gemeinde auch eine bedeutende Barschaft gezahlt wurde. Der Landesausschuß legte stets großes Gewicht darauf, daß die Verhätlnisse ganz klar geordnet werden, daß keine Bestimmung getroffen werde, welche Anlaß zu neuen Streitigkeiten in der Zukunft geben könnte, wie z.B. die oft vorgeschlagene, daß die Nachbarn künftig gewisse Gemeindelasten zu tragen haben; ebenso drang er darauf, daß die den Nachbarn abzutretenden Grundstücke entweder sofort pacellirt und den einzelnen Personen separat zugeschrieben werden, oder daß mindestens die namentlich aufgeführten Personen als Miteigenthümer eingetragen werden. Es kommt nämlich aus älterer Zeit, ja bei Edictallicitationen sogar in neuerer Zeit vor, daß „die jeweiligen Besitzer der Häuser Nr. 1, Nr. 2, u.s.w.“ als Eigenthümer der Gründe eingetragen werden. Gegenüber der absoluten Freitheilbarkeit von Grund und Boden erscheint es nun sonderbar und juridisch kaum haltbar, daß ein untrennbarer Connex zwischen einem Nachbarhause und einem Miteigenthume an einem anderen Grundstüce hergestellt wird.
In vielen Gemeinde, und zwar nicht bloß in Städten, führen die Berechtigten auch den Namen „Bürger“, was übrigens auch in Deutschland bei vielen Dörfern vorkommt, indem z.B. die Bauern in den Dörfern der Mark Brandenburg in Urkunden aus dem 13. Jahrhunderte cives villae genannt wurden. Ueberhaupt kommen in den Dörfern zuweilen manche Ausbrüche vor, welche nur bei gewerblichen Verbindungen in den Städten üblich sind. So gibt es in der Gemeinde bei Retz eine alte „Berggenossenschaft“, d.h. Weinberggenossenschaft, wie solche am Rhein und in anderen Weinländern sehr häufig und nichts anderes als Nachbarschaften waren. Diese Genossenschaft nennt sich „Mariahimmelfahrt-Bruderschaft“, hat ein „Stammbuch“ aus dem Jahre 1622, wählt jedes dritte Jahr einen „Oberzechenmeister“ und einen „Unterzechenmeister“, und hat noch in diesem Jahrhunderte ein neues Mitglied aufgenommen. Alle diese Ausdrücke kommen sonst nur bei Zünften vor und doch ist auch diese Weinbauerngenossenschaft, deren Mitglieder Nutzungsrechte auf die genossenschaftlichen Weinberge ausüben, nichts anderes als eine Nachbarschaft. …
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