Category Archives: Bodenreform

Influencer im Bodenreformrecht

 

Karl Peyrer von Heimstätt, Ackerbauministerium

Dr. Josef Kopp, Niederösterreich

LH Dr. Otto Ender, Vorarlberg

Agrarbaurat Ing. Josef Proksch, Niederösterreich#

Dr. Wolfram Haller, Osttirol

HR Dr. Albert Mair, Tirol

Univ.-Prof. Dr. Josef Kühne, Vorarlberg

 

Coming soon. MP

 

 

Agrarbehörde

Die ewige Suche nach dem Recht, der Kampf für die Gerechtigkeit, sind ein Wesenselement des Rechtsstaates, der Grundsatz der Beachtlichkeit rechtskräftiger Staatsakte ist ein anderes nicht minder bedeutsames. § 14 Agrarverfahrensgesetz 1950, BGBl 173/1950 (AgrVG) lässt keinen Zweifel an den Rechtswirkungen der historischen Verfahrensergebnisse: Die Bescheide (Erkenntnisse) der Agrarbehörden und die von ihnen genehmigten Vergleiche (Übereinkommen) haben die Rechtswirkung gerichtlicher Urteile und gerichtlicher Vergleiche.

In einer Serie von einem guten Dutzend Erk vom 30.6.2011 hat der Verwaltungsgerichtshof in dieser Streitfrage Position bezogen. Darin wurde die Rechtsposition der Agrargemeinschaften als zivilrechtliche Eigentümerinnen des Regulierungsgebietes klargestellt. Insoweit die historische Agrarbehörde bei der Entscheidung über Rechtsverhältnisse beim Zuständigkeitstatbestand für „Gemeindegut/Fraktionsgut“ angeknüpft haben, wurde dies jedoch als bescheidmäßige Feststellung ehemaligen Eigentums der Ortsgemeinde missverstanden. Für eine solche – im wahrsten Sinn des Wortes – „Unterstellung“ fehlt jedoch jede Rechtsgrundlage.

A) Die Agrarbehörden als Sonderbehörden

a) Die Grundlegung dieser Sonderorganisation in der Monarchie

Die Durchführung der drei Reichsrahmengesetze 1883, RGBl 92-94, wurde von Anfang an Besonderen Verwaltungsbehörden übertragen (§§ 6 ff des Gesetzes RGBl 1883/92; § 1 RGB l 1883/93; § 1 RGBl 1883/94), weil die bisherige Kompetenz der Zivilgerichte endlose Prozesse zur Folge hatte, aber keine sinnvolle Neuordnung der unsicheren Rechtsverhältnisse und agrarischen Bewirtschaftungsprobleme agrargemeinschaftlicher Grundstücke herbeiführen konnte. Als neue Behörden wurden in erster Instanz „Lokalkommissäre“, in zweiter Instanz „Landeskommissionen“ und in oberster Instanz eine „Ministerialkommission“ für agrarische Operationen eingerichtet, die organisatorisch mit den politischen Landesbehörden (Statthalterei bzw Landesregierung) und dem Ackerbauministerium verbunden waren. (Adamovich sen, Handbuch des österreichischen Verwaltungsrechts. Erster Band: Allgemeiner und formalrechtlicher Teil (1954) 162)
Die neuen Sonderbehörden sollten auf Grund ihrer besonderen Organisationsstruktur Kenntnis der lokalen und regionalen Besonderheiten mit rechtlicher und fachlicher Sachkunde, aber auch Entscheidungsautorität einer „politischen Behörde“ verbinden. Auf Grund ihrer Unabhängigkeit und richterlichen Mitglieder waren die Entscheidungen der Landes- und Ministerialkommissionen von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 3 lit b des Gesetzes RGBl 36/1876 ausgeschlossen. (Pernthaler, Die Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag (1977) 18; diese Beschränkung der Verwaltungsgerichtskontrolle wurde erst durch § 8 der Agrarbehördengesetznovelle 1974, BGBl 476 beseitigt). Dafür kam den Entscheidungen („Erkenntnissen“) dieser Behörden und den von ihnen genehmigten Vergleichen die Rechtswirkungen richterlicher Erkenntnisse bzw Vergleiche zu, die unmittelbar vollstreckbar waren. (§ 7 RGBl 1883/92) Die sehr begrenzten Ausnahmen von der Allzuständigkeit der Agrarbehörden in besonderen Eigentums- und Besitzstreitigkeiten zugunsten der ordentlichen Gerichtsbarkeit (§ 7 Abs 2 RGBl 1883/92; ebenso noch jetzt § 72 Abs 7 TFLG 1996) machen deutlich, dass die Kognitionsbefugnis der Agrarbehörden sich von Anfang an auch auf die zivilrechtlichen Feststellungen und Entscheidungen in Eigentumsfragen der agrargemeinschaftlichen Grundstücke bezogen, die außerhalb der Verfahren der Bodenreform in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit fielen.

b) Die organisatorische Neuregelung in der Republik

Schon vor dem Inkrafttreten der Bundesverfassung wurde die Organisation der Agrarbehörden neu geordnet. (Gesetz StGBl 1920/195) An die Stelle der „beeideten Lokalkommissäre“ traten „Agrarbezirksbehörden“, in den Ländern wurden „Agrarlandesbehörden“ und die „Agraroberbehörde“ beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft eingerichtet. Durch das Bundesgesetz, BGBl 1925/281, wurde diese Organisation der durch die B-VG-Novelle 1925 neu geordneten allgemeinen staatlichen Verwaltungen in den Ländern angepasst und durch das Bundesgesetz, BGBl 1937/133, in die noch heute geltende Organisation der Agrarbehörden umgewandelt: In erster Instanz ist die monokratisch organisierte Agrarbezirksbehörde als Sonder-Landesbehörde tätig, soweit die Landesgesetzgebung auf Grund der Ermächtigung des § 3 Abs 2 des Agrarbehördengesetzes 1950 nicht von der Einrichtung eigener Agrarbezirksbehörden absieht und ihre Aufgaben dem Amt der Landesregierung zuweist.

Während der deutschen Besetzung traten an die Stelle der österreichischen Vorschriften die Bestimmungen der Verordnung vom 16.2.1940, RGBl I, 367; durch die Kundmachung BGBl 1946/85 auf Grund des § 1 Abs 2 Rechts-Überleitungsgesetzes, StGBl 1945/6, wurden diese deutschen Rechtsvorschriften als aufgehoben erklärt. (Weil sie gemäß § 1 Abs 1 R-ÜG „mit den Grundsätzlichen einer echten Demokratie unvereinbar sind und dem Rechtsempfinden des österreichischen Volkes widersprechen“; vgl dazu VfGH Erk Slg 4320/1962 über den Unterschied zwischen Polizeistaat und (dem österreichischen) Rechtsstaat) Die ehemaligen österreichischen Vorschriften gemäß § 1 Abs 3 R-ÜG wurden neuerlich in Geltung gesetzt. In der Fassung der Novelle BGBl 1947/179 wurden sie als „Agrarbehördengesetz 1950“, BGBl 1951/1 wiederverlautbart und stehen als solche – in der Fassung BGBl I 1999/191 und BGBl I 2006/113 – noch heute in Geltung.

Die Einrichtungsvorschriften der republikanischen Verwaltungsorganisation hielten an der oben dargestellten kommissionellen Behördenstruktur mit quasi-richterlichen Unabhängigkeit der Senate fest, wie sie seit 1883 die Agrarbehörden auf Landesebene und bei der Zentralbehörde kennzeichnete. Das war schon deshalb erforderlich, weil sich weder am sachlichen Wirkungsbereich der „Bodenreform“ noch an der Kombination von zivilrechtlicher und verwaltungsbehördlicher Entscheidungsbefugnis – unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges – der Agrarbehörden irgendetwas änderte. Wie in der Folge noch ausführlich begründet wird, erfasste diese umfassende Kognitionsbefugnis der Agrarbehörden seit den oben angeführten Reichsrahmengesetzen von 1883 unverändert bis heute als Kernkompetenz die Eigentumsfeststellung an agrargemeinschaftlichen Grundstücken – unabhängig davon, ob diese als Gemeindegut verwaltet werden oder nicht.

B) „Bodenreform“ als Sonderkompetenz

a) Grund für die „Reichsrahmengesetzgebung“

Die eingangs erwähnten Reformgesetze des Jahres 1883 ergingen als „Reichsrahmengesetze“, eine Kompetenztype, die in der damals geltenden Reichsverfassung nicht vorgesehen war. (Vgl die §§ 11 und 12 des Gesetzes über die Reichsvertretung, RGBl 1867/141; Weyr, Rahmengesetze (1913) 60 ff) Der Grund für diese – in der Generalklausel der Reichsgesetzgebung (§ 11 RGBl 1867/141) begründete – Kompromiss-Lösung lag darin, dass die Reformgesetze zwar politisch wichtige Landeskompetenzen insbesondere Land- und Forstwirtschaft und Gemeindewesen erfassten, gleichzeitig aber in zentraler Weise die Reichskompetenz „Zivilrecht“ berührten und als Reformgesetze auch die unzulänglichen landesgesetzlichen Bestimmungen der Gemeindeordnungen über das Gemeindegut bindend neu ordnen wollten. Diese Reformziele und die draus resultierende Notwendigkeit einer Reichsgesetzgebung wurden in den parlamentarischen Materialien und vor allem in den Debattenbeiträgen des Abgeordnetenhauses ausgiebig erörtert und gegen Einwände vieler Abgeordneter wegen Eingriffe in Landeskompetenzen schließlich doch als „Rahmengesetze“ beschlossen. (Regierungsvorlage, 43 der Beilagen zu den sten Prot des Herrenhauses IX. Session; Bericht des Commassionsausschusses, 582 der Beilagen zu den sten Prot des Abgeordnetenhauses IX. Session; 268. Sitzung des Abgeordnetenhauses, IX. Session, 9214ff) Die vereinzelt gebliebene Meinung, das Gemeindegut sei nicht unter die Reformgesetze von 1883 gefallen und daher nicht im Kompetenztatbestand „Bodenreform“ enthalten (Morscher, Gemeinnutzungsrechte am Gemeindegut, ZfV 1982, 6), widerspricht nicht nur dem Wortlaut des § 1 lit b des Gesetzes RGBl 1883/94, sondern auch den aus den parlamentarischen Materialien klar erkennbaren Zielsetzungen des Gesetzes, „die sehr vagen Bestimmungen der Gemeindeordnungen“ über die Eigentumsverhältnisse am Gemeindegut und die Entscheidungskompetenz über diese Rechtsfragen durch klare und einheitliche rechtliche Regelungen zu ersetzen. (Vgl dazu die Ausführungen der Regierungsvertreter in der Debatte des Abgeordnetenhauses, 268. Sitzung IX. Session, 9221ff)

b) Zur sachlichen Zuständigkeit im Teilungs- und Regulierungsrecht

Das Gesetz vom 7. Juni 1883 betreffend die Teilung gemeinschaftlicher Grundstücke und die Regulierung der hierauf bezüglichen gemeinschaftlichen Benützungs- und Verwaltungsrechte, (TRRG 1883, RGBl 1883/94) definierte die Zuständigkeit der neuen Behörden in Angelegenheiten der Teilung und Regulierung von Gemeinschaftsliegenschaften wie folgt: § 1. Die nach dem Gesetz vom 7. Juni 1883 (RGBl Nr 92) zuständigen Behörden sind zugleich im Verfahren bei Teilung von Grundstücken, sowie im Verfahren bei Regulierung gemeinschaftlicher Benützungs- und Verwaltungsrechte an ungeteilt verbleibenden Grundstücken zuständig, bezüglich derer entweder a) […] oder b) welche von allen oder gewissen Mitgliedern einer Gemeinde, einer oder mehrerer Gemeindeabteilung, Nachbarschaften oder ähnlicher agrarischer Gemeinschaften (Klassen der Bauern, Bestifteten, Singularisten u.d. gl.) kraft ihrer persönlichen oder mit einem Besitze verbundenen Mitgliedschaft, […] benützt werden.“

Diese Definition des § 1 lit b TRRG 1883 umfasst – wie bereits oben ausgeführt – das Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung. Die in sämtlichen Ausführungsgesetzen zum TRRG 1883, beginnend mit dem Ausführungsgesetz für die für die Markgrafschaft Mähren vom 13. Februar 1884 bis zum Ausführungsgesetz für das Land Vorarlberg vom 11. Juli 1921 anzutreffende Regelung, wonach das in Anwendung der Gemeindeordnung verwaltete Gemeindegut der agrarischen Operation nach Teilungs- und Regulierungs-Landesrecht unterliege, sind deshalb nur als Klarstellung zur Generalklausel zu verstehen, wie diese bereits in § 1 lit b TRRG 1883 definiert wurde. Die älteren Teilungs- und Regulierungs-Landesgesetze machen dies besonders deutlich.

Zu verweisen ist beispielsweise auf das erste Ausführungsgesetz zum TRRG 1883, das Gesetz für die Markgrafschaft Mähren vom 13. Februar 1884 betreffend die Teilung gemeinschaftlicher Grundstücke und die Regulierung der hierauf bezüglichen gemeinschaftlichen Benützungs- und Verwaltungsrechte (LGBl 1884/31). Dessen § 2 lautet wie folgt: „Wo in diesem Gesetz von Behörden oder von gemeinschaftlichen Grundstücken ohne anderweitige Bezeichnung die Rede ist, sind die im § 1 angegebenen Behörden, bzw die da selbst bezeichneten Grundstücke zu verstehen. Zu diesen Grundstücken sind insbesondere auch jene zu zählen, welche als Gemeindegut einer gemeinschaftlichen Benützung nach Maßgabe des § 63 der Gemeindeordnung vom 15. März 1864 unterliegen, sowie jene, welche aufgrund einer in Ausführung des kaiserlichen Patentes vom 5. Juni 1853 RGBl Nr 130) erfolgten Abtretung sich im Besitze einer Ortschaft, Gemeinde oder Gesamtheit von Berechtigten befinden.“

Man muss jedoch auch die historische Entwicklung beachten und die beschränkte Regulierungskompetenz der Agrarbehörden nach den Ausführungsgesetzten der Länder zum TRRG 1883 in den Fällen, in denen agrargemeinschaftliche genutzte Liegenschaften (bereits) in Anwendung der Gemeindeordnung verwaltet wurden. Die Gemeindeordnungen der Länder haben deshalb erst auf der Grundlage des FlVerfGG 1932 das Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung aus dem allgemeinen Gemeindegutsbegriff ausdifferenziert und klar dem Vollzugsbereich des jeweiligen Flurverfassungs-Landesgesetzes zugewiesen. (Kühne/Oberhofer , Gemeindegut und Anteilsrecht der Ortsgemeinde, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler/Raber, Die Agrargemeinschaften in Westösterreich, 263ff; www.agrar-info/Bodenreform/Ergänzung-der-GO)

Daraus folgt, dass gerade die Kognitionsbefugnis der Agrarbehörden in Eigentums- und Besitzfragen der Agrargemeinschaften, einschließlich des Gemeindegutes, zum Kernbestand der Reformgesetze von 1883 und damit auch des durch sie geprägten Kompetenztatbestandes „Bodenreform“ gehört. Das soll im Folgenden näher begründet werden.

c) Der bundesstaatliche Kompetenztatbestand „Bodenreform“

Die Republik übernahm nicht nur weitgehend die besondere Organisation der Agrarbehörden, sondern auch den materiellen Rechtsbestand und die besondere Type der Kompetenzverteilung („Rahmengesetze“) der Reformgesetze von 1883. Anders als in der Monarchie wurde in der Bundesverfassung eine eigene Kompetenztype der „Grundsatzgesetzgebung“ geschaffen, die nunmehr – anders als in der Monarchie – mit der Landesvollziehung verbunden wurde. (Art 12 Abs 1 B-VG in Verbindung mit § 8 Abs 1 und 4 Verfassungs-Übergangsgesetz 1920)
Um die bisherige besondere Organisation in gerichtsartigen Senaten, die Oberinstanz des Obersten Agrarsenates als Bundesbehörde und die weitgehende Organisationshoheit des Bundesgesetzgebers mit der Landesvollziehung zu vereinbaren, musste eine eigene Sonderverfassungsnorm für die Organisation der Vollziehung des Bodenreformrechtes in die Bundesverfassung aufgenommen werden. (Art 12 Abs 2 B-VG; VfGH Erk Slg 1966; 5528/1967; Antoniolli/Koja , 437)

Wie oben angeführt, hängt die besondere Organisationsform der Agrarbehörden, vor allem ihre Gliederung in Senate und den Obersten Agrarsenat untrennbar mit der umfassenden Kognitionsbefugnis der Agrarbehörden – an Stelle der ordentlichen Gerichtsbarkeit – in zivilrechtlichen Fragen der Bodenreform zusammen. In einem grundlegenden Kompetenz-Feststellungserkenntnis gemäß Art 138 Abs 2 B-VG hat der VfGH diesen komplexen Kompetenztatbestand rechtssystematisch wie folgt formuliert:
„Alle Aktionen auf dem Gebiet der Landeskultur, die die gegebenen Bodenbesitz-, Benützungs- und Bewirtschaftungsverhältnisse den geänderten sozialen oder wirtschaftlichen Anschauungen oder Bedürfnissen entsprechend einer planmäßigen Neuordnung oder Regulierung unterziehen wollen, sofern sie nicht unter Art 10 B VG fallen.“ (VfGH Erk Slg 1390/1931; ähnlich VfSlg 3649/1959; 4027/1961; 5741/1968; 6508/1971; 9120/1981; 11.856/1988; 12.280/1990 ua; Pernthaler, Raumordnung und Verfassung, Bd 1 (1975) 96; Zessner-Spitzenberg, Bodenreform im Sinne der Bundesverfassung, ÖVBl 1931, 89 ff und 121 ff; Adamovich, Handbuch des österreichischen Verwaltungsrechts5, 2. Bd (1953) 115 ff; Herrnritt, Österreichisches Verwaltungsrecht (1925) 216)

Schon aus dieser Formulierung selbst – und noch viel deutlicher aus den zahlreichen Erkenntnissen des VfGH, welche diese Kompetenz erläutern und konkretisieren geht klar hervor, dass die Feststellung und Verfügung über Eigentum und zivilrechtliche Ansprüche und Rechtsverhältnisse an agrargemeinschaftlichen Grundstücken kraft Verfassungsrecht zum Kernbereich der agrarbehördlichen Kognitionsbefugnisse gehören. In zahlreichen Erkenntnissen hat der VfGH daher ausdrücklich festgehalten, dass sich der Kompetenztatbestand „Bodenreform“ auch auf zivilrechtliche Fragen erstreckt und daher vom Kompetenztatbestand „Zivilrechtswesen“ abzugrenzen ist. (VfSlg 8151/1977; 11.856/1988; 12.415/1990; VwGH v 13.12.1994, 94/07/039 ua; VfSlg 2452/1952; 2820/1955; 3614/1959; 4064/1961; 5666/1968; 12.280/1990 ua)

Noch viel deutlicher wird dieses Ergebnis, wenn man den in Art 12 Abs 1 Z 3 B-VG genannten Sonderfall der Bodenreform, nämlich die „agrarischen Operationen“ im Sinne der für die Auslegung der Kompetenztatbestände maßgebenden „Versteinerungstheorie“ auslegt. Da auf den „Versteinerungszeitpunkt“ 1.10.1925 (Inkrafttreten der Kompetenzverteilung) abzustellen ist, können nach der Judikatur des VfGH unter agrarische Operationen „nur die in den drei so genannten ‚Reichsrahmengesetzen’ vom 7. Juni 1883, RGBl 92 bis 94 geregelten Aktionen der Zusammenlegung, der Bereinigung des Waldlandes von fremden Enklaven und der Teilung und Regulierung von Agrargemeinschaften verstanden werden“. (VfSlg 1390/1931; 5741/1968; 6508/1971; Melichar, Verfassungsrechtliche Probleme des Agrarrechtes, JBl 1968, 287; Gatterbauer/Kaiser/Welan, Aspekte des österreichischen Flurverfassungsrechtes 1972, 39)
Diese Reichsrahmengesetze ermächtigen aber – wie oben dargelegt wurde – die Agrarbehörden zweifellos dazu, zivilrechtliche Fragen der Eigentums- und Rechtsverhältnisse im Rahmen der ihnen übertragenen Wirkungsbereiche der Bodenreform festzustellen und planmäßig neu zu ordnen.

Diese zivilrechtliche Kognitionsbefugnis der Agrarbehörden bildet daher noch heute einen Kernbereich der – zwischen Bund und Ländern geteilten – Kompetenz „Bodenreform, insbesondere agrarische Operationen“ gemäß Art 12 Abs 1 Z 3 und Abs 2 B-VG. Sowohl die landesgesetzlichen Ausführungsvorschriften zum Flurverfassungsrecht als auch die Vollziehung dieser Vorschriften durch die Landes-Agrarbehörden sind an diese bundesverfassungsrechtlich vorgegebene Kompetenz der Agrarbehörden gebunden.

C) Besondere verfassungsrechtliche Organisationsvorgaben

Die besondere Organisationsform der Agrarsenate war und ist die verfassungsrechtliche Voraussetzung für die volle zivilrechtliche Kognitionsbefugnis der Agrarbehörden im Rahmen ihrer behördlichen Funktionen der Bodenreform. Dies galt für ihre ursprüngliche Einrichtung durch die Reformgesetze von 1883 und gilt in verstärktem Maße – für die derzeitige komplexe, europarechtlich geprägte Verfassungsrechtslage.

a) Die Agrarsenate als „eingreifende Verwaltungsjustiz“

Die Agrarsenate nach den Reformgesetzen von 1883 waren von Anfang an als „Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag“ von der Jurisdiktion des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 3 lit b des Gesetzes, RGBl 1873/36, ausgenommen. Die Gründe für diese Sonderstellung lagen einerseits in der zivilrechtlichen Kognitionsbefugnis der Agrarbehörden und die damit verbundene Ausnahme von der Allzuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit von diesen speziellen „bürgerlichen Rechtssachen“. Andererseits schien mit dem Wesen der Verwaltungsaufgabe „Bodenreform“ nur die Form der „eingreifenden Verwaltungsjustiz“ vereinbar zu sein, die dem Verwaltungsgerichtshof als Kassationsgericht verwehrt war, hier aber wegen der komplexen verwaltungsrechtlichen und zivilrechtlichen Elemente der Bodenreform eine unabdingbare Entscheidungsvoraussetzung war.

Gleichzeitig gingen sowohl die parlamentarischen Materialien des Errichtungsgesetzes (RGBl 1876/36) des Verwaltungsgerichtshofes als auch die zeitgenössische Rechtslehre davon aus, dass vom Verfahren und der Zusammensetzung der entscheidenden Organe gewährleistet sei, dass diese „Tribunale außer dem Verwaltungsgerichtshof und dem Reichsgericht eine Art verwaltungsgerichtlicher Jurisdiktion auszuüben berechtigt sind.“ (Vgl dazu die Regierungsvorlage und den Bericht der Kommission des Herrenhauses 148 und 197 der Blg zu den sten Prot d Herrenhauses VII. Session; Pann, Die Verwaltungs-Justiz in Österreich mit Bedachtnahme auf die auswärtige Gesetzgebung (1876) 19 und 70 f; Ulbrich, Lehrbuch des Österreichischen Staatsrechts (1883) 715; Lemayer, Österreichisches Staatswörterbuch, IV. Band (1909) 34)

Die Betrauung derartiger unabhängiger Kollegialbehörden mit einer „judiziellen Ingerenz auf dem Gebiet der Administration“ hatte im Bodenreformrecht auch eine lange Tradition. In den parlamentarischen Materialien zum Einrichtungsgesetz des Verwaltungsgerichtshofes von 1875 werden als bereits bestehende Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag die „Kommissionen zur Servitutenregulierung“ gemäß Kais. Patent vom 3.7.1853, RGBl 130, und in Rahmen der Lehensaufhebung gemäß RGBl 1862/103, 1868/8-10 und 1869/103-112 erwähnt. „Eingreifende Verwaltungsjustiz“ im Sinne der Funktionen der Agrarbehörden in der Bodenreform setzt aber volle zivilrechtliche Kognitionsbefugnis der entscheidenden Senate voraus, weil anders die Ausschaltung der Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes und der Entscheidungsbefugnis der Zivilgerichte („ordentlicher Rechtsweg“) schon nach dem rechtsstaatlichen Standard der österreichischen Monarchie nicht erklärbar wäre. (Lemayer, Der Begriff des Rechtsschutzes im öffentlichen Rechte (Verwaltungsgerichtsbarkeit) im Zusammenhang der Wandlungen der Staatsauffassung betrachtet, Grünhuts Zeitschrift für das Privat- und öffentliche Recht der Gegenwart 29 (1902) 109 f unter Hinweis auf die Zusammenhänge und Unterschiede der Kollegialbehörden gegenüber der „landesfürstlichen Verwaltungsrechtspflege“.)

b) Rechtskontrolle der Agrarsenate

In einigen sehr frühen Entscheidungen des VfGH wurde klargestellt, dass die Agrarsenate zwar die Kriterien der Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag erfüllen – Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit ihrer Mitglieder, Unaufhebbarkeit der Erkenntnisse im Verwaltungsweg, Beteiligung richterlicher Organe – aber keine Gerichte im Sinne der Bundesverfassung („spezielle Verwaltungsgerichte“), sondern Verwaltungsbehörden im Sinne des Art 144 B-VG sind. Im Besonderen wurde in diesen Erkenntnissen auch der organisatorische Einfluss der maßgebenden Organe der Verwaltung oberster und mittlerer Instanz (Landeshauptmann und zuständiger Bundesminister) als Kriterium der Verwaltungsbehörde hervorgehoben. (Erk Slg 214, 633 und 637/1926; vgl auch VfSlg 10.080/1984)

Diese organisatorische Qualifikation der Agrarsenate hatte – in Verbindung mit der allgemeinen Kritik an den Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag – schließlich auch die Anordnung der Anfechtbarkeit ihrer Entscheidungen vor dem Verwaltungsgerichtshof zur Konsequenz und sollte im Zusammenhang damit zu den merkwürdigen politischen Vorgängen rund um die Beibehaltung des Art 133 Z 4 B-VG und die Novellierung der Art 12 Abs 2 und 20 Abs 2 B-VG in der B-VG-Novelle 1975 führen. (§ 8 AgrarbehördenG in der Fassung der Agrarbehördengesetznovelle 1974, BGBl 476)

An der vollen zivilrechtlichen Kognitionsbefugnis der Agrarbehörden hat sich durch die (nur kassatorische) Rechtskontrolle durch den Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf die Erkenntnisse der Agrarsenate nichts geändert. Im Gegenteil! Wie sich im Folgenden erweisen wird, entspricht nur die Kombination der meritorischen zivilrechtlichen Entscheidungen der quasi-richterlichen Agrarsenate (als „eingreifende Verwaltungsjustiz“) mit der kassatorischen richterlichen Prüfung durch die Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit den heute geltenden verfassungs- und europarechtlichen Voraussetzungen einer Sachentscheidung in zivilrechtlichen Angelegenheiten („bürgerlichen Rechtssachen“) durch Verwaltungsbehörden.

c) Zivilrechtlichen Kognition und Enteignung

Die den Agrarbehörden im Rahmen der Funktionen der Bodenreform übertragenen zivilrechtlichen Kognitionsbefugnisse stehen zwar im Rahmen einer Klärung und Neuordnung der agrarischen Rechtsverhältnisse und können im Rahmen dieser Entscheidungen auch zu Eigentumseingriffen führen, die verfassungsrechtlich zu beurteilen sind. (VfGH Erk v 10.12.2010, B 639/10 unter Hinweis auf frühere) Ausgeschlossen ist aber, dass der Gesetzgeber durch diese Eigentumseingriffe zu „Enteignungen“ im Sinne des Art 5 StGG und der ständigen Rechtsprechung des VfGH ermächtigt habe.

Zum Wesen der Enteignung gehört, dass „eine Sache durch Verwaltungsakt oder unmittelbar durch Gesetz dem Eigentümer zwangsweise entzogen und auf den Staat, eine öffentliche Körperschaft oder eine gemeinnützige Unternehmung übertragen wird oder dass daran auf gleiche Weise fremde Rechte begründet werden“. Im Rahmen der Bodenreform findet aber grundsätzlich keine Eigentumsübertragung oder Rechtsbegründung zur Erfüllung öffentlicher Verwaltungsaufgaben statt, weil das Ziel der Bodenreform die Neuordnung der Bodenbesitz-, Benützungs- und Bewirtschaftungsverhältnisse zur Verbesserung der privatnützigen Bewirtschaftung von agrargemeinschaftlichen Grundstücken ist. (VfSlg 12.415/1990) Entscheidungen der Agrarbehörde sollen daher primär die bestehenden Rechtsverhältnisse – einschließlich des Eigentums – wie ein Zivilgericht klären („feststellen“) und sodann eine planmäßige Neuordnung vornehmen, soweit dies zweckmäßig und erforderlich ist.
Auch diese Neuordnung soll die Rechte der Beteiligten wahren und soweit als möglich auf Grund von Parteienvereinbarungen erfolgen. (§ 75 Abs 4 TFLG) Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des VfGH und VwGH über das Erfordernis der Verhältnismäßigkeit von Eigentumseingriffen. Denn: „Dieser Judikatur liegt der Gedanke zugrunde, dass ein Eigentumseingriff nur dann im öffentlichen Interesse erforderlich sein kann, wenn eine privatrechtliche Einigung nicht möglich ist“.

Wenn die Agrarbehörde also eine (konstitutive) Eigentumsfeststellung trifft, entzieht sie dadurch nicht Eigentum wie eine Enteignung – selbst wenn sie dieses Eigentum auf eine andere Rechtsperson überträgt –, sondern reguliert Eigentumsverhältnisse als eine Maßnahme der Bodenreform. Das bedeutet: Nur im Zusammenhang mit dem vorangegangenen Regulierungsverfahren kann geklärt werden, ob eine Eigentumsübertragung überhaupt vorliegt und – wenn dies der Fall ist – ob der Eigentümerwechsel lediglich eine „Umgründung“ in eine Agrargemeinschaft als Körperschaft öffentlichen Rechts war oder der Übertragung des Eigentums eine Parteienvereinbarung zugrunde liegt, die der Regulierungsplan der Agrarbehörde berücksichtigte. (Zum konstitutiven Charakter der agrarbehördlichen Eigentumsfeststellung vgl VfSlg 17.779/2006 und besonders klar v 10.12.2010, B 639/10; Raschauer, Rechtskraft und agrarische Operationen nach TFLG, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler, Die Agrargemeinschaften in Tirol Bd 1 (2010) 265 ff, 278).

Wie unten aufgezeigt wird, entspricht diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben der umfassenden zivilrechtlichen Kognitionsbefugnis der Agrarbehörden im Rahmen der Aufgaben der Bodenreform die einfachgesetzliche Regelung der Eigentumsfeststellung bei agrargemeinschaftlichen Grundstücken seit den historischen „Reichsrahmengesetzen“ von 1893 über alle Gesetzesänderungen hinweg bis zur geltenden Rechtslage.

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aus:
Pernthaler/Oberhofer,
Die Agrargemeinschaften und die agrarische Operation
in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler/Raber, Die Agrargemeinschaften in Westösterreich, 429ff

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MP

Eigentumsfeststellung

Entscheidung über die Eigentumsverhältnisse

Die ewige Suche nach dem Recht, der Kampf für die Gerechtigkeit, sind ein Wesenselement des Rechtsstaates, der Grundsatz der Beachtlichkeit rechtskräftiger Staatsakte ist ein anderes nicht minder bedeutsames. § 14 Agrarverfahrensgesetz 1950, BGBl 173/1950 (AgrVG) lässt keinen Zweifel an den Rechtswirkungen der historischen Verfahrensergebnisse: Die Bescheide (Erkenntnisse) der Agrarbehörden und die von ihnen genehmigten Vergleiche (Übereinkommen) haben die Rechtswirkung gerichtlicher Urteile und gerichtlicher Vergleiche.
In einer Serie von gut einem Dutzend Erkenntnissen vom 30.6.2011 hat der Verwaltungsgerichtshof Position bezogen. Darin wurde die Rechtsposition der Agrargemeinschaften als zivilrechtliche Eigentümerinnen des Regulierungsgebietes klargestellt. Insoweit die historische Agrarbehörde bei der Entscheidung über Rechtsverhältnisse beim Zuständigkeitstatbestand für „Gemeindegut/Fraktionsgut“ angeknüpft hätten, wurde dies als bescheidmäßige Feststellung ehemaligen Eigentums der Ortsgemeinde missverstanden. Für eine solche – im wahrsten Sinn des Wortes – „Unterstellung“ fehlt jedoch jede Rechtsgrundlage.

Inhalt:
a) Feststellung des Eigentümers versus Eigentumsübertragung
b) Historische Entwicklung
c) Kognitionskompetenz über „Gemeindegut“
d) Konstitutive Wirkung der Bescheide
e) Anlass für die Kognitionsbefugnis der Agrarbehörde
f) Sachliche Grundlage der agrarbehördlichen Kognitionsbefugnis
g) Gestaltung der Rechtsverhältnisse
h) Eigentumsentscheidungen der Tiroler Agrarbehörde

a) Feststellung des Eigentümers versus Eigentumsübertragung

Die Rechtspositionen der körperschaftlich eingerichteten Agrargemeinschaft am Regulierungsgebiet gründen auf agrarbehördlichen Bescheiden, mit denen über das Eigentumsrecht am Regulierungsgebiet entschieden wurde. (Feststellung des Eigentumsrechtes am Regulierungsgebiet gem §§ 34 Abs 4 und 35 Abs 1 FlVfGG 1932; §§ 34 Abs 4 und 35 Abs 1 FlVfGG 1951; §§ 38 Abs 1 und 73 lit c, jeweils iVm 72 Abs 5 lit a TFLG 1996; §§ 38 Abs 1 iVm § 65 Abs 2 lit b TFLG 1996) Diese Entscheidungskompetenz der Agrarbehörde wird zu Unrecht in Tirol heute in Frage gestellt. Die Agrarbehörden hatten seit dem TFLG 1935, Gesetz vom 6. Juni 1935, betreffend die Regelung der Flurverfassung, LGBl 1935/42, § 38 Abs 1 TFLG 1935, den ausdrücklichen gesetzlichen Auftrag, im Zuge eines jeden Regulierungsverfahrens die Eigentumsverhältnisse am Regulierungsbiet zu klären und in einer der Rechtskraft fähigen Art und Weise zu entscheiden („festzustellen“), wer wahrer Eigentümer der in das Regulierungsverfahren einbezogenen Liegenschaften sei. (§§ 34 Abs 4 1 FlVfGG 1932 sowie 34 Abs 4 FlVfGG 1951; §§ 38 Abs 1 TFLG 1935; 38 Abs 1 TFLG 1952; 37 Abs 1 TFLG 1969; 38 Abs 1 TFLG 1978; 38 Abs 1 TFLG 1996) Dies im Sinne einer „distinktiven Kompetenz“. Auch außerhalb eines Regulierungsverfahrens ist ausschließlich die Agrarbehörde zur Entscheidung darüber berufen, wer Eigentümer eines agrargemeinschaftlich genutzten Grundstückes ist. (§ 35 Abs 1 FlVfGG 1935; § 35 Abs 1 FlVfGG 1951; §§ 88 Abs 2 TFLG 1935; 88 Abs 2 TFLG 1952; 72 lit c TFLG 1969; 73 lit c TFLG 1978; 73 lit c TFLG 1996) Die EB zum Bundesgesetz betreffend die Grundsätze für die Flurverfassung 1932, BG vom 2. August 1932, BGBl 1932/256, halten dazu ausdrücklich fest, dass den Agrarbehörden die Entscheidung über Besitz und Eigentum an agrargemeinschaftlichen Liegenschaften übertragen sei. (EB 78 Blg sten Prot NR, IV. GP, 13)
Am Beispiel des TFLG 1952, LGBl 1951/32, welches für eine bedeutende Anzahl von Regulierungsfällen im Zeitraum von 1952 bis 1969 zur Anwendung zu bringen war, hat das Amt der Tiroler Landesregierung in einem Bescheid vom 02.11.2009 die Rechtslage mustergültig aufgearbeitet. (Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 02.11.2009 AgrB-R451/286 – Gemeindegut Trins)
Die Agrarbehörde gehe davon aus, dass § 38 Abs. 1 FLG. 1952 einerseits eine normative Regelung für eine bescheidmäßige Feststellung von Rechten oder Rechtsverhältnissen beinhalte, andererseits würde die Textierung „hat festzustellen“ nicht nur eine Möglichkeit für die entscheidende Behörde begründen, sondern sei in dieser Formulierung ein gesetzlicher (amtswegiger) Auftrag für eine solche Feststellung zu erkennen. Dazu im Zusammenhang treffe § 88 Abs. 2 FLG 1952 die weitere Klarstellung, dass der Agrarbehörde „auch außerhalb eines Regulierungsverfahrens“ die Entscheidung über die Frage zustehe, ob in einem gegebenen Fall eine Agrargemeinschaft im Sinne dieses Gesetzes vorhanden ist, auf welches Gebiet sie sich erstreckt, wer Eigentümer der agrargemeinschaftlichen Grundstücke ist, ferner die Entscheidung über den Bestand sowie den Umfang von Anteilsrechten an agrargemeinschaftlichen Grundstücken und über die Frage, ob Gemeindegut oder Gemeindevermögen vorliegt.
Die inhaltlich und grammatikalisch nahezu gleich lautende Bestimmungen würde sich im § 35 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 02.08.1932 betreffend die Grundsätze für die Flurverfassung, BGBl. 256 finden, ebenso wie im § 35 Abs. 1 des Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes 1951, BGBl. Nr. 103 Anlage 1. Rücksichtlich dieser gesetzlichen Zuständigkeitsregelung liege der Schluss auf der Hand, dass die im § 38 Abs. 1 FLG. begründete Entscheidungskompetenz erst recht im Regulierungsverfahren ihren Platz habe. § 48 regele nur den normierten Fall, dass vor Erlassung des Einleitungsbescheides zum Regulierungsverfahren ein Streit über die genannten Rechte oder Rechtsverhältnisse entstehe, während sich § 41 Abs. 7 der (inhaltlichen) Regulierung der Benutzungs- und Verwaltungsrechte zuwende. Beide Bestimmungen würden die im § 38 Abs. 1 FLG 1952 normierte Zuständigkeit ebenso wenig ausschließen, wie § 78 Abs. 1 FLG. Diese letztgenannte Bestimmung sei auch in Verbindung mit § 77 FLG. zu sehen, welche vorsieht, dass „nach Klarstellung der Verhältnisse“ der Regulierungsplan zu verfassen ist. Diese „Klarstellung der Verhältnisse“ impliziere auch die im § 38 Abs. 1 FLG. normierten Feststellungen der Rechte und Rechtsverhältnisse im 2. Hauptstück des FLG. 1952 im Sinne einer Ordnung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse an agrargemeinschaftlichen Grundstücken. (Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 02.11.2009 AgrB-R451/286 – Gemeindegut Trins)

Diesen Ausführungen des Amtes der Tiroler Landesregierung im Bescheid vom 02.11.2009 ist nichts hinzuzufügen außer – dass diese beschriebene Rechtslage sowohl für das TFLG 1935 zutrifft, als auch für die später wiederverlautbarten Gesetzesfassungen. Wie Raschauer klargestellt hat, kann der Gesetzeslage unzweideutig entnommen werden, dass die Möglichkeit einer rechtsgestaltenden Eigentumszuordnung von den Befugnissen der Agrarbehörde mitumschlossen ist. (Raschauer, Rechtskraft und agrarische Operation, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler, Die Agrargemeinschaften in Tirol, 269) Die Agrarbehörde hatte und hat entsprechend ihrem gesetzlichen Auftrag klare Verhältnisse zu schaffen und zu klären, wer wahrer Eigentümer der in die agrarische Operation einbezogenen Liegenschaften war. Dabei ging es in erster Linie um die Feststellung der wahren Eigentumsverhältnisse, weshalb ein Rechtsträger, der als Eigentümer rechtskräftig festgestellt wurde, auch als Eigentümer im Rechtssinn zu gelten hat. In zweiter Linie ging es darum, das festgestellte Eigentum der nicht regulierten Agrargemeinschaft zu reorganisieren, weil der historischen Realgemeinde im heutigen Recht eben nur mehr die körperschaftlich eingerichtete Agrargemeinschaft als gesetzliches Organisationsmodell entspricht. Treffend erfasst Raschauer die körperschaftliche Einrichtung einer Agrargemeinschaft als einen gesetzlichen Umgründungsfall. (So schon Raschauer aaO 271)

b) Historische Entwicklung

Diese Kompetenz der Agrarbehörde, alle Rechtsverhältnisse am Regulierungsgebiet durch Feststellungsentscheidung einer rechtlichen Klarstellung zu unterziehen, ist keinesfalls eine Innovation des Grundsatzgesetzgebers des Jahres 1932. (Klar verfehlt Morscher, Gemeinnutzungsrechte am Gemeindegut, ZfV 1982, 8, der eine verfassungswidrige Zuständigkeitserweiterung der Agrarbehörden durch den Grundsatzgesetzgeber des Jahres 1932 vermutet und in den EB zum FlVfGG 1932 ein Dokument vermutet, das entweder auf „tiefster verfassungsrechtlicher Arg- und Sorglosigkeit oder auf radikalem technokratischen Machtstreben“ beruhe) Vielmehr entsprach eine solche Vorgehensweise der Agrarbehörden voll und ganz dem zentrale Anliegen des Reichsgesetzesgebers 1883. Auf der Grundlage des TRRG 1883 sollten in den Kronländern Behörden eingerichtet werden, welche insbesondere strittige Eigentums- und Besitzverhältnisse an den unter der Bezeichnung „Gemeindehutweiden“ und „Gemeindewaldungen“ existierenden Gemeinschaftsliegenschaften klären sollten. (Gesetz vom 7. Juni 1883 betreffend die Teilung gemeinschaftlicher Grundstücke und die Regulierung der hierauf bezüglichen gemeinschaftlichen Benützungs- und Verwaltungsrechte, RGBl 1883/94; Bericht des Commassionsausschusses 12)

Bezeichnend ist der Hinweis im Bericht des Commassionsausschusses, dass zwar in praktisch allen Gemeindeordnungen die Bestimmung enthalten sei, dass die privatrechtlichen Verhältnisse überhaupt und insbesondere die Eigentums- und Nutzungsrechte ganzer Klassen oder einzelner Glieder der Gemeinde ungeändert zu bleiben hätten (§§ 11 bzw 12 der Ausführungsgesetze zum RGG 1862). Allein mit diesem Satze würden die Streitfragen nach Meinung der Ausschussmitglieder überhaupt nicht gelöst, noch weniger würde das Verhältnis der Genossenschaft zur Gemeinde richtig gestellt. Auch die weiteren Bestimmungen der Gemeindeordnung, dass in Bezug auf die Teilnahme an den Erträgnissen und Nutzungen des Gemeindeeigentums und auf das Maß derselben „sich nach der bisherigen Übung zu benehmen“ sei, wären nicht geeignet, in die „bekanntlich äußerst verworrenen Eigentums- und Nutzungsverhältnisse Klarheit und Ordnung zu bringen, noch weniger aber geeignet, eine rationelle Verwaltung und die möglichst größte Rentabilität herbeizuführen“. Deshalb wurde eine eigenständige gesetzliche Grundlage zur Klärung und Ordnung der Rechtsverhältnisse an Gemeinschaftsliegenschaften für nötig erachtet. Bereits der Reichsgesetzgeber des Jahres 1883 hatte im Übrigen klargestellt, dass die Entscheidungen der Agrarbehörden und die von diesen genehmigten Vergleiche die Rechtswirkungen gerichtlicher oder politischer Erkenntnisse bzw Vergleiche hätten und von den zuständigen Behörden zu vollstrecken seien. (Bericht des Commassionsausschusses 12; § 12 TRRG 1883)
Zu beachten ist jedoch der strukturelle Unterschied zwischen dem Teilungs- und Regulierungs-Reichsgesetz TRRG 1883 und dem Bundesgrundsatz-Gesetz 1931: Ersteres war – im Gegensatz zu einen Bundes-Grundsatzgesetz heutiger Begrifflichkeit – ein „Ermächtigungsgesetz“, welches der Landesgesetzgebung einen Rahmen eröffnete und insbesondere die nach der damaligen Verfassung fehlende Zivilrechtkompetenz der Länder ersetzen sollte. So stellte der Regierungsvertreter v Rinaldini im Zuge der Debatte im Reichstag über die Beschlussfassung zum TRRG 1883 u.a. folgendes fest: „Ich glaube, dass man bei unbefangener Betrachtung des vorliegenden Gesetzesentwurfes, den ich schon früher als Skelett zu bezeichnen mir erlaubt habe, wohl zugestehen muss, dass den Landtagen ein weiter Spielraum freigelassen ist, um alles dasjenige bezüglich des Gemeindegutes und des Klasseneigentums zu verfügen, was sich bei Berücksichtigung der speziellen Verhältnisse als wünschenswert herausstellen sollte. Gerade die Enumeration in § 2 zeigt doch vollständig und zur Genüge, dass bei einer solchen Berücksichtigung dem Landtage keine Schranke gesetzt ist, dass im Gegenteil mit größter Sorgfalt vorgesorgt worden ist, damit ihm die Kompetenz, wo sie etwa zweifelhaft wäre, von Vornherein gesichert sei.“ Die Landesgesetzgebung konnte von dieser Kompetenz Gebrauch machen, sie musste dies jedoch nicht.

Tatsächlich hat die Landesgesetzgebung der Jahre 1884 bis 1921 hinsichtlich der bereits in Anwendung der Gemeindeordnung verwalteten Gemeinschaftsliegenschaften Zurückhaltung geübt und diesbezüglich eine heute gesetzlich nicht mehr vorgesehene Regelungsform einer „Ergänzung der Gemeindeordnung“ um die im Einzelfall für notwendig erachteten Regelungspunkte vorgesehen. Offensichtlich ist in solchen Fällen nicht nur die körperschaftliche Einrichtung der Agrargemeinschaft, sondern auch die Entscheidung über die Eigentumsverhältnisse unterblieben. Diese Variante der agrarischen Operation war tatsächlich nach FlVerfGG 1931 nicht mehr vorgesehen, weshalb die Agrarbehörden auch in den Fällen der Regulierung von Gemeinschaftsliegenschaften, welche in Anwendung der Gemeindeordnungen verwaltet wurden, über die Eigentumsverhältnisse zu entscheiden hatten.
Die Kompetenz zu Regelung dieser Verhältnisse stand den Ländern nach TRRG 1883 jedoch zweifelsfrei zu. In dieser Hinsicht ist gerade der Debattenbeitrag des Regierungsvertreters v Rinaldini an schwer zu überbietender Klarheit: „Der Grund, warum überhaupt dieses Gesetz […] auch das Gemeindegut einbezogen hat, ist einfach der, weil nach den Erfahrungen […] diese wagen Bestimmungen der Gemeindeordnung, … nicht hinreichend sind. Schon die einfache Vorfrage, ob ein solches Grundstück ein Grundstück der Gemeinden oder ein Grundstück einer Klasse von Gemeindeangehörigen sein wird, ist ja eine ungemein schwierig zu lösende Frage, und zwar eine Frage, die nicht bloß merital schwierig zu lösen ist, sondern schon dann Schwierigkeiten bietet, wenn man einfach um die Kompetenz frägt, wenn man sicheren Aufschluss haben will, wer eigentlich kompetent sei, in dieser Frage zu entscheiden? Diese Unzulänglichkeit der bestehenden Normen der Gemeindeordnung und […] die vollständige Unzulänglichkeit der Normen des 16. Hauptstückes des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Gemeinschaft des Eigentums, haben geradezu dazu gedrängt, eine solche Vorlage zu entwerfen. […] Ich glaube, dass man bei unbefangener Betrachtung des vorliegenden Gesetzesentwurfes, […] wohl zugestehen muss, dass den Landtagen ein weiter Spielraum freigelassen ist, um alles dasjenige bezüglich des Gemeindegutes und des Klasseneigentums zu verfügen, was sich bei Berücksichtigung der speziellen Verhältnisse als wünschenswert herausstellen sollte.“ Keine Rede kann somit davon sein, dass der Bundesgrundsatz-Gesetzgeber des Jahres 1931 den Agrarbehörden weitergehende Kompetenzen zugeordnet hatte, als dies im TRRG 1883 vorgesehen war.

c) Kognitionskompetenz über „Gemeindegut“

Die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes im Erk Slg 18.446/2008, wonach sich die Befugnis der Agrarbehörde zur Regelung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse am „Gemeindegut“ auf die Regulierung der Ausübung der land- und forstwirtschaftlichen Nutzungsrechte beschränken hätte müssen, weil das Gesetz „Eigentumsübertragungen als solche“ nicht vorgesehen hätte, müssen im Kontext dieses Erk gelesen werden. Der VfGH hatte folgendem Sachverhalt auszugehen, nämlich:
1. dass die Ortsgemeinde (im konkreten Fall) vor der Regulierung Eigentümerin des Regulierungsgebietes war;
2. dass die Agrarbehörde (im konkreten Fall) nur die Wald- und Weidenutzung am „Gemeindegut“ regeln wollte;
3. dass das Eigentumsrecht (im konkreten Fall) nicht Gegenstand der agrarbehördlichen Entscheidung war;
4. dass die Agrarbehörde (im konkreten Fall) Eigentum („Gemeindegut“) der Ortsgemeinde für diese erhalten wollte;
5. dass die Agrarbehörde (im konkreten Fall) in der Absicht handelte „Sondergebilde in der Landesverwaltung“ zur Verwaltung von Gemeindeeigentum („Gemeindegut“) zu organisieren.
Bekanntlich haben zahlreiche Regulierungsverfahren in Tirol damit geendet, dass das Eigentum der Ortsgemeinde am Regulierungsgebiet bestätigt wurde. Zu verweisen ist auf die Beispiele der Agrargemeinschaften Sölden, St. Anton, Weissenbach, Nesselwängle, Heiterwang und andere mehr. Vor diesem Hintergrund bestanden beim Gerichtshof offensichtlich keine Bedenken, diese – im Verfahren allseits unbestrittenen – durch den erstinstanzlichen Bescheid vom 9.11.2006 zu Grunde gelegten bzw ausdrücklich festgestellten Prämissen, auch dem Erk Slg 18.446/2008 zu Grunde zu legen.

Der Sachverhalt, den das Amt der Tiroler Landesregierung im Fall der Agrargemeinschaft Mieders mit Bescheid vom 09.11.2006 AgrB-R741/362-2006, festgestellt hat, muss als Spielart der „gescheiterten Eigentumsfeststellung zu Gunsten der Ortsgemeinde“ verstanden werden: Die Behörde wollte nach diesen Feststellungen über die Eigentumsverhältnisse nicht im klassischen Sinn und entsprechend den gesetzlichen Vorgaben (§ 38 Abs 1 TFLG) entscheiden. Festgestellt wurde im Bescheid vom 09.11.2006 AgrB-R741/362-2006 vielmehr, dass das Regulierungsgebiet Eigentum der Ortsgemeinde war, dass die Agrarbehörde an dieser Tatsache nichts ändern wollte und dass überschießend eine Eigentumsfeststellung zu Gunsten der Agrargemeinschaft getroffen wurde; dies in der Absicht der Agrargemeinschaft lediglich „nudum jus“ zuzuordnen (und damit die „Substanz“ zu Gunsten der behaupteten ursprünglichen Eigentümerin Ortsgemeinde Mieders zu erhalten). (VfSlg 18.446/2008, wörtlich zitiert aus dem erstinstanzlichen Bescheid der Tiroler Agrarbehörde vom 9.11.2006 AgrB-R741/362-2006, Seite 4 des Originalerkenntnisses: „… lediglich die Verwaltung und Bewirtschaftung des Gemeindegutes sollte durch Regulierung mehr geordnet und gesichert werden. Damit ist aber die rechtliche Qualifikation als Gemeindegut keineswegs untergegangen!“)

Diese, das Erk des VfGH Slg 18.446/2008 prägenden Prämissen, treffen in denjenigen Fällen nicht zu, in denen das Regulierungsgebiet immer schon Eigentum der (ursprünglich nicht regulierten) „Agrargemeinschaft“ gewesen ist und die Ortsgemeinde zu Unrecht als „Scheineigentümerin“ (nackte Tabularbesitzerin) im Grundbuch ausgewiesen war. Wie der VfGH im Erk vom 10.12.2010, VfSlg 19.262/2010 klargestellt hatte, ist die Unrichtigkeit des historischen Grundbuchstandes in Betracht zu ziehen (Pkt II A 2.3.6.1 der Begründung). Der Grundbuchstand besitzt im Verhältnis zwischen dem verbücherten und einem wahren Berechtigten lediglich deklarative Bedeutung („Dingliche Rechte an Liegenschaften entstehen zwar grundsätzlich durch die Eintragung im Grundbuch, aber nur dann, wenn ihnen ein gültiger Titel zu Grunde liegt. Das Grundbuchsanlegungsverfahren kann einen solchen Titel nicht ersetzen. Das Grundbuchsanlegungsgesetz betrifft nur die inneren Einrichtungen der neu anzulegenden Grundbücher; eine im Richtigstellungsverfahren unterlassene Anfechtung hat nur die formelle Rechtskraft einer bei Anlegung des Grundbuches erfolgten Eintragung zur Folge, kann aber den materiell Berechtigten nicht hindern, sein Recht im ordentlichen Rechtsweg geltend zu machen(E 13.Dezember 2001 98/07/0082; OGH 1. Dezember 1965, 2 Ob 407/65; E 14. Dezember 1995, 93/07/0178).“ VwGH, 98/07/0082 vom 13.12.2001.
Diese, das Erk des VfGH Slg 18.446/2008 prägenden Prämissen, treffen weiters in denjenigen Fällen nicht zu, in denen die Agrarbehörde nicht das Eigentum der Ortsgemeinde als Agrargemeinschaft organisieren wollte, um Sondergebilde in der Landesverwaltung zur Verwaltung des Gemeindeeigentums zu schaffen, sondern Gemeinschaftseigentum (unter Beteiligung der „neuen“ politischen Ortsgemeinde) in einer Agrargemeinschaft „umgründen“ wollte. (So die Interpretation der Tiroler Agrarbehörde I. Instanz vom 09.11.2006, AgrB-R741/362-2006, laut Zitat in VfSlg 18.446/2008, Seite 4 des Originalerkenntnisses)
Diese, das Erk des VfGH Slg 18.446/2008 prägenden Prämissen, treffen insbesondere dann nicht zu, wenn sich alle Beteiligten und Einschluss der Ortsgemeinde dahingehend geeinigt hatten, dass das Eigentum der Agrargemeinschaft zusteht. Die Agrarbehörde hatte diesfalls entsprechend dem Parteienübereinkommen zu entscheiden – genauso wie sie das in dem umgekehrten Fall getan hat, wo sich die Parteien sich auf die Ortsgemeinde als Eigentümerin des Regulierungsgebietes geeinigt hatten.

d) Konstitutive Wirkung der Bescheide

Weil die Agrarbehörde über Eigentum und dingliche Rechte an agrarischen Grundstücken mit konstitutiver Wirkung judiziert, ist der Inhalt einer rechtskräftigen agrarbehördlichen Entscheidung maßgeblich. (VfGH 10.12.2010 B 639/10 ua Pkt II. A) 2.3.6.1 der Begründung; VfSlg 18.446/2008; VfSlg 17.779/2006; VwGH 8.7.2004 2003/07/0087; OGH 11.2.2003, 5 Ob 2/03/k. § 14 AgrVG; vgl Raschauer aaO, 276: „Wenn die Agrarbehörde das Eigentum eines Rechtsträgers `feststellt´ und wenn diese Feststellung unangefochten bleibt, dann ist dieser Rechtsträger Eigentümer im Rechtssinn.“)
Dabei ist zu beachten, dass „die Verbücherung der agrarischen Operation nur deklarativ die Rechtsänderungen nachvollzieht, die durch die Anordnungen der Agrarbehörde eingetreten sind“; die Richtigstellung des Grundbuchstandes in Konsequenz der abgeschlossenen agrarischern Operation erfolgt amtswegig und muss der hergestellte Grundbuchstand nicht zwingend die wahren Eigentumsverhältnisse wiedergeben. Die Agrarbehördenentscheidung gestaltet somit die zivilrechtlichen Verhältnisse unter Durchbrechung des Intabulationsprinzips. (VfGH 10.12.2010 VfSlg 19.262/2010 Pkt II. A) 2.3.6.1 der Begründung unter Berufung auf OGH 11.2.2003, 5 Ob 2/03 k und VwGH 8.7.2004 2003/07/0087)
Der Verfassungsgerichtshof hat die Kognitionsbefugnis der Agrarbehörden zur Entscheidung über die Eigentumsverhältnisse an agrargemeinschaftlichen Grundstücken somit in keinster Weise in Frage gestellt. Das Gegenteil ist der Fall: „Wesentlich ist festzuhalten, dass der Verfassungsgerichtshof nicht die Kognitionsbefugnis der Agrarbehörde in Zweifel gezogen hat, etwa in dem Sinn, dass eine möglicher Weise im Einzelfall unzulässige Eigentumsverschiebung in einer agrarbehördlichen Entscheidung als unwirksam oder nichtig zu qualifizieren wäre. Vielmehr hat er die Gestaltungswirkung und die Rechtskraft der agrarbehördlichen Entscheidung auch in diesen Fällen ausdrücklich respektiert.“ Im Erk B VfSlg 19.262/2010 vom 10.12.2010 wurde dieser Ansatz dogmatisch vertieft und klargestellt, dass die Agrarbehördenentscheidung – unter Durchbrechung des Intabulationsprinzips – konstitutiv Eigentum begründet. Es gilt ohne Einschränkung die klare Feststellung Raschauers: „Die Agrarbehörde hat im Sinn der Rechtssicherheit klare Verhältnisse zu schaffen, also erforderlichenfalls rechtsgestaltend `festzustellen´. Wenn die Agrarbehörde das Eigentum eines Rechtsträgers `feststellt´ und wenn diese Feststellung unangefochten bleibt, dann ist dieser Rechtsträger Eigentümer im Rechtssinn.“ (VfGH Slg 19.262/2010 Pkt II.A 2.3.6.1. Abs 1 der Begründung: „… Weiters ist allerdings einerseits zu berücksichtigen, dass … die Verbücherung agrarischer Operationen nur deklarativ die Rechtsänderungen nachvollzieht, die durch die Anordnungen der Agrarbehörde eingetreten sind (so auch OGH 11.2.2003, 5 Ob 2/03k; ebenso in Bezug auf Nutzungsrechte an Agrargemeinschaften VwGH 8.7.2004, 2003/07/0087), weswegen der Grundbuchsstand nicht zwingend die wahren Eigentumsverhältnisse wiedergeben muss.“ Der Gerichtshof in Pkt II A 2.4.2. Abs 2 der Begründung dazu weiter: „Mit diesem Vorbringen übersieht die beschwerdeführende Agrargemeinschaft, dass … durch agrarbehördliche Bescheide Eigentum gegebenenfalls unter Durchbrechung des Eintragungsgrundsatzes (§ 431 ABGB) übertragen werden kann“.

e) Anlass für die Kognitionsbefugnis der Agrarbehörde

Die Kognitionsbefugnis der Agrarbehörde über die Eigentumsverhältnisse an agrargemeinschaftlichem Eigentum hat einen historischen Anlass und einen sachlichen Hintergrund. In der Sitzung vom 17. Oktober 1874 hatte der niederösterreichische Landtag folgenden Beschluss gefasst: „Die Petitionen mehrerer Angehöriger der Gemeinden Schrattenberg und Reinthal werden dem Landesausschuss mit dem Auftrag zugewiesen, eingehende Erhebungen über die Besitz- und Nutzungsverhältnisse des den Gemeinden oder einzelnen Fraktionen derselben gehörigen Eigentums zu pflegen, sohin in Erwägung zu ziehen, ob diesbezüglich besondere gesetzliche Bestimmungen notwendig erscheinen und hierüber dem Landtag in der nächsten Session die weiteren Anträge vorzulegen.“ (Bericht des Niederösterreichischen Landesausschusses vom 21. September 1878, XXVII der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des NÖ Landtages, 5. Wahlperiode, Referent: Dr. Josef Kopp, 1)

Der durch diesen Beschluss initiierte „Bericht des niederösterreichischen Landesausschusses betreffend die Regelung der Besitz- und Nutzungsverhältnisse des Gemeindeeigentums“ kann mit Fug und Recht als der erste amtliche Motivenbericht zum Gesetz vom 7. Juni 1883 betreffend die Teilung gemeinschaftlicher Grundstücke und die Regulierung der hierauf bezüglichen gemeinschaftlichen Benützungs- und Verwaltungsrechte (kurz: TRRG 1883, RGBl 1883/94) angesehen werden. Die 22 Druckseiten umfassende Abhandlung, welche auf Erhebungen in sämtlichen Gemeinden Niederösterreichs in Bezug auf „das Eigentum und die Nutzungen von Gemeindeeigentum und daran bestehende streitige oder unklare Verhältnisse“ beruht, belegt und dokumentiert die „historische Gemeindewirtschaft“ im Zeitraum unmittelbar nach Errichtung der heutigen Ortsgemeinden. Als Ergebnis umfangreicher mehrjähriger Erhebungen in den 1870er Jahren befürwortet dieser Bericht gesetzliche Maßnahmen zur Schaffung eigener Behörden, welche sich der Klärung dieser Rechtsverhältnisse, der Streitschlichtung und Entscheidung darüber, widmen sollten. Die im Jahr 1877 publizierten Untersuchungsergebnisse des k.k. Ministerialrats Karl Peyrer, Die Regelung der Grundeigentumsverhältnisse, wonach in den Landgemeinden der Genossenschaftsbesitz und der Gemeindebesitz in durchaus unklarer Weise durcheinander geworfen werde, sodass in den österreichischen Ländern hunderte von Quadratmeilen mit völlig unklaren und ungeregelten Eigentumsverhältnissen vorkommen würden, wurden für das Land Niederösterreich vollinhaltlich bestätigt. Der Bericht und der darauf aufbauende Antrag an den Niederösterreichischen Landtag fordert gesetzliche Maßnahmen der Reichsgesetzgebung: Es handele sich nämlich um die Ordnung (daher auch Abänderung) von Eigentums- und Nutzungsrechten; Eigentum und Nutznießung würden aber dem Gebiet des Zivilrechts angehören und wenn administrative Organe zur Judikatur über solche Fragen berufen werden sollen und der Zivilrechtsweg wenn nicht ausgeschlossen, so doch beschränkt werden soll, so spreche dies für den Reichsrat, dessen Kompetenz die Zivilrechtsgesetzgebung zugewiesen sei. Zusammenfassend fordert der Bericht ein Reichsgesetz, auf dessen Grundlage eigene Behörden zur Entscheidung über das Eigentumsrecht und die Nutzungsrechte an solchen Liegenschaften eingerichtet werden können. (Carl Peyrer, Die Regelung der Grundeigentums-Verhältnisse. Nebst einem Gesetzesentwurf über die Zusammenlegung der Grundstücke, die Ablösung und Regulierung der gemeinschaftlichen Nutzungsrechte und die Ablösung von nach dem Patente vom 5. Juli 1853 regulierten Nutzungsrechten samt Durchführungsverordnung, Formularien und Motivenberichten, Wien 1877)

Der „Streit um die Gemeindegründe“ war in Niederösterreich nicht zufällig schon kurz nach Einrichtung der modernen, heutigen Ortsgemeinden aufgrund RGG 1862 bzw der Landesausführungsgesetze dazu, aufgebrochen. Die Einrichtung der heutigen Ortsgemeinde fällt in den Zeitraum der Grundentlastung (Patent vom 07.09.1848 PGS Bd 76, 112 und Patent vom 04.03.1849 RGBl 1849/152; Zessner-Spitzenberg, Das österreichische Agrarrecht (1939) 194ff). In jenen Ländern, in denen eine im wesentlichen freie Landbevölkerung mit feudalrechtlichen Besitzverhältnissen an Gemeinschaftsliegenschaften einer dem Hörigkeitsverband bzw den Leibeigenschaftsverhältnissen entwachsenen Landbevölkerung gegenüber stand, wuchsen als Konsequenz der Grundentlastung den lokalen Verbänden eine größere Anzahl „neuer Gemeindebürger“ zu, weil diese als neue Grundeigentümer steuerzahlungspflichtig und damit wahlberechtigt wurden. Das Gemeinschaftseigentum der „Urhausbesitzer“, die außerhalb eines Hörigkeits- bzw Leibeigenschaftsverbandes gestandenen hatten, wurde – verständlicher Weise – zum politischen Zankapfel.
Umfangreiche „Dominikalgüter“ mit entsprechenden Bevölkerungsverhältnissen bestanden auch in Böhmen. Die Gemeinschaften der „Urhausbesitzer“ („Rustikalisten“) waren dort auch sofort mit Errichtung der neuen politischen Ortsgemeinde und dem daraus abgeleiteten Eintritt der „Domikalisten“ in den neuen politischen Gemeindeverband gegen jede „Verwässerung ihres historischen Besitzstandes“ eingeschritten: Die neue politische Ortsgemeinde wurde beim Zivilgericht auf Eigentumsanerkennung verklagt und solcherart das Eigentumsrecht der „Urhausbesitzer“ durchgesetzt. In der Folge soll es häufig zur Aufteilung der ehemaligen Gemeinschaftsliegenschaften gekommen sein. Cizek berichtet in einer gegen diese Vorgänge gerichteten Streitschrift aus dem Jahr 1879 von zahllosen in Böhmen geführten Zivilprozessen, welche die neuen Ortsgemeinden sämtlich verloren hätten. (Karl Cizek, Der Streit um die Gemeindegründe, Prag 1879).

Auch der Berichterstatter des Commassionsausschusses Zak berichtete in der Debatte der Abgeordneten des Reichsrates über derartige Rechtsstreitigkeiten in Böhmen und den Umstand, dass die Zivilgerichte das Eigentum an diesen Liegenschaften ausnahmslos den „Altangesessenen“ zusprechen würden. Als bestellter Kurator für eine beklagte Ortsgemeinde lieferte er aus der Sicht des Jahres 1883 einen authentischen Bericht der historischen Verhältnisse.
Die Geschichte der Entstehung des Reichsrahmengesetzes betreffend die Gemeinschaftsliegenschaften (TRRG 1883) zeigt, dass es dem Reichsgesetzgeber gerade darauf ankam, sowohl das Eigentum der politischen Ortsgemeinde, als auch das Eigentum der Körperschaften und Klassen „als Überreste der alten Agrargemeinde“ der agrarischen Operationen zu unterwerfen, „damit die wahren Rechtsverhältnisse an diesen Liegenschaften geprüft werden können. Der Bericht des Commassationsausschusses des Abgeordnetenhauses stellt dazu klar, dass im Zentrum der Regelung des § 1 lit b TRRG 1883 nicht so sehr „die Auseinandersetzung unter den Genossen selbst, als vielmehr die Auseinandersetzung zwischen den Genossen einerseits, und den Gemeinden als solchen andererseits“ stünde. Der Ausschuss setzte als selbstverständlich voraus, dass die für eine Aufteilungs- oder Regulierungsentscheidung zuständige Behörde auch „in Betreff der etwa bestrittenen Vorfrage, ob das Grundstück zu den in § 1 [TRRG 1883] bezeichneten Kategorien gehöre, und wer daran eigentums- und nutzungsberechtigt sei,“ zu entscheiden habe. (43 der Beilagen zu den sten Prot des Herrenhauses, IX. Session, 33; 582 der Beilagen zu den sten Prot des Abgeordnetenhauses, IX. Session, 13)

Bezeichnender Weise widmeten sich sämtliche Debattenbeiträge der Generaldebatte ausschließlich der Frage, ob „Gemeindeeigentum“ von der Prüfungs- und Entscheidungskompetenz der neuen Behörden auszunehmen sei. Der Abgeordnete Josef Kopp, der mit Entschiedenheit gegen die Herausnahme des Eigentums der politischen Ortsgemeinde aus der Regelungs- und Entscheidungskompetenz der neuen Behörden auftrat, wird in den Protokollen der Debatte wie folgt zitiert: „Man will jenes Gut, welches der Gemeinde oder einer Fraktion der Gemeinde gehört, an welchem alle oder einzelne Mitglieder dieser Gemeinde oder Fraktion gewisse Nutzungsrechte haben, aus dem Gesetz ausscheiden? Wenn sie das tun wollen, scheiden sie lieber gleich das ganze Gesetz aus. Denn da liegt ja eben die Quelle dieser unlösbaren Wirrnisse und Streitigkeiten, … Wollen sie also, dass das Gesetz Wirksamkeit habe, so müssen sie es gerade auf diese Grundstücke anwenden, welche als Gemeindegut bezeichnet werden, denn sonst ist es [das Gesetz] in der Tat zwecklos.“
Historische einwandfrei nachweisbar ist freilich auch der Grund, warum nicht die Zivilgerichte, sondern eine politische Behörde in diesen Angelegenheiten entscheiden sollte: Gewünscht waren – modern gesprochen – Fingerspitzengefühl und Sozialkompetenz. Die neue Behörde sollte in erster Linie im Einvernehmenswege vorgehen, aufgrund von Parteienübereinkommen nach erfolgreicher Verhandlungsführung. (Vgl nur den Debattenbeitrag des Berichterstatters Zak, Sten Prot des Abgeordnetenhauses des Österreichischen Reichsrates, IX. Session, Seite 9224 ff – auszugsweise wiedergegeben bei Oberhofer/Pernthaler (FN 2) 216 f; grundlegend: Der Bericht des Niederösterreichischen Landesausschusses vom 21. September 1878, XXVII. der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des niederösterreichischen Landtages, 5. Wahlperiode, Seite 15 ff)

f) Sachliche Grundlage der agrarbehördlichen Kognitionsbefugnis

Nur scheinbar wird die Kognitionsbefugnis der Agrarbehörde über Eigentum und dingliche Rechte an agrargemeinschaftlichen Grundstücken durch das Erk VfSlg 18.446/2008 in Frage gestellt. (Nur der im Erk über weite Strecken wörtlich zitierte erstinstanzliche Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung 09.11.2006, AgrB-R741/362-2006, scheint von einer eingeschränkten Kompetenz auszugehen, wenn die Behauptung aufgestellt wird, dass nur eine Entscheidung betreffend die Wald- und Weidenutzung „zulässig“ gewesen wäre; VfSlg 18.446/2008, Seite 5 des Originalerkenntnisses).
Das Gesetz spricht eine deutliche Sprache und zeigt der historische Hintergrund, dass nicht Streitigkeiten über die gemeinschaftliche Nutzung der „Gemeindegründe“ im Vordergrund standen, sondern vorrangig die Frage des Eigentums daran. Die Agrarbehörden hatten deshalb im Rahmen der Verfahren nach den Flurverfassungsgesetzen insbesondere auch die Frage zu entscheiden, wer Eigentümer des agrargemeinschaftlichen Grundstückes sei. Die zivilgerichtliche Kompetenz in dieser Frage wurde ausnahmslos ausgeschlossen. (§ 34 Abs 4 FlVfGG 1951; §§ 38 Abs 1 iVm 72 Abs 5 lit a TFLG 1996)

Vorrangig sollte freilich versucht werden, ein Übereinkommen mit den Parteien zu erreichen. Dieser Gedanke steht bereits im Zentrum der Lösungsvorschläge, welche im bereits mehrfach zitierten Bericht des NÖ Landesausschusses vom 21.09.1878 präsentiert werden, welche es wert sind hier wörtlich wiedergegeben zu werden: „Vielleicht ist es bei keiner Streitverhandlung so wünschenswerth, die Sache durch Vergleich zu beenden, als bei derjenigen, welche die Regelung dieser Eigenthumsverhältnisse zum Gegenstande hat. Das Gesetz kann, wenn es zur Entscheidung kommt, nur feste, bestimmte Regeln aufstellen, welche der Willkür keinen Spielraum lassen, wobei aber die Besorgniß wohl gerechtfertigt ist, daß in zahlreichen Fällen die Schablone nicht passt und eine ganz andere Ordnung der Verhältnisse im Interesse aller Parteien läge; insbesondere können wirthschaftliche Verhältnisse, die in den verschiedenen Gemeinden so überaus verschieden sind, eine durchaus andere Regelung als wünschenswerth erscheinen lassen; Genossenschaftsbildungen, Wegeregulirungen, selbst Commassirungen können bei dieser Gelegenheit durchgeführt werden, und wenn es gelingt, den Parteien klar zu machen, daß ein gewisser Regulirungsplan Allen vortheilhaft ist, so wird es in vielen Fällen möglich sein, den Streit nicht bloß überhaupt zu beenden, sondern eine befriedigende Lösung herbeizuführen.“ (XXVII der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des niederösterreichischen Landtages, 5. Wahlperiode, Seite 16f) Dass mit den zu überzielenden Übereinkommen auch gemeindepolitische Interessen gewahrt werden sollten, macht insbesondere der Vorsitzende des Commassionsausschusses in seinem Debattenbeitrag aus dem Jahr 1883 deutlich. Der Rückblick auf die Regulierungspraxis zeigt, dass der gesetzliche Auftrag – soweit irgendwie möglich – aufgrund von Parteienübereinkommen zu entscheiden, auch tatsächlich umgesetzt wurde. (Kühne, Zu Agrargemeinschaften in Vorarlberg, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler/Raber (Hg), Die Agrargemeinschaften in Westösterreich, 347ff)

Freilich wird auch schon im zitierten Bericht des NÖ Landesausschusses vom 21.09.1878 angesprochen, dass die politischen Ortsgemeinden aus einer streitigen Entscheidung der Eigentumsfrage wenig zu gewinnen hätten. Auch aus politischer Sicht wurde die Eigentumszuordnung an die Gemeinschaft der Nutzungsberechtigten als gerechtfertigt erachtet. (XXVII. der Beilagen zu den sten Prot des niederösterreichischen Landtages, 5. Wahlperiode, 18: „Der Landesausschuss schlägt daher vor, den Personen, welche faktisch die Nutzung von einem Gemeindegute bezogen haben, dasselbe in das freie Eigentum zuzuweisen.“)
Trotz dieser scheinbar klaren und einfachen Lösung für die damals wie heute politische umkämpfte Entscheidung der Eigentumsfrage, erachtete der Bericht des Landesausschusses die Einschaltung einer speziellen Behörde für erforderlich. Der Bericht dazu weiter: „Nun findet sich aber nicht selten, dass solche Gründe belastet sind, und zwar mit Schulden, welche die Gemeinde contrahiert hat. Es zeugt für die eigentümliche Verwirrung in den Rechtsanschauungen, dass dieselben Nachbarn, welche sich als die rechtmäßigen Privateigentümer der Gemeindegründe betrachten, dass dieselben Nachbarn als Gemeindeausschüsse gar keinen Anstand nehmen, diese Gründe für ein von der Gemeinde zu Gemeindezwecken aufzunehmendes Darlehen als Hypothek zu bestellen. Diesem Vorgang liegt eben die […] Rechtsanschauung zugrunde, dass die Nachbarn eigentlich die Gemeinde sind und dass sie die Verpflichtung haben für die Gemeinde die Lasten zu tragen.“ (XXVII. der Beilagen zu den sten Prot des niederösterreichischen Landtages, 5. Wahlperiode, 18)

Vor dem Hintergrund dieser für das historische Recht zweifellos richtigen Überlegung, welche für das moderne Gemeinderecht und der darauf aufbauenden Unterscheidung der verschiedenen Rechtspersönlichkeiten – hier die politische Ortsgemeinde, dort die zur bloßen Wirtschaftsgenossenschaft herabgesunkenen Agrargemeinde – freilich nicht mehr zutrifft, diskutiert der Bericht verschiedene Varianten, wie mit dieser „historischen Last“ der alten Agrargemeinde umzugehen sei und entwirft Szenarien für „Pauschalregelungen“, für pragmatische Lösungen im Interesse des wechselseitigen „finanziellen Wohlbestehens“ der neuen Ortsgemeinden einerseits und der Wirtschaftsgenossenschaft der „alten Nachbarn“ andererseits. Jeder derartige Sachverhalt drängte aus der Sicht des Jahres 1878 nach einer Lösung im Vereinbarungsweg, verhandelt und umgesetzt von speziell ausgebildeten Organen, welche freilich mit der nötigen Kompetenz versehen sein mussten, erforderlichenfalls „von Amts wegen“ zu Lasten der einen oder anderen Seite zu entscheiden, um wechselseitig entsprechende Kompromissbereitschaft zu erzeugen. In diesem Sinn äußerte sich auch der Berichterstatter Zak im Rahmen seines Debattenbeitrages im Reichsrat. (XXVII. der Beilagen zu den stenProt des niederösterreichischen Landtages, 5. Wahlperiode, 18 f; Berichterstatter Zak, Sten Prot des Abgeordnetenhauses des Österreichischen Reichsrates, IX. Session, Seite 9225 f)

Die heute umstrittene Kompetenz der Agrarbehörden zur rechtskräftigen Entscheidung in allen Fragen des Eigentums und anderer dinglicher Rechte an den historischen „Gemeindegründen“, stellt deshalb die historische Kernkompetenz der Agrarbehörde dar. Diese Kompetenz der Agrarbehörden zur rechtskräftigen Entscheidung in allen Fragen des Eigentums an den historischen „Gemeindegründen“ war überhaupt der Zweck, weshalb das TRRG 1883 geschaffen wurde. Die Kompetenz der Zivilgerichte zur Eigentumsentscheidung über die von den Ortsgemeinden verwalteten und von Personenmehrheiten genutzten Liegenschaften sollte ersetzt werden durch die Kompetenz einer Spezialbehörde. Genau diese Kompetenz wurde bei der Generaldebatte im Abgeordnetenhaus des Reichsrates über das TRRG 1883 in ihrer ganzen Breite diskutiert und letztlich im Sinne einer uneingeschränkten Kompetenz der Agrarbehörden in einer „Kampfabstimmung“ der Abgeordneten entschieden. Eine insbesondere von den Abgeordneten aus Galizien angeführte Abgeordnetengruppe plädierte – vornehmlich aus Gründen der Kompetenzabgrenzung zwischen dem Reich und den Kronländern – für die Herausnahme des Gemeindeeigentums aus dem Gesetz; gegen ein solches Vorhaben hatte sich insbesondere der Abgeordnete Josef Kopp, stark gemacht und war dessen Auffassung in der Abstimmung in der Mehrheit geblieben. (Vgl nur den Debattenbeitrag des Berichterstatters Zak, Sten Prot des Abgeordnetenhauses des Österreichischen Reichsrates, IX. Session, Seite 9224ff; grundlegend: Der Bericht des Niederösterreichischen Landesausschusses vom 21. September 1878, XXVII. der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des niederösterreichischen Landtages, 5. Wahlperiode, Seite 15ff)

Die Gegenmeinung war im übrigen keineswegs von der Überzeugung getragen, dass eine derartige Entscheidungskompetenz der politischen Behörde generell unzweckmäßig sei; Grundlage der Einwände waren vielmehr formale, nämlich Bedenken gegen die Zuständigkeit des Reichsrates im Verhältnis zur Zuständigkeit der Länder in allen Angelegenheiten des Gemeinderechtes. ((Siehe dazu die Debattenbeiträge der Abgeordneten v. Jaworski, v. Grocholski, v. Madeyski, Sten Prot des Abgeordnetenhauses des Österreichischen Reichsrates, IX. Session, 9215 f; 9219, 9228 ff) Insoweit deshalb die Behauptung aufgestellt wird, die Agrarbehörden wären zur Entscheidung der Eigentumsfrage generell inkompetent (gewesen) oder dass erst das FlVfGG 1932 (verfassungswidrig) eine umfassende Kompetenz der Agrarbehörden zur Entscheidung über die Eigentumsverhältnisse an Gemeindeeigentum begründet hätte, widerspricht dies nicht nur dem klaren Gesetzeswortlaut, sondern steht diese Rechtsauffassung auch in deutlichem Widerspruch mit den historischen Quellen.

g) Gestaltung der Rechtsverhältnisse

Streitigkeiten im Zusammenhang mit agrargemeinschaftlichen Grundstücken lagen bis zum Wirksamwerden der Bodenreformgesetzgebung in der Kompetenz der Zivilgerichte. Die vom historischen Gesetzgeber gewollte ausschließliche Zuständigkeit der politischen Behörde zur rechtskräftigen Klärung der „Eigentums- und Besitzverhältnisse“ an agrargemeinschaftlichen Grundstücken (einschließlich des „sonstigen einzubeziehenden Liegenschaften“ gem § 2 lit g TRRG 1883) mündeten in ein Ergebnis – insofern stellt die Agrarbehörde die „Eigentums- und Besitzverhältnisse“ fest. Ob diese „Feststellung“ richtig ist oder nicht, ist im Rechtsmittelverfahren zu klären; nach dessen Abschluss gilt Rechtskraft. (Zur Rechtsnatur der agrarbehördlichen Bescheide: Pernthaler, Die Rechtsnatur der Agrargemeinschaften, in:Kohl/Oberhofer/Pernthaler(Hrsg), Die Agrargemeinschaften in Tirol (2010), 261 ff; Raschauer , Rechtskraft und agrarische Operation, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler, Die Agrargemeinschaften in Tirol, 275)

Ein Verfahren, in dem die Eigentums- und Besitzverhältnisse geklärt wurden, kann deshalb (selbstverständlich) nicht mit der Begründung, dass der Agrarbehörde die Kompetenz zu einer unrichtigen Beurteilung gefehlt hätte, neu begonnen werden. Wenn deshalb die Tiroler Landesregierung im Gesetzesprüfungsverfahren Slg 9336/1982 dem Gesetzesprüfungsbeschluss des Gerichtshofs entgegenhalten wollte, dass „ein Feststellungsbescheid aber keinesfalls die bestehenden Eigentums- und Nutzungsverhältnisse ändere“, so wurde der Aufgabenbereich der Agrarbehörde und die Rechtskraftwirkung ihrer Bescheide grundlegend verkannt. Am Ende eines solchen Regulierungsverfahrens liegt auch eine rechtskräftige Entscheidung der Agrarbehörde darüber vor, wer Eigentümer des Regulierungsgebietes ist (§ 38 Abs 1 TFLG 1996; § 65 Abs 2 lit b TFLG 1996 – (Stellungnahme der Tiroler Landesregierung, wiedergegeben in der Begründung des Erkenntnisses Slg 9336/1982, Pkt I.4; Vgl schon die diesbezüglich inhaltsgleiche Bestimmung des § 38 Abs 1 TFLG 1935; ausführlich Raschauer (FN 65) 275 ff. Lang, Tiroler Agrarrecht II (1991), 230 ff, übersieht den klaren gesetzlichen Auftrag der Agrarbehörde zur Klärung der Eigentumsfrage!).

Die ausdrückliche gesetzliche Verpflichtung zur Entscheidung der Eigentumsfrage in jedem Regulierungsfall ist eine Neuerung des TFLG 1935, LG vom 6. Juni 1935, LGBl 42/1935, welches sich diesbezüglich vom TRLG 1909, LG vom 19. Juni 1909, LGBl 61/1909, deutlich unterscheidet. Auch wenn die Agrarbezirksbehörden bzw später die Agrarbehörde bereits nach dem TRLG 1909 die ausschließlich kompetente Behörde war, welche über die Eigentumsverhältnisse an agrargemeinschaftlichen Liegenschaften zu entscheiden hatte, so findet sich im TRLG 1909 keine Norm, welche die Entscheidung der Eigentumsfrage im Zuge jeden Regulierungsverfahrens als Verpflichtung definieren würde. Hinzu kommt die Bestimmung des § 3 Abs 2 TRLG 1909, wonach im Fall von Liegenschaften, die in Anwendung der Gemeindeordnung verwaltet wurden, eine Regulierung der Verwaltung grundsätzlich nicht stattfinden sollte bzw dass dann, sofern Maßnahmen erforderlich wären, diese sich auf zusätzlich notwendige Vorkehrungen zu beschränken hätten. Als Beispiel einer während der Geltungsdauer des TRLG 1909 regulierten Agrargemeinschaft ist AGM Schwendau zu nennen, welche mit Generalakt vom 15. September 1928 reguliert wurde. Abschnitt D des Generalaktes, „Normen für die Verwaltung“, leitet mit dem Satz ein: „Der Schwendauer Wald wird durch den Fraktionsausschuss von Schwendau nach den Bestimmungen der Gemeinde-Ordnung über die Verwaltung des Gemeindegutes verwaltet.“ (Näheres zu dieser Variante der Verwaltungsregelung in Form von „Ergänzungen zur Gemeindeordnung“: Kühne/Oberhofer , Gemeindegut und Anteilsrecht der Ortsgemeinde, in: Kohl/ea (Hg) Die Agrargemeinschaft4en in Westösterreich, 263ff)

h) Eigentumsentscheidungen der Tiroler Agrarbehörde

Auch wenn die Tiroler Agrarjuristen zumindest teilweise die Rechtsauffassung vertreten haben, dass die jeweilige Agrargemeinschaft „als Eigentums- und Sachgemeinschaft“ auch über das Eigentumsrecht am Regulierungsgebiet disponiere, so existieren trotzdem zahlreiche Regulierungsverfahren, in denen die Eigentumsfrage „am Gemeindegut“ dahingehend gelöst wurde, dass die politische Ortsgemeinde als Eigentümerin des Regulierungsgebietes gelten sollte. Zu verweisen ist auf die Beispiele der Agrargemeinschaft Sölden, der Agrargemeinschaft Pians, der Agrargemeinschaft St. Anton, der Agrargemeinschaft Weissenbach, der Agrargemeinschaft Nesselwängle, der Agrargemeinschaft Heiterwang, der Agrargemeinschaft Reutte und andere mehr. In derartigen Fällen wurde im B-Blatt – neben dem Eigentum der Ortsgemeinde – jeweils die Anmerkung einverleibt, dass es sich um agrargemeinschaftliche Grundstücke handle und wer daran nutzungsberechtigt sei. (Vgl etwa Albert Mair, Probleme der Regulierung des Gemeindegutes, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler (Hg), Die Agrargemeinschaften in Tirol (2010), 27; Liegenschaft in EZ 195 GB 80110 GB Sölden; Liegenschaften in EZ 38, 95, 96 GB 84009 Pians, EZ 120, 121, 122 GB 84004 Grins, EZ 84 GB 84012 See, EZ 57 GB 86020 Kaisers; Liegenschaft in EZ 106 GB 84010 GB St. Anton am Arlberg; Liegenschaft in EZ 149 GB 86041 GB Weissenbach; Liegenschaft in EZ 94 GB 86026 GB Nesselwängle [„Gemeinde Nesselwängle ohne Fraktion Rauth“]; Liegenschaft in EZ 121, 125, 266, 297, jeweils GB 86015 Heiterwang, EZ 258 GB 86031 Reutte [„Gemeinde Heiterwang aufgrund Kaufvertrages vom 31.12.1705“]; Liegenschaft in EZ 252 GB 86031 Reutte uam)

Der Befund, wonach die Entscheidungsbefugnis der Agrarbehörde „im Sinn einer distinktiven Kompetenz“ derselben zur Klärung der Eigentumsverhältnisse verstanden wurde, bestätigt sich somit in divergierenden Entscheidungen zum Eigentumsrecht an agrargemeinschaftlichen Grundstücken. Jedenfalls wäre es völlig falsch zu unterstellen, dass die Agrarbehörde sozusagen „sklavisch“ und in jedem Fall entschieden hätte, dass die (nicht regulierte) Agrargemeinschaft Eigentümerin des Regulierungsgebietes wäre und dieses in der körperschaftlich eingerichteten Agrargemeinschaft umgegründet hätte.

Durchaus charakteristisch ist die Regulierung des Gemeindegutes von Höfen: Die Eigentumsfeststellung zu Gunsten der Agrargemeinschaft erfolgte aufgrund einer ausdrücklichen Erklärung des bestellten Gemeindevertreters in Vollzug eines Gemeinderatsbeschlusses vom 22.09.1980 (Akt III b 1 – 1029 R der Tiroler Landesregierung); im Fall der Regulierung des Gemeindegutes von Wängle wurde überhaupt ein „Gemeinderatsbeschluss vom 17.12.1991“ als Grundlage der Eigentumsfeststellung zu Gunsten der Agrargemeinschaft im Regulierungsplan erwähnt (Akt III b 1 -1102 R der Tiroler Landesregierung). Eine ähnliche „Technik“ zur Begründung der Eigentumsentscheidung findet sich auch in älteren Regulierungsakten, zB im Fall der Regulierung des „Gemeindeguts“ von Götzens. Der Regulierungsplan begründet die Eigentumsentscheidung wie folgt: Die agrargemeinschaftlichen Grundstücke stehen „aufgrund des am 05.03.1959 zwischen den Anteilsberechtigten und der Gemeinde Götzens geschlossenen Parteienübereinkommens im grundbücherlichen Eigentum der Agrargemeinschaft Götzner Wald“ (Akt III b 1 -374/220 der Tiroler Landesregierung).

Schließlich sei die Vorgehensweise im Fall der Regulierung des „Gemeindegutes“ von Pflach erwähnt: Die Parteien waren gem Verhandlungsniederschrift vom 17. November 1953 von „grundbücherlichem Eigentum der Gemeinde Pflach“ ausgegangen. Gem Verhandlungsniederschrift vom 25. Juni 1954 wurde die Lastentragung hinsichtlich des Regulierungsgebietes ausschließlich der Ortsgemeinde Pflach zugewiesen; die Parteien haben beantragt, die Agrargemeinschaft nicht körperlich einzurichten und von einer „Eigentumsübertragung“ abzusehen; „das Eigentum am Gemeindewald und die Verwaltung solle vielmehr der Gemeinde verbleiben.“ Angestrebt war eine Ergänzung der Bestimmungen der Gemeindeordnung, dass bei Beschlussfassung über Wald- und Weideangelegenheiten bzw über Gegenstände der gemeinschaftlichen Nutzung „die Nutzungsberechtigten mit Mehrheit im Gemeinderat vertreten sein müssen“. Unabhängig von der Eigentumsfrage wurde der Anteil der Gemeinde an der Holznutzung ermittelt; dies auf Grundlage des faktischen Holzbezuges in den 25 Jahren vor der Regulierung; dieser wurde mit 12% der Gesamtholznutzung ermittelt. (Im Jahr 1954 wurde damit jene Regulierungsvariante verfolgt, welche gem TRLG 1909 für das in Anwendung der Gemeindeordnung“ verwaltete Gemeinschaftsgut zwingend vorschrieben war (§ 3 Abs 2 TRLG 1909), die jedoch im TFLG 1951 keine Rechtsgrundlage mehr hatte) In der agrarbehördlichen Verhandlung am 4.12.1959 wurden diese Grundlagen geändert und vereinbart, dass die Agrargemeinschaft körperschaftlich eingerichtet wird und dass dieser das Eigentum übertragen werden soll. Auf dieser Grundlage wurden die Anteilsberechtigungen neu festgelegt und hierüber ein „Vergleich“ geschlossen; das Vereinbarte wurde schließlich im Regulierungsplan vom 30. Mai 1960 umgesetzt. (Akt III b 1 -1142 der Tiroler Landesregierung)

Im Gegensatz dazu findet sich im Fall der Agrargemeinschaft Sölden folgende, gegenteilige Eigentumsentscheidung: „Gem § 37 Abs 1 TFLG 1969 wird festgestellt, dass das gesamte Regulierungsgebiet als Gemeindegut der Gemeinde Sölden gem § 32 Abs 2 lit c TFLG 1969 ein agrargemeinschaftliches Grundstück darstellt und im grundbücherlichen Eigentum der Gemeinde Sölden steht.“ Ganz ähnlich diejenige betreffend Agrargemeinschaft Pians: „Das Regulierungsgebiet ist als Gemeindegut der Gemeinde Pians ein agrargemeinschaftliches Grundstück im Sinn des § 32 Abs 2 lit c des Flurverfassungslandesgesetzes vom 15.7.1969, LGBl Nr 34 (TFLG 1969) und steht im grundbücherlichen Eigentum der Gemeinde Pians.“ (Amt der Tiroler Landesregierung Akt III b 1 – 724R/106 vom 26.3.1973 (Seite 11); Amt der Tiroler Landesregierung Akt III b 1 – 761 R/34 vom 4.5.1973 (Seite 6)

Die Eigentumsentscheidungen der Agrarbehörden sind – wie zahlreiche Beispiele deutlich machen – regelmäßig von einem umfassenden Konsens aller Beteiligten getragen gewesen. Insoweit konnte eine nähere Begründung der Entscheidung über die Eigentumsverhältnisse (§ 38 Abs 1 TFLG 1996) durch die Agrarbehörde entfallen. Daraus könnte die – freilich nicht zutreffende – Schlussfolgerung gezogen werden, die Eigentumsentscheidung sei nicht gewollt, nicht im Sinn von Eigentum gem § 354 ABGB (nur im Sinn von „nacktem Tabularbesitz“) oder nicht im Sinn einer endgültigen, der Rechtskraft unterliegenden Enderledigung zu verstehen. Dies ist jedoch nicht der Fall. § 14 Agrarverfahrensgesetz trägt dem Umstand, dass die Entscheidungen in den Agrarverfahren in der Regel auf einem Verhandlungsergebnis, einem Kompromiss aller Beteiligten, beruhten, ausdrücklich Rechnung, in dem auch die Bestandskraft des im Behördenverfahren erzielten „Parteienübereinkommens“, des Vergleiches, besonders betont wird. § 14 AgrarVG. „Die Bescheide (Erkenntnisse) der Agrarbehörden und die von ihnen genehmigten Vergleiche (Übereinkommen) haben insbesondere auch hinsichtlich der Vollstreckbarkeit die Rechtswirkung gerichtlicher Urteile und Vergleiche“. Weil die Agrarbehörden auf einen Konsens der Beteiligten hinzuarbeiten hatten und einen solchen beurkundet und damit den Rechtswirkungen eines vollstreckbaren gerichtlichen Vergleiches unterworfen haben, sind die Eigentumsentscheidungen – unbeachtlich der historischen Sachverhalte – durchaus unterschiedlich ausgefallen. Die Beispiele von diversen Eigentumsentscheidungen zu Gunsten der Ortsgemeinden zeichnen ein Bild differenzierter Vorgehensweise, regelmäßig im Konsens mit allen Verfahrensbeteiligten.

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aus:
Pernthaler/Oberhofer,
Die Agrargemeinschaften und die agrarische Operation
in: Kohl ea, Die Agrargemeinschaften in Westösterreich, 429ff

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MP

Servitutenablösung

Die Ablösung von Wald- und Feldservituten führt zur Entstehung von Agrargemeinschaften. In diesen Fällen wird einer Mehrheit von abzulösenden Berechtigten nicht eine Geldleistung zuerkannt, sondern eine Ablöseleistung, die in Grund und Boden besteht. Das Gemeinschaftsgrundstück, das daraus hervorgeht, ist eine Agrargemeinschaft zusammengesetzt aus denjenigen Berechtigten, die gemeinschaftlich abgefunden wurden.

Das Flurverfassungsgrundsatzgesetz erfasst die historischen Eigentumsträger, die aus einer Servitutenablösung hervorgegangen sind, auch unter dem Begriff „Gemeinde“ oder „Ortschaft“, wobei es sich um keine Erscheinungen des politischen Gemeinderechts handelt, sondern um historische Gemeinschaften der Nachbarn zur Organisation von Gemeinschaftswirtschaft.

 Schon in einer Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 1982 VfSlg 9336/1982, zur Rechtsnatur des Gemeindeguts hat der Verfassungsgerichtshof in Auseinandersetzung mit einer Stellungnahme der Slbg Landesregierung die Wesensmerkmale solcher Erscheinungen hervorgehoben: sie seinen Agrargemeinschaft und somit juristische Person; sie setzen sich aus den jeweils Nutzungsberechtigten zusammen und das Flurverfassungsrecht erfasse diese Erscheinungen mit dem Begriff „Gemeinde“.
VfGH Slg 9336/1982 vom 01.03.1982,Pkt III Z 1 Abs 2 der Begründung:  Es „ist daher die … Erscheinung, dass `die Gemeinde´ nur die Bezeichnung für die Summe der nutzungsberechtigten Eigentümer ist, […] von anderen Bestimmungen des Flurverfassungsrechts erfasst, […]“ – weshalb das Gemeindegut von den agrargemeinschaftlichen Liegenschaften, die aus Servitutenablösung herstammen, streng zu trennen ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seiner Grundsatzentscheidung im Tiroler Agrarstreit vom 30.06.2011 VwSlg 18171 A/2011 (Obergarten-Erkenntnis) mit dieser Rechtsauffassung des VfGH auseinandergesetzt und diese bestätigt:
Der Verfassungsgerichtshof wies im Erkenntnis VfSlg 9336/1983 darauf hin, dass es im Flurverfassungsrecht die Erscheinung gebe, dass „die Gemeinde“ nur die Bezeichnung für die Summe der nutzungsberechtigten Eigentümer sei. Dies sei der Fall bei der Bestimmung des § 15 Abs. 2 lit. c FGG, den Grundstücken, die in Ausführung der Gesetze über die Regulierung und Ablösung der Servituten einer Gemeinde (Ortschaft) oder Gesamtheit von Berechtigten zu gemeinsamer Benutzung und gemeinsamem Besitz abgetreten worden sind) und bei den Grundstücke nach § 15 Abs. 1 lit. b FGG.

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EIGENTUM STATT SERVITUTEN

Die Ablösung von Wald- und Feldservituten führt zur Entstehung von Agrargemeinschaften. In diesen Fällen wird einer Mehrheit von abzulösenden Berechtigten nicht eine Geldleistung zuerkannt, sondern eine Ablöseleistung, die in Grund und Boden besteht.

Ehrenzweig, System I/2 Sachenrecht (1923), 388; ders, System I/1 (1925), 183: „Es gibt landwirtschaftliche Grundstücke, deren Nutzung den Besitzern gewisser behauster Grundstücke gemeinschaftlich für die Zwecke ihrer Einzelwirtschaften zusteht. Solche Agrargemeinschaften sind zum Teil erst in neuerer Zeit bei der Servitutenablösung dadurch entstanden, dass man einer Gesamtheit von Berechtigten Abfindungsgrundstücke zur gemeinschaftlichen Nutzung abgetreten hat.“ Klang in Klang, ABGB II², 608: „Gewöhnlich sollen Wald- und Weidegrund allen Berechtigten gemeinsam abgetreten werden. Dadurch entstehen Agrargemeinschaften.“)

Konsequenter Weise definiert das Bundesgrundsatzgesetz zum Flurverfassungsrecht ganz allgemein Grundstücke, die in Ausführung der Gesetze über die Ablösung und Regulierung der Servituten einer Gemeinde (Ortschaft) oder Gesamtheit von Berechtigten zu gemeinsamer Benutzung und gemeinsamen Besitz abgetreten worden sind, als agrargemeinschaftliche Grundstücke. (Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951 § 15 Abs 2 lit c)

Das Tiroler Flurverfassungsrecht verengte diese Definition auf Grundstücke, die im Zuge von Verfahren nach dem Servitutenregulierungspatent 1853 einer Berechtigtenmehrheit in das Eigentum übertragen wurden (TFLG 1996 § 33 Abs 2 lit b).

Dabei wurde zweierlei übersehen. Zum einen, dass im Zusammenhang mit einer Servitutenablösung der Begriff „Gemeinde“ die Mehrheit von Berechtigten als historische juristische Person umschreibt; zum anderen, dass die historische Grafschaft Tirol bereits in den Jahren 1847 folgende Gegenstand einer generalstabsmäßig vorbereiteten und umgesetzten Servitutenablösung war.
Mit dem sog. Forstregulierungspatent 1847 wurden im gesamten heutigen Nordtirol, wo die Wälder per Gesetz als Grundsatz zur Gänze als Staatseigentum definiert waren, eine Ablösung der Forstservituten in den als Staatseigentum definierten Wäldern angeordnet, eine agrarische Operation, welche nach zeitgenössischen Angaben insgesamt ca 557.000 Joch Waldfläche einbezogen hatte. Davon wurden nach Prüfung durch eine eigens eingesetzte Kommission als Privateigentum anerkannt ca 40.000 Joch und darüber hinaus zur Ablösung jährlicher Bezugsrechte von insgesamt ca 217.000 n.ö. Klafter Holz eine Waldfläche von 358.140 Joch den Servitutsberechtigten als Ablösefläche in das Eigentum abgetreten. Als Staatseigentum verblieb eine – weitestgehend holzbezugsfrei gestellte – Waldfläche von 159.425 Joch. (näheres dazu bei R.S., Die Forstservituten-Ablösung in Tirol, Österr. Vierteljahresschrift für Forstwesen 1851, 392ff)

Erst im Jahr 1984 hat man sich in Tirol auf die besondere Bedeutung dieser Maßnahme besonnen und man hat diese Maßnahme als einen eigenen Tatbestand für die Entstehung von Agrargemeinschaften im Tiroler Flurverfassungs-Landesgesetz erfasst (§ 33 Abs 2 lit a TFLG idF LGBl 1984/18).

Verfehlter Weise hat man jedoch dabei dem Umstand keine Rechnung getragen, dass in gesamten Zeitraum vor dieser Gesetzesnovelle solche Liegenschaften regelmäßig als „Gemeindegut“ qualifiziert wurden, obwohl diese offensichtlich kein wahres Eigentum der politischen Ortsgemeinde waren.

EIGENTUM AUS SERVITUTENABLÖSUNG

Der Tatbestand der Servitutenablösung als Entstehungsgrund für agrargemeinschaftliche Grundstücke hat einen deutlichen Niederschlag in den Flurverfassungsgesetzen gefunden.

Vgl Ehrenzweig, System I/2 Sachenrecht (1923), 388; ders, System I/1 (1925), 183; Klang in Klang, ABGB II², 608; Hoegel, Aus der Grundbuchspraxis, JBl 1885, 592; Reich, Die Alpengenossenschaften und das neue Grundbuch, Österreichische Zeitschrift für Notariat und freiwillige Gerichtsbarkeit, 1886, 141 ff; 155 ff uam; vgl auch VfSlg 9336/1982 Pkt III Z 1 Abs 2 der Begründung, wo klargestellt wird, dass aus Servitutenablösung entstandenen Gesellschaften der Nutzungsberechtigten im Bodenreformrecht behandelt würden; dies (auch) unter der Bezeichnung „Gemeinde“.

 

Das Wesen des Servitutenablösungsaktes ist als ein Rechtsakt, wo eine Leistung Bedingung und Voraussetzung der Gegenleistung ist, juristisch klar fassbar: Die Eigentümer der servitutsberechtigten Liegenschaften verzichten Zug um Zug gegen Einräumung von Eigentum an einem Ablösegrundstück auf ihr Servitutsrecht. Umgekehrt verzichtet der Eigentümer des servitutsbelasteten Grundstückes auf einen Teil seines Eigentums, das er an die Servitutsberechtigten zur Gemeinschaftsnutzung überlässt, die dafür sein verbleibendes Eigentum von den Nutzungsrechten freistellen.

 

Der Verzicht auf die Nutzungsrechte ist veranlasst und bedingt durch die angebotene Gegenleistung, das Eigentum am Abfindungsgrundstück. Mehrere ursprünglich an einer größeren Liegenschaft Servitutsberechtigte rücken als Eigentümer des Abfindungsgrundstückes sozusagen zusammen; durch bessere Bewirtschaftung der nun eigentümlichen Liegenschaft kann die Nutzung auf eine verkleinerte Fläche beschränkt werden.
Der Gedanke der Ertragssteigerung durch Privatisierung ist ein wesentlicher Aspekt der Servitutenablösung. Hinzu kommt, dass durch die Schaffung klarer Verhältnisse – hier nutzungsfrei gestelltes Eigentum des Landesfürsten zur planmäßigen Bewirtschaftung durch die fürstliche Forstverwaltung, dort Gemeinschaftseigentum der Stammliegenschaftsbesitzer – der Anlass für unzählige Eigentumsstreitigkeiten entfallen war. Es versteht sich von selbst, dass die Ablöseliegenschaft Eigentum der ursprünglich bloß Servitutsberechtigten wird. Servitutenablösung ist ein Eigentumstitel.

DIE AGRARGEMEINSCHAFT

Unproblematisch ist die Situation, wenn aus Servitutenablösung Einzeleigentum entsteht. Der ehemals Servitutsberechtigte nutzt ab dem Übergang des Eigentums (Titulus und Modus) die eigene Sache. An die Stelle des beschränkten Rechts an einer größeren Liegenschaft ist das umfassende Recht an einer kleineren Liegenschaft getreten.

Schon das erste Reichsgesetz zur Servitutenablösung, das Servitutenregulierungspatent 1853 (RGBl 130/1853), ging jedoch vom Grundsatz aus, dass mehrere Servitutsberechtigte an einer Liegenschaft (bzw einem Liegenschaftskomplex) gemeinschaftlich abgefunden werden sollten. Hinter diesem Rechtsprinzip stehen Nachhaltigkeitsüberlegungen im Hinblick auf die Vermögenserhaltung und handfeste forstwirtschaftliche Überlegungen. Zusätzlich war die „in Grund und Boden ausgemittelte Ablösung“ sowie die Nutzung daran als „Zugehör des bezugsberechtigten Gutes“ definiert.

Dazu entstand in der Folge eine umfangreiche Diskussion in der Zivilrechtsliteratur des ausgehenden 19. Jahrhunderts, deren Gegenstand die Rechtsnatur dieses gemeinschaftlichen Eigentums und die Rechtsnatur der Nutzungsrechte des Einzelnen war[1]. InÖsterreich wurde diese Diskussion durch die Grundbuchsanlegung angespornt, welche es erforderlich machte, die Rechtsverhältnisse an solchen Liegenschaften dem Typenzwang des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches zu unterwerfen.

Beispiele: Paris, Die Gemeinschaften (Gemeinden – Nachbarschaften) und die Anlegung der neuen Grundbücher, Zeitschrift für Notariat und freiwillige Gerichtsbarkeit, 1875, 49 f; Stampfl, Ein Beitrag zur Frage über die Gemeinschaften (Gemeinden-Nachbarschaften) und die Anlegung der neuen Grundbücher, Zeitschrift für Notariat und freiwillige Gerichtsbarkeit, 1875, 97 f; Hoegel, Aus der Grundbuchspraxis, JBl 1885, 391 ff; Reich, Die Alpengenossenschaften und das neue Grundbuch, Zeitschrift für Notariat und freiwillige Gerichtsbarkeit, 1886, 141 ff, 147 ff, 155 ff; Lackenbacher, Über die Rechtsverhältnisse an den für abgelöste Servituten an eine Gesamtheit von Berechtigten abgetretenen Grundstücken, JBl 1886, Nr 29; Dr. S, Über die Realgenossenschaften in Österreich, Zeitschrift für Notariat und freiwillige Gerichtsbarkeit, 1886, Nr 46 – Nr 51; Pitreich, Miteigentum als Realrecht, Allgemeine österreichische Gerichts-Zeitung, 1887, 393 ff, 403 ff, 409 f; Snetiwy, Über den Tabularverkehr bei sogenannten „Nachbarschafts-„ oder „Ortschaftsrealitäten“, Allgemeine österreichische Gerichtszeitung, 1892, 321 f; Amschl, Über die grundbücherliche Behandlung von Wald- und Alpengenossenschaften, Allgemeine österreichische Gerichts-Zeitung, 1893, Nr 7; Pfersche, Die rechtliche Behandlung der bestehenden Agrargemeinschaften, Allgemeine österreichische Gerichts-Zeitung, 1894, 129 ff; Stefan v. Falser, Wald und Weide im Tirolischen Grundbuche (Innsbruck, 1896); Wallner, Wald-, Weide- und Alpengenossenschaften, Allgemeine österreichische Gerichts-Zeitung, 1912, 269 ff. Eine hervorragende Zusammenfassung dieser literarischen Diskussion findet sich bei Hugelmann, Die Theorie der „Agrargemeinschaften“ im österreichischen bürgerlichen Recht, Zeitschrift für Notariat und freiwillige Gerichtsbarkeit in Österreich, 1916, 126 ff; 134 ff, 144 ff, 153 f, 159 f

Die jüngere Zivilrechtsliteratur stellte zur Rechtsnatur des aus gemeinschaftlicher Servitutenablösung entstandenen Sachverhaltes fest, dass solcherart „Agrargemeinschaften“ entstanden seien – eine Aussage, die aufgrund des TRRG 1883 und der historischen Ausführungsgesetze dazu sowie aufgrund des modernen Flurverfassungsrechts naheliegend ist.
Vgl Ehrenzweig, System I/2 Sachenrecht (1923), 388; ders, System I/1 (1925), 183: „Es gibt landwirtschaftliche Grundstücke, deren Nutzung den Besitzern gewisser behauster Grundstücke gemeinschaftlich für die Zwecke ihrer Einzelwirtschaften zusteht. Solche Agrargemeinschaften sind zum Teil erst in neuerer Zeit bei der Servitutenablösung dadurch entstanden, dass man einer Gesamtheit von Berechtigten Abfindungsgrundstücke zur gemeinschaftlichen Nutzung abgetreten hat.“ Klang in Klang, ABGB II², 608: „Gewöhnlich sollen Wald- und Weidegrund allen Berechtigten gemeinsam abgetreten werden. Dadurchentstehen Agrargemeinschaften.“ In diesem Sinn schon Hoegel, Aus der Grundbuchspraxis, JBl 1885, 592, oder Reich, Die Alpengenossenschaften und das neue Grundbuch, Österreichische Zeitschrift für Notariat und freiwillige Gerichtsbarkeit, 1886, 141 ff; 155 ff uam. Treffend hebt der VfSlg 9336/1982 Pkt III Z 1 Abs 2 des Erwägungsteiles, hervor, dass solche aus Servitutenablösung entstandenen Gesellschaften der Nutzungsberechtigten unter der Bezeichnung „die Gemeinde“ im Bodenreformrecht Berücksichtigung gefunden hätten.

Einen einheitlichen Namen für das Phänomen zu finden, ist das eine; die Zuordnung dieser Rechtsfigur im Rahmen des geschlossenen Kreises der Sachenrechte („Typenzwang im Sachenrecht“) ist das andere. Nicht gerade erleichtert wird die rechtliche Analyse dadurch, dass das Servitutenregulierungspatent 1853 nur eine der möglichen Rechtsgrundlagen darstellte, anhand derer „Ablösungsoperationen“ ausgeführt wurden.

Dem „Servitutenpatent 1853“ gingen in einzelnen Kronländern ältere Gesetze „nach Landesrecht“ voraus. So berichtet Schiff von Servitutenablösungsmaßnahmen im Erzbistum Salzburg schon ab dem 16. Jhdt, in den Jahren 1845 bis 1851 wirkte in der Steiermark eine „Forstregulierungskommission“, welche die Forstservituten zum Teil durch Abtretung von Grund und Boden ablöste. In Tirol wurde mit a.h. Entschließung vom 6.2.1847 eine „Kommission zur Ablösung der Servituten in den vorbehaltenen Staatswäldern“ eingesetzt, die im heutigen Nordtirol zahlreiche Ablösungsakte auf privatrechtlicher Grundlage erwirkte; am 6.7.1848 folgte eine vergleichbare Regelung für Salzburg. Schließlich konnte eine Ablösevereinbarung, dh die Aufhebung der Servituten im Abtausch gegen Eigentum an einem Teil der belasteten Liegenschaft, auch ohne spezielle Rechtsgrundlage allein auf privatautonomer Basis vollzogen werden. Für den Vorarlberger Raum scheint diese auf Einzelakte im allgemeinen Privatrecht gegründete Variante der Servitutenablösung in der ersten Hälfte des 19. Jhdts größere Bedeutung zu haben.

„Servitutenoperationen“, aus denen Agrargemeinschaften hervorgegangen sind, können deshalb ohne weiteres auch aus der Zeit vor dem Servitutenregulierungspatent 1853 datieren und auf gänzlich anderer Rechtsgrundlage gründen. Dies ist zu berücksichtigen, wenn man in einem konkreten Fall die Rechtsgrundlagen zur Entstehung einer agrarischen Liegenschaft zu prüfen hat.

GEMEINDE NACH BÜRGERLICHEM RECHT

Einhelligkeit besteht in Literatur und Judikatur darüber, dass die Rechtsverhältnisse in der nicht regulierten Agrargemeinschaft nicht als bloßes Miteigentum erfasst werden könnten. Darüberhinaus gehen die Meinungen auseinander. Hugelmann beanstandete schon im Jahr 1917 zu Recht, dass diese verschiedenen juristischen Deutungsversuche darauf verzichten, die größeren Zusammenhänge des Dt. Privatrechts fruchtbar zu machen. Das (historische) Dt. Privatrecht hat nämlich die private Gemeinschaft der Nachbarn seit jeher als rechtsfähige Gemeinschaft, nämlich als „Gemeinde“, anerkannt (Otto Gierke, Dt. Privatrecht Bd I, Allgemeiner Teil und Personenrecht (1895), 576 ff § 71: „Die alte Markgemeinde“ mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Der Tiroler Rechtsraum bildete diesbezüglich keine Ausnahme. Das Tirolische Gubernium hat mit einem „Gutachten“ aus der 2. Hälfte des 18. Jhdts sogar eine „klassische“ Definition der „nachbarschaftlichen Gemeinde“ überliefert.

 

Es ist auch keinesfalls davon auszugehen ist, dass das ABGB eine derart bedeutsame Anzahl von „Rechtserscheinungen“ gänzlich ungeregelt ließ. Mit den Regelungen betreffend die „moralische Person“ (§§ 26 f ABGB) haben diese „Rechtsverhältnisse“ vielmehr auch im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch 1811 Anerkennung gefunden (Vgl schon: OGH vom 24. Juni 1936 3 Ob 347/35 (Dilisuna Alpinteressentschaft); OGH 11.4.1951 1 Ob 196/51; ORK 2.4.1955, EvBl 1956/65).

In der Tat gibt die Kommentierung Zeillers zu § 27 ABGB wertvolle Aufschlüsse darüber, was sich der historische Gesetzgeber unter der in §§ 26f ABGB definierten moralischen Person „Gemeinde“ vorgestellt hat. „Die unter öffentlicher Autorität zu gemeinnützigen Zwecken verbundenen Gemeinden, wie die[jenigen] der Städte, Märkte, Dörfer, oder der geistlichen Gemeinden, haben ihre besondere, durch politische Gesetze und Statuten bestimmte Verfassung, sie stehen, weil die einzelnen Glieder ihre in dem Gemeindevermögen begriffenen Rechte nicht verwahren können, unter einem besondern Schutze des Staates, sind in der Verwaltung ihres Vermögens eingeschränkt und genießen besondere (auf Sachen) angewandte Personen-Rechte.“

Zeiller setzte also offensichtlich diverse verschiedene „Gemeinden“ voraus. Mit der moralischen Person in der Ausprägungsform der „Gemeinde gem § 27 ABGB“ anerkennt unser Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch – in Fortentwicklung der ausufernden Bestimmungen des Codex Theresianus zum Eigentum der „Gemeinden“ – Rechtsverhältnisse wie die unregulierten Agrargemeinschaften. Die „Gemeinde“ ist dabei nichts anderes als ein Zusammenschluss von mindestens drei Personen – eine Gesellschaft.

 

Diese moralische Person, „Gemeinde nach bürgerlichem Recht“, anerkannt in der Stammfassung des AGBG von 1811, darf nicht mit der modernen politischen Ortsgemeinde verwechselt werden. Vielmehr ist sie weitgehend mit derjenigen Erscheinung zu identifizieren, die Otto Gierke als „Realgenossenschaft“ beschrieb oder mit dem Rechtsgebilde, welches das „Allgemeine Landrecht für die preußischen Staaten“ aus dem Jahr 1794 (ALR 1794) mit dem Rechtsbegriff „Dorfgemeinde“ zu erfassen versuchte. (§ 18 II. 7 des Allgemeinen Landrechts für die preußischen Staaten (ALR) aus dem Jahr 1794 definiert die „Dorfgemeinde“ wie folgt: „Die Besitzer der in einem Dorfe oder in dessen Feldmark gelegenen bäuerlichen Grundstücke machen zusammen die Dorfgemeinde aus“.)

 

Richtiger Weise ist jedenfalls auch die aus Servitutenablösung entstandene, unregulierte Agrargemeinschaft als moralische Person gem §§ 26f ABGB, das heißt „Gemeinde“, aufzufassen. Dies jedenfalls so lange, als diese Rechtsverhältnisse noch nicht als Körperschaft nach öffentlichem Recht durch das Flurverfassungsrecht erfasst wurden. Spätestens der gemeinschaftliche Erwerbsakt in Form des Servitutenablösungsvergleiches begründet die Rechtspersönlichkeit der moralischen Person. Solange das so erworbene (Gemeinschafts-)Vermögen existiert, bleibt auch die moralische Person bestehen.

 

Wohl in diesem Sinn ist es zu verstehen, wenn der OGH in der E vom 11.4.1951 1 Ob 196/51 die nicht regulierte Agrargemeinschaft ausdrücklich als juristische Person anerkannt hat.

OGH vom 11.4.1951 1 Ob 196/51 = SZ 24/98 = JBl 1952, 346; dies unter ausdrücklicher Ablehnung der gegenteiligen Ansicht von Klang in Klang, Anm zu § 361 ABGB; in diesem Sinn auch: OGH EvBl 1956/65, OGH vom 24. Juni 1936 3 Ob 347/35 (Dilisuna Alpinteressentschaft); Gschnitzer, Österreichischen Sachenrecht, 2. Aufl, bearbeitet von Faistenberger ua, 74; weitere Nachweise bei Aicher in: Rummel AGBG³ I Rz 11 zu § 26 ABGB.

 

Dieser moralischen Person „Gemeinde nbR“ gem § 26 f ABGB ist das Eigentumsrecht an der Ablöseliegenschaft als Ergebnis der Servitutenoperation zuzuordnen; die Mitglieder nutzen das Eigentum der moralischen Person kraft ihres (privaten) Mitgliedschaftsrechts an derselben. Diese Rechtsverhältnisse waren bis zum Eingreifen des Flurverfassungsrechtes vorauszusetzen.

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Aus: Öhlinger/Oberhofer/Kohl, Das Eigentum der Agrargemeinschaft, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler (Hrsg), Die Agrargemeinschaften in Tirol Bd II. – Agrargemeinden und Agrarfraktionen (2012).

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 SCHLUSSFOLGERUNGEN

1. Aus Servitutenregulierung entstandenes Eigentum von „Gemeinden, zusammengesetzt aus Nutzungsberechtigten“ ist vom Gemeindegut streng zu trennen.

2. Der Rechtsbegriff „Gemeinde“ findet keinesfalls nur im politischen Gemeinderecht Verwendung, sondern insbesondere auch im Servituten-Ablösungsrecht. „Gemeinde“ (oder Ortschaft) ist danach der rechtspersönliche Zusammenschluss der Nutzungsberechtigten, dem das Ablösegrundstück in das Eigentum übertragen wurde.

3. Insoweit im Flurverfassungsrecht im Zusammenhang mit der Servitutenablösung davon die Rede ist, dass das Eigentum auf eine „Gemeinde (Ortschaft)“ übertragen wurde, handelt es sich um „Gemeinden“, die keine politischen Ortsgemeinden sind, sondern rechtpersönliche Gebilde, die sich aus den Eigentümern der jeweils berechtigten Stammsitze zusammen setzen.

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MP

 

 

 

 

 

 

Regulierung

Die Agrarbehörden haben die Aufgabe, an Liegenschaften, die in Gemeinschaftsnutzung stehen, die Verwaltung zu ordnen und über die Nutzungsverhältnisse abzusprechen. Auch die Eigentumsverhältnisse an agrargemeinschaftlichen Liegenschaften sind abzuklären und es ist darüber bescheidmäßig zu entscheiden.

In Umsetzung dieses gesetzlichen Auftrages wurden in Österreich mehrere tausend Agrargemeinschaften „körperschaftlich eingerichtet“ und es wurde der jeweilige Eigentümer derselben bescheidmäßig festgestellt.

Fortsetzung folgt.

 

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MP

Ergänzung der Gemeindeordnung

„Ergänzung der Gemeindeordnung“ als (historische)
agrarische Operation

Das TRRG 1883 wollte der Ausführungsgesetzgebung einen rechtlichen Gestaltungsrahmen eröffnen, der wegen der zivilrechtlichen Implikationen der agrarischen Operationen für notwendig erachtet wurde. Für den Fall des agrargemeinschaftlich genutzten Gemeindegutes wurde davon nicht vollständig Gebrauch gemacht.

Mit Ausnahme von Kärnten (§ 8 Abs 2 Knt-TRLG 1885, wonach eine Regulierung der Benützungsrechte ausnahmslos mit der Regelung der Verwaltung verbunden werden müsse) enthielten nämlich sämtliche TRLGs der Jahre 1883 bis 1921 auffällige Einschränkungen der agrarbehördlichen Entscheidungsbefugnis: Im Fall der Regulierung von agrargemeinschaftlich genutztem Gemeindegut sollte die Regulierung der Verwaltungsrechte nur insofern stattfinden, als die Verwaltung der Gemeinschaftsliegenschaft nicht schon durch die Gemeindeordnung oder andere, das Gemeindegut betreffende Vorschriften geregelt war, oder insofern innerhalb der letzterwähnten Regelungen noch besondere Vorkehrungen zur angemessenen Verwaltung notwendig erkannt wurden.
§ 12 Abs 2 des Mähr-TRLG 1884; § 7 Abs 2 NÖ-TRLG 1886; § 7 Abs 2 Krain-TRLG 1887, § 12 Abs 2 Schles-TRLG 1888; § 12 Abs 2 Slbg-TRLG 1892; §§ 3 Abs 2 St-TRLG 1909 = 3 Abs 2 T-TRLG 1909 = 3 Abs 2 OÖ-TRLG 1909; § 3 Abs 2 Vlbg-TRLG 1921. S zB §§ 3 Abs 2 St-TRLG 1909 = 3 Abs 2 T-TRLG 1909 = 3 Abs 2 OÖ-TRLG 1909: „Die Regulierung der Verwaltungsrechte bezüglich gemeinschaftlicher Grundstücke findet nach diesem Gesetz nur insofern statt, als die Verwaltung solcher Grundstücke nicht schon durch die Gemeindeordnung oder andere, das Gemeindegut betreffende Vorschriften geregelt ist oder insofern innerhalb der letzterwähnten Regelung noch besondere Vorkehrungen zur angemessenen Verwaltung von als Gemeindegut benützten Grundstücken notwendig erkannt werden.“

Die Landesgesetze der Jahre 1884 bis 1921 – mit Ausnahme desjenigen Kärntens – hatten die Regulierung der Verwaltungsrechte und damit die körperschaftliche Einrichtung der Agrargemeinschaft im Fall von agrargemeinschaftlich genutztem Gemeindegut nicht zugelassen. Die Verwaltung der Gemeinschaftsliegenschaften betreffend waren vielmehr lediglich nötige Ergänzungen der Gemeindeordnung zu verordnen. Anstatt Agrargemeinschaften an agrargemeinschaftlich genutztem Gemeindegut körperschaftlich einzurichten und über die Eigentumsverhältnisse daran zu entscheiden, hatten die Behörden der Bodenreform eine zu unterstellende Verordnungsermächtigung genutzt und die Gemeindeordnung für den konkreten Fall ergänzt.

KEINE REGULIERUNG VON GEMEINDEGUT

Die Ausnahme für Kärnten begründet sich daraus, dass dort das Phänomen des agrargemeinschaftlich genutzten Gemeindeguts nicht existierte; dazu: Wolfram Haller, Die Entwicklung der Agrargemeinschaften Osttirols, 1947, unveröffentlichtes Manuskript, Österr. Nationalbibliothek, Sign 753717-C, 16. Bei den Kärntner Wäldern waren historisch nur Staatswaldungen und Privatwaldungen, sei es zu Einzelrecht oder Nachbarschaftsrecht unterschieden worden; dazu Carl Peyrer, Die Regelung der Grundeigentums-Verhältnisse, 46 f.

Auf der Grundlage des § 3 Abs 2 Tiroler TRLG 1909 wurden beispielsweise mit Generalakt vom 15. September 1928 der Agrarbezirksbehörde Innsbruck Zl 228/50 für den „Schwendauer–Wald“ „Normen der Verwaltung“ erlassen, welche als derartige „Ergänzung der Regelungen der Gemeindeordnung“ verstanden werden müssen (Generalakt vom 15. September 1928 der Agrarbezirksbehörde Innsbruck Zl 228/50 für den „Schwendauer – Wald“, Seite 10 und 11).

Es wurde ein „Fraktionsausschuss von Schwendau“, eingerichtet, der den „Schwendauer-Wald“ nach den Bestimmungen der Gemeinde-Ordnung 1866 zum Gemeindegut zu verwalten hatte.
In den 13 Absätzen umfassenden „Normen für die Verwaltung“ wurde (nach dem Wortlaut des Behördenaktes) in Ergänzung der Gemeinde-Ordnung ua angeordnet, dass der „Fraktionsausschuss“ (der Ortsgemeinde Schwendau) als „durchführende Organe“ einen Obmann, einen Obmann-Stellvertreter und einen Kassier aus dem Kreis der „Teilgenossen“ zu wählen hat; es wurde ein Geschäftsführungs- (und Vertretungsbereich) dieser Organe definiert, die Aufsicht durch den Fraktionsausschuss geregelt und ein Beschwerderecht gegen dessen Entscheidung an die Agrarbehörde vorgesehen. In Ermangelung der körperschaftlichen Einrichtung der Agrargemeinschaft bestand keine Grundlage, über die Eigentumsverhältnisse an den agrargemeinschaftlichen Liegenschaften zu entscheiden.

Insoweit die Verwaltung agrargemeinschaftlicher Liegenschaften deshalb bereits „durch die Gemeindeordnung oder andere, das Gemeindegut betreffende Vorschriften geregelt“ war, sollte es im zeitlichen Geltungsbereich der TRLGs 1884 bis 1921 dabei bleiben; die Verwaltung der agrargemeinschaftlich genutzten Liegenschaft wurde durch eine generelle Norm, welche die Gemeindeordnung für die spezielle Ortsgemeinde ergänzte, geregelt. Für diesen speziellen Bereich der Gemeindeverwaltung war die Agrarbehörde Aufsichtsbehörde über den Selbstverwaltungskörper Ortsgemeinde.

Sowohl die Motive als auch die praktischen Auswirkungen dieser gesetzlichen Regelung, für welche sich in den Ausführungsgesetzen zum FlVerfGG 1932 kein Gegenstück mehr findet, wären allemal einer eigenständigen Untersuchung wert. Im Ergebnis wurden mit diesen Gesetzesbestimmungen in den TRLGs 1884 bis 1921 die faktisch bestehenden Verhältnisse legitimiert, wenn privates Gemeinschaftsvermögen in den Organen der neuen politischen Ortsgemeinden verwaltet wurde. Bei einer Interpretation von Behördenakten aus dem zeitlichen Geltungsbereich der TRLGs ist dieser Rechtszustand jedenfalls zu beachten.

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aus:

Kühne/Oberhofer
Gemeindegut und Anteilsrecht der Ortsgemeinde.

in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler/Raber (Hg)
Die Agrargemeinschaften in Westösterreich (2011) 237ff

 

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MP

 

Alte Bodenordnung

Die Ständeordnung in der 1488 erschienenen Pronostacio des Astrologen Johannes Lichtenberger: Jesus Christus weist den drei Ständen ihre Aufgaben zu: Tu supplex ora („du bete demütig!“) zum Klerus, Tu protege („du beschütze!“) zu Kaiser und Fürsten, Tuque labora („und du arbeite!“) zu den Bauern. Die persönlichen Abhängigkeiten setzten sich in den Eigentumsverhältnissen fort: Der könig und der Adel als Obereigentümer; der bauer als Nutzungseigentümer.
EINLEITUNG

Der Titel des Artikels könnte in die Irre führen. Es soll und kann hier keine annähernd repräsentative Darstellung der historischen Allmendwirtschaft geliefert werden; dies ist die Aufgabe von Historikern und AGRAR-INFO.at wäre nicht der richtige Platz für die Veröffentlichung.

Was hier dargestellt werden soll, sind die konkreten Vorstellungen, die maßgebliche Akteure des Österreichischen Bodenreformrechts von der seinerzeitigen Bodenordnung und deren Entstehung hatten. Akteure, die Einfluss auf die Gesetzgebungsprozesse nahmen, Akteure, die Einfluss auf den Gesetzesvollzug genommen haben – modern gesprochen: Es geht um die Vorstellungen, die wesentliche Influencer des Bodenreformrechts von der historischen Bodenordnung einschließlich der Allmendwirtschaft hatten.

Niemand von diesen historischen „Influencern des Bodenreformrechts“ hat die historische Allmendwirtschaft als Selbstzweck untersucht. Sie haben diese Verhältnisse untersucht, weil sie sich daraus Antworten auf Fragen des Bodenreformrechts erwarteten.

 

Inhalt:
EINLEITUNG
Dr. Otto Ender, Redeauszug (6.7.1921)
Dr. Josef Kopp, Auszug aus einem Bericht vom 21.09.1878  
Dr. Albert Mair, Probleme der Regulierung des Gemeindeguts

 

D. Otto Ender: Historische Bodenverhältnisse in Vorarlberg

 

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Dr. Otto Ender, (* 24. Dezember 1875 in Altach; † 25. Juni 1960 in Bregenz) war ein österreichischer Politiker (CS). Er war Landeshauptmann von Vorarlberg und von 1930 bis 1931 österreichischer Bundeskanzler.
Otto Ender studierte Rechtswissenschaften in Innsbruck, Freiburg im Breisgau, Prag und Wien. Er war ab 1896 Mitglied der AV Austria Innsbruck, damals im CV, heute im ÖCV.
Im November 1918 wurde er als Nachfolger von Adolf Rhomberg Landeshauptmann von Vorarlberg – ein Amt, das er bis 1934 (mit kurzer Unterbrechung) inne hatte. Anfänglich trat er für einen Anschluss von Vorarlberg an die Schweiz ein, nach Scheitern dieses Vorhabens war er Vertreter eines erweiterten Föderalismus.
Im Dezember 1930 wurde Dr. Otto Ender – als einziger Vorarlberger bis heute – Bundeskanzler der Republik. Seine Regierungskoalition zerbrach jedoch schon nach wenigen Monaten wegen des Zusammenbruchs der Creditanstalt, der damals größten Bank Österreichs. Das Ende seiner Kanzlerschaft im Juni 1931 ist eng in Verbindung mit den ersten beiden Credit-Anstalt-Gesetzen zu sehen, mit denen die Republik für diverse Verbindlichkeiten die Haftung übernahm. Ender verlangte damals auch bestimmte Sondervollmachten vom Nationalrat, die ihm ein autoritäres Regieren ermöglichen sollten, jedoch nicht gewährt wurden. Nach seinem Rücktritt amtierte er vom 14. Juli 1931 bis 24. Juli 1934 wiederum als Landeshauptmann von Vorarlberg. Landeshauptmann Dr. Otto Ender war Rechtsanwalt in Bregenz; er war nicht nur ein brillanter Jurist, sondern auch ein interessierter Historiker. Seine Rede im Vorarlberger Landtag aus Anlass der Beschlussfassung über das Vorarlberger Teilungs- Regulierungs- Recht vom Juni 1921 ist ein einzigartiges Dokument zu den historischen Agrarverhältnissen Vorarlbergs.
LH Dr. Otto Ender, Redeauszug vom 06.07.1921

Begonnen werden soll mit einer Schilderung des Doyen der historischen Bodenreformer, Dr. Otto Ender, langjähriger Landeshauptmann von Vorarlberg und kurzzeitig Bundeskanzler der jungen Republik Österreich, der seine Prägung als Bodenreformer noch durch das „kaiserliche Teilungs- Regulierungsrecht“ erfahren hatte, der jedoch engstens eingebunden war in die Änderungen, die das Österreichische Bodenreformrecht und Hand in Hand das Gemeinderecht der Bundesländer in den 1930er Jahren erfahren hatte – damals, als das Bundes Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1932 geschaffen wurde. Der Text entspricht der Rede, die Landeshauptmann Dr. Otto Ender am 6.Juli 1921 im Vorarlberger Landtag aus Anlass der Debatte über das Vorarlberger Teilungs- Regulierungs- Landesgesetz als Berichterstatter des zuständigen Ausschusses gehalten hat. Berichterstatter Dr. Otto Ender:

Hoher Landtag! Es gab eine Zeit, wo unsere Vorfahren sich dem Nomadenleben hingaben. Sie zogen durch das Land, lebten von der Jagd und Fischerei und ließen ihre Herde weiden, wo der Herrgott etwas wachsen ließ.

Dann machten sie sich sesshaft und hatten zuerst nur die Wohnstätte in Privatbesitz. Erst beim Übergang zum Ackerbau kam es dann zur Ausscheidung einer Ackerflur. Sie wurde von den gemeinsam verbliebenen Wald- und Weidegründen losgelöst und jedem sein Betreffnis zugewiesen. Meist bekam einer mehrere Stücke in den verschiedenen Lagen. In der Bewirtschaftung herrschte keine Freiheit, sondern der sogenannte Flurzwang. Man kannte damals keine intensive Bewirtschaftung; vielmehr galt die 3-Felder-Wirtschaft, wonach man auf einem Grundstück das eine Jahr Wintergetreide, das andere Jahr Sommergetreide pflanzte und das dritte Jahr es brachliegen ließ. Die Brache und auch das Stoppelfeld wurden zu gewissen Zeiten gemeinsam beweidet. Diese Bewirtschaftungsart brachte naturnotwendig den Zwang mit sich, in gewissen Lagen, in einem bestimmten Jahre nur Wintergetreide zu bauen, in anderen Sommergetreide und im dritten das Feld brachliegen zu lassen. Darin bestand der Flurzwang.

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Die Länder, Weiden und Fluren, die von einer bestimmten Anzahl von Bauern auf diese Art gleichmäßig benützt und bewirtschaftet wurden, bildeten eine Dorfgemeinde oder eine Agrargemeinde. In der Agrargemeinde herrschten also die gleichen Weiderechte oder wie man es nannte: derselbe Trieb. Alle Grundstücke, auch die im Privateigentum stehenden Äcker waren mit Trieb (Weiderecht) und Tratt (Viehtrieb) belastet. Nur die Hofstatt oder Bäundt, bei uns heute Bündt genannt, war frei von Trieb und Tratt.

Eine Ausnahme von diesen Belastungen bildeten die sogenannten Einöden. Das waren ursprünglich abseits von den Weideplätzen durch private Rodung des Waldes entstandene Grundstücke, an deren Beweidung die Agrargenossen kein Interesse hatten. Im 16. Jahrhundert verknüpfte sich mit dem Wort „Einöde“ ein neuer Begriff. Einzelne Bauern kauften ihren Ackergrund von der Belastung mit fremdem Trieb und Tratt los, sei es nun durch Hingabe eines Teiles ihres Grundes an die Agrargenossenschaft, durch Übernahme von Dienstleistungen oder auf andere Weise. Von nun an nannte man jedes von Trieb und Tratt befreite Gut eine „Einöde“.

Die Schaffung solcher Einöden wurde wesentlich erleichtert, wenn man die vereinödeten Güter an einen Ort möglichst außerhalb des übrigen Ackerlandes zusammenlegte. Es führte daher das Bestreben, den Ackerboden von Trieb und Tratt zu befreien, schon im 16. Jahrhundert dazu, die Zusammenlegung von Grund und Boden durchzuführen, und man nannte dieses Geschäft damals „Vereinödung“. Auf diese Art sind auch die Höfe entstanden. Es blieb nur der Waldbesitz zur gemeinsamen Nutzung ungeteilt, während das Weideland und die Äcker bei der Zusammenlegung derart verteilt wurden, dass jeder Bauer seinen geschlossenen Hof bekam. Dabei blieben die Häuser oft wie bisher im Dorf vereint, sodass dann jedes Haus Hofstatt und Bündt dabei hatte, den übrigen Hof aber entfernt vom Hause an einem Ort beisammen, oder es fand gleichzeitig der sogenannte „Ausbau“ statt, d.h. man verlegte das Haus auf den Hof. Bei der damaligen Bauart der hölzernen Häuser war dies nicht so schwierig. In drei Tagen sollte ein solches Holzhaus abgebrochen und in drei Tagen wieder in Rohem aufgerichtet werden.

Sehr bekannt ist die Vereinödung, die in größtem Maßstabe im ganzen Gebiete des seinerzeit reichsunmittelbaren Hochstiftes Kempten durchgeführt wurde. Im Kleinen begann dort die Vereinödung seit 1500 und im großen Maßstabe wurde sie von 1750 bis nach 1800 durchgeführt. In der letzten Periode waren berufsmäßige Landvermesser an der Arbeit und die Ergebnisse der Vereinödung einer Dorf- oder Agrargemeinschaft wurden jeweils beim Landammann protokollarisch niedergelegt und sind in den Archiven bis heute erhalten.

Auch Kaiser Josef II. hat eine solche Aktion eingeleitet, die auch in Gebieten Vorarlbergs nahe den Besitzungen des Hochstiftes Kempten, jedoch unabhängig von der dortigen Aktion, durchgeführt wurde.

Auf der Bauernschaft lasteten vor hundert Jahren die Pflichten der Hörigkeit. Schon Kaiser Josef II. machte einen Versuch, die Bauern aus der Hörigkeit zu befreien. Die Napoleonischen Kriege brachten all diese Bestrebungen vollständig zum Stillstand und sie kamen während des Absolutismus in der nachfolgenden Zeit nicht zum Durchbruche; erst die Revolution des Jahres 1848 brachte hierin eine Wandlung.

Anders war die Entwicklung in Preussen. Dort wurde in den Jahre 1806 bis 1821 die Befreiung der Bauern von den persönlichen und wirtschaftlichen Fesseln der Hörigkeit durchgeführt. In einer Richtung freilich wurde sie zu jener Zeit in Preussen für den kleinen Bauern schlechter durchgeführt als bei uns dann in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Während bei uns alle Bauern, auch die kleinsten, von der Hörigkeit frei wurden und ihre Tributleistungen ablösen konnten, ohne den Grund und Boden zu verlieren, wurden in Preussen die Güter der kleinen Häusler gegen Entschädigung eingezogen und bei den anderen die Aufhebung der Hörigkeit gegen Grundabtretung gewährt. Dadurch gingen damals 1,000.000 ha Landes von kleinen Besitzern in Großgrundbesitz über.

Preussen nahm in Verbindung mit der Aufhebung der Hörigkeit in der Landes-Gemeinheitsteilungsverordnung vom Jahre 1811 die Befreiung des bäuerlichen Grundes von den Fesseln der alten Flurverfassung kräftig in die Hand. Man verstand es dort, mit der Aufteilung von Gründen, gleichzeitig die Zusammenlegung und die Verbesserung derselben zu verbinden und alles mit der den Preussischen Beamten eigenen Schneid und Rücksichtslosigkeit durchzuführen. Für die Bewirtschaftung des Grundes und für die Hebung der Erträgnisse war das natürlich von größtem Vorteil und der erhebliche Vorsprung, den die deutsche Landwirtschaft vor der österreichischen im Voraus hat, ist u.a. auf diesen Grund zurückzuführen. Was Österreich 30 Jahre später halb begann, in den 1880er Jahren noch immer unvollkommen betrieb und erst in der jüngsten Zeit unter Führung des Ackerbauministeriums zielbewusst betreibt, nämlich die systematische praktische Durchführung einer modernen Agrargesetzgebung, kann wohl nur im Laufe der Zeit einholen, was Preussen früher getan. Jedenfalls ist es höchste Zeit, damit zu beginnen!

Das Jahr 1848 brachte also der Bauernschaft in Österreich die Befreiung von der feudalen Hörigkeit. Selbstverständlich hatte in Vorarlberg beim Fehlen des Hochadels und adeliger Besitze diese Aktion nicht gleiche Bedeutung wie in anderen historischen Ländern.

Das Jahr 1853 brachte dann das bekannte kaiserliche Patent vom 5. Juli über die Regulierung und Ablösung der Holzungs-, Weide- und Forstproduktenbezugsrechte. Dort wo der staats- und feudale Grundbesitz durch die Ablösung der Hörigkeit ziemlich stark mitgenommen war, brachte diese Servitutenablösung wieder eine Erleichterung für den Wald- und Weidebesitz. Diese Ablösung von Servituten oder wo die Ablösung nicht möglich war, die Regulierung, wurde von den Grundentlastungskommissionen durchgeführt und diese haben auch in Vorarlberg eine bemerkenswerte Tätigkeit entfaltet. Es wäre nur natürlich gewesen, nun einen Schritt weiterzugehen und eine in vernünftigen Schranken gehaltene Teilung von Gemeinschaftsgründen, eine durchgreifende Regulierung der Benützungsrechte und insbesonders bei diesem Anlass auch eine Zusammenlegung, verbunden mit Meliorationen (Verbesserungsmaßnahmen), durchzuführen. Durch die immer wieder erfolgten Teilungen im Wege des Erbgangs und im Wege der freien Vereinbarung war auch schon zu jener Zeit das Feld vielfach in kleine Riemen zerschnitten und der Besitz des Einzelnen an vielen Stellen in der Flur verteilt.

Wir hatten auch schon damals in Vorarlberg eine bedeutende Streulage oder Gemengelage, wie die technischen Ausdrücke lauten. Die Naturalabgaben und Dienstleistungen wurden infolge der Grundentlastung bei uns vielfach in Geld abgelöst, teils auch neu geregelt. Besondere Garantien für die ungeteilte Erhaltung des Waldbesitzes in den Händen der Agrargemeinschaften waren nicht gegeben und eine zweckmäßige Regelung des Nutzholzbezuges, die die Interessen der Forstkultur mit jenen der berechtigten Bauern in Einklang brachte, fehlte. Es war auch eine zweckmäßige Aufteilung des für intensivere Kultur geeigneten Teiles von Weideland nicht möglich und die Handhabung der Weiderechte kam vielfach ins Unklare.

Und doch hätte gerade jetzt damals auf der Höhe der Zeit stehende Agrargesetzgebung notgetan. Die Zeitverhältnisse drängten zu einer Umformung der Bewirtschaftung auf der ganzen Linie. Aus der 3-Felder-Wirtschaft war man herausgewachsen. Anstelle der Brache traten Kartoffelbau, Maisbau, Rübenbau und Kleesaat. Die Viehzucht war durch die Einführung der Stallfütterung und der Düngerwirtschaft auf eine höhere Ebene gehoben worden. Der Bauer brauchte Geld, um seinen Verpflichtungen aus der Ablösung der Naturalabgaben und Dienstleistungen zu genügen. Man war durch den besseren Verkehr an den Weltmarkt angeschlossen worden und es erwachte mächtig der Erwerbstrieb. Die Landwirtschaft musste in die moderne verkehrswirtschaftlich-kapitalistisch organisierte Volkswirtschaft eingegliedert werden. Eine solche Zeit hatte nicht nur das Bedürfnis nach Befreiung des Waldes von Weide-, Holz-, Streu- und anderen Bezugsrechten, um dem Walde wertvolles Nutzholz abzugewinnen, sondern auch nach Ablösung und Regulierung der Dienstbarkeit, nach Teilung wertvoller Gründe und nach Regelung der Benützungs- und Verwaltungsrechte der agrarischen Gemeinschaften sowie nach Beseitigung der Gemengelagen.

Etwas geschah durch das kaiserliche Patent vom 5. Juli 1853, aber viel zu wenig. Das vielfach strittige Eigentum zwischen den politischen Gemeinden und Agrargemeinschaften blieb eine ungelöste Frage, die Nutzungsrechte am Gesamteigentum in mangelhafter Ordnung und die Agrargemeinschaften vielfach ohne gute Statuten und ohne geordnete Verwaltung.

Um zu verstehen, warum man diese Schwierigkeiten nicht überwand, müssen wir uns einiges klarmachen. Die Agrargemeinde oder Dorfgemeinde war eine ausgesprochen deutschrechtliche Einrichtung. Unter starkem Einfluss des kanonischen Rechts hatte sich das deutsche Grund- und Bodenrecht herausgebildet. Der Begriff des Eigentums war ein ganz anderer als im römischen Recht. Der Eigentümer war nicht unumschränkter Herr. Wie im öffentlichen Leben alle Gewalten als von Gott verliehen galten und mit der Verpflichtung strenger Rechenschaftslegung belastet waren, so teilten auch die Eigentümer von Grund und Boden als bevorzugte Verwalter desselben und ihr Anteil daran beschränkte sich auf den Bedarf.

Was zweckmäßig besser im Gemeinschaftsbesitz war, besonders Wald und Weide, blieb in demselben, und zwar nicht im Sinn des Miteigentums, sondern als in der Verwaltung einer öffentlichen Körperschaft stehend, der Agrargemeinde und der Dorfgemeinde. Das Benützungsrecht des Einzelnen richtete sich nach seinen tatsächlichen Bedürfnissen.

In diesen Zustand hinein fällt in Österreich die Einführung des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches im Jahre 1811, das vorwiegend auf dem Boden des römischen Rechts stand und dessen Begriff des Eigentums übernommen hatte, der eine volle Herrschaft über bewegliches und unbewegliches Gut in sich begreift. Gemeinschaftseigentum war nach römischem Recht Miteigentum und auf Verlangen der Miteigentümer teilbar. Eine Berücksichtigung der Agrargemeinschaften und irgendwelche Regelung ihrer Rechtsverhältnisse kennt das Bürgerliche Gesetzbuch nicht und es ist nur gut, dass die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches auf den Gemeinschaftsbesitz und seine Benützung meist nicht angewendet wurden, sondern dass man diese Rechtsgebilde nach öffentlichem Recht behandelte und dort dem Gewohnheitsrecht einen weiten Spielraum offen ließ.

Das Jahr 1849 brachte dem Volk in Österreich eine provisorische Gemeindeordnung. Sie schuf die heutigen Ortsgemeinden, auch politische Gemeinden genannt. Diese neue Gemeindeordnung hätte sich nun unbedingt klar mit dem Bestand der Dorfgemeinden oder Agrargemeinden abfinden und eine klare Verfügung treffen sollen, wer künftig Träger des Vermögens der Agrargemeinde sei, ob die neue politische Gemeinde oder ob die alte Agrargemeinde, die fortzubestehen habe. Letzteres wäre wohl zweckmäßig gewesen, nur hätte man dann der alten Agrargemeinde innerhalb der neuen politischen Gemeinde einen Verwaltungsapparat geben müssen. Das geschah nicht. So wurde dann das Vermögen der alten Agrargemeinschaft bald der neuen politischen Gemeinde zugeschrieben, bald als Ortschaftsgut, Fraktionsgut, Nachbarschaft oder Interessentschaft vom Gemeindeausschuss weiter verwaltet, aber alles nach Gewohnheitsrecht ohne feste, dem neuen Gemeinwesen angepasste Normen.

Dann kam das Grundbuch, aufgebaut auf dem Bürgerlichen Gesetzbuch, also auf den Bestimmungen des römischen Rechts. Der Grundbuchanlegungskommissär wusste mit den Überresten des alten germanischen Volksrechtes wieder nichts anzufangen. Vielfach wurde im Grundbuch als Miteigentum der Nutzungsberechtigten eingetragen, was gar nicht ihnen, sondern der Agrargemeinschaft gehörte, und ihre Nutzungsrechte wurden zu aliquoten Teilen in einem festen Ausmaß an einen Besitz gebunden, statt sie wandelbar nach den jeweiligen Bedürfnissen bestehen zu lassen. …

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Dr. Josef Kopp, Berichtsauszug vom 21.09.1878

Dr. Josef Kopp, Mitglied der NÖ Landesregierung (damals Landesausschuss), Abgeordneter zum Reichsrat, Mitglied im Commassionsausschuss, der 1882/1883 im Abgeordnetenhaus des Reichsrates das Teilungs- Regulierungs- Reichsgesetz beraten hat, hat über einen Zeitraum von 1874 bis 1878 die Verhältnisse an den Gemeindegründen in NÖ untersucht und darüber unter dem 21.09.1878 dem NÖ Landtag berichtet. In diesem Bericht führt er zum Thema folgendes aus:

Die Geschichte lehrt es und es ist, um alles Weitere zu verstehen, nothwendig, es sich wohl einzuprägen, daß – von vereinzelten Ausnahmen abgesehen – die Ansiedlung, aus denen unsere heutigen Ortschaften und Gemeinden hervorbringen, nicht so entstanden sind, wie etwa in Nordamerika, wo der Ansiedler Grund und Boden entweder occupirt oder von der Regierung kauft, so daß mit dem Erwerbe von Sondereigenthum begonnen wird, sondern daß bei den deutschen (auch den romanisierten) und slavischen Völkern die Sesshaftwerdung mit dem Erwerbe von Gesammteigenthum durch eine Anzahl von Personen, durch eine Genossenschaft begonnen hat, und das Sondereigenthum erst später sich daraus entwickelte, so zwar, daß noch am heutigen Tage manche Einrichtung, manche nur mehr rudimentäre Institution das Hervorgehen des Sondereigenthumes aus dem genossenschaftlichen Gesammteigenthume erkennen lässt, ja daß vielleicht – mit unbedeutenden Ausnahmen – alles Gemeindeeigenthum am Lande nichts anderes ist, als der meist sehr zusammengeschmolzene Rest des alten Genossenschaftsvermögens. Sobald eine Anzahl Männer sich ansiedelte, erwarben sie entweder durch Occupation herrenlosen Gutes oder – und in Niederösterreich dürfte dies  regelmäßig der Fall gewesen sein – von einem Feudalherrn, einem Ritter, einem Bischofe, einem Kloster u. s. w. einen größeren oder kleineren Landstrich, eine Dorfmark.

Ob übrigens der Grunderwerb in der einen oder anderen Weise stattfand, ob es freie oder hörige Bauern waren, das ist für die hier in Rede stehende Frage ganz gleichgiltig, die hörigen Bauern zahlten eben Grundzins, das Eigenthum der Dorfmark war nur ein Nutzungseigenthum, aber jedenfalls, Gesammteigenthum, denn es wurde der Gesammtheit und nicht dem Einzelnen verliehen. Die Gesammtheit aber wies jedem Einzelnen einen Theil der Dorfmark zur individuellen Benützung zu, der unvertheilte Rest blieb als reines Gesammteigenthum übrig. Was dem Einzelnen zugetheilt wurde, was der Einzelne cultivirte, wurde allmälig wahres Sondereigenthum, welches aber die Spuren seines Ursprunges aus dem Gesammteigenthume niemals ganz verlor. In Russland soll bis in die neueste Zeit an dem Gesammteigenthume so festgehalten werden, daß alle Culturgründe Jahr für Jahr neu vertheilt werden.

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Was bei der Aufteilung übrig blieb, gehörte fortan der Gesammtheit und wurde von ihr benützt. Es waren dies natürlich Wälder und Weiden. Jeder Dorfmarkgenosse konnte aus dem Walde das nöthige Bau-, Werk- und Brennholz nehmen und sein Vieh auf die Weide treiben. Die Ansiedler bildeten daher eine auf gemeinsamen Besitz getheilter und ungetheilter Grundstücke beruhende Wirtschaftsgenossenschaft und sind wohl zu unterscheiden von den Gemeinden im heutigen Sinne des Wortes. Selbst der alte und moderne Staat bei aller Verschiedenheit des Begriffes sind einander viel ähnlicher als die alte Dorfmarkgenossenschaft und die heutige Gemeinde. Die alte Gemeinde war keine juristische Person, welche ein Eigenthum neben dem Sondervermögen der Einzelnen belaß, sondern die Einzelnen waren eben Miteigenthümer der Dorfmark mit wirtschaftsgenossenschaftlichen Einrichtung, die ungetheilte Dorfmark wurde daher von Einzelnen kraft ihres Miteigenthumsrechtes benützt und diese Benützung nur aus wirtschaftlichen Gründen von der Gesammtheit geregelt. Als Wald und Weide noch für Alle ausrechten, galt der Grundsatz, daß jeder nach seinem Bedarfe, das heißt nach dem Bedarfe seiner Wirtschaft, Holz schlagen und Vieh auf die Weide treiben durfte, bald aber mussten Einschränkungen eintreten, insbesondere in Bezug auf den Wald, entweder in der Art, daß die Organe der Genossenschaft bestimmten, ob ein Bau, sei es Neubau, Zubau oder Umbau, oder eine Einzäunung, wozu Holz benöthigt wurde, wirklich nöthig ist, oder – und das war die Regel – es wurde von der Gesammtheit bestimmt, wie viel Holz jedes Jahr zu schlagen ist, das geschlagene Holz wurde in gleiche Partien vertheilt und dann durchs Loos Jedem eine Partie zugewiesen. Diese Einrichtung besteht noch heutzutage in vielen niederösterreichischen Gemeinden und der uralte Ausdruck „ein Lüß Holz“ ist noch heute unseren Gemeinden geläufig. Immer aber war es in älteren Zeiten unbedingt verboten, daß der Einzelne aus der Gemeinde Holz verkaufte, aber war es in älteren Zeiten unbedingt verboten, daß der Einzelne aus der Gemeinde Holz verkaufe, denn sein Recht war nur ein Nutzungsrecht nach seinem Naturalbedarfe.

Bei der ersten Ansiedlung wurden ohne Zweifel jedem Genossen gleich viele und große Grundstücke zur Cultur zugewiesen, dafür spricht auch, daß die Bauernwirtschaften derselben Kategorie in ein und derselben Gemeinde bis zur Aufhebung des Bestiftungszwanges ziemlich gleich groß waren, und daß bei späteren Vertheilungen bis zum heutigen Tage gewöhnlich Jeder in gleiches Stück erhielt. Zu den ersten Ansiedlern kamen in vielen Gemeinden bald noch andere hinzu, deren Aufnahme selbstverständlich von der Zustimmung der Genossen abhing, weil ja der neue Ankömmling nur durch Zuweisung eines Stückes der noch ungetheilten Mark Grundbesitz erweben konnte. Mit der Zuweisung dieses Grundstückes zur Cultivirung erhielt er aber auch das Miteigenthum an der noch ungetheilten Dorfmark; das Einkaufsgeld, welches er dafür in der Regel zu entrichten mußte, hatte daher eine ganz andere Bedeutung als die heutige Gebühr für die Aufnahme in den Gemeindeverband.

Eine solche Wirtschaftsgenossenschaft konnte aber ohne eine Organisation nicht bestehen und gedeihen. Die Gesammtheit der Genossen bestimmte die Verfassung wählte Vorsteher, welche darüber machten, daß die Rechte der Genossen und ihre Pflichten gewahrt und nach dem Bedürfnisse der Genossen abgemessen werden. Das Nächstliegende war die Sorge für die Errichtung und Erhaltung der Wege und Stege, um die communication im Inneren der Dorfmark, dann die Verbindung mit der Außenwelt zu sichern. Wo Bäche, Flüsse oder das Meer den Boden bedrohten, mußte derselben durch Dämme und Deiche geschützt werden. ein sicheres Merkmals der Abteilung des Sondereigenthumes aus dem Gesammteigenthume ist die Brach- und Stoppelweide, In Brachjahren, in der zeit nach der Ernte und die Neubestellung, trat das Sondereigenthum zurück in das Stadium der ungetheilten Feldmark. Damit dies geschehen könne, mussten alle Felder derselben Flur im gleichen Jahre brach liegen, die Ernte und die Neubestellung gleichzeitig stattfinden; der Flurzwang, der Culturzwang, die Vorschriften über die zeit der Bestellung und der Ernte entsprangen daher nicht dem modernen Begriffe der Polizeihoheit, sondern dem Begriffe der Wirthschaftsgenossenschaft. Gewisse weitere Bedürfnisse machten sich schon frühzeitig geltend. Dem Grundherrn mußte der Zins, dem Landesherrn Geld- und Blutsteuer entrichtet werden. Diesen Anforderungen standen nicht die Einzelnen, sondern die Genossenschaft gegenüber. Hiezu kam weiter die Kirsche, das heißt die Sorge für die Herstellung und Erhaltung der Gotteshäuser, der Pfarrerswohnung, für die Dotirung des Seelsorgers, später auch die Sorge für die Schule. Die Organe der Genossenschaft mussten für den Entgang an Zeit und für ihre Mühewaltung entlohnt werden. Die Mittel zur Befreidigung aller dieser Bedürfnisse wurden theils durch das Erträgniß der noch ungetheilten Feldmark, theils durch die unter sich gleichen, daher auch zu gleichen Theilen beitragenden Genossen aufgebracht. Diese Leistungen waren überwiegend Naturalleistungen, wie überhaupt die Naturalwirthschaft immer das Ursprüngliche ist, die Geldwirthschaft erst später ergänzend dazu trat, so daß heute noch, allen Gesetzen  zum Trotze, in vielen Gemeinden die Naturwirthschaft überwiegt, und an der gleichen Leistung aller Genossen einer natürlichen Consequenz des ursprünglichen gleichen Grundbesitzes, noch jetzt bei ganz veränderten Verhältnissen mit Zähigkeit festgehalten wird.

Die Bestreitung diese genossenschaftlichen Auslagen erfolgte nun in verschiedener Weise.
Was den Holzbedarf betrifft, so wurde häufig dem Richter außer der auf ihn als Genossen entfallenden Partie noch ein zweites Lüß Holz zugewiesen, ebenso dem Pfarrer, eine Einrichtung, die sich in den ältesten Urkunden vorfindet und noch heute in vielen Gemeinden besteht. Vielfach wurden auch bestimmte Grundstücke, Waldtheile, Weideflecken, ja Aecker und Weingärten, welche zur gemeinen ungetheilten Feldmark gehörten, bestimmten Zwecke gewidmet. Von dieser Naturalwirthschaft herrührenden Naturaldotation schreiben sich viele Ausdrücke, wie Kirchholz, Pfarrwald, Richtwiese, Schulacker u. s. w. her, die den Grundstücken noch heute ankleben, obwohl ihre Bestimmung häufig aufgehört hat, und die Grundstücke heute entweder unbelastetes Gemeindeeigenthum oder gar Privateigenthum sind. Dies ist die erste Spur der Tehilung der Feldmark in solche Gründe, welcher der Benützung aller Genossen, und solche, welche im Interesse Aller bestimmten Zwecken gewidmet sind. – eine Unterscheidung, welche §. 288 des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches mit den Worten „Gemeindegut“ und „Gemeindevermögen“ bezeichnet, eine Unterscheidung, welche jetzt zu vielen Streitigkeiten und Verwirrungen Anlaß gibt, weil die Gesetze hierüber fast gänzlich schweigen, weil Kataster und Grundbuch nur Besitz und Eigenthum, aber kein Gemeindegut und keine Gemeindevermögen kennen, weil die Genossenschaft jede specielle Widmung – von Stiftungen natürlich abgesehen – jederzeit widerrufen konnte, den Grundstücken daher die bleibende Qualität als Gemeindegut oder Gemeindevermögen nur durch die allmälige Vernichtung der alten genossenschaftlichen Errichtungen, durch Willküracte der obrigkeitlichen Gewalt und mittelst des leidigen Hilfsmittels der Verjährung aufgedrückt werden konnte.

Blieb nun nach den Naturalbezügen der Genossen und nach der Deckung der allgemeinen Genossenschaftsauslagen von den Erträgnissen der gemeinen Mark noch etwas übrig, so wurde dieser Ueberschuß veräußert und der Rest von den Genossen – vertrunken. Nach zahlreichen Urkunden ist dieses Vertrinken des unbenöthig Ueberschusses der Erträgnisse der gemeinen Mark ein fast zur Höhe einer Rechtsinstitution erhobener alter Gebrauch, von welchem ohne Zweifel die in vielen Gemeinden noch heut regelmäßig stattfindenden und nur schwer auszurottenden Gemeindezechereinen herrühren, nur mit dem Unterschieden, daß dieses Zechen als fixe Verwendungsart betrachtet wird, wenn auch die Gemeindecasse keinen Ueberschuß, sondern ein Deficit ausweist. Dagegen ist es richtig, daß auch in der ältesten Zeit der Naturalbedarf der Genossen, sei es nach Maßgabe des Hausbedarfes, sei es nach fixen Losportionen, immer zuerst gedeckt wurde, und daß eine Einschränkung hierin auch dann nicht eintrat, wenn der sohin verbleibende Ueberschuß zur Deckung der allgemeinen Genossenschaftsauslagen nicht hinreichte, in welchem Falle der Abgang von den Genossen ergänzt wurde. Hierin zeigt sich am deutlichsten, daß die ungetheilte Feldmark nicht als Eigenthum der Gemeinde, D. h. einer juristischen Person, welche ihre Bedürfnisse zunächst aus den Erträgnissen ihres Eigenthumes bestreiten würde, sondern als Miteigenthum der Genossen zu betrachten ist. Dies erhellt weiters aus einer noch heute in vielen niederösterreichischen Gemeinden herrschenden Gepflogenheit, welche sich genau an die oben geschilderte Genossenschaftswirthschaft anschließt.

Die bei der ersten Ansiedlung der Genossen zur individuellen Bearbeitung zugewiesene Theile der gemeinen Dorfmark gingen allmälig in das Sondereigenthum über, sie konnten uneingeschränkt verwerthet und verkauft werden. Hatte dieser Zustand durch Generationen gedauert, so wurde zwar die Gemeinde noch lange nicht als juristische Person gedacht, die ein von den Genossen nicht anzusprechendes besonderes Eigentum besitzt, aber der Unterschied zwischen Sondereigenthum und ungetheilter Dorfmark prägte sich doch den Genossen ein und gelangte zu einer juristischen Bedeutung, welche um so deutlicher hervortrat, je mehr sich der Begriff des Sondereigenthums entwickelte. die Mitbenützung der ungetheilten Dorfmark wurde daher zum Unterschiede von dem Sondereigenthum oder „Erbe“ als „Gemeindenutzen“ bezeichnet. Wenn nun später neue Vertehilungen stattfanden, Wald gerodet, Weide aufgerissen wurde, so bleib die Erinnerung haften, daß er ein Theil der Dorfmark ist, und sowie der Gemeindenutzen an dem neuvertheilten Grunde in der Benützung desselben als Aecker oder Weinberg. Gegen das Bergessen dieses Ursprunges schützte sich die Genossenschaft dadurch, daß die Vertheilung durchs Los nicht für immer, sondern nur für eine gewisse Anzahl von Jahren erfolgte, nach deren Ablauf eine neue Verlosung stattfand. Die Verlosungsperioden wurden immer länger, zuweilen wurde die neue Verlosung stillschweigend unterlassen und nach langer Zeit wieder einmal aufgenommen. In Deutschland sollen solche zehnjährige Verlosungsperioden noch heute bestehen und in einer nahe bei Wien gelegenen Gemeinde wurde sogar im laufenden Decennium eine neue Verlosung solcher Weinberge vorgenommen, obwohl die Minderheit sich dagegen wehrte. Die Eigenschaft dieser Losgründe als Dorfmakr äßert sich auch darin, daß sie dem Genossen, der die Cultivirung unterließ oder der sich weigerte, die Genossenschaftspflichten zu erfüllen, wieder entzogen wurden (eine Art Abstiftung), von welchem Recht die niederösterreichischen Gemeinden noch heute zuweilen Gebrauch machen, do daß selbst im laufenden Jahre solche Fälle im Beschwerdewege dem Landesauschusse zur Kenntniß kamen.

Durch diese fortgesetzten Vertheilungen schmolz die ungetheilte Dorfmark immer mehr zusammen es kam also immer häufiger vor, daß die Genossen zur Bestreitung der nicht in natura zu leistenden Gemeindebedürfnisse herangezogen wurden. Dies geschah und geschieht noch heute in der Art, daß die Genossen entweder einen fixen oder, was häufiger der Fall ist, einem mit dem Deficit der Gemeindecasse wechselnden Jahresbeitrag der Gemeinde zu zahlen haben. Da die Losgüter glich groß sind, so hat jeder Genosse, ohne Rücksicht auf seinen sonstigen Besitz und seine Steuerleistung, gleich viel zu zahlen. Es gewinnt dadurch den Anschein, als ob diese Zahlungen einen Pachtzins repräsentiren, was, wenn man den Ursprung der Errichtung ins Auge fasst, durchaus nicht der Fall ist. Dauert aber ein solches Verhältniß lange fort, bleibt die Zahlung gleich und sit sie im Verhältniß zu dem Erträgniß eine sehr geringe, so nimmt es immer mehr den Anschein eines Erbpachtes oder Erbzinses an.

Die Anzahl der Genossen in einer Gemeinde zeigt oft eine überraschende Beständigkeit. Besonders in solchen Gemeinden, welche weitab vom großen Verkehre liegen, blieb die Zahl der Genossen seit Jahrhunderten die gleiche. In früheren Zeiten dürfte die Theilung eines Gutes in zwei, vier oder acht Theile (Ganzlehen, Dreiviertellehen, Halblehen, Achtellehen) häufig vorgekommen sein, ein solches getheiltes Gut hatte dann auch nur den entsprechenden Bruchtheil des Gemeindenutzens und wurde auch bei der Vertheilung von Losgründen nur mit dem entsprechenden Bruchtheil des Gemeindenutzens und wurde auch aber kommen solche Theilungen nicht mehr vor, seit der Aufhebung des Bestiftungszwanges entfallen sie von selbst.

Die Benennungen dieser Genossen sind nun in den verschiedenen Ländern theils verschieden, theils aber auch ganz dieselben. Sehr verbreitet in und außer Oesterreich ist der Name „Bauern“, außerdem kommen bei uns noch vor „Großbauern“, „Urhausbesitzer“, dann specielle auf die Provenienz der Ansiedler deutende Namen, wie z. B. im Bezirke Tulln „Altpassauer“. Ein eigenthümlicher Name ist in mehreren Gemeinden von Oberhollabrunn üblich, nämlich „Gemeindemitleidige“, wodurch also das Schwergewicht nicht auf die Rechte, sondern auf die Pflichten oder Lasten der Genossen gelegt wird, welche mitgenießen, aber dafür auch mitleiden, das heißt die Lasten mittragen. Bemerkenswerth und ein Beweis für die Gleichartigkeit der Zustände und Anschauungen und sogar Ausdrücke in allen deutschen Ländern ist, daß derselbe Ausdruck unter Anderem auch in der Henneger´schen Landesordnung von 1539 vorkommt. Der verbreitetest Name aber ist „Nachbarn“ und für die Genossenschaft als Ganzes „Nachbarschaft“ und „Gemeinde“. Schon die ältesten Urkunden sprechen von den „Nachbauern““ oder Nachbarn, und gleichbedeutende Worte finden sich n allen Sprachen als Bezeichnung für dasselbe Verhältniß, so in französischen Urkunden voisings und voisinage, bei den Normanen und Schotten vicinetum und visnetum, in Italien vicinantia. Da der Bestiftungszwang nicht zur Schaffung, sondern zur Erhaltung de vorgefundenen Bauerngüter eingeführt wurde und eigentlich nur in späterer Zeit durch positives Gesetz fanctionierte, was in früheren Zeiten, wo der alte Gebrauch als solcher geheiligt war, schon bestanden hat, so bezeichnet auch der oft übliche Ausdruck „Bestiftete“ die Genossen der alten Dorfmark.

Neben den Genossen gab es aber und mußte es geben noch manche in der Gemeinde ansässige, ja daselbst geborene Leute, die gleichwohl keinen Antheil an der Genossenschaft hatten.

Zunächst waren dies die Familienmitglieder der Genossen. Nur der Besitzer des Hauses war Genosse, derselbe mußte eine eigene Feuerstätte – „eigen Rauch und eigen Speise“ – haben. Starb ein „Nachbar“ und übernahm ein Kind das Haus mit der Wirthschaft, so war nur er „Nachbar“, die Geschwister wurden es nicht. Dazu kamen überhaupt alle Knechte und Mägde, dann jene Bauern, welche ihren Besitz verkauften, auch wenn sie in der Dorfmark wohnhaft blieben. In vielen Ländern – in manchen schon sehr früh – war es gestattet, den „Gemeindnutzen“ allein zu verkaufen; durch diesen Verkauf verlor der Bauer ebenfalls kein Nachbarrecht, obwohl er sein Sondereigenthum behielt. Endlich – und das ist die Hauptsache – siedelten sich im Verlaufe der Zeit auch Fremde an, ohne ein Bauerngut zu erwerben. Sie erwarben ein Stück Grund entweder von der noch ungetheilten Mark oder von einem Bauer und bauten sich darauf ein Haus, hiezu gehörten insbesondere alle Dorfhandwerker. Für alle diese Personen gab es unzählige Nahmen, der gebräuchlichste in Deutschland war „Hinterlassen“, bei uns aber „Häusler“, „Kleinhäusler“, und wenn sie auch nicht einmal ein eigenes Haus besassen und sich daher einmietheten, „Inwohner, Inleute“. Alle diese Personen standen außerhalb der Genossenschaft, sie hatten kein Miteigenthum an der freien Mark, die Genossenschaft gab ihnen Schutz, gestattete ihnen öfter bald mehr, bald weniger Beneficien in Bezug auf Wald und Weide, doch war dies Sache der Gemeinde, einen Anspruch aus dem Titel des Miteigenthumes hatten sich nicht, daher auch diese Bestattungen öfter wechselten und die Kleinhäusler häufig eine fixe jährliche Gebühr als „Schutzgeld“, „Häuslergeld“ oder „Kleinhäuslergeld“ entrichten mussten und in manchen Gemeinden noch heute entrichten mussten und in manchen Gemeinden noch heute entrichten. Im Uebrigen waren sie weder Mitgenießer, noch „Mitleidige“ und hatten absolut keinen Antheil am Gemeinderegiment.

Der späteren Darstellung etwas vorgreifend, werde schon hier bemerkt, daß die „Nachbarn“ die ursprünglichen Besitzer der Dorfmark und daher des Gemeindnutzens, die allein die Lasten der Gemeinde trugen sie allein regierte und repräsentirten sich auch von jeher als die alleinigen Mitgleider der Gemeinde betrachteten und als solche ebenso von den Häuslern und von der Obrigkeit betrachtet wurden. „Nachbarschaft“ und „Gemeinde“ waren zwei Worte für denselben Begriff, und so ist es in sehr vielen Gemeinden noch heute! Unter dem Bestande der heute geltenden Gemeindeverordnung geschah es nicht selten, daß die Nachbarn Geld zusammenlegten, sich einen Grund kauften und den Kaufvertrag durch den Gemeindevorsteher abschließend oder doch überwiegend aus Nachbarn zusammengesetzt, im Wege des Edictalverfahrens Nachbarschaftsgründe, die noch in keinem Grundbuche innelagen, in das Grundbuch als Gemeindeeigenthum eintragen ließen, was Alles selbst im laufenden Jahrzehnd nicht selten geschehen ist. Charakteristisch für die festgewurzelte Rechtsüberzeugung, daß Nachbarschaft und Gemeinde zwei Worte für dieselbe Sache sind, waren mehrere auf das Circulare eingelangte Berichte. Es heißt darin, daß in der betreffenden Gemeinde solche unklare Verhältnisse, wie sie in dem Circulare angedeutet sind, nicht bestehen, daß die Gemeinde im Kataster und im Grundbuche als Besitzerin der Gemeindegründe erscheine, daß auch noch Niemand der Gemeinde ihren Besitz und Genuß streitig gemacht habe. Nachdem Alles dieses ausführlich und mit einem gewissen Eifer betheuert worden war, so daß man in der That glauben konnte, hier sei Alles in bester Ordnung, kam der Schlußpassus, daß die Kleinhäusler auch niemals den Anspruch erhoben hätten, an dem Gemeindevermögen einen Antheil zu haben!“ Es zeigte sich auch in der That, daß in diesen Gemeinden die Nachbarschaft als alleinige Trägerin des Gemeindevermögens, aber auch der Gemeindelasten angesehen und unter der Gemeinde nur die Nachbarschaft verstanden wurde. Auch sonst werden in zahlreichen Berichten die Kleinhäusler immer der Gemeinde entgegengesetzt und als außerhalb derselben bestehend betrachtet, und dieses Verhältniß wird als ein ganz selbstverständliches hingestellt.

Wären nun heutzutage die Zustände noch so, wie sie sich nach obiger Darstellung entwickelt habe und sich nach einem ziemlich einfachen Grundschema darstellen lassen, wäre die Organisation der Nachbarschaft intact, die Rechtsüberzeugung im Volke noch stets und bestimmt, und würde die Gesetzgebung sich an wirkliche Zustände  und Bedürfnisse angeschmiegt haben, sö läge kein Grund zu neuem legislativen Eingreifen vor. So steht es aber nicht.

Mit dem Erstarken der staatlichen, mit der Ausdehnung der gutsherrlichen Gewalt trat die Selbstthätigkeit der Bauern wie der Bürger in der Besorgung der eigenen Angelegenheiten zurück. Sowie sich die Uebung eines Rechtes aber verliert, so schwindet auch das Bewußtsein desselben,  das Verständnis der eigenen Zustände. Die lebendige Tradition erlischt oder erhält sich nur unvollkommen, unbegriffene Bruchstücke werden festgehalten, alte Begriffe  mit neuen Namen bezeichnet und dadurch verwirrt, am grünen Tische werden Gesetze gemacht ohne Kenntnis der realen Verhältnisse, ja mit vornehmer Ignorirung der geschichtlichen Entwicklung, Regierer und Regierter verstehen sich nicht mehr, reden einander fremde Sprachen, da muß ein Chaos entstehen – und es ist entstanden. Mit der durch die Aufgabe gebotenen Kürze sollen nun die eingetretenen Veränderungen, deren Ursachen und die heutigen Zustände angedeutet werden.

Als der sich entwickelnde moderne Staat anfing sich mit den Gemeinden zu beschäftigen, geschah dies zuerst zu fiscalischen Zwecken, er ließ Grund und Boden behufs Anlegung der Grundsteuer vermessen und schuf die Katastral- oder Steuergemeinde, der territoriale Umfang der Steuergemeinde war in den meisten Fällen gleich der der alten Dorfmark, deren Grenzen seit unvordenklichen Zeiten bekannt und unverändert waren und sich daher sehr bequem zur Begrenzung der Steuergemeinde eigneten. In vielen Fällen wurden aber auch mehrere Dorfmarken zu Einer Katastralgemeinde zusammengezogen, diese heißen jetzt einfach „Ortschaft“, „Dorf“ und haben keine gesetzliche Repräsentanz, sie bestehen immer nur aus wenigen Bauernwirthschaften, deren Besitzer die ungetheilte Dorfmark selbst verwalten. Die Steuergemeinde war aber auch als unterste politische Einheit zu verwenden und wurde so verwendet. Grundstücke, welche nicht Eigenthum Einzelner waren, wurden nun einfach der „Gemeinde“ zugeschrieben, wogegen Niemand Einsprache erhob, da ja die „Nachbarschaft“ anerkanntermaßen zugleich die „Gemeinde“ war. Derselbe Vorgang wiederholte sich bei der Anlegung der Grundbücher. So harmlos alle diese Einrichtungen schienen, bald wurden sie die Quelle grenzenloser Verwirrung und endloser Streitigkeiten.

Jedermann musste in einer Gemeinde heimatsberechtigt sein und die Heimatberechtigung ist eine gleiche für das Bettlerkind und für den reichsten Wirthschaftsbesitzer. Schon vor dem Jahre 1849 sorgte das Gesetz für eine angemessene Vertretung der Kleinhäusler, seither hat der Unterschied zwischen Bauer und Kleinhäusler völlig aufgehört politische Bedeutung zu haben, nur der Steuergulden macht einen Unterschied im Wahlrechte, durch den dritten Wahlkörper ist aber auch für die minder Bemittelten gesorgt, das Dorfregiment kann ganz gut vollständig in die Hände der Kleinhäusler kommen, wenn sie die Mehrheit im Ausschusse bilden, die Lasten endlich sollen nach dem Steuergulden getragen werden. Ist diese moderne Gemeinde, dieser Mikrokosmus des Staates, diese juristische Person aber noch dasselbe wie die alte Dorfmark mit ihrer Wirthschaftsgenossenschaft? Gewiß nicht, der territoriale Umfang und der Name ist derselbe geblieben, die Sache, der Begriff haben sich völlig geändert. Im Kataster aber und im Grundbuch steht noch der Name „Gemeinde“; wer ist nun das Rechtssubject bezüglich der dort eingetragenen Gemeindegründe?

Die alte Organisation der Nachbarschaft ist zertrümmert. Zu einer Zeit entstanden, da Privatrecht und öffentliches Recht noch nicht so begrifflich geschieden waren wie heute, verlor sie im modernen Staate den öffentlichen Character, ohne daß man daran dachte, ihre genossenschaftliche Organisation in Bezug auf ihre Privatrechte zu erhalten, da keine der römisch-rechtlichen Formen schlechtweg auf anwendbar war. Die „Gemeinde“ erschien in allen Urkunden als Eigenthümerin und so beerbte die moderne Gemeinde ihre Mutter, die Nachbarschaft, ohne daß letztere gestorben wäre. Wenn man aber die Geschichte vergaß – die noch lebende Thatsache konnte man nicht ignorieren. Thatsächlich waren die Besitzer gewisser Häuser im Genusse oder im beschränkten oder unbeschränkten Mitgenusse gewisser Grundstücke. Man versuchte zuweilen diesen factischen Genuß aus dem Begriffe der Dienstbarkeit  zu erklären, das ist aber nicht nur historisch grundfalsch, sondern auch den thatsächlichen Zuständen nicht entsprechend. Da man nun kein Schubfach fand, in welches man diese Rechtsverhältnisse stecken konnte, so ließ man sie einfach als weiter nicht definierbare Nutzungsrechte gelten. Ein Recht aber, durch welches ein scheinbar zweifelloses, auf Privat- und öffentliche Urkunden gegründetes Eigenthum beschränkt wird, ein Recht, dessen Ursprung in Vergessenheit gerathen, dessen Titel unfindbar, dessen juristische Qualität undefinirbar, dessen Grenzen unsicher sind, ein solches Recht musste den Verdacht der Asurpation erwecken, es mußte der rationalistischen Rechtsschule verdächtig und unbequem sein, den nicht berechtigten Gemeindemitgliedern als ein gehässiges Vorrecht erscheinen; das gute alte Recht der Nachbarn erschien als ein Raub an der Gemeinde, ihr Eigenthum wurde als Diebstahl betrachtet, ein solcher Zustand mußte zum Kampfe herausfordern, und der Kampf begann auch wirklich.

Er kam in früheren Zeiten nur vereinzelt vor, seit etwa hundert Jahren aber ruht er nie mehr vollständig, er wird bald still, bald laut geführt, er macht Pausen, bis wieder unter den Kleinhäuslern ein Führer (Gemeindestörer sagen die Bauern) ersteht, er wird durch Waffenstillstände, Vergleiche genannt, unterbrochen, der Sieg neigt sich bald da-, bald dorthin, das Recht aber wird dadurch nur immer mehr verdunkelt. Dazwischen gibt es zahlreiche ruhige Gemeinden, in denen der Kampf entweder ausgetobt hat oder noch nicht entbrannt ist.

Ruhe herrscht insbesondere in solchen Gemeinden, wo sich die alten Zustände der Hauptsache nach nicht bloß in Bezug auf den Genuß, sondern auch in Bezug auf die Lasten erhalten haben, wo die Nachbarn im Ausschusse der Gemeinde vorherrschen, das Gemeindeeigenthum für sich verwalten, aber auch alle Gemeindelasten allein tragen, so dass weder der Großgrundbesitzer, noch der Kleinhäusler oder der in einer fremden Gemeinde wohnende Grundbesitzer in Anspruch genommen wird. Weigert sich in solchen Gemeinden eine Nachbar, seinen Theil zu den Gemeindeauslagen beizusteuern, so wird ihm einfach wie in den alten Zeiten der „Gemeindenutzen“ entzogen. Es gibt Fälle, dass die Nachbarn, um ihr Nachbarrecht zu behaupten, mehr für die Gemeinde leisten, als nach dem Steuergulden auf sie anfiele, ja, in einer Gemeinde wurde Demjenigen, der einen „Gemeindenutzen“ übernahm, noch etwas gezahlt, weil dieser „Nutzen“ kleiner war, als die auf einen Nutzantheilo entfallende Gemeindelast. In solchen Verhältnissen mag es auch gegründet sein, dass in vielen Gemeinden niemand mehr ein Nachbarrecht in Anspruch nimmt, die Gemeinde daher unbestritten freie Eigenthümerin der Gemeindegründe ist.

Die meisten Nachbarschaften schlugen aber einen anderen Weg ein. Mit dem Wegfall ihrer politischen Vorrechte hielten sie sich auch ihrer Lasten für entbunden, als „Nachbar“ hatten sie nicht mehr Rechte in der Gemeinde als jeder andere Steuerträger, sie wollten daher auch nicht mehr leisten, als sie nach dem Verhältnisse ihrer Steuern trifft, den „Gemeindenutzen“ aber behielten sie für sich. In manchen Fällen gingen sie nicht so weit, sondern unterschieden zwischen jenen alten Lasten, welche schon in früheren Zeiten bestanden und den neueren. In vielen Gemeinden unterziehen sich daher die Nachbarn der Last für die Erhaltung der Wege und Stege, und allenfalls der Versorgung der Armen, alle anderen Lasten dagegen werden nach dem Steuergulden vertheilt. Es herrscht in dieser Beziehung die größtmöglichste Verschiedenheit unter den Gemeinden; kaum zwei Gemeinden gibt es, in welchen in dieser Beziehung völlig gleiche Verhältnisse bestehen. Zwischen den zwei Extremen, dass entweder die Nachbarn noch alle Lasten tragen oder alle Gemeindelasten gleich nach dem Steuergulden aufgetheilt werden, gibt es unzählige Mittelglieder.

Alles dieses macht aber wenig Schwierigkeiten, wenn und solange die Gemeindelasten gering sind und die Nachbarn den Besitz in der Gemeinde repräsentieren; in beiden Beziehungen haben sich aber die Verhältnisse gründlich geändert.

Es bedarf keiner weitwendigen Auseinandersetzung, dass die Gemeinden durch die Anforderungen, welche die Gegenwart an sie stellt, schwer überbürdet sind. Das Capitel „Gemeindeangelegenheiten“ in dem jährlichen Rechenschaftsberichte des Landesausschusses und die zahlreichen Besuche um die Bewilligung höherer Umlagen belehren auch Denjenigen, welcher nicht am Lande lebt, die Zustände nicht aus eigener Wahrnehmung kennt. Diese enormen Lasten stehen oft im schreiendsten Missverhältnisse zu dem meist sehr zusammengeschmolzenen Gemeinde- respective Nachbarschaftsvermögen. Repräsentirt aber die Nachbarschaft den Besitz, ist die von den Nachbarn zu entrichtende Staatssteuer so bedeutend, dass daneben die übrigen in der Gemeinde vorgeschriebene directe Steuer als unbedeutend verschwindet, – wie es heute noch in vielen Gemeinden der Fall ist – dann hat der Streit darüber, ob die Nachbarn als solche Gemeindelasten allein tragen oder ob diese durch Umlage auf alle Steuern hereinzubringen sind, wenig praktische Bedeutung. Dem ist aber nicht mehr so, und von Jahr zu Jahr ändern sich die Verhältnisse immer mehr zum Nachtheile der Nachbarschaft. Man darf nämlich nicht vergessen, daß Kleinhäusler ein Jeder ist, der in der Gemeinde ein Haus, aber keine bestiftete Wirthschaft besitzt. Kleinhäusler sind also die Handwerker, die Kaufleute, Wirthe, Aezte, Notare, Advocaten. Besitzen diese Personen kein Haus, so sind sie gar nur Inwohner. Nun kann es leicht sein, und kommt nicht selten vor, daß solche Personen aus ihrem Berufe ein größeres Einkommen haben als der Nachbar aus seiner Wirthschaft. Greller noch wird das Mißverhältniß, wenn in einem Dorfe eine Fabrik errichtet wird. Wenn der Fabrikant nicht ein Bauerngut kauft – was sehr selten der Fall sein dürfte – sondern einige Kleinhäusler oder einen Gemeindegrund erwirbt, um darauf die Fabrik zu errichten, so ist er kein „Nachbar“. Ebensowenig ist dies der Gutsbesitzer, der in der Gemeinde oft mehr als die Hälfte der Steuern zahlt. Soll nun der Nachbar für seinen „Gemeindenutzen“ alle Gemeindelasten allein tragen und sollen die anderen Steuerträger frei sein? Dagegen protestiert er und verweist auf die Gemeindeordnung, welche die Auftheilung auf den Steuergulden vorschreibt. Diese anderen Personen finden das zwar in der Ordnung, verlangen aber dafür, daß auch die anderen Bestimmungen der Gemeindeordnung respectirt werde, wonach zunächst die Erträgnisse des Gemeindevermögens zur Bestreitung der Gemeindeauslagen zu verwenden sind. Kurz , wenn es sich um Gemeindelasten handelt, da weist der Nachbar darauf hin, daß alle Steuerzahler der Gemeinde zusammen die Gemeinde vorstellen, handelt es sich aber um die Benützung des Gemeindevermögens – ja Bauer, das ist ganz was anderes – da heißt es: „die Gemeinde sind wir, die Nachbarn“.

Seit der Aufhebung des Bestiftungszwanges in Niederösterreich ist dieser Zustand noch verworrener und unhaltbarer geworden. Viele ehemals bestiftete Wirthschaften und behält sich nur das Wohnhaus etwa mit einem Garten oder einem Wiesfeld. Sein Besitz ist jetzt so klein, wie der eines Kleinhäuslers war, vielleicht desselben, der ihm nun seine Wirthschaft abgekauft hat. Bleibt er nun Nachbar, behält er den Gemeindenutzen? Solche Fragen werden jetzt zuweilen an den Landesausschuß gestellt. Seit der Einführung der Freitheilbarkeit von Grund und Boden ist dem alten auf der Dorfmarkverfassung beruhenden Rechtsverhältnisse die Basis vollständig entzogen. Der „Gemeindenutzen“, der Anspruch auf die ungetheilte Dorfmark ragt nur mehr wie eine Ruine, deren richtige Bedeutung nur der Geschichtskundige zu enträthseln, deren Berechtigung der moderne Volkswirth und Politiker nicht mehr anzuerkennen vermag, in unsere Zeit herüber. Geht das so fort, so wird vielleicht in fünfzig Jahren der zuweilen nicht unbedeutende Gemeindenutzen an den Besitz einiger halbverfallener Hütten geknüpft sein, wie das Recht, Parlamentsmitglieder zu wählen, vor der ersten Reformbill in England einer Anzahl verödeter Flecken zustand, während die bevölkerten und reichen Fabriks- und Handelsstädte als politische Kleinhäusler dieses Rechtes entbehren.

Zum Schlusse dieses Theiles des Berichtes noch einige Bemerkungen. Es wurde oben erwähnt, daß die alten Dorfmarken heute theils als Katastralgemeinden, theils als Theile solcher (Ortschaften) erscheinen. Die Gemeinde-, respective Nachbarschaftsgründe, sind demgemäß in den öffentlichen Büchern den Katastralgemeinden oder Ortschaften zugeschrieben. Außer den Katastralgemeinden und Ortschaften erscheinen aber in den Grundbüchern bezüglich solcher  Vermögenschaften, die offenbar auch nur Nachbarschaftsgründe sind, zuweilen noch anders benannte Rechtssubjekte, wie z.B. „Schlossgemeinde“, „Hüttlergemeinde“, „Kleinhäuslergemeinde“, „Vogtei“ u.f.w.

Bis zum Jahre 1874 wurden fast überall die Nachbarschaftsgründe in die Gemeindeinventare eingestellt, und die Einkünfte, soweit sie den Gemeinden zuflossen, in die Gemeinderechnung eingestellt, auch diese Gründe regelmäßig vom Gemeindevorsteher, der fast immer ein Nachbar ist, verwaltet. Seit es aber in einigern wenigen Gemeinden den Kleinhäuslern gelang, die Mehrheit im Gemeindeausschusse zu erlangen und einen Bürgermeister ihrer Partei zu wählen, noch mehr aber seit dem Landtagsbeschlusse, der diesen Bericht hervorrief und dem Circular, welches auf Grund dieses Beschlusses hinausgegeben wurde, wird eine Aenderung in dieser Gebarung theils angestrebt, theils durchgeführt. Die Nachbarschaftsgründe werden aus dem Gemeindeinventar ausgeschieden, von einem Ausschusse der Nachbarschaft verwaltet und deren Erträgnisse, auch wenn sie der Gemeinde zugewendet werdn, besonders verrechnet, auch stets betont, daß die Verwendung der Erträgnisse für die Gemeinde nur freiwillig und auf Widerruf gestattet werde. Zuweilen werden sogar diese Erträgnisse jetzt nur für die Nachbarn verwendet, wobei zu bemerken, daß selbstverständlich der Landesausschuß, wo immer solche Neruerungen zu seiner Kenntnis gelangen, dieselben strengstens untersagt.

Die Kleinhäusler, welche aus dem Landtagsbeschlusse und dem Circular die Hoffnung schöpfen, daß ihnen nun auch ein Erträgniß aus den Nachbarschaftsgründen zufallen werde, suchen sich seither möglichst in Besitz zu setzen. In mancher Gemeinde mehren sich die Waldfrevel, in anderen weniger sich die Kleinhäusler den Weidezins zu zahlen. In manchen Gemeinden steht faktisch und ohne Anfechtung nicht nur den Nachbarn, sondern auch den Kleinhäuslern ein gewisses Nutzungsrecht auf die Nachbarschaftsgründe zu, wobei aber zwischen alten und neuen Kleinhäusler unterschieden wird – den letzteren wird nichts zugestanden, wohl aber den ersteren, die mit Hausnummern genau bezeichnet sind – so daß wieder an den Besitz gewisser Häuser, gewisse Rechte geknüpft sind. Das kommt einfach daher, daß die Nachbarn bald mit äußerster Zähigkeit an ihren hergebrachten Rechten festhalten, bald wieder gefügiger sind, während umgekehrt die Kleinhäusler manchmal mit Ungestüm und Hartnäckigkeit ihre Ansprüche verfolgen, bald sich beruhigen und resigniren. In den für die Kleinhäusler günstigen Fällen geben endlich die Bauern – gewöhnlich wie es heißt „um Friede und Eintracht in der Gemeinde wieder herzustellen“ – etwas nach und wurden den Kleinhäuslern im Vergleichswege gewisse Mitbenützungsrechte eingeräumt. Die Gemeinde als solche profitirte von solchen Vergleichen nie etwas, die Kleinhäusler stritten besonders in früheren Zeiten, nie für die Gemeinde, sondern für sich. Friede und Eintracht überdauerte aber selten die Generationen, welche den Vergleich geschlossen hatten, einige Zeit nach dem Schlusse des ewigen Friedens begann der Kampf von Neuem und so folgen sich im Verlaufe mehrerer Jahrzehnte in derselben Gemeinde oft mehrere obrigkeitliche Entscheidungen oder gütliche Vergleiche. Den neuesten Ansiedlern gegenüber, den sogenannten „neuen Kleinhäuslern“ stand die verstärkte Phalanx der Nachbarn und der alten Kleinhäusler gegenüber, welche gewiß nur selten durchbrochen wurde. Zuweilen wurde auch den neuen Ansiedlern ein Revers abverlangt, daß sie auf den Gemeindenutzen verzichten, eine grundbücherliche Einverleibung eines Reverses, um auch den Besitznachfolger zu binden, kam aber dem Landesausschuss nicht vor.

Während die älteren Processe meistens zwischen Nachbarn und Kleinhäuslern abgeführt wurden, wobei die Letzteren auf das Miteigenthumsrecht, die Ersteren auf Ausschließung der Kleinhäusler klagten, so daß die Gemeinde kein Streittheil war und daher die ergangenen Erkenntnisse ihr gegenüber kein Präjudiz  bilden,  kommt in neuerer Zeit, besonders seit dem Circulare, öfter der Fall vor, daß die Nachbarn die Gemeinde klagen, wo dann, da regelmäßig die Mehrzahl der Gemeindeausschüsse zur Nachbarschaft gehört, der Landesausschuß berufen ist, für die Gemeinde einen Vertreter zu bestellen. Der Landesausschuß war bisher noch immer so glücklich, Vertreter zu bestellen, welche, in seine Intentionen eingehend, einen Vergleich zu Stande brachten. Durch diese Vergleiche wurde festgestellt, was künftig wahres Gemeindeeigenthum bleiben soll, was den Nachbarn zuzuschreiben ist, wobei zuweilen der Gemeinde auch eine bedeutende Barschaft gezahlt wurde. Der Landesausschuß legte stets großes Gewicht darauf, daß die Verhätlnisse ganz klar geordnet werden, daß keine Bestimmung getroffen werde, welche Anlaß zu neuen Streitigkeiten in der Zukunft geben könnte, wie z.B. die oft vorgeschlagene, daß die Nachbarn künftig gewisse Gemeindelasten zu tragen haben; ebenso drang er darauf, daß die den Nachbarn abzutretenden Grundstücke entweder sofort pacellirt und den einzelnen Personen separat zugeschrieben werden, oder daß mindestens die namentlich aufgeführten Personen als Miteigenthümer eingetragen werden. Es kommt nämlich aus älterer Zeit, ja bei Edictallicitationen sogar in neuerer Zeit vor, daß „die jeweiligen Besitzer der Häuser Nr. 1, Nr. 2, u.s.w.“ als Eigenthümer der Gründe eingetragen werden. Gegenüber der absoluten Freitheilbarkeit von Grund und Boden erscheint es nun sonderbar und juridisch kaum haltbar, daß ein untrennbarer Connex zwischen einem Nachbarhause und einem Miteigenthume an einem anderen Grundstüce hergestellt wird.

In vielen Gemeinde, und zwar nicht bloß in Städten, führen die Berechtigten auch den Namen „Bürger“, was übrigens auch in Deutschland bei vielen Dörfern vorkommt, indem z.B. die Bauern in den Dörfern der Mark Brandenburg in Urkunden aus dem 13. Jahrhunderte cives villae genannt wurden. Ueberhaupt kommen in den Dörfern zuweilen manche Ausbrüche vor, welche nur bei gewerblichen Verbindungen in den Städten üblich sind. So gibt es in der Gemeinde bei Retz eine alte „Berggenossenschaft“, d.h. Weinberggenossenschaft, wie solche am Rhein und in anderen Weinländern sehr häufig und nichts anderes als Nachbarschaften waren. Diese Genossenschaft nennt sich „Mariahimmelfahrt-Bruderschaft“, hat ein „Stammbuch“ aus dem Jahre 1622, wählt jedes dritte Jahr einen „Oberzechenmeister“ und einen „Unterzechenmeister“, und hat noch in diesem Jahrhunderte ein neues Mitglied aufgenommen. Alle diese Ausdrücke kommen sonst nur bei Zünften vor und doch ist auch diese Weinbauerngenossenschaft, deren Mitglieder Nutzungsrechte auf die genossenschaftlichen Weinberge ausüben, nichts anderes als eine Nachbarschaft. …

 

TEXT VERBERGEN

Dr. Albert Maier, Probleme der Regulierung des Gemeindegutes
Hofrat Dr. Albert Mair (*13. September 1921 in Telfes/Stubai, heute wohnhaft in Mieders) ist gemeinsam mit Altlandeshauptmann Eduard Wallnöfer immer noch Symbolfigur der Tiroler Agrarbehörde. Dies ungeachtet der Tatsache, dass das moderne Agrarrecht in Tirol auf einem Reichsgesetz von Kaiser Franz-Josef aus dem Jahr 1883 gründet und in Tirol schon im Jahre 1909 Einzug gehalten hatte. Nach der Gerichtspraxis trat Albert Mair in den Landesdienst ein. Albert Mair war von Ende des Jahres 1952 bis Dezember 1966 der Agrarbehörde I. Instanz zugeteilt, zuerst als Referent, ab Dezember 1958 bis Dezember 1966 als deren Leiter. Daneben war er Landeshauptmann Eduard Wallnöfer als persönlicher Referent für Land- und Forstwirtschaft zugeteilt. Hofrat Dr. Albert Mair hat eine effiziente Behörde aufgebaut, die in den Zeiten größter Arbeitsbelastung mit mehr als 15 Juristen besetzt war. Zusätzlich leistete er mit der wissenschaftlichen Abhandlung „Probleme der Regulierung des Gemeindegutes“ (1958) Grundlagenarbeit im Agrarrecht. Gemeinsam mit Josef Kühne, Leiter der Agrarbehörde in Bregenz, hat Albert Mair im Jahr 1958 die Agrarbehördenleitertagungen ins Leben gerufen, die seither im zweijährigen Turnus stattfinden. Ein von Albert Mair verantworteter „Tätigkeitsbericht der Agrarbehörde (Abteilung III 1) für den Zeitraum 1949 bis 1958“ vom Juli 1959 sowie zahlreiche, von Mair selbst verfasste Agrarbehördenbescheide, geben Zeugnis seiner profunden Arbeit. 1967 übernahm er auf Wunsch des damaligen Landeshauptmannes Eduard Wallnöfer die Tätigkeit als leitender Direktor der Landes-Hypothekenbank Tirol.
Hofrat Dr. Albert Mair (*13. September 1921 in Telfes/Stubai, + 28. Mai 2016 in Mieders) ist gemeinsam mit Altlandeshauptmann Eduard Wallnöfer immer noch Symbolfigur der Tiroler Agrarbehörde. Dies ungeachtet der Tatsache, dass das moderne Agrarrecht in Tirol auf einem Reichsgesetz von Kaiser Franz-Josef aus dem Jahr 1883 gründet und in Tirol schon im Jahre 1909 Einzug gehalten hatte. Nach der Gerichtspraxis trat Albert Mair in den Landesdienst ein. Albert Mair war von Ende des Jahres 1952 bis Dezember 1966 der Agrarbehörde I. Instanz zugeteilt, zuerst als Referent, ab Dezember 1958 bis Dezember 1966 als deren Leiter. Daneben war er Landeshauptmann Eduard Wallnöfer als persönlicher Referent für Land- und Forstwirtschaft zugeteilt. Hofrat Dr. Albert Mair hat eine effiziente Behörde aufgebaut, die in den Zeiten größter Arbeitsbelastung mit mehr als 15 Juristen besetzt war. Zusätzlich leistete er mit der wissenschaftlichen Abhandlung „Probleme der Regulierung des Gemeindegutes“ (1958) Grundlagenarbeit im Agrarrecht. Gemeinsam mit Josef Kühne, Leiter der Agrarbehörde in Bregenz, hat Albert Mair im Jahr 1958 die Agrarbehördenleitertagungen ins Leben gerufen, die seither im zweijährigen Turnus stattfinden. Ein von Albert Mair verantworteter „Tätigkeitsbericht der Agrarbehörde (Abteilung III 1) für den Zeitraum 1949 bis 1958“ vom Juli 1959 sowie zahlreiche, von Mair selbst verfasste Agrarbehördenbescheide, geben Zeugnis seiner profunden Arbeit. 1967 übernahm er auf Wunsch des damaligen Landeshauptmannes Eduard Wallnöfer die Tätigkeit als leitender Direktor der Landes-Hypothekenbank Tirol. Mehr als 17 Jahre stand Dr. Albert Mair an der Spitze dieser Bank, die zu seinem neuen Lebensinhalt wurde.
Albert Maier, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler, Die Agrargemein-schaften in Tirol, 7 ff (Auszug)

Inhaltsübersicht:
Die Anfänge der Besiedlung
Die Ordnung der Markgemeinde
Das Allmendregal des Landesfürsten
Das Forstregulierungspatent 1847
Zur Entwicklung des politischen Gemeinderechts
Das Eigentum der alten Realgemeinde
Zur speziellen Situation in Tirol
Die Grundbuchanlegung in Tirol

„Es ist notwendig, auf die historische Entwicklung und Entstehung des Gemeindegutes einzugehen und ich darf damit gleich auch eine kurze Darstellung der historischen Grundlagen des Gemeindegutes in Tirol geben, weil diese für die gesamte Frage des Eigentums an Gemeindegut von ausschlaggebender Bedeutung sind und weil die heute gültigen Agrargesetze wesentlich darauf fussen.

  1. Die Anfänge der Besiedlung

Mit der weitgehenden Besiedlung der heutigen österreichischen Bundesländer durch germanische Völkerstämme wurden die germanischen Volksrechte zur Grundlage der ursprünglichen agrarischen Rechtsverhältnisse. Das deutsche Recht, das ein ausgesprochenes Volksrecht war, bildete daher auch die massgebliche Grundlage der ursprünglichen gesetzlichen Ordnung der Rechtsbeziehungen zu Grund und Boden. Das Privateigentum des römischen Rechts nach unseren heutigen Begriffen war jenem deutschen Rechtskreis fremd.

In freier Verfügung – ähnlich dem heutigen Alleineigentum – standen nach deutsch-rechtlicher Auffassung nur die Äcker und Wiesen, die der Einzelne mit seiner Hände Arbeit urbar gemacht hatte. Alles übrige Land – die sogenannte gemeine Mark oder Allmende (Weiden, Alpen, Wälder) – gehörten der Markgenossenschaft. Alle Dorfgenossen, die eine Hofstätte im Gebiet der Mark hatten, waren an diesen Gemeinschaftsgrundstücken gemeinschaftlich nutzungsberechtigt. Weide und Alpen wurden gemeinschaftlich beweidet, der Wald diente zur Deckung des Haus- und Gutsbedarfes. Der rechtsfähige Bauer nahm an der Verwaltung des Gemeinschaftsbesitzes und an der Rechtsfindung der Markgenossenschaft teil. Diese ist die Vorläuferin der späteren Wirtschafts- bzw. Realgemeinde.

Allmählich bildeten sich jedoch über den Rechten der untereinander gleichberechtigten Bauern obereigentumsähnliche Verhältnisse zugunsten der Volkskönige oder bevorzugter Personen heraus. In den wesentlichen Bundesländern blieben grosse Gebietsteile von der Bevormundung der Allmende durch Grundherrschaften frei. Nur dort, wo die Grundherren mit der Gerichtsbarkeit betraut waren, erlangten sie erhöhten Einfluss auf die Gemeinschaftsgebiete, der sich stellenweise bis zum Obereigentum ausweitete.

  1. Die Ordnung der Markgemeinde

Im Laufe der Zeit entstand neben den Bauern eine Bevölkerung (Teilsassen, Ungenossen, Ingehäusen, Arme), die keine Hufe besass. Diese Personen standen ausserhalb der Dorfgemeinschaft und waren von der Nutzung des Gemeinschaftsgutes ausgeschlossen. Der latente Gegensatz zwischen Genossen und Ungenossen wurde langsam offenkundig, weil die Ungenossen, je zahlreicher sie wurden, umso energischer ihren Anteil am gemeinschaftlichen Nutzen forderten. Solange Wald und Weide im Überfluss vorhanden war, wurden ihnen  meist Nutzungen zugestanden, als aber sowohl die Bevölkerung als auch der Bedarf der einzelnen Berechtigten zunahm, der Gemeinschaftsbesitz dagegen durch Ausdehnung der Kulturen immer mehr eingeschränkt wurde, begann der erste Kampf um die Nutzung am Gemeinschaftsgebiet. Die Markgenossen setzten sich schon frühzeitig gegen das Eindringen der Nichtberechtigten zur Wehr. Die Schliessung des Kreises der Alteingesessenen und die Aussonderung der am Gemeinschaftsbesitz nicht Berechtigten trat in Tirol grob gesehen Ende des 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts ein. Der Kreis der vermöge ihres alteingesessenen Hofbesitzes voll rechtsfähigen Bauern bildeten die damalige Gemeinde. Es war dies eine ausgesprochene Realgemeinde, weil sie an den Grundbesitz anknüpfte. Der Besitz an den gemeinschaftlichen Gründen stand nur der Realgemeinde zu.

  1. Das Allmendregal des Landesfürsten

Das Erstarken der Macht des Landesfürsten brachte mit sich, dass die Verfügungsgewalt der Realgemeinde, insbesondere hinsichtlich der Wälder, zweifach eingeschränkt wurde. Die Landesfürsten bauten seit Ende des Mittelalters eine forstpolizeiliche Organisation auf und dehnten ihre Obereigentumsansprüche aus. Sie stützten sich hiebei auf das sogenannte Forst- und Bergregal und bedienten sich legislatorisch zur Verfolgung der beiden genannten Ziele der „Waldordnungen“. Mit dem überall aufblühenden Bergbau und dem laufenden Steigen der Kosten der Hofhaltung wurde von den Landesfürsten die Anschauung vertreten, dass ihnen für diese Zwecke das Hoheitsrecht auf die Waldungen und damit das Obereigentum an allen Waldungen und am gesamten Rechtskomplex der Bergwerke zustehe. Dieser Rechtsanspruch wurde als Forst- und Bergregal der Landesfürsten bezeichnet. Mit Ausnahme der ausdrücklich verschenkten Waldgebiete, z.B. die Schenkung ausgedehnter Waldungen an das Bistum Brixen durch Kaiser Heinrich III. im Jahre 1048, wurde am gesamten Waldbesitz des Landes das landesfürstliche Hoheitsrecht und damit das Obereigentum dekretiert.

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Die Erklärung des Grafen Meinrad von Tirol im Jahre 1275, dass „alle Wälder und alle Bäch des Landes des Landesfürsten seien“, war zwar generell gemeint, dieses Prinzip wurde jedoch praktisch nur dort vollzogen, wo die Jagd für den Landesfürsten von Interesse war und daher ausgeübt oder Holz im grösseren Ausmass für die landesfürstlichen Bergwerke gebraucht wurde. Im Grossteil des Landes blieb jedoch trotz dieser geschilderten Lage die Allmendnutzung den Bauern und der Wirtschaftsgemeinde vollkommen ungeschmälert erhalten. Der Anspruch auf ein so umfassendes landesfürstliches Hoheitsrecht in Form des Forst- und Bergregals erschien der Tiroler Bevölkerung auch als eine grobe, mit den althergebrachter Besitz- und Nutzungsverhältnissen unvereinbare Anmassung, denn in den meisten Gebieten konnte niemals wahrgenommen werden, dass der Landesfürst dieses Recht jemals ausgeübt hätte, sondern stand der auf das deutsche Volksrecht gegründete Nutzungsanspruch auf die unverteilten Waldungen, Alpen und Weiden der Markgenossenschaft bzw. der Realgemeinde und den in diesem Verbande zusammengefassten Nutzungsberechtigten weiterhin zu. Die allmendnutzungsberechtigten Bauern setzten sich gegen die staatlichen Hoheitsrechte in vielen streitigen Auseinandersetzungen zur Wehr. Am tatsächlichen Allmendnutzen und Allmendbesitz der Wirtschaftsgemeinde änderte sich praktisch auch durch die landesfürstlichen Regale zum Grossteil nichts.

  1. Das Forstregulierungspatent 1847

Das Forstregal der Landesfürsten hatte in Tirol eine forstpolizeiliche, in Form der Erlassung der Waldordnungen zum Ausdruck gekommene und eine besitzrechtliche Seite. Durchgesetzt hat sich in Tirol wesentlich nur die forstpolizeiliche Seite, während die besitzrechtliche nur teilweise zur Auswirkung kam. Da nunmehr aber die Waldungen für den Landesfürsten, auch wenn er daran auf Grund des Forstregals ein Obereigentum zu haben glaubte, fast keinerlei nutzbaren Ertrag abwarfen, weil sie zur Gänze mit deutschrechtlichen Einforstungen belastet waren, weil ferner auch der Bergbau einen Niedergang zeigte, die Entwicklung des Grundsteuerwesens das Bestreben auslöste, auch die Waldungen der Grundsteuer zu unterwerfen und schliesslich zur Bereinigung der im Laufe immer mehr verworrenen Rechtsverhältnisse – es war eine grosse Zahl von Rechtsstreitigkeiten über den Wald entbrannt – wurde durch das kaiserliche Patent vom 6.2.1847, auch Waldzuweisungspatent genannt, der Verzicht des Landesfürsten auf alle Waldungen in Tirol mit Ausnahme bestimmter Teile, welche sich der Landesfürst vorbehielt und die dann in der Folgezeit ärarische Waldungen wurden, ausgesprochen und wurden diese Gemeinschaftswaldungen den Gemeinden, die sie bisher genutzt hatten, übergeben. Die Durchführung des kaiserlichen Patentes wurde den Waldzuweisungskommissionen zugeordnet und die Übertragung selbst in der sogenannten Waldzuweisungsurkunde niedergelegt. Auch die Waldzuweisung änderte sachlich für die Nutzungsberechtigten nichts.

Die Bereinigung des Jahres 1847 durch das Waldzuweisungspatent stellte nichts anderes als die rechtliche Sanktionierung des tatsächlich ohne Unterbrechung währenden Besitzstandes der Realgemeinden dar. Unter den in der kaiserlichen Entschliessung vom 06.02.1847 erwähnten Gemeinden konnten – und das ist von besonderer und weittragender Wichtigkeit, nur die Realgemeinden und nicht die politischen Gemeinden gemeint gewesen sein. Hätten damals schon die erst in den 60-er Jahren des 19. Jahrhunderts entstandenen politischen Gemeinden existiert und wäre der Wald diesen übertragen worden, so wäre ohne Zweifel in das Waldzuweisungspatent eine Bestimmung aufgenommen worden, wonach auf die althergebrachten Nutzungsrechte Bedacht zu nehmen sei. Dies ist damals aber nicht geschehen und es ergibt sich daher schon aus dem Wortlaut der kaiserlichen Entschliessung, dass unter Gemeinde eben seit altersher die Nutzungsberechtigten, die die Realgemeinde bildeten, gemeint waren. Diese Rechtslage wird überdies auch durch die Tatsache eindeutig erhärtet, dass die politische Gemeinde als juristische Person im römisch-rechtlichen Sinne zumindest in Tirol erst seit dem Jahre 1866 existiert.

  1. Zur Entwicklung des politischen Gemeinderechts

Hier ist es notwendig und zweckmässig, die Entwicklung des Gemeinderechtes im 19. Jahrhundert zu behandeln. Die Revolution des Jahres 1848 löste in Österreich auch auf dem Gebiet des Gemeinderechtes gesetzgeberische Massnahmen und die ersten reichseinheitlichen Versuche aus. Die Entwicklung der heutigen politischen Gemeinde ist stufenweise erfolgt. Die sich gegenseitig rasch ablösenden Verfassungen in der Mitte des vorigen Jahrhunderts von 1848 bis 1861 brachten für die Gemeinden die endgültige Festlegung der Selbstverwaltung. Die Selbstverwaltung bedeutete in der Entwicklung der politischen Gemeinden einen bedeutenden Schritt. Als Gegensatz der Verwaltung durch die Obrigkeit wurden Verwaltungsagenten, die vorher der Obrigkeit zustanden, an die Gemeinden übertragen. Es steht nunmehr aber ausser Zweifel, dass die Verwaltung des Allmendgutes auch vorher nie von der Obrigkeit geführt wurde und ist daher durch die Übertragung der Selbstverwaltung an die Gemeinden, das ist eine besonders wichtige Erkenntnis, hinsichtlich der Verwaltung des Allmendgutes keine Änderung eingetreten, weil mit dem Recht der Selbstverwaltung durch die Gemeinden ja auch keineswegs das Recht der Verwaltung des Allmendgutes der politischen Gemeinde schon von vornherein verknüpft war.

Das erste reichsgültige Gemeindegesetz war das provisorische Gemeindegesetz aus dem Jahr 1849. Dieses ist nicht in allen Kronländern der Monarchie zur Anwendung gekommen. In unseren heutigen Bundesländern hat es nur teilweise und dann nur formale Wirksamkeit erlangt, kam aber nicht zur praktischen Durchführung. Nach allgemeiner Ansicht der Rechtslehre ist dieser erste Versuch einer einheitlichen Gemeindegesetzgebung gescheitert und damit auch die Bestrebung zur Schaffung einer politischen Gemeinde als juristische Person nach römisch-rechtlichen Begriffen. Im Jahre 1862 folgte dann das Reichsgemeindegesetz und die darauf aufgebauten Gemeindegesetze der Länder aus den Jahren 1863 bis 1866. Im Gegensatz zum prov. Gemeindegesetz vom Jahre 1849 hat das Reichsgemeindegesetz keinerlei Bestimmungen hinsichtlich des Allmendgutes enthalten und überliess die einschlägige Regelung dieser Materie den Landesgesetzen. Als sicher kann jedoch angenommen werden, dass die politische Gemeinde als Rechtspersönlichkeit heutiger Konstruktion erst mit den Gemeindegesetzen der 60-er Jahre existent wurde.

  1. Das Eigentum der alten Realgemeinde

Es ist daher ein rechtsgeschichtlicher und auch sachlicher Irrtum, wenn in Tirol verschiedentlich versucht wird, das heutige bücherliche Eigentum der Gemeinde am Gemeindegut deutschrechtlichen Ursprungs auf die mehr erwähnte Waldzuweisung aufgrund des Waldzuweisungspatentes aus dem Jahr 1847 zu stützen, weil die politische Gemeinde, wie schon ausgeführt, im Zeitpunkt der kaiserlichen Entschliessung nach dem heutigen Rechtsbegriff als Rechtsperson es zu dieser Zeit noch nicht gegeben hat. Im übrigen ist die Auseinandersetzung hinsichtlich der Frage des ersten Rechtsbestandes der politischen Gemeinde als juristische Person, d.h. ob die politische Gemeinde schon durch das provisorische Gemeindegesetz des Jahres 1849 oder auf Grund des Reichsgemeindegesetzes von 1862 bzw. der auf dieser Grundlage erlassenen Gemeindeordnungen in den Ländern geschehen ist, schon deshalb belanglos, weil die kaiserliche Waldzuweisungsentschliessung vom 06.02.1847 schon vor Inkrafttreten des provisorischen Gemeindegesetzes 1849 datiert. Unter Berücksichtigung dieser Tatsache war die Waldzuweisung im Jahre 1847 in Tirol an die politische Gemeinde nicht möglich, weil diese noch nicht existierte.

Sollte daher zumindest in Tirol wohl mit Sicherheit das ehemalige gemeinschaftliche Allmendgebiet der Gesamtheit der Nutzungsberechtigten nach gesetzlichem Willen in Besitz und Eigentum zufallen, so entstand trotzdem in der Folgezeit die grösste rechtliche Verwirrung. Die in den Ländern zwischen 1863 – 1866 erlassenen Gemeindegesetze enthalten hinsichtlich des Gemeindegutes keinerlei Bestimmung über das Eigentum und seine Herkunft, wohl aber eine Reihe von sonstigen Vorschriften, die auch heute noch in verschiedenen Varianten geläufig sind, wobei die Hauptgrundlage des Rechtes und des Masses der Teilnahme an den Nutzungen der Haus- und Gutsbedarf und die bisherige Übung bildet.

Die Gemeindegesetze dieser Zeit haben es leider unterlassen, eine klare, endgültige Auseinandersetzung mit der alten Realgemeinde zu treffen und damit den in der Folgezeit so verhängnisvollen Dualismus zwischen politischer Gemeinde und Wirtschaftsgemeinde zu beseitigen. Aufgrund der bereits geschilderten historischen Entwicklung und der bis 1866 bestandenen gemeinderechtlichen Rechtslage in Tirol hätte diese nur so ausfallen können, dass die auf der Allmendnutzung und der germanischen Markgenossenschaft aufgebaute Realgemeinde neben der politischen Gemeinde als selbstständige juristische Körperschaft geschaffen und dieser auch das Eigentum am Allmendgut eindeutig gesichert worden wäre. Die äussere Einheit der Realgemeinde und auch deren historische rechtliche Grundlagen waren zu dieser Zeit noch unverwässert vorhanden, dass sich trotz aller römisch-rechtlichen Missdeutungen das objektive Recht der Allmendnutzungsberechtigten und damit der Anspruch auf Besitz und Nutzung am Gemeindegut sicher vollends durchgesetzt hätte. Im Gegensatz zu Österreich hat man in der Schweiz in dieser Sache eine klare rechtliche Ordnung nicht gescheut und bestehen dort heute gesetzlich die Bürger-Gemeinden als Nachfolger der Realgemeinden deutschrechtlichen Ursprungs und nebenher die Einwohnergemeinden, die sich im Wesentlichen mit unserer politischen Gemeinde decken.

  1. Zur speziellen Situation in Tirol

Bei der speziell in Tirol gegebenen rechtlichen Situation, die durch das völlige Fehlen von gesetzlichen Normen zur Ordnung des deutschrechtlichen Allmendbesitzes gekennzeichnet war, ist es nicht verwunderlich, dass man gestützt auf die gemeinderechtlichen Bestimmungen und in falscher Auslegung der Waldzuweisungsentschliessung fortschreitend daran ging, die Realgemeinden durch die politischen Gemeinden zu verdrängen. Die Einverleibung des selbstständigen agrargemeinschaftlichen Realgemeindebesitzes in die politischen Gemeinden erfolgte hauptsächlich mit dem Argument der angeblichen gesetzlichen Universalsukzession der politischen Gemeinde für die einstige Realgemeinde. Von dieser Universalsukzession ist aber in den Gemeindegesetzen mit keinem Wort die Rede.

Der Verschmelzungsprozess ging teilweise umso leichter vonstatten, als sich gerade in den extremen Bergbauerngebieten Ende des vorigen Jahrhunderts ein Unterschied zwischen der Realgemeinde und der politischen Gemeinde überhaupt nicht bemerkbar machte und sich der Kreis der Gemeindebewohner mit dem Kreis der Nutzungsberechtigten im Wesentlichen deckte. Den Bauern war daher ein Unterschied zwischen politischer und Wirtschaftsgemeinde unbekannt. Mit Nachdruck festzuhalten ist jedenfalls, dass die Gemeinden bei ihrer Entstehung überhaupt keinen eigenen Grundbesitz hatten und dass derselbe, wie er heute als Gemeindegut vorliegt, fast ausschliesslich aus dem von der Realgemeinde übernommenen und daher seit alters her deutschrechtlichen Rechtsverhältnissen unterliegenden Grundvermögen stammt.

Trotz der durch die Gemeindeordnung geschaffenen Verhältnisse ist es in vielen Fällen den alten Wirtschaftsgemeinden gelungen, den Besitz und die Verwaltung am agrargemeinschaftlichen Allmendgut einheitlich zu behaupten und die Verwaltung und Nutzung desselben völlig getrennt und neben der politischen Gemeinde allein und selbstständig auszuüben. Dieser vielerorts anzutreffende Rechtszustand ist ein kräftiger Beweis dafür, dass nicht nur der Gesetzgeber, sondern auch die Gemeinden selbst an eine Universalsukzession der politischen Gemeinde nach der Realgemeinde ernstlich glaubten, weil sie ansonsten wohl kaum den Bestand einer zweiten Körperschaft in der Form der Realgemeinde neben sich geduldet hätten.

  1. Die Grundbuchanlegung in Tirol

Es ist nur zu verständlich, dass bei diesem ungeordneten Nebeneinander von politischen Gemeinden und agrargemeinschaftlichen Wirtschaftsgemeinden und insbesondere im Hinblick auf die gänzlich unbefriedigenden gesetzgeberischen Massnahmen völlig verwirrte Rechtsverhältnisse entstanden, die umfangreiche Streitigkeiten und Auseinandersetzungen auslösten. In diese Zeit hinein fielen die Grundbuchsanlegungen. Die Grundbuchsanlegung schuf nicht, wie man erwarten hätte müssen, Ordnung und Klarheit, sondern war vielfach nur ein weiteres Instrument dazu, noch weitere, bis dahin selbstständig bestandene agrargemeinschaftliche Körperschaften in das Eigentum der Gemeinde zu überführen.

Das völlig römisch-rechtlich orientierte, auf dem ABGB aufgebaute Grundbuchsrecht konnte der althergebrachten Unterscheidung zwischen den Besitzverhältnissen am deutschrechtlichen Allmendgut und dem sehr jungen Gemeindevermögen keinerlei Verständnis entgegenbringen. Das römische Recht mit seiner exakten wissenschaftlichen Durchbildung war dem deutschen Recht, das ein lebendiges Volksrecht war, weit überlegen. Dem römischen Recht war nunmehr der Begriff des gemeinschaftlichen Obereigentums, wie es sich in der Realgemeinde und auch in der Nutzungsberechtigung der Teilhaber am Gemeinschaftsgebiet darstellt, völlig fremd. Dieser Nutzungsanspruch am Allmendgut war keine Servitut an fremdem Grund und Boden, sondern ein Nutzungsanspruch auf eigenem Grund. Das stark individualistisch betonte römische Recht kannte nur Privateigentum oder Miteigentum an Grund uns Boden, so dass auf das ABGB die Rechtsform einer Agrargemeinschaft oder einer agrargemeinschaftlichen Nutzung ebenfalls nicht kennt. Kam es nun zu Streitigkeiten hinsichtlich des der Realgemeinde gehörigen Gemeinschaftsgutes oder hinsichtlich von Nutzungen am Allmendgut, so wurden diese von Juristen entschieden, die auf Grund ihrer Ausbildung sich nur von römisch-rechtlichen Begriffen leiten liessen und die daher auch der deutschrechtlichen Auffassung eines obersten Verfügungs- und Besitzrechtes der Markgenossenschaft bzw. der Realgemeinde und der von der Servitut völlig abweichenden Rechtskonstruktion des Nutzungsanspruches am Gemeinschaftsgut zwangsläufig hilflos gegenüberstanden.

Die Grundbuchskommissäre wussten sich mit dem deutschrechtlichen Rechtsinstitut der Realgemeinde keinen Rat und gaben sich meist auch nicht die Mühe einer eingehenden Prüfung der tatsächlichen besitzrechtlichen Grundlagen. So kam es dann, dass im Grundbuch die unterschiedlichsten Eigentumseintragungen für das Gemeinschaftsgut erfolgten, wie z.B. politische Gemeinde, Katastralgemeinde, Fraktion, Nachbarschaft, Interessentschaft und dergleichen. In nicht wenigen Fällen geschah es auch, dass, wenn innerhalb eines Gemeindegebietes mehrere selbstständige agrarische Gemeinschaften in Form der Nachbarschaft vorlagen, diese als Fraktionen irrtümlicherweise grundbücherlich einverleibt wurden, obwohl diese niemals Fraktionen im Sinn der Gemeindeordnung und des Fraktionsgesetzes waren. Diese unrichtigen Eintragungen wurden für die betroffenen Gemeinschaften mit der Einführung der deutschen Gemeindeordnung in Österreich besonders kritisch, weil damit die Fraktionen und deren Besitz ex lege ins Gemeindeeigentum überführt wurden.

Bei der Vorgangsweise und bei den mangelnden agrarrechtlichen Kenntnissen der Grundbuchsanlegungskommissäre liegt es auf der Hand, dass daher die Grundbücher hinsichtlich des Eigentums am Gemeinschaftsbesitz und am Gemeindegut vielfach objektiv völlig unrichtige Eintragungen enthalten. Es erscheint daher jedenfalls angebracht, wenn man bei der Regulierung von Gemeindegut vorerst einmal den Eigentumstitel der Gemeinde hinsichtlich seiner Rechtmässigkeit einer strengen Überprüfung unterzieht und dass man unrichtige Eintragungen im Verfahren berichtigt. Man erspart sich damit von vornherein die spätere Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Eigentumsumschreibung am Gemeindegut auf eine körperschaftlich einzurichtende Agrargemeinschaft nach den heutigen positiven Gesetzesbestimmungen möglich ist oder nicht.

Die politische Gemeinde ist jedenfalls dann schon ursprünglich bei der Grundbuchsanlegung auf Grund eines unrechtmässigen Titels ins Grundbuch gekommen und auch heute noch als Eigentümerin intabuliert, wenn einwandfrei unter Beweis gestellt werden kann, dass im Zeitpunkt der grundbücherlichen Einverleibung nicht die politische Gemeinde, sondern die Realgemeinde im effektiven Besitz des Gemeindegutes war und die Verwaltung geführt hat und wenn dieser Zustand auch nach der Grundbuchsanlegung weiterhin aufrecht erhalten wurde, d.h. dass neben der politischen Gemeinde die Realgemeinde funktionell noch existent war, Es sind in diesen Fällen den Gemeinden alle Möglichkeiten, sich vielleicht auf die an und für sich schon bedenklichen Titel einer Universalsukzession, einer allfälligen Ersitzung des Eigentums seit der Grundbuchsanlegung u. dgl. zu berufen, von vornherein genommen. Einer Berichtigung des Grundbuches auf diesem Wege steht auch der Vertrauensgrundsatz des öffentlichen Buches gegenständlichenfalls nicht entgegen, weil das Vertrauensprinzip ja nur dem Dritten gegenüber, nicht aber auch zwischen den Parteien, vorliegendenfalls der politischen Gemeinde einerseits und der Realgemeinde andererseits anwendbar ist. Das gleiche gilt hinsichtlich des Grundsatzes der formellen Rechtskraft der Verbücherung, die trotz Ablauf der Ediktalfristen zwischen den Parteien nicht zur Auswirkung kommen kann.

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