I. Vorgeschichte: Die Entwicklungen von 1849 bis 1862
Zum Provisorischen Gemeindegesetz ergingen in der Folge diverse ausführende und ergänzende Vorschriften, die einige wesentliche Veränderungen brachten. (Eine teilweise Auflistung dieser Nachträge zum Gemeindegesetz findet sich z.B. bei MICHEL, Handbuch, 1. Bd., S. 34 f)
Zunächst ordnete das Ministerium des Innern bereits mit Erlass vom 29. Oktober 1849 an, dass die Behörden vorläufig mit der Durchführung des Provisorischen Gemeindegesetzes innezuhalten hatten. („Erlaß des Ministeriums des Innern vom 29. October 1849, an alle Länder-Chefs mit Ausnahme von Dalmatien, womit verfügt wird, daß die politischen Behörden mit der Durchführung des provisorischen Gemeindegesetzes sogleich und bis zur Einsetzung der neuen Behörden innezuhalten haben.“ RGBl.Nr. 440/1849)
Hintergrund war, dass damals als Folge der Bauernbefreiung eine umfassende Neustrukturierung der gesamten staatlichen Verwaltung im Gange war, die alle Kräfte der staatlichen Administration beanspruchte und schließlich zu Anfang des Jahres 1850 zur Etablierung von Statthaltereien als oberste Provinzialbehörden und vor allem auch zur Errichtung der Bezirkshauptmannschaften als untere Ebene der staatlichen Verwaltung führte. Der Erlass legte jedoch ausdrücklich fest, dass die Umsetzung der Gemeindeorganisation dadurch keinesfalls endgültig gestoppt werden sollte, sondern dass die neu eingesetzten Bezirkshauptmänner es als eine ihrer wichtigsten Aufgaben zu betrachten hatten, „das einstweilen sistirte Geschäft wieder aufzunehmen und mit ungehemmter Thätigkeit durch die Constituierung der freien Gemeinden… den Grundstein des neuen staatlichen Gebäudes“ zu legen hatten. (KLABOUCH, Gemeindeselbstverwaltung, S. 40) Kurze Zeit später wurde anlässlich der Neuorganisierung der Tiroler Gerichte in einer Kundmachung vom November 1849 eine offizielle Liste der Tiroler Ortsgemeinden mit den dazu gehörigen Ortschaften veröffentlicht. („Kundmachung der Landes-Gerichts-Einführungs-Kommission vom 29. November 1849“, LGBl.Nr. 1/1850)
Nachdem die neuen Behörden am Beginn des Jahres 1850 etabliert waren, wurden weitere Vorschriften zur Durchführung des Gesetzes erlassen. Zunächst wurde den neu eingerichteten politischen Behörden – also vor allem den Statthaltereien und den Bezirkshauptmannschaften – ausdrücklich aufgetragen, der Einrichtung und der Organisierung der Gemeinden besonderes Augenmerk zu schenken. („Erlass des Ministers des Innern vom 7. April 1850, enthaltend die Instruction für die politischen Behörden.“ §§ 72 ff. Tiroler LGBl.Nr. 246/1850) Allerdings sollten vorerst nur die Ortsgemeinden konstituiert werden, während man die Etablierung von autonomen Bezirks- und Kreisgemeinden per Erlass vorläufig ausdrücklich sistierte, um die neuen Verwaltungsbehörden zu entlasten. (Erlass vom 8. April 1850; zitiert bei KLABOUCH, Gemeindeselbstverwaltung, S. 42) Per Verordnung des Innenministers vom 29. Dezember 1850 wurde außerdem festgelegt, dass die im Gemeindegesetz vorgesehenen Zuständigkeiten der Kreisgemeinde bzw. des Landesausschusses vorläufig vom Kreispräsidenten bzw. vom Statthalter wahrzunehmen waren. RGBl.Nr. 496/1850) In der Folge wurden schließlich keine weiteren Schritte zur Konstituierung der Bezirks- und Kreisgemeinden mehr gesetzt, womit ein wichtiges Element des Gemeindegesetzes wegfiel.
Trotzdem erfolgten noch in der ersten Jahreshälfte 1850 weitere wichtige Maßnahmen. So wurden mit Verordnung des Ministers des Innern vom 7. März 1850 vor allem die Bestimmungen zur Wahl und Zusammensetzung des Gemeindeauschusses präzisiert. („Verordnung des Ministers des Innern vom 7. März 1850 … womit einige Erläuterungen und nähere Bestimmungen zu dem provisorischen Gemeindegesetze vom 17. März 1849 ertheilt werden.“ RGBl.Nr. 116/1850) Für Tirol und Vorarlberg legte eine Verordnung des Ministers des Innern vom 6. April 1850 fest, dass alle jene als Gemeindebürger anzusehen waren, die von einem in der Gemeinde gelegenen Haus oder Grundbesitz oder von in der Gemeinde bestehenden Gewerbe oder Erwerbe eine direkte Steuer entrichten. „Verordnung des Ministers des Innern vom 6. April 1850, an den Statthalter von Tirol und Vorarlberg, betreffend die provisorische Bestimmung des Zensus für das Gemeindebürgerrecht in Tirol und Vorarlberg.“ Landesgesetz- und Regierungsblatt für das Kronland Tirol und Vorarlberg, Nr. 56/1850) Im Frühling und Sommer des Jahres 1850 fanden schließlich in den böhmischen und österreichischen Kronländern Gemeindewahlen statt, die zur Konstituierung der Gemeindevertretungen führten, womit der wichtigste Schritt zur Umsetzung des Gemeindegesetzes erfolgt war. (In der Stadt Meran fanden die Wahlen am 1. Juli 1850 statt. Dazu vgl. GREITER, Stadtverwaltung Merans, S. 41. Zur allgemeinen Entwicklung vgl. KLABOUCH, Gemeindeselbstverwaltung, S. 43)
In einigen Landesteilen der Monarchie gab es in der Folge jedoch Probleme bei der Etablierung der neuen Gemeindeorganisation – und zwar vor allem in Galizien, der Bukowina und Dalmatien. Auf Grund der dort bestehenden speziellen Verhältnisse wurden diese Kronländer von der Umsetzung des Gemeindegesetzes ausgenommen. Dort gab es auf Grund der besonderen ökonomischen und sozialen Verhältnisse die besondere Einrichtung des ausgeschiedenen Gutsgebietes, das dann später durch Landesgesetze aus den Jahren 1863, 1866, 1868 und 1888 geregelt wurde. Dazu vgl. REDLICH, Wesen, S. 18; GUMPLOWICZ, Staatsrecht, S. 216; KLABOUCH, Gemeindeselbstverwaltung, S. 40. Außerdem muss hier angemerkt werden, dass das Gemeindegesetz von vornherein nicht für alle Kronländer der Monarchie vorgesehen war. So wurde z.B. für das Lombardo-Venetianische Königreich die dortige Gemeindeverfassung aus dem Jahre 1816 ausdrücklich bestätigt. Dazu vgl. OSTROW, Lexikon, 1. Bd., S. 229. Spezielle Gemeindegesetze gab es für Siebenbürgen, Kroatien und Slawonien sowie das Lemberger und Krakauer Verwaltungsgebiet. OSTROW; Lexikon, 1. Bd., S. 240 ff.
Die sehr liberal angelegten Prinzipien dieses Gemeindegesetzes wurden dann aber bald darauf – nämlich in den Jahren 1851 bis 1854 – wieder durchbrochen. Als Folge der politischen Veränderungen wurde von Kaiser FRANZ JOSEPH mit dem Sylvesterpatent vom 31. Dezember 1851 die Märzverfassung 1849 außer Kraft gesetzt und damit die Rückkehr zur absolutistischen Staatsform festgeschrieben. In einer Beilage zu diesem Sylvesterpatent wurden stattdessen neue „Grundsätze für organische Einrichtungen in den Kronländern des österreichischen Kaiserstaates“ festgelegt. („Allerhöchstes Cabinetschreiben Seiner Majestät des Kaisers vom 31. December 1851“. RGBl.Nr. 4/1852. Die Kundmachung erfolgte auch im Landesgesetz- und Regierungsblatt für die gefürstete Grafschaft Tirol mit Vorarlberg. LGBl.Nr. 6/1852) Darin fanden in den Artikeln 7 bis 17 auch die Gemeinden Erwähnung, wobei man an einigen Grundprinzipien des Gemeindegesetzes rüttelte. So wurde das Prinzip der Einheitsgemeinde aufgegeben und stattdessen normiert, dass Unterschiede zwischen den Stadt- und Landgemeinden möglich seien und außerdem auch auf bisherige landesübliche Gewohnheiten Rücksicht genommen werden sollte. Bereits im Frühjahr 1850 waren für die wichtigsten Städte der Monarchie – darunter auch Innsbruck, Bozen und Trient – Sonderstatute erlassen worden, die den Städten vor allem die gesamte Kompetenz der Bezirkshauptmannschaften übertrugen, womit das Modell der Einheitsgemeinde unterlaufen wurde. (Die Statute wurden durch Erlässe in den jeweiligen Landesgesetzblättern kundgemacht; so das Statut für Innsbruck vom 11. Juni 1850, LGBl.Nr. 98/1850; und das Statut für Bozen vom 2. September 1850, LGBl.Nr. 389/1850. Dazu vgl. MAYRHOFER, S. 431; KLABOUCH, Gemeindeselbstverwaltung, S. 41)
Darüber hinaus konnte herrschaftlicher Großgrundbesitz aus den Ortsgemeinden ausgegliedert und den Bezirksämtern direkt unterstellt werden. Auch die Gemeindeautonomie wurde eingeschränkt, denn in Hinkunft sollte die Wahl des Gemeindevorstandes der Genehmigung durch die staatliche Verwaltung unterliegen. Diese Grundsätze waren allerdings nur Zielvorgaben, die im Einzelnen erst durch spezielle gesetzliche Regelungen präzisiert werden mussten, die allerdings noch Jahre auf sich warten ließen. (GUMPLOWICZ, Staatsrecht, S. 216; OBERNDORFER, Gemeinderecht, S. 44; NEUHOFER, Handbuch, S. 4 f.; NEUHOFER, Gemeinderecht, S. 4; OFENHEIM, Staat und Gemeinde, S. 10)
Inzwischen wurde durch eine Verordnung des Ministeriums des Innern vom 15. Jänner 1852 die Öffentlichkeit der Gemeindeverhandlungen beseitigt und durch eine weitere Verordnung vom 19. März 1852 eine Regelung bezüglich der Bestätigung der Gemeindevorstände erlassen. („Verordnung des Ministeriums des Innern vom 15. Jänner 1852 giltig für alle Kronländer, betreffend die Einstellung der Oeffentlichkeit der Gemeindeverhandlungen.“ RGBl.Nr. 17/1852; „Verordnung des Ministers des Innern vom 19. März 1852, wirksam für jene Kronländer, in welchen das provisorische Gemeindegesetz vom 17. März 1849 noch Giltigkeit hat die Bestätigung der bis zur Erlassung einer neuen Gemeinde-Ordnung vorfallenden Wahlen der Gemeindevorstände betreffend.“ RGBl.Nr. 67/1852. Dazu vgl. REDLICH, Geschichte, S. 72)
Schließlich gibt es noch eine weitere Verordnung des Ministeriums des Innern vom 23. Februar 1854. Aus dieser kann man zunächst ausdrücklich entnehmen, dass die Bestimmungen des Gemeindegesetzes von 1849 in fast allen österreichischen Kronländern – und ausdrücklich auch in Tirol und Vorarlberg – prinzipiell nach wie vor in Geltung standen. Bis zur Wirksamkeit eines neuen Gesetzes sollten die bisherigen gewählten Gemeindevertretungen und Gemeindevorstände weiter amtieren. Eine allenfalls notwendige Ergänzung war allerdings durch den Minister des Innern vorzunehmen. („Verordnung des Ministers des Innern vom 23. Februar 1854, wirksam für Oesterreich ob und unter der Enns, Salzburg, Steiermark, Kärnthen, Krain, Görz und Gradiska, Istrien und Triest mit seinem Gebiete, Tirol und Vorarlberg, Böhmen, Mähren und Schlesien, betreffend die Fortdauer der gegenwärtigen Gemeinde-Vertretungen bis zur Wirksamkeit des neuen Gemeinde-Gesetzes.“ RGBl.Nr. 46/1854. Dazu vgl. WIELINGER, Gemeindeverwaltung, S. 128; NEUHOFER, Handbuch, S. 5)
Eine “Sistierung” – also eine Aussetzung bzw. gar Abschaffung – des Provisorischen Gemeindegesetzes von 1849 war also vorerst keinesfalls erfolgt. (REDLICH, Geschichte, S. 72. Eine gegenteilige Ansicht wird etwa im Erkenntnis des Obersten Agrarsenates vom 2. Oktober 1961, Zl. 267-OAS/61, vertreten) Es wurden zwar diverse Veränderungen des Gesetzes vorgenommen, die teilweise ziemlich weitreichend waren. Zudem konnte das Gesetz in einigen Provinzen nicht umgesetzt werden. Doch in den allermeisten Kronländern wurde an wichtigen Prinzipien des Gesetzes von 1849 festgehalten.
Für Tirol und Vorarlberg wurde dann im Mai 1854 für politische und gerichtliche Zwecke eine amtliche Landeseinteilung kundgemacht, die zunächst in tabellarischer Form die einzelnen Bezirke mit den dazu gehörenden Gemeinden anführte. „Verordnung der Minister des Innern, der Justiz und der Finanzen vom 6. Mai 1854, betreffend die politische und gerichtliche Organisirung der gefürsteten Grafschaft Tirol mit Vorarlberg.“ Landes-Regierungsblatt für die gefürstete Grafschaft Tirol mit Vorarlberg, 1. Abt., Nr. 117/1854) Mit 24. November 1854 wurde zudem noch eine detaillierte Übersicht der einzelnen Ortsgemeinden nachgereicht, die nochmals die zuständigen Bezirke sowie die Einwohnerzahlen nannte. („Erlaß der Organisirungs-Landes-Commission vom 24. November 1854, womit die Uebersicht der nach der politischen und gerichtlichen Organisirung der gefürsteten Grafschaft Tirol mit Vorarlberg jedem Bezirke zugewiesenen Ortsgemeinden kundgemacht wird.“ Landes-Regierungsblatt für die gefürstete Grafschaft Tirol mit Vorarlberg, 2. Abt., Nr. 22/1854)
Kurz vor Ende der neoabsolutistischen Epoche publizierte die Regierung im Jahre 1859 tatsächlich ein neues Gemeindegesetz, das nach langen Vorarbeiten entstand und faktisch erst die mit dem Sylvesterpatent von 1851 festgelegten Grundsätze der Gemeindeorganisation festschrieb. („Kaiserliches Patent vom 24. April 1859, wirksam für den ganzen Umfang des Reiches, mit Ausnahme des lombardisch-venetianischen Königreiches, Dalmatiens und des Militär-Gränzlandes, womit ein neues Gemeindegesetz erlassen wird.“ RGBl.Nr. 58/1859) Dieses Gesetz wich in seinen Grundprinzipien ganz deutlich von den Ideen des Gemeindegesetzes von 1849 ab. Die Gemeinden sollten demnach nur ein untergeordnetes Glied der zentralistischen Verwaltungsorganisation bilden. Nach den Grundsätzen des Gesetzes sollten die einzelnen Kronländer Stadt- und Gemeindeordnungen erlassen, womit man vom Modell der Einheitsgemeinde abging und einen deutlichen Unterschied zwischen den Städten und den übrigen Gemeinden machte. Mit der Übertragung der Gesetzgebungsbefugnisse auf die Kronländer wurde auch das Prinzip des reichseinheitlichen Gemeinderechts aufgegeben. Der Zentralstaat sollte nur mehr Grundprinzipien festschreiben, während dann die einzelnen Kronländer die konkreten Ausführungsvorschriften zu erlassen hatten. Dieses Prinzip wurde kurze Zeit später vom Reichsgemeindegesetz 1862 übernommen. Auf Grund der bald darauf folgenden politischen Umbrüche wurde dieses Gemeindegesetz von 1859 allerdings nicht wirksam. (Dazu vgl. GUMPLOWICZ, Staatsrecht, S. 217; KLABOUCH, Gemeindeselbstverwaltung, S. 51 ff.; MISCHLER-ULBRICH, Staatswörterbuch, 2. Bd., S. 314; REDLICH, Geschichte, S. 73 ff.; REDLICH, Wesen, S. 20; NEUHOFER, Handbuch, S. 5; WIELINGER, Gemeindeverwaltung, S. 128)
Nach dem durch das Oktoberdiplom 1860 und das Februarpatent 1861 auch verfassungsrechtlich festgelegten Abkehr vom Neoabsolutismus und der Etablierung parlamentarischer Strukturen erfolgte bald auch eine Neuausrichtung auf dem Gebiet des Gemeinderechts. Ein erster Schritt war bereits am 26. November 1860 erfolgt, als per Verordnung die Neuwahl der Gemeindevertretungen auf Grundlage des Gemeindegesetzes von 1849 angeordnet wurde. („Verordnung des Staatsministeriums vom 26. November 1860 …betreffend die Vornahme von neuen Wahlen für die Gemeindevertretungen.“ RGBl.Nr. 261/1860) Wenige Monate später wurde dann durch eine weitere Verordnung des Staatsministeriums vom 29. März 1861 die Wiedereinführung der Öffentlichkeit der Gemeindeverhandlungen festgelegt. („Verordnung des Staatsministeriums vom 29. März 1861, giltig für alle Kronländer, in welchen das Gemeindegesetz vom 17. März 1849 zur Anwendung gekommen ist, womit die Oeffentlichkeit der Gemeindeverhandlungen wieder eingeführt wird.“ RGBl.Nr. 38/1861. Zur damaligen Entwicklung vgl. KLABOUCH, Gemeindeselbstverwaltung, S. 58 f)
Im Zuge der verfassungsrechtlichen Umbrüche gab es auch eine teilweise Neuregelung der Kompetenzaufteilung zwischen dem Zentralstaat und den Ländern. Dabei wurden insbesondere in den mit dem Februarpatent gleichzeitig verlautbarten Landesordnungen die Länderkompetenzen genannt. (An sich wurde die Kompetenzaufteilung im Oktoberdiplom von 1860, RGBl.Nr. 226/1860, sowie im„Grundgesetz über die Reichsvertretung“ vom 26. 2. 1861, RGBl.Nr. 20/1861, geregelt. In beiden Gesetzen waren aber die Gemeindeangelegenheiten nicht ausdrücklich als Reichsangelegenheiten genannt. Deshalb wären ausschließlich die einzelnen Länder zuständig gewesen) Bezüglich des Gemeinderechtes legte § 18 der Tiroler Landesordnung fest, dass zu den Landesangelegenheiten auch die Erlassung der „näheren Anordnungen inner den Gränzen der allgemeinen Gesetze in Betreff: 1. der Gemeindeangelegenheiten“ zählte. (Landes-Ordnung und Landtags-Wahlordnung für die gefürstete GrafschaftTirol.“ Beilage II, d) von RGBl.Nr. 20/1861, S. 121 ff ) Wie auch in den anderen damaligen Landesordnungen wurde damit normiert, dass das Reich zwar ein allgemeines Gemeindegesetz erlassen kann, dass aber die Detailbestimmungen in eigenen Ländergesetzen festgelegt werden sollten.
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II. Das Reichsgemeindegesetz vom 5. März 1862
Auf Grund dieser Kompetenzbestimmungen wurde ein Jahr später das neue Reichsgemeindegesetz vom 5. März 1862 erlassen, das in Österreich für genau einhundert Jahre von Bedeutung blieb. („Gesetz vom 5. März 1862, …womit die grundsätzlichen Bestimmungen zur Regelung des Gemeindewesens vorgezeichnet werden.“ RGBl.Nr. 18/1862. Zur Weitergeltung des Reichsgemeindegesetzes vgl. GRÖLL, Gemeindefreiheit, S. 17 ff.; FRITZER, Gemeinderecht, 3. Bd., S. 1530 ff.; NEUHOFER, Handbuch, S. 7 ff.; NEUHOFER, Gemeinderecht, S. 5 ff )
Dieses vom Parlament – dem Reichsrat – ausgearbeitete und beschlossene Gesetz umfasste 26 Artikel und legte nur mehr die allgemeinen Grundsätze des Gemeinderechts fest. (Zur Entstehung des Reichsgemeindegesetzes vgl. BROCKHAUSEN, Gemeindeordnung, S. 2 -37; GUMPLOWICZ, Staatsrecht, S. 219; KOLMER, Parlament, 1. Bd., S. 113 ff.; REDLICH, Geschichte, S. 80 ff.; VASOLD, Reichsgemeindegesetz, S. 22 ff.; GRÖLL, Gemeindefreiheit, S. 12)
Die konkreten Bestimmungen waren erst durch Gemeindeordnungen der einzelnen Kronländer festzulegen. Für Landeshauptstädte und andere bedeutende Städte konnte durch Landesgesetz ein eigenes Statut erlassen werden. Außerdem war die Einrichtung von Bezirks-, Gau- und Kreisvertretungen vorgesehen. Ansonsten hielt man weitgehend an den durch das Provisorische Gemeindegesetz von 1849 festgelegten Prinzipien fest. Charakteristisch für dieses Gesetz war die deutliche Unterscheidung des eigenen und des übertragenen Wirkungskreises. Der eigene Wirkungskreis war sehr ausgedehnt und unterlag nur einer begrenzten staatlichen Oberaufsicht. Darunter fielen prinzipiell alle Angelegenheiten, die das Interesse der Gemeinde berührten und durch eigene Kräfte besorgt werden konnten. Insbesondere gehörten dazu Angelegenheiten wie die Vermögensverwaltung, die Gemeindestraßen, die Ortspolizei, bis hin zur Handhabung der Dienstbotenordnung und der Schulaufsicht. Hingegen beschränkte man sich beim übertragenen Wirkungskreis auf den Hinweis, dass dieser durch allgemeine Gesetze und Landesgesetze bestimmt wird. (Dazu vgl. OFENHEIM, Staat und Gemeinde, S. 6; GUMPLOWICZ, Staatsrecht, S. 221 f)
Es gab allerdings vorerst kein allgemeines Wahlrecht zu den Gemeindevertretungen, sondern ein Zensus- und Klassenwahlrecht, bei dem die höher Besteuerten besonders zu berücksichtigen waren. Die vermögenden bürgerlichen Schichten behielten damit ihre Vormachtstellung. (Zu den tragenden Prinzipien des Gesetzes vgl. GUMPLOWICZ, Staatsrecht, S. 219 ff.; HAUKE, Grundriß, S. 26 ff.; HEFFTER, Selbstverwaltung, S. 448; GRÖLL, Gemeindefreiheit, S. 22 ff.; KLABOUCH, Gemeindeselbstverwaltung, S. 61 ff.; KLABOUCH, Lokalverwaltung, S. 280 f.; MISCHLER-ULBRICH, Staatswörterbuch, 2. Bd., S. 313; NEUHOFER, Handbuch, S. 6; RAUTER, Staats-Lexikon, S. 93; REDLICH, Grundzüge, S. 91 ff.; SCHULTZ, Hilfsbuch, 1. Bd., S. 127 ff.; ULBRICH, Lehrbuch, S. 249 ff)
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Aus: Helmut Gebhardt, Von der Tiroler Gemeinderegulierung 1819 bis zur TGO 1866 – Zur Geschichte des öffentlich-rechtlichen Gemeindebegriffs, in: Kohl/Oberhofer/ Pernthaler/Raber (Hg), Die Agrargemeinschaften in Westösterreich. Gemeinschaftsgut und Einzeleigentum (2011) Seiten 121ff
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MP