Gesetzeskonkurrenz der TRLGs zum Gemeinderecht
Das moderne Recht der politischen Ortsgemeinde, welches auf das prov. GemG 1849 zurückgeht, hat das öffentliche Eigentum klar vom gemeinschaftlichen Privateigentum und den privaten Gemeinschaftsnutzungen abgegrenzt.
§ 26 der provisorischen Gemeindeordnung 1849. „Die privatrechtlichen Verhältnisse überhaupt und insbesondere die Eigenthums- und Nutzungsrechte ganzer Classen oder einzelner Glieder der Gemeinde bleiben ungeändert.“ Einen wortidenten Gesetzestext enthalten die Ausführungsgesetze zur Reichsgemeindeordnung 1862 in den jeweiligen §§ 11 bzw 12 der Landesgemeindeordnungen.
Pernthaler spricht zu Recht von einer Systementscheidung des politischen Gemeinderechts.
Pernthaler, Eigentum am Gemeindegut, ZfV 2010, 376: „Nach der Systementscheidung des neuen Gemeinderechtes sollten also neben dem im Eigentum der Gemeinde stehenden „Gemeindegut“ die privatrechtlich organisierten Nutzungsrechte und Nutzungsgemeinschaften als ausdrücklich in ihrem Bestand rechtlich gewährleistete „privatrechtlichen Verhältnisse“ weiter bestehen. Dabei ist auch zu beachten, dass der Begriff „Gemeinde“ zu dieser Zeit auch noch für die „Gemeinde nach bürgerlichem Recht“ (§ 27 ABGB 1812) verwendet wurde, die rechtlich als „Eigentümergesellschaft“ anzusprechen war“.
Fernand Stamm hat freilich schon im Jahr 1850 auf die praktischen Unterscheidungsprobleme hingewiesen, welche darauf zurückzuführen waren, dass dieselben Begriffe sowohl für privates Gemeinschaftsgut als auch für öffentliches Gemeindeeigentum verwendet wurden.
Fernand Stamm, Die wichtigsten Angelegenheiten der Gemeinde (Prag 1850), Seite 23 f: „Die meiste Schwierigkeit wird die Trennung des Gemeindevermögens von dem Vermögen einzelner Klassen der Gemeindeglieder bieten, weil man es auch Gemeindevermögen nannte, ohne dass es diesen Namen im Sinn des Gemeindegesetzes verdient“.
In Konsequenz der Begriffsverwirrung hatte Carl Peyrer(Carl Peyrer, Die Regelung der Grundeigentums-Verhältnisse; Wien 1877) in den 70er Jahren des 19. Jhdts festgestellt, dass den Akteuren in den Ortsgemeinden und in den übergeordneten Stellen das erforderliche Verständnis für die nötige Differenzierung abginge. Dies, mit der bekannten Konsequenz, dass riesige Landflächen mit ungeklärten Eigentumsverhältnissen existierten. Auf diesen Missstand hat der Reichsgesetzgeber 1883 reagiert und neue Behörden insbesondere mit der Aufgabe betraut, die Nutzungsgemeinschaften reformatorisch zu organisieren und strittige Eigentumsverhältnisse zu klären.
Carl Peyrer, aaO, 46, berichtet von Unklarheit und Verwirrung, verbunden mit Sorglosigkeit, wenn es sich darum handelte, „die Eigentumsverhältnisse bei gemeinschaftlich benutzten Grundstücken anzugeben, selbe in statistische Nachweisungen, in den Steuerkataster, in Gemeinde-Inventare, ja selbst in Erkenntnisse der Behörden, in die Grundbücher, einzutragen, Verfügungen darüber vom Standpunkte des Verwaltungsrechtes zu treffen, Teilungsverhandlungen einzuleiten oder zu genehmigen, die Verwaltung zu regeln oder andere öffentliche Akte darüber vorzunehmen.
Carl Peyrer, aaO, 7: „Der Genossenschaftsbesitz und der Gemeindebesitz wurden in durchaus unklarer Weise durcheinander geworfen, so daß heute in den österreichischen Ländern hunderte von Quadratmeilen mit völlig unklaren und ungeregelten Eigenthumsverhältnissen vorkommen und der Verwüstung der Gemeindewaldungen kaum Einhalt getan werden kann.“
Die Landesgesetzgeber der Jahre 1884 bis 1921 – mit Ausnahme von Kärnten – hatten die Regulierung der Verwaltungsrechte und damit die körperschaftliche Einrichtung der Agrargemeinschaft im Fall von agrargemeinschaftlich genutztem Gemeindegut jedoch gar nicht zugelassen. Es waren lediglich ergänzende Bestimmungen zu den Gemeindeordnungen vorgesehen, wenn agrargemeinschaftlich genutztes Gemeindegut zu regulieren war. Was die Konkurrenz zwischen dem Bodenreform- und dem Gemeinderecht betrifft, ergibt sich daraus der klare Befund, dass die Ausführungsgesetze zum TRRG 1883 dem Gemeinderecht klar den Vorrang einräumten; dies ohne Unterscheidung danach, ob die Gemeindeordnung als lex contractus aufgrund allgemeiner Überzeugung Anwendung fand oder ob die Gemeindeordnung ex lege zu Anwendung kam, was wahres Eigentum der neuen politischen Ortsgemeinde vorausgesetzt hätte.
Mit Blick auf die Regelungen der TRLGs, wonach die agrargemeinschaftliche Nutzung in Anwendung der Gemeindeordnung der Regulierung der Verwaltungsrechte (samt der körperschaftlicher Einrichtung der Agrargemeinschaft) sowie einer Entscheidung über die Eigentumsverhältnisse entgegen stand, ist eines unzweifelhaft klargestellt: Die TRLGs 1909 und das (Vlbg) TRLG 1921 hatten nie und nimmer eine gesetzliche Grundlage geschaffen, wonach Gemeindeeigentum auf eine Agrargemeinschaft übertragen werden sollte. Das Gegenteil ist der Fall. Insoweit die Gemeinschaftsliegenschaften in Anwendung der Gemeindeordnung verwaltet wurden – sei es als lex contractus augrund eines stillschweigenden Konsenes, sei es ex lege – war nach den TRLGs von 1884 bis 1921 nur eine Regulierung der Nutzungsverhältnisse vorgesehen; die Verwaltungsrechte betreffend waren – soweit erforderlich – Ergänzungen zur Gemeindeordnung zu „verordnen“. (Ausführlich dazu: RIGHTBAR BODENREFORM/Ergänzung der Gemeindeordnung)
ZUSAMMENFASSUNG:
Die Gesetzeskonkurrenz zwischen dem Teilungs- und Regulierungsrecht und den Gemeindeordnungen aus dem Zeitraum 1863 bis 1866 war sohin klar im Sinne eines Vorranges der Gemeindeordnungen geregelt.
Ausgehend von der historischen Verbundenheit der Wirtschaftsgenossenschaft der Gemeindeglieder und der neuen politischen Ortsgemeinde sollte – wohl um eine Doppelgleisigkeit in der Verwaltung zu vermeiden – im Regulierungsfall kein zweiter Rechtskörper eingerichtet, sondern mit nötigen Ergänzungen der Gemeindeordnungen das Auslangen gefunden werden.
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aus
Kühne/Oberhofer
Gemeindegut und Anteilsrecht der Ortsgemeinde.
in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler/Raber (Hg)
Die Agrargemeinschaften in Westösterreich, 237ff
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MP