Mieders-Verk 2008: Simsalabim & Recht

 

Die von Verfassungsrichter Karl Spielbüchler (*1939 in Bad Ischl; † 2012 in Gosau; im Bild zweiter von links) entwickelte Judikatur zum Gemeindegut mit Erkenntnissen 1982 und 2008 löste bei den Agrariern Tirols zu Recht Händeringen aus. Nur Tirol leidet unter dem neuen Phänomen des „atypischen Gemeindegutes“, einer eigentumslosen Substanz der Ortsgemeinde, das bei der Agrargemeinschaft als substanzloses Eigentum erscheint. Ungeachtet der Tatsache, dass Karl Spielbüchler das „Gemeindegut“ in diesen beiden Erkenntnissen – entgegen einem klaren Willen des historischen Gesetzgebers - zu einem Eigentum der heutigen Ortsgemeinden stempelte, hat Karl Spielbüchler bereits im Grundsatzerkenntnis des VfGH von 1982 /VfSlg 9336/1982) anerkannt, dass das Flurverfassungsrecht auch das Rechtsphänomen berücksichtigt hatte, wonach die „Gemeinde“ eine Gemeinschaft von nutzungsberechtigten natürlichen Personen ist.
Die von Verfassungsrichter Karl Spielbüchler (*1939 in Bad Ischl; † 2012 in Gosau; im Bild zweiter von links) entwickelte Judikatur zum Gemeindegut mit Erkenntnissen 1982 und 2008 löste bei den Agrariern Tirols zu Recht Händeringen aus.
Nur Tirol leidet unter dem neuen Phänomen des „atypischen Gemeindegutes“, einer eigentumslosen Substanz der Ortsgemeinde, das bei der Agrargemeinschaft als substanzloses Eigentum erscheint.

 

Abstract:

Das „Mieders-Verkenntnis“ VfSlg 18.446/2008 lässt einen Grundbesitzer die Hände über dem Kopf zusammenschlagen.

Willkür, das bedeutet unter anderem ein gehäuftes, massives Verkennen der Rechtslage. Weil man einem Höchstgericht kein Verkennen der Rechtslage unterstellen kann, bedeutet Willkür im Fall eines Höchstgerichts-„Verkenntnisses“, dass ein Höchstgericht sich mehrfach und massiv über geltendes Recht hinweg gesetzt hat.

Wie war es möglich, dass erfundene Thesen des „Roten Professors“ (Karl Spielbüchler über Karl Spielbüchler) wie eine Naturgewalt über das Eigentum der „Teilgenossen“ hinwegfegen? Wie konnte Jahrhunderte altes Wissen, das in tausenden Agrarbehördenbescheiden  angewandt wurde, so leicht auf den Kopf gestellt werden?

Eine Judikatur des Verfassungsgerichts, die außerhalb Tirols in allen anderen Bundesländern kräftig ignoriert wird, könnte sich freilich als ein instabiles Phänomen erweisen!

.

Übersicht:
Anstände beim Verfassungsgericht
Gesetzesverstöße am laufenden Band
Simsalabim: Weg mit dem Bescheid
Simsalabim: Weg mit dem Eigentum
Simsalabim: Her mit Substanzrecht
Simsalabim: Die Rechtslage ändert sich
Simsalabim: Verwandlung durchgeführt
Simsalabim: Rechtskraft außer Kraft
Simsalabim: Bodenreform wird Enteignung
Simsalabim: Aliquote Anteile sind weg
Simsalabim: Bescheide eingedampft
Simsalabim: Gemeindegut wird Gemeindeeigentum
Simsalabim: Kein Schutz für Teilgenossen
Was für die Ortsgemeinde gilt …
… soll für die Teilgenossen nicht gelten?
Zusammenfassung: Der Gemeindeguts-Irrsinn

 -.-.-.-

ANSTÄNDE BEIM VERFASSUNGSGERICHT

Das Mieders-Verkenntnis 2008 ist eine Aneinanderkettung von gravierenden Gesetzesbrüchen, die man einem Verfassungsgericht in Mitteleuropa an sich nicht zutrauen würde. Begünstigt wurde das massive Abweichen von der Rechtslage durch eine willkürlich zusammen gestellte Sachverhaltsgrundlage im I.-instanzlichen  Bescheid der Tiroler Agrarbehörde.

# Das Wesen des Feststellungsbescheides wurde ignoriert

# Feststellungs- und Gestaltungsentscheidung wurden nicht unterschieden

# Die juristische Person als solche und ihre Mitglieder wurden nicht unterschieden

# Eigentum der juristischen Person wurde als Eigentum der Mitglieder (Teilgenossen) hingestellt

# Ein angebliches Miteigentum der Ortsgemeinde wurde in „Alleinsubstanz“ verwandelt

# Ein angebliches Miteigentum der Teilgenossen  (Mitglieder) wurde in ein Nutzungsrecht verwandelt

# Das Teilungs- und Regulierungsrecht wurde als „Eigentumsablösungsrecht“ umgedeutet

# Den Teilgenossen (Mitgliedern) wurde der Eigentumsschutz abgesprochen

# Das „Gemeindegut“ wurde zum notwendigen Eigentum einer Ortsgemeinde gestempelt

GESETZESVERSTÖSSE AM LAUFENDEN BAND

Im Regulierungsverfahren betreffend Liegenschaften, die seinerzeit in Verwaltung der Gemeinde Mieders standen, hatte die Tiroler Agrarbehörde rechtskräftig entschieden, dass eine „Agrargemeinschaft Mieders“ die wahre Eigentümerin dieser Liegenschaften sei. Dies war in den frühen 1960er Jahren.

Dieses seit Jahrzehnten rechtskräftige Verfahrensergebnis hat der Verfassungsgerichtshof mit dem Mieders-Verkenntnis 2008 ad absurdum geführt:  Behauptet wurde, dass die Liegenschaften als ein „Gemeindegut“ angeblich notwendiges Gemeindeeigentum gewesen wären.  Die seinerzeitigen, seit Jahrzehnten rechtskräftigen Entscheidungen der Agrarbehörden über die wahren Eigentumsverhältnisse wurden als „offenkundig verfassungswidrig“ hingestellt, weil der Ortsgemeinde angeblich das Eigentum rechtswidrig entzogen worden sei.

Diese  Rechtssätze gründen auf bloßer Fiktionen und sollten legitimieren, dass der Verfassungsgerichtshof die Ergebnisse des historischen Regulierungsverfahrens auf den Kopf gestellt hat.  Das Instrument dazu war die so genannte „verfassungskonforme Interpretation„!

Das ist freilich nicht der einzige Mangel des Mieders-Verkenntnisses!  Über eine ganze Kette weiterer, grober Gesetzesverletzungen wurde die Institution der Rechtskraft umgangen – die zentrale Säule des Rechtsstaates; die Rechtsgrundlage von Rechtssicherheit.  Anstelle der Rechtskraft wurde eine erfundene Verpflichtung der Agrarbehörde gesetzt, den (rechtskräftigen!) Regulierungsplan der Agrargemeinschaft zu ändern und der Ortsgemeinde die Substanz (= das Eigentum) am Agrargrund zu verschaffen! Diese als Ergebnis angeblich notwendiger „verfassungskonformer Interpretation„.

Das Mieders-Verkenntnis, VfSlg 18.446/2008, gründet auf schwersten Gesetzesverletzungen:  Die Rechtsinstitution der Rechtskraft wurde ad absurdum geführt; Das Wesen einer gerichtlichen oder agrarbehördlichen Feststellungsentscheidung wurde ignoriert; Die Unterscheidung zwischen den Mitgliedern und der juristischen Person (jP) selbst wurde außer Kraft gesetzt; Eigentum der jP wurde als Eigentum der Mitglieder hingestellt; Falsch unterstelltes Miteigentum wurde gegen jede Logik in „Alleinsubstanz“ der Gemeinde „verwandelt“; Das Teilungs- und Regulierungsrecht wurde als „Eigentumsablösungsrecht“ umgedeutet; Entgegen der ständigen Rechtsprechung wurde dem Anteilsrecht der Hausbesitzer der Eigentumsschutz abgesprochen.

.SIMSALABIM: WEG MIT DEM BESCHEID

a) Gem § 38 Abs 1 TFLG 1935 (gleichlautend TFLG 1952, TFLG 1969, TFLG 1978 und TFLG 1996) hat die Behörde mit Feststellungsentscheidung über die wahren Eigentumsverhältnisse an agrargemeinschaftlichen Grundstücken zu entscheiden.
Gem § 14 Agrarverfahrensgesetz entfalten die Bescheide der Agrarbehörde urteilsgleiche Wirkung. Der rechtskräftig festgestellte Eigentümer ist Eigentümer im Rechtssinn.

Und weil diese Entscheidungen seit Jahrzehnten rechtskräftig sind, kann man auch nicht argumentieren, diese seien falsch gewesen.
Die Agrargemeinschaft wurde rechtskräftig als Eigentümerin festgestellt und diese Feststellung ist rechtskräftig.
Die Behörde hat die Eigentumsverhältnisse deshalb gerade nicht neu gestaltet! Die Behörde hat vielmehr darüber entschieden, wer seit jeher der wahre Eigentümer war.

Die grundlegende Unterscheidung zwischen Feststellungsentscheidung und Gestaltungsentscheidung wurde im Erk VfSlg 18.446/2008 nicht nachvollzogen! Das wäre aber Basiswissen des Zivilgerichts- und Verwaltungsverfahrensrechts. Eine Behördenentscheidung darüber, wer seit jeher wahrer Eigentümer war, wurde als Enteignung hingestellt.

Das Nichtanwenden von Basiswissen des Zivilgerichts- und Verwaltungsverfahrensrechts war im Übrigen verfahrensentscheidend:  Aus der Begründung des Erk VfSlg 18.446/2008: „Wenn die Agrarbehörden in den Sechziger Jahren also das Eigentum am Gemeindegut auf die Agrargemeinschaft übertragen haben, war das … im Blick auf das Ergebnis aber offenkundig verfassungswidrig.“ (VfSlg 18.446/2008 B II. 1. Abs 2. der Begründung)
Das Erk VfSlg 18.446/2008 unterstellte somit eine Gestaltungsentscheidung (argumentum: „übertragen“), obwohl der Gesetzeswortlaut und der Bescheidinhalt vollkommen klar stellen, dass die Behörde geklärt und entschieden hat, wer seit jeher wahrer Eigentümer war.
Wahrer Eigentümer war die Agrargemeinschaft und nicht irgend ein anderer Rechtsträger, auch nicht die Gemeinde. Die historische Grundbucheintragung, wonach die „Gemeinde“ Eigentümerin sei,  hatte sich als falsch erwiesen. Das hat der Verfassungsgerichtshof jedoch ignoriert und statt dessen eine Enteignung der Ortsgemeinde fingiert!

b) Zum Gesetzeswortlaut: Das Erk VfSlg 18.446/2008 unterstellt eine Gestaltungsentscheidung (argumentum: „übertragen“), obwohl der Gesetzeswortlaut ein anderer ist:
§ 38 Abs 1 TFLG 1935:  „Die Behörde hat festzustellen, welche Liegenschaften agrargemeinschaftliche Liegenschaften sind und wem sie gehören, insbesondere …“
§ 38 Abs 1 TFLG 1952:  „Die Agrarbehörde hat festzustellen, welche Liegenschaften agrargemeinschaftliche Liegenschaften sind und wem sie gehören, insbesondere …“
§ 37 Abs 1 TFLG 1969:  „Die Agrarbehörde hat festzustellen, welche Liegenschaften agrargemeinschaftliche Liegenschaften sind und wem sie gehören, insbesondere …“
§ 38 Abs 1 TFLG 1978:  „Die Agrarbehörde hat festzustellen, welche Liegenschaften agrargemeinschaftliche Liegenschaften sind und wem sie gehören, insbesondere …“
§ 38 Abs 1 TFLG 1996:  „Die Agrarbehörde hat festzustellen, welche Liegenschaften agrargemeinschaftliche Liegenschaften sind und wem sie gehören, insbesondere …“

Der Wortlaut des Gesetzes und der gesetzliche Auftrag an die Agrarbehörde ist somit eindeutig: Zu fällen ist eine Feststellungsentscheidung! Zu fällen ist eine Feststellungsentscheidung, deren Rechtskraftwirkung vergangenheitsbezogen und gegenwartsbezogen ist: Der festgestellte Eigentümer war und ist Eigentümer im Rechtssinn. Wer entgegen dem klaren Gesetzeswortlaut eine Gestaltungsentscheidung annimmt – eine „Eigentumsübertragung“ – setzt sich über den Gesetzeswortlaut und die tausenden Agrarbehördenbescheide aus vielen Jahrzehnten hinweg.

Trefflich bringt dies ein Erkenntnis des Tiroler Landesagrarsenates zum Ausdruck. LAS Tirol vom 5.8.1969 LAS-104/17 (Gemeindegut Trins, Regulierung, unter dem Vorsitz des späteren Richters am Verfassungsgerichtshof, Andreas Saxer):
Das zweite Hauptstück des FLG enthält unter der Überschrift `Ordnung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse an agrargemeinschaftlichen Grundstücken´, einleitende Bestimmungen, die im Zuge aller nach diesem Hauptstück durchzuführenden Bodenreformmaßnahmen anzuwenden sind. […] es ergibt sich [aber] aus den erwähnten einleitenden Normen des 2. Hauptstückes (§ 36 Abs. 2 lit. d und § 38 Abs. 1 und 7 FLG) die Aufgabe, im Zuge des Verfahrens festzustellen, welche Grundparzellen Gemeindegut und damit agrargemeinschaftliche Liegenschaften sind, und wem sie gehören, insbesondere ob das Eigentum den Nutzungsberechtigten als Miteigentümern oder einer körperschaftlich eingerichteten Agrargemeinschaft zusteht.“
Kurz: Die Agrarbehörde hat insbesondere auch zu entscheiden, wer der Eigentümer eines agrargemeinschaftlichen Grundstückes ist – es geht nicht um Eigentumsübertragung;  es geht um die Feststellung, wer seit jeher Eigentümer war!

c) Nicht nur der Gesetzeswortlaut ist eindeutig. Nicht nur die einschlägige Judikatur dazu ist eindeutig. Genauso eindeutig ist der Bescheidwortlaut, dh der Wortlaut jenes individuellen Rechtsaktes, den der Verfassungsgerichtshof im Mieders-Verkenntnis 2008 (VfSlg 18.446/2008) beurteilt hatte. Das Erk VfSlg 18.446/2008 unterstellte eine Gestaltungsentscheidung (argumentum: „übertragen“), obwohl der Bescheidwortlaut eindeutig den Feststellungscharakter erkennen ließ: „… und steht im Eigentum der Agrargemeinschaft Mieders“.

Zwischenergebnis:

Das Erk VfSlg 18.446/2008 unterstellt einen Gestaltungsbescheid, wo in Wahrheit nach dem Wortlaut des individuellen Rechtsaktes (Feststellungsentscheidung der Agrarbehörde gem § 38 Abs 1 TFLG 1952) und nach dem Wortlaut der vollzogenen Norm (§ 38 Abs 1 TFLG 1952) eindeutig von einem Feststellungsbescheid auszugehen ist.
Die Eigentumsverhältnisse wurden deshalb durch den seinerzeitigen Vollzugsakt bei der Regulierung der Agrargemeinschaft Mieders gar nicht verändert; es wurde vielmehr der wahre Eigentümer festgestellt – das war die Agrargemeinschaft Mieders.
Die Abklärung und rechtskräftige Entscheidung über die Eigentumsverhältnisse erfolgte  entsprechend den gesetzlichen Vorgaben, welche der Agrarbehörde die Aufgabe zuweisen, in jedem Einzelfall über die wahren Eigentumsverhältnisse am Regulierungsgebiet zu entscheiden.
Die Entscheidung der Agrarbehörde über die Eigentumsverhältnisse am Regulierungsgebiet war eine meritorische Sachentscheidung der zuständigen Behörde auf der Grundlage von Erhebungen und/oder im Einvernehmen mit den Parteien.
Wer als Eigentümer rechtskräftig festgestellt wurde, war und ist Eigentümer im Rechtssinn. Die Agrarbehörde hat von Fall zu Fall distinktiv entschieden. In zahlreichen Fällen wurde auf Eigentum der Ortsgemeinde entschieden.

.SIMSALABIM: WEG MIT DEM EIGENTUM

Eine weitere Gesetzwidrigkeit ist dem Mieders-Verkenntnis  vorzuwerfen: Das Eigentumsrecht der Agrargemeinschaft wurde ignoriert; das Eigentum der Agrargemeinschaft wurde in ein Eigentum der Mitglieder „verwandelt“. Simsalabim: Die Agrargemeinschaft wird weggezaubert; statt Eigentum der Agrargemeinschaft soll ein gemeinschaftliches Eigentum der Gemeinde und der übrigen Mitglieder existieren.
Im Ergebnis wurde die Unterscheidung zwischen der juristischen Person (der Agrargemeinschaft) als Träger von Rechten und Pflichten und den Mitgliedern missachtet.

a) Eine rechtskräftige Behördenentscheidung, wonach eine bestimmte juristische Person Eigentümerin einer Liegenschaft ist, hat zwangsläufig zur Folge, als dass die als Eigentümer festgestellte Person Rechtsträger ist. Diese Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitswirkung gilt auch für Agrarbehördenbescheide.  (§ 14 Agrarverfahrensgesetz). Somit ist und war die Agrargemeinschaft Eigentümerin im Rechtssinn.

b) Das Erk VfSlg 18.446/2008 übergeht die Agrargemeinschaft als solche als Rechtsträger des Eigentums. Simsalabim: Als Rechtsträger werden – anstelle der Agrargemeinschaft – die Hausbesitzer und die Ortsgemeinde ins Spiel gebracht.
Wenn die Agrarbehörden in den Sechziger Jahren also das Eigentum am Gemeindegut auf die Agrargemeinschaft übertragen haben, war das … offenkundig verfassungswidrig. Ist dieser Akt jedoch – wie hier – rechtskräftig geworden, ist Gemeindegut entstanden, das nun atypischerweise im gemeinsamen Eigentum der Gemeinde und der Nutzungsberechtigten steht und als Agrargemeinschaft organisiert ist.“ (vgl. VfSlg. 17.779/2006).“ (VfSlg 18.446/2008 B II. 1. Abs 2. der Begründung)
Simsalabim: Ein Eigentum der Agrargemeinschaft ist verschwunden;  statt dessen soll ein Eigentum der Mitglieder und der Ortsgemeinde existieren.

Ein Eigentum der Agrargemeinschaft soll angeblich „im gemeinsamen Eigentum der Gemeinde und der Nutzungsberechtigten“ stehen und (nur) als Agrargemeinschaft organisiert sein?
Derjenige, der diesen Satz in das Verfassungsgerichtshof-Verkenntnis zu Agrargemeinschaft Mieders 2008 eingeschmuggelt hat, war entweder böser Absicht oder betrunken, bekifft oder alles gemeinsam.
Es wurde ein Rechtssatz aufgestellt, der das Wesen der juristischen Person (jP) ignoriert. Es wurde ignoriert, dass nur die Agrargemeinschaft Träger von Rechten und Pflichten ist und gerade nicht die hinter der Agrargemeinschaft stehenden Mitglieder.

Zur Veranschaulichung:  Existieren neuerdings in der Österreichischen Rechtsordnung Sachen im Miteigentum der Aktionäre, organisiert als Aktiengesellschaft?  Existieren neuerdings in der Österreichischen Rechtsordnung Sachen im Miteigentum der GesmbH-Gesellschafter, organisiert als GesmbH?  Existieren neuerdings in der Österreichischen Rechtsordnung Sachen im Miteigentum der Genossenschafter, organisiert als Genossenschaft?
Existieren neuerdings in der Österreichischen Rechtsordnung Sachen im Miteigentum der Stiftungsbegünstigten, organisiert als Stiftung?
Miteigentum von natürlichen oder juristischen Personen organisiert als juristische Person existiert nicht. Eigentümer ist ausschließlich die juristische Person als solche.

c) Das Erk VfSlg 18.446/2008 unterstellt Miteigentum der als juristische Person organisierten Personen anstelle von Eigentum der juristischen Person selbst, obwohl ein solches Eigentum im Österreichischen Recht nicht existieren kann.
Das Wesen der juristischen Person wurde übergangen; der geschlossene Kreis der Sachenrechte wurde übergangen (Typenzwang im Sachenrecht); die Rechtskraftwirkung (§ 14 Agrarverfahrensgesetz) der Agrarbehördenentscheidung wurde übergangen. Ein „Gut im Miteigentum von Personen organisiert als juristische Person“ kann nicht existierten; ein solches Gut ist in Wahrheit Eigentum der juristischen Person.

Zwischenergebnis:

Das Erk VfSlg 18.446/2008 unterstellt Güter, die im Miteigentum von Personen stehen und gleichzeitig als juristische Person organisiert sind, anstelle von Eigentum der juristischen Person. Dadurch wurde ein grundlegendes Strukturelement des Allgemeinen Bürgerlichen Rechts verkannt. Die Unterscheidung der juristischen Person einerseits und der als juristischen Person organisierten Personenmehrheit ist aufrecht zu erhalten.

.SIMSALABIM: HER MIT SUBSTANZRECHT

Ein „besonderes Schmankerl“ im Mieders-Verkenntnis 2008 ist die mangelnde Logik der Gedankenführung. Die für den Text des Verkenntnisses Verantwortlichen waren so erpicht darauf, der politischen Ortsgemeinde das Eigentum der Grundbesitzer zuzuschanzen,  dass es ihnen ganz egal war, wenn die gegebene Begründung den Logik-Sätzen widerspricht: Völlig ungeniert hat man deshalb ein behauptetes Miteigentum von Gemeinde und der Hausbesitzer  in Alleinsubstanz der Ortsgemeinde „verwandelt“.

Simsalabim – und ein Miteigentum ist Alleinsubstanz!

Ohne nachvollziehbare Erklärung im Duktus der Entscheidungsbegründung operiert das Erk VfSlg 18.446/2008 in scheinbarer Fortführung des Gedankens, dass in der Agrargemeinschaft ein Miteigentum der Ortsgemeinde und der Hausbesitzer existiere, in weiterer Folge mit Alleineigentum der Ortsgemeinde. An diesem Alleineigentum der Ortsgemeinde soll nur ein Nutzungsrecht der Hausbesitzer bestehen.
Das Miteigentum der politischen Ortsgemeinde und der Hausbesitzer „verwandelt“ sich somit in Alleinsubstanz der Ortsgemeinde?!

Jener Teil am gemeinsamen Eigentum, der den Hausbesitzern zusteht, wird in Nutzungsrecht verwandelt – ohne Begründung, ohne ein Wort zu verlieren.  „Simsalabim“ sagen die Verfassungsrichter, und das Miteigentum der Hausbesitzer war beim Teufel!

1. Schritt: Die Agrargemeinschaft als Rechtsträger wird aus dem Spiel genommen und das Eigentum auf die Ebene der Mitglieder zugeordnet („gemeinsames Eigentum“ der politischen Ortsgemeinde und der Hausbesitzer)

„… ist Gemeindegut entstanden, das nun atypischerweise im gemeinsamen  Eigentum der Gemeinde und der Nutzungsberechtigten steht und  als Agrargemeinschaft organisiert ist (vgl. VfSlg. 17.779/2006).“

2. Schritt: Das gemeinsame Eigentum, welches gerade noch „als Agrargemeinschaft organisiert“ war, wird aufgespaltet in „Substanz der Ortsgemeinde“ und „land- und forstwirtschaftliche Nutzung der Hausbesitzer“?!

Innerhalb der Agrargemeinschaft allerdings – einer Körperschaft des öffentlichen  Rechts (§34 Abs2 TFLG) – wirft eine solche Konstruktion die Frage auf, wie der Anteil der Gemeinde im Verhältnis zu den Anteilen der Inhaber von Stammsitzliegenschaften zu bemessen ist. Der nach Abzug der Belastung durch die land- und forstwirtschaftlichen Nutzungsrechte verbleibende Substanzwert ist nämlich keine feste Größe, sondern kann – wie schon in VfSlg. 9336/1982, S. 104 unten dargelegt – nach den jeweiligen wirtschaftlichen Verhältnissen während des Bestandes der Agrargemeinschaft stark wechseln. …

Kaum wurde im Mieders-Verkenntnis ein „gemeinsames Eigentum der Ortsgemeinde und der Nutzungsberechtigten“ erfunden, wird dieses auch schon wieder verwandelt: Innerhalb der Agrargemeinschaft sei ein Verhältnis von Substanz der Ortsgemeinde und Nutzungsrecht der Hausbesitzer zu ermitteln!?

Wie kann aus einem gemeinsamen Eigentum eine „Substanz“ des einen und ein „Nutzungsrecht“ des anderen hervorgehen? Die fehlende Logik der Gedankenführung, der irrationale Sprung vom gemeinsamen Eigentum aller Mitglieder zum Alleineigentum der Ortsgemeinde und Nutzungsrecht der Hausbesitzer ist nicht nachvollziehbar! Wieder zeigt sich: Den für die Begründung des Mieders-Verkenntnisses Verantwortlichen ging es um die Enteignung der Hausbesitzer; das Recht hatte gegenüber diesem Gestaltungswillen zur Enteignung in den Hintergrund zu treten.

Die Beachtung der Gesetze der Logik ist ein grundlegendes Strukturelement der juristischen Methodenlehre. Dieses Strukturelement der juristischen Methodenlehre wurde im Mieders-Verkenntnis VfSlg 18.4466/2008 nicht beachtet.

Im weiteren Verlauf der Entscheidungsbegründung wird nochmals auf diese „Unterscheidung im gemeinsamen Eigentum“ zurück gekommen: Dort wird die Rechtsposition der Hausbesitzer letztendlich offenbart als eine solche, die im öffentlichen Recht gründe und deshalb (angeblich) keinen Eigentumsschutz genießen würde.

„Anders als die allgemein als öffentlich-rechtlich angesehenen […] Nutzungsrechte ist der Anteil der Gemeinde an dem als agrargemeinschaftliches Grundstück regulierten Gemeindegut als Surrogat ihres ursprünglichen (durch die Regulierung beseitigten) Alleineigentums und somit auch in Gestalt des bloßen Anteils an der Agrargemeinschaft jedenfalls Eigentum im Sinne des Art5 StGG bzw. Art1 1. ZP EMRK.“

Zwischenergebnis:

Die Art und Weise wie im Verkenntnis VfSlg 18.446/2008 das „gefundene Gemeinschaftseigentum“ auf der Mitgliederebene in der Folge weiter abgehandelt wird, entbehrt jeder Logik. Dem einen „Miteigentümer“ wird Alleinsubstanz zugewiesen; dem anderen „Miteigentümer“ wird land- und forstwirtschaftliche Nutzung zugewiesen. Schließlich wird dem letzteren auch noch der Eigentumsschutz abgesprochen. (s dazu unten)

.SIMSALABIM: DIE RECHTSLAGE ÄNDERT SICH

Offenkundig ist, dass das alles sehr abenteuerlich klingt, was der Gerichtshof im Mieders-Verkenntnis 2008 hervorgebracht hat:
Das Verfassungsgericht: „Wenn die Agrarbehörden in den Sechziger Jahren also das Eigentum am Gemeindegut auf die Agrargemeinschaft übertragen haben, war das … offenkundig verfassungswidrig. Ist dieser Akt … rechtskräftig geworden, ist Gemeindegut entstanden, das nun atypischerweise im gemeinsamen Eigentum der Gemeinde und der Nutzungsberechtigten steht … Im Erkenntnis VfSlg. 9336/1982 ist der Verfassungsgerichtshof davon ausgegangen, dass die …  [Flurverfassung] dazu führt, dass die Gemeinde die Substanz des Gemeindegutes … an die Nutzungsberechtigten verliert; er hat die … solches herbeiführenden Normen aufgehoben. Diese Aufhebung hat … die Lage insoweit geändert, als … Änderungen in den maßgeblichen Verhältnissen eine Änderung des [seit Jahrzehnten rechtskräftigen] Regulierungsplanes rechtfertigen und erfordern.“ 

Um einem Widerspruch dagegen vorzubeugen, dass mit einem Richterspruch ohne gesetzliche Grundlage a) rechtskräftig regulierte Anteilrechte für NULL UND NICHTIG erklärt werden; b) rechtskräftige Entscheidungen über die Eigentumsverhältnisse als „offenkundig verfassungswidrig“ hingestellt werden, wurde ein älteres „Verkenntnis“ des Gerichtshofes in das Spiel gebracht, nämlich das „Verkenntnis“ VfSlg 9336/1982 – eine „Jugendarbeit“ von Verfassungsrichter  Karl Spielbüchler.

Erfindung des „Gemeindeguts“ als Gemeindeeigentum

In diesem Erkenntnis wurde behauptet, dass ein „Gemeindegut“ nicht wie eine „gewöhnliche Agrargemeinschaft“ behandelt werden dürfe, weil ein „Gemeindegut“ (angeblich) notwendig nur ein Eigentum der jeweiligen Ortsgemeinde sein könne.

Der Zuständigkeitstatbestand „Gemeindegut“, mit dem der Wirkungsbereich der Agrarbehörde und der Anwendungsbereich des Flurverfassungsrechts gesetzlich definiert war, sei verfassungswidrig, weil die übrigen Gesetzesbestimmungen der Flurverfassung unberücksichtigt ließen, dass ein „Gemeindegut“ nur ein Eigentum der jeweiligen Ortsgemeinde sein könne.   Der Zuständigkeitstatbestand „Gemeindegut“ wurde deshalb im Bundesgrundsatzgesetz über die Flurverfassung und in den Landes- Ausführungsgesetzen Tirols (TFLG) und Vorarlbergs (VFLG) aufgehoben.
Die Aufhebung  erfolgte unter Berücksichtigung einer Übergangsfrist von zwölf Monaten; diese sollte Gesetzgeber dafür nützen, das Flurverfassungs-Grundsatzgesetz des Bundes anzupassen (und so das „Gemeindegut“ wieder als Gegenstand der Teilung und Regulierung in das Gesetz zu heben).
Mit der Bewältigung dieser Mühe ist der Bundesgesetzgeber seit dem Jahr 1982 säumig! Seit über 35 Jahren stehen deshalb Spielbüchlers Erfindungen zur Rechtsnatur des „Gemeindeguts“ unhinterfragt im Raum. Im Mieders-Verkenntnis 2008 schlugen die Folgen der Nachlässigkeit des Bundes-Grundsatzgesetzgebers ein wie eine Bombe!

Rabulistik und Rechtsbruch überall!

Die Tatsache, dass das „Spielbüchler-Verkenntnis zur Flurverfassung 1982“ (= VfSlg 9336/1982 oder die „Mutter der Verkenntnis im modernen Agrarrecht„) bloß aufgrund  freier Erfindung ein „Gemeindegut“ zum Eigentum der Ortsgemeinde stempelt, ist das eine.  Das andere ist, dass
a) gerade keine rückwirkende Gesetzesaufhebung verfügt wurde,
b) sogar eine Weitergeltung für ein Jahr angeordnet wurde und
c) dass gerade in Tirol mit TFLG-Novelle 1984 das „Gemeindegut“ wieder als Regulierungsgrundstück in das Flurverfassungs-Landesgesetz hinein genommen wurde.

Diese Tatsachen hat der Verfassungsgerichtshof im Mieders-Verkenntnis 2008 bei Seite gewischt und sich auf den Standpunkt gestellt, dass sich das „Spielbüchler-Verkenntnis zur Flurverfassung 1982“ (VfSlg 9336/1982 oder die „Mutter der Verkenntnis im modernen Agrarrecht„) rückwirkend auf die Tiroler Regulierungsverfahren auswirke.

Gesetze wirken nicht zurück, Gerichtsverkenntnisse schon?

Die Aufhebung des Zuständigkeitstatbestandes „Gemeindegut“ als Gegenstand der agrarischen Operation im Jahr 1982 soll sich rückwirkend (!?) auf rechtskräftige Regulierungspläne auswirken? Der Verfassungsgerichtshof: „Im Erkenntnis VfSlg. 9336/1982 ist der Verfassungsgerichtshof davon ausgegangen, dass die Ordnung der Verhältnisse an agrargemeinschaftlichen Grundstücken tendenziell dazu führt, dass die Gemeinde die Substanz des Gemeindegutes zur Gänze an die Nutzungsberechtigten verliert; er hat die Ursache für ein solches Ergebnis in der undifferenzierten Einbeziehung des Gemeindegutes gesehen und infolgedessen die solches herbeiführenden Normen aufgehoben. Diese Aufhebung hat aber nicht nur die weitere Verwandlung von Gemeindegut in Agrargemeinschaften der bloß Nutzungsberechtigten verhindert, sondern für bereits geschehene Verwandlungen … die Lage insoweit geändert, als wesentliche Änderungen in den maßgeblichen Verhältnissen eine Änderung des Regulierungsplanes rechtfertigen und erfordern. (Mieders-Verkenntnis, VfSlg 18.446/2008 B II. 1. Abs 3. der Begründung)

Das Mieders-Verkenntnis 2008 verletzt mit diesem Rechtssatz die Verfassung! Die Thesen verstoßen gegen Art 140 Abs 7 B-VG. Die Beseitigung des Tatbestandes „Gemeindegut“ als Gegenstand der agrarischen Operation durch das Verkenntnis 1982 soll für bereits geschehene „Verwandlungen“(!?) die „Lage“ (?) geändert haben: Wesentliche Änderungen in den maßgeblichen Verhältnissen sollen eine Änderung des Regulierungsplanes rechtfertigen und erfordern.

Der Verfassungsgerichtshof: „Im Erkenntnis VfSlg. 9336/1982 ist der Verfassungsgerichtshof davon ausgegangen, dass die Ordnung der Verhältnisse an agrargemeinschaftlichen Grundstücken tendenziell dazu führt, dass die Gemeinde die Substanz des Gemeindegutes zur Gänze an die Nutzungsberechtigten verliert; er hat die Ursache für ein solches Ergebnis in der undifferenzierten Einbeziehung des Gemeindegutes gesehen und infolgedessen die solches herbeiführenden Normen aufgehoben.“

So weit, so gut und formal korrekt. Was sollen jedoch die weiteren Ausführungen bedeuten? „Diese Aufhebung hat […] für bereits geschehene Verwandlungen […] die Lage insoweit geändert, als wesentliche Änderungen  in den maßgeblichen Verhältnissen eine Änderung des  Regulierungsplanes rechtfertigen und erfordern.“ (VfSlg 18.446/2008 B II. 1. Abs 3. der Begründung; Unterstreichung vom Verfasser)

Hier stellt sich die Frage: Welche „Lage“ soll sich für rechtskräftige (!) Rechtsakte, die nach dem seinerzeitigen Recht zu beurteilen sind, geändert haben?  Korrekter Weise müsste man sagen: Nichts hat sich geändert!
Anders der Verfassungsgerichtshof!
Ignoriert wurde, dass in Tirol das Flurverfassungs-Landesgesetz angepasst und das Gemeindegut wieder in das Gesetz aufgenommen wurde.
Ignoriert wurden die Rechtswirkung des Spruches des Verfassungsgerichtshofs im Erk VfSlg 9336/1982. Offensichtlich wurde Art 140 Abs 7 B-VG übergangen.

Gem Art 140 Abs 7 B-VG gilt: „Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles ist jedoch das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht.“ (Art 140 Abs 7 zweiter Satz B-VG). Die Verfassungsrichter haben im Mieders-Verkenntnis 2008 eine Rückwirkung“ des Erkenntnisses VfSlg 9336/1982 unterstellt, obwohl der Verfassungsgerichtshof im Erk VfSlg 9336/1982 gerade keine Rückwirkung verfügt hatte!

Der Verfassungsgerichtshof hat im Erk VfSlg 9336/1982 in den Spruchpunkten I. II. und III. folgendes ausgesprochen:
I. §15 Abs2 litd des Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes 1951, Anlage 1 zur Kundmachung der Bundesregierung vom 13. Feber 1951, BGBl. Nr. 103, wird als verfassungswidrig aufgehoben. Frühere Vorschriften treten nicht wieder in Wirksamkeit. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt verpflichtet.
II. §31 Abs2 litd des Vbg. Flurverfassungsgesetzes, Anlage zur Kundmachung der Vbg. Landesregierung vom 5. Februar 1979, LGBl. Nr. 2, wird als verfassungswidrig aufgehoben. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 28. Feber 1983 in Kraft. Frühere Vorschriften treten nicht wieder in Wirksamkeit. Der Landeshauptmann von Vbg. ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt verpflichtet.
III. §33 Abs2 litc des Tir. Flurverfassungslandesgesetzes 1978, Anlage zur Kundmachung der Tir. Landesregierung vom 26. September 1978, LGBl. Nr. 54, wird als verfassungswidrig aufgehoben. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 28. Feber 1983 in Kraft. Frühere Vorschriften treten nicht wieder in Wirksamkeit. Der Landeshauptmann von Tirol ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Im Erk VfSlg 9336/1982 wurde somit klar ausgesprochen, dass die beurteile Bundes-Gesetzesregelung bzw die beurteilte Landes-Gesetzesregelung gerade nicht generell und mit „Rückwirkung über die Anlassfälle hinaus“ aufgehoben wird. Das Gegenteil ist der Fall. Im Spruch wurde ausdrücklich ein Zeitpunkt des Außerkrafttretens genannt: Das war der 28. Feber 1983! Bis zum diesem Zeitpunkt stand der Zuständigkeitstatbestand „Gemeindegut“ als Definition für die Anwendung der agrarischen Operation weiterhin in Geltung.

Zwischenergebnis:

Wenn der Verfassungsgerichtshof im Mieders-Verkenntnis 2008 die Forderung aufstellt, dass die Verfahrensergebnisse eines Regulierungsverfahrens, das Anfang der 1960er Jahres abgeschlossen wurde, im Jahr  2008 geändert/angepasst werden müssten, weil das Erkenntnis VfSlg 9336/1982 eine (gewisse) Rückwirkung entfalte, so war das offenkundig verfassungswidrig.

Es wurde im Erk VfSlg 18.446/2008 entgegen Art 140 Abs 7 zweiter Satz und entgegen dem klaren Spruch des Erk VfSlg 9336/1982 eine Rückwirkung der auf den Stichtag 28. Feber 1983 geltenden Aufhebung der Ausführungsbestimmungen zu § 15 Abs 2 lit c FlVerfGG 1951 unterstellt.

Es wurde unterstellt, dass sich eine durch das Erkenntnis VfSlg 9336/1982 bewirkte Änderung der Rechtlage über den Anlassfall hinaus auch auf rechtskräftig abgeschlossene Verfahren zurückwirke.

Damit wurde der Spruch des Erk VfSlg 9336/1982 ignoriert; es wurde Art 140 Abs 7 zweiter Satz B-VG verkannt oder ignoriert. Die Behauptung, wonach das Erkenntnis VfSlg 9336/1982 Rückwirkung entfalte, ist offenkundig verfassungswidrig.

.SIMSALABIM: VERWANDLUNG DURCHGEFÜHRT

Die „geschehene Verwandlung“ als (angeblicher) Beurteilungsgegenstand?  Das Mieders-Verkenntnis VfSlg 18.446/2008 „sprengt“ die Grenzen der Rechtskraft in einem System der zusammenhängenden, rechtskräftigen Bescheide.

Im Regulierungsverfahren wird ein System von Bescheiden geschaffen, wo ein Bescheid auf den anderen aufbaut: Einleitung des Regulierungsverfahrens, Feststellung des Regulierungsgebietes, Feststellung der Parteien, Feststellung der  Anteilsrechte, Entscheidung über die Eigentumsverhältnisse, (zusammenfassender) Regulierungsplan, Satzung der Agrargemeinschaft, Wirtschaftsplan.  Ein neuer Bescheid, mit dem das Regulierungsverfahren  weiter voran schreitet, wird erst erlassen, wenn der vorangegangene Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist. Aus der Sicht des Jahres 2008 waren sämtliche Bescheide seit Jahrzehnten rechtskräftig.

Anstatt jedoch zur Kenntnis zu nehmen, dass alle Verfahrensergebnisse des Regulierungsverfahrens Agrargemeinschaft Mieders als rechtskräftige Bescheide vorliegen, setzt sich das Mieders-Verkenntnis 2008 mit „bereits geschehenen Verwandlungen“ auseinander. Der offenkundige Konflikt mit „rechtskräftigen Entscheidungen“ wird damit freilich nur scheinbar vermieden. Der Regulierungsplan unterliegt zwar einer Änderungsmöglichkeit (§ 69 TFLG 1996); diese bezieht sich jedoch nur auf Inhalte, die nicht bereits mit gesondertem Bescheid in Unabänderlichkeit (= Rechtskraft) erwachsen sind und die  im Regulierungsplan bloß zusammengefasst werden. Das gilt insbesondere für die Parteien und ihre Anteile.

Was soll es bedeuten, wenn im Mieders-Verkenntnis formuliert wurde:  „Dies hat […] für bereits geschehene Verwandlungen […] die Lage insoweit geändert, als wesentliche Änderungen in den maßgeblichen Verhältnissen eine Änderung des Regulierungsplanes rechtfertigen und erfordern.“ (VfSlg 18.446/2008 B II. 1. Abs 3. der Begründung)
Geschehene Verwandlungen – man fragt sich unweigerlich: „Was soll das sein – Verwandlung im Recht?
Begierig sucht man nach dem Original des Erkenntnisses, um die Ausführungen zur „Verwandlung“ nachzuvollziehen, weil man erwartet, dort Einsichten in die Rechtsgrundlagen von „Verwandlung im Recht“ zu erfahren. Aber im Originalerkenntnis ist da nichts: „Diese Aufhebung hat aber nicht nur die weitere Verwandlung von Gemeindegut in Agrargemeinschaften der bloß Nutzungsberechtigten verhindert, sondern für bereits geschehene Verwandlungen, die freilich nicht mehr rückgängig zu machen sind, und daher jedenfalls der Kompetenz der Agrarbehörden unterworfen bleiben, die Lage insoweit geändert, als wesentliche Änderungen in den maßgeblichen Verhältnissen eine Änderung des Regulierungsplanes rechtfertigen und erfordern.

Die so genannte „geschehene Verwandlung“ erweist sich mit Blick auf das Regulierungsrecht für Gemeinschaftsliegenschaften in Wahrheit als
a) rechtskräftige Entscheidung über das Regulierungsgebiet
b) rechtskräftige Entscheidung über die Liste der Parteien
c) rechtskräftige Entscheidung über die Anteilsrechte und
d) rechtskräftige Entscheidung über die Eigentumsverhältnisse am Regulierungsgebiet.

Diese, jeweils einer gesonderten Rechtskraft (!) unterliegenden Bescheide bewirken die „reformatorische Entscheidung“, die „agrarische Operation“ gem Art 12 Abs 1 Z 3 B-VG, die „bereits geschehne Verwandlung“ in der Diktion des Erkenntnisses VfSlg 18.446/2008. Die Summe dieser rechtskräftigen Entscheidungen fließt in den Regulierungsplan ein. Dieser Regulierungsplan kann deshalb nur insofern geändert werden, als dessen Inhalt nicht durch diese vorgelagerten, rechtskräftigen Bescheide determiniert ist!

Zur rechtskräftigen Entscheidung über die Anteilsrechte bestimmte das TFLG seit jeher wie auch heute, dass dieser Bescheid in Rechtskraft vorliegen müsse, bevor der Regulierungsplan erlassen werden darf!
Wie kann das Erk VfSlg 18.446/2008 von einer „bereits geschehenen Verwandlung“ sprechen und vor allem – wie kann das System der zusammenhängenden, allesamt rechtskräftigen Bescheide richtig gewürdigt werden, wenn dieses System von zusammenhängenden rechtskräftigen Bescheiden im Erkenntnis VfSlg 18.446/2008 als eine „bereits geschehene Verwandlung“ erfasst wird?
Sollte hier schon durch die Wahl der Begriffe ein Ergebnis vorweggenommen werden – „Froschkönig statt Prinz“?
Ist es neuerdings Stand der juristischen Methodenlehre die Rechtsfolgen aus Rechtsgeschäft, Urteil und Bescheid als „Verwandlung“ oder „Verzauberung“ zu erfassen, womit von vorne herein indiziert wäre, dass die betreffenden Rechtsfolgen auszuschalten sind? Wer will schon ein „Gemeinschaftsgut“ im Zustand der „Verwandlung“ belassen? Wer will den Froschkönig statt einem Prinzen? Dazu unten lit i)

SIMSALABIM: RECHTSKRAFT IST AUSSER KRAFT

Substanzwertanspruch und die Aushöhlung der Anteilsrechte

Der Spruch des Erk VfSlg 9336/1982 habe sich – so der Wortlaut des Erk VfSlg 18.446/2008 – auf die gesetzlichen Bestimmungen des Flurverfassungsrechts betreffend die Festsetzung der Anteilsrechte an der Agrargemeinschaft ausgewirkt: „Die Beseitigung des Zwanges, das Ausmaß der Mitgliedschaft auch beim Gemeindegut ausschließlich an den Nutzungsrechten zu orientieren durch VfSlg. 9336/1982, erlaubt nunmehr die Berücksichtigung des Substanzwertes. Das ist auch verfassungsrechtlich geboten.“ (VfSlg 18.446/2008 B II. 1. Abs 4. der Begründung)

Was soll das heißen? Mit diesen offenkundig gesetzwidrigen Behauptungen werden die Bestimmungen des Flurverfassungsrechts zur Bemessung der Anteilsrechte „gesprengt“! Faktum ist, dass im Zuge der Aufhebung der Bestimmung des § 15 Abs 2 lit d FlVerfGG 1951 und der ausführungsgesetzlichen Bestimmungen dazu mit Erk VfSlg 9336/1982 an den einschlägigen Bestimmungen des FlVerfGG 1951 betreffend die Anteilsrechte an einer Agrargemeinschaft nichts, aber auch gar nichts geändert wurde. Die einschlägige Norm im Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951 lautet heute nach wie vor:

Ansprüche der Parteien bei Regulierung.  § 23 FlVerfGG.  „(3) Für das Anteilsrecht der Gemeinde gelten die Bestimmungen des § 22.“

Ansprüche der Teilgenossen.  § 22 FlVerfGG. „(1) Bei der Teilung hat jede Partei (Teilgenosse) nach dem festgestellten Werte ihres Anteiles an den agrargemeinschaftlichen Grundstücken oder sonstigen in die Teilung einbezogenen Liegenschaften oder Vermögenschaften Anspruch auf vollen Gegenwert tunlichst in Grund und Boden.“  (2) Der Gemeinde steht neben dem ihr etwa nach Abs. 1 zustehenden Anspruch ein Anteilsrecht an dem agrargemeinschaftlichen Besitz auch dann zu, wenn sie in den öffentlichen Büchern als Eigentümerin dieses Besitzes eingetragen ist oder wenn die Gemeinde für diesen Besitz die Steuern aus ihren Mitteln trägt. Dieses Anteilsrecht gebührt der Gemeinde aber nur dann, wenn sie über eine ihr etwa nach Abs. 1 zustehende Berechtigung hinaus an der Benutzung teilgenommen hat, und wird mit einem Fünftel des Wertes des agrargemeinschaftlichen Besitzes bestimmt, insoweit nicht die Landesgesetzgebung eine höhere Anteilsberechtigung bis zur Höchstgrenze der tatsächlichen durchschnittlichen Benutzung durch die Gemeinde vorsieht.“

Die im Erk VfSlg 18.446/2008 aufgestellte Behauptung (= „Die Beseitigung des Zwanges, das Ausmaß der Mitgliedschaft auch beim Gemeindegut ausschließlich an den Nutzungsrechten zu orientieren durch VfSlg. 9336/1982, erlaubt nunmehr die Berücksichtigung des Substanzwertes. Das ist auch verfassungsrechtlich geboten“) steht somit im Widerspruch mit dem eindeutigen Wortlaut des Spruches im Erk VfSlg 9336/1982 (keine Rückwirkung der bewirkten Gesetzesänderung).
Und diese Ausführungen stehen im Widerspruch mit dem eindeutigen Wortlaut der positiven Norm (§§ 22. 23 FlVerfGG 1951). Ein (walzendes) Anteilsrecht der Ortsgemeinde setzt Mitbenützung der agrargemeinschaftlichen Liegenschaft voraus. Und dieses Anteilsrecht steht im Umfang von 20% des Wertes des agrargemeinschaftlichen Besitzes (Besitz [!] und gerade nicht Eigentum) zu oder maximal im Umfang eines weiter gehenden Nutzungsanteils.

„Gemeinschaftlicher Besitz“, an welchem die Ortsgemeinde einen Anteil entsprechend ihrem Nutzungsanteil zu fordern berechtigt ist, ist vorerst einmal die „gemeinschaftliche Nutzung“ („Besitz“ = nicht Eigentum!). So entspricht dies dem Gesetzeswortlaut; so entspricht dies dem historischen Willen des Gesetzgebers. Nach den Nutzungsverhältnissen bestimmen sich die Anteilsrechte.
Ob und inwieweit das Eigentum der Gemeinschaft der Nutzungsberechtigten (= der Agrargemeinschaft) zuzuordnen ist, ist völlig unabhängig und lösgelöst von der „Liste der Parteien und ihrer Anteilsrechte“ zu entscheiden. Die Gemeinschaft der Nutzenden kann Eigentümer sein, sie muss nicht Eigentümer sein. Die Eigentumsverhältnisse sind nur zu prüfen. Die Klärung und Entscheidung der Eigentumsverhältnisse ist Vorfrage. Unabhängig von den Anteilsrechten an der Agrargemeinschaft sind die Eigentumsverhältnisse an der agrargemeinschaftlichen Liegenschaft zu prüfen. Völlig unabhängig von den Anteilsrechten an der Agrargemeinschaft ist über die Eigentumsverhältnisse an der agrargemeinschaftlichen Liegenschaft abzusprechen. Niemand verliert sein Eigentum; niemand gewinnt neues Eigentum. Insbesondere wird Eigentum nicht gegen ein Anteilsrecht abgetauscht – zumindest nicht im Österreichischen Recht und gerade nicht im Teilungs- und Regulierungsrecht für Gemeinschaftsliegenschaften!

Hier zeigt sich das bereits beanstandete Defizit des Erkenntnisses, ein Feststellungsurteil (einen Feststellungsbescheid der Agrarbehörde gem § 14 Agrarverfahrensgesetz) und ein Gestaltungsurteil (einen Gestaltungsbescheid der Agrarbehörde) zu unterscheiden. Hier zeigt dieses Defizit gravierende Auswirkungen auf die Beurteilung der Rechtslage. Wenn diese grundlegend unterschiedlichen Entscheidungsvarianten der Vollzugsbehörden nicht unterschieden werden, muss jede Beurteilung historischer Bescheide notwendig in die Irre führen. Wer ein historisches Feststellungsurteil (§ 14 Agrarverfahrensgesetz) über die Eigentumsverhältnisse von einem historischen Gestaltungsurteil nicht auseinander halten will oder kann, der muss ein „Anteilsrecht kraft Eigentumsübertragung“ vermissen!
Wer hingegen erkennt, dass der Gesetzgeber die meritorische Entscheidung über die wahren Eigentumsverhältnisse aufgetragen hat (§ 38 Abs 1 TFLG: „… wem diese gehören“), der kann auch keinen Platz für Anteilsrechte kraft „Substanzwert“ (gemeint: „Eigentum“) erkennen.

Nach dem im Erk VfSlg 18.446/2008 beurteilten Sachverhalt hatte die Behörde 1963 entschieden: „Festgestellt wird, dass die Agrargemeinschaft Mieders Eigentümerin ist“. Diese Entscheidung hat ihre Rechtsgrundlage in § 38 Abs 1 TFLG, wonach die Behörde über die Eigentumsverhältnisse zu entscheiden hatte. (§ 38 Abs 1 TFLG: „… wem diese gehören“). Kraft Rechtskraftwirkung (§ 14 Agrarverfahrensgesetz) hat deshalb nie Eigentum der Ortsgemeinde bestanden und die positive Norm der §§ 23 iVm 22 FlVerfGG 1951 lässt keinen Spielraum für angebliche Anteilsrechte kraft „Substanzwert“(?). Offensichtlich wurde im Erk VfSlg 18.446/2008 die Bestimmung der §§ 23 iVm 22 FlVerfGG 1951 übersehen, verkannt oder ignoriert.

SIMSALABIM: BODENREFPORM WIRD ENTEIGNUNG

Umdeutung des Teilungsrechts für Gemeinschaftsliegenschaften als „Eigentumsablösungsrecht“? Das Mieders-Verkenntnis wäre wohl nicht zu Stande gekommen, hätten die Verantwortlichen nicht dafür gesorgt, dass ein wesentlicher Aspekt des Bodenreformrechts quasi unter den Tisch gekehrt wird: Jede agrarische Operation hatte es zwingend mit sich gebracht, dass die Behörde wie ein Gericht über die Eigentumsverhältnisse entschieden hat.

In allen Ausführungsgesetzen zum FlVerfGG 1932 ist für jeden Regulierungsfall die Prüfung der Eigentumsverhältnisse durch die Agrarbehörde und die bescheidmäßige Entscheidung darüber, wem die agrargemeinschaftlichen Liegenschaften gehören („Feststellung“), verpflichtend vorgeschriebenen.
„Den Agrarbehörden obliegt es, die „rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse an agrargemeinschaftlichen Grundstücken“ zu ordnen, indem die überkommene rechtmäßige gemeinschaftliche Nutzung sowie das Eigentum und die Anteilrechte an diesen Liegenschaften nach in „Übereinkommen“ vereinbartem oder „von amtswegen“ ermittelten Sachverhalt festgestellt werden. Eigentumsrechte an Gemeinschaftsgut können auf Grund vertraglicher Einigung im Übereinkommen in das Gemeindevermögen übertragen, von Amtswegen jedoch nur „festgestellt“ werden. Dabei ist der wirkliche Eigentümer zu ermitteln (Feststellungsentscheidung [!]); Zuständigkeit zu Enteignungen oder enteignungsgleichen Eingriffen kommen den Agrarbehörden im Regulierungsverfahren nicht zu. „Ob ein Grundstück ein Gemeindevermögen, ein Gemeindegut oder ein Gemeinschafts- bzw Gesamtvermögen einer Nutzungsgemeinschaft bilde, muß von Fall zu Fall beurteilt werden und lassen sich die beiden letzteren Eigentumskategorien nur sehr schwer voneinander unterscheiden.“ (Peyrer, Die Regelung der Grundeigenthums=Verhältnisse, 1877, 23)

Exemplarisch wird auf die weitgehend wortidenten Regelungen in § 38 Abs 1 NÖFLG LGBl 1934/208 und § 38 Abs 1 TFLG LGBl 1935/32 verwiesen, wonach die Agrarbehörde festzustellen hat, wem die agrargemeinschaftlichen Liegenschaften „gehören“. Weil im Erk VfSlg 18.446/2008 das Instrument des Feststellungsurteils (des Feststellungsbescheides gem § 14 Agrarverfahrensgesetz) von einem Gestaltungsurteil (Gestaltungsbescheid) nicht auseinander gehalten wurde, „verwandelte“ sich die historische Entscheidung über den wahren Eigentümer des Regulierungsgebietes (Feststellungsentscheidung gem § 38 Abs 1 TFLG 1935) in eine Entscheidung auf „Eigentumsübertragung“. Das Erk gelangt deshalb zu dem Trugschluss, die historische Agrarbehörde hätte „offenkundig verfassungswidrig“ Eigentum übertragen. Der Agrarbehörde wurde unterstellt, die Ortsgemeinde enteignet zu haben.

Dies ist eine im Gesetz offensichtlich nicht gedeckte Unterstellung, weil in Wahrheit über die Eigentumsverhältnisse entschieden wurde (§ 38 Abs 1 TFLG). Eine Aufteilung einer agrargemeinschaftlichen Liegenschaft nach Flurverfassungsrecht setzt und setzte selbstverständlich seit jeher voraus, dass diese agrargemeinschaftliche Liegenschaft Eigentum der Agrargemeinschaft war! Teilen können nur Mitberechtigte; dies folgt zwingend aus einer einfachen Wortinterpretation des Flurverfassungsgesetzes, wie die Tiroler Agrarbehörden schon seit vielen Jahrzehnten judizieren!

„Das zweite Hauptstück des FLG enthält unter der Überschrift `Ordnung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse an agrargemeinschaftlichen Grundstücken´, einleitende Bestimmungen, die im Zuge aller nach diesem Hauptstück durchzuführenden Bodenreformmaßnahmen anzuwenden sind. […] es ergibt sich [aber] aus den erwähnten einleitenden Normen des 2. Hauptstückes (§ 36 Abs 2 lit. d und § 38 Abs 1 und 7 FLG) die Aufgabe, im Zuge des Verfahrens festzustellen, welche Grundparzellen Gemeindegut und damit agrargemeinschaftliche Liegenschaften sind, und wem sie gehören, […].“ (LAS Tirol vom 5.8.1969 LAS-104/17 (Gemeindegut Trins, Regulierung) unter dem Vorsitz des späteren Verfassungsrichters Andreas Saxer)

Entgegen den Grundlagen des Teilungsrechts für Gemeinschaftsliegenschaften wird im Erk VfSlg 18.446/2008 folgendes ausgeführt:

„Die das Gemeindegut repräsentierenden Agrargemeinschaften dürfen
nach dem Erkenntnis VfSlg. 9336/1982 nicht mehr ohne Bedachtnahme
auf den Substanzwert geteilt werden, sofern er bei dieser Gelegenheit
erstmals zutage tritt. […] Andernfalls würde man die verfassungswidrige Behandlung von Gemeindegut weiter fortsetzen.“
(VfSlg 18.446/2008 B II. 1. Abs 4. der Begründung)
Die Idee, das Recht der Teilung von agrargemeinschaftlichen Grundstücken würde eine Aufteilung von fremdem Eigentum ermöglichen oder voraussetzen, ist klar verfehlt.
Kühne/Oberhofer, Gemeindegut und Anteilsrecht der Ortsgemeinde, in: Die Agrargemeinschaften in Westösterreich (2012) 307 f: „Wie Pernthaler überzeugend hervorhebt, enthält das Teilungs- und Regulierungsrecht gem dem zweiten Hauptstück des TFLG (seit jeher) allgemeine Bestimmungen, „die im Zuge aller nach diesem Hauptstück durchzuführenden Bodenreformmaßnahmen anzuwenden sind.“ (Pernthaler/Oberhofer, Die Agrargemeinschaften und die „agrarische Operation“, in diesem Band 442 f; LAS Tirol vom 5.8.1969 LAS-104/17 (Gemeindegut Trins, Regulierung); vgl auch Öhlinger/Kohl/Oberhofer, Das Eigentum der Agrargemeinschaft, in diesem Band 65) „Als Grundlage des Regulierungsverfahrens hat die Agrarbehörde die agrargemeinschaftlichen Liegenschaften festzustellen (§ 38 Abs 1 erster Tatbestand TFLG 1996). Spätestens im Zuge der Entscheidung über den Regulierungsplan hat die Agrarbehörde auch über die Eigentumsverhältnisse am Regulierungsgebiet zu entscheiden (§§ 65 Abs 2 lit b iVm 38 Abs 1 zweiter Tatbestand TFLG 1996).“ (Pernthaler/Oberhofer, Die Agrargemeinschaften und die „agrarische Operation“, in diesem Band 441 ff; LAS Tirol vom 5.8.1969 LAS-104/17 [Gemeindegut Trins, Regulierung]). Unter diesen Voraussetzungen kann und darf man dem Gesetzgeber nicht unterstellen, er hätte die Übertragung von fremdem Eigentum auf eine Agrargemeinschaft vorgesehen. Wozu sollen die Eigentumsverhältnisse festgestellt werden, wenn in der Folge undifferenziert „umgegründet“ wird? Wozu nach dem Eigentümer forschen, wenn der Eigentümer in der Folge sein Eigentum undifferenziert zu Gunsten der Nutzungsgemeinschaft verliert? Nichts anderes gilt für den Fall des Teilungsverfahrens. Dem Bodenreformgesetzgeber darf nicht ernstlich unterstellt werden, er hätte die Aufteilung von fremdem Eigentum unter den Anteilsberechtigten vorgesehen. Dies ergibt sich schon aus einer einfachen Wortinterpretation des Rechtsbegriffes „Teilung“. Wo in der Österreichischen Rechtsordnung finden sich Anhaltspunkte dafür, dass eine Behörde von Gesetzes wegen veranlasst würde, Liegenschaftsvermögen auf Nichtberechtigte zu verteilen? „Teilungsverfahren“ können denkmöglich nur unter Mitberechtigten durchgeführt werden. Die „verfassungskonforme Interpretation“ als „ultima ratio“, muss für derart selbstverständliche Auslegungsergebnisse nicht einmal bemüht werden – ungeachtet dessen diese selbstverständlich fruchtbar zu machen wäre, bevor dem Gesetz ein offenkundig gleichheitswidriger Sinn unterstellt wird.“

Nirgends in der Österreichischen Rechtsordnung finden sich Ansätze für eine derartige „Operation“. Die Behörden, denen solches Tun unterstellt wurde, haben das Gegenteil judiziert! Deshalb finden sich auch im Flurverfassungsrecht keine Bestimmungen zur Bewertung der Nutzungsrechte einerseits und des Eigentumsrechts andererseits. Wie könnte man auch Eigentum einerseits und Nutzungsrecht andererseits zueinander in ein Verhältnis setzen, ohne detaillierte gesetzliche Vorgaben? Derartige Vorschriften finden sich nur im Servitutenablösungs-Recht. Diese führen freilich auch nur zur Ablösung der Nutzungsrechte, aber niemals zur Ablösung des Eigentums! Stehen sich eine Ortsgemeinde als Eigentümerin und eine Gemeinschaft der Nutzungsberechtigten gegenüber, wäre selbstverständlich zuerst nach Servitutenablösungsrecht vorzugehen. Im Zuge dieser „Operation werden freilich die Nutzungsrechte abgelöst und nicht das Eigentumsrecht. Erfolgt eine gemeinschaftliche Ablösung in Grund und Boden, kann diese Ablöseleistung in der Folge der Teilung unterworfen werden. Offensichtlich wird im Erk VfSlg 18.446/2008 die Konkurrenz von Servitutenablösungsrecht (Wald- und Weidenutzungsrechte) einerseits und Teilungsrecht für Gemeinschaftsliegenschaften andererseits übersehen, verkannt oder ignoriert.

SIMSALABIM: ALIQUOTE ANTEILE SIND WEG

Umdeutung der Vorschriften über die Ausmessung der Anteilsrechte an Agrargemeinschaften

Im Erk VfSlg 18.446/2008 wurde das Fundamentalprinzip der Flurverfassung verkannt, wonach die Anteilsrechte an der Agrargemeinschaft losgelöst von den Eigentumsverhältnissen bestimmt werden (§§ 23 iVm 22 FlVerfGG 1951). Anteilsrecht und Eigentum stehen in keinerlei tatsächlicher oder rechtlicher Verknüpfung.

Ansprüche der Teilgenossen
§ 22 FlVerfGG.
(1) …
(2) … Dieses Anteilsrecht gebührt der Gemeinde aber nur dann, wenn sie über eine ihr etwa nach Abs. 1 zustehende Berechtigung hinaus an der Benutzung teilgenommen hat, und wird mit einem Fünftel des Wertes des agrargemeinschaftlichen Besitzes bestimmt, insoweit nicht die Landesgesetzgebung eine höhere Anteilsberechtigung bis zur Höchstgrenze der tatsächlichen durchschnittlichen Benutzung durch die Gemeinde vorsieht.

Unvereinbar mit dieser Rechtslage sind die Ausführungen im Erk VfSlg 18.446/2008.

„Die das Gemeindegut repräsentierenden Agrargemeinschaften dürfen
nach dem Erkenntnis VfSlg. 9336/1982 nicht mehr ohne Bedachtnahme
auf den Substanzwert geteilt werden […] Gegebenenfalls müssen schon
vorher die Anteilsrechte angepasst werden. Andernfalls würde man die
verfassungswidrige Behandlung von Gemeindegut weiter fortsetzen.“
(VfSlg 18.446/2008 B II. 1. Abs 4. der Begründung,

Wessen Eigentum die agrargemeinschaftliche Liegenschaft ist, spielt für die Bemessung der Anteilsrechte keinerlei Rolle und diese Frage hat für die Ausmessung der Anteilsrechte nie eine Rolle gespielt. Die Anteilsrechte an der Agrargemeinschaft werden ausschließlich anhand der Benutzungsverhältnisse bestimmt. Eine Agrargemeinschaft auf fremdem Eigentum kann, muss sich jedoch nicht mit dem Eigentümer nach „Servitutenablösungsrecht“ (Grundsatzgesetz 1951 über die Behandlung der Wald- und Weidenutzungsrechte, Anlage ./3 BGBl 1951/193) auseinandersetzen. Das Flurverfassungsrecht bietet jedenfalls keine Grundlage für die Auseinandersetzung von Nutzungsberechtigten und Eigentümern.

All das wurde im Erk VfSlg 18.446/2008 verkannt oder bei Seite geschoben. Die These, wonach das Eigentum gem Regulierungsrecht zwingend in die Agrargemeinschaft „eingebracht“ würde, gründet nicht im positiven Recht. Dutzende Agrargemeinschaften auf Eigentum der Ortsgemeinde in Tirol widerlegen im Übrigen die nicht im Österreichischen Recht gründende Erfindung aus dem Erk VfSlg 9336/1982, dass eine Agrargemeinschaft Eigentümerin der Gemeinschaftsliegenschaft sein müsse. Die Agrargemeinschaft kann Eigentümerin sein, sie muss es jedoch keinesfalls sein. Wer Eigentümer ist, hat die Agrarbehörde im Zuge der agrarischen Operation festzustellen.
„Den Agrarbehörden obliegt es, die „rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse an agrargemeinschaftlichen Grundstücken“ zu ordnen, indem die überkommene rechtmäßige gemeinschaftliche Nutzung sowie das Eigentum und die Anteilrechte an diesen Liegenschaften nach in „Übereinkommen“ vereinbartem oder „von amtswegen“ ermittelten Sachverhalt festgestellt werden. Eigentumsrechte an Gemeinschaftsgut können auf Grund vertraglicher Einigung im Übereinkommen in das Gemeindevermögen übertragen, von Amtswegen jedoch nur „festgestellt“ werden. Dabei ist der wirkliche Eigentümer zu ermitteln (Feststellungsentscheidung [!]); Zuständigkeit zu Enteignungen oder enteignungsgleichen Eingriffen kommen den Agrarbehörden im Regulierungsverfahren nicht zu. „Ob ein Grundstück ein Gemeindevermögen, ein Gemeindegut oder ein Gemeinschafts- bzw Gesamtvermögen einer Nutzungsgemeinschaft bilde, muß von Fall zu Fall beurteilt werden und lassen sich die beiden letzteren Eigentumskategorien nur sehr schwer voneinander unterscheiden.“ (Peyrer, Die Regelung der Grundeigenthums=Verhältnisse, 1877, 23)“ (Josef Kühne, Zu Agrargemeinschaften in Vorarlberg, in: Die Agrargemeinschaften in Westösterreich, 352.

Die These, wonach das Eigentumsrecht mit einem Anteilsrecht abgefunden würde, ist absurd, fehlt doch jeder Ansatzpunkt für die Berücksichtigung des Eigentumsrechts bei der Anteilsfestsetzung. Die wahren Eigentumsverhältnisse werden festgestellt (§ 38 Abs 1 TFLG) – nicht mehr und nicht weniger.

Offensichtlich wurden die Grundsätze für die Feststellung von Anteilsrechten an Agrargemeinschaften (§§ 23 iVm 22 FlVerfGG 1951) im Erk VfSlg 18.446/2008 übersehen, verkannt oder ignoriert. Die Strukturprinzipien des Regulierungsrechts wurden nicht zur Kenntnis genommen.

SIMSALABIM: BESCHEIDE „EINGEDAMPFT“

Verkennen der agrarischen Operation als System von einander bedingenden, der Rechtskraft unterworfenen Bescheiden

Im Erk VfSlg 18.446/2008 wurde das Prinzip der agrarischen Operation verkannt, wonach der Regulierungsplan die Ergebnisse des vorausgegangenen Verfahrens lediglich zusammenfasst. Dem Regulierungsplan gehen verschiedene andere Bescheide voraus, welche jeweils gesondert in Rechtskraft erwachsen und deshalb – selbstverständlich – nicht der Abänderung gem § 69 TFLG 1996 unterliegen.
Vor der Beschlussfassung über den Regulierungsplan sind gemäß § 54 TFLG die Anteilsrechte zu ermitteln. Wird ein Übereinkommen nicht erzielt, sind die Anteilsrechte auf die gesetzlich vorgezeichnete Weise zu ermitteln (entsprechend den Nutzungsverhältnissen s §§ 22 iVm 23 FlVerfGG 1951). Nach Rechtskraft des Verzeichnisses der Anteilsrechte (§ 65 Abs 1 TLFG) ist der Regulierungsplan zu erlassen. Das Gesetz setzt im Sinn der vorgesehenen Verfahrensgliederung also die Rechtskraft des Bescheides über die Anteilsrechte voraus, bevor ein Regulierungsplan zu erlassen ist. Für den in § 54 und in § 65 Abs 1 TFLG geregelten Bescheid, der das Verzeichnis der Anteilsrechte beinhaltet, ist ein Eingriff in die Rechtskraft gesetzlich nicht vorgesehen.

Die Ausführungen im Erk VfSlg 18.446/2008, wonach der Regulierungsplan gem § 69 TFLG 1996 geändert werden könne, gehen deshalb am eigentlichen Rechtsproblem vorbei, nämlich dass dem Regulierungsplan insbesondere der Bescheid über die Feststellung der Anteilsrechte vorangegangen ist. Im Erkenntnis Slg 18.446/2008 wird das Antragsrecht auf Änderung des Regulierungsplanes breit erörtert –
„In der für das vorliegende Verfahren maßgeblichen Fassung des §69 TFLG vor In-Kraft-Treten der Novelle LGBl. 13/2007 war die Abänderung von Regulierungsplänen nur auf Antrag der „Gemeinschaft“ oder von Amts wegen zulässig (Abs1 Satz 2). Erst die am 14. Dezember 2006 beschlossene und mit dem auf die Kundmachung am 20. Februar 2007 folgenden Tag in Kraft getretene Novelle hat diesen beiden (nunmehr in lita und c des Abs1 enthaltenen) Möglichkeiten in litb um das Antragsrecht einer Gemeinde als Mitglied einer Agrargemeinschaft, „die aus Gemeindegut hervorgegangen ist“, erweitert (wobei das Wort „Gemeinschaft“ durch „Agrargemeinschaft“ ersetzt wurde). Unter welchen Voraussetzungen eine solche Änderung des Regulierungsplanes in Betracht kommt, sagt das Gesetz nicht.
(VfSlg 18.446/2008 B II. 2. der Begründung)

– mit dem eigentlichen Problem, nämlich dass dem Regulierungsplan mehrere Bescheide vorausgehen, welche samt und sonders rechtskräftig sind (Zum Bescheid über die Feststellung der Anteilsrechte s § 65 iVm § 76 TFLG 1935 (§ 65 iVm § 76 TFLG 1952; § 55 iVm 63 TFLG 1969; § 56 iVm § 64 TFLG 1978, § 56 iVm 64 TFLG 1996), befasste sich das Erkenntnis nicht. Insbesondere befasste sich das Erkenntnis nicht mit der zentralen Problematik, dass die Erlassung des Regulierungsplanes die Rechtskraft des Verzeichnisses der Anteilsrechte (Bescheid!) voraussetzt (§ 65 Abs 1 TLFG).
Raschauer, Rechtskraft und agrarische Operation, in: Die Agrargemeinschaften in Tirol (2010) 279: „Vor der Beschlussfassung über den Regulierungsplan sind gemäß § 54 TFLG 1996 die Anteilsrechte zu ermitteln. Wird ein Übereinkommen nicht erzielt, sind die Anteilsrechte auf die gesetzlich vorgezeichnete Weise zu ermitteln. Nach Rechtskraft des Verzeichnisses der Anteilsrechte, setzt § 65 Abs 1 TLFG 1996 fort, ist der Regulierungsplan zu erlassen. Das Gesetz setzt im Sinn der vorgesehenen Verfahrensgliederung also die Rechtskraft des Bescheides über die Anteilsrechte voraus, bevor ein Regulierungsplan zu erlassen ist. Für den in § 54 und in § 65 Abs 1 TFLG geregelten Bescheid, der das Verzeichnis der Anteilsrechte beinhaltet, ist ein Eingriff in die Rechtskraft gesetzlich nicht vorgesehen.“

Im Erkenntnis VfSlg 18.446/2008 wird einfach fingiert, dass eine Änderung des Regulierungsplanes, welche vom Gesetz an keinerlei Voraussetzungen gebunden ist, alle rechtskräftigen „Zwischenbescheide“ brechen könnte. Dafür fehlt es aber an jedweder Voraussetzung.

„Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, dass eine Änderung (Anm: des Regulierungsplanes) nur dann, aber auch immer dann stattzufinden hat, wenn sich die erfolgte Regulierung für die Ausübung der land- und forstwirtschaftlichen Nutzungsrechte unzweckmäßig erweist oder die für die Nutzungsverhältnisse maßgeblich gewesenen Umstände geändert haben. Eine solche Änderung der Umstände kommt bei verfassungskonformer Auslegung der nunmehrigen Rechtslage in Betracht.“
(VfSlg 18.446/2008 B II. 2. Abs 2 der Begründung)

Die Unterstellung, dass im Wege einer Änderung des Regulierungsplanes die Rechtskraft aller vorausgegangenen Bescheide zur Makulatur würde, findet offensichtlich im geltenden Österreichischen Recht keine Stütze. Spricht das Erkenntnis deshalb von „bereits geschehenen Verwandlungen“, die beurteilungsgegenständlich wären? Soll mit dem Begriff der „bereits geschehenen Verwandlung“ verdeckt werden, worum es bei der abgeschlossenen agrarischen Operation wirklich geht? Bringt diese Formulierung von der „bereits geschehenen Verwandlung“ für ein Erkenntnis des Höchstgerichtes angemessen zu Ausdruck, was „Sache“ ist?

Bedeutet die „beiläufige“ Formulierung von der „bereits geschehenen Verwandlung“
# eine rechtskräftige Entscheidung über das Regulierungsgebiet? und  # eine rechtskräftige Entscheidung über die Liste der Parteien? und   # eine rechtskräftige Entscheidung über die Anteilsrechte und  # eine rechtskräftige Entscheidung über die Eigentums-verhältnisse am Regulierungsgebiet?

So wenig wie die scheinbar „beiläufige“ Formulierung von der „bereits geschehenen Verwandlung“ angemessen das eigentliche Rechtsproblem einer Kette von „inhaltlich zusammenhängenden, rechtskräftigen Bescheiden“ erfassen kann, so wenig bringen die im Erk VfSlg 18.446/2008 offen gelegten Überlegungen zum Ausdruck, dass dieses Erkenntnis sich mit dem eigentlichen Problem der „inhaltlich zusammenhängenden, rechtskräftigen Bescheiden“ überhaupt auseinandersetzen wollte oder auseinander gesetzt hat.
Zu prüfen wäre gewesen, welchem Zweck die Regelung des § 69 TFLG dient?
Zu prüfen wäre gewesen, warum die Änderung des Regulierungsplanes gem § 69 TFLG 1996 an keinerlei einschränkende Bedingungen gebunden wurde?
Zu prüfen wäre gewesen, wie sich die Bestimmung des § 69 TFLG 1996 zu denjenigen Bestimmungen des Verfahrensrechts verhält, anhand derer die der Erlassung eines Regulierungsplanes strukturell vorgelagerten Bescheide in Rechtskraft erwachsen?

Es widerspricht jedweder Logik, dass eine Bestimmung, wie diejenige des § 69 TFLG, die Durchbrechung rechtskräftiger „Zwischenbescheide“ betreffend das Regulierungsgebiet, die Liste der Parteien und die Liste der Anteilsrechte erlauben würde.
Dass diese gesamte, unglaublich anspruchsvolle und grundlegende Problematik im Erk VfSlg 18.446/2008 nicht einmal andeutungsweise erörtert wurde, spricht für sich. Es spricht für sich, dass das Erk VfSlg 18.446/2008 nicht einmal einen Hinweis darauf gibt, dass eine Auseinandersetzung mit den „inhaltlich zusammenhängenden“ Bescheiden eines Regulierungsverfahrens überhaupt beabsichtigt war. Diese Problematik wurde übersehen, verkannt oder bei Seite geschoben. Das Erk VfSlg 18.446/2008 gibt keinerlei Aufschluss darüber, dass zur Problematik der Rechtskraft bei „inhaltlich zusammenhängenden“ Bescheiden auch nur irgendwelche Überlegungen angestellt wurden.

SIMSLBIM: GEMEINDEGUT ALS GEMEINDEEIGENTUM

Verkennen der Bauprinzipien des Teilungs- und Regulierungsrechts im Grundsätzlichen – Gemeindegut als Eigentum der Agrargemeinschaft

Das Erk VfSlg 18.446/2008 hat die Bedeutung des Begriffes „Gemeindegut“ im historischen Flurverfassungsrecht und dementsprechend die Bedeutung dieses Begriffes in den historischen Bescheiden der Agrarbehörde verkannt.

Wie der Verfassungsgerichtshof schon bereits im Erk VfSlg 19.262/2010 (B 639/10 vom 10.12.2010) festgestellt hat, wurde der Begriff „Gemeindegut“ im historischen Flurverfassungsrecht verwendet, um Eigentum einer Agrargemeinschaft zu bezeichnen.

VfGH 10.12.2010 B 639/10 ua, Pkt II A 2.3.6.3:

„… – der Bescheid könnte durchaus auch dahin ausgelegt werden, dass die bescheiderlassende Behörde auf den in § 36 Abs 2 lit d des
Flurverfassungslandesgesetzes vom 6. Juni 1935, LGBl. Nr. 42,
angeführten Begriff „Gemeindegut“ im Sinne von „Eigentum
der Agrargemeinschaft“ abstellte (vgl. hiezu Öhlinger, Das
Gemeindegut in der Judikatur des VfGH, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler
[Hrsg], Die Agrargemeinschaften in Tirol [2010] 223 [250 f.]) […].“

Der Begriff „Gemeindegut“ wurde somit im historischen Recht dafür verwendet, um Eigentum einer Agrargemeinschaft zu erfassen. Dies war und ist dem Verfassungsgerichthof offensichtlich bekannt. Im Erk VfSlg 18.446/2008 wurde dies nicht berücksichtigt.

VfSlg 9336/1982 Pkt III Z 2 Abs 1 der Begründung:

„Der VfGH ist mit der Vbg. Landesregierung aber auch der Meinung, dass das Bild des Gemeindegutes, das den Bodenreformgesetzes zugrunde liegt, ein völlig anderes ist. Grundsatzgesetz wie Ausführungsgesetz behandeln das Gemeindegut im Ergebnis wie eine einfache agrargemeinschaftliche Liegenschaft, die im Eigentum der Nutzungsberechtigten (oder der von ihnen gebildeten Gemeinschaft) steht. Dieses – im gemeinderechtlichen Befund nicht gedeckte – Bild der Bodenreformgesetze ist es, von dem auch die Tir. Landesregierung in ihrer Äußerung ausgeht; …“

Offensichtlich war und ist im Verfassungsgerichtshof bekannt, dass speziell auch die Tiroler Agrarbehörde (die Tiroler Landesregierung) immer davon ausgegangen ist, dass mit dem Begriff „Gemeindegut (in agrargemeinschaftlicher Nutzung)“ wahres Eigentum einer Agrargemeinschaft definiert wäre.

LAS Tirol vom 5.8.1969 LAS-104/17 (Gemeindegut Trins, Regulierung) unter dem Vorsitz des späteren Richters am Verfassungsgerichtshof Andreas Saxer:

„Da die Nutzung des Gemeindegutes rechtshistorisch gesehen aus der gemeinschaftlichen Allmendnutzung hervorgegangen ist, ist […] das Eigentum der Rechtsnachfolgerin der auf Gewohnheitsrecht beruhenden Realgemeinde, nämlich der körperschaftlich eingerichteten Agrargemeinschaft, einzuräumen.“

Diese Tatsache, nämlich die Verwendung des Begriffes „Gemeindegut“ in der Bedeutung von agrargemeinschaftlichem Eigentum – und zwar gerade auch und insbesondere in Tirol, wurde im Erkenntnis VfSlg 18.446/2008 bei Seite geschoben, übersehen, nicht berücksichtigt. Ausgehend von den hoch problematischen Sachverhaltsfeststellungen im erstinstanzlichen Bescheid, wonach die historische Agrarbehörde zu Gunsten der Agrargemeinschaft lediglich „nacktes Recht“ feststellen wollte sowie der ungeprüft übernommenen Feststellung, dass das Regulierungsgebiet ehemaliges Eigentum der Ortsgemeinde gewesen sei, wurden im Erk VfSlg 18.446/2008 folgende „generelle Rechtssätze“ formuliert:

„Das Problem dieses Verfahrens ist vielmehr ausschließlich die im Gesetz nirgends näher bedachte Rechtslage, die durch die Feststellung des Eigentums einer Agrargemeinschaft am Gemeindegut geschaffen wurde. Das für das Gemeindegut wesentliche Substanzrecht der Gemeinde muss hier – entgegen dem ursprünglichen (gemeinderechtlichen) Konzept des Gemeindegutes, das sie als Eigentümerin vorsieht, – als (möglicherweise im Ausmaß wechselnder) Anteil an der Agrargemeinschaft zur Geltung gebracht werden können.“ (VfSlg 18.446/2008 Pkt B. II. 2. Abs 4 der Begründung)

Diese Rechtsausführungen aus VfSlg 18.446/2008 gründen auf dem wesentlichen und grundsätzlichen Interpretationsfehler, dass das mit dem Erk VfSlg 9336/1982 definierte gemeinderechtliche Konzept und das gemeinderechtliche Verständnis des Begriffes „Gemeindegut“ in historische Bescheide „hinein“ zu interpretieren. Die Vorstellung, wonach Gemeindegut Eigentum einer Ortsgemeinde sein müsse, wurde in Bescheide „hineininterpretiert, welche aus einer Zeit stammen, als die Agrarbehörden den Begriff „Gemeindegut“ völlig anders verwendet haben. Eine solche Vorgangsweise ist methodisch vollkommen unvertretbar; es handelt sich um einen gravierenden und grundlegenden Fehler. Öhlinger hat ein solches Vorgehen aus seiner Sicht „bewertet“. Öhlingers Urteil ist eindeutig: Ein Vorgehen nach dem Muster in VfSlg 18.446/2008 widerspricht jedweder gebotenen juristischen Sorgfalt.

Der Begriff „Gemeindegut“ steht im Flurverfassungsrecht für unklare Eigentums- und Nutzungsverhältnisse. Die Agrarbehörde hatte zu prüfen und festzustellen, wer mit welchen Anteilen nutzungsberechtigt war und wer Eigentümer einer agrargemeinschaftlich genutzten Liegenschaft war. Dies war den Tiroler Agrarjuristen bekannt und hätte bei der Entscheidung zu VfSlg 18.446/2008 berücksichtigt werden müssen. Diese Fakten wurden im Erk VfSlg 18.446/2008 übersehen, verkannt oder ignoriert.

SIMSALABIM: KEIN SCHUTZ FÜR TEILGENOSSEN

Strukturbrüche und Verkenntnisse bei Analyse der Rechtsposition der anteilsberechtigten Mitglieder

Die im Schlussteil der Begründung des Erkenntnisses VfSlg 18.446/2008 vollzogene „Abstufung“ der Rechtsposition der Mitglieder besitzt zusätzliche „Qualität“ im negativen Sinn. Einleitend wurde der Sachverhalt in der regulierten Agrargemeinschaft rechtsirrig als gemeinsames Eigentum der Mitglieder und der Ortsgemeinde (organisiert als Agrargemeinschaft) beurteilt, am Ende des Erkenntnisses wurde derselbe Sachverhalt rechtsirrig als öffentlich-rechtliche Nutzungsrechte ohne Eigentumsschutz (so die Rechtsposition der Mitglieder der Agrargemeinschaft) und Eigentum gem Art 5 StGG bzw Art 1 1. ZPEMRK (so die Rechtsposition der Ortsgemeinde) beurteilt.

1. Schritt:
„Wenn die Agrarbehörden in den Sechziger Jahren also das Eigentum am  Gemeindegut auf die Agrargemeinschaft übertragen haben, war das  durch das Vorbild der echten Agrargemeinschaften vielleicht nahe gelegt,  im Blick auf das Ergebnis aber offenkundig verfassungswidrig.
Ist dieser Akt jedoch – wie hier – rechtskräftig geworden, ist Gemeindegut entstanden, das nun atypischerweise im gemeinsamen Eigentum der Gemeinde und der Nutzungsberechtigten steht und als Agrargemeinschaft organisiert ist (vgl. VfSlg. 17.779/2006).“

(VfSlg 18.446/2008 B II. 1. Abs 2. der Begründung)

2. Schritt: VfSlg 18.446/2008 B II. 4. der Begründung:

„Anders als die allgemein als öffentlich-rechtlich angesehenen, wenngleich auf Grund alter Übung nur bestimmten Gemeindemitgliedern zustehenden Nutzungsrechte ist der Anteil der Gemeinde an dem als agrargemein¬schaftliches Grundstück regulierten Gemeindegut als Surrogat ihres ursprünglichen (durch die Regulierung beseitigten) Alleineigentums und somit auch in Gestalt des bloßen Anteils an der Agrargemeinschaft jedenfalls Eigentum im Sinne des Art5 StGG bzw. Art1 1. ZP EMRK.“

Wie kann ein und derselbe Sachverhalt innerhalb desselben Erkenntnisses völlig unterschiedlich beurteilt werden? Wie soll das „Downgrading“ der Rechtsposition der Agrargemeinschaftsmitglieder auf „schutzlose Opfer“ mit deren Anteilsrecht vereinbar sein, welches der Natur der Sache nach keine andere Rechtsqualität besitzen kann wie die deckungsgleiche Rechtsposition der Ortsgemeinde? Und wie soll das „Downgrading“ der Rechtsposition der Agrargemeinschaftsmitglieder auf „schutzlose Opfer“ mit dem Nachfolgeerkenntnis vom 21.09.2010 VfSlg 19.150/2010, wonach Eigentumsschutz besteht, vereinbar sein?

3. Der aus VfSlg 19.150 hergeleitete Rechtssatz lautet:
„Der Eigentumsbegriff des Art1 1. ZPEMRK umfasst alle erworbenen Rechte mit Vermögenswert, ohne dass es darauf ankommt, ob die geschützte Rechtsposition privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Art ist (VfGH 4.3.2010, B982/09). Um eine solche Rechtsposition handelt es sich auch bei einem Anteilsrecht an einer Agrargemeinschaft (vgl. zum Grundrechtsschutz der Anteilsrechte an Agrargemeinschaften auch VfSlg. 18.446/2008, ferner VfGH 5.3.2010, B984/09 ua.; 8.6.2010, B974/09).“ 21.09.2010 VfSlg 19.150 Pkt II.2.1 der Entscheidungsbegründung.

Richtiger Weise wäre im Erk VfSlg 18.446/2008 klar zu stellen gewesen, dass a) aus einer rk Regulierung Substanzanteile entstehen, welche jedenfalls Eigentumsschutz genießen und dass b) auch öffentlich-rechtliche Nutzungsrechte, dem Eigentumsschutz unterliegen.

WAS FÜR DIE ORTSGEMEINDE GILT …

Kein Eigentumsschutz für Anteilsberechtigte? (Tausende Tirolerinnen und Tiroler sollen entschädigungslos enteignet werden?)

Das Erkenntnis VfSlg 18.446/2008 „verwandelte“ im ersten Schritt Eigentum der jP Agrargemeinschaft in gemeinschaftliches Eigentum der Ortsgemeinde und der nutzungsberechtigten Agrargemeinschaftsmitglieder.

Im zweiten Schritt wurde dieses „gemeinschaftliche Eigentum (Miteigentum?) der Mitglieder und der Ortsgemeinde in einen Anspruch auf Änderung des Regulierungsplanes verwandelt, dessen Umsetzung darauf abzielt, dass die „Substanz“ des Regulierungsgebietes der Ortsgemeinde zu Gute kommt. Im Erkenntnis VfGH B 1645/10 vom 28.2.2011 wurde die Rechtsposition der Ortsgemeinde – ebenfalls unter der Verantwortung des abgelehnten Richters als Referenten dahingehend präzisiert, dass der Ortsgemeinde die Substanz alleine und ausschließlich zustünde.

Dieser Alleinsubstanzanspruch der Ortsgemeinde könne deshalb durch eine Änderung der Anteilsrechte umgesetzt werden, weil die Anteilsrechte der Agrargemeinschaftsmitglieder nicht unter Eigentumsschutz stünden.

Wörtlich führt das Erk VfSlg 18.446/2008 folgendes aus:

VfSlg 18.446/2008 B II. 4. der Begründung:
„Anders als die allgemein als öffentlich-rechtlich angesehenen […] Nutzungsrechte ist der Anteil der Gemeinde […] als Surrogat ihres ursprünglichen (durch die Regulierung beseitigten) Alleineigentums und somit auch in Gestalt des bloßen Anteils an der Agrargemeinschaft jedenfalls Eigentum im Sinne des Art5 StGG bzw. Art1 1. ZP EMRK.“

Mit diesen Interpretationsschritten sind dem Gerichtshof gleich zwei fundamentale Rechtsirrtümer unterlaufen:
aa) Verkannt, ignoriert oder bei Seite geschoben wurde das grundlegende Strukturelement des Regulierungsverfahrens, nämlich dasjenige des Bescheides über die Feststellung der Parteien und ihrer Anteilsrechte, mit welchem Rechtspositionen geschaffen werden, welche dem verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz unterliegen;
bb) Verkannt, ignoriert oder bei Seite geschoben wurde, dass rechtskräftig regulierte „Nutzungsrechte“ vorliegen (Agrargemeinschaft Mieders war eine regulierte Agrargemeinschaft) und gerade nicht Gemeindegutsnutzungen in Form von öffentlich-rechtlichen Konzessionen.

Zu aa) Das Regulierungsverfahren beruht auf einem System rechtskräftiger, miteinander zusammenhängender Bescheide, deren Rechtswirkung zu berücksichtigen ist

„Vor der Beschlussfassung über den Regulierungsplan sind gemäß § 54 TFLG 1996 die Anteilsrechte zu ermitteln. Wird ein Übereinkommen nicht erzielt, sind die Anteilsrechte auf die gesetzlich vorgezeichnete Weise zu ermitteln. Nach Rechtskraft des Verzeichnisses der Anteilsrechte, setzt § 65 Abs 1 TLFG 1996 fort, ist der Regulierungsplan zu erlassen. Das Gesetz setzt im Sinn der vorgesehenen Verfahrensgliederung also die Rechtskraft des Bescheides über die Anteilsrechte voraus, bevor ein Regulierungsplan zu erlassen ist. Für den in § 54 und in § 65 Abs 1 TFLG geregelten Bescheid, der das Verzeichnis der Anteilsrechte beinhaltet, ist ein Eingriff in die Rechtskraft gesetzlich nicht vorgesehen.“ Diese Anforderung des Gesetzes an das Regulierungsverfahren, nämlich über die Anteilsrechte bescheidmäßig zu entscheiden, war in jeder Fassung des TFLG verankert.

Diesem fundamentalen Strukturelement eines jeden Regulierungsverfahrens wurde das Erk VfSlg 18.446/2008 nicht gerecht. Ohne das rk Anteilsverzeichnis auch nur zu erwähnen, fordert der Gerichtshof im Erkenntnis eine „Anpassung des Regulierungsplanes“. Dies nach dem Wortlaut der Formulierung. In Wahrheit fordert der abgelehnte Verfassungsrichter die Änderung der Beteiligungsverhältnisse, über welche jedoch im Regulierungsverfahren mit eigenständigem Bescheid, der der allgemeinen Rechtskraftwirkung unterliegt, entschieden worden ist. Dass über die Anteilsrechte bereits rechtskräftig entschieden worden ist und dass dieser Bescheid gerade nicht der nachträglichen Abänderung unterliegt, wurde übersehen oder bei Seite geschoben und übergangen.

Auch die Rechtsposition eines Nutzungsberechtigten an wahrem Eigentum der Ortsgemeinde unterliegt dem verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz. Öhlinger, Agrargemeinschaftliche Anteilsrechte und der Eigentumsschutz, in: Die Agrargemeinschaften in Tirol, 281 ff, sowie das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 21.09.2010 VfSlg 19.150 haben dies klargestellt.

Das Erkenntnis VfSlg 18.446/2008 ist somit durch das Erkenntnis VfSlg 19.150 überholt. Weil die Anteilsrechte der übrigen Mitglieder – entgegen der falschen Ansage des Erk VfSlg 18.446/2008 – unter verfassungsrechtlichem Eigentumsschutz stehen, ist die Änderung der Anteilsrechte wie im Erkenntnis VfSlg 18.446/2008 gefordert, gar nicht möglich.

Zu bb) Rechtskräftige Regulierung der Nutzungsrechte und „Verwandlung in Anteilsrechte“

Selbst wenn im Fall von Agrargemeinschaft Mieders von „echtem Gemeindegut“ auszugehen gewesen wäre, kann nicht der „Urzustand“ am Gemeindegut unterstellt werden. Im Erkenntnis VfSlg 18.446/2008 wurde das theoretische Konzept der Gemeindegutsnutzungen beurteilt (- entstanden durch Gemeinderatsentscheidung auf Eigentum der Ortsgemeinde als „Konzessionen“).

Damit wurde jedoch das eigentliche Thema des Erkenntnisses VfSlg 18.446/2008 klar verfehlt. Gegenstand der Beurteilung war die Situation „nach rechtskräftiger Regulierung“; Gegenstand der Beurteilung war die Situation, dass durch die rechtskräftige Regulierung „Anteilsrechte an der Substanz“ entstanden waren.
So hatte der Verfassungsgerichtshof die Rechtsfolgen einer rechtskräftigen Regulierung im Erkenntnis 9336/1982 dahingehend beurteilt, dass daraus Substanzanteile erwachsen: „Bedenken hat der Gerichtshof aber gegen die schematische Verwandlung bloßer Nutzungsrechte an öffentlichen Sachen in Anteilsrechte an der Gemeinschaft und damit in eine Teilhabe an der Substanz. Die undifferenzierte Einbeziehung des Gemeindegutes in eine auf bestehende agrarische Gemeinschaften abgestellte Regelung scheint nämlich durch Gleichsetzung von Nutzungsrechten und Anteilen den Inhalt der Rechtspositionen ohne sachliche Rechtfertigung zu erweitern: Während den in einer Agrargemeinschaft zusammengefaßten Anteilsberechtigten die Sache selbst zusteht, ist den am Gemeindegut Berechtigten nur die widmungsmäßige und das heißt: nur eine bestimmte beschränkte, nicht alle möglichen Verwendungsweisen der Sache umfassende Nutzung (im vorliegenden Fall etwa der Bezug von Holz) zugewiesen.“ (VfSlg 9336/1982 Pkt I Z 3 – Zusammenfassung der Überlegungen im Einleitungsbeschluss zum Gesetzesprüfungsverfahren)

Gegenstand der Beurteilung, war die Situation, dass durch die rechtskräftige Regulierung – eine Rechtsfolge des Regulierungsverfahrens, mit welchem sich das Erk VfSlg 9336/1982 noch ausführlich auseinandersetzte – Substanzanteile entstanden sind.
Diese Ausgangssituation wurde im Erk VfSlg 18.446/2008 missverstanden oder bei Seite geschoben. Die Tatsache, dass die rk Regulierung „Anteilsrechte“ hervorbringt, die „Substanz“ umfassen, wurde verkannt, bei Seite geschoben, nicht berücksichtigt. Dies durch den unzutreffenden Rückgriff auf einen theoretischen „Urzustand“, das „unregulierte Gemeindegut“, der die Rechtsposition der anteilsberechtigten Mitglieder als solche „minderer Qualität“ erscheinen lässt. Der Hinweis auf angebliche „Gemeindegutskonzessionen“, welche keinem Eigentumsschutz unterliegen würden, ist bestenfalls eine Scheinbegründung für die Behauptung, die Mitglieder einer Agrargemeinschaft würden keinen Eigentumsschutz genießen.

… SOLL FÜR TEILGENOSSEN NICHT GELTEN?

Die zusammenfassende Beurteilung des Gerichtshofes unter dem Aspekt des Eigentumsschutzes, der dem Staat in Form der Ortsgemeinde zugestanden wurde, den Stammliegenschaftsbesitzern jedoch – offenkundig zu Unrecht – aberkannt wurde, macht die Summe an Rechtswidrigkeit nochmals deutlich:

„… der Anteil der Gemeinde [… ist] als Surrogat ihres ursprünglichen (…) Alleineigentums […] jedenfalls Eigentum im Sinne des Art5 StGG bzw. Art1 1. ZP EMRK. Denkunmögliche Gesetzesanwendung stellt daher auch eine Eigentumsverletzung im Sinne dieser Verfassungsbestimmung dar. Als denkunmögliche Gesetzesanwendung ist aber die anhaltende Verweigerung der Berücksichtigung des Substanzwertes bei Bemessung der Anteile zu werten. War nämlich die Entscheidung der Behörde in den Jahren 1962/63, das Eigentum der neugeschaffenen Agrargemeinschaft zuzuordnen, bei damals gegebener Sachlage vielleicht noch hinnehmbar, vernichtet die nunmehrige Weigerung, den Substanzwert zu berücksichtigen, das Vermögensrecht der Gemeinde.“ (VfSlg 18.446/2008 Pkt B II. 4. der Begründung, Hervorhebungen vom Verfasser)

Die „Rasanz“, mit der hier über alles „hinweggefegt wird“, was Österreichisches Verfahrensrecht und materielles Österreichisches Recht zu bieten hat, ist geradezu atemberaubend. Bevor im Detail auf diese zentrale Stelle im Erkenntnis eingegangen wird, soll Theo Öhlinger zu Wort kommen. Theo Öhlinger, Agrargemeinschaftliche Anteilsrechte und der Eigentumsschutz, in: Die Agrargemeinschaften in Tirol, 296: „Die Rechtskraft des das Regulierungsverfahren abschließenden Bescheides erlaubt nur die Annahme, dass diesfalls das gesamte Eigentum (zur Gänze) auf die Agrargemeinschaft übertragen wurde. Diesen Bescheiden mag im Lichte der Judikatur des VfGH (Slg 9336/1982 und 18.446/2008) eine unrichtige Rechtsauffassung zugrunde gelegen haben, sofern die agrargemeinschaftlichen Grundstücke tatsächlich „wahres“ Eigentum der politischen Gemeinde darstellten. Das näher zu prüfen erübrigt sich aber schon wegen der Rechtskraft, die ursprünglich fehlerhafte Rechtsakte unanfechtbar macht.

Die Unanfechtbarkeit eventueller formeller oder inhaltlicher Fehler, die von den Parteien nicht innerhalb der gesetzlichen Frist durch ein Rechtsmittel bekämpft wurden, macht geradezu das Wesen der materiellen Rechtskraft verwaltungsbehördlicher Bescheide aus. Ein einmal rechtskräftig gewordener Bescheid begründet eine Rechtsposition, die – wenn die dazu von der Judikatur entwickelten Kriterien erfüllt werden (siehe zuvor A. 3.) – zweifellos „Eigentum“ im verfassungsrechtlichen Sinn bildet.“ Theo Öhlinger, Agrargemeinschaftliche Anteilsrechte und der Eigentumsschutz, in: Die Agrargemeinschaften in Tirol, 296

Das Erk VfSlg 18.446/2008 versucht, den Eigentumseingriff zu Lasten der Ortsgemeinde (wahres Eigentum derselben vorausgesetzt) in die Gegenwart zu verlegen, indem die Anteilsfestsetzung als „dynamischer Prozess“ dargestellt wird. Eine rechtskräftige Entscheidung über die Anteilsrechte scheint nicht zu existieren; schützenswertes Eigentum wird nur auf Seiten der Ortsgemeinde vermutet. Auf oben bereits Gesagtes ist zu verweisen. Die Textstelle in VfSlg 18.446/2008 Pkt B II Z 4 spricht für sich. Die historisches Entscheidung sei vielleicht noch hinnehmbar gewesen; die Nicht-Änderung aus heutiger Sicht stelle die Eigentumsverletzung dar!

ZUSAMMENFASSUNG: DER GEMEINDEGUTSIRRSINN

Im Erk VfSlg 18.446/2008 konnte das ehemalige Eigentum der Ortsgemeinde am Regulierungsgebiet auf der Sachverhaltsebene vorausgesetzt werden, weil es unbestritten im erstinstanzlichen Bescheid festgestellt war. Ausdrücklich hatte der VfGH im Erkenntnis VfSlg 18.446/2008 darauf hingewiesen, dass im Verfahren zu keinem Zeitpunkt behauptet wurde, dass im Fall der AGM Mieders nicht Gemeindegut im gemeinderechtlichen Sinn (dh ehemaliges Eigentum der Ortsgemeinde) vorgelegen hätte. Weil die Gemeinde ursprünglich im Grundbuch einverleibt war, wurde auch kein Anlass zu einer amtswegigen Hinterfragung dieser unbestrittenen Feststellung gesehen.

Im Erkenntnis VfSlg 18.933/2009, dem ersten Erkenntnis nach VfSlg 18.446/2008 „sprengt“ der VfGH ohne erkennbaren Grund und ohne weitere Begründung die wesentlichen Grundlagen des Erkenntnisses VfSlg 18.446/2008. Der in VfSlg 18.446/2008 entwickelte „Restitutionsanspruch der Ortsgemeinde (Öhlinger, Pernthaler) wurde vom „zentralen Tatbestandselement“ „ehemaliges Eigentum der Ortsgemeinde“ befreit. Das zentrale Tatbestandselement, das ehemalige Eigentum der Ortsgemeinde, wurde als notwendige Tatbestandsvoraussetuzung fallen gelassen; die historischen Eigentumsverhältnisse, die bestritten waren, wurden vom Gerichtshof nicht weiter geprüft.

„Der Umstand, dass die im angefochtenen Bescheid als Teilwälder qualifizierten Flächen im grundlegenden, für die ursprüngliche Qualifikation maßgeblichen Bescheid vom 15. November 1961 (Verzeichnis der Anteilsrechte für die Regulierung der ehemaligen Hauptfraktion Obsteig) als Grundstücke iSd §36 Abs2 litd TFLG und damit als Gemeindegut qualifiziert wurden, hat jedoch – wie sich aus dem Erkenntnis VfSlg. 18.446/2008 ergibt – zur Konsequenz, dass die Behörde für Zwecke der Zuordnung und Bestimmung des Substanzwertes zu prüfen haben wird, ob die Bedeutung nicht land- und forstwirtschaftlicher Nutzungen zugenommen hat und Änderungen in den maßgeblichen Verhältnissen auch insoweit eine Änderung des Regulierungsplanes rechtfertigen oder erfordern könnten.“ (VfSlg 18.933/2009 B995/09 vom 05.12.2009, Pkt III Z 4.2 aE der Begründung)

Bedenkt man, was der Gerichtshof im Erkenntnis VfSlg 18.446/2008 aus der behaupteten „offenkundigen Verfassungswidrigkeit“, dem Eigentumseingriff, alles abgeleitet wurde, so ist es in hohem Maße irritierend, wenn im Erkenntnis VfSlg 18.933/2009 ein Anspruch der Ortsgemeinde auf den Substanzwert losgelöst von jedwedem Erfordernis verfassungskonformer Interpretation der Regulierungsakte konstruiert wurde. Das Erkenntnis VfSlg 18.446/2008 folgte einem klaren Aufbau im Gedankenduktus; der Substanzwertanspruch als Anteilsrecht wurde verfassungskonform aus bestimmten Teilaspekten und Tatbestandselementen eines als rechtswidrig beurteilten historischen Vorganges abgeleitet:
 # ehemaliges Eigentum der Ortsgemeinde
 # gemeinsames Eigentum der Mitglieder und der Gemeinde
 # ein Anteilsrecht der Ortsgemeinde, das angepasst werden muss, um die verfassungswidrige Behandlung des Gemeindegutes nicht fortzusetzen
 # Eigentumsschutz für die Ortsgemeinde
 # kein Eigentumsschutz für die Stammliegenschaftsbesitzer.

All das scheint nach dem Gedankenduktus des Erkenntnisses VfSlg 18.933/2009 unnotwendig. Im Erkenntnis wird „Substanzrecht der Ortsgemeinde“ als (simple) Konsequenz einer historischen „Gemeindegutsbeurteilung“ dargestellt.

VfSlg 18.933/2009 vom 05.12.2009, Pkt III Z 4.2 aE der Begründung: „Der Umstand, dass die als Teilwälder qualifizierten Flächen im grundlegenden, für die ursprüngliche Qualifikation maßgeblichen Bescheid vom 15. November 1961 (Verzeichnis der Anteilsrechte für die Regulierung der ehemaligen Hauptfraktion Obsteig) als Grundstücke iSd §36 Abs2 litd TFLG und damit als Gemeindegut qualifiziert wurden, hat jedoch zur Konsequenz, dass die Behörde für Zwecke der Zuordnung und Bestimmung des Substanzwertes zu prüfen haben wird, ob die Bedeutung nicht land- und forstwirtschaftlicher Nutzungen zugenommen hat und Änderungen in den maßgeblichen Verhältnissen auch insoweit eine Änderung des Regulierungsplanes rechtfertigen oder erfordern könnten.“

# Egal soll dabei sein, dass die historische Agrarbehörde unter dem Begriff „Gemeindegut“ Eigentum einer Agrargemeinschaft verstanden hat;
# egal soll sein, wer wahrer Eigentümer war, weil verfassungskonforme Interpretation nunmehr verzichtbar scheint (niemand fragt nach dem wahren Eigentümer);
 # egal soll schließlich sein, ob die historische „Gemeindegutsbeurteilung“ rechtsirrig zustande kam oder nicht.

Weil die wahren Eigentumsverhältnisse nicht geprüft werden, scheidet offensichtlich auch eine Überprüfung der historischen „Gemeindegutsbeurteilung“ aus. Damit soll die historische Agrarbehörde unüberprüfbar und ungeprüft vom Eigentum der Agrargemeinschaft den „Substanzwert“ weggenommen und auf die Ortsgemeinde übertragen haben – allseits unbewusst und ohne Rechtsgrundlage im Gesetz?

Tatsächlich handelte es sich jedoch bei den Tatbeständen gem § 15 FlVerfGG 1951 um eine Zuständigkeitsregelung.
Anknüpfungspunkt für die Wirksamkeit der Agrarbehörden sind „agrargemeinschaftliche Grundstücke“. Die Agrarbehördenentscheidung hat rein formal bei einem Tatbestand entsprechend § 15 FlVerfGG 1951 anzuknüpfen (§§ 36 TFLG 1935, § 36 TFLG 1952, § 32 TFLG 1969; § 33 TFLG 1978, § 33 TFLG 1996).

Soll diese Zuständigkeitsentscheidung Enteignungswirkung entfalten?

Damit würde zu Lasten der Agrargemeinschaften ein Vorgang und ein Ergebnis unterstellt, welches man zu Lasten der Ortsgemeinden an sich vermeiden wollte!

Der Substanzwertanspruch der Ortsgemeinde soll entstanden sein, obwohl
a) der historische Agrarbeamte ein solches Regulierungsergebnis gar nicht hervorbringen wollte,
b) der historische Agrarbeamte gar nichts von einem solchen Regulierungsergebnis wusste,
c) keiner der Beteiligten von einem solchen Regulierungsergebnis wusste,
d) unabhängig von den wahren Eigentumsverhältnissen und somit gegebenenfalls auch zu Lasten eines wahren Eigentümers?

Welche Methode hier angewandt wurde, um solche Interpretationsergebnisse hervorzubringen, ist nicht nachvollziehbar.
Weder die Wortinterpretation oder die grammatikalische Interpretation, noch die historische Interpretation oder die teleologische Interpretation vermögen das behauptete Ergebnis zu stützen.
„Verfassungskonform“ kann jedenfalls nicht interpretiert worden sein, weil deren „Bezugspunkt“, nämlich der wahre historische Eigentümer, nicht erhoben wurde.

Max Paua