Als führender Theoretiker der Österreichischen Sozialdemokratie und Begründer des Austromarxismus agierte Dr. Otto Bauer viele Jahre am äußerst linken Spektrum der Österreichischen Sozialdemokratie. Bauers revolutionsaffine Rhetorik propagierte im Sinn der Thesen von Karl Marx den Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus; dies als historische Notwendigkeit. Kreisky sprach im Blick auf Otto Bauers marxistisch beeinflusste Kampfrethorik von furchtbaren verbalen Fehlern. Andererseits, betont Kreisky, habe der Verbalradikalismus des Otto Bauer sehr dazu beigetragen habe, die Spaltung der österreichischen Sozialdemokratie zu verhindern.
Otto Bauers vielschichtige Ideenwelt entsprach einer Mischung von objektivierter Analyse und Wunschdenken, Marxismus und anderen zeitbedingten Einflüssen. Aus der Erkenntnis, dass eine sozialistische Revolution alleine mit der Arbeiterschaft in den Städten nicht zu erreichen sei, resultierten seine umfangreichen Kampfschriften zur sozialistischen Agrarpolitik: „Der Kampf um Wald und Weide“ (1925); „Sozialdemokratische Agrarpolitik“ (1926) und „Das sozialdemokratische Agrarprogramm“ vom 16.11.1925. Im Ergebnis ging es Otto Bauer darum, auch dem „ländlichen Proletariat“ ein Revolutionsziel vor Augen zu führen; dies in Erscheinung der Allmenden, an denen in der Zeit nach einer sozialistischen Revolution allen Gemeindebewohnern und nicht nur den eingesessenen Bauern ein gleicher Anteil zuerkannt werden sollte.
RÄUBER IN DEN GEMEINDEVERTRETUNGEN
Anknüpfend an die Thesen des Walter Schiff, wonach in Wahrheit die moderne politische Ortsgemeinde Eigentümerin aller Allmendgründe sei, erklärt Otto Bauer die realen Eigentumsverhältnisse als Ergebnis von Willkür und Machtmissbrauch. Otto Bauer dazu in seiner Kampfschrift „Der Kampf um Wald und Weide“: Der Ausgang des Kampfes wurde vor allem durch die Machtverhältnisse innerhalb der Dörfer bestimmt. Die Gemeindevertretungen wurden aufgrund von Wahlordnungen gewählt, die das Dorfproletariat vom Wahlrecht ausschlossen. Die privilegierte Schicht verfügte daher über die Mehrheit in der Gemeindevertretung. Die Gemeindevertretungen, deren Aufgabe es gewesen wäre, das Gemeindegut, das die Privilegierten rauben wollten, zu verteidigen, waren selbst Organe der privilegierten Räuber.“ (Otto Bauer, Der Kampf um Wald und Weide, Werksausgabe Bd 3, 135)
Kritik:
Es versteht sich von selbst, dass Otto Bauer der Frage, ob und inwieweit die modernen, politischen Ortsgemeinden tatsächlich ein Eigentum an den historischen Nachbarschaftsliegenschaften erworben hätten, wenig Beachtung schenkte. Sein Interesse war es vielmehr, wahre Eigentümer als Privilegienritter und „Räuber“ darzustellen, deren Treiben durch die sozialistische Revolution ein Ende zu setzen sei.
Auf dem Niveau solcher politischer Agitation kann freilich eine juristische Auseinandersetzung nicht mehr geführt werden!