Category Archives: Enteignung in Tirol

Landraub in Tirol:
„Heiliger Josef!
Alles Lug und Trug!“

Mit der Novelle zum Tiroler Flurverfassungs-Landesgesetz 2014, in Tirol in Kraft seit 1. Juli 2014, wurden die Tiroler Agrargemeinschaften – und nur diese als einzige in ganz Österreich – unter „Substanzverwaltung“ gestellt. Es handelt sich um eine für Tirol erfundene, spezielle Form der Sachwalterschaft zur staatlichen Ausbeutung jenes Privateigentums, das in den wichtigsten Tiroler  Agrargemeinschaften organisiert ist.  (150.000 Ha Grund und Boden und 50 Mio Eur Chash)

Die von den Mitgliedern autonom gewählten Organe, der Obmann und der Ausschuss, wurden ausgeschaltet. Das Bargeld und die Kasse, alle Konten und Sparbücher, alle Schlüssel und Codewörter sowie alle Verwaltungsunterlagen mussten ausgeliefert werden. Das gesamte vorhandene Vermögen wurde zu Gunsten der Ortsgemeinde mit Beschlag belegt. Miteigentümer, denen volles Verfügungsrecht zustand und alle Vorteile aus dem Eigentum, wurden zu Bettlern gemacht.

Eine Entschädigung für diesen Vermögenstransfer wurde nicht vorgesehen und kein Bereicherungsausgleich – auch nicht für Investitionen und erbrachte Eigenleistungen. Die Tiroler Agrargemeinschaftsmitglieder sollen entschädigungslos auf ein Milliarden-Euro-Vermögen verzichten; dies zu Gunsten des Staates.

 

Eine scheinbare Legitimation findet diese Vorgehensweise durch ein Erkenntnis des Verfassungsgerichts  in Wien betreffend die Tiroler Agrargemeinschaft Mieders aus dem Jahr 2008 (VfSlg 18.446/2008 – Mieders-Erk). In diesem Erkenntnis wurde das historische Agrarverfahren  über die Eigentumsverhältnisse an ca 800 ha Wald- und Almflächen in Mieders völlig falsch verstanden: Die von Anfang der 1960er Jahre stammende, seit Jahrzehnten rechtskräftige Entscheidung der Agrarbehörde über die Frage, wer der wahre  Eigentümer des Gemeinschaftswaldes sein, wurde als eine „offenkundig verfassungswidrige Verletzung des Eigentumsrechts der Ortsgemeinde“ hingestellt. Dabei wurde die historische Bedeutung des Begriffes „Gemeinde“ falsch hingestellt (mehr dazu) und die Kompetenz und Aufgabe der Agrarbehörde (mehr dazu). Wenn rechtskräftig entschieden wurde, dass eine Agrargemeinschaft Eigentümerin war, dann wäre diese rechtskräftige Entscjeidung des „zuständigen Richters“ zur Kenntnis  zu nehmen.

Der Verfassungsgerichtshof hat im so genannten „Mieders-Erk“ von 2008 Unklarheiten in den maßgeblichen Bescheiden der Agrarbehörde unterstellt. Diese müssten deshalb „verfassungskonform“ so interpretiert werden, dass der Ortsgemeinde ein Substanzrecht zustünde. (mehr lesen)

Scene 6

Aus einem Behördenspruch, wonach ein Eigentum der Agrargemeinschaft vorliegt, wurde so ein Behördenspruch, der angeblich Substanzrecht der Ortsgemeinde festgestellt haben soll. Das Verfassungsgericht hat so einer seit Jahrzehnten rechtskräftigen Entscheidung inhaltlich den geradezu gegenteiligen Sinn gegeben. Aus Eigentümern wurden Bettler gemacht, die nur einen konkreten Naturalbedarf stillen dürfen.

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Der VfGH: Die verfassungskonforme Interpretation der historischen Bescheide führe zu der Erkenntnis, dass die Agrarbehörde die Rechtsnatur dieser Liegenschaften als ein „Gemeindegut“ konservieren wollte. Deshalb existiere an diesen Liegenschaften ein Substanzrecht der Ortsgemeinde, weil es dem Gemeindegut wesensimmanent sei, dass die „Substanz“ der Ortsgemeinde gehöre.

Dies alles ungeachtet der historischen Behördenentscheidung, wonach das Eigentumsrecht am konkreten „Gemeindegut“ in Mieders der Agrargemeinschaft Mieders zusteht. Und: Wegen dieses „Substanzrechts“ der Ortsgemeinde wäre die Agrarbehörde verpflichtet, den Regulierungsplan so zu ändern, dass das Recht der Ortsgemeinde auf die Substanz im neuen Wortlaut des Regulierungsplanes zum Ausdruck komme.

Alle Rechtssätze, die zu diesem Ergebnis geführt haben, hat das Verfassungsgericht „aus dem Hut gezaubert“ – freie Erfindung statt Recht, zu dem Zweck, die agrargemeinschaftlichen Güter für den Staat zu gewinnen.

Diesem Substanzrecht der Ortsgemeinde wurden in der Folge alle Funktionen des Eigentumsrechts zugeordnet, einschließlich Holz- und Weideerträgnisse, Jagdpacht und alle „zivilen Nutzungen“ wie Schiservituten, Parkplatzmieten, alle Gebäudenutzungen und der Nutzen aus sonstigen Einrichtungen, ohne Unterschied, ob die Mitglieder diese errichtet haben – Teilgenossen, die Miteigentümer waren, wurden in Teilgenossen transformiert, die nur mehr eingeschränktes Nutzungsrecht besitzen!

Begünstigt wurde diese Entscheidung des Verfassungsgerichts dadurch, dass bei der Tiroler Grundbuchanlegung (ca 1898 bis 1940) die agrargemeinschaftlichen Liegenschaften – in Ermangelung einer bestehenden Agrargemeinschaft – häufig auf „Gemeinde“ oder „Fraktion“ einverleibt wurden. Diese Eintragungen müssen richtig interpretiert werden: das Eigentum der historischen Nachbarschafts-Gemeinde bzw der Nachbarschafts-Fraktion ist von wahrem Eigentum der neuen politischen Ortsgemeinde zu unterscheiden. Das hat das Verfassungsgericht unterlassen.

Das Mieders-Erkenntnis 2008 unterstellt deshalb zu Unrecht, dass der Ortsgemeinde im Regulierungsverfahren rechtswidrig ein Eigentum entzogen wurde. Die Frage, ob die Ortsgemeinde Mieders im Jahr 1909 überhaupt die wahre und richtige Eigentümerin war, wurde nicht geprüft, ja nicht einmal angesprochen. Vielmehr hat sich das Verfassungsgericht vom verwendeten Begriff „Gemeindegut“ blenden lassen, ohne zu prüfen, ob überhaupt ein wahres Eigentum der Ortsgemeinde vorlag.

Mit all diesen Details des Mieders-Erkenntnisses 2008 hat sich der Tiroler Landesgesetzgeber nie auseinandergesetzt. Weder wurde aufgedeckt, dass das Mieders-Erk 2008 die historische Eigentumsverletzung  der Ortsgemeinde nur fingiert hat, noch wurde berücksichtigt, dass mit erfundenen Rechtssätzen übelste Rabulistik betrieben wurde.

Der mediale Shitstorm, der über Jahre über den Tiroler Bauern nieder ging, machte eine Hinterfragung des Richterspruches durch den Gesetzgeber entbehrlich. Die Bauern hätten das Diebsgut vergangener Jahrzehnte herauszugeben – so der politische und gesellschaftliche Konsens. Den politischen Ortsgemeinden sei Wiedergutmachung zu leisten – so der politische und gesellschaftliche Konsens.  

Diesem politischen und gesellschaftlichen Konsens hat sich sogar die politische Vertretung der Tiroler Bauern angeschlossen.  Dies alles ohne valide Prüfung, ob die Tiroler Ortsgemeinden jemals ein wahres Eigentum an Agrargemeinschaftsliegenschaften besessen hatten und entgegen den Prüfungspflichten, die das Verfassungsgericht in einem jüngeren Erkenntnis verpflichtend aufgestellt hat (Unterlangkampfen-Erk 2010)

Tatsächlich hatten die Tiroler Ortsgemeinden nie ein wahres Eigentum besessen, sondern bloße Scheinansprüche aus falschen Eintragungen in die öffentlichen Eigentumsregister; die historischen Nachbarschaften hatten ihr Eigentum nie an die Ortsgemeinden verloren, sondern es hatte eine Verwechslung wegen Namensgleichheit Platz gegriffen. Die Liegenschaften waren de facto „gemeindeverwaltet“ ohne die Rechtsgrundlage eines wahren Eigentumstitels. 

In der Praxis wurde diese Organisationsform „Gemeindegut“ genannt und die Liegenschaften wurden als „Gemeindegut“ im Sinn der Tiroler Gemeindeordnung verwaltet. Die irreführende Grundbucheintragungen – mit zahllosen Falscheintragungen – in Verbindung mit der Tatsache einer Gemeindeverwaltung, schafft freilich kein Eigentum der Ortsgemeinde. Genutzt wurden diese Liegenschaften nämlich von den Mitgliedern der jeweiligen Nachbarschaft!

Das „atypische Gemeindegut“ mit einem substanzlosen Eigentum bei der Agrargemeinschaft und einem eigentumslosen Substanzrecht der Ortsgemeinde erinnert sehr an das mittelalterliche Feudalsystem: Bauern und Bürger haben eingeschränkte  Nutzungsrechte abhängig von der Gnade jeweiligen Feudalherren. Anstelle der alten Feudalherren hat der Tiroler Landesgesetzgeber die Gemeinde- und Landespolitiker gesetzt. Und das alles unter dem Deckmäntelchen vermeintlicher Beseitigung historischen Unrechts!

 

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WIE DIE KOLCHOSEN NACH TIROL KAMEN

Seit dem Jahr 2008 vollzieht sich in Tirol die umfangreichste Umgestaltung in den Eigentumsverhältnissen seit dem Bestehen der II. Republik. Ursprünglich bäuerliches Gemeinschaftsgut, in sog. „agrarischen Operationen“ rechtskräftig als ein Eigentum von Agrargemeinschaften festgestellt, wird durch den Landesgesetzgeber in eine Sonderform des öffentlichen Eigentums, verwandelt, “atypisches Gemeindegut” genannt. Dieses „atypische Gemeindegut“ ist zwar dem Buchstaben nach ein Eigentum der Agrargemeinschaft; der Sache nach wurde dieses Gut jedoch in ein Staatseigentum verwandelt und einer Staatsverwaltung unterstellt. Der Staat verfügt nunmehr über dieses Eigentum im Wege von „Substanzverwaltern“, die dem Gemeinderat weisungsgebunden sind und der Staat zieht den Nutzen daraus.

STAATSKOMMISSARE ALS VERWALTER

Alle Verfügungsbefugnisse über dieses Eigentum und die Erträgnisse sollen dem Staat zustehen. Der Staat verfügt in der Person von Staatskommissaren, die der Gemeinderat bestellt, so genannte “Substanzverwalter”. Dieser Substanzverwalter ist gegenüber dem Gemeinderat weisungsgebunden. Die von den Agrargemeinschaftsmitgliedern gewählten Organmitglieder, der Obmann und der Ausschuss, wurden entmachtet. Per 01. Juli 2014 waren die Gemeinschaftskasse, alle Konten der Agrargemeinschaft und die Sparbücher, alle Schlüssel und Verwaltungsunterlagen an den Staatskommissar auszuliefern. Eine in der Praxis relevante Restzuständigkeit der gewählten Agrargemeinschaftsorgane besteht nicht. Die Verfügungsgewalt liegt seither alleine beim Staat und den Nutzen aus den Verfügungen kassiert ebenfalls der Staat. Anders als ein Sachwalter, der im Interesse eines Geschäftsunfähigen handeln muss und den Nutzen des Geschäftsunfähigen befördert, handelt der Substanzverwalter nicht zum Nutzen der bisherigen Anteilsberechtigten, der Agrargemeinschaftsmitglieder. Zweck und Ziel der Tätigkeit eines Substanzverwalters ist es, den Nutzen und die Erträgnisse aus dem Eigentum, die Mieten, Pachten und Verkaufserlöse dem Staat, konkret der Ortsgemeinde zuzuwenden. Nach formellem Recht ist der Substanzverwalter zwar ein Organ der Agrargemeinschaft; dieses Organ handelt jedoch nicht im Interesse der Agrargemeinschaft. Der Substanzverwalter funktioniert als Organ der der Agrargemeinschaft nicht anderes als ein Kuckucksei: Als implantiertes Staatsorgan soll er den Nutzen aus dem ursprünglichen Gemeinschaftsgut dem Staat zuwenden!

DER STAAT NIMMT ALLES!

Obwohl neben dem Substanzverwalter die Organisation der nutzungsberechtigten Agrargemeinschaftsmitglieder bestehen blieb, wurden keinerlei Einnahmen für eine Gemeinschaftsorganisation der Mitglieder gewidmet. Zur Förderung eines Gemeinschaftszweckes der Mitglieder gibt es keine Mittel mehr. Unter einem werden die Nutzungsrechte der Mitglieder massiv zurück gedrängt. Den Mitgliedern soll nur mehr ein “historischer Hof- und Gutsbedarf” zustehen, den die Agrarbehörde für jede Agrargemeinschaft gesondert kalkuliert. Angeknüpft wird bei den Zufallsverhältnissen im Zeitpunkt der Regulierung: So werden die Mitglieder beispielweise an einem, wegen kriegsbedingter Übernutzung stark verringertem Einschlag in den 1950er Jahren festgemacht; alle Vorteile aus Pflegemaßnahmen für die Waldkultur der letzten 60 Jahren werden dem Staat zugewendet. Rechtskräftig regulierte aliquote Anteilsrechte werden so ad absurdum geführt. Die autonome Verwaltung der Stammliegenschaftsbesitzer wurde somit ausgeschaltet. Es wurde ein staatliches Obereigentum eingeführt, das über die Verwaltungsstrukturen der Ortsgemeinden kontrolliert wird. Für dieses Obereigentum wurde ein neuer Rechtsbegriff geprägt, den es so bisher in der Österreichischen Rechtsordnung nicht gegeben hat: das „Substanzrecht“. Dieses „Substanzrecht“ hat der Tiroler Landesgesetzgeber so ausgestattet, dass dieses inhaltlich sowohl das Verfügungseigentum umfasst, als auch das Nutzungseigentum. Die bisherigen Eigentümer, die nutzungsberechtigten Stammliegenschaftsbesitzer, wurden auf den Status von Bittstellern gedrückt, die das bisherige Gemeinschaftsvermögen nur mehr dann nutzen dürfen, wenn diese einen konkreten Bedarf als Grundlage für ein Nutzungsrecht nachzuweisen können. Der Sache nach ist dieser Bedarf beschränkt auf Holznutzung und Weidenutzung. Diese in der II. Republik in Österreich beispiellose Vermögensverschiebung von den Privaten zum Staat gründet auf zwei Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes, dem so genannten „Mieders-Erkenntnis“ von 2008 und dem so genannten „Pflach-Erkenntnis“ von 2013. Diesen Erkenntnissen liegt ein fiktiver “ Raub am Gemeindegut” zu Grunde. Den Ortsgemeinden seien im Zuge der Regulierung die agrargemeinschaftlichen Flächen zu Unrecht entzogen worden.

WIEDERGUTMACHUNG ALS VORWAND

Die Konstruktion des “atypischen Gemeindeguts” wird als eine Maßnahme der Wiedergutmachung hingestellt. Der Verfassungsgerichtshof brachte seine Thesen dazu im Mieders-Erkenntnis 2008 VfSlg 18.446/2008 wie folgt auf den Punkt: Schon längst wäre es die Aufgabe der Agrarbehörde gewesen, den Regulierungsplan der Agrargemeinschaft so zu ändern, dass der Ortsgemeinde Mieders zu ihrem Recht auf die Substanz des agrargemeinschaftlichen Eigentums verholfen wird. Im Pflach-Erkenntnis vom 02.10.2013, VfSlg 19.802/2013, legte der Verfassungsgerichtshof noch eines drauf: Er definierte den Umfang des Rechts der Ortsgemeinde auf die Substanz: Sämtliche Erträgnisse aus dem agrarischen Gemeinschaftseigentum seien davon umfasst; ausgenommen wurde nur das „historische Mitgliederrecht“, der so genannte „historische Hof- und Gutsbedarf“. In Konsequenz des Pflach-Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 19.802/2013 entschied sich der Tiroler Landesgesetzgeber zu dem bereits beschriebenen radikalen Schnitt: Ein über Jahrzehnte von den nutzungsberechtigten Mitgliedern autonom verwaltetes Miteigentum wurde mit Stichtag 01. Juli 2014 in Staatseigentum umgewandelt; den von den Mitgliedern beschickten Organen Ausschuss und Obmann wurde jede Verfügungsbefugnis entzogen. Diese Maßnahmen sollen entschädigungslos greifen, ungeachtet neu geschaffener Werte und Verbesserungen, ungeachtet vorhandener Ersparnisse.

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WAHRHEIT ODER FIKTION?

Tatsache ist, dass der “Raub am Gemeindegut” lediglich ein fiktiver ist. Tatsächlich haben die Agrarbehörden den Ortsgemeinden nicht rechtswidrig ein Gut entzogen. Ein rechtswidriger Eingriff in das Eigentum der Ortsgemeinden hat nicht stattgefunden. Vielmehr hatten der gesetzliche Richter – und das war und ist die Agrarbehörde – über die wahren Eigentumsverhältnisse entschieden und diese Entscheidungen waren in Rechtskraft erwachsen. schnitzen2 Es war unter anderem die Aufgabe der Agrarbehörden zu klären und zu entscheiden, ob die um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert und später geschaffenen Grundbucheintragungen richtig waren. Wenn die Agrarbehörde als zuständiges Organ des Staates entschieden hatte und wenn diese Entscheidung rechtskräftig war, dann galt Rechtskraft im Sinn von „ne bis in idem“, dh: es gibt kein weiteres, neues Verfahren und – was entschieden wurde, gilt. Dies unabhängig davon, ob diese rechtskräftige Entscheidung tatsächlich gerecht war oder nicht. Rechtskraft ist Recht! Und in diesem Sinn war rechtskräftig entschieden, dass nicht die Ortsgemeinde, sondern gerade die Agrargemeinschaft Eigentümerin ist. Das war dem Verfassungsgericht natürlich bewusst. Deshalb wurde die „offenkundig verfassungswidrige Behördenentscheidung“ aus dem Hut gezaubert. Auch eine solche ist natürlich rechtskräftig und unabänderlich. Mit einer „offenkundig verfassungswidrigen Entscheidung“ glaubte sich das Verfassungsgericht jedoch einen bereiteren Raum zur „verfassungskonformen Auslegung“ zu verschaffen. Zumindest wurde eine solche Möglichkeit in Anspruch genommen und die historischen Entscheidungen auf ein Eigentum der Agrargemeinschaft wurden inhaltlich „verbogen“ bis zur Unkenntlichkeit: Das Eigentum der Agrargemeinschaft wurde zu einem Substanzrecht der Ortsgemeinde umgestaltet! Bemerkenswert ist, dass alle Entscheidungen, die auf ein Eigentum der Ortsgemeinde lauteten, wie zB in Sölden, in St. Anton, in Fiss, in Weissenbach oder in Reutte unreflektiert als richtig vorausgesetzt werden. In angeblich 93 Fällen wurde in Tirol auf ein Eigentum der Ortsgemeinde entschieden; alle diese Entscheidungen werden unbeanstandet als richtig vorausgesetzt. Alle Entscheidungen, lautend auf ein Eigentum einer Agrargemeinschaft, seien dagegen falsch. Diese Entscheidungen hätten entgegen der rechtskräftigen Feststellung eines Eigentums der Agrargemeinschaft zum besagten „Substanzrecht der Ortsgemeinde“ geführt. image001 Wenn man davon absieht, dass in all diesen Fällen ohnehin rechtskräftige Entscheidungen vorliegen, wonach gerade nicht die Ortsgemeinde wahre Eigentümerin war, sondern die (unregulierte) Agrargemeinschaft, so hätte man die Frage der wahren Eigentümerschaft anhand der Regeln über den Eigentumserwerb zu prüfen. Wenn über Jahrhunderte die jeweiligen Nachbarschaften bestimmte Liegenschaften als ihr Eigentum in gutem Glauben genutzt und verwaltet haben, so waren diese Nachbarschaften jedenfalls “Nutzungseigentümer” nach historischem Verständnis. Als der Tiroler Landesfürst im Verlauf des 19. Jahrhunderts sein (behauptetes) Obereigentum über die Gemeinschaftsliegenschaften aufgeben musste, sind die jeweiligen Nutzungseigentümer zu “Volleigentümern” geworden. Nur diejenigen, die eine Liegenschaft immer genutzt hatten, konnten bei Abschaffung des landesfürstlichen Obereigentums Volleigentümer werden und das waren die jeweiligen Nachbarschaften zusammengesetzt aus den betreffenden Hofbesitzern. Für die These, dass eine Staatsorganisation wie die heutige politische Ortsgemeinde dem Tiroler Landesfürsten als neue Obereigentümerin nachfolgen sollte, besteht keinerlei Anhaltspunkt. Nur der Umstand, dass diese Nachbarschaften in verschiedenen Rechtsakten seit jeher als „Gemeinde“ bezeichnet wurden, sorgt für Verwirrung. Frei erfunden ist die These, dass der Tiroler Landesfürst die heutigen politischen Ortsgemeinden in Tirol beschenken wollte, als er das Obereigentum über die Tiroler Wälder und Almen abgeschafft hat.

ERFUNDENE SCHENKUNGSTHEORIE

Warum ist die Idee von einer historischen Beschenkung der heutigen politischen Ortsgemeinden so verbreitet? Die angebliche Rechtsposition der heutigen Ortsgemeinden als Eigentümerinnen der Nachbarschaftsgründe wird aus einer Namensgleichheit abgeleitet. Über Jahrhunderte wurden die Nachbarschaften als “Gemeinde” bezeichnet. Beispielsweise spricht das Tiroler Forstregulierungspatent von 1847 von “berechtigten Gemeinden” sowie von “zum Holzbezug berechtigten Gemeinden”, weil der Begriff „Gemeinde“ im historischen Sprachgebrauch für beliebige Personenverbände verwendet wurde. Bezeichnender Weise spricht der Codex Theresianus, ein Gesetzesentwurf aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts davon, dass bereits eine Versammlung von drei Personen eine „Gemeinde“ bilde. schnitzen Bezeichnend ist, dass weder der Verfassungsgerichtshof, noch der Verwaltungsgerichtshof sich bis heute jemals mit der Frage auseinander gesetzt hat, wie denn die heutigen politischen Ortsgemeinden in Tirol überhaupt Eigentümerinnen von land- und forstwirtschaftlich genutzten Grundstücken geworden sein könnten. In allen einschlägigen Erkenntnissen wird das historische Eigentum der Ortsgemeinden nur fingiert. Umso erstaunlicher ist das Ausmaß der Umgestaltung des Rechts der Agrargemeinschaften in Tirol, die mit zwei Gesetzesnovellen zum Tiroler Flurverfassungslandesgesetz (TFLG) vom 17.12.2009 LGBl 7/2010 und 14.05.2014 LGBl 70/2014 vollzogen wurde. Den Tiroler Kommunen wurde ein direkter Zugriff auf das Vermögen von rund 250 Agrargemeinschaften verschafft; und diese Agrargemeinschaften wurden im Ergebnis einer Gemeindeverwaltung unterworfen. So sind im 21. Jahrhundert im Herzen Europas „Gemeinde-Kolchosen“ entstanden Betroffen sind ca 150.000 ha an agrargemeinschaftlichen Liegenschaften in Tirol samt allenfalls darauf errichteten Baulichkeiten und Anlagen sowie viele Millionen Euro an liquiden Mitteln, Ersparnisse von mehreren Jahrzehnten. Solche neuen „Gemeinde-Kolchosen“ begegnen (derzeit) in rund 140 von insgesamt 279 Tiroler Ortsgemeinden.

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150.000 ha Grund und Boden

Max Paua

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Meilensteine einer Enteignung

Agrargemeinschaften in Tirol. Meilensteine einer entschädigungslosen Enteignung der Tiroler Bauern
Tiroler Landesregoierung 2012. (Foto: Stefan Elsler).

Die Tiroler Landesregierung. Allen voran ist Landeshauptmann Günther Platter verantwortlich – nicht als Erfinder und Urheber des Gemeindeguts-Irrsinnes, sondern weil er als Landeshauptmann persönlich darum bemüht war, möglichst viele Tiroler Agrargemeinschaften dem „Mieders-Erkenntnis 2008“ des Verfassungsgerichtshofes zu unterwerfen. Anstelle des Eigentums der Tirolerinnen und Tiroler sollte ein Substanzrecht der Ortsgemeinde treten.

Während die Landesregierung in Vorarlberg geprüft und überlegt hat, warum das „Mieders-Erkenntnis 2008“ des Verfassungsgerichtshofes auf die Agrargemeinschaften in Vorarlberg nicht anwendbar ist – und damit Erfolg hatte (mehr lesen), ist in Tirol das Gegenteil geschehen: Die wahren Sachverhalte wurden verzerrt und verbogen, bis alle namhaften Agrargemeinschaften dem Substanzrecht der Ortsgemeinde unterworfen waren.

Landeshauptmann Günter Platter hätte es bei Übernahme des Amtes im Sommer 2008 in der Hand gehabt, durch Bestellung einer Kommission von wirklichen Experten dem Gemeindeguts-Irrsinn entgegen zu treten. Diese Möglichkeit wurde in Tirol vertan. Ganz anders in Vorarlberg,  wo eine klug agierende Landespolitik einer „Infektion mit dem Gemeindeguts-Irrsinn“ effizient vorgebeugt hat. Vor dem Arlberg hatte der Gemeindeguts-Irrsinn keine Chance!

Zu Recht klagen deshalb die Tiroler Grundbesitzer, dass sie österreich- weit die einzigen sind, deren Eigentum dem Gemeindeguts-Irrsinn geopfert wird. Dem Gemeindeguts-Irrsinn geopfert, einem Phänomen das nicht auf Verfassung und Gesetz beruht, sondern auf dem Willen und den Vorstellungen des verstorbenen Universitätsprofessors und Verfassungsrichters Karl Spielbüchler.

 

 

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 Der Ärger der ca 15.000 Tiroler Stammsitzeigentümer, die entschädigungslos ihr Eigentum verlieren sollen, ist nachvollziehbar. Immerhin sollen 150.000 ha Grund und Boden den Eigentümer wechseln – von Privat zum Staat! Hinzu kommen die Bargeldbestände (angeblich 50 Millionen EUR) und die Investitionen und Verbesserungen aus den letzten 100 Jahren!  Und diese Enteignungsmaßnahmen treffen – trotz vergleichbarer Ausgangslage – nur die Tiroler, nicht die Vorarlberger und nicht die Agrarier im restlichen Österreich.

 

Meilensteine einer Enteignung

Der Justiz-Putsch 1982
Gegen Gesetz und Rechtskraft
Der Gemeindeguts-Irrsinn
Auf Messers Schneide
Leben mit dem Gem eindeguts-Irrnsinn
Wie es so weit kommen konnte

 

Der Justiz-Putsch 1982

Theoretische Vorarbeiten
Das Verkenntnis VfSlg 9336/1982
Systembruch 1982

Gegen Gesetz und Rechtskraft

Verfahrensrechtliche Vorarbeiten
Gegen Agrargemeinschaft Mieders
Ein falscher Bescheid
Fragenkatalog des VfGH
Mieders-Verkenntnis 2008

Der Gemeindeguts-Irrsinn

Absurdes Ergebnis auf fiktiver Grundlage
Falsche Prämissen als Fundament
150.000 ha Grundbesitz. 60 Millionen Cash
Nicht entschädigungswürdig? 
Von allen guten Geistern verlassen?

 

Auf Messers Schneide

Unterlangkampfen-Erkenntnis 2010
Mieders-Erk vs Unterlangkampfen-Erk
Das üble Nummernspiel des VwGH

Leben mit dem Gemeindeguts-Irrsinn?

Grundvermögen gedrittelt
Ein offenkundiges Unrecht
Wahnsinn mit Methode
Den Agrargemeinschaften geschieht Unrecht

 

Wie es so weit kommen konnte

Theoretische Vorarbeiten
Das Verkenntnis VfSlg 9336/1982
Systembruch 1982
Verfahrensrechtliche Vorarbeiten
Gegen Agrargemeinschaft Mieders
Ein falscher Bescheid
Fragenkatalog des VfGH
Mieders-Verkenntnis 2008
Absurdes Ergebnis auf fiktiver Grundlage
Unterlangkampfen-Erkenntnis 2010
Mieders-Erk vs Unterlangkampfen-Erk
Das üble Nummernspiel des VwGH
Grundvermögen gedrittelt
Ein offenkundiges Unrecht
Wahnsinn mit Methode
Den Agrargemeinschaften geschieht Unrecht

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Max Paua

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Das größte Übel ist
die Willkür

Enteignet durch das Land Tirol
Per Tiroler Landesgesetz wurden im 21. Jahrhundert die Tiroler Agrargemeinschaften um ihr Eigentum gebracht. Mit den Agrargemeinschaften gemeinsam wurden tausende Tirolerinnen und Tiroler enteignet. Das Land wurde von Exzessen gegen das Bauerneigentum erschüttert.
Und das Absurde ist: Die Tiroler Agrarbehörde zitiert in gut drei Viertel der Agrarbehördenbescheide, mit denen das Substanzrecht der Ortsgemeinde „festgestellt“ wird, die Deutsche Gemeindeordnung 1935 als eine wesentliche Rechtsgrundlage.
Die deutsche Gemeindeordnung 1935, ein NS-Kernunrecht, das zum 1. Oktober 1938 auch im „Land Österreich“ in Kraft gesetzt wurde, sei eine der Rechtsgrundlagen dafür, dass während der NS-Zeit die „Fraktionen“, das waren alte Agrargemeinden, ihr Eigentum zu Gunsten der modernen Ortsgemeinden verloren hätten.
Grundlage der Enteignung zum 1. Juli 2014 sind erfundene Fakten. Angeblich hätten die Bauern die Gemeinschaftsgüter den heutigen Ortsgemeinden geraubt. Es handelt sich um die erfundenen Fakten vom „Raub am Gemeindegut“.

Im Mai 2019 gibt es ein fünfjähriges „Jubiläum“ zum feiern: Fünf Jahre Verstaatlichung der Tiroler Agrargemeinschaften durch die Novelle 2014 zum Tiroler Flurverfassungs-Landesgesetz (LGBl 70/2014). Dies gibt Anlass zur Evaluierung der seit dem Mieder-Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 30.06.2008 in Tirol vollzogenen Maßnahmen. Dabei sticht Folgendes ins Auge:

Die Entscheidungen über die Frage, ob im Einzelfall ein „Substanzrecht“ der Ortsgemeinde vorliegt, das sog. „atypische Gemeindegut“, erfolgt durch die Landesbehörde anhand von Kriterien, die nicht dem entsprechen, was der Landesgesetzgeber mit der TFLG-Novelle 2009 wollte. Planmäßig sollten jene Agrargemeinschaften identifiziert werden, die aus Liegenschaften entstanden sind, die rechtswidrig den Ortsgemeinden entzogen wurden. In der TFLG-Novelle wurde formuliert: „ehemals im Eigentum der Ortsgemeinde“ standen (§ 33 Abs 2 lit c Z 2 TFLG 1996). Dies bedeutet, dass zu beurteilen wäre, wer wahrer Eigentümer war und deshalb Anspruch auf das Eigentum hatte.

Dies wurde und wird jedoch nicht getan. Die ehemaligen wahren Eigentumsverhältnisse werdne nicht geprüft. Deshalb werden vollkommen willkürliche Ergebnisse erzielt. Nachbarn werden als Diebe hingestellt, obwohl diese nur ihr Gemeinschaftseigentum verwalten.

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Das größte Übel bei der Enteignung der Tiroler Grundbeseitzer ist die Willkür!

Beispiel 1: Die Nachbarschaften Burgstall und Schwendau, Gemeinde Schwendau: 

a) Die Regulierungsgebiete sind aus einem einheitlichen Vergleich mit dem k.k. Ärar vom 20.12.1849 hervorgegangen; 

b) beide Liegenschaftskomplexe wurden im Zuge der Tiroler Grundbuchanlegung einer „Fraktion“ zugeordnet („Fraktion Burgstall der Gemeinde Schwendau“; Fraktion Schwendau der Gemeinde Schwendau);

c) Bei beiden Liegenschaften wurde im Zuge der Grundbuchsanlegung der idente Eigentumstitel angezogen („aufgrund Ersitzung …“) 

d) In beiden Fällen hat die Agrarbehörde seinerzeit entschieden, dass das Regulierungsgebiet Eigentum der betreffenden Nachbarschaften (Agrargemeinschaften) Burgstall und Schwendau sei;

e) Über Jahrzehnte haben die im Regulierungsverfahren festgestellten Mitglieder alle Eigentümerrechte nach aliquoten Anteilrechten unangefochten von der Ortsgemeinde ausgeübt.

Der LAS gelangte 2012 zu unterschiedlichen Beurteilungen. Angeblich hätte die Agrarbehörde im Zuge des historischen Regulierungsverfahrens in Schwendau ein „Gemeinschaftsgut“ qualifiziert (LAS -1106/4-11 vom 5.4.2012) und in Burgstall ein „Gemeindegut“ (LAS -1153/4-11 vom 26.04.2012). Was eine solche „Qualifizierung“ bedeuten soll, versteht kein Mensch. Dem TFLG 1996 idF LGBl 7/2010 entspricht das nicht. Von dieser „Qualifizierung“ soll jedoch abhängen, dass die Nachbarschaft Burgstall verstaatlicht wurde, die Nachbarschaft Schwendau hingegen nicht.

Beispiel 2: Nachbarschaften Nederseite-Niederthai und Sonnseite-Sennhof, Gemeinde Umhausen: 

a) Beide Liegenschaftskomplexe sind im Zuge der Tiroler Forstregulierung als Privateigentum „purifiziert“ worden;

b) Beide Liegenschaftskomplexe wurden im Zuge der Grundbuchanlegung auf eine „Fraktion“ einverleibt (Fraktion Niederthai Neaderseite, Fraktion Niederthai Sonnseite); 

c) Bei beiden Liegenschaftskomplexen wurde im Zuge der Grundbuchsanlegung im Jahr 1909 der idente Eigentumstitel angezogen („aufgrund Forsteigentums-Purifikations-Tabelle vom 14. Juni, verfacht am 28. September 1848 wird das Eigentumsrecht einverleibt für …“);

d) In beiden Fällen hat die Agrarbehörde seinerzeit entschieden, dass das Regulierungsgebiet Eigentum der betreffenden Nachbarschaften (Agrargemeinschaften) Nederseite-Niederthai und Sonnseite-Sennhof) sei;

e) Über Jahrzehnte haben die im Regulierungsverfahren festgestellten Mitglieder alle Eigentümerrechte nach aliquoten Anteilrechten unangefochten von der Ortsgemeinde ausgeübt.

Nur aufgrund angeblich unterschiedlicher „Qualifizierung“ durch die Agrarbehörde im Regulierungsverfahren wurde im Fall der Nachbarschaft Neaderseite ein „Gemeinschaftsgut“ angenommen (LAS -993/13-09 vom 15.12.2011), im Fall der Nachbarschaft Sonnseite-Sennhof ein „Gemeindegut“ (LAS -992/17-09 vom 16.10.2013), mit der Konsequenz, dass die Nachbarschaft Sonnseite-Sennhof verstaatlicht wurde. 

Beispiel 3: Nachbarschaften Innerer Aufschlag und Äußerer Aufschlag, Gemeinde Holzgau: 

a) Beide Liegenschaftskomplexe sind aus einem Vergleich mit dem k.k. Ärar 30. August 1848 hervorgegangen; 

b) Beide Liegenschaftskomplexe wurden im Grundbuch als „Nachbarschaften bestehend aus Fraktionen“ angeschrieben;

c) Bei beiden Liegenschaftskomplexen wurde im Zuge der Grundbuchsanlegung im Jahr 1911 der idente Eigentumstitel angezogen („Forstzuweisungsprotokoll“ vom 30. August 1848);

d) Bei beiden Liegenschaftskomplexen hat die Agrarbehörde seinerzeit entschieden, dass das Regulierungsgebiet Eigentum der betreffenden Nachbarschaften (Agrargemeinschaften) Innerer Aufschlag und Äußerer Aufschlag sei;

e) Über Jahrzehnte haben die im Regulierungsverfahren festgestellten Mitglieder alle Eigentümerrechte nach aliquoten Anteilrechten unangefochten von der Ortsgemeinde ausgeübt.

Auch hier soll eine angebliche „Qualifizierung“ im historischen Agrarbehördenverfahren den Ausschlag dafür geben, dass im Fall der Nachbarschaft Innerer Aufschlag kein „atypisches Gemeindegut“ vorliegen soll; im Fall der Nachbarschaft Äußerer Aufschlag soll hingegen „atypisches Gemeindegut“ vorliegen, mit der Konsequenz, dass die Nachbarschaft Äußerer Aufschlag verstaatlicht wurde.

In allen drei Beispielsfällen grenzen die Regulierungsgebiete aneinander; die Mitglieder sind quasi alle Nachbarn. Im Fall der Agrargemeinschaften (Nachbarschaften) von Niederthai (Umhausen) sind rund 50% der Mitglieder der einen Agrargemeinschaft auch Mitglied der anderen. Trotzdem sollen im einen Fall nur Nutzungen auf Gemeindeeigentum bestehen, im anderen Fall Miteigentum. Kein Agrargemeinschaftsmitglied kann diese Begründungen nachvollziehen. Der Begriff einer „Qualifizierung“ von agrargemeinschaftlichem Eigentum war früher völlig unbekannt.

Diese Judikatur entspricht offenkundig nicht dem Tiroler Landesgesetz. § 33 Abs 2 lit c Z 2 TFLG 1996 verlangt als Voraussetzung für ein Substanzrecht des Staates, dass eine Liegenschaft „vormals im Eigentum“ einer Ortsgemeinde stand.

„Atypisches Gemeindegut“ entsteht als Folge einer rechtswidrigen Wegnahme von Gemeindeeigentum („offenkundig verfassungswidrige Enteignung der Ortsgemeinde“). Die entscheidende Frage, ob die Agrarbehörde in der Vergangenheit eine Ortsgemeinde rechtswidrig um ihr Gut gebracht hat oder ob durch die historische Agrarbehörde lediglich das Grundbuch richtig gestellt wurde, wird heute jedoch nicht geprüft. 

Diese Judikatur, die nur nach einer historischen „Qualifizierung“ fragt, nicht jedoch nach den wahren historischen Eigentumsverhältnissen, ist zu verwerfen. Diese Form der „Gemeindegutsbeurteilung“ widerspricht offenkundig dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz, wonach Gleiches gleich zu behandeln ist (Art 2 B-VG). Eigentümer werden als Diebe behandelt, ohne dass der behauptete Diebstahl geprüft wurde.

Univ.-Doz. Dr. Bernd Oberhofer

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Von allen guten Geistern verlassen?
„Wir nehmen dein Haus und verrechnen Miete für die letzten 20 Jahre!“

Enteignet durch das Land Tirol
Wer gedacht hat, dass mit der entschädigungslosen Wegnahme der land- und forstwirtschaftlichen Erträgnise aus den agrargemeinschaftlichen Liegenschaften („Überling“) der Zenit des Unrechts erreicht sei, der hat sich gründlich geirrt: Die Tiroler Landesregierung unter der GFührung von Günter Platter schafft es, das Unrecht zu Lasten von tausenden Tirolerinnen und Tirolern noch zu übertreffen: Kinder sollen Ausschüttungen an ihre Eltern zurückzahlen; Erben und Käufer sollen für Rechtsvorgänger bezahlen – und das für zwanzig Jahre rückwirkend! Nirgendwo in EU scheint solches denkbar. Die Tiroler Landesregierung macht es möglich.

 

Wer gedacht hat,  mit der Wegnahme der Verfügungsbefugnisse, mit der Wegnahme aller Nutzungen und mit der Wegnahme der Ersparnisse sei die Sache für die Tiroler Grundbesitzer erledigt (mehr lesen), der hat sich getäuscht.  Die Regierung Günther Platter schafft es noch tiefer!

Von allen guten Geistern verlassen?

Aufgrund der Novelle zum Tiroler Flurverfassungs-Landes-Gesetz aus dem Jahr 2017 sollen die Tiroler Gemeinden von den Agrargemeinschaftsmitgliedern alle Ausschüttungen einfordern, die in den letzten zwanzig Jahren (Stichtag ist der 01.01.1998!) an diese Mitglieder oder deren Rechtsvorgänger „aus Substanzerlösen“ geleistet wurden.

Was hier in Gang gesetzt werden soll, ist für die Betroffenen eine schlichte Katastrophe! Von den Tiroler Politikern scheint sich jedoch niemand zu interessieren!

Ganz im Gegenteil:  Landeshauptmann Günther Platter hat sich seine Erklärung an die Stammsitzeigentümer schon zu Recht gelegt. „Schaut her! Ganz einfach. Denkt  an einen Hauseigentümer!  Zuerst nehmen wir ihm das Eigentum an Haus – und dann lassen wir ihn für die letzten zwanzig Jahre Miete zahlen.“

 

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TFLG-NOV 2017: KATASTROPHE FÜR MITGLIEDER

Diese Rückforderungen sollen durchgesetzt werden,
* egal, ob die seinerzeitigen Auszahlungen ausdrücklich von der Agrarbehörde genehmigt wurden (dies gilt für die Jahre 1998, 1999),
* egal, ob rückwirkende Strafen verfassungswidrig sind,
* egal, ob rückwirkende Steuern verfassungswidrig sind,
* egal, ob heute die Kinder für ihre Eltern zahlen sollten,
* egal, ob Käufer von Agrargemeinschaftsanteilen für ihre Rechtsvorgänger bezahlen sollen“!

Jedem redlichen Staatsbürger stellen sich hier die Haare zu Berge. Die Tiroler Politiker interessiert das allerdings nicht. Und der Landeshauptmann kann oder will es nicht verstehen.

Agrargemeinschaftsmitglieder haben in Tirol unter Landeshauptmann Günther Platter alle Rechte verloren!
Gegen dieses Unrecht gilt es anzukämpfen.

Bedauerlicherweise gibt in Tirol eine Clique von hohen Verwaltungsbeamten (Leiter Verfassungsdienst, Leiter Agrarbehörde usw) die Schrittrichtung vor. Solange es gegen die Agrarier geht, ist jedes Mittel Recht! Und der Landeshauptmann ist nicht im Stande, das Unrecht zu erkennen, geschweige denn das Unrecht einzudämmen!

AUSSCHÜTTUNGEN BIS 1998

Betroffen sind jene Agrargemeinschaften, die aus ihrem Grundbesitz etwas gemacht haben – die Kreativen, die Tüchtigen, die Rührigen, diejenigen die mitgeholfen haben, Tirol zu dem zu machen, was es heute ist. Klassisches Beispiel Schönberg, wo die Attraktion Europabrücke genutzt wurde, um eine Autobahnraststation zu bauen. Wer tüchtig war und etwas geschaffen hat – soviel, dass er an die Mitglieder Auszahlungen leisten konnte, der soll unter der Regierung Günther Platter mit einer saftigen Strafzahlung an die Gemeinde „belohnt“ werden!

GUTGLAUBENSSCHUTZ – NIE DAVON GEHÖRT

Dass jede einzelne Ausschüttung bis zum Jahr 2000 von der Agrarbehörde mit Bescheid genehmigt wurde, interessiert unter der Regierung Günther Platter nicht! Genauso wenig interessiert der Umstand, dass viele heutige Mitglieder Kinder waren, als ihre Eltern die Ausschüttungen beschlossen haben.

Rechtskraft, Gutglaubensschutz, Vertrauen auf Bescheide der Landesregierung, das Verbot von rückwirkenden Straf- und Steuergesetzen – das alles sind Selbstverständlichkeiten in zivilisierten Rechtsstaaten! Nur in Tirol unter der Regierung Günther Platter sind diese fundamentalen Eckpfeiler eines zivilisierten Rechtsstaates außer Kraft.

STEUER AUF DIE STEUER

Steuern von der Steuer sind verboten – verboten, verfassungswidrig, ein juristisches Unding! Die Regierung Günther Platter hat es geschafft, den Mitgliedern noch viel schlimmeres Übel zuzumuten: Sie sollen eine Steuer ein zweites Mal bezahlen!

Bei der Ausschüttung an die Eltern vor 10 Jahren hat der Staat in der Person des Finanzministers kassiert. Die Regierung Günther Platter macht es möglich, dass der Bürgermeister 10 Jahre später genau diesen Steuerbetrag ein zweites Mal kassiert! In jedem zivilisierten Rechtsstaat wäre das ein Ding der Unmöglichkeit. Unter Landeshauptmann Günther Platter NULL PROBLEM!

Man fragt sich, welcher Teufel die Tiroler Landesregierung geritten hat, als dem Tiroler Landtag im Jahr 2017 eine solche Gesetzesbestimmung zur Beschlussfassung vorgelegt wurde!

GESETZESNOVELLE ERFORDERLICH

Es ist offensichtlich, dass diese Rückzahlungsregelung durch eine neuerliche Flurverfassungs-Landesgesetz-Novelle schleunigst entschärft werden muss. Offensichtlich ist das für jeden Bürger, der mit den fundamentalen Grundsätzen eines zivilisierten Rechtsstaats verbunden ist!

Alles was die Mitglieder in gutem Glauben an die Rechtmäßigkeit einer Ausschüttung erhalten haben, kann Jahrzehnte später keiner Rückforderung unterliegen – schon gar nicht von einem Erben oder von einem Anteilskäufer!

Noch vielmehr gilt dies für eine Steuer, die der Staat auf Ausschüttungen kassiert hat. Den Bürgermeister mit dem neuerlichen Inkasso derartiger Beträge zu beauftragen, ist geradezu unanständig! Es wird so getan, als würde dieses Geld dem Staat fehlen – dabei ist das Geld im Säckel des Finanzministers eingegangen.

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Meint euer
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MP

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Wie es kam,
dass die Tiroler
enteignet wurden

Enteignet durch das Land Tirol
Enteignet durch das Land Tirol.
Enteignet wegen Verwechslung und Inkompetenz.

Die Agrargemeinschaft, das unbekannt Wesen – so kann man die juristisch-wissenschaftliche Beurteilung der agrarischen Gemeinschaften am Besten zusammenfassen.

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Ein Bericht des Niederösterreichischen Landesausschusses vom 21. September 1878, veranlasst durch eine Petition zweier niederösterreichischer Gemeinden, legt die gesamte Problematik des „Gemeindegutes“ in bis heute unübertroffener Weise offen:

Ist diese moderne Gemeinde, dieser Mikrokosmos des Staates, diese juristische Person aber noch dasselbe wie die alte Dorfmark mit ihrer Wirtschaftsgenossenschaft? Gewiss nicht, der territoriale Umfang und der Name ist derselbe geblieben, die Sache, der Begriff haben sich völlig geändert. Im Kataster aber und im Grundbuch steht noch der Name ‚Gemeinde’; wer ist nun das Rechtssubjekt bezüglich der dort eingetragenen Gemeindegründe?

Die alte Organisation der Nachbarschaft ist zertrümmert. Zu einer Zeit entstanden, da Privatrecht und öffentliches Recht nicht so begrifflich geschieden waren wie heute, verlor sie im modernen Staate den öffentlichen Charakter, ohne dass man daran dachte, ihre genossenschaftliche Organisation in bezug auf ihre Privatrechte zu erhalten, da keine der römisch-rechtlichen Formen schlechtweg auf sie anwendbar war. Die ‚Gemeinde’ erschien in allen Urkunden als Eigentümerin und so beerbte die moderne Gemeinde ihre Mutter, die Nachbarschaft, ohne dass Letztere gestorben wäre. Wenn man aber die Geschichte vergaß – die noch lebende Tatsache konnte man nicht ignorieren. Tatsächlich waren die Besitzer gewisser Häuser im Genusse oder im beschränkten oder unbeschränkten Mitgenusse gewisser Grundstücke. Man versuchte zuweilen, diesen faktischen Genuß aus dem Begriffe der Dienstbarkeit zu erklären. Das ist aber nicht nur historisch grundfalsch, sondern auch den tatsächlichen Zuständen nicht entsprechend.

Da man nun kein Schubfach fand, in welches man diese Rechtsverhältnisse stecken konnte, so ließ man sie einfach als weiter nicht definierbare Nutzungsrechte gelten. Ein Recht aber, durch welches ein scheinbar zweifelloses, auf Privat- und öffentliche Urkunden gegründetes Eigentum beschränkt wird, ein Recht, dessen Ursprung in Vergessenheit geraten, dessen Titel unauffindbar, dessen juristische Qualität undefinierbar, dessen Grenzen unsicher sind, ein solches Recht mußte den Verdacht der Usurpation erwecken, es mußte der rationalistischen Rechtsschule verdächtig und unbequem sein, den nicht berechtigten Gemeindemitgliedern als ein gehässiges Vorrecht erscheinen; das gute alte Recht der Nachbarn erschien als ein Raub an der Gemeinde, ihr Eigentum wurde als Diebstahl betrachtet, ein solcher Zustand mußte zum Kampfe herausfordern, und der Kampf begann auch wirklich…

Bericht des Niederösterreichischen Landesausschusses betreffend die Regelung der Besitz- und Nutzungsverhältnisse des Gemeindeeigentums vom 21. September 1878, XXVII der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des niederösterreichischen Landtages, 5. Wahlperiode, Seite 8

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Tirol hat sich dabei besonders im negativen Sinn hervorgetan.
Statt die historische Wahrheit zu erforschen, hat man Legenden verbreitet (Legende von der Schenkung an die politischen Ortsgemeinden); anstatt scharfer juristischer Analyse und Schlussfolgerung wird ein verbales Verwirrspielen und Rabulistik betrieben (2006: Umstieg auf das Märchen vom Gemeindegut);
statt der notwendigen Differenzierung zwischen Servitutenablösung, Eigentumspurifizierung (die Maßnahmen für Nordtirol) und Waldzuweisung (die Maßnahme in Süd- und Osttirol), wird die Falschbehauptung verbreitet, in Nordtirol hätte eine „Waldzuweisung an die politische Gemeinde“ stattgefunden (Falschdarstellung der Forstregulierung 1847).

Die Tiroler Agrarier werden enteignet, weil der Volkszorn das angeblich verlangt (mehr dazu). Tatsächlich hat eine Clique von Hofräten der Landesregierung die Fäden gezogen – angeführt von Hermann Arnold, ehemals Landesamtsdirektor (mehr dazu). Freilich haben sich die Agrarier und ihre Standesvertreter bisher außer Stande gesehen, die historischen Fakten offenzulegen und die Legitimität des Gemeinschaftseigentums der Hofbesitzer nachzuweisen – nachzuweisen und nach außen glaubwürdig zu vertreten. (Versagen des Bauernbundes)

Begonnen hat die Missäre des Tiroler Gemeinschaftseigentums damit, dass die Einführung des modernen Grundbuchs in Tirol über mehr als fünfzig Jahre lang verschleppt wurde. (mehr dazu) Das war die Zeit, in der sich die moderne Ortsgemeinde als Verwaltungsorganisation für die Gemeinschaftsliegenschaften durchsetzen konnte. (mehr dazu)

Bedauerlicher Weise hat der Tiroler Bauernstand die sinnvollen Vorbereitungen auf die Grundbuchanlegung unterlassen. So kam es, dass ein verarmter Adeliger aus dem Richterstand, Stephan Ritter von Falser, mit seinem 1896 veröffentlichten Büchlein Wald und Weide im Tirolischen Grundbuch“ den Takt vorgegeben hat. (mehr dazu)

Stephan von Falser hat die Tiroler Forstregulierung von 1847 kurzerhand umgedeutet in eine kaiserliche Schenkung an die moderne Tiroler Ortsgemeinde. (Falschdarstellung der Tiroler Forstregulierung) Weil Stephan von Falser nicht nur Autor, sondern auch noch ein einflusreicher Richter am Oberlandesgericht Innsbruck war, war es um das Eigentum der Tiroler Nachbarschaften über Nacht ganz schlecht bestellt. Über Nacht war die Verwaltungstätigkeit der Ortsgemeinden durch einen Eigentumstitel legitimiert: Eine kaiserliche Schenkung hätte den politischen Ortsgemeinden im Jahr 1847 Eigentum an den Bauernwäldern und an den Almen verschafft! (mehr dazu)

Munter und ungehindert haben deshalb die Tiroler Grundbuchjuristen hunderte Nachbarschaftsliegenschaften als „Gemeindeeigentum“ erfasst (mehr dazu). Ausnahmen im Grundbuch Außer- und Innervilgraten und in Untertillach bestätigen die Regel (mehr dazu). Nur beim Teilwaldeigentum, das laut Stephan von Falser als eine  Gemeindgutsnutzung im Grundbuch nicht erfasst werden sollte,  setzten sich die Bauern durch – Josef Schraffl sei Dank! (mehr dazu)

Letztlich ist es Dr. Albert Mair zu verdanken, dass bei der Tiroler Agrarbehörde die Unrichtigkeit der „Schenkungstheorie“ bekannt gemacht wurde. Im entscheidenen  Zeitraum, Anfang der 1980er Jahre, als Karl Spielbüchler sich daran machte, die Flurverfassung zu zerschlagen (mehr dazu), war Albert Mair jedoch bereits zur Landes-Hypothekenbank abgewandert. Die inkompetenten Stellungnahmen der Tiroler Landesregierung im Gesetzesprüfungsverfahren VfSlg 9336/1982, sind maßgeblich mitverantwortlich dafür, dass das Gemeindegut in Tirol – entgegen der historischen Wahrheit (mehr dazu) – als Gemeindeeigentum hingestellt werden konnte. (mehr dazu)

Einflussreiche  Mitglieder der juristisch ausgebildeten Tiroler Beamtenschaft haben nach dem Abgang von Alt-LH Eduard Wallnöfer die „Rekommunalisierung der Agrargemeinschaften“ offenkundig geplant und vorangetrieben ! (mehr dazu)

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Die Agrargemeinschaft als unbekanntes Wesen

„Durch viele Jahrzehnte sind die ‚Agrargemeinschaften’  von Gesetzgebung und Rechtssprechung in Österreich so stiefmütterlich behandelt worden, daß es notwendig sein dürfte, eine Erklärung über ihr Wesen an die Spitze dieser Erörterung zu stellen. Wenn wir dabei von allen Fragen der rechtlichen Konstruktion, von allem Strittigen gänzlich absehen, können wir von ‚Agrargemeinschaften’ zum mindesten immer dann sprechen, wenn eine landwirtschaftliche Liegenschaft im Eigentum einer Mehrheit von Personen steht und den Wirtschaftsbetrieben aller dieser Personen dient, ohne die Grundlage eines ganz selbständigen Wirtschaftsbetriebes zu sein. Der praktisch wohl bedeutsamste Fall ist die Alpe, auf welche alle anteilberechtigten Bauern ihr Vieh treiben.
Ohne zunächst auf die Frage der gesetzlichen Zulässigkeit einzugehen, muss doch schon hier betont werden, daß das praktische Rechtsleben immer und immer wieder versucht hat, bei diesen ‚Agrargemeinschaften’ Sätze zur Geltung zu bringen, welche der sonstigen Regelung des Miteigentums und der Gesellschaft im bürgerlichen Recht und insbesondere dem Grundbuchsrecht (wenigstens in seiner landläufigen Auslegung) widersprechen. Wiederholt haben sich die Teilhaber an einer solchen Gemeinschaft dem – übrigens nur selten vorgekommenen – Versuche eines unter ihnen, das Verhältnis durch die actio communi dividundo zur Auflösung zu bringen, widersetzt. Sehr häufig ist das ‚Miteigentum’ realrechtlich gebunden, grundbücherlich an das Eigentum bestimmter Realitäten, der ‚Rücksitze’, geknüpft. Ja, es begegnet die Strömung, eine Loslösung von diesen Stammrealitäten überhaupt nicht zuzulassen. Und in nicht ganz seltenen Fällen finden wir eine Eintragung des ‚Miteigentums’ entgegen der angeblich zwingenden Vorschrift des § 10 BGG, nicht nach Quoten, sondern nach anders bestimmten Anteilen oder auch ohne jede solche Bestimmung. Schließlich gibt es merkwürdige Bildungen, bei denen kraft uralter Gewohnheit die Eigentümer der Stammrealitäten in dieser Eigenschaft die Träger öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen, z.B. der Wegerhaltung, oder anderseits besonderer Individualrechte, z.B. eines Erbbegräbnisses oder eines Kirchensitzes, sind.
Die Gründe, welche durch lange Zeit die Aufmerksamkeit von diesen gewiss nicht uninteressanten Gestaltungen abgelenkt haben, sind mannigfach. Zunächst fehlte dem nur romanistisch gebildeten Juristen der Blick für diese ursprünglichen Triebe bodenständigen deutschen Rechtes. Dann aber suchte die Flutwelle des wirtschaftlichen Liberalismus auch hier, wie anderwärts, alle aus der Vergangenheit stammenden Bindungen zu beseitigen, und den Gemeinteilungsgesetzen fiel neben manchen durch eine naturnotwendige Entwicklung Überlebten eine große Zahl lebensfähiger Gemeinschaften – einem Schlagwort zuliebe – zum Opfer. Schließlich mag auch der Blick der Juristen überhaupt einseitig auf städtische Verhältnisse gerichtet gewesen sein, sodass man von der Zahl und Bedeutung der Agrargemeinschaften im bäuerlichen Leben keine rechte Vorstellung hatte und sie höchstens als ‚Anomalie’ betrachtete.“
(Hugelmann, Die Theorie der „Agrargemeinschaften“ im österreichischen bürgerlichen Recht, Zeitschrift für Notariat und freiwillige Gerichtsbarkeit in Österreich, 1916, 126 ff) Diese Worte von Karl Gottfried Hugelmann, mit denen er 1916 seine Abhandlung „Die Theorie der ‚Agrargemeinschaften’ im österreichischen Recht“ einleitete, erklären Vieles von dem, was Anlass zur vorliegenden Publikation gegeben hat.

Ähnliche Überlegungen enthielt schon rund vier Jahrzehnte zuvor ein Bericht des Niederösterreichischen Landesausschusses vom 21. September 1878, veranlasst durch eine Petition zweier niederösterreichischer Gemeinden: „Ist diese moderne Gemeinde, dieser Mikrokosmos des Staates, diese juristische Person aber noch dasselbe wie die alte Dorfmark mit ihrer Wirtschaftsgenossenschaft? Gewiss nicht, der territoriale Umfang und der Name ist derselbe geblieben, die Sache, der Begriff haben sich völlig geändert. Im Kataster aber und im Grundbuch steht noch der Name ‚Gemeinde’; wer ist nun das Rechtssubjekt bezüglich der dort eingetragenen Gemeindegründe? Die alte Organisation der Nachbarschaft ist zertrümmert. Zu einer Zeit entstanden, da Privatrecht und öffentliches Recht nicht so begrifflich geschieden waren wie heute, verlor sie im modernen Staate den öffentlichen Charakter, ohne dass man daran dachte, ihre genossenschaftliche Organisation in bezug auf ihre Privatrechte zu erhalten, da keine der römisch-rechtlichen Formen schlechtweg auf sie anwendbar war. Die ‚Gemeinde’ erschien in allen Urkunden als Eigentümerin und so beerbte die moderne Gemeinde ihre Mutter, die Nachbarschaft, ohne dass Letztere gestorben wäre. Wenn man aber die Geschichte vergaß – die noch lebende Tatsache konnte man nicht ignorieren. Tatsächlich waren die Besitzer gewisser Häuser im Genusse oder im beschränkten oder unbeschränkten Mitgenusse gewisser Grundstücke. Man versuchte zuweilen, diesen faktischen Genuß aus dem Begriffe der Dienstbarkeit zu erklären. Das ist aber nicht nur historisch grundfalsch, sondern auch den tatsächlichen Zuständen nicht entsprechend. Da man nun kein Schubfach fand, in welches man diese Rechtsverhältnisse stecken konnte, so ließ man sie einfach als weiter nicht definierbare Nutzungsrechte gelten. Ein Recht aber, durch welches ein scheinbar zweifelloses, auf Privat- und öffentliche Urkunden gegründetes Eigentum beschränkt wird, ein Recht, dessen Ursprung in Vergessenheit geraten, dessen Titel unauffindbar, dessen juristische Qualität undefinierbar, dessen Grenzen unsicher sind, ein solches Recht mußte den Verdacht der Usurpation erwecken, es mußte der rationalistischen Rechtsschule verdächtig und unbequem sein, den nicht berechtigten Gemeindemitgliedern als ein gehässiges Vorrecht erscheinen; das gute alte Recht der Nachbarn erschien als ein Raub an der Gemeinde, ihr Eigentum wurde als Diebstahl betrachtet, ein solcher Zustand mußte zum Kampfe herausfordern, und der Kampf begann auch wirklich…“
(Bericht des Niederösterreichischen Landesausschusses betreffend die Regelung der Besitz- und Nutzungsverhältnisse des Gemeindeeigentums vom 21. September 1878, XXVII der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des niederösterreichischen Landtages, 5. Wahlperiode, Seite 8)

„Neben dieser Entwicklung, mit welcher sich der Bericht [des Niederösterreichischen Landesausschusses] vorwiegend befaßt und welcher er eine abschließende gesetzliche Regelung angedeihen lassen will, ist noch eine andere möglich und auch wirklich vorgekommen: daß nämlich die alten ‚Nachbarn’ ihr ausschließliches Recht am ‚Gemeindenutzen’ im alten Sinne behaupteten, dass die alte Gemeinde von der neuen überhaupt nicht beerbt wird, daß das alte Genossenrecht als reines Privatrecht fortlebt, welches aber eben in Folge seiner Herkunft von den römisch-rechtlichen Kategorien abweicht. Gerade diese Bildungen aber sind es, welche gegenüber den Formen des Gemeindegutes Agrargemeinschaften privatrechtlichen Charakters darstellen“. Diese Zeilen Hugelmanns zum Bericht des niederösterreichischen Landesausschusses von 1878 nehmen vieles vorweg, was in den Beiträgen dieses Bandes insbesondere für den historischen Rechtsraum des heutigen Nordtirol, die seinerzeitigen Kreise „Oberinntal einschließlich des Lechtals“ und „Unterinntal einschließlich des Wipptals“ untersucht wird.

Tirol beweist besondere Ignoranz!

„Tirol ist anders.“ Der bekannte Slogan der Tiroler Fremdenverkehrswirtschaft gilt gerade auch im Zusammenhang mit juristisch-historischen Phänomenen. „Vielleicht in keinem Kronlande Oesterreichs ist die Liebe zum Althergebrachten so ausgeprägt, wie in Tirol“, so wohlwollend formulierte dies der Innsbrucker Oberlandesgerichtspräsident Alois von Mages 1883. (Mages, Die Güterzerstückungs-Vorschriften für Tirol, Innsbruck 1883, 3) Rechtshistorische Probleme sind daher in Tirol teils länger, teils später von Bedeutung als in anderen Ländern: Den Kampf um die Gemeinschaftsliegenschaften der Nachbarn vollziehen die Tiroler im 21. Jahrhundert, während er der Niederösterreichischen Landesregierung schon im Jahr 1878 (!) unter den Nägeln brannte. (Bericht des Niederösterreichischen Landesausschusses vom 21. September 1878, FN 2)

„Tirol ist anders“ – das gilt auch für den „Tiroler Weg“ im Umgang mit dem Phänomen des historischen Gemeinschaftsvermögens der alten Nachbarn, mit einer Rechtsposition, „dessen Ursprung in Vergessenheit geraten, dessen Titel unauffindbar, dessen juristische Qualität undefinierbar, dessen Grenzen unsicher sind“: Einer Wahlbewegung zur Landtagswahl 2008, die sich einem vermeintlichen Restitutionsanspruch der politischen Ortsgemeinden gegen die Agrargemeinschaften verschrieben hatte, ist es mit Unterstützung der Medien gelungen, eine Stimmung im Land zu schaffen, die sich jeden Verständnisses für historische Hintergründe entledigt hat. Die aktuellen Tiroler Verhältnisse unterscheiden sich deshalb grundlegend von denjenigen des Jahres 1878 in Niederösterreich, weil dem Tiroler Landesgesetzgeber heute das erforderliche historische Verständnis in mehrfacher Weise fehlt: für die Hintergründe des nachbarschaftlichen Gemeinschaftseigentums, für das Selbstverständnis der alten Nachbarschaften als privater Gemeindeverband, für die Umgestaltung des sozialen Siedlungsverbandes vom privatautonomen Verband zur politischen Ortsgemeinde, für die verbliebene Privatgemeinde der Nachbarn als Besitzgesellschaft, ohne in die Augen springende gesetzliche Grundlage zur Errichtung von Statuten und organschaftlichen Vertretung.

Gemeindeverwaltetes Gemeinschaftsvermögen

Beinahe zwangsläufig kam es dazu, dass viele Gemeinschaftsliegenschaften nach den Regeln verwaltet wurden, die vom politischen Gemeinderecht für Gemeindeeigentum vorgegeben waren. Konflikte resultierten daraus freilich nur in denjenigen Ländern der Monarchie, wo infolge demographischer, sozialer und rechtlicher Veränderungen schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine bedeutende Anzahl neuer Gemeindeglieder entstand, die aber weiterhin von der Nutzung der „gemeinen Liegenschaften“ ausgeschlossen waren. Im historischen Tirol blieben die alten Gemeindeglieder hingegen noch Jahrzehnte unter sich. Für eine Unterscheidung von historischem Privatvermögen der alten Agrargemeinde und Gemeindevermögen der neuen politischen Ortsgemeinde bestand deshalb kein Anlaß. Noch 50 Jahre nach Errichtung der heutigen Ortsgemeinden unterschied man deshalb im Zuge der Grundbuchsanlegung das gemeinschaftliche Privateigentum und das Eigentum der politischen Ortsgemeinde vielfach nicht voneinander. Das Wissen um einen Gemeinschaftsverband nach privatem Recht konnte unter diesen Umständen oft abhandenkommen. Wo die Gemeinden sich aus Ortschaften zusammensetzten, deren Stammliegenschaftsbesitzer eigenes Gemeinschaftsvermögen besaßen, vermutete man „Fraktionsvermögen“. Zumindest dort jedoch, wo Stammliegenschaftsbesitzer aus mehreren politischen Ortsgemeinden Gemeinschaftsbesitz bewahrt hatten, bestand ein Konsens der Rechtsgenossen, dass der betreffende Eigentumsträger von diesen politischen Gemeinden zu unterscheiden sei. Die Liegenschaften der „Lehensassengenossenschaft Rattenberg und Radfeld“ (Ez 1 GB Radfeld) und die „Waldgemeinschaft Kappl-See“ (Ez 105, GB See) geben beredtes Beispiel.

Ein bilder und tauber Landesgesetzgeber

Entsprechendes rechtshistorisches Verständnis vorausgesetzt, wüsste der Landesgesetzgeber von diesen Umständen, von den aus dem Nebeneinander von alter Agrargemeinde und neuer politischer Ortsgemeinde entstandenen Unterscheidungsschwierigkeiten und der daraus erwachsenen Aufgabenstellung an die „Commassionsbehörden“, die späteren Agrarkommissariate. Der historische Gesetzgeber hatte diesen Behörden unter anderem die Aufgabe zugedacht, das alte Gemeinschaftsvermögen, welches nach den klaren Gesetzesvorgaben seinen Charakter als privates „Klassenvermögen“ erhalten hatte, vom Eigentum der politischen Ortsgemeinde zu trennen, die Nutzungsrechte daran zu ordnen und für nachhaltige Vertretungs- und Geschäftsführungsverhältnisse zu sorgen. Die fehlende Sachkunde des Landesgesetzgebers spiegelt sich im Gesetzesbeschluss vom 17. Dezember 2009 wider, als Novelle zum Tiroler Flurverfassungsrecht LGBl 7/2010 am 19. Februar 2010 in Kraft getreten: Jedes historische Eigentum, welches irgendwann in der Geschichte einer „Gemeinde“ oder „Fraktion“ zugeordnet war, wird hier infolge einer unhistorisch isolierten Wortinterpretation in überschießender Weise als Eigentum der politischen Ortsgemeinde definiert, so als hätte es die bald 900jährige Geschichte der Tiroler Agrargemeinden nie gegeben. Dass der Gemeindebegriff gerade in Tirol vieldeutig war, wissen nicht nur Historiker (Illustrativ Beimrohr, Die ländliche Gemeinde in Tirol aus rechtsgeschichtlicher Perspektive, Tiroler Heimat – Jahrbuch für Geschichte und Volkskunde Nord-, Ost- und Südtirols Bd. 72, 2008, 161 ff ); 1917 stellte man zur Klärung eines konkreten Falles im Innenministerium Nachforschungen an und kam zu dem Ergebnis, „für die früheren Zeiten [könne] nur auf Grund spezieller Untersuchung jedes einzelnen Falles ein Urteil über das Verhältnis zweier Gemeinden gefällt werden. Steuergemeinde, Wirtschafts- und politische Gemeinde fallen in jener Zeit nicht immer zusammen, sondern stehen zu einander in verschiedenartig abgestuftem Verhältnisse.“ (AVA Wien, MdI, 14181/1917)

Freilich haben auch Missverständnisse der Tiroler Agrarjuristen dazu beigetragen, dass die Begriffe „Gemeinde“ bzw. „Fraktion“ vielfach zu Unrecht als Bezeichnung für die politische Ortsgemeinde bzw. deren politische Teilorganisation missverstanden wurden. Bis zu einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes von 1982 (VfSlg 9336) wurde dieser Mangel dadurch kompensiert, dass man das der politischen Ortsgemeinde oder der politischen Ortsfraktion zugeordnete, mit Nutzungsrechten zugunsten bestimmter Eigentümer von Stammliegenschaften belastete Vermögen, als nicht regulierte Agrargemeinschaft verstand. Die Stellung der politischen Ortsgemeinde wurde einer Treuhänder- und Vertretungsfunktion gleichgestellt, erlangt durch „Quasi-Erbschaft“, nicht zu Eigentum, sondern eben als „Agrargemeinschaft“. Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs Slg 9336/1982 wird heute in Tirol so verstanden, dass „Quasi-Erbschaft“ zu wahrem Eigentum der politischen Ortsgemeinde geführt hätte; das Erkenntnis vom 11. Juni 2008 Slg 18.446/2008 ist die logische Konsequenz aus den erstinstanzlichen Feststellungen, welche von der Tiroler Agrarbehörde im Bescheid vom 9. November 2006 zum Fall der Agrargemeinschaft Mieders getroffen wurden. Ohne Widerspruch beim Landesagrarsenat als Berufungsbehörde hervorzurufen, hatte der erstinstanzliche Bescheid festgestellt, dass das Regulierungsgebiet der Agrargemeinschaft Mieders ursprünglich, d.h vor Eigentumsübertragung auf die Agrargemeinschaft Mieders, wahres Eigentum der politischen Ortsgemeinde gewesen sei. Zusätzlich wurde festgestellt, dass im historischen Regulierungsverfahren nicht die Substanz des Eigentums, sondern nur die Nutzungsmöglichkeit für Wald- und Weidewirtschaft in der Agrargemeinschaft reguliert werden sollte. Der Wille der historischen Agrarbehörde sei darauf gerichtet gewesen, die Rechtsposition der politischen Ortsgemeinde am Regulierungsgebiet zu bewahren; dies trotz förmlicher Übertragung des Eigentumsrechts. Nur in diesem Sinn könne die historische Eigentumsregulierung in der Agrargemeinschaft Mieders verstanden werden. (S den auf den Seiten 4–8 des Originalerkenntnisses VfGH Slg 18.446/2008 wiedergegebenen Sachverhalt) Einen anderen Sachverhalt hatte der Verfassungsgerichtshof nicht zur beurteilen.

Die Beiträge auf dieser homepage zur Geschichte und Dogmatik der Agrargemeinschaften zeigen, dass die Sachverhaltsgrundlagen für das Erkenntnis VfSlg 18.446/2008 „Mieders-Erkenntnis 2008“, für die Tiroler Verhältnisse untypisch sind. Es steht der Verdacht im Raum, dass es sich um einen Sachverhalt handelt, den der zuständige Beamte, Dr. Josef Guggenberger, erfunden hat: erfunden, um ein Verfassungsgerichtshof-Erkenntnis gegen die Tiroler Agrargemeinschaften zu provozieren! Die Enteignung der Tiroler Agrargemeinschaftsmitglieder, die der Tiroler Landesgesetzgeber seit 2008 mit missionarischem Eifer betreibt, ist damit auf Sand gebaut!

Max Paua
(unter Verwendung der Einleitung von Kohl/Oberhofer/Pernthaler, Die Agrargemeinschaften in Tirol, 1ff)

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